[Biete] Goblin Slayer Lightnovel [Deutsch][Kapitel 128/128][Update 01.03.23][PDF: Gesamtausgabe v_0.11.140 ]

Edward Teach

Anime-Pirat
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Kapitel 8
Goblins ausrotten

Der Echsenmensch erklärte sich bereit, die verletzte Elfe zurück in den Wald zu bringen. Er griff in die Tasche an seiner Hüfte und holte mehrere Reißzähne heraus, die er auf dem Boden verteilte.​
»Zerschneidende Klaue meines Vorfahren Iguanodon lvana. Vier Glieder. Zwei Beine. Erhebe dich aus dem Boden.«​
Die Zähne begannen sich zu bewegen und wuchsen heran. Einen kurzen Moment später stand vor ihnen das Skelett eines Echsenmenschen, Es verbeugte sich vor dem Mönch.​
»Das ist ein Wunder, das mir meine Vorfahren schenkten. Er ist ein Drachenzahnkrieger.«​
»Wie stark ist er?«, fragte Goblin Slayer.​
»Da ich selbst nicht der Schwächste bin, sollte er gegen ein, zwei Goblins ankommen«, erklärte der Echsenmensch.​
Die Priesterin steckte dem Drachenzahnkrieger noch einen Brief zu, in dem alles erklärt war, und dann brach der Krieger mit der verletzten Elfe im Arm auf. Die Gruppe hatte jetzt schon ein Wunder und einen Zauber verbraucht, aber keiner hatte etwas einzuwenden.​
»Was war das denn? Das kann doch nicht ... «, schluchzte die Hochelfe.​
Die Priesterin streichelte ihr tröstend über den Rücken. Obwohl sie sich immer noch in dem Raum voller Schmutz befanden, störte sie der Geruch nicht mehr. Haben wir uns etwa daran gewöhnt? Während ihre Beine leicht zitterten, lächelte die Priesterin resigniert. Der Zwerg spielte mit mürrischem Blick an seinem Bart. Da er meinte, dass es ihm nicht gut ginge, stand er am Eingang. Der Drachenzahnkrieger zog an ihm vorbei. Goblin Slayer hatte dem Ganzen den Rücken zugewendet. Er stocherte und wühlte in einem Dreckhaufen herum, bis er einen Gegenstand herauszog. Es handelte sich um einen Rucksack aus Leinen. Die Goblins mussten ihn durchsucht und weggeworfen haben. Er war dreckig, aber das hielt Goblin Slayer nicht davon ab, ihn ebenfalls zu durchsuchen.​
»Ich wusste es.«​
Plötzlich hielt er ein zusammengeknülltes vergilbtes Papierstück in den Händen.​
»Was ist das?«, fragte die Priesterin, während sie weiterhin der Hochelfe über den Rücken strich.​
»Sie gehörte der Elfe.«​
Goblin Slayer breitete das Papier aus. Nein, es war ein großes getrocknetes Blatt. Er folgte mit einer Fingerspitze den feinen Linien der Zeichnung und nickte dann entschieden.​
»Das ist eine Karte der Ruine.«​
»Die Elfe muss sie benutzt haben, als sie hier eindrang ... «​
Wahrscheinlich hatte sie nicht gewusst, dass diese Ruine mittlerweile zu einem Goblin Nest geworden war. Eigentlich mussten Abenteurer immer mit dieser Möglichkeit rechnen. Die Elfe hatte wirklich Glück, dass sie von der Gruppe noch rechtzeitig gefunden worden war. Nachdem er die Karte sorgfältig studiert hatte, erklärte Goblin Slayer:​
»Der linke Weg führt zu einem Korridor, der dann zu einer Halle führt. Höchstwahrscheinlich befinden sie sich dort. Es gibt keinen anderen Ort, der als Schlafplatz groß genug wäre.«​
Danach faltete er die Karte zusammen und steckte sie in seine Tasche. Außerdem nahm er noch ein paar Salben aus dem Rucksack, bevor er ihn vor die Hochelfe auf den Boden warf.​
»Nimm du ihn mit.«​
Sie hob ihn auf und schaute Goblin Slayer an. Ihre Augen waren rot und geschwollen. Sie machte einen schrecklichen Eindruck, aber Goblin Slayer schien das nicht zu interessieren. »Lasst uns gehen.«​
»Hey ... Das war etwas zu ... «​
»Schon gut.«​
Die Elfe unterbrach die Priesterin und stand auf.​
»Wir müssen weiter, oder?«​
»Ja«, erwiderte Goblin Slayer gefühllos.​
»Wir müssen Goblins töten.«​
Ohne sich umzudrehen, verließ er den Raum. Wahrend die Priesterin und die Elfe ihm sofort folgten, seufzte der Zwerg und sagte zum Echsenmenschen: »Mann ... Der Typ ist wirklich unfassbar. Ist er wirklich nur ein Mensch?«​
Der Echsenmensch verdrehte die Augen.​
»Ähnlich wie Eotyrannus, der Morgentyrann. Anscheinend stimmen die Geschichten über ihn.«​
»Man muss wohl ein wenig wahnsinnig sein, um Profi in diesem Beruf zu werden.«​
»Wie dem auch sei, wir müssen los. Ich kann diesen Kreaturen auch nicht vergeben.«​
»Ich auch nicht, Schuppiger. Für Zwerge sind Goblins so etwas wie Erzfeinde.«​
Mit diesen Worten folgten die beiden den anderen. Der linke Gang wandte sich wie ein Labyrinth und erfüllte damit das Ziel einer Festung. Wer sich nicht auskannte, würde sich verlaufen. Mithilfe der Karte der Elfe machte die Gruppe allerdings gute Fortschritte. Auf dem Weg trafen sie mehrfach auf patrouillierende Goblins. Die Hochelfe schoss mit dem Bogen auf die Biester und falls einer überlebte, versetzte Goblin Slayer ihm den Todesstoß. Die Priesterin war darüber besorgt, dass nicht jeder der Pfeile tödlich traf. Am Eingang hatte die Elfe noch ihr übermenschliches Können mit dem Bogen zur Schau gestellt und es war unvorstellbar für die Priesterin, dass nicht jeder Schuss genau so treffen würde, wie die Elfe es wollte.​
Goblin Slayer war jedoch wie immer. Er setzte ohne zu zögern einen Fuß vor den anderen und drang tiefer in die Ruine ein.​
»Wie viele Zauber haben wir übrig?«, fragte er ruhig, während sie eine Pause einlegten.​
Er war gerade dabei, seine Waffen auszuwechseln. Die Priesterin streichelte der Elfe gerade wieder über den Rücken und sagte:​
»Ähm, ich habe nur einmal Heilen eingesetzt, daher bleiben noch zwei.«​
»Und ich habe nur einmal Drachenzahnkrieger gewirkt. Mir verbleiben also drei.«​
Der Echsenmensch wedelte leicht mit dem Schwanz, während er seine Sachen durchwühlte und ein paar Zähne herauszog.​
»Da Drachenzahnkrieger aber eine gewisse Anzahl an Zutaten benötigt, kann ich ihn nur noch einmal einsetzen.«​
»Verstanden.«​
Goblin Slayer nickte und richtete seinen Blick auf den Zwerg.​
»Wie ist es bei dir?«​
»Hm ... «​
Er murmelte kurz und zählte mit den Fingern.​
»Es hängt vom Zauber ab, aber ungefähr viermal. Also sei beruhigt.«​
»Ach so.«​
Hochrangige Zauberer konnten ihre Zauber und Wunder häufiger als Anfänger einsetzen, aber nicht viel häufiger. Ihre Kraft lag vor allem in der Komplexität und Variation ihrer Zauber. Dieser Umstand führte dazu, dass jeder Einsatz von Magie extrem gut durchdacht sein sollte, da verschwenderischer Umgang zu einem schnellen Tod führen konnte.​
»Willst du etwas Wasser? Kannst du trinken?«​
»Danke.«​
Die Priesterin reichte der Elfe ihren Trinkbeutel. Sie hatte den Rest des Wegs nichts gesagt und jeden Versuch der Priesterin, mit ihr zu reden, abgeblockt.​
Ich kann es ihr nicht verdenken, dachte die Priesterin. Sie hat zum ersten Mal gesehen, wozu die Biester fähig sind. Es verfolgte sie immer noch, was mit ihrer ersten Abenteurergruppe passiert war. Zum Glück war sie so viel mit Goblin Slayer unterwegs, dass sie keine Zeit hatte, darüber viel nachzudenken.​
»Schlagt euch die Bäuche nicht zu voll. Dadurch werden der Kreislauf schwächer und die Bewegungen langsamer«, ermahnte Goblin Slayer die beiden.​
Er sagte es nicht aus Rücksicht, sondern weil es für ihn eine praktische Angelegenheit war. Reflexartig sprang die Priesterin auf und stellte sich schützend vor die Elfe.​
»Goblin Slayer! Sei netter ... «​
»Warum soll ich um den heißen Brei reden?«, unterbrach er sie.​
»Wenn sie nicht mehr kann, dann soll sie zurückgehen!«​
»Red keinen Unsinn«, sagte die Elfe und wischte sich Wassertropfen vom Mund.​
»Ich bin Waldläuferin. Ohne mich würdet ihr Fallen und Späher nicht rechtzeitig entdecken.«​
»Wir werden tun, was wir können.«​
»Aber dann sind wir nicht genügend Leute ... «​
»Das spielt keine Rolle. Wir müssen uns um diesen Ort kümmern.«​
»Verdammt ... «​
Die Elfe fuhr sich durch die Haare. Ihre langen Ohren hatten sich nach hinten aufgestellt.​
»Was passiert hier? Ich versteh gar nichts mehr!«​
»Also kehrst du um?«​
»Wie sollte ich das so einfach können?! Sie haben eine Elfe misshandelt! Und das ganz in der Nähe unserer Heimat ... «​
»Dann lasst uns gehen.«​
Mit diesen Worten stand Goblin Slayer auf und ging los. Die Elfe schaute ihm zähneknirschend hinterher.​
»Beruhige dich, Langohr. Wir müssen von nun an leise sein.«​
Der Zwerg klopfte ihr kurz auf den Rücken.​
»Wie peinlich, dass ein Zwerg mich aufmuntern muss, aber du hast recht. Es tut mir leid.«​
»Oho! Da bist du ja wieder!«​
Die Elfe nahm ihren Kurzbogen in die Hand und ging los. Die Priesterin folgte ihr und nickte dem Zwerg kurz zu. Dieser wühlte in seiner Tasche und machte sich auch auf. Der Echsenmensch folgte als Letzter.​
»Man kann nicht vorsichtig genug sein«, meinte der Zwerg.​
»Ja. Ich sollte mich auch vorbereiten«, murmelte der Echsenmensch zustimmend und legte die Hände zusammen.​
* * *
Die Gruppe folgte weiter der Karte und erreichte schließlich eine Halle. Goblin Slayer gab ein Handzeichen, dass die Elfe nach vorn gehen sollte, worauf sie auf Zehenspitzen voraus schlich. Vor ihr erstreckte sich ein großer runder und auch sehr hoher Raum. Selbst unter den Elfen, die mehrere tausend Jahre lang lebten, gab es wohl niemanden, der so alt wie diese Halle war. Trotz ihres Alters waren auf den Wänden noch beeindruckende Malereien aus dem Zeitalter der Götter zu erkennen, die zeigten, wie diese Welt erschaffen wurde. Die Figuren darauf schwangen Schwerter, schleuderten Blitze und streckten schließlich ihre Hände nach Würfeln aus. Wenn dies einst eine Festung war, was haben wohl die Krieger gedacht, während sie diese Bilder bewunderten? Wäre die Lage eine andere, hätte die Elfe diese Bilder bestimmt staunend bewundert, aber gerade war sie überhaupt nicht in der Stimmung dazu. Sie lehnte sich über das Geländer der Galerie, auf der sie und der Rest der Gruppe sich befanden, und schaute auf den Boden der Halle. Sie erkannte, dass es dort von Goblins nur so wimmelte. Es war eine atemberaubende Anzahl. Selbst an den Fingern der fünf Abenteurer konnte man sie nicht abzählen. Die Elfe schluckte. Der Zorn, der bis jetzt in ihrer Brust gebrannt hatte, legte sich plötzlich und ihr wurde eiskalt. Die gefangene Elfe war von all diesen Goblins misshandelt worden. Welches Schicksal würde sie selbst wohl erwarten, wenn ihr jetzt ein Fehler unterlaufen würde? Um nicht mit den Zähnen zu klappern, biss sie sich auf die Unterlippe.​
»Wie sieht es aus?«​
»... ?!«​
Die Elfe erschrak. Es war Goblin Slayer. Wo kam er so plötzlich her? Sie hätte nie erwartet, dass er sich so leise bewegen konnte. Um nicht entdeckt zu werden, hatte er die Fackel aus der Hand gelegt.​
»Erschrecke mich nicht so!«​
»Das wollte ich nicht.«​
Die Elfe starrte den Eisenhelm wütend an. Sich den Schweiß von der Stirn wischend, sagte sie:​
»Es sind sehr viele.«​
»Das sollte kein Problem sein«, erwiderte er gleichgültig.​
Mit einer kurzen Handbewegung rief er den Rest der Gruppe heran und erklärte seinen Plan. Niemand hatte Einwände.​
* * *
Der Erste, der etwas bemerkte, war ein Goblin, der aus seinem Bettlager gekrochen war. Es war Zeit für die Wachablösung, aber die vorigen Patrouillen waren nicht zurückgekehrt. Er dachte darüber nach, ob er noch einmal zu der Elfe gehen sollte, um sie zu quälen, aber in letzter Zeit schrie sie nicht mehr so schön. Hoffentlich würden sie bald eine neue fangen.​
Er streckte den kleinen teuflischen Körper mit dicklichem Bauch und als er gähnen wollte, sah er etwas Ungewöhnliches. Einen Zwerg.​
Dieser trank gerade den Inhalt eines roten Gefäßes.​
»GUI ... ?«​
Der Zwerg spuckte die Flüssigkeit in hohem Bogen aus und sie verteilte sich wie Nebel in der Halle. Der Goblin schnupperte. Es war Alkohol. Der Zwerg hatte Alkohol ausgespuckt.​
»Trinke und singe, Geist des Weins! Singe, tanze und schlafe ein. Zeige mir die Träume eines Betrunkenen.«​
Nach diesem Spruch ließ der Zwerg erneut etwas von dem Alkoholnebel auf die Goblins herab nieseln. Der Goblin verstand nicht, was hier vor sich ging, und wollte seinen Kameraden Bescheid geben. Er riss das Maul auf, doch ...​
»... «​
Es kam kein Laut heraus. Er atmete, seine Zunge bewegte sich, aber der Ton blieb aus. Was passierte hier? Der Goblin schaute erneut zum Zwerg und bemerkte, dass ein junges Mädchen neben ihm stand.​
»Höchst barmherzige Erdmutter. Umgebe uns allgegenwärtig und schenke uns Ruhe.«​
Ihre Worte schienen irgendeine Bedeutung zu haben, aber der Goblin verstand sie nicht. Er versuchte angestrengt, sein kleines Gehirn zu benutzen, aber irgendwie fühlte er sich benebelt und gleichzeitig glücklich. Da die vorherige Wache noch nicht zurückgekehrt war, konnte er sowieso noch ein wenig schlafen. Er gähnte erneut und legte sich wieder hin.​
Und so starb er.​
Er würde nie erfahren, dass er }Trunkenheit{ und }Stille{ zum Opfer gefallen war, denn bevor dies geschehen konnte, durchschnitt Goblin Slayer seine Kehle mit einem Dolch.Die Elfe und der Echsenmensch waren zusammen mit ihm herabgestiegen und gemeinsam töteten sie jetzt Goblin für Goblin im Schlaf. Sie mussten sich beeilen, denn die Priesterin und der Zwerg konnten ihre Zauber nicht ewig aufrechterhalten. Sie schnitten jedem Goblin die Kehle durch und hielten ihn dann am Boden fest, bis er sich nicht mehr regte. Es ähnelte einer sehr eintönigen, aber dennoch anstrengenden Aufgabe. Nach dem dritten Goblin konnte die Elfe ihre Erschöpfung nicht mehr verstecken. Auf ihrer Stirn glitzerte der Schweiß und ihr Dolch war bereits stumpf von all dem Blut. Sie schaute sich kurz um, um zu sehen, wie ihre Kameraden vorankamen. Der Echsenmensch nutzte ein Schwert, das er mithilfe eines Wunders beschworen hatte. Die eigentlich weiße Klinge war mittlerweile dunkelrot, aber schien nicht stumpf zu werden. Goblin Slayer hingegen warf nach jedem getöteten Goblin die gerade benutzte Waffe weg und nahm sich die des soeben erledigten Opfers. Ich verstehe. Die Elfe steckte ihre Klinge weg und ging wie Goblin Slayer vor. Und so schlachteten sie einen Goblin nach dem anderen ab, ohne dass die kleinen Biester je wussten, was mit ihnen geschehen war. Die Elfe merkte, wie sich ihr Zorn nach und nach legte. Sie würde nie vergessen, was sie ihrer Artgenossin angetan hatten, aber tief in ihr breitete sich eine anorganische Kälte aus, die sie noch nie gespürt hatte. Sie schluckte und drehte sich um. Ihr Blick landete auf dem Träger einer billigen Lederrüstung, der wie eine Maschine Kehle für Kehle durchschnitt. Zum Schluss stach er noch zweimal in jeden Goblin, um wirklich sicherzustellen, dass dieser tot war. Hat er das bisher immer allein gemacht? Die Elfe wusste nicht, was sie von dem Mann denken sollte. In weniger als dreißig Minuten waren alle Goblins tot. Die weißen Steine, die Wandgemälde und alles andere waren besudelt mit dem fettigen Blut der Goblins. Das hier ist also ein wirkliches Blutbad. Die Elfe empfand den Ausdruck in diesem Moment als äußerst passend. Als die drei ihre Arbeit beendet hatten, kletterten auch der Zwerg und die Priesterin zu ihnen herunter. Ohne eine Sekunde zu verschwenden, deutete Goblin Slayer mit seiner Schwertspitze weiter ins Innere. Die Karte hatte gezeigt, dass es einen weiteren Raum gab, und ihnen war klar, dass sie jeden einzelnen Goblin töten mussten. Die Gruppe schaute in Goblin Slayers Augen oder zumindest dorthin, wo sie hinter dem Visier des Eisenhelms liegen müssten. Goblin Slayer nickte kurz und stapfte los. Was hätte er wohl gemacht, wenn niemand ihm gefolgt wäre?​
Also wirklich ... Die Gruppenmitglieder guckten einander an und grinsten. Sie wollten ihm gerade folgen als ...​
Rumms.
Alle blieben wie angewurzelt stehen und starrten in die Richtung des nächsten Raums. Goblin Slayer hob seinen Schild, zog sein Schwert und nahm Kampfhaltung ein.​
Rumms.
Ein weiteres Wummern war zu hören. Diesmal näher als zuvor. Und dann stand er vor ihnen. Ein riesiger blauschwarzer Körper. Auf seiner Stirn wuchsen Hörner und aus seinem Maul kam fauliger Gestank. In den Händen einen gewaltigen Streithammer. Die Elfe riss geschockt die Augen auf, während aus ihrem Mund nur ein kleines Flüstern kam:​
»Ein Oger

