[Sammelthread] Erzählungen aus Murus

Albin

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Hallo Schreiberlinge und Leserlinge und Kommentarschreiberlinge und Kommentarleserlinge und was sich sonst noch hier rumtreibt.

Hier folgt eine kleine Sammlung von Kurz- und Kürzestgeschichten, die alle in der fiktiven Welt Murus spielen. Näheres zu der Welt erfahrt ihr in den Geschichten und nicht hier im Vorwort; bzw erfahrt ihr vieles zum Zusammenhang der Geschichten untereinander in einem seperaten Thread, in welchem ich eine fortlaufende Geschichte in eben jener Welt spielen lassen will, sodass dieser Thread auch etwas Lust darauf machen soll. [/Leser-Lock-Experiment]

Die Geschichten spielen nicht alle zur gleichen Zeit, haben nicht wirklich was miteinander zu tun (außer dass sie alle zur selben Welt gehören und man sie dann später in die richtige Story zeitlich einordnen können wird) und werden wohl auch nicht nötig sein, um die richtige Story zu verstehen, allerdings geben sie nochmal einen zusätzlichen Einblick in die Welt von Murus.

Kommentare hier rein: http://board.world-of-hentai.to/f211/erz-hlungen-aus-murus-117170/#post1268250

I. Askordia

Jameel legte die Handfläche auf die Stirn des Gefangenen. Das Scheppern der Ketten war das Einzige, was den Raum für einen Moment erfüllte, dann folgten die Schmerzenschreie, doch sie dauerten nicht lange an.
Wie ein nasser Sack fiel der leblose Körper um, landete im Staub und blieb reglos liegen. Ein kleines Blutrinnsal lief aus dem Ohr des Mannes, erreichte aber nicht den Boden bevor Soreen wegsah. Er hat schon Menschen sterben sehen, weil sie es verdient hatten oder weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort waren, aber die Gebote nach denen die Schwarzen handelten, sahen vor, dass man sich der Gefangenen schmerzlos und schnell entledigte. Jameel jedoch schien es regelrecht Spaß zu machen.
"Du bist der Nächste", hallte seine Stimme durch den stillen Raum, als er sich dem nächsten Banditen zuwandte.
"Warte." Für einen Moment war Soreen besorgt, als er sich selbst sprechen hörte. Er hatte gedacht, er würde sich zerbrechlich anhören und man könnte seiner Stimme und dessen Klang entnehmen, dass ihm gerade alles Selbstvertrauen aus dem Körper wich, doch im Gegenteil. Seine Worte klangen wie die Tarahls, des Meisters der Schwarzen; hart, bedingungslos.
"Was ist, Soreen? Sie haben den Tod verdient. Aus Gier stehlen sie Essen, obwohl die Göttin darüber Sorge trägt, dass keiner hungern muss."
"Aber die Göttin, Jameel, ist auch seine Lebensspenderin. Sie wäre sicher nicht erfreut zu sehen, wie du mit ihm spielst, bevor du ihm seine gerechte Strafe..."
"Meine Kinder müssen hungern. Wir haben Essen gestohl..." Soreen machte eine Handbewegung in die Richtung des Mannes, der ihn unterbrochen hatte. Mit schmerzverzerrtem Gesicht wurde er von einer unsichtbaren Macht auf den Boden gedrückt, seine Hände mit den Ketten daran fielen herunter, als könnten sie plötzlich das Gewicht nicht mehr tragen.
"Willst du der Göttin eine Lüge unterstellen. Seit sie uns leitet, speist sie ihr gesamtes Volk. Du bist nichts als Abschaum. Ungeziefer, das zerquetscht werden muss." Während Jameel das sagte, ging er einige Schritte auf den Mann am Boden zu, doch Soreen stellte sich vor ihn.
"Du hast recht, die Göttin sorgt für uns und deshalb würde sie nicht wollen, dass eins ihrer Kinder, um das sie sich sorgt solche Leiden ertragen muss."

