Generation XXX: Alte Bekannte

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Taleweaver

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(Teil 11)

„Toshi? Blödsinn!“

Sakura schüttelte entschieden den Kopf, als Tsukune mit dem Bericht ihrer „Geheimmission“ fertig war. Sie saß im Kreis ihrer Freunde von der „Generation XXX“ in Sakuras Wohnung, und außer Miko, die mit den Nerven reichlich am Ende war, hatten alle kommen können. Selbst Kumori hatte es einrichten können, indem er seine Schwester von seinen Eltern hatte abholen und nach Hause bringen lassen. Er sollte zwar in drei Tagen ebenfalls nachkommen, damit die Familie wieder ganz zusammen war, hatte aber seinen Vater überreden können, ihm noch diese Zeit zu lassen, um seine letzten Angelegenheiten in Tokio noch zu regeln.
„Und ich sage dir“, ereiferte sich Tsukune, „das war Toshi! Gut, weißhaarig war er, und er hatte einen falschen Bart und eine Brille auf, aber als die ab waren... Oh Mann, warum glaubst du mir nicht?“
„Weil ich zugesehen habe, wie er erschossen wurde“, giftete Sakura zurück. „Und du auch. Und außerdem war Toshi irgendwas zwischen sechzehn und achtzehn. Ein Typ von nicht mal achtzehn Jahren kann sich doch nicht als Arzt ausgeben, indem er sich nen falschen Bart anklebt! Die werden doch überprüfen, wo er seinen Doktor gemacht hat; und außerdem leitet Azakusa doch eine Sozialstation oder so was. Wenn der anfängt, an irgendwelchen Verletzten rumzuschnippeln und das nicht kann, dann fällt das doch auf!“
Yakamo, der der Unterhaltung bisher schweigend zugehört hatte, sah nachdenklich vor sich hin. „Also jetzt, wo es Tsukune sagt“, warf er ein, „finde ich, sie liegt gar nicht so falsch. Ich meine, es gibt kaum jemanden, der Toshi so oft nackt gesehen hat wie ich, und sein ganzes Drum und Dran... wie sein Körper aussieht, meine ich, das kommt mit Azakusa schon irgendwie hin. Auch das lange Haar. Ob das mit dem Gesicht paßt... kann sein, kann auch nicht sein. Aber Sakura hat auch recht – Azakusa ist mit Sicherheit ein echter Arzt. Er versteht was von Medizin.“
Zustimmend nickte Sakura. „Sag ich doch“, triumphierte sie. „Wahrscheinlich ist er ihm nur ähnlich. Oder es ist ein Verwandter von Toshi... ein Onkel oder so was.“

„Und was bringt uns das jetzt?“ ließ sich etwas gereizt Kaoru vernehmen. „Egal, ob Azakusa eigentlich Toshi heißt oder nicht, wir haben immer noch keine einzige Spur zu Hitomi. Tsukune hat sie da unten nicht finden können, und wir...“
„Ich bin mir sicher, sie war da!“ unterbrach ihn Tsukune. „Azakusa hat mir sogar noch den Schlüssel zu der letzten verschlossenen Türe gezeigt. Da muß sie dahinter gewesen sein! Wenn wir es noch einmal versuchen, und diesmal mit der ganzen Truppe...“
Sofort winkte Kumori ab. „Das, mit Verlaub“, sagte er, „halte ich für eine mehr als dumme Idee. Schon das letzte Mal wären du und Miko ja fast erwischt worden. Diesmal werden sie sicher besser aufpassen. Außerdem, wenn ich Azakusa wäre, würde ich Hitomi so schnell wie möglich in ein neues Versteck schaffen. Und von anderen Orten wissen wir noch nichts. Ich schlage vor, wir versuchen erst noch Informationen über Azakusa einzuholen, ehe wir wieder einen Befreiungsversuch unternehmen.“

Tsukune wollte etwas darauf entgegnen, doch in diesem Moment begann ihr Handy zu piepen, und während sie es aktivierte, ergriff Sakura wieder das Wort. „An Azakusa ist bestimmt nicht leicht ranzukommen“, gab sie zu bedenken. „Selbst wenn wir irgendwie in seine Privatwohnung kommen, ist nicht gesagt, daß Hitomi da steckt. Und jetzt, wo wir schon einmal versucht haben, sie zu befreien, läßt er sie vielleicht rund um die Uhr von dieser Mitsumi bewachen – was das bedeutet, muß ich ja kaum noch erwähnen. Alles in allem ein ganzer Haufen Probleme.“
„Und das sind nicht die letzten“, meldete sich Tsukune zu Wort, während sie auf das Display ihres Handys starrte.
„Huh?“
„Ich hab eine SMS von Aiyuko bekommen“, fuhr sie fort. „Yuriko wurde entführt. Und das Y-Team will sich dringend mit uns treffen.“

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Das letzte Mal, daß Katsuya so am Boden zerstört gewesen war, hatte er soeben von seinem „besten Stück“ Abschied nehmen müssen. Aber selbst das hatte ihn nicht so mitgenommen wie die Nachricht von Yurikos Entführung.

„Es muß schon vorgestern abend passiert sein“, berichtete Aiyuko aufgeregt. „Ich hab Yuyu noch am frühen Abend in ihrem Yukata gesehen, und ich dachte, wir treffen uns noch auf einem der Matsuris – ich bin mit meiner Familie immer am Shishigami-Tempel. Aber dann war sie doch nicht mehr da, und am nächsten Morgen hat sich ihre Familie bei uns gemeldet und gefragt, ob sie die Nacht bei uns verbracht hat. Aber da war sie nicht, und da dachte ich, vielleicht Catseye...“
„Und ich war so doof“, seufzte Katsuya niedergeschlagen. „Ich war gegen sieben mit ihr zusammen auf der Straßenfeier in Shibuya, und wir zwei passen immer schön auf, daß wir nie irgendwo alleine hingehen, und wie wir so am Schießstand anstehen, meint Yuriko noch, daß ihr das zu langweilig wird und sie lieber zum Fadenziehen will. Und was mach ich Trottel? Ich sag ihr 'geh schon mal vor'. Zack, weg war sich, und ich Depp denk mir noch, sie ist wohl heimgegangen, weil ich ihr nicht unterhaltsam genug war. Ich könnt mich selbst ohrfeigen.“
Yakamo lächelte bitter. „Ich wette, das übernimmt Yuriko gern für dich“, sagte er, „sobald wir sie und Hitomi zurück haben. Irgend eine Spur?“