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Edward Teach

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Kapitel 9
Starke Personen


»Mir kamen die Goblins schon seltsam ruhig vor. Sie sind wirklich unnütz.« Die Laute, die der Oger ausstieß, klangen wie ein Brüllen.​
»Ihr seid nicht wie die Elfe von neulich. Ihr wusstet, dass wir hier sind.«​
Die Mordlust des Monsters war offensichtlich, seine goldenen Augen loderten. Die Abenteurer zogen ihre Waffen und nahmen Kampfhaltung ein. Goblin Slayer konnte sich eine Frage jedoch nicht verkneifen:​
»Ihr Anführer ist kein Goblin?«​
»Weißt du etwa nicht, was ein Oger ist!«, rief die Elfe und machte ein fassungsloses Gesicht.​
Oger waren menschenfressende Monster. Während Goblins aus ihrem Hass gegen die sprechenden Völker agierten, waren sie für Oger nichts weiter als Beute. Abenteurer fürchteten diese Bestie nicht ohne Grund und jeder, der eine Begegnung überlebt hatte, sprach von ihrer furchterregenden Stärke. Ein Ritter mit einem schweren Schild wurde von ihr zu einem Klumpen Fleisch verarbeitet. Ein Held stellte sich ihr hundert Tage lang, aber schaffte es nie, ihr auch nur einen Kratzer zuzufügen. Ein mächtiger Magier wurde von ihren Zaubern bei lebendigem Leibe verbrannt. Selbst für Abenteurer auf Silber-Rang war er ein schwieriger Gegner. Während die Elfe, der Zwerg und der Echsenmensch nervös das Gesicht verzogen, zitterte die Priesterin am ganzen Körper. Goblin Slayer hingegen entgegnete völlig gelangweilt:​
»Nein, Wahrscheinlich ein starkes Monster?«​
Der Oger biss mit einem knackenden Geräusch die Zähne zusammen.​
»Du! Willst du mich, der mehr Truppen als ein Dämonengeneral anführt, etwa beleidigen?!«​
»Ich wusste, dass es hier eine entwickelte Abart geben würde«, brummte Goblin Slayer und schüttelte den Kopf, »aber ich kenne weder dich noch irgendeinen Dämonengeneral.«​
Wutentbrannt schrie der Oger unverständliche Worte. Seinen aufbrausenden Gefühlen verlieh er mit einem Schwung seines Streithammers Ausdruck und zertrümmerte eine kreideweiße Steinsäule. Die ganze Ruine bebte.​
»Dann sollst du am eigenen Leib meine Stärke spüren!«​
Er streckte seine linke Hand aus.​
»Carbunculus Crescent ... «​
Ein leichtes Licht erschien in seiner Handfläche. Es wirbelte und drehte sich und verwandelte sich in ein Feuer. Erst brannte es rot, dann dunkelorange, dann weiß und schließlich wurde es strahlend blau.​
»Ein riesiger Feuerball!!«​
»... Iacta!«​
Der Zwerg rief seine Warnung im gleichen Moment, in dem der Oger seinen Feuerball warf.​
»Verteilt euch«, schrie die Elfe.​
Es war eine typische Taktik bei solchen Angriffen, sich möglichst breit aufzustellen, damit nicht die gesamte Gruppe in einem Schlag vernichtet wurde. Als die Abenteurer gerade in unterschiedliche Richtungen losstürmen wollten, stellte sich eine von ihnen schützend vor sie.​
»Höchst barmherzige Erdmutter. Bitte beschütze uns Schwache mit deiner Erde!«​
Die Priesterin hatte sich direkt in die Flugbahn der riesigen Feuerkugel gestellt und während sie aufopfernd betete, streckte sie ihren Stab in die Luft. Die barmherzige Erdmutter erhörte ihr Gebet und gewährte ihr das Wunder, das den glühend heißen Feuerball in der Luft festhielt, ohne dass er sich auflöste.​
»U. .. Urgh ... «​
Der Druck und die Hitze verbrannten Haut und Haare der Priesterin. Der Stab zitterte in ihren Händen und Schweiß bildete sich auf ihrer Stirn.​
»H ... hö ... Höchst barmherzige Erdmutter. Bitte beschütze uns Schwache mit deiner Erde!« Während ihre Lippen brannten und ihre Haut glühte, betete sie tapfer weiter, aber vor der mächtigen Hitzekugel löste sich die unsichtbare Barriere langsam auf ...​
»A ... Ah?!«​
... und zerbrach. Schutzwall hatte den Zauber des Ogers geschwächt, aber trotzdem traf ein unglaublich heißer und kraftvoller Wind die Abenteurer. Mit einem Schlag verflog die komplette Luftfeuchtigkeit des Raums und die Pfützen aus Goblin Blut begannen zu kochen. Die Abenteurer jedoch blieben unverletzt.​
»Hah ... hah ... «​
Die Priesterin fiel auf die Knie und schnappte keuchend nach Luft. Sie hatte ihre Grenzen weit überschritten und ihre Seele geopfert, um sich direkt mit dem Himmel zu verbinden. Ihr Gesicht war kreidebleich und ihr Körper eiskalt.​
»Es ... tut mir ... leid ... «​
»Du hast uns gerettet«, sagte Goblin Slayer, während er seinen Schild bereitmachte.​
»Gut gemacht.«​
Die Elfe stützte die Priesterin.​
»Überlass den Rest uns.«​
»Du Gör! Glaub nicht, dass ich dich davonkommen lasse!«​
»Nur über unsere Leichen!«​
Die.Elfe stellte sich schützend vor die Priesterin und feuerte mit ihrem Kurzbogen auf den Oger, der darauf einen gewaltigen Kampfschrei von sich gab.​
»Wir sind zu wenige. Ruf den Drachenzahnkrieger«, sagte Goblin Slayer zum Echsenmenschen.​
»Ja!«​
Der Echsenmensch warf einige Fangzähne auf den Boden und legte die Hände zusammen.​
»Zerschneidende Klaue meines Vorfahren Iguanodon Ivana. Vier Glieder. Zwei Beine. Erhebe dich aus dem Boden.«​
Direkt darauf beschwor der Echsenmensch​
»Scharfklinge«:​
»Sichelschwinge des Velociraptor flieg messerscharf empor und begib dich auf die Jagd!«​
Das entstandene Schwert drückte er dem Drachenzahnkrieger in die Hand, dann zog er eine weitere Klinge aus der Scheide.​
»Ich, der Drachenzahnkrieger und Goblin Slayer greifen ihn an! Unterstützt uns bitte!«,​
»Verstanden!«​
Der Zwerg holte aus seiner Tasche eine Handvoll Sand heraus und warf sie in die Luft.​
»An die Arbeit, Gnome! Formt die einzelnen Sandkörner und rollt sie zu Steinen.«​
»Dachtest du, ich lass dich gewähren, Zwerg?!«​
Der Oger rannte seinen Hammer schwingend auf ihn zu. Wollte er die vorderen Abenteurer wegstoßen, um direkt die hinteren zu erreichen? Was auch immer der Oger vorhatte, die Elfe hinderte ihn daran, indem sie einen regelrechten Hagel ihrer Pfeile auf ihn niederließ.​
»Ihr Zwerge solltet lernen, euch schneller zu bewegen.«​
»U ... Aaargh?!«​
Einer ihrer Pfeile traf das rechte Auge des Ogers, der kurz verwirrt stehenblieb.​
»Tut mir leid., Wir kämpfen nun mal anders als ihr grazilen Elflein!«​
Der Zwerg ließ diesen Augenblick nicht ungenutzt verstreichen. Mit einem Schlag bildeten sich aus dem Sand in der Luft Gesteinsbrocken, die dann auf den gewaltigen Körper des Ogers einschlugen. Es war der Zauber, }Steinhagel{.​
»Hnngh! Glaubt ihr etwa, eure kleinen Zaubertricks mit Kieselsteinchen können mir was anhaben?!«​
Die Treffer hatten den Oger nur leicht ins Schwanken gebracht, aber mehr auch nicht. Mit einer Handbewegung wischte er die restlichen Steine weg und ging weiter auf die Abenteurer zu, doch plötzlich stand Goblin Slayer vor ihm.​
Er tänzelte mit gehobenem Schild um die Beine des Ogers und schlug präzise mit seinem Schwert zu ...​
»Hmpf!«​
... aber die Klinge sprang mit einem metallischen Klang ab.​
Die Haut des Monsters war selbst an den Beinen hart wie Stein. »So eine Frechheit!«​
»Argh?!«​
Der Oger riss seinen Streithammer in einer schnellen Bewegung nach oben und traf Goblin Slayers Brust. Dieser flog in einem hohen Bogen durch die Luft und schlug brutal auf dem harten Steinboden auf.​
»Orcbolg!«
»Goblin Slayer!!«​
Die Priesterin und die Elfe schrien zugleich mit bleichem Gesicht seinen Namen.​
»Haltet mich ja nicht für einen Goblin!«​
Mit lautem Gebrüll zog sich der Oger den Pfeil aus dem rechten Auge und brach ihn entzwei. Das eigentlich zerquetschte Auge blubberte und begann sich zu regenerieren. Kurz darauf glänzte es wieder vor Boshaftigkeit.​
Er besitzt also nicht nur ungeheure Zerstörungskraft, sondern ist auch fähig, sich selbst zu heilen. Die Elfe knirschte mit den Zähnen.​
»Ihr habt meinen Zauber abgewehrt und mein Auge zerstört. Dafür werdet ihr bezahlen!«​
Das Monster hob seinen Streithammer und starrte auf Goblin Slayer.​
»Zuerst reiße ich dir Arme und Beine aus und dann vergehe ich mich vor deinen Augen an der Priesterin und der Elfe!«​
»Wenn es nur so einfach wäre, Menschenfresser!« Der Drachenzahnkrieger zog Goblin Slayer davon und rettete ihm damit das Leben.​
»Goblin Slayer! Goblin Slayer!«​
Die Priesterin eilte an Goblin Slayers Seite, der nun sicher an einer Wand lag.​
»Wir überlassen ihn dir, werte Priesterin!« Der Echsenmensch stellte sich gemeinsam mit seinem Drachenzahnkrieger dem Oger in den Weg.​
»Aus dem Weg, du dreckige Sumpfechse!« Dieser zögerte nicht lange und schwang seinen Hammer, aber der Echsenmensch wich geschickt aus.​
»Werter Zwerg, werte Elfe, bitte unterstützt mich!«​
»Zwerg, schnell ein Zauber!« Wiederholt feuerte die Elfe auf den Oger.​
»Du bist wie eine Mücke, Weib. Du nervst!«​
Die Pfeile schienen den Oger jedoch nicht im Geringsten zu verletzen und er rammte seinen Hammer gegen die Wand. Die dadurch ausgelöste Schockwelle warf die Elfe in die Luft. Da Wesen ohne Flügel eigentlich ihre Flugbahn nicht ändern können, wollte der Oger sie mit einem Schlag aus der Luft holen, aber die Elfe war vorbereitet. Sie rollte sich wie eine Akrobatin zu einer Kugel zusammen und schaffte es gerade so, dem heranrasenden Hammer um Haaresbreite zu entkommen. Allerdings hatte der Oger mit dem Angriff nicht nur das Ziel verfolgt, die Elfe auszuschalten. Plötzlich regneten Teile der Decke wie ein Trümmerhagel auf die Abenteurer herunter.​
»Hngh ... !«
»Oh?!«​
Der Echsenmensch rutschte schnell zur Seite, während der Zwerg aufgeregt wegrollte. Der fleischlose Drachenzahnkrieger konnte jedoch nicht schnell genug reagieren und nachdem ihn zuerst ein Regen aus Steinen erwischte, folgte dann der Streithammer des Ogers. Der Krieger zerbrach und es blieb nichts anderes von ihm übrig als ein paar Knochenreste. Obwohl er seine Aufgabe als Lockvogel erfüllt hatte, war dies ein schlechtes Omen ...​
»Das sieht gar nicht gut aus!«, meinte der Echsenmensch.​
»Habt ihr etwa gedacht, dass ihr mich mit Knochen, Zweigen und Steinchen aufhalten könnt?!«, brüllte der Oger.​
Mit einem Schwung seines Streithammers entfernte er die Pfeile aus seinem Körper.​
»Wenn das so weitergeht, ist es aus mit uns!«, schrie die Elfe, während sie durch die Luft sprang und weiterfeuerte.​
Auch wenn sie wusste, dass dies keinen Schaden verursachte, blieb ihr nichts anderes übrig. Jedoch würden ihr bald die Pfeile ausgehen.​
»Hier kommt mein letzter Zauber!«​
Erneut brachte der Steinhagel des Zwergs den Oger ins Wanken, aber hinterließ keine bleibenden Schäden.​
»Ist das alles, was deine kleinen Feen können?!«​
Der Oger verspottete den Zwerg.​
»Mist. Ich hätte doch lieber Feuerball lernen sollen!«​
Der Zwerg wedelte mit leeren Händen durch die Luft. Er schnalzte mit der Zunge und verzog das Gesicht.​
»Oder vielleicht hätte Trunkenheit etwas gebracht.«​
»Für solche Sorgen ist es jetzt zu spät«, sagte der Echsenmensch unter einem Stöhnen.​
»Sollen wir fliehen?«​
»Auf keinen Fall«, meinte der Zwerg vergnügt.​
»Da würde meinen Vorfahren der Bart ausfallen.«​
»Du hast recht. Ein Drache läuft nicht davon.«​
Während die beiden vor sich hin scherzten, festigte der Echsenmensch seinen Griff um das Kurzschwert und der Zwerg holte eine Schleuder hervor.​
»Ha ha ha! Was ist los? War das schon alles?« Der Oger ließ seine Waffe auf den Boden krachen und zertrümmerte dabei einige Goblin Kadaver. Ein blutiges Stück flog durch die Luft und landete auf Goblin Slayer. Dieser stöhnte und zuckte leicht. »Hnngh.«​
»Goblin Slayer!« Mit Tränen in den Augen sprach die Priesterin ihn immer wieder an. Sie hielt seinen Kopf und zog ihn an sich heran.​
»Ich ... sehe nichts. Wie ... läuft es?«​
»Die anderen kämpfen alle noch.«​
»Ach so ... Einen Heiltrank ... Und einen Ausdauertrank«, sagte er, während er seine Ausrüstung überprüfte und sich aufrichtete.​
Der Schild und der Brustpanzer waren stark beschädigt. Auch am Kopf fühlte sich etwas seltsam an. Er tastete ihn ab und merkte, dass sein Helm verbeult war. Sein ganzer Körper knirschte. Mit jedem Atemzug durchfuhr ihn ein stechender Schmerz, aber da er noch Schmerzen empfand, war er noch am Leben. Es war keine kleine Verletzung, aber seine billige Rüstung hatte ihm das Leben gerettet.​
Die Priesterin zog zwei Fläschchen aus ihrem Gepäck, löste den Verschluss und hielt sie ihm hin. »Bitte!«​
»Danke.« Goblin Slayer nahm sie an sich und stürzte erst die eine und dann die andere seinen Rachen hinunter. Er warf die Behältnisse fort, die auf dem schwarz verkohlten Boden zerbrachen und neue Spuren hinterließen.​
Tränke waren in ihrer Wirkung nicht vergleichbar mit göttlichen Wundern und obwohl sie Schmerzen linderten, sorgten sie dafür, dass man schwerfälliger wurde. In diesem Fall erreichten sie jedoch, dass Goblin Slayer sich wieder bewegen konnte.​