Jameel sah Soreen noch einmal an, dann wandte er sich ab. "Dann handel nach deinem Gutdünken, aber verschone sie nicht. Du weißt, welche Strafe auf Diebstahl der Speisen steht." Er machte eine abfällige Handbewegung, dann schritt er aus der Lehmhütte, wobei seine schwarze Robe, die ihn als einen der Wächter, oder Schwarzen, wie sie von vielen genannt wurden, kennzeichnete, sich wölbte und hinter ihm eine kleine Staubwolke aufwirbelte.
Der junge Mann, der alleine bei den zwei verbleibenden Dieben stand, seufzte auf und sah dann zu den Männern vor ihm hinab. Eigentlich waren es noch Knaben, wie ihm jetzt auffiel.
"Herr ... meine Kinder. Sie verhungern, wenn ich ihnen nichts zu essen geben kann, aber was in die Dörfer kommt, reicht kaum für die Männer. Das Meiste bleibt in den Städten und geht an ...", der Mann legte eine Pause ein und sah zu Soreen hinauf. Er wusste, er würde es nicht überleben, also konnte er auch seine ehrliche Meinung sagen. "Der Großteil der Nahrungsmittel geht an die Robenträger. Ob schwarz, weiß, grün, blau oder rot. Den Rest teilen die Städter unter sich auf."
"Du wusstest, welche Strafe dich erwartet, wenn du stiehlst." Soreen verzog keine Miene. Die Göttin war allwissend und allmächtig. Auch wenn sie sich seit geraumer Zeit nicht in ihrem Palast aufhielt und keiner sie mehr zu Gesicht bekommen hatte, konnte sie unmöglich nichts von alledem wissen. Das hieß, dass die Göttin entweder damit einverstanden war, dass nicht jeder genug Nahrung zum Überleben hatte oder dieser Mann hatte gelogen und versuchte seinen Hals zu retten.
Ein Lächeln zeichnete sich auf Soreens Lippen ab. Die Göttin würde ihr Volk niemals so leiden lassen oder zum Diebstahl verleiten. Der Mann vor ihm war eben doch nur Ungeziefer und musste zerquetscht werden, wie es Jameel sagte. Dafür gab es die Wächter ja. Sie mussten die Hände der Göttin sein und beweisen, dass ein Leben nach ihrem Willen auch möglich wäre, wenn sie ihr Volk allein ließe.
"Ich werde jetzt das Urteil an euch vollstrecken."
Er legte seine Hand an den Nacken des Banditen. Seine Lippen öffneten sich lautlos und formten den Namen der Göttin, ohne ihn auszusprechen, dann sandte er seine Magie aus und nahm das Leben des Mannes so abrupt, wie es ihm möglich war. Er war innerhalb weniger Sekundenbruchteile verstorben. Ein leises Schluchzen drang an seine Ohren, als er sich dem anderen Mann zuwandte.

Schweigend gingen die beiden Männer nebeneinander her. Die Nachmittagssonne verlor langsam an Kraft und der Weg führte sie durch eine der Getreideanlagen. Die Versorger oder auch die Grünen kümmerten sich um die Nahrungsmittel und arbeiteten stark mit den Blauen zusammen, die sich um das Wetter kümmerten. Die Herrin hatte für jeden von ihnen einen Weg vorgesehen und Soreen spürte das Glück in ihm auflodern, als ihm wieder bewusst wurde, dass er zu dem engsten Kreis um die Göttin gehörte. Die Wächter waren nicht nur ausführende Gewalt der Göttin, sondern es war auch allgemein bekannt, dass nur die besten Novizen am Ende ihrer Ausbildung die schwarze Robe entgegennahmen.
"Du hättest sie mir überlassen sollen. Auf dem Dorfplatz, nicht in einer abgelegenen Hütte." Das Grummeln riss ihn aus seinen Gedanken. Jameel blickte ihn nicht an, sondern hatte die Augen starr auf den Weg vor ihnen gerichtet, aber der Hass und der Fanatismus brannten darin. "Dieses Ungeziefer muss sehen, was passiert, wenn sie sich gegen die Lebensspenderin und Mutter stellen und sie müssen dafür im richtigen Maß bezahlen."
"Und dieses Maß haben nicht wir zu entscheiden, sondern einzig und allein die Herrin Mutter."
"Welche nicht auffindbar ist. Wir sind ihre höchsten Diener. Es wird Zeit, dass Tarahl einsieht, dass er den Thron in ihrer Abwesenheit besteigen muss. Wir sind diejenigen, die sich darum kümmern müssen, dass alles in ihrem Willen geschieht."
Soreen nahm etwas Magie aus der Luft um ihn herum und sandte sie durch seinen Körper in seine Beine, die langsam ermüdeten, so wie er es in seiner Ausbildung gelernt hatte. Es war ihm kaum möglich zu sagen, wie er Magie benutzte, aber er tat es. Es war, als würde er einen zusätzlichen Arm benutzen.