Diese Frage beantwortete Aiyuko anstelle des jungen Manns. „Leider haben wir gar nichts“, sagte sie, „keiner, den wir gefragt haben, hat Yuyu irgendwo gesehen oder die Entführung mitbekommen. Wie vom Erdboden verschluckt. Ich hätte jetzt sogar gemutmaßt, daß man sie umgebracht hat...“
„...wenn wir nicht wüßten, daß Azakusa an unserem Kind Interesse hat“, vollendete Katsuya den Satz. Jedenfalls haben wir gehofft, daß ihr vielleicht irgendwas rausgefunden habt, was uns näher an diesen Drecksack heranbringt.“
„Genau das hatten wir eigentlich von euch gehofft“, seufzte Tsukune. „Ihr habt doch wochenlang mit ihm zu tun gehabt. Was ist denn mit den letzten Treffpunkten, von denen Yakamo mir erzählt hat?“
Der junge Mann verdrehte die Augen. „Für wie blöd hältst du mich?“ fragte er. „Natürlich alles längst abgecheckt. Alle tot. Seitdem Azakusa weiß, daß wir nicht mehr auf seiner Seite stehen, hat er die Kontakte abgebrochen.
Mit düsterem Blick sah Kaoru zu Boden. „Das heißt also“, sagte er, „es gibt jetzt wirklich keine Spuren mehr zu Hitomi. Wenn die Polizei nicht noch irgend was findet, können wir die Hoffnung aufgeben.“

„Vielleicht doch nicht“, warf Sakura plötzlich ein, und ihre Augen funkelten im Licht einer im Kopf des Mädchens entstehenden Idee. „Als du eben die Polizei erwähnt hast, ist mir eingefallen, daß es neben dem 'Y-Team' noch jemanden gibt, der Azakusa näher kennen muß. Und derjenige dürfte leicht zu überreden sein, sein Wissen mit uns zu teilen?“
„Wen meinst du?“ wollte Tsukune erstaunt wissen. „Gibt's noch jemanden mit Impfstoff XXX im Blut, den du uns noch nicht vorgestellt hast? Oder willst du es über Hikari probieren?“

Sakura schüttelte den Kopf und grinste. „Ich dachte eher daran“, gab sie zurück, „eine deutlich ältere Spur zu verfolgen...“

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„He, Hojo, Besuch für dich!“
Der Mediziner sah aus trüben Augen zum Gefängniswärter auf, und es dauerte einen ganzen Moment, bis er seinen Ohren wirklich traute. Besuch? Sicher, es war Besuchszeit, aber in seinen ganzen Monaten hier in Einzelhaft hatte er noch nie Besuch bekommen. Kinderschänder waren der unterste Abschaum von Kriminellen, und seine ganze Verwandtschaft und seine früheren Freunde hatten sich nach seiner Verurteilung so eilig wie möglich von ihm abgewandt, um nicht mit ihm in Verbindung gebracht zu werden. Daß der Hauptteil seiner Strafe wegen des Mordes an Professor Imagawa gegen ihn verhängt worden war, verblaßte gegen das soziale Stigma, inmitten von drei nackten Mädchen gefunden worden zu sein. Und hier im Gefängnis war gefährlich für ihn... ein älterer Mann, körperlich nicht mehr ganz auf der Höhe, und dann so ein Fall...
Etwas mühsam erhob er sich von seiner Pritsche. Obwohl er seit seiner Gefangennahme ein wenig abgenommen hatte, war er immer noch leicht übergewichtig, und der Mangel an Bewegung setzte seiner Gesundheit zu. Mit langsamen Schritten folgte er dem Wärter den Gang hinunter zur Besucherlounge. Bei Gefangenen in Einzelhaft wie ihm durfte er Besuch nur hinter einer Glasscheibe empfangen, um seiner eigenen Sicherheit willen. Nur seine engsten Verwandten durften ihm direkt gegenübertreten... aber wie gesagt, diese würden bestimmt nicht hier erscheinen.

Der ehemalige Arzt trat durch die Türe in die Lounge, blickte zu dem Platz, wo er sitzen würde und erstarrte.

„DIE DA?!“ keuchte er. „Die beiden da sind meine Gäste!?“
Der Aufseher nickte. „Sind extra aus Tokio hierher gefahren, um dich zu sehen“, sagte er. „Respekt.“
Hojo sah ihn an, als habe er den Verstand verloren. „Respekt?“ fuhr er ihn an. „Das soll wohl ein Witz sein! Ich werd doch nicht mit den Gören reden, die mich hinter Gitter gebracht haben!“
„Bitte?!“ Das Gesicht des Gefängniswärters verhärtete sich. „Also, das würd ich mir an deiner Stelle noch mal überlegen, wenn ich du wäre, Hojo.“
„Und wieso?“ zischte der Mediziner zurück. „Kann ich mir nicht mal mehr aussuchen, ob ich Besuch haben will?“
Mit finsterem Blick verschränkte der Gefängniswärter die Arme und senkte seine Stimme ein wenig. „Verdammt, Alter“, grollte er, „hast du denn vor Gericht gar nichts kapiert? Du hast den armen Mädels furchtbare Dinge angetan. Wahrscheinlich waren sie in den letzten Monaten ständig in Behandlung wegen dem seelischen Schaden, den du verursacht hast. Sie haben am Empfang gesagt, sie wollten dich noch mal sehen, um das Kapitel ihres Lebens mit dir abschließen zu können. Und wenn du ihnen das jetzt verweigerst, Hojo, dann war deine bisherige Zeit hier das reinste Zuckerschlecken gegen das, was danach kommt.“