»Auf geht's ... « Goblin Slayer stützte sich auf seine zerbrochene Schwerklinge und stand langsam auf.​
»Wo ist meine Tasche?«​
»Sie ist hier ... «​
Die Arme der Priesterin zitterten vor Erschöpfung, aber sie beschwerte sich nicht und zeigte keine Schwäche, sondern hielt ihm tapfer die Tasche hin.​
»Gut ... «​
Goblin Slayer wühlte in seinem Gepäck und zog schließlich die Schriftrolle hervor. Die Priesterin war ganz bleich. Während sie sich die Tränen aus dem Gesicht wischte, sah sie Goblin Slayer an. »Sei vorsichtig ... «​
»Das kann ich nicht, wenn wir gewinnen wollen.«​
Goblin Slayer schüttelte den Kopf.​
»Aber, wenn das hier klappt ... wird es nicht so schlimm.«​
Er schob sie zur Seite und machte einen Schritt nach vorn. Blut strömte aus irgendeiner seiner Wunden, aber solang er darauf nicht ausrutschen sollte, war es ihm egal.​
»Orcbolg! «​
Die Elfe hatte ihn bemerkt und rief ihm zu.​
»Ich habe einen Plan.«​
»In Ordnung! Mach!«​
Ohne auf eine Erklärung zu warten,feuerte sie einfach weiter ihre Pfeile auf den Oger.​
»Gut, Bartschneider. Ich glaube an dich!«​
»Leider können wir dir nicht helfen. Wir sind beschäftigt.«​
Der Zwerg und der Echsenmensch nickten sich zu und sprangen dann unter dem Feuerschutz der Elfe hervor. Aber ... Plötzlich stand Goblin Slayer vor ihnen. Er hielt seinen zerbrochenen Schild hoch und ging in Kampfhaltung. Er war offensichtlich schwer verletzt und würde keinen weiteren Treffer überleben. Nein, falsch. Die Elfe schüttelte den Kopf. Er wartet nur auf eine gute Gelegenheit. Ich muss ihm helfen. Der Zwerg lud Steine in seine Schleuder und warf sie auf den Oger, der Echsenmensch attackierte ihn mit seinen Pranken und die Elfe ließ Pfeile auf ihn regnen.​
»Ihr Maden geht mir langsam auf den Geist!!« Der Oger war außer sich und schlug mit seinem Streithammer wild um sich.​
Jeder seiner Schläge schleuderte Schutt und Goblin Leichen durch die Luft, doch Goblin Slayer bewegte sich keinen Zentimeter.​
Unzufrieden schaute der Oger auf den verwundeten Krieger herab und begann zu lachen.​
»Ach genau, eure kleine Priesterin hat keine Wunder mehr übrig ... «​
Er streckte seine gewaltige Hand aus.​
»Carbunculus . . . Crescent ... «​
Mit jedem Wort wuchs die lodernde Feuerkugel zwischen den Fingern des Monstrums heran.​
»Ah ... !«​
Die Priesterin versuchte aufzustehen, aber brach sofort wieder zusammen. Ihr Stab rutschte ihr aus den Händen.​
»Keine Angst. Wenn sie überleben sollte, werde ich sie nicht gleich umbringen.«​
Die Flamme wurde heller, bis sie schließlich blau leuchtete. Der Feuerball würde die Abenteurer verbrennen. Keiner von ihnen konnte es stoppen.​
»Ich werde euch fressen oder als Gebärbeutel verwenden. Schließlich brauche ich neue Goblins.«​
Plötzlich sprang Goblin Slayer wie ein Pfeil vor die brennende Feuerkugel. Der Oger schnaubte überheblich. Der Krieger würde jetzt nichts mehr anrichten können.​
»Dann werde ich dir deinen Wunsch erfüllen. Ich werde dich verbrennen, bis nichts von dir übrigbleibt!«​
Er sprach die Worte, die die Regeln der Welt überschreiben konnten.​
»Iacta!«​
Der Feuerball schoss von seiner Hand und verbrannte die Luft.​
Der sichere Tod nahte heran. Die Priesterin und die Elfe schrien entsetzt auf. Der Echsenmensch und der Zwerg stellten sich vor die Frauen, um sie zu beschützen. Aber dann ...​
»Idiot.«​
Ein Donner. Ein Lichtblitz. Stille.​
»Oh ... ?«​
Der Oger wusste nicht, was gerade geschehen war. Im ersten Moment fühlte er sich, als würde er treiben, und im nächsten wurde sein gewaltiger Körper gegen einen Haufen Trümmer geschleudert. War der Feuerball so stark gewesen, dass er ihn zurückgeworfen hatte? Oder war es vielleicht ein Trick dieser Gruppe?​
»... ?!«​
Der Schock verschlug dem Oger den Atem. Er konnte seine eigenen Beine sehen. Sie waren nicht mehr Teil seines Körpers. Goblin Slayer näherte sich, während sein ganzer Körper rauchte. Erst jetzt verstand der Oger wirklich, dass er in zwei Hälften geteilt worden war.​
»A ... Argh ... !«​
Er wollte etwas sagen, aber statt Wörtern quoll Blut aus seinem Mund. Neben dem Geruch von Eisen stieg ihm plötzlich ein weiterer in die Nase. Salz. Der Raum füllte sich langsam mit Meerwasser. Es vermischte sich mit dem Blut von Goblin Slayer und dem des Ogers und wurde dunkelrot.​
Warum?! Was ist passiert?! Was hat er mir angetan?!
Während seine Eingeweide aus ihm herausquollen, fragte sich der Oger, was passiert war. Wissend, was der Oger sich gerade dachte, antwortete Goblin Slayer mit erbarmungsloser Stimme:​
»Das war eine Portal-Schriftrolle. «​
Er ließ die Schriftrolle, die mit einem übernatürlichen Feuer brannte, ins Wasser fallen.​
»Sie war mit dem Meeresboden verbunden.«​
Seine Worte verschlugen allen im Raum die Sprache. Auch wenn die meisten Schriftrollen sofort verkauft wurden, gaben Abenteurer eine besondere Art von ihnen nie aus der Hand: Portal-Schriftrollen. Wenn man auf sie den Namen eines Ortes mit den Worten der Macht schrieb, öffneten sie einem ein übernatürliches Tor zu jenem Ort. Sie konnten einen aus jeder noch so brenzligen Situation retten und wurden deshalb häufig als Trumpfkarte eingesetzt. Da sie aber so gut wie nie käuflich erhältlich waren, musste man sich selbst auf eine meist erfolglose Suche nach ihnen begeben. Goblin Slayer hatte solch eine äußerst wertvolle Schriftrolle, ohne zu zögern, für einen Angriff verwendet. Das mit hohem Druck aus dem Portal herausgeschossene Meereswasser hatte den Oger mitsamt seines Feuerballs zerteilt.​
»Oh ... Gah ... Wah ... Argh ... Aaaah?!«​
In einer Pfütze aus Meerwasser und Blut verlor der Oger die Kontrolle über das, was von seinem Körper übrig war. Verwirrt starrte er auf seinen Unterkörper. Trotz seiner unheimlichen Regenerationskraft, war ein Oger alles andere als unsterblich.​
Ich werde sterben ... ?! Ich und sterben?
»Oh, Aaaah?! Waaaaa?!«​
Vielleicht lag es am Blutmangel im Gehirn, aber der Oger wurde von einer unheimlichen Angst übermannt und schrie vor sich hin.​
»Was meintest du, was du bist?«​
Goblin Slayer stapfte langsam auf den Oger zu. Ihr Anführer ist kein Goblin?​
Der Oger erinnerte sich an die Worte des sich nähernden Kriegers. Hieß das etwa ... ? Hatte er die Schriftrolle etwa gegen Goblins einsetzen wollen?​
»Wie auch immer ... Das spielt eh keine Rolle.«​
Der Oger wollte Goblin Slayer antworten. Er wusste nicht, ob er um Gnade winseln oder ihn noch einmal verspotten sollte, aber er wollte etwas sagen. Doch bevor er dazu kam, hatte Goblin Slayer bereits seine Kehle mit dem Fuß zerquetscht.​
»Goblins sind ... «​
Goblin Slayer hob sein Schwert. Der Oger erkannte ein Blitzen tief im Inneren seines Helms.​
»... viel gefährlicher als du Wurm.«​
Das Bewusstsein des Ogers verschwand mit einem stechenden Schmerz. Schmach, Angst und Verzweiflung überkamen ihn, während er immer tiefer in die Dunkelheit stürzte und schließlich verschwand.​
* * *
Am Eingang der Ruine erwartete die Abenteurer bereits eine Gruppe prunkvoll ausgerüsteter Elfenkrieger mit zwei Wagen. Sie waren sofort aufgebrochen, als der Drachenzahnkrieger sie mit der verletzten Elfe erreicht hatte.​
»Sehr gut gemacht! Wie sieht es drinnen denn mit den Goblins ... «​
Den Elfenkrieger ignorierend kletterte die Gruppe auf einen der Wagen. Selbst der sonst so großmäulige Zwerg schwieg. Er war wie seine Kameraden am Ende seiner Kräfte.​
»Wir werden alles genau untersuchen. Ruht euch bitte auf dem Weg zur Stadt aus«, sagte ein weiterer Elfenkrieger und verschwand mit seinen Kameraden in der Ruine.​
Der Fahrer rief seinen Pferden etwas zu und der Wagen setzte sich polternd in Bewegung. Die Sonne ging unter und begann wieder ihren Aufstieg, ohne dass die Gruppe etwas davon merkte. Erst als die wieder aufgehende Sonne ihre Strahlen in den Wagen warf, realisierten sie, dass es die ganze Nacht gedauert hatte, bis sie die Stadt erreicht hatten.​
Die Elfe nährte sich der Priesterin und flüsterte ihr ins Ohr:​
»Sag mal ... «​
»Ja?«​
Die Priesterin hob verträumt den Kopf. Obwohl sie äußert erschöpft war, lächelte sie.​
»Ist er immer so?«​
Die Elfe zeigte mit einem Finger auf Goblin Slayer, der an eine Holzkiste gelehnt schlief. Er trug immer noch die verbeulte Rüstung und hielt sein zerbrochenes Schwert in der Hand. Der Echsenmensch hatte seine Wunden mit »Erfrischung« geheilt, aber auch erklärt, dass das größte Problem seine Erschöpfung war. Nichtsdestotrotz hatte Goblin Slayer in seinem Zustand noch nach überlebenden Goblins gesucht.​
»]a, er ist immer so.«​
»Ach so.«​
»Er wirkt zwar nicht so, aber du wirst überrascht sein, wie viele Sorgen er sich um die Personen in seinem Umfeld macht.«​
Die Priesterin berührte sanft seine Rüstung und strich mit einem Finger über das Leder.​
»Eigentlich müsste er uns nichts erklären, aber er tut es doch.«​
»Hm.«​
Die Elfe gab ein leises Grummeln von sich. Sie war wütend. Das alles war kein Abenteuer. Auf gar keinen Fall.​
»Ich kann ihn wirklich nicht leiden.«​
Abenteuer sollten Spaß machen. Die Freude und Befriedigung, die man empfindet, wenn man fremde Dinge erlebt und neue Sachen entdeckt. Das sind Abenteuer. Dieses Mal empfand die Elfe aber kein Gefühl der Euphorie oder des Erfolgs. Sie fühlte nur eine leere Müdigkeit. Für sie war es unverzeihlich, dass es jemanden wie ihn gab, der die Vorzüge richtiger Abenteuer nicht kannte und nur Jagd auf Goblins machte. Sie war Abenteurerin und liebte Abenteuer. Sie hatte den Wald nur aus diesem Grund verlassen. Sie nickte mit entschiedenem Gesichtsausdruck. Ich werde dafür sorgen, dass er ein richtiges Abenteuer erlebt. Ansonsten wird er bald niemanden mehr retten können.​

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Intermission IV
Die Heldin

»Hey! Ich hab ein paar Goblins vertrieben und wollte Bericht erstatten.«​
»Hm? Warum bist du überrascht? Ist es nicht normal, dass man das allein schafft?«​
»Wer ist das? Sieht wichtig aus.«​
»Ein Magier aus der Hauptstadt? Aber so klein?«​
»Das ist doch kein Grund sauer zu werden. Ich war einfach nur beeindruckt.«​
»Der Bericht? Ähm, ja ... Dann fang ich mal an.«​
»Als ich fünfzehn wurde, habe ich den Tempel verlassen, in dem ich aufgewachsen bin, und beschlossen, Abenteurer zu werden. Ich nahm einen Auftrag an, bei dem Goblins besiegt werden sollten, die in einer Höhle in der Nähe eines Dorfes wohnten. Na ja, jeder fängt halt mal mit Goblins an, was?«​
»Die Höhle war im Inneren eher wie ein Tempel. Es war wie in all den Geschichten.«​
»Wie? Goblins? Ja, da waren welche. Sogar sehr viele. Sie griffen mich die ganze Zeit an und ich schnetzelte sie Bestie für Bestie nieder. Ich hatte ihr ganzes Blut an mir kleben. Ich fing richtig zu stinken an.«​
»Gift? Dafür gibt es doch Gegengift. Einen Helm? Darunter ist es zu heiß und ich hab doch lange Haare.«​
»Und, ähm. Wo war ich stehengeblieben? Genau. Die Höhle war also wie ein Tempel. Am tiefsten Punkt war ein Podest, wo dann so etwas wie ein Boss auf mich wartete.«​
»Er meinte, er sei einer der sechzehn Generäle der Hölle oder so, dabei war er nur ein Goblin ... Glaub ich zumindest.«​
»Na ja, er war ein sehr starker Goblin und er setzte sogar Magie gegen mich ein. Zum Glück kann ich auch zaubern und setzte ein paar Mal Feuerblitz ein.«​
»Äh, fünf- oder sechsmal? Ich habe nicht genau gezählt. Ich war wirklich erschöpft und wollte ihm den Todesstoß verpassen, aber mein Schwert zerbrach.«​
»Dann packte er mich und schrie mich an, dass er meine Eingeweide fressen will und ... Nun ja.... Meine saubere Unterwäsche war dann nicht mehr so sauber.«​
»]e ... Jedenfalls war mein Schwert zerbrochen, deswegen streckte ich verzweifelt meinen Arm nach dem Podest aus.«​
»Warum? Weil dort ein Schwert steckte. Es sah aus wie das in dem Symbol des erhabenen Gottes. Mir war egal, dass es nur eine alte Klinge war, aber als ich zupackte, konnte ich sie ganz locker raus ziehen. Sie leuchtete und glitzerte. Ich schlug mit ihr zu und zerteilte den Boss mit einem Hieb. Er schrie elendig auf: Du magst mich bezwungen haben, aber die restlichen fünfzehn werden dich jagen. Du wirst nie Ruhe in der Welt finden.«​
»Nun ja, sollen sie mich doch jagen.«​
»Was meinst du damit, ob ich gegen sie kämpfen möchtest«​
»Wie? Der Dämonenfürst ist auferstanden? Ich habe einen seiner Generäle getötet? Das Schwert des Lichts?«​
»Einen Moment mal. Ich soll der legendäre Held sein? Das ist absolut unmöglich. Ich bin doch ein Mädchen.«​

