Naruz
Gläubiger
Hallo allerseits. Da ich aufgrund eines gemeinsamen Projekts mit dem User "Vanidar" angefangen habe, hier im Forum zu posten, habe ich mir gedacht, dass ich auch mal eine meiner anderen Geschichten hier zu posten, "Aufstieg des Dämonenkönigs". Die Idee zu der Geschichte ist mir gekommen, während ich "Kamidori Alchemy Meister" gespielt habe, dort gab es mal ein kurzes Gespräch zu Engeln (und gefallenen Engeln) weshalb ich mir gedacht habe, ich schreibe einfach mal was dazu. Die Geschichte wird nicht in der Welt von Kamidori spielen, sonder in einer, die ich mir größtenteils selber ausgedacht habe. Das Konzept der Alchemisten und teilweise der Engel, wurde aus Kamidori übernommen und die Inselreiche, auf denen die Handlung spielt, sowie deren Vorgeschichte sind teilweise an die Vorgeschichte des Animes Hataraku Maou-sama! angelehnt, auch wenn mir das erst aufgefallen ist, nachdem ich den Prolog geschrieben hatte^^
Das wäre es dann auch schon, mit den Erklärungen, ich wünsche viel Spaß beim lesen
Diskussion/ Kommentare:
http://board.world-of-hentai.to/threads/aufstieg-des-daemonenkoenigs.168482/
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In der Mitte der drei großen Kontinente, welche den Hauptteil der Landmasse Amtheons bildeten, liegt ein gewaltiges Meer, das die Kontinente voneinander trennt und durch seine stürmische Natur und gefährlichen Einwohner die Reise zwischen den Kontinenten nahezu unmöglich macht. In der Mitte des Ozeans jedoch, praktisch in der Mitte der Welt, wird das Meer ruhiger und auch die meisten der Meeresräuber ziehen nicht bis dorthin, wodurch diese Gegend praktisch ein kleines Paradies inmitten des höllischen Ozeans ist. Dort liegen eine Reihe von großen und kleinen Inseln, welche den Einwohnern der Kontinente nur als 'Inselreiche' bekannt sind und eigentlich als Orte aus Legenden und Sagen gelten. Es gibt insgesamt fünf große Inseln und auf jeder, hat sich ein anderes Reich niedergelassen. Auf der kleinsten der Inseln, in der Mitte der anderen vier, ist die Heimat der Menschen und des Heiligen Reichs Demeor. Die Menschen waren, trotz ihrer kleinen Heimatinsel, das zahlreichste aller Völker der Inselreiche und hatten sich im Laufe der Jahre auch auf den anderen Inseln niedergelassen. Zwar konnten die Menschen so gut wie keine Magie nutzen, aber dafür haben sie etwas, in ihren Augen weit wertvolleres, erfunden; die Alchemie, welche bei anderen Völkern als eine Unterart der Magie gilt. Trotz eifriger Bemühungen der restlichen Völker war es nie einer der anderen Rassen gelungen, auch nur einen einzigen Alchemisten hervorzubringen, weshalb deren Errungenschaften und Erfindungen weiterhin etwas waren, auf dass ausschließlich das Heilige Reich Demeor zugriff hatte. In der Hauptstadt von Demeor befindet sich außerdem die Kathedrale des Nuvaz, dem Erbauer der Welt und dem einzig, wahren Gott von Amtheon. Es heißt, dass man von dieser Kathedrale aus mit den Einwohnern des Himmels kommunizieren kann, allerdings war dies bisher nur einer einzigen Person gelungen, einer jungen Alchemistin, die während des Dunklen Krieges von der Kathedrale aus Nuvaz um Hilfe angerufen hatte. Das Heilige Reich selbst wurde einst von einem Erzengel gegründet, der dann nach einigen Dekaden erneut in den Himmel aufstieg und die Herrschaft an einen jungen Mann abtrat, welcher zum ersten Paladin wurde. Seither herrschten die Menschen über die Kirche des Nuvaz, deren Glaube auf jeder der Inseln weit verbreitet war und beinahe jede Rasse folgte ihm.
Eine Ausnahme bildete hier ein Großteil der Elfen, welche auf der nördlichen Insel lebten. Der Name dieser Insel lautete Thórvallen und war von Menschen größtenteils unberührt und unerforscht, lediglich die Elfen kannten sich hier aus, waren allerdings nicht allzu erpicht darauf die Geheimnisse ihrer Heimat mit den Menschen zu teilen. Allerdings lag dies nicht an Feindschaft oder Misstrauen zwischen den Völkern, sondern lediglich an der angeborenen Geheimnistuerei der Elfen. Und trotzdem hatten die Elfen sich letztendlich dazu bereit erklärt den Menschen etwas von ihrer eigenen Magie beizubringen; der Geisterbindung, durch die es dem Zauberer möglich war, Geister und Elementare zu loyalen Dienern zu machen. Seither verband die beiden Rassen eine tiefe Freundschaft und die Elfen waren die treuesten Verbündeten der Menschen, auch wenn die meisten von ihnen noch immer an ihre alten Götter glaubten. Weiterhin unterhielten sie äußerst gute Handelsbeziehungen, die Elfen waren geradezu verrückt nach den Waren der Alchemisten und die Menschen konnten einfach nicht auf die Gewürze und seltenen Rohstoffe Thórvallens verzichten.
Misstrauen herrschte jedoch zwischen Demeor und den Einwohnern der östlichen Insel, deren Name Dergnov lautete und die war Heimat der Gnome, Zwerge, Goblins und Orks war. Die Gnome hatten jahrhundertelang Krieg mit den Goblins und Orks geführt, während die Zwerge untereinander heftige Bürgerkriege geführt hatten, Chaos herrschte auf Dergnov. Das alles änderte sich mit der Ankunft der Heiligen Canea, die eine Expedition Demeors auf die Insel führte. Ihr gelang es den Glauben an Nuvaz zu verbreiten und den Kämpfen ein Ende zu bereiten, seither herrschte Frieden auf Dergnov und den Menschen wurde ein Teil der Westküste zugesprochen, als Dank für ihre Hilfe. Trotzdem kam es immer wieder zu Reibereien zwischen den Völkern, wenn es auch nie zu ernsten Konflikten kam, und es gab auch einige Einwohner Dergnovs, die meisten von ihnen Orks und Zwerge, denen die Einmischung der Menschen überhaupt nicht gefallen hatte. Weit friedlicher und harmonischer ging es da schon auf der westlichen Insel zu; Corpheus. Hier lebten die Menschen bereits seit hunderten Jahren, zusammen mit den Ceruanern. Bei diesen handelte es sich um drei Meter große Menschen mit grauer Haut und den Füßen und Gesicht eines Elefanten. Sie waren äußerst friedliebend und waren hoch erfreut, als die Menschen auf ihre Insel kamen. Schon bald hatte sich eine tiefe Freundschaft zwischen den Völkern entwickelt und Handel blühte auf. Ebenso stand es mit Ahn' Sherov, dem südlichen Reich und Heimat der Dämonen.
Viele Jahre lang verband Ahn' Sherov und die Menschen der Handel zwischen ihren Völkern, doch eines Tages änderte sich das alles. Ein Elf namens Veynlaz kehrte Thórvallen den Rücken und ließ sich auf der südlichen Insel nieder. Veynlaz war ein mächtiger Magier, der in Ahn' Sherov schnell Einfluss und Macht gewann, bis er sich eines Tages zum Erzdämon erklärte, zum Herrscher von Ahn' Sherov, ohne dass irgendjemand Einspruch erhob. Niemand dachte sich etwas dabei und viele waren von Veynlaz' Leistung beeindruckt. Dämonen und Elfen verstanden sich grundsätzlich nicht besonders gut, weshalb es wahrlich unglaublich war, dass ein Elf als Erzdämon anerkannt wurde. Die Rassen der Inselreiche dachten, dass unter Veynlaz' Herrschaft die Dämonen und Elfen sich einander annähern und endgültig feste Freundschaft zwischen allen Völkern herrschen würde. Diese Hoffnungen wurden jedoch schon bald zerschmettert, Veynlaz erklärte Krieg, nicht etwa gegen eines der Reiche, nein. Er erklärte Krieg gegen Nuvaz und dessen Diener, wodurch er sich jede einzelne Rasse zum Feind machte. Die vier Teufel, die besten und mächtigsten Dämonen von Ahn' Sherov, wurden mit ihren Bestien losgelassen und griffen die anderen Inselreiche an, jeder mit einer Legion von Dämonen unter seinem Kommando. Dergnov fiel unter dem unerbittlichen Ansturm von Lilith, ihrem Drachen Asasel, und Unmengen von Feuerelementaren und Höllenhunden. Thórvallens Verteidiger wurden von Behlez und seinem Greifen, Shimurgh, sowie einem Heer von Luftelementaren und Incubi zurückgedrängt. Auch Corpheus hatte Probleme, denn hier war Asmodäus mit seinem Heer aus Erdelementaren, Lamassu und seinem persönlichen Behemoth, Burkoth, gelandet. Am schwersten jedoch, traf es die Einwohner von Demeor. Sie mussten sich der Angriffe von Astarte und ihrem Leviathan Astaroth erwehren, die zusammen mit Wasserelementaren und Hydren eine Verwüstung anrichteten, die noch Dekaden später überall zu sehen war. Da die stärkste aller Teufel ihre Truppen nach Demeor führte vermuteten viele, dass die Vernichtung der Kathedrale des Nuvaz und der Fall von Demeor das Hauptziel des Erzdämons sei. Nach sieben Jahren des Kriegs, sah es letztendlich so aus, als wenn Veynlaz sein Ziel erreichen und seine Heerscharen die Inselreiche allesamt vernichten würden, als endlich die Erlösung kam. Über den Schlachtfeldern der vier Inseln erschienen goldene Portale im Himmel und die Legionen des Nuvaz griffen in die Kämpfe ein. Hunderte Engel, angeführt von den dreizehn Erzengeln, eilten den sterblichen Völkern zur Hilfe und stellten sich gegen die Dämonen. Auf Thórvallen stellten sich die Zwillinge Raphael und Azrael Behlez und Shimurgh entgegen, nachdem sämtliche Engel unter ihrem Kommando in der Schlacht gefallen waren. Es gelang ihnen Shimurgh zu erschlagen und seine Seele in einem Kristall einzusperren, den sie danach tief in den Wäldern Thórvallens versteckt haben. Behlez war gezwungen sich nach Ahn' Sherov zurückzuziehen und die Zwillinge wurden für ihren Mut in die Reihen der Seraphim erhoben, der Leibwache des Nuvaz. Die Ceruaner brauchten nicht einmal die Hilfe der Engel in der Schlacht, denn als sich das erste himmlische Portal öffnete, verschwanden Asmodäus und der Behemoth spurlos, aus Angst den Kriegern des Himmels gegenüberzutreten. Im Osten half Muriela, Anführerin der Seraphim, den Einwohnern von Dergnov dabei ihre Heimat zurückzuerobern, wurde jedoch in der letzten Schlacht von Lilith erschlagen. Trotzdem mussten sich auch Lilith und Astarte letztendlich in den Süden zurückziehen, denn dort führte Nuvaz persönlich eine Offensive gegen den Erzdämon und stürmte zusammen mit seinen Seraphim die Zitadelle von Veynlaz. Niemand weiß, was genau in der Zitadelle geschehen war, es ist lediglich bekannt, dass nur Nuvaz und der Erzengel Uriel die Zitadelle lebend verließen. Sie erzählten niemandem, was dort vorgefallen war, oder was mit Veynlaz und den Teufeln geschehen war. Uriel wurde für ihre Taten im Süden jedoch zur neuen Anführerin der Seraphim ernannt und der Dunkle Krieg kam zu seinem Ende. Nuvaz und seine Engel halfen den sterblichen Völkern noch zehn Jahre lang mit dem Wiederaufbau, ehe sie sich wieder in den Himmel zurückzogen und die jungen Rassen sich selbst überließen. Seit diesem Tag herrschte wieder Frieden auf den Inseln und die Inselreiche begangen wieder, sich langsam mit den Dämonen anzufreunden und ihnen ihre Taten während des Dunklen Kriegs zu vergeben. Dieser geriet in Vergessenheit und hunderte Jahre lang herrschte Frieden und Freundschaft, sowohl auf Amtheon, als auch im Himmelsreich. Es gab zwar noch immer vereinzelte Konflikte und kleinere Kriege, aber nichts, im Ausmaße des Dunklen Kriegs. Das sollte sich jedoch bald ändern. Die Welt stand erneut vor einem großen Krieg und einer gewaltigen Katastrophe, und alles nahm seinen Anfang auf der Insel Thórvallen...
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Amderad war eine kleine Ortschaft an der Südküste von Thórvallen und gehörte zu den neueren, menschlichen Siedlungen im Reich der Elfen. Sie existierte gerade einmal dreißig Jahre und war daher nicht besonders groß, es gab ein paar hundert Einwohner, die meisten von ihnen Fischer oder Steinarbeiter, aber auch einige Händler. Der 'Hafen' Amderads bestand aus zwei hölzernen Stegen, die ins Meer hinein führten und knapp zwei Dutzend Fischerbooten, die dort lagen. Eine hölzerne Palisade umringte die Ortschaft dort, wo es kein Meer als natürlichen Schutz gab und es gab insgesamt drei kleine Tore, die aus Amderad hinausführten. Das erste war im Osten und brachte einen direkt auf die Hauptstraße, die nach Panyeon führte, die größte Stadt der Menschen auf Thórvallen. Im Norden konnte man durch das Tor die Flüsterwälder erreichen. Dort gab es hin und wieder wilde Tiere, Gerüchten zufolge gar einige Monster, aber trotzdem wagten sich immer wieder mutige Menschen dorthin, um die seltenen Kräuter und Pflanzen zu sammeln, die dort wuchsen und auf die Heiler und Alchemisten niemals verzichten könnten. Das letzte Tor befand sich im Westen und führte direkt in Richtung eines großen Gebirges, wo sich der Steinbruch und die Mine befanden in denen die meisten Einwohner der Stadt ihr Geld verdienten. Das meiste Material, welches hier abgebaut wurde, verkaufte man an die Händler, die es wiederum in die größeren Städte brachten und dort weiterverkauften, aber ein Teil der Erze ging an die hiesige Schmiede oder die Alchemisten Werkstatt. Die Schmiede befand sich im Westen, ganz in der Nähe des Westtores und gehörte einem alten, freundlichen Mann, der schon seit der Gründung von Amderad hier lebte und als Schmied für die Ortschaft arbeitete. Er war äußerst beliebt bei den Einwohnern der Ortschaft und hatte viele Kunden, was man von der Alchemisten Werkstatt nicht gerade behaupten konnte.
Diese lag im Norden von Amderad und war ein kleines Gebäude, das man leicht mit einem gewöhnlichen Wohnhaus hätte verwechseln können, wenn nicht ein Teil der Wand durch ein großes Fenster ersetzt worden wäre, durch das man in den Laden sehen konnte. Direkt hinter dem Fenster, waren einige Waren ausgestellt worden und über der Tür prangte ein großes Schild, auf dem 'Geöffnet' stand. In der Werkstatt selbst waren weitere Waren ausgestellt, ein paar Rüstungen und Waffen, aber hauptsächlich diverse Stoffe und Fläschchen mit seltsamen Flüssigkeiten. An der hintersten Ecke des Ladens gab es eine Tür, die in einen kleinen Gang führte, wo es wiederum zwei Treppen gab, eine führte nach unten, in die eigentliche Werkstatt, wo die Alchemisten ihre Waren herstellen und Experimente durchführen konnten, und die zweite führte nach oben, in den Wohnbereich der Werkstatt. Hinten an der Wand des Ladens stand außerdem ein Tresen, auf dem weitere Waren platziert worden waren und hinter diesem Tresen saß ein junges Mädchen, mit dem Kopf auf der Theke, und seufzte bereits seit mehreren Stunden vor sich hin. Sie hatte schulterlange, rote Haare und grüne Augen, gekleidet war sie in ein schwarzes, langärmeliges Hemd, über dem sie eine rote Weste aus Stoff trug, dazu kamen eine Lederhose und schwarze Lederhandschuhe. Am Tresen lehnte ein einfaches Schwert in seiner Scheide, die an einem Gürtel befestigt war. Bei dem Mädchen handelte es sich um Naleya Armeogh, der Alchemistin, der diese Werkstatt gehörte. Sie war vor kurzem erst siebzehn Jahre alt geworden und war somit erst seit etwas mehr als einem Jahr volljährig, auch wenn sie äußerlich bereits weit erwachsener aussah, als man von jemandem in ihrem Alter erwarten würde. Es war nun drei Jahre her, dass Naleyas Eltern gestorben waren und Naleya sich entschlossen hatte, nach Amderad zu ziehen. Ihre Eltern waren Priester in Panyeon gewesen, bis sie eines Tages bei einem Unfall ums Leben kamen. Eine Freundin von Naleya war zu dieser Zeit kurz davor, nach Amderad zu ihrer schwerkranken Tante zu ziehen und hatte Naleya angeboten, sie zu begleiten. Naleya nahm an und wohnte nun seit beinahe drei Jahren in dieser kleinen Ortschaft. Als sie noch in Panyeon gewesen war, hatte sie beinahe jeden Tag geübt und studiert um eines Tages eine Alchemistin zu werden. Vor einem Jahr war es dann soweit gewesen, sie bestand ihre Prüfung und wurde als echte Alchemistin anerkannt. Allerdings hatte sie darauf verzichtet ihre Werkstatt in Panyeon zu eröffnen und sich stattdessen entschlossen, sich in Amderad niederzulassen, ein gewaltiger Fehler, wenn sie so im Nachhinein darüber nachdachte.