Mißmutig winkte Hojo ab und schritt ohne weitere Worte zu der kleinen Kabine, vor der die zwei Mädchen warteten. Sicher, er wußte es besser, daß die beiden garantiert keinen psychischen Knacks zurückbehalten hatten – nicht nach dem, was damals mit ihm passiert war. Er setzte sich, schaltete die Gegensprechanlage ein und starrte durch die Scheibe. „In Ordnung“, meinte er schroff, „was wollt ihr?“
„Erst mal“, lächelte Sakura, „wollten wir hallo sagen und uns entschuldigen, daß wir sie in den ganzen Monaten nie besucht haben. Irgendwie war das nicht ganz anständig von uns, aber ich hoffe, sie verstehen das, Professor... wir hatten andere Dinge im Kopf.“
„Ich hätte auch auf eure Gesellschaft keinen besonderen Wert gelegt“, gab Hojo zurück, „und das tue ich auch jetzt nicht. Wenn ihr nur hier seid, um euch über mich lustig zu machen – diese Gegensprechanlage hat auch einen Ausschalter.“
Sakura hob eilig die Arme. „So war das nicht gemeint, Professor“, entschuldigte sie sich, „es ist ja nicht so, daß wir nicht wüßten, daß es nicht ganz fair war, was wir damals mit ihnen gemacht haben. Irgendwie mußten wir halt da rauskommen.“
Müde winkte der Mediziner ab. „Geschenkt. Und was wollt ihr jetzt?“

„Wir bräuchten eine Information“, ergriff nun Tsukune das Wort, „über einen ihrer früheren Kollegen. Damals vor Gericht standen sie als Einzeltäter da, und weder ihnen noch uns war das besonders unrecht. Aber wir wissen ja, daß es nicht nur in der Uniklinik Tokio die Versuche mit dem Impfstoff gab, und jetzt haben wir... na ja, etwas Ärger mit jemand anderem, der auch mit dem Projekt zu tun hatte.“
„Genauer gesagt“, fügte Sakura hinzu, „er macht uns ganz schön Schwierigkeiten. Er scheint zu glauben, daß das XXX-Projekt ein Fehler war und versucht, alle umzubringen, die damals in die zweite Generation hineingeboren wurde.“ Das war nur eine Halbwahrheit, aber im Moment, so dachte Sakura, reichte sie sicherlich aus. „Wir hatten gehofft, daß sie uns ein wenig über den Mann erzählen könnten.“
Hojo zog die Augenbrauen hoch. „Ihr zwei seid der Grund, daß ich im Gefängnis sitze“, antwortete er, „und ich hab mir mehr als einmal gewünscht, daß ihr verreckt. Warum sollte ich euch jetzt gegen jemanden helfen, der genau den Wunsch erfüllt?“
Empört blies Tsukune die Backen auf. „Na hören sie mal“, fuhr sie den Arzt an, „reicht es ihnen denn nicht, einmal auf mich geschossen zu haben? Und das Gefängnis haben sie sich selbst eingebrockt mit den Morden an Imagawa und an Toshi...“ Sie stutzte, als ihr Azakusas Gesicht wieder in den Sinn kam. Toshi... „Jedenfalls haben wir von ihrem Geheimprojekt nie etwas verraten.“
„Außerdem“, gab Sakura zu bedenken, „ist dieser frühere Kollege von ihnen drauf und dran, ihre ganze Arbeit zunichte zu machen mit seinem Rachefeldzug. Inzwischen gibt es schon zwei Schwangerschaften der dritten Generation – eine davon ist Hitomi; sie erinnern sich vielleicht noch an sie. Die Dritte von uns. Liegt ihnen auf einmal gar nichts mehr an ihrer Wissenschaft?“
„Wenn ihr mir versprecht“, grollte der ehemalige Arzt, „daß ihr mich hier nie wieder besucht und euch auch ansonsten von mir fernhaltet, dann denke ich, werde ich euch weiterhelfen. Wenn ich kann. Wir Ärzte haben uns nur wenig über unsere Projekte ausgetauscht. Wer ist denn der Kollege, um den es geht?“

Tsukune lächelte erfreut. „Sein Name ist Azakusa“, erzählte sie. „Ein recht junger Arzt, denke ich – er leitet eine Erste-Hilfe-Station für Obdachlose und Arme. Aber er ist hundertprozentig am XXX-Projekt beteiligt gewesen.
Einen Moment überlegte Hojo. „Azakusa“, murmelte er, „Azakusa... Nein, den Namen hab ich noch nie gehört. Hatte mit Sicherheit noch nie etwas mit ihm zu tun. Ein junger Arzt, sagst du? Dann wurde er mit Sicherheit von einem anderen Wissenschaftler ins Team gekommen. Ich habe immer alleine gearbeitet.“
„Aber das kann doch nicht sein“, warf Tsukune empört ein, „daß sie gar nichts von ihm wissen! Können sie uns wenigstens noch ein paar andere Namen nennen, daß wir uns bei denen umhören?“
„Andere Ärzte?“ Der Mediziner lachte bitter auf. „Das hättet ihr wohl gerne, daß ich euch die Namen von allen nenne, die mit dem XXX-Projekt zu tun hatten. Vergeßt es! Mir liegt noch was daran, daß die Pläne zu Ende geführt werden; da werde ich euch bestimmt nicht alle Hintermänner ausliefern. Der alte Azaku Kadokawa würde sich im Grabe umdrehen, wenn er von so was erführe.“
Überrascht hob Sakura den Kopf. „Kadokawa?“ fragte sie nach. „Es gab einen Azaku Kadokawa?“
Hojo nickte. „Der Erfinder des Impfstoffs XXX“, sagte er. „Es sollte mich wundern, wenn ich den Namen niemals erwähnt habe. Er war ein leuchtendes Vorbild für uns alle.“