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Kapitel 10
Im Schlummer


Goblin Slayer erinnerte sich noch genau, wie seine Schwester damals mit ihm schimpfte, weil er seine Kindheitsfreundin zum Weinen gebracht hatte. Sie sollte zum Spaß auf einen Bauernhof in der Nähe der Stadt fahren und dort übernachten, und er war unheimlich eifersüchtig auf sie geworden. Er hatte nie etwas außer dem Dorf gekannt. Er wusste weder, wie die Berge in der Ferne hießen, noch was sich hinter ihnen verbarg. Er wusste zwar, dass man die Stadt erreichen konnte, wenn man der Straße folgte, aber er wusste nicht, was das für eine Stadt war. Sein Kindheitstraum war, Abenteurer zu werden. Er wollte das Dorf verlassen, einen Drachen bezwingen und triumphal zurückkehren. Er wollte ein Held werden, ein Platin-Rang-Abenteurer. Natürlich merkte er irgendwann, dass sein Traum sich nicht erfüllen würde. Er konnte seine Schwester nicht einfach allein lassen und würde deshalb für immer in diesem Dorf bleiben. Und gerade deswegen war er so wütend auf das Mädchen geworden.​
»Wenn man auf andere neidisch ist, wird man zu einem Goblin«, hatte sie mit ihm geschimpft, während sie ihn am Arm nach Hause zog.​
»Du musst sie unbedingt beschützen.«​
Seine Schwester war schlau. Sie wusste zwar nicht über alles Bescheid, aber sie war sehr clever. Er war sich sicher, dass sie die schlaueste Person im ganzen Dorf war. Tatsächlich verdiente sie sich ihr täglich Brot damit, den Kindern im Dorf das Lesen und Schreiben beizubringen. Natürlich sollten die Kinder ihren Eltern helfen, die Felder zu bestellen, aber Bildung war auch wichtig. Seine Schwester hatte ihm beigebracht, wie wichtig es war, den eigenen Verstand einzusetzen. Sie sagte ihm immer, dass man eine Lösung finden würde, wenn man über etwas nachdenkt. Er war sich sicher, dass es der Traum seiner Schwester gewesen sein musste, in der Stadt zu studieren. Doch sie war im Dorf geblieben, um sich um ihn zu kümmern, und genau deshalb würde auch er im Dorf bleiben. Er hielt dies für eine ganz logische Entscheidung. Nachdem die beiden nach Hause gekommen waren, hatte seine Schwester einen Eintopf aus Milch und Hühnerfleisch gekocht. Er hatte diesen Eintopf geliebt. Damals hatte er unzählig viele Teller davon verschlungen, aber mittlerweile konnte er sich nicht mehr an den Geschmack erinnern. Es musste daran liegen, dass er ihn seitdem nicht mehr gegessen hatte.​
* * *
Goblin Slayer schlug die Augen auf und erhob sich aus seinem Bett aus Stroh. Sein Körper schmerzte immer noch. Er streckte sich und griff dann nach seiner Kleidung. Zuerst zog er sich ein schlichtes verwaschenes Hemd über, das leicht nach Seife roch. Es schützte ihn vor Sonnenbränden und bedeckte die vielen Narben auf seinem Körper. Danach folgten eine einfache Leinenhose und das Kettenhemd. Als er dann den Helm und die Lederrüstung anziehen wollte, erinnerte er sich, dass er sie zur Reparatur gegeben hatte. Er hatte auch keinen Schild mehr. Der Schlag des Ogers hatte es unbrauchbar gemacht.​
»Hm ... «​
Wenigstens ein Schwert konnte er sich an die Hüfte hängen. Sein Kopf fühlte sich so leicht an und sein Sichtfeld erschien ihm so weit, dass ein unbehagliches Gefühl in ihm hochstieg.​
»Guten Morgen! Du hast heute wirklich fest geschlafen!«, überfiel ihn eine freundliche Stimme.​
Es war seine Kindheitsfreundin, die sich mit ihrer Brust auf den Fensterrahmen gelehnt hatte. Durch das geöffnete Fenster wehte frischer Wind herein. Es war das erste Mal seit Langem, dass er die frische Frühsommerluft auf seinem Gesicht spürte. Der hereinfallende Sonnenschein war jetzt schon ziemlich heiß und auf der Stirn der Kuhhirtin hatte sich bereits erster Schweiß gebildet.​
»Tut mir Leid«, sagte er verträumt mit emotionsloser Stimme.​
Da sie bereits angefangen hatte, sich um das Vieh zu kümmern, musste es schon etwas später sein.​
»Ist doch okay. Ich freue mich, dass du dich mal ausruhst. Du warst so kaputt, dass du noch nicht einmal deine Patrouille gemacht hast. Hast du denn gut geschlafen?«​
»Ja.«​
»Heute wird es sehr heiß. Glaubst du nicht, dass die Kleidung etwas zu viel ist?«​
»Mag sein ... «​
Sie hatte völlig recht. Das Kettenhemd würde ihn nur bei seiner Arbeit behindern. Er zog es aus und warf es aufs Bett.​
»Mann, Du musst doch nicht so grob damit umgehen. Was, wenn es kaputtgeht?«​
»Das ist mir egal.«​
»Natürlich ist es dir egal ... «​
Sie setzte einen mahnenden Blick auf, als würde sie auf einen kleinen Jungen aufpassen.​
»Na ja, egal. Du hast bestimmt Hunger. Mein Onkel ist auch schon wach ... Lass uns schnell frühstücken.«​
»In Ordnung.«​
Er verließ sein Zimmer und stapfte gleichgültig den Gang hinunter. Der Hofbesitzer saß bereits am Essenstisch und riss die Augen auf, als er Goblin Slayer sah.​
»Guten Morgen.«​
»J ... Ja ... «​
Goblin Slayer schien sich keine Gedanken über die komische Reaktion des Onkels zu machen und setzte sich ihm gegenüber.​
»He ... Heute ... bist du spät dran.«​
»Ja.«​
Er nickte.​
»Ich habe verschlafen. Ich werde gleich auf Patrouille gehen.«​
»Ach so ... «​
Die Antwort des Onkels klang wie ein Brummen. Er runzelte kurz die Stirn und sagte:​
»Solltest du dich nicht ein wenig ausruhen? Wenn du nicht bei Kräften bist, kannst du nicht ordentlich arbeiten.«​
Goblin Slayer schwieg kurz und antwortete:​
»Ja.«​
Viel weiter kam so gut wie keine Unterhaltung der beiden. Goblin Slayer wusste, dass der Onkel ein guter Mensch war, aber auch dass er ihn nicht leiden konnte. Jeder Mensch mochte oder verabscheute unterschiedliche Dinge und es war nicht seine Aufgabe, die Meinung des Onkels zu ändern.​
»Ach, tut mir leid! Ich decke sofort den Tisch!«​
Schnell stellte die Kuhhirtin Käse, Brot und Suppe auf Milchbasis auf den Tisch. Goblin Slayer verschlang das Essen wie immer sehr schnell.​
Kaum war er fertig, stellte er sein Geschirr zusammen und stand polternd auf »Ich gehe.«​
»Ach, stimmt. Es ist ja auch schon wieder Zeit für die Lieferung!«​
Die Kuhhirtin schlang hastig den Rest ihrer Mahlzeit hinunter. Der Onkel beobachtete dieses Verhalten skeptisch und fragte mürrisch:​
»Brauchst du heute Hilfe mit dem Wagen?«​
»Du machst dir zu viele Sorgen, Onkel. Du weißt doch, dass ich stärker bin, als ich aussehe!«​
»Ich werde ihn ziehen«, warf Goblin Slayer in die Runde.​
Die Kuhhirtin und der Onkel starrten ihn an. Hatte er sich nicht deutlich genug ausgedrückt?​
»Ich werde den Wagen ziehen.«​
»Ähm ... «​
Die Kuhhirtin schüttelte den Kopf.​
»Ist schon gut. Du musst dich ausruhen.«​
»Ich kann nicht zulassen, dass mein Körper schwächer wird. Außerdem muss ich sowieso zur Gilde«, erklärte er emotionslos.​
Goblin Slayer war sich bewusst, dass er nicht viel redete. Und obwohl er so wortkarg war, versuchte die Kuhhirtin immer, auf ihn aufzupassen. Deshalb wollte er Dinge, die verstanden werden sollten, stets so direkt wie möglich sagen.​
»Also ist es kein Problem.«​
Er verließ das Haus und an den Schritten hinter ihm konnte er erkennen, dass sie ihm hinterhereilte. Der Schubwagen stand bereits beladen vor der Tür. Er überprüfte, ob alles fest verschnürt war und fing an zu ziehen. Die Räder setzten sich in Bewegung und rollten den Schotterpfad hinab.​
»Alles in Ordnung?« Als er die Umzäunung des Hofes verließ, holte sie ihn sichtlich außer Puste ein.​
»Ja«, antwortete er wortkarg und zog weiter.​
Er setzte kraftvoll einen Fuß vor den anderen und fühlte die Erde unter den Füßen. Die Kuhhirtin hatte recht. Es wurde ein heißer Tag. Die Sonne brannte auf ihn herunter und er begann immer mehr zu schwitzen. Er wünschte sich, dass er ein kleines Tuch mitgenommen hätte. Gerade als er darüber nachdachte, ob der Schweiß ihm bald in die Augen laufen würde, spürte er etwas Weiches auf der Stirn.​
»Und das nennst du dich ausruhen.«​
Scherzend blies die Kuhhirtin die Wangen auf und wischte Goblin Slayer mit ihrem Handtuch den Schweiß von der Stirn.​
»Du bist auf der Türschwelle zusammengebrochen und hast mehrere Tage geschlafen. Weißt du eigentlich, wie viele Sorgen ich mir gemacht habe?«​
Er tat so, als würde er eine Weile nachdenken, und schüttelte dann den Kopf. So schlimm konnte es nicht gewesen sein.​
»Das ist doch schon drei Tage her.«​
»Erst drei Tage! Deshalb sage ich dir immer, dass du es nicht übertreiben sollst«, entgegnete sie.​
»Du musst besser Acht auf dich geben und dich wirklich mal ausruhen!«​
Während er den Wagen zog, musste er seufzen.​
»Du bist ... «​
»Was?«​
»... deinem Onkel sehr ähnlich.«​
»Hmpf.«​
Sie wusste nicht, ob sie sauer oder glücklich über diesen Kommentar sein sollte.​
»Ich war nur überanstrengt. Es ist alles okay«, erklärte er ihr leicht genervt. Nein, eigentlich war er nicht genervt. Er mochte es nur nicht, daran erinnert zu werden, dass er es immer wieder übertrieb. Es ist ein Problem, dass ich meine körperliche Verfassung nicht im Griff hatte. Das darf mir kein zweites Mal passieren ...​
»Hat dich denn diese Priesterin untersucht?«​
Die Stimme der Kuhhirtin klang etwas spitz. Goblin Slayer schielte zu ihr hinüber und sah, dass sie immer noch die Wangen aufgeblasen hatte. »Nein.«​
Er richtete den Blick wieder nach vorn.​
»Ein anderer Abenteurer.«​
»Ach so«, antwortete sie leise. »Wie schön, dass du jetzt mehr Kameraden hast.«​
»Es war doch nur das eine Mal.«​
»Du sagst es aber so, als würde es nicht nur bei dem einen Mal bleiben.«​
Er wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Es war eine gute Gruppe gewesen, aber würden sie ihn erneut einladen? Ein leichter Windstoß wehte vorbei. Die Äste und Blätter der Bäume am Wegrand wackelten und das hindurch scheinende Licht blendete ihn. Die beiden hörten auf zu reden. Die Geräusche des Winds, der Schritte, ihrer beider Atem und das Poltern des Wagens. Irgendwo sang ein kleiner Vogel. Kinder spielten. Der Lärm der Stadt war noch weit entfernt.​
»Es ist einfacher, als Goblins zu jagen«, murmelte er plötzlich.​
»Ich verstehe den Vergleich nicht ... «​
Ich bin sowieso nicht gut darin, mich auszudrücken. Er zog weiter wortlos den Wagen.​
»Hi hi. «​
Die Kuhhirtin begann unerwartet zu lachen.​
»Was denn?«​
»Ach, nichts.«​
»Ach ja?«​
»Ja.«​
Sie begann gut gelaunt ein Lied zu summen. Er verstand es nicht, aber freute sich, dass es ihr gut ging. Nachdem er den Wagen auf der Rückseite des Gildengebäudes abgestellt hatte, betrat er die Eingangshalle. Es war gerade ruhig. In der Mittagszeit waren die meisten Abenteurer unterwegs und würden erst später zurückkehren. Außerdem waren viele von ihnen gerade in die Hauptstadt gereist, er wusste aber nicht warum.​
»Juhu! Wenn die Schlange so kurz ist, bin ich schnell mit den Formalitäten fertig.«​
Die Kuhhirtin klatschte freudig in die Hände.​
»Ich kümmere mich eben darum. Du hast doch auch etwas zu tun, oder?«​
»Ja.«​
»Gut. Wenn wir fertig sind, treffen wir uns wieder und gehen gemeinsam zurück, okay!«​
»Alles klar.«​
Sie rannte mit einem Lächeln los. Goblin Slayer schaute sich kurz in der Lobby um. Die Person, nach der er suchte, war nirgends zu sehen. Vielleicht war er noch etwas zu früh. Er stapfte in die Richtung seines Stammplatzes an der Wand ...​
»Hä?«​
Er war beinahe gegen einen anderen Abenteurer gestoßen. Der Speerkämpfer saß dort undiszipliniert, alle viere von sich gestreckt, auf einem Stuhl und musterte Goblin Slayer von oben bis unten.​
»Du siehst trainiert aus, aber etwas bleich. Ich habe dich noch nie gesehen. Bist du neu hier?«​
»Nein.«​
Die beiden waren sich doch schon häufig begegnet, aber der Speerkämpfer erkannte ihn wohl nicht ohne Rüstung. Er sprach ihn mit einem Ton an, den man sonst bei einem unbekannten Kollegen anschlagen würde.​
»Stimmt. Wenn man als Abenteurer jetzt Kohle machen will, geht man lieber in die Hauptstadt. Bist du hier, weil du eine Pause brauchst?«​
In gewisser Weiser stimmte das schon, weswegen Goblin Slayer nickte. Der Speerkämpfer lachte.​
»In der Hauptstadt ist zu viel los. Ich kann schon nachvollziehen, dass man davon eine Pause braucht.«​
Er setzte sich ordentlicher hin und zog seinen Speer an sich heran.​
