Dschihadis down, Panik in den Foren Online-Propanganda-Seiten von al-Qaida galten als unbezwingbar. Weil Top-Seiten seit Wochen nicht mehr online sind, nähren sich Spekulationen über einen Cyber-War, bei dem westliche Geheimdienste die Oberhand behalten haben
Die Online-Propaganda der Dschihadisten galt lange Zeit als äußerst einflussreich, gefährlich, geschickt und unbesiegbar. Möglich, dass auch dieser Mythos stirbt. Jahrelang hat er für US-Regierungsstellen, Gründung von Watch-Dog-Organisationen, tausende Bücher, Millionen Artikel und unzählige dicke PDFs über den Information-War von Al Qaida und anderen gesorgt. Doch die Dschihado-Propaganda-Abteilung lahmt erheblich; die wichtigsten Foren sind seit Wochen außer Betrieb, zwei schafften es vor kurzem wieder ins Netz, nachdem sie zuvor auch lange Zeit abgeschaltet waren. Immer häufiger ist nun in den Medien die Rede von einem Cyber-Krieg, der gegen den "PR-Arm von Al-Qaida" geführt wird.
Wie immer sind die Berichte mit viel Spekulationen und Gemunkel verbunden, zum Beispiel natürlich darüber, wer für die Sabotage namhafter Islamisten-Foren verantwortlich ist - vielleicht gar westliche Geheimdienste?
Sicher ist nur, Meldungen über die Nichterreichbarkeit von Top-Foren datieren schon vom Juni dieses Jahres und nicht erst seit dem 11.September. Schon am 10.Juni meldete William McCants in seinem Spezialblog zum Online-Dschihad, dass mit al-Ekhlaas, Firdaws und Tawhed Topseiten down sind und damit die USA und ihre Verbündeten vielleicht doch einen Weg gefunden hätten, diese Seiten abzuschalten. Am 21. September berichtet McCants, dass al-Ekhlaas, das er für das wichtigste Forum hält, noch immer nicht funktioniert und sich Panik unter den Mitgliedern ausbreite, wie man anderen, zweitrangigen Foren entnehmen könnte. Dorthin waren al-Ekhlass-Mitglieder ausgewichen, um sich weiter auszutauschen.
"Members of one of these forums, Faloja, were overjoyed several days ago when someone posted an Ekhlaas link that worked. But problems with the sign-in page led to speculation that the new site is a trap. Wiser members are counseling others to wait until links are posted on Hesbah, the most exclusive of the Jihadi sites."
Unter den Islamisten-Experten, welche die Dschihado-Webseiten seit längerem beobachten, war man anderes gewohnt: ein Katz-und Mausspiel, bei dem der vife Gegner immer wieder aus einer anderen Ecke mit neuer IP herauslugte. Dass jedoch Seiten nun wochenlang down blieben, führte zu neuen Arbeitshypothesen. Erstens, dass die al-Qaida-Medien tatsächlich empfindlich gestört werden können und dass solche Störungen, wenn sie nur lange genug anhalten, zur Unruhe in den Foren-Gemeinden führen und dass schließlich zweitrangige Foren den Ausfall abfangen.
Anfang Oktober zeigte sich dann, dass auch die zweitrangigen Foren verschwanden:
"It has been almost a month since the top-tier Jihadi forums were taken down (with the exception of Hesbah-suspicious). Now the second-tier forums have been taken down: Faloja, al-Ma`arik al-Salafiyya, and Shura."
Abgesehen von Moblisierungsbestrebungen der Angegriffenen und Mutmaßungen über Zusammenhänge mit einem gleichzeitig laufenden Cyberwar zwischen rivalisierenden sunnitischen und schiitischen Gruppierungen, stellten sich in der Fachwelt die beiden großen Fragen "Wer wars?" und "Wie wichtig sind diese Foren eigentlich?".
Während einige Experten durchaus davon überzeugt sind, dass US-Geheimdienste bzw. die amerikanische Regierung für das große Abschalten veranwortlich sind, eröffnen andere, wie z.B. Steven R. Corman vom Consortium for Strategic Communication (CSC), ganz eigene Möglichkeitsräume. Für Corman waren weder die bekannten Watchdogs Aaron Weisburd und Rusty Shaklefor, noch die CIA oder ein anderer Geheimdienst verantwortlich, sondern die Betreiber der Dschihadi-Foren selbst. Weil sie entdeckt hätten, dass ihre Webseiten unfreiwillig Informationen an die falsche Seite geliefert haben oder weil sie eine für sie gefährliche Operation befürchteten. Anders sei eine derart lange Zeit offline nicht zu erklären.
"Perhaps they decided they were too good a source of intel for their enemies. Or maybe they uncovered some kind of threatening operation and pulled the plug."
Da sich zeigt, dass die Maus im assymmetrischen Konflikt vielleicht doch der Katze unterlegen ist, beweist das vielleicht auch, dass die Maus überhaupt nie richtig gefährlich war, ist an anderer Stelle zu lesen. Demnach würden solche Seiten überschätzt; es gäbe in der Region selbst keine große Aufmerksamkeit für al-Qaida-Publikationen und damit auch keinen bemerklenswerten Einfluss:
"Furthermore, nothing in the Arabic media would suggest these forums are in any way important. On a regular basis, I read Al-Hayat, Asharq Al-Awsat, Al-Masri Al-Youm and Al-Dostor and have never seen an article about Al-Qaeda’s internet forums."
Die abgeschalteten Webseiten mögen nicht aus Gründen gefährlich sein, die man üblicherqweise zitiert - Anleitung zum Waffenbau, Informationen zur Anreise für ein Camp etc. -, aber, someint McCants von Jihadica, sie seien gefährlich, "weil sie eine community bereitstellen, welche Weltanschauungen und Ideen bestärkt und ein Publikum formiert, dass bestimmte Taten mit Beifall belohnt."
"A young man in Tunisia who is motivated by propaganda but whose local community disapproves of suicide bombings might be dissuaded from action. But if he is part of a forum that will celebrate his deeds in song, video, and biography, he is more likely to act."