„Interessant...“ Das Mädchen starrte nachdenklich vor sich hin. „Ja, also dann... dann ist es schade, Professor, daß sie uns nicht weiterhelfen konnten. Noch mal Entschuldigung für die Störung, und danke für ihre Zeit. Komm, Tsukune, wir gehen!“
„Aber wollten wir nicht...“ versuchte die andere Schülerin einzuwerfen, aber Sakura war schon aufgestanden und hatte sie am Arm gegriffen, und Tsukune schaffte es nur noch, sich kurz in Hojos Richtung zu verneigen, der den Mädchen irritiert hinterherstarrte. Sei's drum; so war er sie wenigstens schon los. Und er mußte nicht fürchten, daß der Wärter ihm daraus einen Strick drehten; immerhin waren sie gegangen und nicht er.
Als die Freundinnen das Gefängnis hinter sich gelassen hatten und auf dem Weg zur Bushaltestelle waren, wandte sich Tsukune etwas indigniert an Sakura. „Was sollte denn das da eben“, verlangte sie zu wissen. „Warum sind wir so plötzlich abgehauen? Vielleicht wußte Hojo doch noch was Wichtiges!“
Das blonde Mädchen grinste. „Er hat uns schon etwas Wichtiges mitgeteilt, ohne es zu merken. Und du hast es anscheinend auch nicht gemerkt.“
„Was gemerkt?“
„Der Name, du Schaf! Azaku Kadokawa. Azaku! Verstehst du nicht? Azaku und Azakusa – das ist bestimmt keine zufällige Ähnlichkeit!“

Tsukune riß die Augen auf. „Du meinst“, sagte sie, „Azaku hat direkt etwas mit Kadokawa zu tun und heißt gar nicht Azakusa, sondern hat sich nur nach ihm benannt?“
Zustimmend nickte Sakura. „Entweder das“, sagte sie, „oder... Kadokawa ist nicht tot!“
„Was?!“ Die Schülerin schüttelte den Kopf. „Also, das kann nicht sein. Ich hab Azakusa doch gesehen! Der ist unmöglich alt genug, um Kadokawa sein zu können.“
„Ich traue der modernen Medizin inzwischen alles zu“, gab ihre Freundin zurück. „Auch eine kosmetische Operation von einem alten Mann zu einem jungen. Aber das müssen wir erst noch prüfen. Würde mich nicht wundern, wenn Kadokawa damals ein paar hilfreiche Freunde hatten, die so was hätten machen können. Wir müssen Informationen über ihn einholen.“
Tsukune nickte. „Gut“, stimmte sie zu, „das wird der beste Weg sein. Und wo willst du anfangen?“
Sakura wandte sich ihr zu und grinste einfach nur.

„Oh nein... nicht noch einmal!“

---

Niemand schenkte der kleinen Gruppe Jugendlicher besondere Beachtung, als sie durch den Haupteingang in die Uniklinik Tokio schritten – es war ganz reguläre Besuchszeit, und daß da Schüler ihre kranken Freunde besuchten, war nichts Unübliches. Wären Sakura und Tsukune alleine erschienen, hätte sich vielleicht noch jemand an die Mädchen erinnert, die im vergangenen Jahr so viel Ärger gemacht hatten. Aber sie waren in Begleitung von Kaoru und Kumori (Miko hatte nichts mit der Sache zu tun haben gewollt, und Yakamo hatte arbeiten müssen), und so warf ihnen niemand mehr als nur einen Blick zu.
„Das da hinten ist das Archiv“, wisperte Sakura ihren Freunden zu, kurz nachdem sie eingetreten waren. „Da finden wir alle Informationen. Wir brauchen nur eine von den Kennkarten, die die Ärzte mit sich tragen, um reinzukommen.“

„Können wir denn nicht einfach um Einsicht bitten?“ wollte Kumori wissen. „Wir wollen doch nichts mitnehmen.“
Das Mädchen schüttelte den Kopf. „Geht leider nicht“, sagte sie, „medizinische Geheimnispflicht. Wir dürfen uns die Unterlagen über uns selbst rauskopieren lassen, aber alles über andere Leute geht uns nichts an. Mit Fragen haben wir es schon im letzten Jahr probiert. Hat nicht geklappt.“
Tsukune blickte sie finster an. „Hätte schon geklappt“, grollte sie, „wenn jemand gleich die richtigen Fragen gestellt hätte, anstelle auf eigene Faust loszulegen.
„Ist ja schon gut“, maulte Sakura. „Seit einem Dreivierteljahr hältst du mir das jetzt vor. Gib's doch zu, hättest du als Erste von erfahren, wärst du auch alleine los.“
„Von wegen“, konterte Tsukune. „Ich hätte auf jeden Fall auf meine Freunde gewartet. Der einzige Grund, warum ich mich heute zu dem hier überreden lassen habe, ist, daß es kaum anders geht. Und jetzt mach schnell. Ich will nicht noch mal Ärger kriegen.“

Sakura winkte genervt ab und ließ ihren Blick durch die Eingangshalle schweifen. Es sah nicht anders aus als vor einem Dreivierteljahr – der selbe ruhige Trott von allen Angestellten, die etwas gelangweilten Blicke der Leute an der Rezeption, die Ärzte und Schwestern, die vorbeiliefen, ohne wirklich auf ihre Umgebung zu achten. Nur waren dieses Mal noch ein paar Leute mehr als das letzte Mal hier, eben weil Besuchszeit war.
Kaoru dauerte das alles zu lange. „Hattest du etwa keinen Plan, als du uns hierher geschleift hat?“ wollte er wissen. „Oh Mann, wir vergeuden nur unsere Zeit.“
„Keine Panik“, gab das Mädchen zurück. „Ich weiß schon genau, was wir machen müssen. Wir müssen rüber ins Archiv, und dafür brauchen wir eine der Karten von den Ärzten. Ich weiß nur noch nicht, wie wir da rankommen.“
„Also doch kein Plan“, murrte Kaoru. „Wie hast du es denn das letzte Mal geschafft?“
Schmunzelnd winkte Sakura ab. „Vergiß den Gedanken mal ganz schnell wieder“, sagte sie, „diesmal werde ich kaum das Glück haben...“

In diesem Moment erspähte ihr Blick jemanden, und ohne ein weites Wort lief sie wild winkend auf ihn zu.
„Tegome-sensei!“
„Was um alles...“

Es war der Assistenzarzt vom letzten Mal.