Zwei Novizen in ihren typischen braunen Roben begrüßten die beiden Schwarzen, als sie in den Tempel kamen. Weder Soreen noch Jameel machten Anstalten die beiden auch nur wahrzunehmen. So war es ihnen ergangen und so würden auch diese beiden die nächste Novizengeneration behandeln.
"Einige von uns stimmen mir zu." Jameel hatte das Thema noch immer nicht ablegen wollen und langsam fing er an, Soreen auf die Nerven zu gehen, mit dem Gerede davon, die Schwarzen über alle anderen zu stellen, um die Ordnung aufrecht zu erhalten.
"Ich stimme euch nicht zu und ich glaube auch nicht, dass Tarahl das tun wird."
"Dessen bin ich mir bewusst, Soreen", entgegnete Jameel und blieb stehen. Sie befanden sich im Audienzraum des hiesigen Tempels. Weiße, glatte Marmorsäulen, die in der Dunkelheit der Nacht ein unheimliches Ambiente schafften, umgaben sie. "Und deshalb habe ich auch Gundro und Darun ausgesandt."
Zwei Gestalten kamen hinter den Säulen hervor und stellten sie zur Linken und Rechten von Jameel. Soreen sammelte in seinem Innern Magie und Konzentration an, um auf alles gewappnet zu sein.
"Was hast du getan, Jameel?"
Ein Lachen war die Entgegnung, welches erst nachließ, als Gundro ihm etwas aus seiner Robe überreichte. Es war eine goldene Schärpe, die den Meister der Schwarzen vom Rest von ihnen unterschied. "Du hast die Chance, dich uns anzuschließen, Soreen."
"Ich diene nur der Göttin, nicht dir."
"Zu schade, mein Freund."
Er bemerkte eine Bewegung hinter ihm, doch schon lag eine Hand in seinem Nacken und tiefe Schwärze umgab ihn.