»Alle wollen sich beweisen oder die Welt retten ... «​
»Und du hast kein Interesse daran?«​
»Kein Stück. Ich kämpfe nur für mich. Geld oder Frieden interessieren mich nicht. Ich hab meine Gründe. Deshalb brauche ich keine glanzvollen Aufgaben.«​
Mit diesen Worten schaute der Speerkämpfer in Richtung Anmeldung. Goblin Slayer folgte seinem Blick und sah, wie die Gilden Angestellte beschäftigt hin und herlief. Auch wenn wenige Besucher da waren, gab es immer viel zu tun.​
»So ist das also.«​
»Jup, «​
Der Speerkämpfer erhob seinen schlanken Körper vom Stuhl, als er sah, dass die Hexe sich den beiden näherte.​
»Bis dann. Ich habe jetzt ein Date in einer Ruine. Wünsch mir Glück.«​
»Das mache ich.«​
Goblin Slayer nickte langsam.​
»Du bist echt ungesellig«, sagte der Speerkämpfer lächelnd, »aber ich mag Typen wie dich.«​
Als die beiden weggingen, zwinkerte die Hexe ihm zu und lächelte.​
»Wir sehen uns.«​
»Ja.« Goblin Slayer ließ sich auf dem leer gewordenen Platz nieder und schaute verträumt hoch zur Decke der Eingangshalle. Ihm wurde erst jetzt bewusst, dass der Speerkämpfer und die Hexe eine Gruppe waren. Dabei hatte er gedacht, dass er die beiden kannte .​
»Ähm... Sie sind Goblin Slayer, oder?!«​
Eine zurückhaltende Stimme sprach ihn an. Es war der Lehrling aus der Schmiede.​
»Ja, das bin ich.«​
»Oh, gut. Mein Chef ruft nach Ihnen. Er ist fertig.«​
»Verstanden.«​
An die Gilde der Abenteurer waren verschiedene Einrichtungen angegliedert. Neben der Anmeldung gab es Büros, Unterkünfte, ein Restaurant, eine Kneipe und verschiedene Geschäfte. Das hieß natürlich nicht, dass es außerhalb der Gilde keine Geschäfte gab, aber wahrscheinlich war es dem Land lieber, wenn die rauen Abenteurer sich an einem Ort versammelten.​
Goblin Slayer stand auf und begab sich in eine Werkstatt, die sich weiter hinten im Gebäude befand. Dort schwang ein alter Mann vor einem lodernden Ofen seinen Schmiedehammer. Er bearbeitete ein Schwert, das gerade erst aus der Form gekommen war. Man brauchte nur einige Schmiedeschläge, um es fertigzustellen, und damit war es nicht vergleichbar mit den legendären Klingen. Dennoch benötigte man ein gewisses Talent, um immer und immer wieder das gleiche Produkt bei gleichbleibender Qualität herzustellen.​
»Oho, da bist du ja.«​
Der Schmied hatte einen Bart, mit dem er auf den ersten Blick für einen Zwerg gehalten werden könnte. Weil er zu lange in den Ofen gestarrt hatte, war eins seiner Augen geschlossen, während er das andere weit aufriss. »Mensch, du bestellst jedes Mal so viele Dinge, aber immer nur die billigsten. Das macht mir mehr Arbeit.«​
»Tut mir leid.«​
»Dann behandele deine Sachen bitte vorsichtiger,«​
»Ich versuche es eigentlich.«​
»Sarkasmus verstehst du wohl nicht.«​
Der Schmied warf ihm die Lederrüstung und den Helm zu.​
»Probier die Sachen an. Zur Not passe ich sie dir umsonst an.«​
»Danke.«​
Goblin Slayers Rüstung sah wieder gut hergerichtet aus. Natürlich war sie nicht wie neu, aber immer noch besser als zuvor. Er würde ihr erneut sein Leben anvertrauen können.​
»Konntest du eine Schriftrolle auftreiben?«​
»Du hast mir zwar das nötige Geld dafür gegeben, aber die Dinger sind selten. Ich weiß nicht, wann ich wieder welche kriege.«​
Der Alte schnaubte amüsiert durch die Nase, bevor er sich wieder seinem Ofen zuwandte. Er zog ein Schwert heraus und kontrollierte es, um es mit einem Schnalzen wieder zurückzuschieben.​
»Wenn ein Abenteurer vorbeikommt und eine verkauft, nehme ich sie, aber bis dahin musst du dich gedulden.«​
»Das weiß ich doch. Dann ist gut.«​
Goblin Slayer warf dem Auszubildenden einen Sack Gold zu und ging dann in eine Ecke der Werkstatt, wo er nicht im Weg stehen würde. Handschuhe, Kettenhemd, Rüstung, Brustpanzer und schließlich der Helm. Mit gewohnten Handbewegungen legte er die Ausrüstung an und überhörte dabei den Lehrling:​
»Sag mal, Chef. Er trägt den Silber- Rang, oder?«​
»So erzählt man es sich.«​
»Wieso trägt er dann eine so billige Rüstung? Wenn er kein Geräusch machen möchte, wäre ein Kettenhemd aus Mithril doch ... «​
»Verstehst du es nicht?«​
»Nein. Statt einer Schriftrolle wäre ein magisches Schwert doch auch viel ... «​
»Wer gegen Goblins magische Schwerter schwingt, ist doch ein Munchkin*.«​
Der Alte schlug mit aller Kraft auf das Eisen ein. Es gab ein dumpfes Klingen.​
»Er ist ein Veteran und weiß, was er tut.«​
* * *
Heute treffe ich viele Leute. Nachdem Goblin Slayer die Werkstatt verlassen hatte und in die Eingangshalle zurückgekehrt war, näherte sich ihm schnellen Schrittes eine Gestalt. Sie hatte ein breites Lächeln auf dem Gesicht.​
»Goblin Slayer!«​
Das Mädchen winkte, während es auf ihn zukam.​
»Was ist?«​
»Ähm ... Hier. Schau doch mal.«​
Ohne auf eine Antwort zu warten, zog die Priesterin ihren Gildenausweis heraus. Er war nicht mehr aus Porzellan, sondern aus ObsidJan. Er nickte ihr zu.​
»Du bist also vom zehnten auf den neunten Rang auf gestiegen?«​
»Ja! Ich habe es geschafft!«​
Abenteurer wurden anhand ihres Beitrags zur Gesellschaft bewertet. Manche nannten dies auch Erfahrungspunkte, aber im Grunde ging es um die bisher angesammelten Belohnungen eines Abenteurers. Sobald man eine gewisse Summe erreicht hatte, konnte man sich einer kurzen persönlichen Untersuchung unterziehen und falls es dabei keine Probleme gab, durfte man einen Rang aufsteigen. Da es bei ihr sicherlich keine Probleme mit ihrem Charakter gab, war diese Beförderung eine Anerkennung ihrer wachsenden Stärke.​
»Ich war mir nicht sicher, ob ich genügend Erfahrungspunkte gesammelt hatte, aber der Kampf mit dem Oger war entscheidend ... «, erklärte die Priesterin, während sie sich leicht verschämt über die gerötete Wange kratzte.​
Was ist denn ein Oger? Erst nach kurzem Nachdenken kam er wieder auf das Monster, das sie neulich in der Ruine besiegt hatten. Dann hatten sich die Anstrengungen ja gelohnt.​
»Schön für dich.«​
»Das alles habe ich dir zu verdanken, Goblin Slayer!«​
Die hübschen Augen der Priesterin starrten direkt in seine. Ihm blieb die Luft weg. Er wusste nicht, wie er darauf antworten sollte.​
»Nein«, brachte er schließlich über die Lippen.​
»Ich habe nichts gemacht.«​
»Das stimmt nicht«, erwiderte die Priesterin lächelnd.​
»Du hast mich damals gerettet.«​
»Deine Kameraden aber nicht ... «​
»Das ist ... Aber ... «​
Das Gesicht der Priesterin verkrampfte sich. Sie konnte ihren Satz nicht beenden, aber das war verständlich. Es war ein schrecklicher Anblick gewesen, der auch Goblin Slayer in Erinnerung geblieben war. Dem Schwertkämpfer, der Magierin und der Faustkämpferin war alles genommen worden. Die Priesterin riss sich zusammen und führte ihren Satz fort: »Dennoch hast du mich gerettet und dafür muss ich mir bei dir bedanken.«​
»... «​
»Ich stehe in deiner Schuld.«​
Sie lächelte ihn an und verbeugte sich vor ihm.​
»Ich gehe jetzt dem Tempel Bericht erstatten.«​
Sie lief mit kleinen Schritten davon. Nachdem die Priesterin die Gilde verlassen hatte, schaute Goblin Slayer zur Anmeldung hinüber, wo die Kuhhirtin immer noch mit allerlei Papierkram zu kämpfen hatte.​
»Ich gehe dann den Wagen abladen.«​
Auf seinen Zuruf winkte die Kuhhirtin ihm mit einer ausladenden Handbewegung zu. Er verließ die Eingangshalle, umrundete das Gebäude und ging zum Liefereingang. Dort lud er die Kisten mit Gemüse und anderen Lebensmitteln ab und trug sie zur Küche. Bei der brennenden Sonne war sein Gesicht unter dem Helm in kürzester Zeit von Schweiß bedeckt. Er erinnerte sich, dass er nicht nachlässig werden durfte ...​
»Hey, hast du kurz Zeit?«​
... und wurde überraschend von einer lieblichen Stimme angesprochen. Er stellte die Kiste ab und drehte sich um.​
»Orcbolg ... Was machst du da?«​
Es war die Elfe. Ihre langen Ohren hatten sich aufgestellt.​
»Was, Bartschneider? Oh, kannst du dich schon wieder bewegen?«​
»Ich habe gehört, du hättest drei Tage geschlafen . . . Bist du wieder fit?«​
»Seine Schritte haben ihn verraten.«​
Hinter ihr standen der Zwerg und der Echsenmensch. Anscheinend waren die drei in der Stadt geblieben. Da Abenteurer viel herumreisten und ständig ihren Wohnsitz änderten, war diese Begebenheit eigentlich nichts Besonderes.​
»Das hier ist eine nette Stadt, hier fühle ich mich wohl, aber verdammt noch mal, was machst du da?«​
Die Elfe beobachtete Goblin Slayer interessiert.​
Er klopfte gegen eine Holzkiste und antwortete:​
»Ich lade den Wagen ab.«​
»Hm ... Hast du Geldprobleme und musst als Aushilfe jobben?«, stichelte sie.​
»Nein«, entgegnete er genervt.​
»Was willst du?«​
»Ich nichts, aber er hier.«​
Die Elfe zeigte verheißungsvoll auf den Echsenmenschen. Dieser schleckte sich mit der Zunge über die Nase und schwenkte verlegen die Arme hin und her.​
»Werter Goblintöter, ähm ... Wie soll ich es sagen ... «​
»Was ist denn?«​
»Ich, nun ja, möchte es gerne haben.«​
»Ja, was denn?«​
Der Zwerg übernahm grinsend die Führung und sagte:​
»Der Schuppige will Käse haben.«​
»Lass ihn doch selber danach fragen!«, meckerte die Elfe den Zwerg an.​
Der Echsenmensch fauchte die beiden an, aber sie schien es nicht zu stören. Vielleicht waren sie froh, eine andere Seite des sonstigen Streitschlichters zu sehen. Goblin Slayer wusste nicht, wie er sonst der Situation entkommen sollte, und öffnete eins der Pakete, nahm einen Laib Käse heraus und warf ihn dem Echsenmenschen zu.​
»Reicht das?«​
»Oh, wow!«​
Der Echsenmensch rollte mit den Augen und schlug vor Freude den Schwanz auf den Boden.​
»Bezahle das Geld dafür bei der Gilde.«​
»Ja, das werde ich tun, werter Goblintöter! Oh, Nektar! Dafür kriegen sie einen Sack voller Münzen!«​
Der Echsenmensch tanzte förmlich vor Freude. Er riss das Maul weit auf und biss herzhaft in den Laib Käse.​
»Was sollen wir nur mit ihm machen?«, sagte die Elfe lachend.​
»Im Normalfall verhält er sich immer so ernst, aber dann gibt es Momente wie diese.«​
»Ist das so?«, sagte Goblin Slayer, nickte und hob die nächste Kiste vom Wagen.​
Eigentlich gefielen ihm solch monotone Arbeiten. Als er sich kurz umdrehte, merkte er, dass die drei immer noch da waren. Die Elfe schaute ihm unruhig bei seiner Arbeit zu.​
»Was machst du noch hier?«​
»Da ... Darf ich etwa nicht?«​
»Doch.« Er schüttelte langsam den Kopf. »Aber heute soll es heiß werden.«​
»Ä ... Ähm!«​
Ihre Stimme war etwas zu laut und ihre Ohren begannen zu wackeln.​
»Was ist denn jetzt noch?«, fragte er mit einem Seufzer.​
»Ä ... Ähm, wir sind gerade dabei, Ruinen zu untersuchen.«​
»Ruinen?«​
»Ja. So wie neulich. Wer weiß, was der Dämonenfürst plant?«​
»Ach so.«'​
»Aber unserer Gruppe fehlt eine Vorhut ... Ich bin Waldläuferin, er ist Mönch und der Zwerg ist ein Schamane.«​
Sie spielte nervös mit ihren Haaren.​
»Das stimmt.« Bisher hatte sie recht mit dem, was sie sagte.​
»Deswegen, ähm«, sie fand nicht die richtigen Worte und schaute zu Boden, »wollten wir dich fragen ... «​
Das wollte sie also von ihm. Goblin Slayer hob eine weitere Kiste vom Wagen, ohne etwas zu sagen. Die Elfe ließ die Ohren hängen. Nachdem er die Kiste abgesetzt hatte, sagte er dann doch:​
»Ich denke darüber nach.«​
Die Ohren der Elfe stellten sich blitzartig auf.​
»Ja, Genau. Denk drüber nach!«​
Die Elfe winkte und rannte mit lockerem Schritt zum Eingang des Gebäudes. Der Zwerg folgte ihr und zog den Echsenmenschen, der immer noch hin und weg von dem Käse war, hinter sich her.​
»Du bist echt kompliziert, Langohr. Was laberst du so u~ den heißen Brei herum?«​
»Halt die Klappe, Zwerg. Soll ich dich mit einem Pfeil durchbohren?«​
»Jetzt hab ich aber Angst!«​
Goblin Slayer sah zu, wie die drei um die Ecke des Gebäudes verschwanden. Ein wenig später war er mit dem Abladen fertig. Er verschnaufte kurz und lockerte ein wenig seinen Helm. Die Sonne stand schon viel höher.​
»Hey!«​
»Hah!«​
Plötzlich hörte er Schreie und den Klang von Metall auf Metall. Nein, wahrscheinlich war er selbst einfach nur laut gewesen und hatte die Geräusche deswegen bis gerade nicht wahrgenommen. Die Suche nach der Quelle brachte ihn zu einem Platz hinter dem Gebäude der Gilde.​