In so einer kleinen Gegend brauchte fast niemand einen Alchemisten, weshalb es nicht gerade viele Aufträge für Naleya gab, glücklicherweise konnte sie sich mit den wenigen Aufträgen die sie bekam geradeso über Wasser halten. Im Prinzip waren Alchemisten gewöhnliche Handwerker, die alles mögliche herstellten, von Waffen und Rüstungen, über Schmuck, bis hin zu Medizin und Farbstoffen. Der Unterschied, zu den anderen Handwerkern und Schmieden bestand darin, dass ein Alchemist Magie nutzen konnte, um seinen Arbeiten zu etwas ganz besonderen zu machen. Zum Beispiel konnten sie Magie in eine Waffe einweben, wodurch diese niemals rostete, oder sie konnten Kleider erschaffen, deren Farbe sich je nach den Gefühlen, die ihr Träger verspürte, veränderte. Leider brauchten die Einwohner von Amderad weder Waffen, wenn man einmal von der kleinen Stadtwache absah, noch irgendwelche eleganten Kleider, sie interessierten sich lediglich für die praktischen Dinge im Leben, und Naleya verfluchte sie dafür. Allerdings musste sie sich eingestehen, dass sie wahrscheinlich ohnehin nicht dazu in der Lage gewesen wäre, solche Wunderwerke der Alchemie zu erschaffen. Sie war schon immer eher mittelmäßig, wenn es um Magie ging, sie hatte eigentlich schon Glück, dass sie überhaupt zur Alchemistin ernannt worden war, wenn sie es sich recht überlegte. Plötzlich öffnete sich die Tür zum Laden und eine kleine Glocke läutete, woraufhin Naleya aus ihren depressiven Gedanken aufgeschreckt wurde und mit einem strahlenden Lächeln den Kopf hob.
„Willkommen! Wie kann ich... ah... du bist es.“ Naleyas gute Laune verflog so schnell wie sie gekommen war und sie seufzte, als sie sah, wer da in ihren Laden geschneit war. Es war Temeria, Naleyas beste Freundin und eine Händlerin in Amderad. Temeria hatte lange, blonde Haare und blaue Augen. Heute trug sie ein einfaches, blaues Stoffhemd, über dem sie einen schlichten, braunen Mantel trug, sie lächelte Naleya freundlich an.
„Ich wünsche auch dir einen wunderschönen Morgen, Naleya.“
„Ja... guten Morgen Temeria.“ murmelte Naleya und stützte ihren Kopf auf einer Hand ab, während sie fortfuhr. „Ich hatte schon gedacht, dass sich endlich mal ein Kunde hierher verirrt hat, aber ich bezweifle, dass du heute ausnahmsweise mal etwas kaufen willst.“
„Tut mir leid, aber ich bin aus einem anderen Grund hier.“
„Das dachte ich mir schon.“ Naleya seufzte noch einmal, ehe sie mit beiden Händen auf den Tisch schlug und aufsprang. „Verdammt noch mal!“ rief sie und sah äußerst wütend aus. „Warum kommt nie jemand zu mir, um etwas zu kaufen? Dauernd fragen mich Leute, wie es mir geht und ob ich zurechtkomme, aber niemand kauft etwas! Warum?“
„Vielleicht...“ begann Temeria zögernd, brach jedoch ab, wahrscheinlich um ihre Freundin nicht zu verletzen. Diese ließ jedoch nicht locker, jetzt wo Temeria einmal angefangen hatte.
„Vielleicht was? Weißt du, woran es liegen könnte? Bitte sage es mir! Ist die Qualität meiner Waren zu schlecht? Ich wusste es! Daran liegt es, oder? Ich muss wirklich härter arbeiten und besser werden...“ Naleya plapperte vor sich hin und schien ziemlich aufgelöst zu sein, weshalb Temeria ihr gegen die Stirn schnipste, woraufhin die Alchemistin verstummte.
„Es liegt nicht an der Qualität der Waren, Naleya, sondern an den Waren selbst. Sieh dich doch einmal um.“ meinte sie und deutete auf die verschiedenen Dinge im Laden. „Hier draußen braucht niemand Waffen oder Rüstungen, oder diese seltsamen Färbemittel, selbst Medizin wird selten benötigt. Die Leute wollen Werkzeuge und andere, nützliche Sachen, die sie für ihre Arbeit verwenden können.“
„Aber das ist so langweilig.“ antwortete Naleya und verzog das Gesicht woraufhin Temeria lachte.
„Mag sein, aber so ist das Leben in einer kleinen Ortschaft nun einmal. Du hättest nach Panyeon ziehen sollen, wenn du Aufregung und Spannung haben willst.“
„Ich weiß.“ seufzte die Alchemistin und rieb sich müde die Augen. „Wie geht es deiner Tante?“ fragte sie schließlich und ging zum Tresen, wo sie eine Schublade öffnete.
„Es geht ihr immer besser.“ antwortete Temeria mit einem Lächeln. „Die Medizin, die du uns gegeben hast wirkt, sie kann vielleicht schon bald wieder das Haus verlassen.“
„Freut mich zu hören.“ meinte Naleya und lächelte ebenfalls, während sie Temeria ein Fläschchen mit einer grauen Flüssigkeit gab. „Hier, nimm noch eine davon mit. Euer Vorrat sollte bald zuende gehen.“
„Vielen Dank, wie viel...“
„Gar nichts.“ Temeria seufzte.
„Und du wunderst dich, warum Leute bei dir nichts kaufen? Du willst doch gar kein Geld.“
„Das stimmt nicht! Aber... ich kann doch nicht Geld für Medizin verlangen! Außerdem habt ihr zwei so viel für mich getan, wenn überhaupt schulde ich euch etwas.“
„Wie hast du nur jemals die Prüfung bestanden? Ich dachte immer, als Alchemist muss man gierig und hinterlistig sein.“ meinte Temeria scherzend, während sie Naleya die Medizin abnahm.
„Was glaubst du, warum ich so schlecht abgeschnitten habe?“ fragte Naleya und lachte.
„War das nicht, weil du dich verschlafen hast, und deswegen die Hälfte der schriftlichen Prüfung nicht ablegen konntest?“ Naleya zuckte bei den Worten ihrer Freundin zusammen und wandte den Blick ab, während sie ein wenig rot anlief. Das ganze war ihr noch immer ziemlich peinlich. Nun war es an Temeria zu lachen. „Trotzdem, es ist beeindruckend, dass du bestanden hast, obwohl du kaum etwas im schriftlichen Teil geleistet hast. Du musst die Prüfer im praktischen Teil wirklich von deinem Talent überzeugt haben.“
„Ach, das war nur Glück.“ murmelte Naleya, sie konnte nicht gut mit Lob umgehen und Temeria wusste das, deswegen wechselte sie auch schon das Thema.
„Natürlich. Aber gut, lassen wir das, ich bin schließlich nicht nur zu dir gekommen um mich mit dir zu unterhalten.“
„Nicht? Warum denn noch?“
„Um dir etwas zu sagen. In sechs Tagen kommt die Hámmeth-Karawane nach Amderad.“
„Wirklich?“ fragte Naleya und ihre Augen strahlten förmlich. Die Hámmeth-Karawane war eine riesige Ansammlung von Händlern, die meisten von ihnen Elfen, die durch alle Inselreiche zogen und in jeder noch so kleinen Siedlung handelten, immer auf der Suche nach etwas neuem, oder auch nur etwas, dass ihnen gefiel. Es würde das erste mal sein, dass die Karawane nach Amderad kam und für Naleya wäre es eine große Chance, endlich einige ihrer Waren zu verkaufen. Da die Karawane viele wertvolle Dinge mit sich führte, mussten sie sich verteidigen können und deswegen brauchten sie eigentlich immer Waffen und Rüstungen. Wenn sie Naleyas Arbeiten also als gut befanden, dürfte es kein Problem sein, ihnen etwas zu verkaufen.
„Ja, ich habe heute davon erfahren. Sie werden Morgen aus Panyeon abreisen und uns aufsuchen. Danach werden sie die Flüsterwälder durchqueren und in ihre Heimat zurückkehren, ehe sie dann erneut nach Panyeon reisen, um die nächste Reise über die Inseln zu beginnen.“ Temeria schien kurz über etwas nachzudenken, ehe sie sich wieder an Naleya wandte. „Ach ja, wirst du in nächster Zeit in den Wald gehen?“
„Was? Die Flüsterwälder? Ja, ich muss wieder Zutaten sammeln, warum?“
„Sei vorsichtig, es heißt, dass in letzter Zeit seltsame Dinge im Wald geschehen. Gestern erst ist ein Trupp der Inquisition in den Wald gezogen, zwei Dutzend Mann und keiner weiß warum.“ Naleya schluckte nervös. Die Inquisition war die absolute Elite des Heiligen Reichs. Es war nicht nur ungewöhnlich, dass sie sich in der Nähe einer so unwichtigen Siedlung wie Amderad befanden, es war auch äußerst beunruhigend, dass sie in so großer Zahl unterwegs waren. Immerhin gehörten sie zu den besten Kämpfern Demeors, was könnte dort im Wald lauern, dass die Aufmerksamkeit von gleich zwei Dutzend von ihnen verlangte?
„Danke für die Warnung, ich werde vorsichtig sein.“ meinte Naleya und stand auf. „Auch wenn ich mich frage, warum die Inquisition hier ist.“
„Vielleicht hängt es mit den Aufständen zusammen. Weißt du nicht mehr? Erst vor kurzem hieß es, einige Rebellen könnten sich in den Flüsterwäldern niedergelassen haben.“ Naleya verzog leicht das Gesicht, das hatte sie tatsächlich vergessen.
„Die Rebellen sind auch so eine Sache... wie kann man nur einfach so gegen die Kirche vorgehen?“
„Das ist ja gerade das seltsame, niemand weiß, warum die Rebellen so handeln, wie sie es nun einmal tun. Das einzige, was sie uns wissen lassen, ist dass sie Nuvaz nicht als Gott akzeptieren und seine Kirche absetzen wollen.“ Naleya strich sich kurz nachdenklich durchs Haar. Die Rebellen nannten sich selbst 'Der Kult des Gefallenen' und sie waren sehr gut organisiert und ausgerüstet, auch wenn die Kirche das Gegenteil behauptete. Naleya hatte zwar keine Ahnung von der ganzen Sache, aber sie war sich ziemlich sicher, dass es so sein musste, denn trotz allem was die Priester und Bischöfe sagten, errang der Kult in letzter Zeit immer mehr Siege, gegen die Truppen der Kirche. Schließlich seufzte die Alchemistin und griff nach ihrem Schwert, es brachte ja doch nichts, sich darüber Gedanken zu machen.
„Noch einmal danke dafür, dass du mich von der Karawane informiert hast. Ich werde mich dann mal daran machen, ein paar Zutaten zu sammeln.“
„Willst du etwa heute schon in den Wald?“
„Natürlich, je eher, desto besser, oder nicht?“
„Ach, das kann doch bis Morgen warten, die Zutaten werden dir schon nicht wegrennen.“ sagte Temeria mit einem Lächeln. „Wie wäre es, wenn wir heute zusammen etwas essen gehen? Du hast in letzter Zeit so viel gearbeitet, dass ich kaum mit dir reden konnte.“ Naleya überlegte kurz, nickte dann jedoch.
„In Ordnung, gehe ich eben Morgen in den Wald. Wollen wir gleich los?“
„Von mir aus können wir... obwohl, wir müssten erst bei meiner Tante anhalten, ich will ihr die Medizin geben und außerdem muss ich mir noch etwas anderes anziehen.“
„Kein Problem, ich kann warten... oh, ich muss nur daran denken, den Laden abzuschließen. Du bezahlst, nicht wahr?“
„Ich... was?“
„Du hast mich eingeladen, Temeria! Da wirst du doch wohl bezahlen.“ Die Händlerin seufzte, lächelte dann jedoch.
„Nun gut, dieses eine mal kann ich bezahlen, als Dank für die Medizin.“ Miteinander redend verließen die beiden Freundinnen die Werkstatt. Zu diesem Zeitpunkt wusste Naleya noch nicht, wie sehr die Entscheidung, an diesem Tag essen zu gehen, ihr Leben verändern würde.
…
Die Sonne war gerade aufgegangen und beleuchtete eine große Lichtung inmitten des Waldes, wo sich eine kleine Herde Rehe befand. Bis zu diesem Zeitpunkt war es ein ruhiger Morgen gewesen, doch nun schreckten die Tiere plötzlich auf, spitzten die Ohren, und flüchteten von der Lichtung, in das Nahe Dickicht des Waldes. Es dauerte auch nicht lange, bis auf der gegenüberliegenden Seite das erschien, was die Rehe verschreckt hatte, eine Gruppe von Menschen und Engeln betraten die Lichtung und sahen sich vorsichtig um. An der Spitze der Gruppe gingen ein Dutzend Menschen, gekleidet in scharlachrote Rüstungen mit goldenen Verzierungen und roten Umhängen. Auf dem Kopf trugen sie einen ebenfalls roten Helm mit Nasen- und Wangenschutz, auf denen sich goldene Linien schlängelten. Aus dem Helm ragte eine lange, weiße Feder in die Luft und wehte in der leichten, morgendlichen Brise hin und her. Die Hälfte von ihnen war mit aufwendig verzierten Partisanen bewaffnet, während die andere Hälfte schwere Armbrüste in den Händen hielt, alle trugen jedoch schwere Rucksäcke auf den Rücken, in dem sich Proviant für ihre lange Reise befand. Alle Soldaten sahen sich aufmerksam um und gingen äußerst langsam und vorsichtig voran, sehr zum Missfallen des Mannes der ihnen folgte und sich in Gesellschaft von vier Engeln befand. Die Engel trugen weiße Plattenrüstungen und große, spitze Helme, sie alle hatten zwei Flügelpaare auf dem Rücken und trugen verzierte Hellebarden, die mit der Spitze in die Luft zeigten. Zwei der Engel waren weiblich und hatten lange, blonde Haare und graue Augen, während die Haare der männlichen Engel braun und schwarz waren, während ihre Augen blau zu leuchten schienen. Der Mensch, der mit ihnen ging, war ein junger Mann mit edlen Gesichtszügen und kurzen, braunen Haaren. Er trug ebenfalls eine der scharlachroten Rüstungen, jedoch mit aufwendig verzierten Schulterplatten und ohne Helm, an seiner Hüfte ruhte eine schwarze Schwertscheide, aus der ein Griff ragte, in den ein Rubin eingearbeitet war. Bei dem jungen Mann handelte es sich um Feon de Lanceux, dem jüngsten General in der Geschichte der Kirche und einem angesehenen Mitglied der Inquisition. Umso mehr ärgerte es ihn, dass gerade er diesen Auftrag erhalten hatte und er verfluchte innerlich seine Vorgesetzten, während er sich gelangweilt umsah. Hinter ihm und den Engeln kamen zwei weitere Menschen, die eine schlichte, schwarze Truhe trugen, dann folgten zehn weitere Krieger in roter Rüstung, die sich ebenso aufmerksam umsahen, wie die an der Spitze.
„Ihr seht... unruhig aus, General Lanceux.“ erklang eine emotionslose Stimme, direkt neben Feon, woraufhin dieser sich umwandte. Es war der Engel mit schwarzem Haar, der ihn angesprochen hatte.
„Ich würde nicht sagen, dass ich beunruhigt bin, Lord Remiel.“ meinte Feon und zuckte mit den Schultern. „Nur ein wenig unzufrieden, dass ist alles.“
„Unzufrieden?“ fragte der Engel und zog überrascht eine Augenbraue in die Höhe. „Ihr habt die Gelegenheit unter den Seraphim zu dienen, im direkten Auftrag Eures Gottes. Was daran, stimmt Euch unzufrieden?“
„Oh, es ist selbstverständlich eine Ehre, dass man mir dermaßen vertraut und mir eine so... wichtige Aufgabe gibt.“ begann Feon, seufzte dann jedoch. Er konnte einfach nicht so tun, als wäre er begeistert von der ganzen Sache. Trotzdem traute er sich nicht ganz, seine Meinung zu sagen, er würde es am liebsten vermeiden, mit einem Engel zu streiten, alleine schon, weil es so unglaublich selten war, einen auf Amtheon wandern zu sehen. Feon war äußerst überrascht gewesen, als eines Tages vier Engel in seinem Hauptquartier aufgetaucht waren und ihm sagten, sie hätten eine wichtige Aufgabe, für die Inquisition und dass die Großinquisitoren Feon als geeigneten Kandidaten vorgeschlagen hatten. Remiel schien zu ahnen, dass Feon innerlich mit sich rang und lächelte nachsichtig.
„Macht Euch keine Sorgen, nichts was Ihr sagt, könnte mich beleidigen. Sprecht ruhig Eure Meinung, ich bin mir sicher, es wäre für uns alle das beste.“
„Nun gut, wenn Ihr das sagt.“ meinte Feon, machte eine kurze Pause und sprach dann endlich aus, was ihm seit Beginn der Reise gestört hat. „Wie gesagt, ist es mir eine große Ehre, dass man mir so viel Vertrauen entgegenbringt, aber mir erschließt sich einfach nicht der Sinn, hinter der ganzen Aktion. Die Truhe hat beinahe zwanzig Jahre unberührt in der Kathedrale von Panyeon gelegen, niemand hatte sich je für sie interessiert. Warum also ist es so wichtig, sie ausgerechnet jetzt von dort fortzuschaffen? Und dann auch noch in ein geheimes Kloster, von dem nur die wenigsten wissen?“ Remiel ließ Feon ausreden und musterte ihn eine Weile, ehe er antwortete. Als er es schließlich tat, schwang in seiner Stimme ein freundlicher Unterton mit, auch wenn seine Augen so kalt wie zuvor waren.
„Es stimmt, die letzten zwanzig Jahre hatte sich niemand für die Truhe interessiert... nein, so ist das nicht richtig. Die letzten zwanzig Jahre wussten diejenigen, die sich für die Truhe interessieren nicht, wo sie sich befand. Das hat sich jetzt geändert. Die Rebellen... dieser Kult des Gefallenen, wie sie sich nennen, Ihr Aufstand begann vor knapp einem halben Jahr, nicht wahr?“ Feon nickte, dachte kurz nach und runzelte dann misstrauisch die Stirn.