Mit fröhlichem Grinsen hakte sich das blonde Mädchen bei dem Arzt unter, ohne sich um die irritierte Miene der Pflegerin an seiner Seite oder den entsetzten Ausdruck im Gesicht ihres „Bekannten“ zu kümmern – mit absoluter Sicherheit hatte er sie erkannt, hatte sie erkennen müssen und erinnerte sich gut an sie. Tegomes Entsetzen hielt einige Herzschläge lang an, dann hatte er sich endlich wieder im Griff.
„Äh... guten Tag“, preßte der junge Arzt hervor und betete innerlich, daß das alles nur ein böser Traum war. „Wa... was machst du denn hier?“
„Oh, ich bin zur Nachbehandlung hier“, grinste Sakura. „Sie erinnern sich doch noch an mein kleines... Problem?“
Tegome schluckte. „Ich... ich denke schon“, stotterte er. „Und... und du bist es inzwischen los?“
Das Mädchen kicherte. „Leider noch nicht ganz“, meinte sie und zupfte verspielt am Kittel des Assistenzarztes herum. „Ich habe immer noch von Zeit zu Zeit Rückfälle. Sie haben sich doch damals so lieb um meinen Fall gekümmert – hätten sie denn gerade ein wenig Zeit?“
„Uhm...“ Verstohlen sah sich der Arzt einmal nach rechts und nach links um und wandte sich dann an die inzwischen mehr als nur irritiert dreinblickende Pflegerin. „Machen sie schon mal Zimmer 4332 fertig“, sagte er, „und nehmen sie sich danach ihre Pause. Ich treffe sie hinterher am Schwesternzimmer oben.“
„Wie sie meinen“, gab die Frau zurück, musterte noch einmal recht mißtrauisch Mann und Mädchen und ging dann zum Aufzug, um ihren Pflichten nachzukommen. Kaum, daß sie fort war, griff sich der Arzt Sakura und führte sie durch einen Seitengang in die Innere Abteilung.

Keine fünf Sekunden später stand Tsukune da, wo noch eben die beiden gestanden hatten, pfiff unauffällig vor sich hin, bückte sich dann, um ihre Schuhe zu binden, die gar keine Schnürsenkel hatten und kam mit Tegomes Magnetkarte in der Hand wieder hoch, die Sakura beim Herumzupfen an seinem Kittel nebenbei gelöst und fallengelassen hatte.

Selbst wenn Doktor Tegome etwas davon gemerkt hätte, im Moment wäre es ihm vollkommen egal gewesen. Es war wieder dieses Mädchen, es war aus Fleisch und Blut, und es war definitiv kein Traum! Als er im vergangenen Jahr nackt in einem Patientenbett aufgewacht war, die Laken klebrig und eigentümlich riechend, war er drauf und dran gewesen, das alles für einen sehr realistischen Traum zu halten. Noch nie zuvor hatte er beim Sex das Bewußtsein verloren, andererseits hatte er auch noch nie zuvor derart wilden Sex erlebt gehabt. Völlig unerklärlich, wie er sich so hatte gehen lassen können, und schließlich war er zum Schluß gelangt, daß ihm ein Himmelsbote erschienen sein mußte – vielleicht ein Wesen aus dem Gefolge von Benten, der Gottheit der Liebe. Solche Begegnungen hatte man einmal und bewahrte die Erinnerung daran ein Leben lang auf. Sie wiederholten sich einfach nicht – und wenn doch, dann stellte man besser keine Fragen.

Was Sakura anging, so waren ihr folgende Gedanken durch den Kopf gegangen: Erstens war es zwar wichtig, daß sie eine Zugangsmöglichkeit für das Archiv in die Hände bekam, aber letzten Endes kamen ihre Freunde im Archiv auch ohne sie aus. Zweitens würde Tegome irgendwann den Verlust seiner Magnetkarte bemerken, aber die Wahrscheinlichkeit war größer, daß er den Verlust übersah, wenn sie ihn mit etwas anderem beschäftigte. Drittens war es wichtig, daß sie ihren Freunden im Archiv möglichst viel Zeit verschaffte, um sich dort umsehen zu können, und das bedeutete, je länger Tegome abgelenkt war, desto besser. Und viertens war sie ohnehin neugierig gewesen, ob Tegome, wenn sie ihn nicht extra stimulierte, lange genug durchhielt, um ihr zumindest zwei Höhepunkte in einem Akt zu besorgen – das letzte Mal hatte sie ihn ja leider schon bei ihrer ersten Explosion „fertigmachen“ müssen.

Sie war eben jemand, der es wußte, wie man das Angenehme mit dem Nützlichen verband.

Es spricht sehr für Sakura, daß sie dieses Mal dem Assistenzarzt ein wenig die Initiative überließ und ihn nicht sofort wieder bestieg. Statt dessen ließ sie sich von Tegome rücklings auf das Bett im ihr bereits bekannten Einzelzimmer drücken und sich langsam von ihm ausziehen, wobei sie die Gelegenheit nutzte, ihm ganz kleine Mengen ihrer aufsteigenden Erregung über die Fingerspitzen in Arme und Schultern zu schicken – gerade so viel, um ihn richtig in Fahrt zu bringen. Der Mann quittierte es ihr mit einem überraschend gekonnten Fingerspiel auf ihrem jungen, straffen Körper und einigen heißen Küssen, und als endlich das Höschen des Mädchens in eine Ecke flog, war sie bereits ordentlich feucht zwischen den Beinen.
Tegome brauchte auch keine weitere Anregung mehr; sein wohlgeformtes Organ hüpfte förmlich aus seiner Hose, als er sie öffnete, und während er sich langsam in das Mädchen unter ihm schob, hakte er seine Arme unter ihren Schenkeln ein und zog ihren Unterleib sanft etwas nach oben, so daß sich sein Schaft an ihrer vorderen Innenwand rieb und ihr ein zufriedenes Brummen entlockte. Dann begann er sie mit lockeren Stößen aus der Hüfte heraus zu vögeln, und sie war im siebten Himmel.