»Hey, hey! Was ist los?! So werdet ihr sogar gegen Goblins verlieren!«​
»Urgh! Verdammt. Er ist zu groß! Geh du rechts herum.«​
»Gut. Auf geht's!«​
Der Panzerkrieger schwang sein Bastardschwert, als wäre es ein Streichholz, und spielte den Gegner für zwei jüngere Abenteurer. Es waren der Späher seiner Gruppe und ein junger Krieger. Letzterer machte noch sehr viele ungestüme Bewegungen, aber schien bereits ein gewisses Gefühl für den Kampf entwickelt zu haben.​
»Der Plan ist nicht schlecht, aber er bringt euch nichts, wenn​
ihr ihn verratet.«​
»Hngh!«​
»Wah?!«​
Aufgrund seiner Erfahrung und Stärke war es ein Klacks für den Panzerkrieger, die beiden in Schach zu halten.​
»Sieh an, wenn das nicht Goblin Slayer ist.«​
Eine Person mit tiefer Stimme sprach Goblin Slayer an. Es war die Ritterin in der silbernen Rüstung.​
»Ich habe dich zwei, drei Tage nicht gesehen. Ich dachte schon, dass ein Oger dich plattgemacht hätte.«​
»Nein.«​
»Läufst du immer so durch die Gegend?«​
»Ja.«​
»Na dann.«​
Die Ritterin runzelte die Stirn, als hätte sie Kopfschmerzen. Er verstand nicht, was sie so seltsam daran fand, aber er wollte lieber nicht nachfragen.​
»Ich wusste nicht, dass der Krieger ein Mitglied eurer Gruppe ist.«​
»Ne, ist er nicht. Wir waren eigentlich nur mit unserem Jungen dabei, aber die beiden haben gesehen, wie er trainierte, und ihn gefragt, ob er mitmachen will.«​
Die meisten Kämpfer, die vom Land in die Stadt kamen, um Abenteurer zu werden, hatten sich die Schwertkunst selbst beigebracht. Selbst dieses eine Training mit einem erfahrenen Abenteurer könnte dem Jungen vielleicht irgendwann das Leben retten.​
»Jetzt muss ich den beiden nur noch beibringen, wie man sich ordentlich benimmt ... «​
Während die beiden Anfänger gegen den Panzerkrieger kämpften, standen ihnen gegenüber eine Druidin und eine Heilige an eine halbhohe Wand gelehnt und schauten dem Duell aufgeregt zu.​
»Außerdem geht dem Muskelprotz so langsam die Puste aus. Vielleicht sollte ich mal mitmischen?«​
Die Ritterin grinste dreckig, griff sich ihr Schwert und ihren Schild und sprang in die Arena.​
»Los, wir kämpfen! Wer heute Mittag noch angegeben hat, dass er allein gegen tausend Mann gewinnen kann, wird doch keinen feigen Rückzieher machen!«​
»Was?! Verdammt und du willst Paladin werden?!«​
»Spare dir die Ausflüchte!«​
»Das kann man doch kein Training nennen!«, meckerte der Panzerkrieger.​
Er schwang wirbelnd sein großes Schwert herum, wehrte mit seinem Schild ab, wich mit geschickten Schritten den stechenden Angriffen aus und ging dann selbst zum Angriff über. Schmerzerfüllt und keuchend fielen die Jungen zu Boden. Die Mädchen eilten schnell in ihre Richtung, als ...​
»Ganz offensichtlich kann die Ritterin sich nicht zurückhalten.«​
... auf einmal die kichernde Gilden Angestellte neben Goblin Slayer stand. »Ach, haben Sie Durst, Goblin Slayer? Es ist schließlich heiß heute ... «​
Die Gilden Angestellte hatte das Gildengebäude aus der Küche verlassen und hielt ihm einen Becher hin. Er hielt sich nicht zurück und schüttete sich das süße kalte Getränk durch einen Spalt im Helm in den Mund.​
»Ich habe etwas Zitrone und Honig hinzugefügt. Es ist sehr erfrischend.« Goblin Slayer nickte interessiert.​
Das sollte ich mir merken.​
»Demnächst soll ein Ort speziell für solche Übungen errichtet werden«, erzählte die Gilden Angestellte, während sie lächelnd in die Ferne schaute. »Dort sollen Abenteurer im Ruhestand ihre Techniken und Erfahrungen weitergeben. Selbst das kleinste bisschen Training kann den Neulingen dabei helfen, am Leben zu bleiben.«​
Es war zwar nur auf Papier gewesen, aber die Gilden Angestellte hatte den Tod von vielen Abenteurern miterleben müssen. Goblin Slayer konnte nachvollziehen, dass sie sich so fühlte.​
»Außerdem«, fuhr sie fort, »kann man sich so irgendwann zur Ruhe setzen und wird trotzdem von anderen gebraucht.«​
»Ach, wirklich?«​
Er gab den leeren Becher der Gilden Angestellten zurück.​
»Ja, so ist es.«​
Sie nickte sehr lebendig und ihr Zopf hüpfte dabei durch die Luft.​
»Daher passen Sie bitte gut auf sich auf, Goblin Slayer.«​
»Das höre ich in letzter Zeit häufiger.«​
»Bis Sie sich erholt haben, gebe ich Ihnen keinen Auftrag.«​
»Hmpf ... «, grummelte er leise.​
»Wenn Sie wieder umkippen, gibt es ein halbes Jahr Abenteuerverbot.«​
»Das wäre ein Problem.«​
»Dann ruhen Sie sich bitte gut aus.«​
Die Gilden Angestellte kicherte ein wenig und erzählte ihm dann, dass die Formalitäten mit der Lieferung abgeschlossen waren. Wahrend die Anfänger sich erneut auf die Veteranen warfen, ging Goblin Slayer zurück zum Liefereingang. Die Kuhhirtin wartete dort bereits. Als sie Goblin Slayer sah, begann sie zu strahlen.​
Er sprach sie leise an:​
»Wollen wir?«​
»Ja, lass uns zurückgehen.«​
Auf dem Heimweg war der Wagen viel leichter.​
Beim Bauernhof angekommen, nahm Goblin Slayer sich von der Sonne gewärmte Steine und stapelte sie zu einer Steinmauer auf. Es gab dafür bereits ein Fundament, aber bei Goblins konnte man nie vorsichtig genug sein. Selbst der Onkel erkannte den Wert einer Mauer an, da sie wilde Tiere fernhalten konnte. Während er seine Arbeit still fortsetzte, überschritt die Sonne ihren Zenit, und wenig später kam die Kuhhirtin mit einem Korb unter dem Arm vorbei. Zusammen setzten sie sich aufs Gras und aßen Sandwichs und tranken kalten Traubenwein. Für einen kurzen Moment fühlte es sich an, als würde die Zeit langsamer verstreichen. Als die Sonne schließlich unterging, war die Mauer fast fertig und der Wagen bereits für den nächsten Tag beladen. Die Kuhhirtin verabschiedete sich, um das Abendbrot vorzubereiten, und Goblin Slayer begann verträumt über die Wiesen des Hofs zu wandern. Die Gräser wehten sanft im frischen Frühsommerwind und die beiden Monde leuchteten hell an einem klaren Sternenhimmel. Doch da für ihn Sterne nur etwas waren, um ihm den Weg zu weisen, konnte er nicht sagen, ob man an ihnen bereits den Wechsel der Jahreszeiten erkennen konnte. In jungen Jahren war er noch begeistert von Heldengeschichten gewesen und wollte sich die Erzählungen über die Konstellationen einprägen, aber jetzt ...​
»Was ist los?«​
Goblin Slayer hörte hinter sich das leise Geräusch von Schritten im Gras.​
»Essen ist fertig, aber du scheinst über irgendetwas nachzudenken.«​
Die Kuhhirtin ließ sich neben ihn ins Gras fallen. Nachdem er kurz nachdachte, setzte er sich auch.​
»Ich denke gerade über die Zukunft nach«, sagte sie.​
»Die Zukunft?«​
»Genau.«​
»Ach so ... «​
Das Gespräch endete und sie schauten beide schweigend in den Himmel. Es war kein unangenehmes Schweigen, sondern beruhigende Stille. Man konnte nichts weiter hören als das Wehen des Windes, den entfernten Lärm der Stadt, das Zirpen der Insekten und ihrer beider Atmen. Beide schienen zu verstehen, was der andere sagen wollte. Er war ein normaler Mensch. Er würde altern. Er würde sich verletzen. Er könnte durch Krankheit sterben. Irgendwann würde er an seine Grenzen stoßen. Selbst wenn er die Kämpfe überleben würde, würde irgendwann der Tag kommen, an dem er keine Goblins mehr töten konnte. Was würde er dann ... ? Er ist schwächer geworden, als ich dachte. Die Kuhhirtin schaute ihn von der Seite an.​
»Es tut mir leid.«​
»Was denn?«​
Mit einem Klappern seiner Rüstung drehte Goblin Slayer den Kopf zu ihr. Durch den Helm sah die Bewegung seltsam übertrieben und irgendwie kindlich aus.​
»Ach, es ist nichts. Schon gut«, sagte sie kichernd.​
»Du bist komisch«, erwiderte er.​
Schmollt er etwa? Schon als Kind hat er sich über Kleinigkeiten aufgeregt. Sie zog an seinem Arm.​
»Oh ... «​
Sie riss ihn mit sich und sein Kopf landete auf etwas Weichem. Er sah die Sterne, die zwei Monde und ihre Augen.​
»Du wirst dich am Öl schmutzig machen.«​
»Ist schon gut. Ich muss eh Wäsche waschen.«​
»Ach so.«​
»Ja.«​
Sie hatte seinen Kopf auf ihren Schoß gebettet. Während sie ihm über den Helm strich, flüsterte sie:​
»Lass uns in Ruhe nachdenken.«​
»In Ruhe ... ?«​
»Ja, Wir müssen nichts überstürzen.«​
Er fühlte sich beruhigt. Wie ein zu fest geschnürtes Band, das sich endlich löste. Selbst mit geschlossenen Augen wusste er, wie sie aussah. Genauso wie sie wusste, wie er ohne Helm aussah. An diesem Abend gab es Eintopf.​
* * *
Und so verging ein entspannter Tag nach dem anderen, bis fast ein Monat ins Land gezogen war. In der Ferne wüsteten immer noch die Kämpfe zwischen den Abenteurern und dem Dämonenfürsten ... Bis sie plötzlich vorbei waren.​
Ein junges Mädchen schaffte es mithilfe des heiligen Schwerts, den Fürsten zu bezwingen, und ging als der sechzehnte Platin Rang Abenteurer in die Geschichte ein. In der Hauptstadt wurde ein großes Fest veranstaltet und auch hier in der Stadt im Grenzgebiet gab es die ein oder andere Feierlichkeit. Doch für Goblin Slayer spielte das alles keine Rolle. Ihn kümmerten nur das Wetter, das Vieh, die Arbeit und die Personen in seinem Umfeld. Die Zeit verging ganz langsam. Es waren verträumte Tage. Doch wie bei so vielen Dingen kam das Ende plötzlich. Es waren pechschwarze Flecken, die er auf den vom Morgentau feuchten Wiesen fand. Sie bestanden aus Dreck und Ausscheidungen. Sie waren zahlreich und klein. Es waren Fußspuren.​
»Flieh.«​
»Wieso sagst du das? Was ist passiert?«​
Die Kuhhirtin stand in der Küche, wo sie gerade das Frühstück vorbereitete.​
»Ich habe Spuren gefunden.«​
Sie konnte es sich schon denken. Andere Menschen hätten es vielleicht für einen Streich von Kindern oder Feen gehalten. Sie wusste genau, wovon er sprach. Der Moment war gekommen. Dabei hatten sie sich so sehr gewünscht, dass er nie kommen würde.​
»Goblin Spuren.«​
Goblin Slayer stand in Helm und Rüstung neben dem Esstisch. Da er sonst auch immer über Goblins sprach, war es eigentlich nichts Ungewöhnliches. Allerdings hatte er ihr noch nie nach seiner morgendlichen Patrouille gesagt, dass sie fliehen sollte. Die Kuhhirtin schaute auf ihre Hände. Was sollte sie sagen? Sie suchte nach den richtigen Worten.​
»Kannst du sie nicht besiegen?«​
Sie hoffte, dass er ihr wie immer im ruhigen Ton versichern würde, dass es kein Problem wäre, aber ...​
»Nein. Diesmal nicht«, murmelte er mit leiser und zitternder Stimme.​
»Was?«​
Die Kuhhirtin drehte sich zu Goblin Slayer um. Er zitterte ein wenig.​
»In einer Höhle könnte ich sie irgendwie bezwingen ... «​
Hatte er etwa Angst? Die Kuhhirtin riss erschrocken die Augen auf. Er hatte einen Zaun und eine Steinmauer um den Hof errichtet. Außerdem hatte er ein, zwei Fallen aufgestellt, um wilde Tiere fernzuhalten. Sie wusste, dass er alles in seinen Kräften getan hatte, um die Verteidigung des Hofes zu stärken.​
Sie behielt ihn genau im Blick. Für einen kurzen Moment schaute er zögernd nach unten, aber dann bemühte er sich, ihren Blick zu erwidern.​
»Der Gegner ist ein Goblin Lord.«​
Er hatte zehn unterschiedliche Fußspuren gefunden, was bedeutete, dass der Schwarm zehn Späher ausgesandt hatte. Zu so etwas waren sie nur fähig, wenn sie einen Anführer hatten. Bei der Größe des Spähtrupps waren ein Hob oder ein Schamane unwahrscheinlich, weshalb es ein Goblin Lord sein musste. Unwissende hätten bestimmt darüber gelacht, aber er wusste genau, was das bedeutete. Der Schwarm musste aus mehr als hundert Goblins bestehen. Da sie Späher geschickt hatten, würden sie heute oder spätestens morgen angreifen. Er hatte nicht genug Zeit, um das Land und seine Herrscher um Hilfe zu bitten. Aber selbst, wenn er genug Zeit gehabt hätte, wären sie ihnen wahrscheinlich nicht zur Hilfe gekommen. Es ging schließlich um Goblins. Goblin Slayer und die Kuhhirten waren sich dessen bewusst. Schließlich war es vor zehn Jahren genauso gewesen.​
»Eine Horde Goblins ... ? «​
Die Kuhhirtin stellte sich vor, wie über hundert der bösartigen, wilden Bestien über die Felder rannten und den Hof angriffen.​
»Ich bin kein Platin - Rang ... Ich bin kein Held.«​
Sie waren nicht genug und sie waren nicht stark genug.​
»Auf freiem Feld kann ich solch eine Masse unmöglich aufhalten. Flieh, solange du noch kannst.«​