„Lord Remiel? Wenn ich mich nicht irre... vor einem halben Jahr gab es doch auch einen Zwischenfall im Himmelsreich, nicht wahr? Wir haben nur Gerüchte gehört, aber es heißt, es gab einen...“
„Was auch immer Ihr gehört habt, es entspricht nicht der Wahrheit.“ schnitt Remiel ihn ab, mit freundlicher Stimme, allerdings mit einem Blick der zu sagen schien, dass Feon die Sache auf sich beruhen lassen sollte. Der General schluckte eine Erwiderung hinunter und nickte lediglich. „Gut, zurück zum Thema. Der Aufstand begann vor einem halben Jahr und eines der ersten Opfer der Rebellen, war ein Kloster auf Corpheus. Dort gelangten die Aufständischen in den Besitz einiger, für sie wichtiger, Informationen, unter anderem haben sie herausgefunden, dass die Truhe sich in Panyeon befand. Deswegen ist es wichtig, sie so schnell wie möglich an einen sichereren Ort zu schaffen.“ meinte Remiel.
„Und irgendein kleines Kloster ist sicherer, als Panyeon?“ Man konnte Feon deutlich ansehen, dass er ziemlich skeptisch war, was Remiel ein glockenhelles Lachen entlockte.
„Allerdings. Wir haben bereits vorgesorgt. Ein Dutzend Seraphim befindet sich schon seit mehreren Wochen im Kloster und ist bereit, die Truhe zu beschützen, sobald sie angekommen ist.“ Feon erstarrte, und sorgte somit fast dafür, dass die Träger der Truhe in ihn hineinliefen.
„Ein Dutzend Seraphim? Zusätzlich, zu den Kriegern, die das Kloster bereits bewachen? Was transportieren wir hier eigentlich?“ fragte er und warf einen neugierigen Blick auf die Truhe. Er hatte eigentlich mit etwas langweiligem und wertvollen gerechnet, irgendeine Reliquie vielleicht, die aus Angst der Anführer der Kirche heraus viel zu gut bewacht wurde. Aber nun glaubte Feon langsam, dass es sich um etwas weit gefährlicheres handeln könnte. Die Seraphim waren praktisch die Leibwache des Nuvaz, sie gehörten zu den schlagkräftigsten Kriegern, die es im Himmelsreich gab, wenn ein Dutzend von ihnen abgestellt wurde, um eine Truhe zu bewachen, musste sich wirklich etwas unglaublich wichtiges in ihr befinden. Das bestätigte ihm auch der Blick, den sich die Engel zuwarfen, ehe Remiel den Kopf schüttelte.
„Das braucht Ihr nicht zu wissen... nein, es ist sogar besser, wenn Ihr es nicht wisst. Ihr würdet es nicht verstehen können. Die meisten von uns verstehen es selbst noch immer nicht.“ murmelte der Engel, mehr zu sich selbst, als zu Feon. Diesen hatten die gemurmelten Worte jedoch nur noch neugieriger gemacht.
„Was versteht Ihr selbst nicht?“
„Nun...“ Remiel zögerte und tauschte einen weiteren Blick mit den anderen Engeln, die lediglich leicht mit den Schultern zuckten. „Ich schätze, ich kann Euch zumindest ein wenig erzählen. Vor beinahe zwanzig Jahren gab es einen schrecklichen Zwischenfall im Himmelspalast. Ein Erzengel hat den Verstand verloren, durch Einfluss von dämonischer Magie, so heißt es zumindest. Er hat viele Engel ermordet und Forschungen an ihren Leichen durchgeführt. Der Engel wurde für seine Taten bestraft und seine Bücher, in denen er seine Forschungsergebnisse aufgezeichnet hatte, wurden beschlagnahmt. Mehr braucht Ihr nicht wissen.“
„Oh... also transportieren wir die Forschungsergebnisse des verrückten Engels?“ Feon erhielt keine Antwort und seufzte lediglich, er hatte auch nicht wirklich damit gerechnet. „Könnt Ihr mir zumindest sagen, was Ihr an der ganzen Sache nicht versteht?“
„Der Erzengel in Frage, war ein uralter Veteran, einer der ältesten Engel, die es gab. Er war im Dunklen Krieg dabei gewesen, deswegen kann ich einfach nicht verstehen, wie dämonische Magie ihm dermaßen zusetzen konnte.“ Remiel schüttelte den Kopf und seufzte. „Es wird einfach nicht besser, erst Lord Thelios und jetzt auch noch Lady...“ Er riss die Augen auf, als ihm bewusst wurde, was er da gerade gesagt hatte und verstummte, ehe er Feon einen strengen Blick zuwarf. „Ihr werdet niemandem sagen, was Ihr heute hier gehört habt, verstanden?“
„Natürlich, Lord Remiel. Wir wollen schließlich nicht, dass die Leute anfangen an der Heiligkeit der Engel zu zweifeln.“ meinte Feon, mit einem Grinsen, woraufhin Remiel das Gesicht verzog.
„Ein wenig mehr Respekt und Ergebenheit gegenüber dem Heiligen könnte Euch durchaus guttun, General.“
„Verzeiht mir, Lord Remiel. Ich wollte keinesfalls respektlos erscheinen.“ sagte Feon und deutete eine Verbeugung an. „Aber Ihr müsst zugeben, dass es beim einfachen Volk Zweifel sähen könnte, wenn sie herausfinden, dass Engel von dämonischer Magie beeinflusst werden können. Das könnte einigen... zwielichtigen Gruppierungen zu Gute kommen.“ Feon zögerte kurz, ehe er sich entschloss eine weitere Frage zu stellen. „Ähm... Lord Remiel?“ Der General war nun schon deutlich nervöser als vorher. Wenn er nicht aufpasste, könnte man seine nächste Frage durchaus als Ketzerei auslegen.
„Was gibt es denn noch, General?“
„Nun... in den letzten Jahren haben sich die Naturkatastrophen rund um die Inselreiche gehäuft. Es heißt, das ganze fing ein paar Jahre vor meiner Geburt an. Ich habe aber gelernt, dass Nuvaz die Inselreiche gesegnet hat und sie dadurch vor Erdbeben, Überflutungen und so weiter geschützt sind. Wie kann es also sein, dass sowas in letzter Zeit immer häufiger vorkommt?“ Zu Feons Überraschung sah Remiel nicht verärgert oder misstrauisch aus, sondern... besorgt? Der Engel biss sich auf die Lippe und wandte den Blick ab, ehe er leise eine Antwort flüsterte.
„Das wissen wir auch nicht. Die Cherubim sind seit Jahren damit beschäftigt, eine Antwort zu finden, aber sie kommen einfach nicht zu einem Ergebnis.“ Damit fand das Gespräch ein Ende und Feon sowie Remiel gingen ihren eigenen Gedanken nach, während sie endlich die Hälfte der Lichtung erreichten. Die Cherubim waren eine weitere Gruppierung der Engel, von denen es hieß, dass sie über die zahlreichen Bibliotheken des Himmels wachten und eine Art Forscher waren, die versuchten die Geheimnisse der Magie und der Welt zu entschlüsseln. Plötzlich verkrampfte sich Feon und hielt an, ein kurzer Blick zur Seite zeigte ihm, dass Remiel ebenfalls etwas gespürt hatte.
„Vorsicht Männer, ich...“ begann Feon, kam jedoch nicht weiter. Die Luft wurde plötzlich von einem Sirren erfüllt und dutzende Pfeile gingen auf den Trupp der Inquisition nieder. Die meisten Geschosse prallten von den Rüstungen der Soldaten ab, aber zwei Pfeile bohrten sich in den Hals einer Armbrustschützin direkt vor Feon, die gurgelnd zu Boden ging. Remiel rief einen Befehl in einer Sprache, die Feon nicht verstand und der Engel mit den braunen Haaren rannte nach vorn, so schnell, dass Feon seinen Bewegungen kaum folgen konnte. Der Engel blieb vor den Soldaten stehen und streckte seine linke Hand nach vorn, woraufhin eine goldene Rune in der Luft erschien, die dafür sorgte, dass die nächste Salve von Pfeilen in der Luft hängen blieb und kurz darauf wirkungslos zu Boden fiel. Die Soldaten brauchten keine Befehle von Feon um zu wissen, was sie zu tun hatten. Diejenigen unter ihnen, die mit Partisanen bewaffnet waren gingen in die Knie und richteten die Spitzen ihrer Waffen in Richtung des Waldes, während die Armbrustschützen hinter ihnen Aufstellung nahmen und in den Wald ziehen. Der braunhaarige Engel zog sich langsam ebenfalls hinter die Krieger mit den Partisanen zurück, während er wachsame Blicke auf den Waldrand warf. Eine weitere Salve von Pfeilen fiel wirkungslos vor den Männern und Frauen der Inquisition zu Boden, woraufhin etwas im Gebüsch vor ihnen raschelte. Kurz darauf stürmten knapp drei Dutzend Gestalten aus dem Wald und hielten auf die Reihen der Inquisition zu. Die meisten Angreifer trugen schlichte Kleidung und hatten einfache Speere und Äxte, aber Feon erkannte auch knapp ein halbes Dutzend unter ihnen, die jeweils zwei Kurzschwerter in den Händen hielten und schwarze Lederrüstung trugen, sowie ein Tuch, das ihre Gesichter verdeckte. Die spitzen Ohren ließen keinerlei Raum für Zweifel, Elfen gehörten zu den Angreifern, was zumindest erklärte, warum die Angreifer einen so geschickten Hinterhalt legen konnten. Wenn Feon nicht mit der Elite der Kirche hier wäre, die sowohl die beste Ausbildung als auch die beste Ausrüstung hatte, wären nach den ersten Salven wohl ein gutes Dutzend Männer zu Boden gegangen... nun gut, die Engel hatten auch geholfen, aber Feon war sich ziemlich sicher, auch ohne deren Hilfe mit der Situation zurechtzukommen.
„Feuer!“ rief Remiel, ehe Feon etwas sagen konnte, woraufhin dieser das Gesicht verzog und den Engel missmutig ansah. Es gefiel ihm nicht, dass der Seraphim den Befehl über die Soldaten übernahm, aber andererseits war er derjenige von ihnen, der über Jahrzehnte Kampferfahrung verfügte, weshalb der General nicht protestierte, als seine Männer abdrückten und ihre Bolzen in die anstürmenden Feinde jagten.
„Worauf wartet ihr noch? Bewegt euch gefälligst und helft den...“ begann Feon und drehte sich zu den Soldaten um, die hinter ihm waren, als plötzlich Schatten auf die Lichtung fielen und die Soldaten in den Himmel deuteten und panische Rufe hören ließen. Feon hob seinen Blick gerade rechtzeitig, um einen Schritt nach hinten zu springen und einem Schwertschlag auszuweichen, der direkt auf seinen Kopf gezielt hatte. Mit einer schnellen Bewegung zog er sein Schwert, dessen Klinge ebenso schwarz war wie die dazugehörige Scheide, und richtete sich auf, um seinem Gegner gegenüberzutreten. Gerade, als er zum Angriff übergehen wollte versteinerte er förmlich und starrte seinen Angreifer ungläubig an. Vor ihm stand ein weiblicher Engel, in schlichter, schwarzer Kleidung und richtete eine goldene, gezackte Klinge auf ihn. Begleitet wurde sie von fünf weiteren Engeln, die inzwischen die Seraphim und Soldaten der Inquisition im Kampf gebunden hatten. Was ging hier vor sich? Warum wurden sie von Engeln angegriffen? Feon warf einen Blick auf die vier Flügelpaare seines Gegners und seine Verwirrung stieg nur noch weiter. Sie waren von einem reinen weiß, also handelte es sich auch nicht um gefallene Engel, von denen man hin und wieder in Legenden hörte, also waren seine Feinde tatsächlich ganz gewöhnliche Engel! Und nicht nur das, anhand der Anzahl der Flügel konnte man erkennen, dass es sich um einen ziemlich alten und mächtigen Engel handeln musste. Ehe der General noch weiter über die Situation nachdenken konnte, schoss sein Gegner nach vorn und Feon gelang es geradeso die Hiebe des Engels zu parieren, an einen Gegenangriff war jedoch nicht zu denken. Dann wandte die Engelsfrau jedoch kurz den Blick zur Seite und streckte einen der Träger nieder, die inzwischen die Truhe abgestellt hatten. Dadurch war sie einen Augenblick abgelenkt und Feon ging zum Angriff über. Die Frau wich mit einer schnellen Drehung aus, weshalb das Schwert des Generals sich lediglich in ihre Schulter bohrte und nicht, wie beabsichtigt, in die Brust. Die Engelsfrau riss vor Überraschung die Augen auf, zog dann jedoch die Klinge des Generals aus ihrer Wunde und schlug ihrerseits nach ihm. Der Angriff kam viel zu schnell für Feon und hätte ihn wohl enthauptet, wenn Remiel nicht plötzlich vor ihm erschienen wäre und den Schlag abgefangen hätte.
„Ihr habt gute Arbeit geleistet, General.“ meinte Remiel, in dessen Stimme eine nervöser Unterton mitschwang, während er und die beiden weiblichen Engel sich der Engelsfrau mit dem goldenen Schwert näherten und sie umringten. „Aber jetzt passt auf die Truhe auf, dieser Kampf ist nichts für Euch. Ihr könnt schon froh sein, überhaupt solange gegen einen Erzengel bestanden und sie auch noch verletzt zu haben.“
„Erzengel? Das kann doch nicht...“ weiter kam Feon nicht, denn einer der anderen, feindlichen, Engel hatte gerade den zweiten Träger niedergestreckt und kniete nun vor der Truhe. Dem Engel gingen seine langen, braunen Haare bis zum Rücken und seine Flügel schienen silbern zu schimmern. Der silberflügelige Engel schloss die Augen und begann irgendwelche seltsamen Worte zu murmeln, während eine Engelsfrau mit blonden Haaren sich Feon in den Weg stellte und eine Hellebarde auf ihn richtete. Der General zögerte nur kurz, dann ging er zum Angriff über. Er merkte schnell, dass dieser Engel bei weitem nicht so stark war, wie der, mit dem er eben gekämpft hatte. Ihre Bewegungen waren nicht so schnell und sie schien nicht ganz so erfahren zu sein, trotzdem war sie ein ebenbürtiger Gegner für Feon, der sein gesamtes Können abrufen musste, um mit ihr mithalten zu können. Er parierte gerade einen Stoß der Hellebarde, als die Frau einen Schritt auf ihn zuging und ihm mit ihrer Faust gegen die Brustplatte schlug. Eigentlich hätte so ein Angriff keinerlei Wirkung gehabt, allerdings leuchtete ihre Faust golden auf, kurz bevor sie das Metall traf und Feon wurde mehrere Schritte nach hinten geschleudert, wo er auf dem Boden liegen blieb und benommen versuchte sich aufzurichten. Auf einmal hörte Feon einen triumphierenden Ruf, vom Engel der vor der Truhe kniete, dann gab es ein helles, goldenes Leuchten und eine unsichtbare Kraft traf den General, der es gerade geschafft hatte sich aufzurichten, und schleuderte ihn wieder zu Boden. Es dauerte eine ganze Weile, ehe Feon wieder mehr sehen konnte, als helle Lichtflecken die direkt vor ihm zu schweben schienen, dann richtete er sich jedoch auf und sah sich um. Ein Großteil der Angreifer lag tot auf der Lichtung, darunter zwei der feindlichen Engel, allerdings keiner der Elfen, zumindest soweit Feon das beurteilen konnte. Die Hälfte seiner Soldaten war entweder tot oder verletzt und der braunhaarige Engel, der Remiel begleitet hatte, lag ebenfalls tot auf dem Boden. Remiel selbst, und die beiden weiblichen Seraphim, stützten sich auf ihre Waffen und bluteten aus zahlreichen Wunden. Von den restlichen Angreifern war keine Spur zu sehen. Feons Blick wanderte zur Truhe und er keuchte entsetzt auf, als er sah, dass sie geöffnet war. Er wollte gerade zur Truhe hinüber gehen, als sein rechtes Bein nachgab und er zu Boden fiel. Plötzlich schossen starke Schmerzen durch sein Bein und er sah an sich hinunter, was er sogleich bereute. Aus seinem Knie ragte ein langer, dicker Holzsplitter und sorgte dafür, dass er das Bein kaum bewegen konnte, ohne extreme Schmerzen zu verspüren.
„Bleibt liegen, General.“ meinte Remiel mit müder Stimme und näherte sich Feon. „Ihr habt getan, was Ihr konntet.“
„Was ist... mit der Truhe?“ presste Feon zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, woraufhin Remiels Miene sich verdüsterte.
„Leer, sie haben den Inhalt an sich genommen und sind abgehauen.“ Feon verzog ebenfalls das Gesicht, woraufhin Remiel ihn schwach anlächelte. „Macht Euch keine Vorwürfe, General. Wir hatten nicht erwartet, dass sie hier sein würde. Ihr könnt nichts dafür.“ Nach diesen Worten wandte er sich ab und nickte den anderen Seraphim zu, die sich zu ihm gesellten. „Es tut mir leid General, aber ich werde mir die Hälfte Eurer kampffähigen Leute ausleihen müssen.“
„Was? Warum denn das?“ Remiel sah ihn kurz verwirrt an, ehe er antwortete.
„Um die Rebellen zu verfolgen natürlich. Sie sind ebenfalls schwer verletzt und werden nicht weit kommen, wir werden sie schon wieder einfangen, macht Euch keine Sorgen.“ Feon zögerte kurz, nickte dann jedoch.
„Natürlich, wartet kurz, dann werde ich Euch begleiten.“
„Nein.“ sagte Remiel mit strenger Miene. „Ihr werdet Euch ausruhen. Ihr habt heute einen Kampf gegen einen Erzengel überlebt, stellt Euer Glück nicht zu sehr auf die Probe.“ Feon wollte noch etwas sagen, ließ es dann jedoch bleiben. Der Engel hatte recht, mit seinem Bein wäre er bei der Verfolgung sicherlich keine große Hilfe und würde wahrscheinlich mehr Schaden anrichten, als zu helfen.
„Nun gut, dann wünsche ich Euch viel Glück, Lord Remiel. Passt auf Euch auf.“ Der Engel nickte, während sich sechs Soldaten zu ihm und den anderen Seraphim gesellten.