Schon das erste Treffen zwischen Arzt und Schülerin hatte bei dieser den deutlichen Eindruck hinterlassen, daß Tegome ein natürliches Gespür dafür hatte, was einer Frau gefiel und was nicht. Jetzt, wo sie ihm es überlassen hatte, den Akt zu beginnen, mußte sie feststellen, daß er sogar noch besser war, als sie gedacht hatte. Nichts von den verkrampften Stößen, bei denen man als Frau bald seekrank wurde, kein brutales Gerammel, nach dem man zwei Tage lang nicht mehr richtig laufen konnte, statt dessen ein wenig Raffinesse bei der Technik, ein angenehm flottes Tempo und vor allem ein Verständnis dafür, wo bei einem Mädchen der G-Punkt saß â€“ im Moment streifte nämlich der Schaft in ihr bei jedem Stoß sanft an eben dieser Stelle vorbei und ließ ihr wohlige Schauer über den Rücken laufen.
In weiser Voraussicht hatte Sakura dieses Mal ihre Hände in der Bettdecke verkrallt, weil sie nicht sicher sein konnte, daß sie sich beim Höhepunkt mit ihren Kräften würde zurückhalten können, und diesmal wollte sie sich auf keinen Fall versehentlich um Runde zwei bringen. Und diesmal würde es eine Runde zwei geben – das spürte sie ganz genau, so schnell wie sie sich im Moment auf ihren ersten Orgasmus zu bewegte. Tegomes kräftiges, aber doch so sanftes Pumpen trieb sie Stoß um Stoß immer näher auf den ersehnten Augenblick zu, und als es dann soweit war und Sakura sich mit einem hellen Stöhnen aufbäumte, beschleunigte der junge Arzt sein Tempo mit einem Male noch ein wenig – und das Mädchen explodierte nicht einmal, nicht zweimal, sondern gleich dreimal hintereinander mit der Wucht eines ausbrechenden Vulkans, ehe sie ermattet zurück in die Laken sank. Tegome wurde sogleich etwas langsamer, schob sich nur noch vorsichtig in der noch pochenden Grotte des Mädchens vor und zurück und ließ ihre Schenkel sinken, um sie wieder zu Atem kommen zu lassen. Dann zog er sich vorsichtig aus ihr zurück und wollte warten, bis sie wieder klar genug war, um ihn mit dem Mund zum Ende zu bringen.

Er war keine Sekunde aus ihr heraus, als Sakuras Augen aufsprangen, sie sich mit einem Ruck aufsetzte, ihn an den Armen ergriff und wieder zu sich zog.
Nicht, daß die Schülerin nicht hier hätte befriedigt sein können. Aber sie hatte sich heute zwei Runden vorgenommen, und das hier war nur eine gewesen. Eine mit drei Höhepunkten, sicher. Aber letzten Endes nur eine.

Tegome war von der plötzlichen Attacke des Mädchens so überrumpelt, daß er sich von ihr widerstandslos auf den Rücken drehen ließ, während sie ihn wieder bestieg. Er hatte noch nie erlebt, daß eine Frau, die gerade eben erst so explosiv gekommen war, sofort weitermachte, aber andererseits... das bestätigte seine Theorie, daß diese hier keine normale Frau, sondern eine Botin aus dem Himmel war. Nun ja... wenn die Himmel es denn so wollten...
An Sakuras Vorliebe für die Reiterstellung hatte sich seit Jahr und Tag nichts geändert, auch wenn die letzten Minuten das Mädchen in ernsthaften Zweifel gebracht hatten, ob sie das nicht doch noch einmal überdenken sollte – einen dreifachen multiplen Orgasmus erreichte selbst sie nur, wenn sonst alles stimmte, und Tegome hatte ihr eben so aus dem Stand heraus einen besorgt. Andererseits war bestimmt nicht jeder Mann so geschickt im Umgang mit seinem besten Stück... gut, Katsuya war es gewesen. Aber Katsuya war auch nicht ganz durchschnittlich.
Trotz allem: man mußte den Schwanz reiten, solange er hart war, und genau das tat die Schülerin jetzt, schnell, intensiv und ausgiebig. Ihre Arme verschränkte sie angenehm in ihrem Nacken, um nicht versehentlich doch noch ihre Gefühle an den Assistenzarzt weiterzugeben und ihn so vorzeitig zum Ende zu bringen. Sie wechselte zwischen einem Auf- und Abwippen und einem innigen Hüftkreisen hin und her, wobei sie sich auf ab und zu völlig auf dem steifen Schaft niederließ und sanft ihre Liebeslippen an Tegomes Unterbauch rieb. Und obgleich sie sich nicht sonderlich beeilte und den Tanz absolut auskostete, hielt der Mann unter ihr bis zum Ende durch, und mit einem herrlichen Seufzen kam es Sakura noch ein weiteres Mal.

Sie kippte vornüber, stützte sich mit den Händen auf der Brust ihres Liebhabers ab und schickte ihm nun endlich die in ihr aufgestaute Hitze hinüber, jedoch nicht in einem harten Stoß, sondern in einem stetigen Fluß, so daß Tegome nicht sofort und völlig haltlos explodierte, sondern zu einem zwar überaus heftigen, aber doch mehr als angenehmem Höhepunkt kam. Während er genußvoll aufstöhnte, ergoß sich sein heißer Männersaft in Sakuras Bauch, und das Mädchen sank befriedigt und ein klein wenig erschöpft auf ihn hinab und kuschelte sich zärtlich an ihn an.

Als ihre Wege sich eine Viertelstunde später wieder trennten, hatten sie immer noch kein weiteres Wort miteinander gesprochen. Aber irgendwie wußten beide, daß die Augenblicke zwischen ihnen gar keine Worte brauchten.