* Abwertender Begriff in Rollenspielerkreisen für einen Spieler, der seine Spielfigur aggressiv aufwertet, ohne auf die Geschichte zu achten.

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Kapitel 11
Festmal der Abenteurer


Die Kuhhirtin stellte sich genau vor Goblin Slayer und starrte in seinen Helm. Sie nickte.​
»Na gut.«​
»Hast du dich entschieden?«​
»Ja.«​
Sie atmete tief ein und aus und sammelte den Mut für die folgenden zwei Sätze.​
»Es tut mir leid. Ich werde hierbleiben.«​
Sie setzte ein gezwungenes Grinsen auf. Er wusste, dass es nichts bringen würde, sie nach einem Grund zu fragen.​
»Du wirst doch auch nicht fliehen, oder?«, fragte die Kuhhirtin besorgt.​
»...«​
»Wie früher schweigst du einfach nur verlegen.«​
»Sie werden dich nicht einfach nur töten ...«​
»Ja«, erwiderte sie und gab sich Mühe, ruhig zu wirken.​
»Ich habe es bereits gesehen.«​
»Ja ...«​
Sie wusste genau, wovon er redete. Es war der Grund, warum er kämpfte und nie aufgab.​
»Irgendwann wird irgendwer die Horde besiegen«, sagte er so, als würde er mit einem kleinen Kind reden.​
»Aber selbst, wenn du bis dahin überlebst, wird es zu spät für dich sein. Von deinem Ich wird nichts mehr übrig sein.«​
Sie wusste, dass er versuchte sie einzuschüchtern, und sie wusste auch, dass er recht hatte, aber ...​
»Flieh.«​
»Ich will nicht.«​
Er schien wirklich etwas für sie zu empfinden, denn sonst würde er sich nicht so um sie sorgen. Warum musste sie sich gerade in so einer Situation darüber freuen? Sie musste ihm auch zu spüren geben, dass sie sich um ihn sorgte.​
»Ich will nicht, dass es noch einmal passiert.«​
Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus.​
»Denn sonst würdest du wieder den Ort verlieren, den du Zuhause nennst.« In ihrem Kopf ergänzte sie: Das gilt natürlich nicht nur für dich. Sie hatte keinen anderen Ort mehr, den sie noch Heimat nennen konnte. Goblin Slayer beobachtete die Kuhhirtin aus den Tiefen seines Helms. Ein Schamgefühl kam in ihr auf und sie schaute zu Boden. Nichtsdestotrotz redete sie weiter vor sich hin und suchte nach einem Grund, den Hof nicht zu verlassen.​
»A ... Außerdem muss ich unser Vieh beschützen.«​
»...«​
»Und ... Ähm ...«​
»...«​
»Es tut mir leid. Ich weiß, dass es egoistisch ist.«​
»Mach nicht so ein Gesicht.«​
Die Kuhhirtin musste schwach lächeln, während die Tränen ihr die Wangen hinabkullerten. Wenn er so etwas zu ihr sagte, musste sie schrecklich ausgesehen haben.​
»Ich werde alles tun, was ich kann«, sagte Goblin Slayer und verließ das Esszimmer.​
Er ging den Gang hinunter und nach draußen. Er schwenkte seinen Blick über den Hof und machte sich auf den Weg in die Stadt. Das ist idiotisch. Sie müsste doch einfach nur in die Stadt fliehen. Sollte er sie vielleicht gegen ihren Willen in Sicherheit bringen? Nein, das wollte er nicht. Er wollte sie eigentlich nie wieder zum Weinen bringen.​
»Ich muss sie beschützen.«​
»Hey!«​
Obwohl Goblin Slayer mit sich selbst geredet hatte, erhielt er eine Antwort. Der Onkel stand mit verschränkten Armen und wütenden Augen in seinem Weg.​
»Du solltest dich wenigstens verabschieden, wenn du gehst.«​
Er hatte recht. Der Mann hatte vieles auf sich genommen, um sich um die beiden zu kümmern.​
»Es tut mir leid ...«​
»Sie ist ein gutes Kind.«​
Der Hofbesitzer unterbrach ihn. Er hatte schmerzhaft das Gesicht verzogen und presste gequält die Worte heraus.​
»Ich habe sie gut erzogen.«​
»Das stimmt ...«​
»Also bring sie nicht zum Weinen.«​
Goblin Slayer wusste nicht, was er antworten sollte, und entschied sich, nichts außer der Wahrheit zu sagen:​
»Ich werde mein Bestes geben!«​
Als Goblin Slayer sich umdrehte und losging, hörte er ein Murmeln hinter sich.​
»Genau das hasse ich an ihm.«​
Die Gilde der Abenteurer war wieder belebter. Da der Dämonenfürst besiegt worden war, kehrten viele der ausgezogenen Abenteurer in die Stadt zurück. Natürlich waren einige von ihnen gefallen, weiter gezogen oder hatten sich zur Ruhe gesetzt, aber niemand sprach darüber. Es war das Schicksal eines Abenteurers, nach seinem Verschwinden langsam aus der Erinnerung seiner Kameraden zu verschwinden, bis niemand mehr wusste, wer er gewesen war. Die Glocke an der Tür der Eingangshalle läutete, als Goblin Slayer hereintrat.​
»Goblin Slayer.«​
Der Speerkämpfer warf ihm einen verwunderten Blick zu.​
»Du lebst ja noch.«​
Andere Abenteurer reagierten ähnlich. Es war eine längere Zeit her, seit er das letzte Mal die Gilde besucht hatte, und wahrscheinlich hatte der ein oder andere sich schon gefragt, wo der sonst täglich nach Goblin Aufträgen fragende Abenteurer abgeblieben war. Goblin Slayer ging nicht zu seinem Stammplatz oder zur Anmeldung, sondern stellte sich in die Mitte der Eingangshalle.​
»Entschuldigung. Hört mir zu.«​
Seine Stimme war ruhig und bestimmt, aber setzte sich trotzdem gegen den Lärm in der Eingangshalle durch. Alle Blicke richteten sich auf ihn.​
»Ich habe eine Bitte.«​
Plötzlich waren alle Abenteurer in Aufruhr.​
»Goblin Slayer hat eine Bitte?«​
»Ich hab ihn noch nie sprechen hören.«​
»Ist der nicht eigentlich immer solo unterwegs?«​
»Nein, in letzter Zeit begleitet ihn ein Mädchen.«​
»Ach, dieses dünne Ding? Aber haben ihn nicht auch andere Abenteurer begleitet?«​
»Ein Echsenmensch und ein Zwerg, oder? Dabei dachte ich, dass er sich nur für Goblins interessiert.«​
»War da nicht auch noch eine süße Elfe?«​
»Verdammt, Vielleicht sollte ich auch Goblins jagen gehen ...«​
Goblin Slayer schaute sich die tuschelnden Abenteurer nacheinander an. Einige kannte er beim Namen, und andere zumindest vom Sehen.​
»Eine Horde Goblins rückt an. Ihr Ziel ist ein Bauernhof in der Nähe der Stadt. Sie werden heute angreifen. Ich kann ihre Anzahl nur schätzen«, erklärte er ruhig die Situation.​
Das Raunen der Abenteurer wurde nur noch lauter.​
»Den Fußspuren zufolge ist ein Goblin Lord ihr Anführer. Es werden also über hundert sein.«​
Hundert Goblins? Angeführt von einem Lord?!​
Viele Abenteurer kämpften in ihrem ersten Auftrag gegen Goblins und ließen dabei ihr Leben. Die hier Anwesenden waren glücklich genug gewesen, ihre erste Begegnung mit den Biestern zu überleben, aber sie alle wussten, wie fürchterlich und auch wie anstrengend Goblins sein konnten. Wer würde also freiwillig gegen so einen gewaltigen Aufmarsch dieser Monster kämpfen? Als wäre ihre schiere Anzahl nicht schon schlimm genug, wurden sie von einem Lord angeführt. Einer Goblin Abart, die sich nicht durch Kampfkraft oder Magie, sondern durch besondere Führungsfähigkeiten auszeichnete. Sie als eine einfache Horde zu bezeichnen, war eigentlich ein Fehler. Es war viel mehr eine Goblin Armee. Selbst unwissende Anfänger würden vor dieser Aufgabe zurückschrecken. Niemand außer Goblin Slayer würde sich bereitwillig so einer Aufgabe stellen, aber er wusste, dass er es nicht alleine schaffen würde ...​
»Ich habe keine Zeit. Allein schaffe ich es nicht.«​
Goblin Slayer senkte das Haupt.​
»Bitte helft mir. Ich bitte euch.«​
Sofort begannen die Abenteurer zu flüstern.​
»Was machen wir?«​
»Was wohl?«​
»Goblins lohnen sich eigentlich nicht.«​
»Er soll es ruhig allein machen.«​
»Ich verzichte lieber,«​
»Ich auch. Die Viecher sind dreckig.«​
Niemand sprach Goblin Slayer direkt an.​
»Hey! Du scheinst etwas zu vergessen.«​
Der Speerkämpfer schaute Goblin Slayer wutentbrannt an, während er ihn an raunzte.​
»Das hier ist eine Gilde und wir sind Abenteurer!«​
»...«​
»Wir müssen nicht auf deine Bitte reagieren. Gib uns einen Auftrag. Wir brauchen eine Belohnung. Klar?«​
Einer der anderen Abenteurer rief:​
»Er hat recht.«​
»Genau. Wir sind Abenteurer!«, stimmte ein weiterer zu.​
»Wir riskieren unser Leben nicht kostenlos!«​
Nach und nach stimmten die restlichen Abenteurer mit ein, bis die gesamte Eingangshalle Goblin Slayer verhöhnte. Wie angewurzelt schaute er sich um. Weiter hinten an einem Tisch wollte die Elfe mit knallrotem Kopf aufspringen, aber der Zwerg hielt sie zurück. Die Hexe saß auf einer Bank an der Seite und lächelte ihn zweideutig an. Die Gilden Angestellte huschte hinter der Anmeldung hin und her, bis sie in ein Hinterzimmer verschwand. Ihm wurde bewusst, dass er nach der Priesterin suchte. Er schloss die Augen.​
»Ja. Das ist ein guter Einwand«, stimmte Goblin Slayer dem Speerkämpfer zu.​
»Oho, Dann sag uns, wie du uns bezahlen willst.«​
»Alles«, antwortete Goblin Slayer, ohne zu zögern.​
Plötzlich herrschte Totenstille. Alle wussten, was das zu bedeuten hatte.​
»Ihr bekommt alles, was ich besitze.«​
Der Speerkämpfer zuckte mit den Achseln.​
»Und wenn ich verlange, dass du mir die Gilden Angestellte überlässt?«​
»Sie gehört mir nicht.«​
Er ignorierte das Flüstern, das ihn als humorlos bezeichnete.​
»Mein Besitz und alles, worüber ich verfügen kann. Ausrüstung, Zutaten, Fähigkeiten, Zeit und ...«​
»Dein Leben?«​
»Genau. Das auch.«​
»Wenn ich dir befehle, dein Leben zu opfern, was machst du dann?«, fragte der Speerkämpfer sichtlich angespannt.​
Goblin Slayer dachte, dass der Speerkämpfer eigentlich wissen müsste, wie die Antwort darauf ausfallen würde, aber dennoch erwiderte er nach einer kurzen Pause:​
»Den Befehl kann ich nicht befolgen.«​
Ach, also doch. Der Speerkämpfer entspannte sich ein wenig.​
Er hat doch Angst vor dem Tod.​
»Sollte ich sterben, wird eine bestimmte Person um mich trauern und weinen. Ich darf sie nicht zum Weinen bringen«, erklärte Goblin Slayer.​
Die der Unterhaltung lauschenden Abenteurer schauten sich gegenseitig an.​
»Deshalb darf ich nicht einfach sterben.«​
Der Speerkämpfer schluckte und versuchte tief in die Augen zu starren, die sich hinter dem Visier versteckten.​
»Ich habe keine Ahnung, was du dir dabei denkst, aber ich weiß, dass du es ernst meinst.«​
»Ja«, erwiderte Goblin Slayer ruhig.​
»Das tue ich.«​
»Ts!«​
Während der Speerkämpfer grummelte, fuhr er sich wild durch die Haare. Er marschierte vor Goblin Slayer auf und ab und dachte nach. Plötzlich rammte er seine Speerspitze in den Boden und sagte:​
»Dein Leben will ich nicht! Du Idiot gibst mir dafür einen aus.«​
Er ballte eine Faust und schlug auf Goblin Slayers Brustplatte, aber dieser schaute ihn nur verwirrt an.​
»Was denn?«​
Der Speerkämpfer erwiderte den Blick. »Das kostet es dich halt, wenn ein Silber-Rang für dich Goblins bekämpfen soll. Freue dich, Auftraggeber.«​
»Ja ...«​
Goblin Slayer verbeugte sich.​
»Vielen Dank.«​
»Hör schon auf. Spare dir das für später.«​
Der Speerkämpfer kratzte sich verlegen über die Wange. Er hätte niemals gedacht, dass dieser Kerl sich bei ihm bedanken würde.​
»I ... Ich auch!«, schallte eine Stimme durch die Eingangshalle.​
Die Elfe, die von ihrem Platz aufgesprungen war, schreckte zurück und wackelte mit den Ohren, als alle Blicke sich plötzlich auf sie richteten.​
»I. .. Ich werde dir beim Besiegen der Goblins helfen.«​
Nachdem sie sich kurz gesammelt hatte, ging sie direkt auf Goblin Slayer zu und tippte ihm mit einem Finger auf die Brust.​
»Und dafür ... kommst du auf mein nächstes Abenteuer mit! Ich habe ein paar Ruinen gefunden!«​
»In Ordnung.«​
Goblin Slayer nickte und die Ohren der Elfe stellten sich auf.​
»Wenn ich überlebe, begleite ich dich.«​
»Das hättest du auch anders sagen können ...«​
Die Elfe schnaufte und drehte sich um.​
»Ihr kommt doch auch mit, oder?« Der Zwerg antwortete zuerst:​
»Meine Güte, da bleibt mir wohl keine Wahl. Mir reicht ein Drink aber nicht, Bartschneider. Ich brauch ein ganzes Fass.«​
»In Ordnung. Das sollst du haben«, sagte Goblin Slayer.​
»Jawohl.« Der Zwerg schlug sich zufrieden auf den Bauch.​
»Und darf ich auch auf das Abenteuer mitkommen, Langohr?« »Natürlich! Wir sind doch ein Team.«​
Die Elfe kicherte und auch der Zwerg musste schallend lachen.​
»Ich würde euch auch gern auf das Abenteuer begleiten.« Der​
Echsenmensch schleckte sich mit der Zunge über die Nasenspitze, während er aufstand. »Außerdem würde ich niemals einen Freund hängen lassen. Als Belohnung möchte ich ...«​
»Käse?«​
»Ja. Ich kann ihn bereits schmecken.«​
»Er wird auf dem Bauernhof hergestellt, der angegriffen wird.«​
»Was? Wie können diese widerlichen Biester es wagen?!«​
Der Echsenmensch rollte mit den Augen und klatschte die Hände zusammen. Goblin Slayer wusste, dass Echsenmenschen derart gestikulierten, wenn sie sich amüsierten. Mittlerweile hatten sich vier Abenteurer um Goblin Slayer versammelt: Der Speerkämpfer, die Hochelfe, der Zwerg und der Echsenmensch. Die Priesterin war nirgends zu sehen.​
»Dann sind wir also fünf?«​
»Nein, sechs.«​
Die Hexe erhob sich mit einem raschelnden Geräusch. Sie ging auf die Gruppe zu und stellte sich neben den Speerkämpfer.​
»Und eine siebte wird sicher noch zu uns stoßen ... oder?«​
Sie zog ihre Pfeife aus dem Dekolleté und entzündete sie. Ein süßlicher Geruch zog durch die Eingangshalle. Die restlichen Abenteurer tuschelten aufgeregt miteinander. Natürlich wollten sie den Bauernhof retten, aber sie waren nicht bereit, ihr Leben ohne eine Belohnung aufs Spiel zu setzen. Ihnen fehlte noch ein letzter Ruck ...​
»A ... Auch von der Gilde! Auch die Gilde möchte einen Auftrag vergeben!« Die Gilden Angestellte kam mit einem Stapel Zetteln herausgestürmt. Sie war rot im Gesicht und erschien erschöpft.​
»Für jeden getöteten Goblin erhalten Sie ein Goldstück! Das ist die Gelegenheit, liebe Abenteurer!«​
Plötzlich waren alle Abenteurer aufgeregt, denn dies war eine einmalige Gelegenheit für sie. Damit die Gilde das Kopfgeld für diesen Auftrag stellte, hatte die Gilden Angestellte intensiv mit ihren Vorgesetzten diskutieren müssen.​
»Ts! Dann müssen wir wohl.«​
Der Panzerkrieger erhob sich von seinem Platz.​
Die Ritterin fragte ihn überrascht:​
»Du etwa auch?«​
»Ein Goldstück pro Goblin ... Da sag ich nicht nein.«​
Die Ritterin verzog ihr schönes Gesicht zu einem frechen Grinsen.​
»Du machst es doch nur, weil er die Goblins in deiner Heimat beseitigt hat. Du willst dich revanchieren.«​
»Ach, halt die Klappe! Ich mach es nur wegen der Knete! Was ist mit dir? Ich dachte, du kannst ihn auch nicht ausstehen?«, fragte der Panzerkrieger die Ritterin, die auch gerade aufgestanden war.​
»Tja, da ich ein Paladin werden will, kann ich eine Bitte nicht ablehnen.«​
Der Panzerkrieger antwortete darauf mit einem Lachen.​
»In Ordnung. Wenn unsere Kameraden gehen, dann müssen wir auch mit.« Auch der Rest der Gruppe des Panzerkriegers stand auf.​
»Ähm ...«​
Der junge Krieger, der vor ein paar Tagen mit der Gruppe des Panzerkriegers trainiert hatte, sprach die Heilige in Ausbildung an.​
»Was denn?«​
»Ich habe noch nie gegen Goblins gekämpft.«​
»Ja, es ist ziemlich gefährlich.«​
»Aber sollte ich es nicht irgendwann probieren?«​
»Wenn du meinst.«​
Nach diesem kurzen Austausch hob der Krieger die Hand.​
»Ich bin am selben Tag wie er Abenteurer geworden. Vielleicht ist es Schicksal.«​
»Es wäre seltsam, wenn er nicht mehr jeden Tag herkommen und „Goblins bitte“ sagen würde.«​
»Ganz genau. Er ist doch quasi das Maskottchen der Gilde.«​
»Er nervt manchmal, aber ohne ihn würde es hier langweilig werden.«​
»Nicht übel. Ich brauche gerade Geld.«​
»So einen Auftraggeber hatte ich noch nie.«​
Nach und nach standen sie auf. Sie waren Abenteurer. Sie hatten Träume. Sie hatten Wünsche. Sie hatten Ambitionen. Sie wollten für andere kämpfen. Es hatte ihnen an Mut gefehlt, aber jetzt gab es für sie keinen Grund mehr, länger zu zögern. Goblins vertreiben? Kein Problem. Wenn es einen Auftrag gab, würden sie ihn annehmen. Ein Abenteurer streckte sein Schwert in die Höhe und schrie:​
»Wir sind keine Kameraden oder Freunde, aber wir sind Abenteurer,«​
Die anderen Abenteurer schrien es ihm nach. Wer kein Schwert hatte, streckte Stab, Speer, Axt, Bogen oder einfach seine Fäuste in die Luft.​
Es waren Anfänger und Veteranen, Krieger, Magier, Heilige und Diebe, Menschen, Elfen, Zwerge, Echsenmenschen und Rhea. Eingehüllt in ihre Schreie schwenkte Goblin Slayer den Blick durch die Eingangshalle. Sein Blick traf den der Gilden Angestellten. Sie schwitzte vor Erschöpfung, aber zwinkerte ihm trotzdem frech zu. Goblin Slayer verbeugte sich. Er war es ihr schuldig.​
»Was für ein Glück.«​
Jemand kicherte neben ihm. Er drehte sich um und sah, dass die Priesterin hinter ihm stand. Er musste sie gar nicht erst fragen. Es war von Anfang klar, dass sie ihn begleiten würde. Goblin Slayer nickte.​
Dies war wohl das erste Mal, dass sich so viele Abenteurer voller Eifer auf einen Goblin Auftrag stürzten. [/SPOILER]​