„Ihr ebenfalls. Kümmert Euch um die Verletzten und geht zum Kloster, es ist nicht mehr allzu weit, vielleicht noch zwei Tage. Wenn Ihr da seid, berichtet den Seraphim dort was geschehen ist und sagt ihnen, dass sie Verstärkungen schicken sollen.“ Mit diesen Worten wandte Remiel sich endgültig ab und verschwand in die nahen Büsche, dicht gefolgt von zwei Soldaten in roten Rüstungen, während die anderen vier den weiblichen Seraphim folgten, die sich ebenfalls aufteilten. Feon seufzte, als einer seiner Männer mit einem Stück Stoff in der Hand zu ihm kam.
„Bringen wir es hinter uns.“ murmelte Feon und schloss die Augen, während der Soldat den Holzsplitter aus seinem Knie zog, und das Stoffstück um die Wunde wickelte. Der General keuchte vor Schmerz auf und riss etwas Gras aus dem Boden, beruhigte sich dann jedoch und lächelte den Soldaten schwach an. „Danke, hilf jetzt den anderen.“
„Jawohl, General.“ Feon beobachtete, wie der Mann davonrannte und einer Frau dabei half, sich aufzurichten. Diese hatte augenscheinlich Schwierigkeiten damit und war immer wieder kurz davor hinzufallen. Letztendlich holte Feon einmal tief Luft und richtete sich auf. Zwar schmerzte sein Knie noch immer höllisch, aber immerhin gab es nicht mehr nach, das war schonmal ein Anfang.
„Aufgepasst! Kümmert euch so schnell wie möglich um die Verletzten, sorgt dafür, dass sie reisefähig sind. Wir brechen in vier Stunden auf, drei von euch werden hierbleiben und auf die Toten aufpassen und auf diejenigen, die zu schwer verletzt sind, um zum Kloster zu reisen. Wir haben keine Zeit zu verlieren, Lord Remiel und die Seraphim verlassen sich auf uns.“ Seine Männer bestätigten mit lauten Rufen, dass sie verstanden hatten und machten sich an die Arbeit, während Feon mit nachdenklicher Miene dorthin sah, wo Remiel im Wald verschwunden war und sich fragte, was im Namen Gottes hier eigentlich vor sich ging.
…
Naleya kniete vor einem Strauch, an dem sich dutzende Dornen befanden und schob vorsichtig die dünnen Zweige zur Seite. An ihrer Hüfte hing ihr schlichtes Schwert und auf dem Boden neben ihr, stand ein großer Korb, in dem sich bereits einige Pflanzen und Früchte befanden. Dazu kamen ein paar Stücken Fleisch und Fell eines Wolfes, der Naleya angefallen hatte, kaum dass sie tiefer in den Wald getreten war. Vor einem Jahr hätte sie noch Panik bekommen und wild um sich geschlagen, aber inzwischen war sie die wilden Tiere der Flüsterwälder gewöhnt und wusste, wie man sich am besten gegen sie verteidigen konnte. Sie war zwar bei weitem keine meisterhafte Schwertkämpferin, aber als Alchemist musste man zumindest wissen, wie man sich im Notfall verteidigen kann und das konnte Naleya ziemlich gut, zumindest solange ihre Gegner weiterhin einfache Wölfe oder kleine Gremlins waren, die sich hin und wieder in den Wäldern blicken ließen. Mit einem schiefen Lächeln im Gesicht dachte sie an den gestrigen Abend zurück und an ihr Essen mit Temeria. Es war nett, sich mal wieder mit ihrer alten Freundin unterhalten zu können, das letzte, richtige Gespräch zwischen ihnen war knapp zwei Monate her gewesen. Temeria kam zwar hin und wieder in den Laden um zu sehen, wie es Naleya ging, aber diese war ständig am arbeiten, weshalb es nie Zeit für mehr als knappe Begrüßungen gab. Kurze Zeit später fand Naleya, wonach sie im Busch gesucht hatte und löste vorsichtig eine goldene Frucht von einem der Zweige, die sie behutsam in ihren Korb legte, ehe sie sich daran machte, den Rest des Busches abzusuchen. Manchmal war es allerdings auch eine Qual, mit Temeria, dachte Naleya sich und verzog unwillkürlich das Gesicht. Gestern hatte Temeria mal wieder ihr Lieblingsthema angesprochen: Naleyas Liebesleben. Ihre Freundin machte sich ziemliche Sorgen, weil Naleya bislang noch nicht einmal Anzeichen gezeigt hatte, sich für irgendjemanden großartig zu interessieren, egal ob Mann oder Frau und versuchte hin und wieder Naleya mit einem der Männer Amderads zu verkuppeln, bislang jedoch erfolglos. Dabei war es nicht so, dass Naleya keinen Freund haben wollte, bislang fand sie einfach nicht die Zeit, sich wirklich mit der ganzen Sache zu befassen. Ihre Arbeit nahm jeden wachen Augenblick in Anspruch und wenn sie ehrlich war, mochte Naleya das auch so. Sie musste nicht unbedingt jemanden an ihrer Seite haben, sie kam ganz gut alleine zurecht und es reichte ihr zu wissen, dass Temeria für sie da wäre, wenn sie einmal Hilfe bräuchte.
Nachdem sie drei weitere Früchte vom Busch geholt hatte, beendete Naleya die Untersuchung des Busches, schnappte sich ihren Korb und setzte ihre Wanderung durch den Wald fort. Es war ungefähr gegen Mittags und sie würde für den Rückweg ungefähr vier Stunden brauchen, also überlegte sie, ob sie nicht vielleicht schon umkehren sollte, als etwas ihren Blick fing. Auf einer Wurzel, ganz in der Nähe schimmerte etwas im Licht und Naleya ging näher heran um es sich anzugucken. Kaum war sie nahe genug um es zu erkennen, sah sie sich erschrocken um. Das war eindeutig Blut, aber von was? Es sah so aus wie menschliches Blut... wenn da nicht eine Art Schimmern wäre, dass vom Blut auszugehen schien. Naleya hatte so etwas noch nie zuvor gesehen und ohne groß nachzudenken zog sie ein Fläschchen aus einer Taschen ihrem Gürtel und füllte es mit dem Blut, ehe sie das Fläschchen wieder verschwinden ließ. Erneut sah sie sich um. Das Blut war noch frisch, also konnte es durchaus möglich sein, dass, wer oder was auch immer es sein mochte, der Verletzte sich noch in der Nähe befand. Einen winzigen Augenblick zögerte die Alchemistin, dann gewann jedoch ihre angeborene Neugier und sie sah sich ein wenig genauer um, bis sie in der Nähe mehr Blut sah. Sofort folgte sie der Blutspur, wenn auch vorsichtig und mit gezogenem Schwert. Immerhin wusste sie nicht, was sie am Ende der Spur erwarten würde und sie hatte keine Lust, plötzlich einem wütenden Bären oder einem ganzen Rudel Wölfe unvorbereitet über den Weg zu laufen. Nachdem sie der Spur zehn Minuten lang gefolgt war fragte Naleya sich langsam, ob sie überhaupt etwas finden würde und begann bereits sich und ihre Neugier zu verfluchen, als sie in der Nähe ein Stöhnen hörte. Die Alchemistin hielt inne und sah sich um, dann bemerkte sie, dass etwas hinter einem nahen Baum hervorragte und zwar... Flügel mit weißen Federn. Sofort steckte Naleya ihr Schwert weg, rannte um den Baum herum und schaffte es gerade noch rechtzeitig anzuhalten. Direkt vor ihrer Kehle schwebte die Spitze eines goldenen Schwertes, auf der sich bereits getrocknetes Blut befand, allerdings hatte Naleya nur Augen für die Besitzerin des Schwertes. Es war eine äußerlich junge Frau mit kurzen, blonden Haaren und grauen Augen, sowie spitzen Ohren. Sie trug schlichte, schwarze Kleidung und aus ihrem Rücken ragten insgesamt sechs, schneeweiße Flügel und auch wenn ihre Flügel und Kleidung mit Blut verschmiert waren, minderte das nicht den erhabenen und eleganten Anblick, den diese Frau bot. Die Frau blinzelte ein paar mal, ehe sie ihr Schwert sinken ließ und den Kopf zurücklehnte.
„Du solltest vorsichtiger sein, Mensch.“ murmelte sie erschöpft. „Ich hielt dich für einen meiner Verfolger.“ während sie sprach presste die Engelsfrau eine Hand auf ihre rechte Seite und Naleya bemerkte den tiefen Schnitt, der dort prangte.
„Ihr seid verletzt.“ meinte Naleya, mit besorgter Stimme, setzte ihren Korb auf den Boden und legte ihr Schwert ab.
„Ich weiß, es ist nicht allzu schlimm, mache dir darüber keine Sorgen, Mensch.“ Naleya ignorierte die Worte der Frau und sah sich um, als sie nicht fand, wonach sie suchte zückte sie ein Messer, zog ihre Weste aus und schnitt Stoffstreifen aus dieser, die sie dann vor sich hinlegte. „Was machst du da?“ fragte die Frau mit schwacher Stimme und sah Naleya verwundert an.
„Ich weiß nicht viel von Engeln und davon, wie eure Körper funktionieren, aber ich denke, es wird schon funktionieren. Seid unbesorgt, ich werde mich so gut es geht um Eure Wunden kümmern.“ meinte Naleya, während sie die goldenen Früchte nahm und über den Stoffstreifen zerquetschte, um diese im Saft der Früchte zu tränken. Die Frau schüttelte lediglich den Kopf.
„Lass es sein, Mensch. Wenn du mir hilfst, wirst du nur Probleme kriegen.“ Naleya lachte auf.
„Was für Probleme könnte ich kriegen, wenn ich einem Engel helfe?“ fragte sie, während sie den Saft der Frucht auf dem Streifen verteilte und ihn einrieb. Ihr Lächeln verblasste jedoch, als sie die ernste Miene des Engels sah.
„Ich bin... nicht ganz das, was du dir unter einem Engel vorstellst. Ich bin ein Feind der Kirche.“ erklärte die Frau und schloss die Augen. „Wenn du mir hilfst, machst du dir die Inquisition zum Feind, also laufe lieber weg, bevor...“ sie verstummte und öffnete ungläubig ihre Augen, als sie etwas kaltes spürte, dass auf ihre Wunde drückte. Direkt vor ihrem Gesicht befand sich Naleya, die ihre Stofffetzen auf die Wunde des Engels presste und einen größeren Streifen nutzte, um sie festzubinden. Naleya lächelte den Engel wieder an. „Was machst du da?“ fragte die Frau und richtete sich ein wenig mehr auf.
„Es ist mir egal, ob Ihr Probleme mit der Kirche habt, oder ob Ihr ein Engel, Dämon, Elementar, Mensch oder sonst irgendwas seid. Ihr braucht meine Hilfe und Ihr scheint kein schlechter Mensch... Engel zu sein, also helfe ich Euch.“ Die Frau blinzelte kurz verwirrt, brach dann jedoch in Gelächter aus.
„Du bist ein... interessanter Mensch.“
„Vielen Dank.“ Die beiden schwiegen eine Weile, dann stand der Engel plötzlich auf und Naleya tat es ihr gleich.
„Meine Blutung hat bereits gestoppt... waren das Malneonbeeren?“ Naleya nickte. „Beeindruckend, die sind nicht leicht zu finden, es muss eine Weile gedauert haben, bis du so viele hattest.“
„Ich war heute schon sieben Stunden unterwegs.“ meinte die Alchemistin und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Erneut kehrte schweigen ein, bis die Frau wieder das Wort ergriff.
„Ich danke dir für deine Hilfe, Mensch. Ich bin Uriel, Anführerin... ehemalige Anführerin der Seraphim.“
„U-uriel?“ stotterte Naleya und riss die Augen auf. „Doch nicht etwa... Uriel, wie in 'Erzengel Uriel'... oder?“ Uriel lächelte lediglich als Antwort und Naleya war kurz davor in Ohnmacht zu fallen. Nicht nur war ihr ein Engel begegnet, es war auch noch ein Erzengel! Die Alchemistin konnte nicht fassen, wie viel Glück sie hatte. Aber wenn es wirklich Uriel war, dann blieben noch immer einige Fragen offen. „Ähm... wenn Ihr mir eine Frage erlauben würdet... warum habt Ihr Probleme mit der Inquisition? Werdet Ihr verfolgt?“
„Ja, werde ich. Und warum? Nun... ich habe ihnen etwas gestohlen, etwas äußerst wertvolles.“
„Etwas wertvolles? Wertvoll für was? Für die Inquisition?“ Uriel schüttelte den Kopf.
„Für die Inquisition ist es wertlos, oder besser gesagt es ist ihnen ein Dorn im Auge. Es ist wertvoll für... meine Verbündeten.“ Mehr sagte Uriel nicht und Naleya war sich nicht sicher, ob sie weitere Fragen stellen sollte. „Wie lautet dein Name, Mensch?“ Naleya zuckte zusammen, sie war gerade vollkommen in ihren eigenen Gedanken gewesen und hatte über die Worte der Frau nachgedacht.
„Ich bin Naleya Armeogh, eine Alchemistin aus Amderad, freut mich Euch kennenzulernen.“ Naleya streckte ihre Hand aus, Uriel schlug jedoch nicht sofort ein, sondern sah sie nur eine Weile lang verwirrt an, ehe sie sagte
„Oh, natürlich.“ und die Hand schüttelte. „Freut mich ebenfalls, dich kennenzulernen, Naleya.“ Die Alchemistin wollte noch etwas sagen, aber Uriel hob ihre Hand und bedeutete ihr zu schweigen. Kurze Zeit später hörte Naleya, wie sich etwas in der Nähe durch die Büsche schlug.
„Was ist das?“ fragte sie angespannt und packte ihre Sachen zusammen, um im Notfall schnell wegrennen zu können.
„Meine Verfolger.“ Uriel biss die Zähne zusammen und warf einen Blick auf ihre Wunde, dann einen Blick zu Naleya und zögerte. „Du sagtest, du bist eine Alchemistin?“
„Was? Ähm, ja, warum?“
„Bist du gut?“
„Wie bitte?“
„Bist du gut?“ fragte Uriel erneut, dieses mal in drängendem Tonfall.
„Ähm... j-ja, ich denke schon, ich kann das meiste...“
„Sehr gut.“ meinte Uriel, zog etwas aus einer Tasche hervor und hielt es Naleya vors Gesicht. Es war eine Halskette, an der ein kleiner, Obelisk aus Obsidian hing, in den grüne Runen eingraviert waren. Naleya spürte, wie Unmengen von Magie vom Obsidian auszugehen schienen.
„Was ist das?“ fragte sie, während Uriel ihr die Halskette in die Hand drückte und sich abwandte. „Ist das der Gegenstand, den Ihr von der Inquisition gestohlen habt?“ Uriel nickte und drehte ihren Kopf zu Naleya.
„Hör mir gut zu, Naleya. Was ich dir jetzt sage ist äußerst wichtig, also vergiss es nicht, ja? Ich werde meine Verfolger aufhalten, während du zurück nach Amderad rennst, verstanden?“
„W-was? Ihr seid verletzt, ich kann Euch doch nicht...“
„Das ist der Befehl eines Engels!“ fuhr Uriel mit kalter Stimme dazwischen und Naleya schluckte nervös. „Ich mag Probleme mit der Inquisition haben, aber meine Befehle haben die Autorität von Nuvaz, denke daran!“ Naleya nickte. „Sehr gut, also; du rennst zurück nach Amderad. Warte einen Tag, wenn ich nicht zu dir komme, gehe davon aus, dass ich getötet oder gefangen wurde, oder fliehen musste. Sollte ich nicht zu dir kommen, musst du mir versprechen, dass du dein möglichstes als Alchemistin tust, um das Siegel zu lösen, dass auf dem Obelisken liegt. Kannst du mir das versprechen?“
„Ich soll... das Siegel lösen? Aber... warum?“
„Weil es wichtig für ganz Amtheon ist, dass das Siegel gelöst wird, verstanden?“ Naleya zögerte kurz, nickte dann jedoch.
„Ich verspreche Euch, dass ich das Siegel lösen werde, solltet Ihr nicht morgen bei mir auftauchen, um die Halskette abzuholen.“
„Danke.“ sagte Uriel mit einem Lächeln und atmete erleichtert auf. „Dann gehe jetzt.“
„Wartet! Was... was soll ich machen, nachdem ich das Siegel gelöst habe?“ Uriel sah sie kurz verwirrt an, lachte dann jedoch.
„Das wirst du schon sehen, er wird dir sagen, was du tun musst.“
„Was? Wer?“
„Gehe jetzt, sofort!“ Naleya wollte noch etwas sagen, sah dann jedoch wie sich Gestalten in roten Rüstungen aus dem Gebüsch schälten. Sie warf einen letzten Blick zu Uriel, die ihr Schwert erhoben hatte und auf die Soldaten wartete, dann drehte sie sich um und rannte in Richtung Amderad davon, ohne zu wissen, dass sie gerade dabei war, für immer in die Geschichte Amtheons einzugehen.