---

Kaoru, Kumori und Tsukune waren inzwischen rasch in Richtung Archiv umgekehrt und sich mit Dr. Tegomes Magnetkarte eilig Zugang verschafft. Aber nun standen sie reichlich erschlagen vor den regelrechten Aktenbergen, die dort auf sie warteten. Wie hatte sich Sakura damals bloß zurecht gefunden?
Die drei Freunde teilten sich auf, und als sie begannen, sich die hier verwahrten Unterlagen näher anzusehen, durchschauten sie das Lagersystem doch recht schnell: Es war chronologisch geordnet, und innerhalb der Chronologie nach Namen. Mit Tsukunes Geburtstag hatten sie einen guten Anhaltspunkt, welchen Zeitraum sie etwa durchsuchen mußten, und zu dritt ging die Arbeit gleich noch einmal so schnell.

Allerdings: erfolgreich war ihre Suche damit noch lange nicht. Zwar kamen sie schnell voran, aber ebenso schnell mußten die drei Freunde feststellen, daß es hier keine Unterlagen über einen Azaku Kadokawa gab. Auch der Verdacht, er hätte sich einer Gesichtsoperation unterziehen lassen, war schnell widerlegt – die Uniklinik Tokio führte überhaupt keine kosmetischen Operationen durch, was aus den Patientenakten schnell hervorging.
Nach fast einer halben Stunde erfolgloser Suche griff sich Tsukune an den Kopf. „Mist“, fluchte sie, „wir suchen am falschen Ort. Anscheinend ist das hier nur die Patientenkartei – von irgendwelchen Ärzten hab ich noch kaum was gesehen. Hier stehen nur Sachen über Ärzte, wenn sie selbst in Behandlung waren. Sakura hat uns an den falschen Ort geschickt.“
„Kann ich mir eigentlich nicht vorstellen“, meinte Kaoru. „Alle müssen Geld sparen, auch die Krankenhäuser. Die werden nicht extra eine eigene Abteilung einstellen, um die Unterlagen über das ehemalige Personal zu verwalten. Mit Sicherheit wird das von den selben Leuten gemacht, die die Patientendaten organisieren. Vielleicht sind die anderen Sachen in einem Nebenraum?“

„Keine üble Idee“, stimmte Kumori zu und begann, sich unter den weiteren Ausgängen aus dem Patientenarchiv umzusehen. „Schaut mal hier“, sagte er nach kurzer Zeit, „hier ist ein Schild 'Personal'. Ob das das richtige ist?“
Kaoru lief erfreut zu ihm. „Gibt nur einen Weg, das herauszufinden“, schmunzelte er, drückte die Klinke und stieß die Türe schwungvoll auf.
Und von innen entgegnete ihm eine überraschte Stimme: „Huch, was tun sie denn hier?“

„Äh...“

Während Kaoru noch überrascht in der Türe stand, drückte ihn Kumori auch schon in das Nebenzimmer hinein, während er zu Tsukune, die noch ein Stück abseits außerhalb des Blickfeldes des angrenzenden Raumes stand, mit den Fingern die Zahl 'drei' anzeigte. Drei Personen also – das Mädchen schluckte. War jetzt alles vorbei? Würden sie wieder auffliegen und zum zweiten Mal bereits hier im Krankenhaus negativ auffallen? Mit einer Wiederholungstäterin würde man kein Mitleid haben...
„Entschuldigen sie die Störung“, konnte sie Kumori aus dem Nebenraum hören, „wir sind Kumori und Kaoru Kadokawa. Unser Vater war Azaku Kadokawa, einer der früheren Ärzte hier in der Klinik. Er starb... nun ja, unter nicht sehr ehrenhaften Umständen, und wir möchten, daß er seinen Verwandten anders in Erinnerung bleibt. Hier gibt es doch sicher noch seine Unterlagen. Dürfen wir schauen, was er in seiner Zeit hier alles an Gutem getan hat?“
„Aber sicher“, gab eine helle, weibliche Stimme zur Antwort. „Unsere Personalunterlagen seit 1974 lagern direkt dort drüben.“
Tsukune wollte schon erleichtert aufatmen, als noch eine zweite Stimme erklang. Ebenfalls weiblich, aber etwas tiefer und strenger: „Wenn die Herren sich dann bitte ausweisen würden?“
Selbst auf die Entfernung konnte das Mädchen Kaoru noch schlucken hören. „Ausweise...?“ sagte er. „Ist das denn nötig?“
„Stimmt eigentlich“, warf nun eine dritte Stimme ein, auch weiblich, aber lauter und etwas quäkig. „Wir haben doch noch nie eine Ausweiskontrolle gemacht.“
„Es waren auch noch nie Besucher ohne einen begleitenden Arzt hier drinnen“, gab die zweite Stimme wieder zurück. „Also... dürfte ich n... nnnh... uuuuuuuuuhhhnnn....“

Stöhnen?!
Und keine fünf Sekunden später wurde das Stöhnen polyphon.
Tsukune ließ den Kopf hängen: Kaoru hatte offensichtlich die Initiative ergriffen und seine Kräfte eingesetzt. Was bedeutete, daß da drinnen jetzt drei Frauen waren, denen im Moment alles egal war, was nicht auf sexuelle Paarung hinauslief.

Die Schülerin wartete einige Minuten, bis das verlangende Stöhnen und Seufzen aus dem Nebenraum von rhythmischem Keuchen abgelöst wurde, ehe sie es wagte, einen Blick hinein zu werfen. Es war sogar noch schlimmer, als sie es sich vorgestellt hatte: Kaoru lag mit heruntergelassenen Hosen auf dem Schreibtisch und eine Frau Mitte Dreißig saß auf seinem Schoß und ritt ihn heftig, während auf seinem Gesicht eine viel jüngere Schwarzhaarige saß etwa achtzehn oder zwanzig Jahre alt, und sich von ihm lecken ließ. Kumori stand, ebenfalls unten unbekleidet, hinter einer etwa fünfundzwanzigjährigen Brünetten und vögelte sie mit festen Stößen durch. Als er Tsukune erspähte, nickte er ihr zu. „Kannst reinkommen“, sagte er. „Ich glaube nicht, daß die im Moment was dagegenhaben, wenn du nach Kadokawas Unterlagen suchst.“
„Seid ihr sicher, daß ihr das auch im Griff habt?“ Das Mädchen sah etwas skeptisch auf die Orgie im Büroraum.
„Keine Panik.“ Kumori lächelte schwach. „Kaoru hat sich vielleicht ein bißchen viel auf einmal aufgehalst, aber ich bin ja auch noch da. Mit den dreien werde ich notfalls auch alleine fertig. Mach nur einen großen Bogen um uns. Nicht, daß du was von den Pheromonen abbekommst.“