-----[ Doppelpost hinzugefügt ] -----

II. Astaroth

Samael drückte noch einmal seinen Rücken durch und hob sein Schwert an seine Brust, als der König samt den Priestern an ihm vorbeiritt. Uther der Gnadenlose hielt sein Pferd an und sah an der Linie entlang, die die Männer gebildet hatten. Ein metallenes Surren erfüllte die Ebene, als er sein Schwert zog.
"Soldaten, Bauern, Priester. Hört euern König." In einem leichten Trab ritt er an der Mitte der Reihe auf und ab.
"Der Herr hat uns in dieses Land geführt, hat uns Obdach gegeben und unser, dieses Volk gesegnet. Dürre und Hunger haben wir überstanden und stets zum Herrn gehalten. Er hat es uns gedankt, indem er uns reich beschenkte.
Jetzt ist es an der Zeit, dass wir zu ihm stehen und unsere Schuld zurückzahlen. Die Ungläubigen müssen zerschlagen werden. Zu lange lästerten sie, huldigen ihren falschen Göttern und fröhnen ihren Riten, töten Unschuldige und opfern unsere Frauen und Kinder in ihren heidnischen Zeremonien.
Doch nun ist damit Schluss. Vergebung wem Vergebung gebührt und Tod wem der Tod gebührt. Lasst uns die Arme und Schwerter des Herrn sein. Für Astaroth!"
Samael stimmte in den Schrei ein, der entbrandete. Einige wiederholten die letzten Worte des Königs, die meisten brüllten aber nur unartikulierte Zustimmung.
"Lasst uns beten, wie es der Herr uns gelehrt hat." Ein Hohepriester war neben den König geritten und begutachtete die Krieger vor sich. Einer nach dem anderen senkte das Haupt und schließlich schloss auch Uther die Augen, gefolgt von Samael.
"Herr, der du uns dies Leben geschenkt hast. Wir sind unwürdig deine Stimme zu vernehmen, doch sollte es dir nach etwas verlangen, so sprich nur ein Wort und es soll geschehen. Gib uns die Kraft in deinem Namen zu leben, zu kämpfen und zu siegen. Gib uns die Stärke und Weisheit, dein Wort zu vertreten. Gib uns den Mut für dich zu sterben und gib uns die Möglichkeit, deine Feinde zu zerschmettern."
Samael sah auf und konnte noch erkennen wie der Priester seinen Ring küsste, dann nickte er dem König zu, welcher sich umdrehte, um in die selbe Richtung zu blicken wie seine Soldaten.
Auf der anderen Seite der Ebene traten gerade vereinzelte Gestalten über einen Hügel. Einige von ihnen trugen Schwerter, andere Sensen, Heugabeln und Pflüge. Wieder andere schienen gänzlich unbewaffnet zu sein. Wahrscheinlich waren es die Zauberer.
Durch dunkle Pakte mit den Dämonen der Unterwelt war es diesen Wesen möglich, ebenso wie ein Priester die Welt zu beeinflussen. Magie nannten sie, was die Priester göttliches Wirken nannten. Der Preis für die Zauberer war der Verlust ihrer Menschlichkeit. So hatten die Priester es genannt, auch wenn sich Samael darunter nichts vorstellen konnte.

Samael gehörte zur zweiten Welle. Ein Berater des Königs würde in sein Horn blasen, wenn er zum Angriff stürmen müsste, aber als er noch einmal einen Blick auf die Feinde warf, konnte er sich das kaum vorstellen.
Der König hob sein Schwert und richtete es dann auf den gegenüberliegenden Hügel. Jeweils fünfzig Mann zu beiden Seiten des Königs stürmten nach vorne und auf den Feind. Im Wirrwarr der Lederrüstungen und Kettenhemden war es Samael nicht einmal möglich Freund von Feind zu unterscheiden. was ihm aber auffiel, waren die Priester, die im Schritttempo auf das Schlachtfeld zu ritten. Sie hatten die Hände erhoben und murmelten Gebete, während es die Zauberer auf der anderen Seite der tobenden Massen gleichtaten.
Kein Funke, kein Blitz huschte durch die Luft, dennoch schrie der erste Zauberer auf, als würde man ihn bei lebendigem Leibe verbrennen. Dann ein weiterer. Die restlichen Zauberer fingen an, sich rückwärts auf den Hügel und den Wald dahinter zu zu bewegen und auch einige der kämpfenden Männer setzen zum Rückzug an.
Doch noch bevor sie auch nur den Fuß des Hügels erreicht hatten, schlug einer der Zauberer die Hände über dem Kopf zusammen. Ein donnerndes Dröhnen erfüllte die Luft. Samael sank zu Boden und hielt sich die Ohren zu. Ein gleißender Lichtblitz zwang ihn dazu, sich abzuwenden und die Augen zu schließen.
Als er sie wieder öffnete, waren die Wilden und die Zauberer verschwunden. Einige der Priester ritten noch in Richtung Wald, drehten davor aber um und kamen zurück. Die Ungläubigen schienen geschlagen ...
 
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