Das wäre es dann auch schon, mit den Erklärungen, ich wünsche viel Spaß beim lesen
Diskussion/ Kommentare:
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Himmelsreich:
Asbael - Erzengel und rechte Hand von Azrael
Azrael - Erzengel und Anführer der Seraphim, Zwillingsbruder von Raphael
Lucifer - Engel und Teil der Cherubim, rechte Hand von Thelios
Lyaena - Engel und Teil der Cherubim
Muriela - Erzengel und ehemalige Anführerin der Seraphim, sie fiel im Kampf gegen die Dämonen
Nuvaz - Gott von Amtheon und Anführer der Engel
Raphael - Engel und Teil der Seraphim, Zwillingsbruder von Azrael
Remiel - Engel und Teil der Seraphim
Thelios - Ehemaliger Erzengel und Oberhaupt der Cherubim, jetzt ein gefallener Engel
Uriel - Erzengel und ehemalige Anführerin der Seraphim
Ahn' Sherov:
Asasel - Drache und treuer Weggefährte von Lilith
Asmodäus - Teufel und General der Dämonen
Astaroth - Leviathan und treuer Weggefährte von Astarte
Astarte - Teufel und General der Dämonen, niemand weiß
Behlez - Teufel und General der Dämonen, niemand weiß
Burkoth - Behemoth und treuer Weggefährte von Asmodäus
Lilith - Teufel und General der Dämonen
Sh'arkrul - Lamassu und Fürst von Drzhov
Shimurgh - Greif und treuer Weggefährte von Behlez
Venyaz - Succubi und Fürstin von Ez' Shenon
Veynlaz - Elf und Erzdämon, der für den Dunklen Krieg verantwortlich war
Menschen:
Aléon de Prucoix - Inquisitor des Heiligen Reichs
Aurica Vladion - Soldatin der Inquisition
Canea - Eine Heilige der Kirche des Nuvaz, sie sorgte für Frieden zwischen den Völkern von Dergnov
Feon de Lanceux - General des Heiligen Reichs und Teil der Inquisition
Naleya Armeogh - Alchemistin in Amderad
Temeria - Hänlderin in Amderad und Naleyas Freundin
Asbael - Erzengel und rechte Hand von Azrael
Azrael - Erzengel und Anführer der Seraphim, Zwillingsbruder von Raphael
Lucifer - Engel und Teil der Cherubim, rechte Hand von Thelios
Lyaena - Engel und Teil der Cherubim
Muriela - Erzengel und ehemalige Anführerin der Seraphim, sie fiel im Kampf gegen die Dämonen
Nuvaz - Gott von Amtheon und Anführer der Engel
Raphael - Engel und Teil der Seraphim, Zwillingsbruder von Azrael
Remiel - Engel und Teil der Seraphim
Thelios - Ehemaliger Erzengel und Oberhaupt der Cherubim, jetzt ein gefallener Engel
Uriel - Erzengel und ehemalige Anführerin der Seraphim
Ahn' Sherov:
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Sh'arkrul - Lamassu und Fürst von Drzhov
Shimurgh - Greif und treuer Weggefährte von Behlez
Venyaz - Succubi und Fürstin von Ez' Shenon
Veynlaz - Elf und Erzdämon, der für den Dunklen Krieg verantwortlich war
Menschen:
Aléon de Prucoix - Inquisitor des Heiligen Reichs
Aurica Vladion - Soldatin der Inquisition
Canea - Eine Heilige der Kirche des Nuvaz, sie sorgte für Frieden zwischen den Völkern von Dergnov
Feon de Lanceux - General des Heiligen Reichs und Teil der Inquisition
Naleya Armeogh - Alchemistin in Amderad
Temeria - Hänlderin in Amderad und Naleyas Freundin
Prolog:
In der Mitte der drei großen Kontinente, welche den Hauptteil der Landmasse Amtheons bildeten, liegt ein gewaltiges Meer, das die Kontinente voneinander trennt und durch seine stürmische Natur und gefährlichen Einwohner die Reise zwischen den Kontinenten nahezu unmöglich macht. In der Mitte des Ozeans jedoch, praktisch in der Mitte der Welt, wird das Meer ruhiger und auch die meisten der Meeresräuber ziehen nicht bis dorthin, wodurch diese Gegend praktisch ein kleines Paradies inmitten des höllischen Ozeans ist. Dort liegen eine Reihe von großen und kleinen Inseln, welche den Einwohnern der Kontinente nur als 'Inselreiche' bekannt sind und eigentlich als Orte aus Legenden und Sagen gelten. Es gibt insgesamt fünf große Inseln und auf jeder, hat sich ein anderes Reich niedergelassen. Auf der kleinsten der Inseln, in der Mitte der anderen vier, ist die Heimat der Menschen und des Heiligen Reichs Demeor. Die Menschen waren, trotz ihrer kleinen Heimatinsel, das zahlreichste aller Völker der Inselreiche und hatten sich im Laufe der Jahre auch auf den anderen Inseln niedergelassen. Zwar konnten die Menschen so gut wie keine Magie nutzen, aber dafür haben sie etwas, in ihren Augen weit wertvolleres, erfunden; die Alchemie, welche bei anderen Völkern als eine Unterart der Magie gilt. Trotz eifriger Bemühungen der restlichen Völker war es nie einer der anderen Rassen gelungen, auch nur einen einzigen Alchemisten hervorzubringen, weshalb deren Errungenschaften und Erfindungen weiterhin etwas waren, auf dass ausschließlich das Heilige Reich Demeor zugriff hatte. In der Hauptstadt von Demeor befindet sich außerdem die Kathedrale des Nuvaz, dem Erbauer der Welt und dem einzig, wahren Gott von Amtheon. Es heißt, dass man von dieser Kathedrale aus mit den Einwohnern des Himmels kommunizieren kann, allerdings war dies bisher nur einer einzigen Person gelungen, einer jungen Alchemistin, die während des Dunklen Krieges von der Kathedrale aus Nuvaz um Hilfe angerufen hatte. Das Heilige Reich selbst wurde einst von einem Erzengel gegründet, der dann nach einigen Dekaden erneut in den Himmel aufstieg und die Herrschaft an einen jungen Mann abtrat, welcher zum ersten Paladin wurde. Seither herrschten die Menschen über die Kirche des Nuvaz, deren Glaube auf jeder der Inseln weit verbreitet war und beinahe jede Rasse folgte ihm.
Eine Ausnahme bildete hier ein Großteil der Elfen, welche auf der nördlichen Insel lebten. Der Name dieser Insel lautete Thórvallen und war von Menschen größtenteils unberührt und unerforscht, lediglich die Elfen kannten sich hier aus, waren allerdings nicht allzu erpicht darauf die Geheimnisse ihrer Heimat mit den Menschen zu teilen. Allerdings lag dies nicht an Feindschaft oder Misstrauen zwischen den Völkern, sondern lediglich an der angeborenen Geheimnistuerei der Elfen. Und trotzdem hatten die Elfen sich letztendlich dazu bereit erklärt den Menschen etwas von ihrer eigenen Magie beizubringen; der Geisterbindung, durch die es dem Zauberer möglich war, Geister und Elementare zu loyalen Dienern zu machen. Seither verband die beiden Rassen eine tiefe Freundschaft und die Elfen waren die treuesten Verbündeten der Menschen, auch wenn die meisten von ihnen noch immer an ihre alten Götter glaubten. Weiterhin unterhielten sie äußerst gute Handelsbeziehungen, die Elfen waren geradezu verrückt nach den Waren der Alchemisten und die Menschen konnten einfach nicht auf die Gewürze und seltenen Rohstoffe Thórvallens verzichten.
Misstrauen herrschte jedoch zwischen Demeor und den Einwohnern der östlichen Insel, deren Name Dergnov lautete und die war Heimat der Gnome, Zwerge, Goblins und Orks war. Die Gnome hatten jahrhundertelang Krieg mit den Goblins und Orks geführt, während die Zwerge untereinander heftige Bürgerkriege geführt hatten, Chaos herrschte auf Dergnov. Das alles änderte sich mit der Ankunft der Heiligen Canea, die eine Expedition Demeors auf die Insel führte. Ihr gelang es den Glauben an Nuvaz zu verbreiten und den Kämpfen ein Ende zu bereiten, seither herrschte Frieden auf Dergnov und den Menschen wurde ein Teil der Westküste zugesprochen, als Dank für ihre Hilfe. Trotzdem kam es immer wieder zu Reibereien zwischen den Völkern, wenn es auch nie zu ernsten Konflikten kam, und es gab auch einige Einwohner Dergnovs, die meisten von ihnen Orks und Zwerge, denen die Einmischung der Menschen überhaupt nicht gefallen hatte. Weit friedlicher und harmonischer ging es da schon auf der westlichen Insel zu; Corpheus. Hier lebten die Menschen bereits seit hunderten Jahren, zusammen mit den Ceruanern. Bei diesen handelte es sich um drei Meter große Menschen mit grauer Haut und den Füßen und Gesicht eines Elefanten. Sie waren äußerst friedliebend und waren hoch erfreut, als die Menschen auf ihre Insel kamen. Schon bald hatte sich eine tiefe Freundschaft zwischen den Völkern entwickelt und Handel blühte auf. Ebenso stand es mit Ahn' Sherov, dem südlichen Reich und Heimat der Dämonen.
Viele Jahre lang verband Ahn' Sherov und die Menschen der Handel zwischen ihren Völkern, doch eines Tages änderte sich das alles. Ein Elf namens Veynlaz kehrte Thórvallen den Rücken und ließ sich auf der südlichen Insel nieder. Veynlaz war ein mächtiger Magier, der in Ahn' Sherov schnell Einfluss und Macht gewann, bis er sich eines Tages zum Erzdämon erklärte, zum Herrscher von Ahn' Sherov, ohne dass irgendjemand Einspruch erhob. Niemand dachte sich etwas dabei und viele waren von Veynlaz' Leistung beeindruckt. Dämonen und Elfen verstanden sich grundsätzlich nicht besonders gut, weshalb es wahrlich unglaublich war, dass ein Elf als Erzdämon anerkannt wurde. Die Rassen der Inselreiche dachten, dass unter Veynlaz' Herrschaft die Dämonen und Elfen sich einander annähern und endgültig feste Freundschaft zwischen allen Völkern herrschen würde. Diese Hoffnungen wurden jedoch schon bald zerschmettert, Veynlaz erklärte Krieg, nicht etwa gegen eines der Reiche, nein. Er erklärte Krieg gegen Nuvaz und dessen Diener, wodurch er sich jede einzelne Rasse zum Feind machte. Die vier Teufel, die besten und mächtigsten Dämonen von Ahn' Sherov, wurden mit ihren Bestien losgelassen und griffen die anderen Inselreiche an, jeder mit einer Legion von Dämonen unter seinem Kommando. Dergnov fiel unter dem unerbittlichen Ansturm von Lilith, ihrem Drachen Asasel, und Unmengen von Feuerelementaren und Höllenhunden. Thórvallens Verteidiger wurden von Behlez und seinem Greifen, Shimurgh, sowie einem Heer von Luftelementaren und Incubi zurückgedrängt. Auch Corpheus hatte Probleme, denn hier war Asmodäus mit seinem Heer aus Erdelementaren, Lamassu und seinem persönlichen Behemoth, Burkoth, gelandet. Am schwersten jedoch, traf es die Einwohner von Demeor. Sie mussten sich der Angriffe von Astarte und ihrem Leviathan Astaroth erwehren, die zusammen mit Wasserelementaren und Hydren eine Verwüstung anrichteten, die noch Dekaden später überall zu sehen war. Da die stärkste aller Teufel ihre Truppen nach Demeor führte vermuteten viele, dass die Vernichtung der Kathedrale des Nuvaz und der Fall von Demeor das Hauptziel des Erzdämons sei. Nach sieben Jahren des Kriegs, sah es letztendlich so aus, als wenn Veynlaz sein Ziel erreichen und seine Heerscharen die Inselreiche allesamt vernichten würden, als endlich die Erlösung kam. Über den Schlachtfeldern der vier Inseln erschienen goldene Portale im Himmel und die Legionen des Nuvaz griffen in die Kämpfe ein. Hunderte Engel, angeführt von den dreizehn Erzengeln, eilten den sterblichen Völkern zur Hilfe und stellten sich gegen die Dämonen. Auf Thórvallen stellten sich die Zwillinge Raphael und Azrael Behlez und Shimurgh entgegen, nachdem sämtliche Engel unter ihrem Kommando in der Schlacht gefallen waren. Es gelang ihnen Shimurgh zu erschlagen und seine Seele in einem Kristall einzusperren, den sie danach tief in den Wäldern Thórvallens versteckt haben. Behlez war gezwungen sich nach Ahn' Sherov zurückzuziehen und die Zwillinge wurden für ihren Mut in die Reihen der Seraphim erhoben, der Leibwache des Nuvaz. Die Ceruaner brauchten nicht einmal die Hilfe der Engel in der Schlacht, denn als sich das erste himmlische Portal öffnete, verschwanden Asmodäus und der Behemoth spurlos, aus Angst den Kriegern des Himmels gegenüberzutreten. Im Osten half Muriela, Anführerin der Seraphim, den Einwohnern von Dergnov dabei ihre Heimat zurückzuerobern, wurde jedoch in der letzten Schlacht von Lilith erschlagen. Trotzdem mussten sich auch Lilith und Astarte letztendlich in den Süden zurückziehen, denn dort führte Nuvaz persönlich eine Offensive gegen den Erzdämon und stürmte zusammen mit seinen Seraphim die Zitadelle von Veynlaz. Niemand weiß, was genau in der Zitadelle geschehen war, es ist lediglich bekannt, dass nur Nuvaz und der Erzengel Uriel die Zitadelle lebend verließen. Sie erzählten niemandem, was dort vorgefallen war, oder was mit Veynlaz und den Teufeln geschehen war. Uriel wurde für ihre Taten im Süden jedoch zur neuen Anführerin der Seraphim ernannt und der Dunkle Krieg kam zu seinem Ende. Nuvaz und seine Engel halfen den sterblichen Völkern noch zehn Jahre lang mit dem Wiederaufbau, ehe sie sich wieder in den Himmel zurückzogen und die jungen Rassen sich selbst überließen. Seit diesem Tag herrschte wieder Frieden auf den Inseln und die Inselreiche begangen wieder, sich langsam mit den Dämonen anzufreunden und ihnen ihre Taten während des Dunklen Kriegs zu vergeben. Dieser geriet in Vergessenheit und hunderte Jahre lang herrschte Frieden und Freundschaft, sowohl auf Amtheon, als auch im Himmelsreich. Es gab zwar noch immer vereinzelte Konflikte und kleinere Kriege, aber nichts, im Ausmaße des Dunklen Kriegs. Das sollte sich jedoch bald ändern. Die Welt stand erneut vor einem großen Krieg und einer gewaltigen Katastrophe, und alles nahm seinen Anfang auf der Insel Thórvallen...
Kapitel 1 - Ein Himmlischer Auftrag:
Amderad war eine kleine Ortschaft an der Südküste von Thórvallen und gehörte zu den neueren, menschlichen Siedlungen im Reich der Elfen. Sie existierte gerade einmal dreißig Jahre und war daher nicht besonders groß, es gab ein paar hundert Einwohner, die meisten von ihnen Fischer oder Steinarbeiter, aber auch einige Händler. Der 'Hafen' Amderads bestand aus zwei hölzernen Stegen, die ins Meer hinein führten und knapp zwei Dutzend Fischerbooten, die dort lagen. Eine hölzerne Palisade umringte die Ortschaft dort, wo es kein Meer als natürlichen Schutz gab und es gab insgesamt drei kleine Tore, die aus Amderad hinausführten. Das erste war im Osten und brachte einen direkt auf die Hauptstraße, die nach Panyeon führte, die größte Stadt der Menschen auf Thórvallen. Im Norden konnte man durch das Tor die Flüsterwälder erreichen. Dort gab es hin und wieder wilde Tiere, Gerüchten zufolge gar einige Monster, aber trotzdem wagten sich immer wieder mutige Menschen dorthin, um die seltenen Kräuter und Pflanzen zu sammeln, die dort wuchsen und auf die Heiler und Alchemisten niemals verzichten könnten. Das letzte Tor befand sich im Westen und führte direkt in Richtung eines großen Gebirges, wo sich der Steinbruch und die Mine befanden in denen die meisten Einwohner der Stadt ihr Geld verdienten. Das meiste Material, welches hier abgebaut wurde, verkaufte man an die Händler, die es wiederum in die größeren Städte brachten und dort weiterverkauften, aber ein Teil der Erze ging an die hiesige Schmiede oder die Alchemisten Werkstatt. Die Schmiede befand sich im Westen, ganz in der Nähe des Westtores und gehörte einem alten, freundlichen Mann, der schon seit der Gründung von Amderad hier lebte und als Schmied für die Ortschaft arbeitete. Er war äußerst beliebt bei den Einwohnern der Ortschaft und hatte viele Kunden, was man von der Alchemisten Werkstatt nicht gerade behaupten konnte.
Diese lag im Norden von Amderad und war ein kleines Gebäude, das man leicht mit einem gewöhnlichen Wohnhaus hätte verwechseln können, wenn nicht ein Teil der Wand durch ein großes Fenster ersetzt worden wäre, durch das man in den Laden sehen konnte. Direkt hinter dem Fenster, waren einige Waren ausgestellt worden und über der Tür prangte ein großes Schild, auf dem 'Geöffnet' stand. In der Werkstatt selbst waren weitere Waren ausgestellt, ein paar Rüstungen und Waffen, aber hauptsächlich diverse Stoffe und Fläschchen mit seltsamen Flüssigkeiten. An der hintersten Ecke des Ladens gab es eine Tür, die in einen kleinen Gang führte, wo es wiederum zwei Treppen gab, eine führte nach unten, in die eigentliche Werkstatt, wo die Alchemisten ihre Waren herstellen und Experimente durchführen konnten, und die zweite führte nach oben, in den Wohnbereich der Werkstatt. Hinten an der Wand des Ladens stand außerdem ein Tresen, auf dem weitere Waren platziert worden waren und hinter diesem Tresen saß ein junges Mädchen, mit dem Kopf auf der Theke, und seufzte bereits seit mehreren Stunden vor sich hin. Sie hatte schulterlange, rote Haare und grüne Augen, gekleidet war sie in ein schwarzes, langärmeliges Hemd, über dem sie eine rote Weste aus Stoff trug, dazu kamen eine Lederhose und schwarze Lederhandschuhe. Am Tresen lehnte ein einfaches Schwert in seiner Scheide, die an einem Gürtel befestigt war. Bei dem Mädchen handelte es sich um Naleya Armeogh, der Alchemistin, der diese Werkstatt gehörte. Sie war vor kurzem erst siebzehn Jahre alt geworden und war somit erst seit etwas mehr als einem Jahr volljährig, auch wenn sie äußerlich bereits weit erwachsener aussah, als man von jemandem in ihrem Alter erwarten würde. Es war nun drei Jahre her, dass Naleyas Eltern gestorben waren und Naleya sich entschlossen hatte, nach Amderad zu ziehen. Ihre Eltern waren Priester in Panyeon gewesen, bis sie eines Tages bei einem Unfall ums Leben kamen. Eine Freundin von Naleya war zu dieser Zeit kurz davor, nach Amderad zu ihrer schwerkranken Tante zu ziehen und hatte Naleya angeboten, sie zu begleiten. Naleya nahm an und wohnte nun seit beinahe drei Jahren in dieser kleinen Ortschaft. Als sie noch in Panyeon gewesen war, hatte sie beinahe jeden Tag geübt und studiert um eines Tages eine Alchemistin zu werden. Vor einem Jahr war es dann soweit gewesen, sie bestand ihre Prüfung und wurde als echte Alchemistin anerkannt. Allerdings hatte sie darauf verzichtet ihre Werkstatt in Panyeon zu eröffnen und sich stattdessen entschlossen, sich in Amderad niederzulassen, ein gewaltiger Fehler, wenn sie so im Nachhinein darüber nachdachte.