Immer noch mißtrauisch schritt Tsukune ins Zimmer und bemühte sich, das wilde Gerammel neben ihr zu ignorieren, während sie sich an die großen Aktenschränke machte, die die Ärztedaten beherbergten. Das Sortiersystem war zum Glück das gleiche wie bei den Patienten, und es dauerte nur wenige Minuten, bis die Schülerin fündig wurde: Kadokawa, Azaku. Personalakte mit Vermerk „Kopie an Kriminalpolizei Kansai-Region“. Ohne noch mehr Zeit mit einem Blick hinein zu vergeuden, klemmte sich das Mädchen die Akte unter den Arm, lief aus dem Zimmer, zog aus ihre Handtasche den großen Einkaufsbeutel heraus, den sie umsichtig vorher eingesteckt hatte, verpackte die Unterlagen sorgsam darin und ließ dann Archiv und Orgie hinter sich zurück.

An der Rezeption hinterlegte sie noch Dr. Tegomes Magnetkarte mit der Bemerkung, sie habe die auf dem Gang gefunden. Und das, dachte sie sich, war immerhin nicht gelogen.

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Als an diesem Abend alle vier Freunde wieder zusammen in Tsukunes Wohnung saßen, war die entwendete Akte der Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit. Gemeinsam stöberten die Schüler durch Dienstpläne, Personalvermerke, Korrespondenzen, Heilpläne und jede Menge Abrechnungen, und obgleich es gar nicht nach so viel Arbeit ausgesehen hatte, stellte sich heraus, daß es doch eine reichlich komplizierte Angelegenheit war, alles Wichtige darin von den unwichtigen Dingen zu trennen.
Bereits eine halbe Stunde hatten sich die Freunde durch die Papiere gegraben, als Tsukune plötzlich einen überraschten Schrei ausstieß. „Da! DA!“ Sie deutete mit dem Finger auf eine interne Anweisung Kadokawas an seine damalige Sekretärin. „Verdammt, ich wußte doch, daß ich ihn gesehen habe!“
„Was hast...“ begann Sakura zu reden, stockte dann aber, als sie sah, worauf der Zeigefinger ihrer Freundin so aufgeregt deutete.
'Korrespondenzen von Dr. Toshi Yuushuu sind an mich direkt weiterzuleiten.'
Doktor Toshi Yuushuu?!

„HÄ?!“ entfuhr es Sakura. „Soll das ein Witz sein? Dieser Wisch da ist achtzehn Jahre alt, wenn das Datum darauf stimmt. Achtzehn Jahre... vor achtzehn Jahren war Toshi doch bestenfalls im Kindergarten! Wie kann er da schon ein Doktor gewesen sein?“
„Ich WUSSTE doch, daß ich ihn gesehen habe!“ wiederholte Tsukune triumphierend ihren Satz. „Es war Toshi da unten im Nachtclub! Er hatte schon vor achtzehn Jahren mit Kadokawa zu tun, wahrscheinlich wegen irgendwelchen finsteren Experimenten. Vielleicht hat er an einem Unsterblichkeitsserum oder so was gearbeitet – diesen Verrückten kann man doch alles zutrauen!“
Sakura schüttelte den Kopf. „Das kann aber trotzdem nicht sein“, widersprach sie. „Du vergißt, daß Toshi einer von uns aus der zweiten Generation war. Vor vierzig Jahren kann es doch die Forschungen unmöglich schon gegeben haben. Wir sind doch alle fast im gleichen Alter!“
Aufgebracht verschränkte Tsukune die Arme. „Und trotzdem stimmt da was nicht“, schmollte sie. „Ich bin mir absolut sicher, daß Azakusa Toshi ist. Und wenn nicht der, dann wenigstens sein eineiiger Zwilling.“
„Wäre es denn nicht denkbar“, warf Kumori ein, „daß Toshi tatsächlich Azakusa ist, aber der Toshi Yuushuu aus Kadokawas Zeit nicht der von heute ist?“
„Wie meinst du das?“ Sakura blickte ihn ratlos an.

Der Junge überlegte. „Vielleicht“, sagte er, „gibt es gar keinen wirklichen Toshi Yuushuu und der Name ist einfach nur ein Pseudonym, das im Laufe der Zeit verschiedene Personen übernommen haben. So was kann durchaus von praktischem Nutzen sein, zum Beispiel, wenn man verschleiern will, wer in einem Haus wirklich wohnt. Der Vermieter wird keine Nachfragen stellen, solange die Miete pünktlich eingeht, und nachdem sich hierzulande ja kaum jemand ernsthaft um das kümmert, was bei seinen Nachbarn passiert...“
Interessiert blätterte sich Tsukune weiter durch Kadokawas Akte. „Da könnte was dran sein“, stimmte sie zu. „Schaut mal hier, hier ist ein Bewerbungsschreiben von diesem Doktor Toshi an Kadokawa. Komische Absenderadresse – 'Kongreßzentrum Nordost'. Wer wohnt denn außer dem Hausmeister in einem Kongreßzentrum?“
„Ab und zu Ehrengäste während einer Veranstaltung“, erklärte Kaoru. „Fast überall gibt es zumindest ein kleines Apartment. Wir sollten uns mal erkundigen, wie das im Kongreßzentrum Nordost ist und ob es da vielleicht einen Dauermieter gibt.“
„Machen wir“, stimmte Sakura grimmig zu. „Und dann steigen wir dem mal ordentlich aufs Dach!“

Sie hatte keine Ahnung, wie recht sie damit hatte.
 
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