In so einer kleinen Gegend brauchte fast niemand einen Alchemisten, weshalb es nicht gerade viele Aufträge für Naleya gab, glücklicherweise konnte sie sich mit den wenigen Aufträgen die sie bekam geradeso über Wasser halten. Im Prinzip waren Alchemisten gewöhnliche Handwerker, die alles mögliche herstellten, von Waffen und Rüstungen, über Schmuck, bis hin zu Medizin und Farbstoffen. Der Unterschied, zu den anderen Handwerkern und Schmieden bestand darin, dass ein Alchemist Magie nutzen konnte, um seinen Arbeiten zu etwas ganz besonderen zu machen. Zum Beispiel konnten sie Magie in eine Waffe einweben, wodurch diese niemals rostete, oder sie konnten Kleider erschaffen, deren Farbe sich je nach den Gefühlen, die ihr Träger verspürte, veränderte. Leider brauchten die Einwohner von Amderad weder Waffen, wenn man einmal von der kleinen Stadtwache absah, noch irgendwelche eleganten Kleider, sie interessierten sich lediglich für die praktischen Dinge im Leben, und Naleya verfluchte sie dafür. Allerdings musste sie sich eingestehen, dass sie wahrscheinlich ohnehin nicht dazu in der Lage gewesen wäre, solche Wunderwerke der Alchemie zu erschaffen. Sie war schon immer eher mittelmäßig, wenn es um Magie ging, sie hatte eigentlich schon Glück, dass sie überhaupt zur Alchemistin ernannt worden war, wenn sie es sich recht überlegte. Plötzlich öffnete sich die Tür zum Laden und eine kleine Glocke läutete, woraufhin Naleya aus ihren depressiven Gedanken aufgeschreckt wurde und mit einem strahlenden Lächeln den Kopf hob.
„Willkommen! Wie kann ich... ah... du bist es.“ Naleyas gute Laune verflog so schnell wie sie gekommen war und sie seufzte, als sie sah, wer da in ihren Laden geschneit war. Es war Temeria, Naleyas beste Freundin und eine Händlerin in Amderad. Temeria hatte lange, blonde Haare und blaue Augen. Heute trug sie ein einfaches, blaues Stoffhemd, über dem sie einen schlichten, braunen Mantel trug, sie lächelte Naleya freundlich an.
„Ich wünsche auch dir einen wunderschönen Morgen, Naleya.“
„Ja... guten Morgen Temeria.“ murmelte Naleya und stützte ihren Kopf auf einer Hand ab, während sie fortfuhr. „Ich hatte schon gedacht, dass sich endlich mal ein Kunde hierher verirrt hat, aber ich bezweifle, dass du heute ausnahmsweise mal etwas kaufen willst.“
„Tut mir leid, aber ich bin aus einem anderen Grund hier.“
„Das dachte ich mir schon.“ Naleya seufzte noch einmal, ehe sie mit beiden Händen auf den Tisch schlug und aufsprang. „Verdammt noch mal!“ rief sie und sah äußerst wütend aus. „Warum kommt nie jemand zu mir, um etwas zu kaufen? Dauernd fragen mich Leute, wie es mir geht und ob ich zurechtkomme, aber niemand kauft etwas! Warum?“
„Vielleicht...“ begann Temeria zögernd, brach jedoch ab, wahrscheinlich um ihre Freundin nicht zu verletzen. Diese ließ jedoch nicht locker, jetzt wo Temeria einmal angefangen hatte.
„Vielleicht was? Weißt du, woran es liegen könnte? Bitte sage es mir! Ist die Qualität meiner Waren zu schlecht? Ich wusste es! Daran liegt es, oder? Ich muss wirklich härter arbeiten und besser werden...“ Naleya plapperte vor sich hin und schien ziemlich aufgelöst zu sein, weshalb Temeria ihr gegen die Stirn schnipste, woraufhin die Alchemistin verstummte.
„Es liegt nicht an der Qualität der Waren, Naleya, sondern an den Waren selbst. Sieh dich doch einmal um.“ meinte sie und deutete auf die verschiedenen Dinge im Laden. „Hier draußen braucht niemand Waffen oder Rüstungen, oder diese seltsamen Färbemittel, selbst Medizin wird selten benötigt. Die Leute wollen Werkzeuge und andere, nützliche Sachen, die sie für ihre Arbeit verwenden können.“
„Aber das ist so langweilig.“ antwortete Naleya und verzog das Gesicht woraufhin Temeria lachte.
„Mag sein, aber so ist das Leben in einer kleinen Ortschaft nun einmal. Du hättest nach Panyeon ziehen sollen, wenn du Aufregung und Spannung haben willst.“
„Ich weiß.“ seufzte die Alchemistin und rieb sich müde die Augen. „Wie geht es deiner Tante?“ fragte sie schließlich und ging zum Tresen, wo sie eine Schublade öffnete.
„Es geht ihr immer besser.“ antwortete Temeria mit einem Lächeln. „Die Medizin, die du uns gegeben hast wirkt, sie kann vielleicht schon bald wieder das Haus verlassen.“
„Freut mich zu hören.“ meinte Naleya und lächelte ebenfalls, während sie Temeria ein Fläschchen mit einer grauen Flüssigkeit gab. „Hier, nimm noch eine davon mit. Euer Vorrat sollte bald zuende gehen.“
„Vielen Dank, wie viel...“
„Gar nichts.“ Temeria seufzte.
„Und du wunderst dich, warum Leute bei dir nichts kaufen? Du willst doch gar kein Geld.“
„Das stimmt nicht! Aber... ich kann doch nicht Geld für Medizin verlangen! Außerdem habt ihr zwei so viel für mich getan, wenn überhaupt schulde ich euch etwas.“
„Wie hast du nur jemals die Prüfung bestanden? Ich dachte immer, als Alchemist muss man gierig und hinterlistig sein.“ meinte Temeria scherzend, während sie Naleya die Medizin abnahm.
„Was glaubst du, warum ich so schlecht abgeschnitten habe?“ fragte Naleya und lachte.
„War das nicht, weil du dich verschlafen hast, und deswegen die Hälfte der schriftlichen Prüfung nicht ablegen konntest?“ Naleya zuckte bei den Worten ihrer Freundin zusammen und wandte den Blick ab, während sie ein wenig rot anlief. Das ganze war ihr noch immer ziemlich peinlich. Nun war es an Temeria zu lachen. „Trotzdem, es ist beeindruckend, dass du bestanden hast, obwohl du kaum etwas im schriftlichen Teil geleistet hast. Du musst die Prüfer im praktischen Teil wirklich von deinem Talent überzeugt haben.“
„Ach, das war nur Glück.“ murmelte Naleya, sie konnte nicht gut mit Lob umgehen und Temeria wusste das, deswegen wechselte sie auch schon das Thema.
„Natürlich. Aber gut, lassen wir das, ich bin schließlich nicht nur zu dir gekommen um mich mit dir zu unterhalten.“
„Nicht? Warum denn noch?“
„Um dir etwas zu sagen. In sechs Tagen kommt die Hámmeth-Karawane nach Amderad.“
„Wirklich?“ fragte Naleya und ihre Augen strahlten förmlich. Die Hámmeth-Karawane war eine riesige Ansammlung von Händlern, die meisten von ihnen Elfen, die durch alle Inselreiche zogen und in jeder noch so kleinen Siedlung handelten, immer auf der Suche nach etwas neuem, oder auch nur etwas, dass ihnen gefiel. Es würde das erste mal sein, dass die Karawane nach Amderad kam und für Naleya wäre es eine große Chance, endlich einige ihrer Waren zu verkaufen. Da die Karawane viele wertvolle Dinge mit sich führte, mussten sie sich verteidigen können und deswegen brauchten sie eigentlich immer Waffen und Rüstungen. Wenn sie Naleyas Arbeiten also als gut befanden, dürfte es kein Problem sein, ihnen etwas zu verkaufen.
„Ja, ich habe heute davon erfahren. Sie werden Morgen aus Panyeon abreisen und uns aufsuchen. Danach werden sie die Flüsterwälder durchqueren und in ihre Heimat zurückkehren, ehe sie dann erneut nach Panyeon reisen, um die nächste Reise über die Inseln zu beginnen.“ Temeria schien kurz über etwas nachzudenken, ehe sie sich wieder an Naleya wandte. „Ach ja, wirst du in nächster Zeit in den Wald gehen?“
„Was? Die Flüsterwälder? Ja, ich muss wieder Zutaten sammeln, warum?“
„Sei vorsichtig, es heißt, dass in letzter Zeit seltsame Dinge im Wald geschehen. Gestern erst ist ein Trupp der Inquisition in den Wald gezogen, zwei Dutzend Mann und keiner weiß warum.“ Naleya schluckte nervös. Die Inquisition war die absolute Elite des Heiligen Reichs. Es war nicht nur ungewöhnlich, dass sie sich in der Nähe einer so unwichtigen Siedlung wie Amderad befanden, es war auch äußerst beunruhigend, dass sie in so großer Zahl unterwegs waren. Immerhin gehörten sie zu den besten Kämpfern Demeors, was könnte dort im Wald lauern, dass die Aufmerksamkeit von gleich zwei Dutzend von ihnen verlangte?
„Danke für die Warnung, ich werde vorsichtig sein.“ meinte Naleya und stand auf. „Auch wenn ich mich frage, warum die Inquisition hier ist.“
„Vielleicht hängt es mit den Aufständen zusammen. Weißt du nicht mehr? Erst vor kurzem hieß es, einige Rebellen könnten sich in den Flüsterwäldern niedergelassen haben.“ Naleya verzog leicht das Gesicht, das hatte sie tatsächlich vergessen.
„Die Rebellen sind auch so eine Sache... wie kann man nur einfach so gegen die Kirche vorgehen?“
„Das ist ja gerade das seltsame, niemand weiß, warum die Rebellen so handeln, wie sie es nun einmal tun. Das einzige, was sie uns wissen lassen, ist dass sie Nuvaz nicht als Gott akzeptieren und seine Kirche absetzen wollen.“ Naleya strich sich kurz nachdenklich durchs Haar. Die Rebellen nannten sich selbst 'Der Kult des Gefallenen' und sie waren sehr gut organisiert und ausgerüstet, auch wenn die Kirche das Gegenteil behauptete. Naleya hatte zwar keine Ahnung von der ganzen Sache, aber sie war sich ziemlich sicher, dass es so sein musste, denn trotz allem was die Priester und Bischöfe sagten, errang der Kult in letzter Zeit immer mehr Siege, gegen die Truppen der Kirche. Schließlich seufzte die Alchemistin und griff nach ihrem Schwert, es brachte ja doch nichts, sich darüber Gedanken zu machen.
„Noch einmal danke dafür, dass du mich von der Karawane informiert hast. Ich werde mich dann mal daran machen, ein paar Zutaten zu sammeln.“
„Willst du etwa heute schon in den Wald?“
„Natürlich, je eher, desto besser, oder nicht?“
„Ach, das kann doch bis Morgen warten, die Zutaten werden dir schon nicht wegrennen.“ sagte Temeria mit einem Lächeln. „Wie wäre es, wenn wir heute zusammen etwas essen gehen? Du hast in letzter Zeit so viel gearbeitet, dass ich kaum mit dir reden konnte.“ Naleya überlegte kurz, nickte dann jedoch.
„In Ordnung, gehe ich eben Morgen in den Wald. Wollen wir gleich los?“
„Von mir aus können wir... obwohl, wir müssten erst bei meiner Tante anhalten, ich will ihr die Medizin geben und außerdem muss ich mir noch etwas anderes anziehen.“
„Kein Problem, ich kann warten... oh, ich muss nur daran denken, den Laden abzuschließen. Du bezahlst, nicht wahr?“
„Ich... was?“
„Du hast mich eingeladen, Temeria! Da wirst du doch wohl bezahlen.“ Die Händlerin seufzte, lächelte dann jedoch.
„Nun gut, dieses eine mal kann ich bezahlen, als Dank für die Medizin.“ Miteinander redend verließen die beiden Freundinnen die Werkstatt. Zu diesem Zeitpunkt wusste Naleya noch nicht, wie sehr die Entscheidung, an diesem Tag essen zu gehen, ihr Leben verändern würde.
…
Die Sonne war gerade aufgegangen und beleuchtete eine große Lichtung inmitten des Waldes, wo sich eine kleine Herde Rehe befand. Bis zu diesem Zeitpunkt war es ein ruhiger Morgen gewesen, doch nun schreckten die Tiere plötzlich auf, spitzten die Ohren, und flüchteten von der Lichtung, in das Nahe Dickicht des Waldes. Es dauerte auch nicht lange, bis auf der gegenüberliegenden Seite das erschien, was die Rehe verschreckt hatte, eine Gruppe von Menschen und Engeln betraten die Lichtung und sahen sich vorsichtig um. An der Spitze der Gruppe gingen ein Dutzend Menschen, gekleidet in scharlachrote Rüstungen mit goldenen Verzierungen und roten Umhängen. Auf dem Kopf trugen sie einen ebenfalls roten Helm mit Nasen- und Wangenschutz, auf denen sich goldene Linien schlängelten. Aus dem Helm ragte eine lange, weiße Feder in die Luft und wehte in der leichten, morgendlichen Brise hin und her. Die Hälfte von ihnen war mit aufwendig verzierten Partisanen bewaffnet, während die andere Hälfte schwere Armbrüste in den Händen hielt, alle trugen jedoch schwere Rucksäcke auf den Rücken, in dem sich Proviant für ihre lange Reise befand. Alle Soldaten sahen sich aufmerksam um und gingen äußerst langsam und vorsichtig voran, sehr zum Missfallen des Mannes der ihnen folgte und sich in Gesellschaft von vier Engeln befand. Die Engel trugen weiße Plattenrüstungen und große, spitze Helme, sie alle hatten zwei Flügelpaare auf dem Rücken und trugen verzierte Hellebarden, die mit der Spitze in die Luft zeigten. Zwei der Engel waren weiblich und hatten lange, blonde Haare und graue Augen, während die Haare der männlichen Engel braun und schwarz waren, während ihre Augen blau zu leuchten schienen. Der Mensch, der mit ihnen ging, war ein junger Mann mit edlen Gesichtszügen und kurzen, braunen Haaren. Er trug ebenfalls eine der scharlachroten Rüstungen, jedoch mit aufwendig verzierten Schulterplatten und ohne Helm, an seiner Hüfte ruhte eine schwarze Schwertscheide, aus der ein Griff ragte, in den ein Rubin eingearbeitet war. Bei dem jungen Mann handelte es sich um Feon de Lanceux, dem jüngsten General in der Geschichte der Kirche und einem angesehenen Mitglied der Inquisition. Umso mehr ärgerte es ihn, dass gerade er diesen Auftrag erhalten hatte und er verfluchte innerlich seine Vorgesetzten, während er sich gelangweilt umsah. Hinter ihm und den Engeln kamen zwei weitere Menschen, die eine schlichte, schwarze Truhe trugen, dann folgten zehn weitere Krieger in roter Rüstung, die sich ebenso aufmerksam umsahen, wie die an der Spitze.
„Ihr seht... unruhig aus, General Lanceux.“ erklang eine emotionslose Stimme, direkt neben Feon, woraufhin dieser sich umwandte. Es war der Engel mit schwarzem Haar, der ihn angesprochen hatte.
„Ich würde nicht sagen, dass ich beunruhigt bin, Lord Remiel.“ meinte Feon und zuckte mit den Schultern. „Nur ein wenig unzufrieden, dass ist alles.“
„Unzufrieden?“ fragte der Engel und zog überrascht eine Augenbraue in die Höhe. „Ihr habt die Gelegenheit unter den Seraphim zu dienen, im direkten Auftrag Eures Gottes. Was daran, stimmt Euch unzufrieden?“
„Oh, es ist selbstverständlich eine Ehre, dass man mir dermaßen vertraut und mir eine so... wichtige Aufgabe gibt.“ begann Feon, seufzte dann jedoch. Er konnte einfach nicht so tun, als wäre er begeistert von der ganzen Sache. Trotzdem traute er sich nicht ganz, seine Meinung zu sagen, er würde es am liebsten vermeiden, mit einem Engel zu streiten, alleine schon, weil es so unglaublich selten war, einen auf Amtheon wandern zu sehen. Feon war äußerst überrascht gewesen, als eines Tages vier Engel in seinem Hauptquartier aufgetaucht waren und ihm sagten, sie hätten eine wichtige Aufgabe, für die Inquisition und dass die Großinquisitoren Feon als geeigneten Kandidaten vorgeschlagen hatten. Remiel schien zu ahnen, dass Feon innerlich mit sich rang und lächelte nachsichtig.
„Macht Euch keine Sorgen, nichts was Ihr sagt, könnte mich beleidigen. Sprecht ruhig Eure Meinung, ich bin mir sicher, es wäre für uns alle das beste.“
„Nun gut, wenn Ihr das sagt.“ meinte Feon, machte eine kurze Pause und sprach dann endlich aus, was ihm seit Beginn der Reise gestört hat. „Wie gesagt, ist es mir eine große Ehre, dass man mir so viel Vertrauen entgegenbringt, aber mir erschließt sich einfach nicht der Sinn, hinter der ganzen Aktion. Die Truhe hat beinahe zwanzig Jahre unberührt in der Kathedrale von Panyeon gelegen, niemand hatte sich je für sie interessiert. Warum also ist es so wichtig, sie ausgerechnet jetzt von dort fortzuschaffen? Und dann auch noch in ein geheimes Kloster, von dem nur die wenigsten wissen?“ Remiel ließ Feon ausreden und musterte ihn eine Weile, ehe er antwortete. Als er es schließlich tat, schwang in seiner Stimme ein freundlicher Unterton mit, auch wenn seine Augen so kalt wie zuvor waren.
„Es stimmt, die letzten zwanzig Jahre hatte sich niemand für die Truhe interessiert... nein, so ist das nicht richtig. Die letzten zwanzig Jahre wussten diejenigen, die sich für die Truhe interessieren nicht, wo sie sich befand. Das hat sich jetzt geändert. Die Rebellen... dieser Kult des Gefallenen, wie sie sich nennen, Ihr Aufstand begann vor knapp einem halben Jahr, nicht wahr?“ Feon nickte, dachte kurz nach und runzelte dann misstrauisch die Stirn.
„Lord Remiel? Wenn ich mich nicht irre... vor einem halben Jahr gab es doch auch einen Zwischenfall im Himmelsreich, nicht wahr? Wir haben nur Gerüchte gehört, aber es heißt, es gab einen...“
„Was auch immer Ihr gehört habt, es entspricht nicht der Wahrheit.“ schnitt Remiel ihn ab, mit freundlicher Stimme, allerdings mit einem Blick der zu sagen schien, dass Feon die Sache auf sich beruhen lassen sollte. Der General schluckte eine Erwiderung hinunter und nickte lediglich. „Gut, zurück zum Thema. Der Aufstand begann vor einem halben Jahr und eines der ersten Opfer der Rebellen, war ein Kloster auf Corpheus. Dort gelangten die Aufständischen in den Besitz einiger, für sie wichtiger, Informationen, unter anderem haben sie herausgefunden, dass die Truhe sich in Panyeon befand. Deswegen ist es wichtig, sie so schnell wie möglich an einen sichereren Ort zu schaffen.“ meinte Remiel.
„Und irgendein kleines Kloster ist sicherer, als Panyeon?“ Man konnte Feon deutlich ansehen, dass er ziemlich skeptisch war, was Remiel ein glockenhelles Lachen entlockte.
„Allerdings. Wir haben bereits vorgesorgt. Ein Dutzend Seraphim befindet sich schon seit mehreren Wochen im Kloster und ist bereit, die Truhe zu beschützen, sobald sie angekommen ist.“ Feon erstarrte, und sorgte somit fast dafür, dass die Träger der Truhe in ihn hineinliefen.
„Ein Dutzend Seraphim? Zusätzlich, zu den Kriegern, die das Kloster bereits bewachen? Was transportieren wir hier eigentlich?“ fragte er und warf einen neugierigen Blick auf die Truhe. Er hatte eigentlich mit etwas langweiligem und wertvollen gerechnet, irgendeine Reliquie vielleicht, die aus Angst der Anführer der Kirche heraus viel zu gut bewacht wurde. Aber nun glaubte Feon langsam, dass es sich um etwas weit gefährlicheres handeln könnte. Die Seraphim waren praktisch die Leibwache des Nuvaz, sie gehörten zu den schlagkräftigsten Kriegern, die es im Himmelsreich gab, wenn ein Dutzend von ihnen abgestellt wurde, um eine Truhe zu bewachen, musste sich wirklich etwas unglaublich wichtiges in ihr befinden. Das bestätigte ihm auch der Blick, den sich die Engel zuwarfen, ehe Remiel den Kopf schüttelte.
„Das braucht Ihr nicht zu wissen... nein, es ist sogar besser, wenn Ihr es nicht wisst. Ihr würdet es nicht verstehen können. Die meisten von uns verstehen es selbst noch immer nicht.“ murmelte der Engel, mehr zu sich selbst, als zu Feon. Diesen hatten die gemurmelten Worte jedoch nur noch neugieriger gemacht.
„Was versteht Ihr selbst nicht?“
„Nun...“ Remiel zögerte und tauschte einen weiteren Blick mit den anderen Engeln, die lediglich leicht mit den Schultern zuckten. „Ich schätze, ich kann Euch zumindest ein wenig erzählen. Vor beinahe zwanzig Jahren gab es einen schrecklichen Zwischenfall im Himmelspalast. Ein Erzengel hat den Verstand verloren, durch Einfluss von dämonischer Magie, so heißt es zumindest. Er hat viele Engel ermordet und Forschungen an ihren Leichen durchgeführt. Der Engel wurde für seine Taten bestraft und seine Bücher, in denen er seine Forschungsergebnisse aufgezeichnet hatte, wurden beschlagnahmt. Mehr braucht Ihr nicht wissen.“
„Oh... also transportieren wir die Forschungsergebnisse des verrückten Engels?“ Feon erhielt keine Antwort und seufzte lediglich, er hatte auch nicht wirklich damit gerechnet. „Könnt Ihr mir zumindest sagen, was Ihr an der ganzen Sache nicht versteht?“
„Der Erzengel in Frage, war ein uralter Veteran, einer der ältesten Engel, die es gab. Er war im Dunklen Krieg dabei gewesen, deswegen kann ich einfach nicht verstehen, wie dämonische Magie ihm dermaßen zusetzen konnte.“ Remiel schüttelte den Kopf und seufzte. „Es wird einfach nicht besser, erst Lord Thelios und jetzt auch noch Lady...“ Er riss die Augen auf, als ihm bewusst wurde, was er da gerade gesagt hatte und verstummte, ehe er Feon einen strengen Blick zuwarf. „Ihr werdet niemandem sagen, was Ihr heute hier gehört habt, verstanden?“
„Natürlich, Lord Remiel. Wir wollen schließlich nicht, dass die Leute anfangen an der Heiligkeit der Engel zu zweifeln.“ meinte Feon, mit einem Grinsen, woraufhin Remiel das Gesicht verzog.
„Ein wenig mehr Respekt und Ergebenheit gegenüber dem Heiligen könnte Euch durchaus guttun, General.“
„Verzeiht mir, Lord Remiel. Ich wollte keinesfalls respektlos erscheinen.“ sagte Feon und deutete eine Verbeugung an. „Aber Ihr müsst zugeben, dass es beim einfachen Volk Zweifel sähen könnte, wenn sie herausfinden, dass Engel von dämonischer Magie beeinflusst werden können. Das könnte einigen... zwielichtigen Gruppierungen zu Gute kommen.“ Feon zögerte kurz, ehe er sich entschloss eine weitere Frage zu stellen. „Ähm... Lord Remiel?“ Der General war nun schon deutlich nervöser als vorher. Wenn er nicht aufpasste, könnte man seine nächste Frage durchaus als Ketzerei auslegen.
„Was gibt es denn noch, General?“
„Nun... in den letzten Jahren haben sich die Naturkatastrophen rund um die Inselreiche gehäuft. Es heißt, das ganze fing ein paar Jahre vor meiner Geburt an. Ich habe aber gelernt, dass Nuvaz die Inselreiche gesegnet hat und sie dadurch vor Erdbeben, Überflutungen und so weiter geschützt sind. Wie kann es also sein, dass sowas in letzter Zeit immer häufiger vorkommt?“ Zu Feons Überraschung sah Remiel nicht verärgert oder misstrauisch aus, sondern... besorgt? Der Engel biss sich auf die Lippe und wandte den Blick ab, ehe er leise eine Antwort flüsterte.
„Das wissen wir auch nicht. Die Cherubim sind seit Jahren damit beschäftigt, eine Antwort zu finden, aber sie kommen einfach nicht zu einem Ergebnis.“ Damit fand das Gespräch ein Ende und Feon sowie Remiel gingen ihren eigenen Gedanken nach, während sie endlich die Hälfte der Lichtung erreichten. Die Cherubim waren eine weitere Gruppierung der Engel, von denen es hieß, dass sie über die zahlreichen Bibliotheken des Himmels wachten und eine Art Forscher waren, die versuchten die Geheimnisse der Magie und der Welt zu entschlüsseln. Plötzlich verkrampfte sich Feon und hielt an, ein kurzer Blick zur Seite zeigte ihm, dass Remiel ebenfalls etwas gespürt hatte.
„Vorsicht Männer, ich...“ begann Feon, kam jedoch nicht weiter. Die Luft wurde plötzlich von einem Sirren erfüllt und dutzende Pfeile gingen auf den Trupp der Inquisition nieder. Die meisten Geschosse prallten von den Rüstungen der Soldaten ab, aber zwei Pfeile bohrten sich in den Hals einer Armbrustschützin direkt vor Feon, die gurgelnd zu Boden ging. Remiel rief einen Befehl in einer Sprache, die Feon nicht verstand und der Engel mit den braunen Haaren rannte nach vorn, so schnell, dass Feon seinen Bewegungen kaum folgen konnte. Der Engel blieb vor den Soldaten stehen und streckte seine linke Hand nach vorn, woraufhin eine goldene Rune in der Luft erschien, die dafür sorgte, dass die nächste Salve von Pfeilen in der Luft hängen blieb und kurz darauf wirkungslos zu Boden fiel. Die Soldaten brauchten keine Befehle von Feon um zu wissen, was sie zu tun hatten. Diejenigen unter ihnen, die mit Partisanen bewaffnet waren gingen in die Knie und richteten die Spitzen ihrer Waffen in Richtung des Waldes, während die Armbrustschützen hinter ihnen Aufstellung nahmen und in den Wald ziehen. Der braunhaarige Engel zog sich langsam ebenfalls hinter die Krieger mit den Partisanen zurück, während er wachsame Blicke auf den Waldrand warf. Eine weitere Salve von Pfeilen fiel wirkungslos vor den Männern und Frauen der Inquisition zu Boden, woraufhin etwas im Gebüsch vor ihnen raschelte. Kurz darauf stürmten knapp drei Dutzend Gestalten aus dem Wald und hielten auf die Reihen der Inquisition zu. Die meisten Angreifer trugen schlichte Kleidung und hatten einfache Speere und Äxte, aber Feon erkannte auch knapp ein halbes Dutzend unter ihnen, die jeweils zwei Kurzschwerter in den Händen hielten und schwarze Lederrüstung trugen, sowie ein Tuch, das ihre Gesichter verdeckte. Die spitzen Ohren ließen keinerlei Raum für Zweifel, Elfen gehörten zu den Angreifern, was zumindest erklärte, warum die Angreifer einen so geschickten Hinterhalt legen konnten. Wenn Feon nicht mit der Elite der Kirche hier wäre, die sowohl die beste Ausbildung als auch die beste Ausrüstung hatte, wären nach den ersten Salven wohl ein gutes Dutzend Männer zu Boden gegangen... nun gut, die Engel hatten auch geholfen, aber Feon war sich ziemlich sicher, auch ohne deren Hilfe mit der Situation zurechtzukommen.
„Feuer!“ rief Remiel, ehe Feon etwas sagen konnte, woraufhin dieser das Gesicht verzog und den Engel missmutig ansah. Es gefiel ihm nicht, dass der Seraphim den Befehl über die Soldaten übernahm, aber andererseits war er derjenige von ihnen, der über Jahrzehnte Kampferfahrung verfügte, weshalb der General nicht protestierte, als seine Männer abdrückten und ihre Bolzen in die anstürmenden Feinde jagten.
„Worauf wartet ihr noch? Bewegt euch gefälligst und helft den...“ begann Feon und drehte sich zu den Soldaten um, die hinter ihm waren, als plötzlich Schatten auf die Lichtung fielen und die Soldaten in den Himmel deuteten und panische Rufe hören ließen. Feon hob seinen Blick gerade rechtzeitig, um einen Schritt nach hinten zu springen und einem Schwertschlag auszuweichen, der direkt auf seinen Kopf gezielt hatte. Mit einer schnellen Bewegung zog er sein Schwert, dessen Klinge ebenso schwarz war wie die dazugehörige Scheide, und richtete sich auf, um seinem Gegner gegenüberzutreten. Gerade, als er zum Angriff übergehen wollte versteinerte er förmlich und starrte seinen Angreifer ungläubig an. Vor ihm stand ein weiblicher Engel, in schlichter, schwarzer Kleidung und richtete eine goldene, gezackte Klinge auf ihn. Begleitet wurde sie von fünf weiteren Engeln, die inzwischen die Seraphim und Soldaten der Inquisition im Kampf gebunden hatten. Was ging hier vor sich? Warum wurden sie von Engeln angegriffen? Feon warf einen Blick auf die vier Flügelpaare seines Gegners und seine Verwirrung stieg nur noch weiter. Sie waren von einem reinen weiß, also handelte es sich auch nicht um gefallene Engel, von denen man hin und wieder in Legenden hörte, also waren seine Feinde tatsächlich ganz gewöhnliche Engel! Und nicht nur das, anhand der Anzahl der Flügel konnte man erkennen, dass es sich um einen ziemlich alten und mächtigen Engel handeln musste. Ehe der General noch weiter über die Situation nachdenken konnte, schoss sein Gegner nach vorn und Feon gelang es geradeso die Hiebe des Engels zu parieren, an einen Gegenangriff war jedoch nicht zu denken. Dann wandte die Engelsfrau jedoch kurz den Blick zur Seite und streckte einen der Träger nieder, die inzwischen die Truhe abgestellt hatten. Dadurch war sie einen Augenblick abgelenkt und Feon ging zum Angriff über. Die Frau wich mit einer schnellen Drehung aus, weshalb das Schwert des Generals sich lediglich in ihre Schulter bohrte und nicht, wie beabsichtigt, in die Brust. Die Engelsfrau riss vor Überraschung die Augen auf, zog dann jedoch die Klinge des Generals aus ihrer Wunde und schlug ihrerseits nach ihm. Der Angriff kam viel zu schnell für Feon und hätte ihn wohl enthauptet, wenn Remiel nicht plötzlich vor ihm erschienen wäre und den Schlag abgefangen hätte.
„Ihr habt gute Arbeit geleistet, General.“ meinte Remiel, in dessen Stimme eine nervöser Unterton mitschwang, während er und die beiden weiblichen Engel sich der Engelsfrau mit dem goldenen Schwert näherten und sie umringten. „Aber jetzt passt auf die Truhe auf, dieser Kampf ist nichts für Euch. Ihr könnt schon froh sein, überhaupt solange gegen einen Erzengel bestanden und sie auch noch verletzt zu haben.“
„Erzengel? Das kann doch nicht...“ weiter kam Feon nicht, denn einer der anderen, feindlichen, Engel hatte gerade den zweiten Träger niedergestreckt und kniete nun vor der Truhe. Dem Engel gingen seine langen, braunen Haare bis zum Rücken und seine Flügel schienen silbern zu schimmern. Der silberflügelige Engel schloss die Augen und begann irgendwelche seltsamen Worte zu murmeln, während eine Engelsfrau mit blonden Haaren sich Feon in den Weg stellte und eine Hellebarde auf ihn richtete. Der General zögerte nur kurz, dann ging er zum Angriff über. Er merkte schnell, dass dieser Engel bei weitem nicht so stark war, wie der, mit dem er eben gekämpft hatte. Ihre Bewegungen waren nicht so schnell und sie schien nicht ganz so erfahren zu sein, trotzdem war sie ein ebenbürtiger Gegner für Feon, der sein gesamtes Können abrufen musste, um mit ihr mithalten zu können. Er parierte gerade einen Stoß der Hellebarde, als die Frau einen Schritt auf ihn zuging und ihm mit ihrer Faust gegen die Brustplatte schlug. Eigentlich hätte so ein Angriff keinerlei Wirkung gehabt, allerdings leuchtete ihre Faust golden auf, kurz bevor sie das Metall traf und Feon wurde mehrere Schritte nach hinten geschleudert, wo er auf dem Boden liegen blieb und benommen versuchte sich aufzurichten. Auf einmal hörte Feon einen triumphierenden Ruf, vom Engel der vor der Truhe kniete, dann gab es ein helles, goldenes Leuchten und eine unsichtbare Kraft traf den General, der es gerade geschafft hatte sich aufzurichten, und schleuderte ihn wieder zu Boden. Es dauerte eine ganze Weile, ehe Feon wieder mehr sehen konnte, als helle Lichtflecken die direkt vor ihm zu schweben schienen, dann richtete er sich jedoch auf und sah sich um. Ein Großteil der Angreifer lag tot auf der Lichtung, darunter zwei der feindlichen Engel, allerdings keiner der Elfen, zumindest soweit Feon das beurteilen konnte. Die Hälfte seiner Soldaten war entweder tot oder verletzt und der braunhaarige Engel, der Remiel begleitet hatte, lag ebenfalls tot auf dem Boden. Remiel selbst, und die beiden weiblichen Seraphim, stützten sich auf ihre Waffen und bluteten aus zahlreichen Wunden. Von den restlichen Angreifern war keine Spur zu sehen. Feons Blick wanderte zur Truhe und er keuchte entsetzt auf, als er sah, dass sie geöffnet war. Er wollte gerade zur Truhe hinüber gehen, als sein rechtes Bein nachgab und er zu Boden fiel. Plötzlich schossen starke Schmerzen durch sein Bein und er sah an sich hinunter, was er sogleich bereute. Aus seinem Knie ragte ein langer, dicker Holzsplitter und sorgte dafür, dass er das Bein kaum bewegen konnte, ohne extreme Schmerzen zu verspüren.
„Bleibt liegen, General.“ meinte Remiel mit müder Stimme und näherte sich Feon. „Ihr habt getan, was Ihr konntet.“
„Was ist... mit der Truhe?“ presste Feon zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, woraufhin Remiels Miene sich verdüsterte.
„Leer, sie haben den Inhalt an sich genommen und sind abgehauen.“ Feon verzog ebenfalls das Gesicht, woraufhin Remiel ihn schwach anlächelte. „Macht Euch keine Vorwürfe, General. Wir hatten nicht erwartet, dass sie hier sein würde. Ihr könnt nichts dafür.“ Nach diesen Worten wandte er sich ab und nickte den anderen Seraphim zu, die sich zu ihm gesellten. „Es tut mir leid General, aber ich werde mir die Hälfte Eurer kampffähigen Leute ausleihen müssen.“
„Was? Warum denn das?“ Remiel sah ihn kurz verwirrt an, ehe er antwortete.
„Um die Rebellen zu verfolgen natürlich. Sie sind ebenfalls schwer verletzt und werden nicht weit kommen, wir werden sie schon wieder einfangen, macht Euch keine Sorgen.“ Feon zögerte kurz, nickte dann jedoch.
„Natürlich, wartet kurz, dann werde ich Euch begleiten.“
„Nein.“ sagte Remiel mit strenger Miene. „Ihr werdet Euch ausruhen. Ihr habt heute einen Kampf gegen einen Erzengel überlebt, stellt Euer Glück nicht zu sehr auf die Probe.“ Feon wollte noch etwas sagen, ließ es dann jedoch bleiben. Der Engel hatte recht, mit seinem Bein wäre er bei der Verfolgung sicherlich keine große Hilfe und würde wahrscheinlich mehr Schaden anrichten, als zu helfen.
„Nun gut, dann wünsche ich Euch viel Glück, Lord Remiel. Passt auf Euch auf.“ Der Engel nickte, während sich sechs Soldaten zu ihm und den anderen Seraphim gesellten.
„Ihr ebenfalls. Kümmert Euch um die Verletzten und geht zum Kloster, es ist nicht mehr allzu weit, vielleicht noch zwei Tage. Wenn Ihr da seid, berichtet den Seraphim dort was geschehen ist und sagt ihnen, dass sie Verstärkungen schicken sollen.“ Mit diesen Worten wandte Remiel sich endgültig ab und verschwand in die nahen Büsche, dicht gefolgt von zwei Soldaten in roten Rüstungen, während die anderen vier den weiblichen Seraphim folgten, die sich ebenfalls aufteilten. Feon seufzte, als einer seiner Männer mit einem Stück Stoff in der Hand zu ihm kam.
„Bringen wir es hinter uns.“ murmelte Feon und schloss die Augen, während der Soldat den Holzsplitter aus seinem Knie zog, und das Stoffstück um die Wunde wickelte. Der General keuchte vor Schmerz auf und riss etwas Gras aus dem Boden, beruhigte sich dann jedoch und lächelte den Soldaten schwach an. „Danke, hilf jetzt den anderen.“
„Jawohl, General.“ Feon beobachtete, wie der Mann davonrannte und einer Frau dabei half, sich aufzurichten. Diese hatte augenscheinlich Schwierigkeiten damit und war immer wieder kurz davor hinzufallen. Letztendlich holte Feon einmal tief Luft und richtete sich auf. Zwar schmerzte sein Knie noch immer höllisch, aber immerhin gab es nicht mehr nach, das war schonmal ein Anfang.
„Aufgepasst! Kümmert euch so schnell wie möglich um die Verletzten, sorgt dafür, dass sie reisefähig sind. Wir brechen in vier Stunden auf, drei von euch werden hierbleiben und auf die Toten aufpassen und auf diejenigen, die zu schwer verletzt sind, um zum Kloster zu reisen. Wir haben keine Zeit zu verlieren, Lord Remiel und die Seraphim verlassen sich auf uns.“ Seine Männer bestätigten mit lauten Rufen, dass sie verstanden hatten und machten sich an die Arbeit, während Feon mit nachdenklicher Miene dorthin sah, wo Remiel im Wald verschwunden war und sich fragte, was im Namen Gottes hier eigentlich vor sich ging.
…
Naleya kniete vor einem Strauch, an dem sich dutzende Dornen befanden und schob vorsichtig die dünnen Zweige zur Seite. An ihrer Hüfte hing ihr schlichtes Schwert und auf dem Boden neben ihr, stand ein großer Korb, in dem sich bereits einige Pflanzen und Früchte befanden. Dazu kamen ein paar Stücken Fleisch und Fell eines Wolfes, der Naleya angefallen hatte, kaum dass sie tiefer in den Wald getreten war. Vor einem Jahr hätte sie noch Panik bekommen und wild um sich geschlagen, aber inzwischen war sie die wilden Tiere der Flüsterwälder gewöhnt und wusste, wie man sich am besten gegen sie verteidigen konnte. Sie war zwar bei weitem keine meisterhafte Schwertkämpferin, aber als Alchemist musste man zumindest wissen, wie man sich im Notfall verteidigen kann und das konnte Naleya ziemlich gut, zumindest solange ihre Gegner weiterhin einfache Wölfe oder kleine Gremlins waren, die sich hin und wieder in den Wäldern blicken ließen. Mit einem schiefen Lächeln im Gesicht dachte sie an den gestrigen Abend zurück und an ihr Essen mit Temeria. Es war nett, sich mal wieder mit ihrer alten Freundin unterhalten zu können, das letzte, richtige Gespräch zwischen ihnen war knapp zwei Monate her gewesen. Temeria kam zwar hin und wieder in den Laden um zu sehen, wie es Naleya ging, aber diese war ständig am arbeiten, weshalb es nie Zeit für mehr als knappe Begrüßungen gab. Kurze Zeit später fand Naleya, wonach sie im Busch gesucht hatte und löste vorsichtig eine goldene Frucht von einem der Zweige, die sie behutsam in ihren Korb legte, ehe sie sich daran machte, den Rest des Busches abzusuchen. Manchmal war es allerdings auch eine Qual, mit Temeria, dachte Naleya sich und verzog unwillkürlich das Gesicht. Gestern hatte Temeria mal wieder ihr Lieblingsthema angesprochen: Naleyas Liebesleben. Ihre Freundin machte sich ziemliche Sorgen, weil Naleya bislang noch nicht einmal Anzeichen gezeigt hatte, sich für irgendjemanden großartig zu interessieren, egal ob Mann oder Frau und versuchte hin und wieder Naleya mit einem der Männer Amderads zu verkuppeln, bislang jedoch erfolglos. Dabei war es nicht so, dass Naleya keinen Freund haben wollte, bislang fand sie einfach nicht die Zeit, sich wirklich mit der ganzen Sache zu befassen. Ihre Arbeit nahm jeden wachen Augenblick in Anspruch und wenn sie ehrlich war, mochte Naleya das auch so. Sie musste nicht unbedingt jemanden an ihrer Seite haben, sie kam ganz gut alleine zurecht und es reichte ihr zu wissen, dass Temeria für sie da wäre, wenn sie einmal Hilfe bräuchte.
Nachdem sie drei weitere Früchte vom Busch geholt hatte, beendete Naleya die Untersuchung des Busches, schnappte sich ihren Korb und setzte ihre Wanderung durch den Wald fort. Es war ungefähr gegen Mittags und sie würde für den Rückweg ungefähr vier Stunden brauchen, also überlegte sie, ob sie nicht vielleicht schon umkehren sollte, als etwas ihren Blick fing. Auf einer Wurzel, ganz in der Nähe schimmerte etwas im Licht und Naleya ging näher heran um es sich anzugucken. Kaum war sie nahe genug um es zu erkennen, sah sie sich erschrocken um. Das war eindeutig Blut, aber von was? Es sah so aus wie menschliches Blut... wenn da nicht eine Art Schimmern wäre, dass vom Blut auszugehen schien. Naleya hatte so etwas noch nie zuvor gesehen und ohne groß nachzudenken zog sie ein Fläschchen aus einer Taschen ihrem Gürtel und füllte es mit dem Blut, ehe sie das Fläschchen wieder verschwinden ließ. Erneut sah sie sich um. Das Blut war noch frisch, also konnte es durchaus möglich sein, dass, wer oder was auch immer es sein mochte, der Verletzte sich noch in der Nähe befand. Einen winzigen Augenblick zögerte die Alchemistin, dann gewann jedoch ihre angeborene Neugier und sie sah sich ein wenig genauer um, bis sie in der Nähe mehr Blut sah. Sofort folgte sie der Blutspur, wenn auch vorsichtig und mit gezogenem Schwert. Immerhin wusste sie nicht, was sie am Ende der Spur erwarten würde und sie hatte keine Lust, plötzlich einem wütenden Bären oder einem ganzen Rudel Wölfe unvorbereitet über den Weg zu laufen. Nachdem sie der Spur zehn Minuten lang gefolgt war fragte Naleya sich langsam, ob sie überhaupt etwas finden würde und begann bereits sich und ihre Neugier zu verfluchen, als sie in der Nähe ein Stöhnen hörte. Die Alchemistin hielt inne und sah sich um, dann bemerkte sie, dass etwas hinter einem nahen Baum hervorragte und zwar... Flügel mit weißen Federn. Sofort steckte Naleya ihr Schwert weg, rannte um den Baum herum und schaffte es gerade noch rechtzeitig anzuhalten. Direkt vor ihrer Kehle schwebte die Spitze eines goldenen Schwertes, auf der sich bereits getrocknetes Blut befand, allerdings hatte Naleya nur Augen für die Besitzerin des Schwertes. Es war eine äußerlich junge Frau mit kurzen, blonden Haaren und grauen Augen, sowie spitzen Ohren. Sie trug schlichte, schwarze Kleidung und aus ihrem Rücken ragten insgesamt sechs, schneeweiße Flügel und auch wenn ihre Flügel und Kleidung mit Blut verschmiert waren, minderte das nicht den erhabenen und eleganten Anblick, den diese Frau bot. Die Frau blinzelte ein paar mal, ehe sie ihr Schwert sinken ließ und den Kopf zurücklehnte.
„Du solltest vorsichtiger sein, Mensch.“ murmelte sie erschöpft. „Ich hielt dich für einen meiner Verfolger.“ während sie sprach presste die Engelsfrau eine Hand auf ihre rechte Seite und Naleya bemerkte den tiefen Schnitt, der dort prangte.
„Ihr seid verletzt.“ meinte Naleya, mit besorgter Stimme, setzte ihren Korb auf den Boden und legte ihr Schwert ab.
„Ich weiß, es ist nicht allzu schlimm, mache dir darüber keine Sorgen, Mensch.“ Naleya ignorierte die Worte der Frau und sah sich um, als sie nicht fand, wonach sie suchte zückte sie ein Messer, zog ihre Weste aus und schnitt Stoffstreifen aus dieser, die sie dann vor sich hinlegte. „Was machst du da?“ fragte die Frau mit schwacher Stimme und sah Naleya verwundert an.
„Ich weiß nicht viel von Engeln und davon, wie eure Körper funktionieren, aber ich denke, es wird schon funktionieren. Seid unbesorgt, ich werde mich so gut es geht um Eure Wunden kümmern.“ meinte Naleya, während sie die goldenen Früchte nahm und über den Stoffstreifen zerquetschte, um diese im Saft der Früchte zu tränken. Die Frau schüttelte lediglich den Kopf.
„Lass es sein, Mensch. Wenn du mir hilfst, wirst du nur Probleme kriegen.“ Naleya lachte auf.
„Was für Probleme könnte ich kriegen, wenn ich einem Engel helfe?“ fragte sie, während sie den Saft der Frucht auf dem Streifen verteilte und ihn einrieb. Ihr Lächeln verblasste jedoch, als sie die ernste Miene des Engels sah.
„Ich bin... nicht ganz das, was du dir unter einem Engel vorstellst. Ich bin ein Feind der Kirche.“ erklärte die Frau und schloss die Augen. „Wenn du mir hilfst, machst du dir die Inquisition zum Feind, also laufe lieber weg, bevor...“ sie verstummte und öffnete ungläubig ihre Augen, als sie etwas kaltes spürte, dass auf ihre Wunde drückte. Direkt vor ihrem Gesicht befand sich Naleya, die ihre Stofffetzen auf die Wunde des Engels presste und einen größeren Streifen nutzte, um sie festzubinden. Naleya lächelte den Engel wieder an. „Was machst du da?“ fragte die Frau und richtete sich ein wenig mehr auf.
„Es ist mir egal, ob Ihr Probleme mit der Kirche habt, oder ob Ihr ein Engel, Dämon, Elementar, Mensch oder sonst irgendwas seid. Ihr braucht meine Hilfe und Ihr scheint kein schlechter Mensch... Engel zu sein, also helfe ich Euch.“ Die Frau blinzelte kurz verwirrt, brach dann jedoch in Gelächter aus.
„Du bist ein... interessanter Mensch.“
„Vielen Dank.“ Die beiden schwiegen eine Weile, dann stand der Engel plötzlich auf und Naleya tat es ihr gleich.
„Meine Blutung hat bereits gestoppt... waren das Malneonbeeren?“ Naleya nickte. „Beeindruckend, die sind nicht leicht zu finden, es muss eine Weile gedauert haben, bis du so viele hattest.“
„Ich war heute schon sieben Stunden unterwegs.“ meinte die Alchemistin und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Erneut kehrte schweigen ein, bis die Frau wieder das Wort ergriff.
„Ich danke dir für deine Hilfe, Mensch. Ich bin Uriel, Anführerin... ehemalige Anführerin der Seraphim.“
„U-uriel?“ stotterte Naleya und riss die Augen auf. „Doch nicht etwa... Uriel, wie in 'Erzengel Uriel'... oder?“ Uriel lächelte lediglich als Antwort und Naleya war kurz davor in Ohnmacht zu fallen. Nicht nur war ihr ein Engel begegnet, es war auch noch ein Erzengel! Die Alchemistin konnte nicht fassen, wie viel Glück sie hatte. Aber wenn es wirklich Uriel war, dann blieben noch immer einige Fragen offen. „Ähm... wenn Ihr mir eine Frage erlauben würdet... warum habt Ihr Probleme mit der Inquisition? Werdet Ihr verfolgt?“
„Ja, werde ich. Und warum? Nun... ich habe ihnen etwas gestohlen, etwas äußerst wertvolles.“
„Etwas wertvolles? Wertvoll für was? Für die Inquisition?“ Uriel schüttelte den Kopf.
„Für die Inquisition ist es wertlos, oder besser gesagt es ist ihnen ein Dorn im Auge. Es ist wertvoll für... meine Verbündeten.“ Mehr sagte Uriel nicht und Naleya war sich nicht sicher, ob sie weitere Fragen stellen sollte. „Wie lautet dein Name, Mensch?“ Naleya zuckte zusammen, sie war gerade vollkommen in ihren eigenen Gedanken gewesen und hatte über die Worte der Frau nachgedacht.
„Ich bin Naleya Armeogh, eine Alchemistin aus Amderad, freut mich Euch kennenzulernen.“ Naleya streckte ihre Hand aus, Uriel schlug jedoch nicht sofort ein, sondern sah sie nur eine Weile lang verwirrt an, ehe sie sagte
„Oh, natürlich.“ und die Hand schüttelte. „Freut mich ebenfalls, dich kennenzulernen, Naleya.“ Die Alchemistin wollte noch etwas sagen, aber Uriel hob ihre Hand und bedeutete ihr zu schweigen. Kurze Zeit später hörte Naleya, wie sich etwas in der Nähe durch die Büsche schlug.
„Was ist das?“ fragte sie angespannt und packte ihre Sachen zusammen, um im Notfall schnell wegrennen zu können.
„Meine Verfolger.“ Uriel biss die Zähne zusammen und warf einen Blick auf ihre Wunde, dann einen Blick zu Naleya und zögerte. „Du sagtest, du bist eine Alchemistin?“
„Was? Ähm, ja, warum?“
„Bist du gut?“
„Wie bitte?“
„Bist du gut?“ fragte Uriel erneut, dieses mal in drängendem Tonfall.
„Ähm... j-ja, ich denke schon, ich kann das meiste...“
„Sehr gut.“ meinte Uriel, zog etwas aus einer Tasche hervor und hielt es Naleya vors Gesicht. Es war eine Halskette, an der ein kleiner, Obelisk aus Obsidian hing, in den grüne Runen eingraviert waren. Naleya spürte, wie Unmengen von Magie vom Obsidian auszugehen schienen.
„Was ist das?“ fragte sie, während Uriel ihr die Halskette in die Hand drückte und sich abwandte. „Ist das der Gegenstand, den Ihr von der Inquisition gestohlen habt?“ Uriel nickte und drehte ihren Kopf zu Naleya.
„Hör mir gut zu, Naleya. Was ich dir jetzt sage ist äußerst wichtig, also vergiss es nicht, ja? Ich werde meine Verfolger aufhalten, während du zurück nach Amderad rennst, verstanden?“
„W-was? Ihr seid verletzt, ich kann Euch doch nicht...“
„Das ist der Befehl eines Engels!“ fuhr Uriel mit kalter Stimme dazwischen und Naleya schluckte nervös. „Ich mag Probleme mit der Inquisition haben, aber meine Befehle haben die Autorität von Nuvaz, denke daran!“ Naleya nickte. „Sehr gut, also; du rennst zurück nach Amderad. Warte einen Tag, wenn ich nicht zu dir komme, gehe davon aus, dass ich getötet oder gefangen wurde, oder fliehen musste. Sollte ich nicht zu dir kommen, musst du mir versprechen, dass du dein möglichstes als Alchemistin tust, um das Siegel zu lösen, dass auf dem Obelisken liegt. Kannst du mir das versprechen?“
„Ich soll... das Siegel lösen? Aber... warum?“
„Weil es wichtig für ganz Amtheon ist, dass das Siegel gelöst wird, verstanden?“ Naleya zögerte kurz, nickte dann jedoch.
„Ich verspreche Euch, dass ich das Siegel lösen werde, solltet Ihr nicht morgen bei mir auftauchen, um die Halskette abzuholen.“
„Danke.“ sagte Uriel mit einem Lächeln und atmete erleichtert auf. „Dann gehe jetzt.“
„Wartet! Was... was soll ich machen, nachdem ich das Siegel gelöst habe?“ Uriel sah sie kurz verwirrt an, lachte dann jedoch.
„Das wirst du schon sehen, er wird dir sagen, was du tun musst.“
„Was? Wer?“
„Gehe jetzt, sofort!“ Naleya wollte noch etwas sagen, sah dann jedoch wie sich Gestalten in roten Rüstungen aus dem Gebüsch schälten. Sie warf einen letzten Blick zu Uriel, die ihr Schwert erhoben hatte und auf die Soldaten wartete, dann drehte sie sich um und rannte in Richtung Amderad davon, ohne zu wissen, dass sie gerade dabei war, für immer in die Geschichte Amtheons einzugehen.
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