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Kapitel 12

Hinter dem Goblinhügel

Es war der Auftakt zu einer langen Nacht.​
»GRARARARARA! GRARARARA!!«​
Der Mond erhob sich und als die Mittagsstunde der Goblins schlug, gab der Goblin Lord den Befehl zum Angriff. Kreischende Schreie trugen seine Worte weiter. Während sich die Goblin Armee bis jetzt im hohen Gras versteckt hatte, stand sie nun auf und hob ihre Schilde aus Fleisch. Es waren insgesamt zehn Holzplatten, an die sie gefangene Frauen gebunden hatten. Einige von ihnen bewegten sich noch, aber die anderen hingen reglos an ihren Schildern. Da sie sich bereits ausgiebig mit den Opfern vergnügt hatten, war es den Goblins egal, ob sie jetzt tot waren oder nicht. Sie hofften einzig und allein, dass die Frauen ihnen jetzt noch helfen würden, die Abenteurer daran zu hindern, sie mit Pfeilen oder Zaubern zu beschießen. Diese Abenteurer sind wirklich Idioten. Der Goblin Lord lachte dreckig. Vor ihm leuchteten die Lichter des Bauernhofs und nicht allzu weit in der Ferne konnte er die Stadt erkennen. In der Stadt lebten Abenteurer. Abenteurer. Allein bei dem Gedanken an dieses Wort musste er sich schütteln. Er würde jeden einzelnen Abenteurer lebendig auf einem Pfahl aufspießen. Als er noch klein war, hatte eine Gruppe Abenteurer sein Nest überfallen und ihm alles geraubt, was er hatte. Heute würde sein Rachefeldzug beginnen. Sie würden erst diesen Bauernhof überfallen und die Schafe und Kühe fangen, um sich die Bäuche vollzuschlagen. Dann würden sie sich das Mädchen schnappen und mit ihrer Hilfe die Armee vergrößern. Wenn ihre Vorbereitungen abgeschlossen wären, würden sie die Stadt angreifen, alle Abenteurer abschlachten und ihre Armee noch weiter vergrößern. Im letzten Schritt würden sie dann die Hauptstadt der Menschen dem Boden gleichmachen und ein glorreiches Königreich der Goblins errichten. Es war nur ein Traum, aber der Goblin Lord zweifelte keinen Moment an seinem Plan. Und auch wenn die niederen Goblins nicht in der Lage waren, seine Gedanken zu verstehen, konnte er sich ihre Lust und ihren Hass zunutze machen. Das junge Mädchen auf der Farm kam ihm da gerade recht. Mit raschelnden Schritten näherten sie sich dem Bauernhof. Jeden Moment würden sie mit dem Sturm beginnen, doch plötzlich ...​
»GRUUUU?«​
Ein süßlicher Nebel verbreitete sich über der Wiese. Die Schildträger vorn in der Formation waren bereits von ihm eingeschlossen. Sie gerieten ins Wanken und kippten schließlich vornüber. Nach und nach folgten die dahinter aufrückenden Goblin Truppen. Als der Goblin Lord überrascht seinen Blick schwenkte, sah er dunkle Gestalten aus ihrem Versteck hervorspringen.​
Abenteurer! Das ist Magie!​
»GAAAU!!«​
Der Goblin Lord stieß einen grellen Schrei aus.​
»GAUGARRR!!«​
Die Goblin Schamanen riefen unverständliche Dinge, während sie ihre Stäbe schwangen. Ein Blitz schlug in die Brust eines Abenteurers ein, aber obwohl er umfiel, wurde diese Lücke sofort von einem anderen gefüllt. Schon hatten sie die Schilde aus Fleisch erreicht und schnappten sie sich. Ohne den Goblins auch nur die geringste Beachtung zu schenken, zogen sie sich wieder zurück. Die Goblin Schamanen wirkten bereits neue Zauber ...​
»GAAA?!«​
... doch plötzlich durchbohrten Pfeile ihre Brust. Mit aufgerissenen Mäulern fielen ihre Leichen in den Dreck. Aufgrund ihrer Nachtsicht konnten die Goblins sofort erkennen, wer auf sie schoss. Eine Elfe nahm sie von einem Baum auf dem Gelände des Hofs ins Visier. Die Bogenschützen der Goblins erwiderten mit ihren Kurzbögen das Feuer, aber die Elfe kicherte nur kurz und verschwand in einem Busch. Kaum waren die Abenteurer mit den Schilden aus Fleisch hinter der Umzäunung des Hofs verschwunden, stürmten bis an die Zähne bewaffnete Abenteurer mit rasselnden Rüstungen auf die Goblin Armee zu.​
»GORRRRRR!!«​
Der Goblin Lord schimpfte aufgeregt mit seinen Soldaten. Er befahl ihnen, anzugreifen, aber sie reagierten aufgrund eines Zaubers nur verträumt.​
»Mann, von wegen Schilde. Was für widerliche Viecher ... «​
Die Elfe verzog angewidert das Gesicht. Sie verschoss blitzschnell ihre Pfeile und tötete einen Gegner nach dem anderen. Da die Goblins sich nicht bewegten, hätte sie sie wahrscheinlich auch mit geschlossenen Augen treffen können.​
»Ich habe die Hexer getötet!«​
»Verdient euch euer Gold!«​
»Die Goldmünzen kommen von da hinten!«​
Bevor sich die Goblin Armee neu ordnen konnte, krachten die Abenteurer in ihre Reihen. Ab sofort konnte keine der beiden Seiten mehr Zauber einsetzten, ohne dabei ihre Kameraden zu gefährden. Zwar hatten Goblins keine Probleme damit, ihre Artgenossen für den Sieg zu opfern, aber sie mussten natürlich darauf achten, nicht zu viele zu verlieren. Und so kam es zu einer wilden Schlacht. Schmerzensschreie, Schlachtrufe und der Gesang der Waffen erfüllten die sonst so ruhige Nacht. Der Geruch von Blut lag in der Luft und mit der Zeit wurde die Anzahl der tanzenden Silhouetten immer weniger.​
»Verdammt. Es sind so viele, da vergeht einem fast die Lust!«​
Lachend mähte der Speerkrieger einige Goblins um. Der Echsenmensch sprang sofort heran, um ihnen den Todesstoß zu versetzen.​
»Selbst der werte Goblintöter hat hier die Segel gestrichen. Daher war das doch klar,«​
Nachdem er die Hände zusammengelegt hatte, zog er sein Schwert aus einer der Goblin Leichen heraus.​
»Ihr könnt machen, was ihr wollt, aber bleibt im Wirkungskreis von Geschosse ablenken., ja?«​
Die Hexe hielt ihren Stab fest und konzentrierte sich auf einen Zauber. Ihr üppiger Vorbau wackelte, während sie tief ein- und ausatmete. Da der Zwerg bereits all seine Zauber aufgebracht hatte, zog er seine Schleuder heraus und begann mit Steingeschossen auf die Goblins zu schießen.​
»Meine Güte. Bartschneider hatte völlig recht. Eine Person hätte kein Land gegen diese Masse von Bestien gesehen.«​
Eins seiner Steinprojektile traf einen Goblin direkt am Kopf.​
»Oho, Da muss man ja kaum noch zie ... Hm?!«​
Er kniff die Augen zusammen.​
Die Elfe bemerkte dies und rief: »Was ist los, Zwerg?!«​
»Langohr, die Reiter kommen!«​
Ein Heulen hallte über die vom Mond beleuchtete Wiese und Goblins auf aschfarbenen Wölfen ritten auf die Abenteurer zu.​
»Ich werde sie von hier ins Visier nehmen! Haltet sie auf!«​
»Los! Speerwall! Lasst sie nicht vorbei!«​
Auf Befehl des Speerkämpfers gingen die Abenteurer in Formation und rissen ihre Waffen hoch. Die Wölfe ignorierten den Pfeilhagel, der auf sie herab segelte, und sprangen auf die Abenteurer zu, die ihre Waffen darauf in die Leiber der Bestien rammten.​
»Urgaaah?!«​
Einer der Abenteurer hatte trotz allem Pech und ein Wolf erwischte ihn an der Kehle. Die meisten anderen Bestien erlagen jedoch der Verteidigung der Abenteurer und ihre Reiter wurden abgeworfen.​
»Erledigt sie!«​
Der Echsenmensch stürmte mit einem Schlachtruf heran. Die Abenteurer hatten die Oberhand in der Schlacht gewonnen. Dies war nicht überraschend, da ein Abenteurer schon sehr viel Pech haben musste, um gegen einen Goblin im direkten Gefecht zu verlieren und außerdem ...​
  • Er hatte gesagt: »Sie sind es gewohnt, andere zu überfallen, aber nicht, selbst überfallen zu werden.«​
  • Er hatte gesagt: »Nehmt eine niedrige Kampfhaltung ein. Zielt auf ihre Beine. Sie sind von kleiner Statur und können nicht fliegen.«​
  • Er hatte gesagt: »Sie werden Schilde aus Fleisch benutzen. Wirkt Schlafzauber und rettet die Gefangenen.«​
  • Er hatte gesagt: »Lasst die schlafenden Goblins in Ruhe, damit sie nicht aufwachen und uns in die Quere kommen.«​
  • Er hatte gesagt: »Keine Angriffszauber. Tötet sie mit euren Waffen und nutzt Zauber für Dinge, die ihr nicht mit Waffen erledigen könnt.«​
  • Er hatte gesagt: »Erledigt die gegnerischen Zauberer zuerst.«​
  • Er hatte gesagt: »Lasst sie nicht eure Linien durchbrechen. Bleibt in Bewegung. Verschwendet keine Kraft.«​
Er hatte gesagt ...​
Die Abenteurer waren sprachlos darüber, wie viel Wissen Goblin Slayer mit ihnen teilte. Sie waren zwar keine Soldaten, aber trotzdem keine Anfänger, was Strategien anging. Nichtsdestotrotz waren sie es nicht gewohnt, so strategisch gegen Goblins vorzugehen.​
»Mann! Die bringen nicht nur gutes Geld, sondern an ihnen kann man auch zeigen, was man drauf hat!«​
Solange man sich an Goblin Slayers Strategien hielt und sie einen nach dem anderen erledigte, waren selbst große Mengen an Goblins kein Problem für die Abenteurer. Der Speerkämpfer und andere Krieger ließen die Köpfe nur so rollen.​
Tief in den feindlichen Reihen zeichnete sich ein großer Schatten gegen den Mond ab.​
»Da ist er! Ein Hob ... Nein, doch nicht?«​
»GURAURAURAURAURAU!!!!«​
Ein ohrenbetäubender Schlachtruf hallte über das Schlachtfeld. Das Monster war größer als ein Oger. Es trug einen Knüppel, an dem Blut und Eingeweide klebten. Es war ein Goblin Champion. Er war ein Goblin, aber ein so mächtiger Goblin, dass er dazu imstande war, das Blatt dieser Schlacht zu wenden. Doch ein wahrer Abenteurer scheute nicht vor einer Herausforderung zurück, nur weil diese einen großen Knüppel trug und doppelt so groß war wie er.​
»Mir wurde eh gerade langweilig!«​
Mit einem wilden Grinsen und seinem Breitschwert locker über der Schulter war der Panzerkrieger der Erste, der heraussprang. Hinter ihm folgte die Ritterin mit einem leicht genervten Gesichtsausdruck. »Ich war gerade dabei, die Schädel der Goblins zu zählen, die ich erledigt habe.«​
»Egal. Begleite mich!«​
»Ihr Krieger denkt auch immer nur ans Eine ... «​
Mit diesem kurzen Austausch warfen die beiden sich auf den neuen Gegner.​
»Wo ist eigentlich der Typ hin, der das alles angezettelt hat?«​
Der Speerkämpfer legte gerade eine kurze Pause ein und wischte das Blut von seinem Speer am Fell eines toten Wolfs ab. Kaum hatte er die Frage ausgesprochen, erhoben sich bereits weitere Schatten am Horizont. Es war Goblin Verstärkung. Der Speerkämpfer wirbelte seinen Speer herum und ging in Angriffshaltung.​
»Huch? Das kannst du dir bei ihm doch denken ... oder?«, erwiderte die Hexe mit einer lieblichen Stimme, während sie einen Zug aus der Pfeife nahm.​
Ein süßer rosafarbener Rauch wurde vom Wind fortgeweht und beim Zusammenstoß mit Goblins verwirrte er ihre Sinne. Man konnte genau sehen, wie die Bewegungen des Nachschubs etwas langsamer wurden.​
»Das ist doch klar!«​
Die Elfe lachte, während sie bereits die nachrückenden Goblins beschoss. »Er ist auf der Jagd nach Goblins.«​
Wie kann das sein?
Der Goblin Lord rannte so schnell, dass er beinahe mehrmals gestürzt wäre. Als er bemerkt hatte, dass er diese Schlacht nicht gewinnen konnte, war er augenblicklich geflohen. Hinter ihm konnte er noch das Klingen der Waffen und die Schmerzensschreie seiner fallenden Krieger hören. Dieser Kampf hatte nichts weiter als die Vorbereitung für den Angriff auf die Menschenstadt sein sollen. Wieso wurden sie jetzt so in die Enge getrieben? Diese Horde war am Ende, aber es reichte, wenn er allein überlebte. Er würde in sein Nest zurückkehren und die dort gefangenen Frauen benutzen, um eine noch größere Streitmacht aufzustellen. Er hatte es schon einmal geschafft, also wieso sollte es nicht noch einmal funktionieren? Bevor er zu einem Goblin Lord wurde, war er nichts weiter als ein Wanderer. Sein Nest war von Abenteurern überfallen worden und sie hatten ihn als einzigen verschont. Ein weibliches Mitglied der Gruppe drehte ihm jedoch den Rücken zu und wurde sein erstes Opfer. Schnell verstand er, dass Abenteurer zahm wurden, wenn man ihnen mit einem Stein auf den Kopf haute. Als er bemerkte, dass es mit Knüppeln noch besser funktionierte, benutzte er nur noch diese. Er lernte, Waffen zu benutzen und Rüstungen zu tragen. Indem er beobachtete, wie Abenteurer Gruppen bildeten, bekam er Ideen, wie man eine Horde anführen sollte. Die lange Zeit des Wanderns trainierte seinen Körper und seinen Geist, sodass er es bald mit menschlichen Kriegern aufnehmen konnte.​
Er war sich sicher, dass er auch dieses Mal überleben und aus seinen Fehlern lernen würde. Er würde stärker als je zuvor sein. Er würde wiederkommen.​
Mittlerweile hatte er den Wald erreicht. Tief in diesem Wald war seine Höhle, sein Nest.​
»Ich wusste, dass du so denken würdest.« Eine kalte, emotionslose Stimme traf auf das Ohr des Goblin Lords. Er ging mit seiner Kriegsaxt in Stellung. Vor ihm tauchte ein Abenteurer mit billiger Lederrüstung und Eisenhelm auf. Um seinen linken Arm war ein kleiner Schild gebunden und in der rechten Hand hielt er ein mittellanges Schwert. Er war von oben bis unten mit Blut besudelt und stand in einer dunkelroten Lache der Körperflüssigkeit.​
»Du bist ein Narr. Meine Armee war nur eine Ablenkung.« Der Goblin Lord besaß ein grobes Verständnis der menschlichen Sprache und auch wenn er nicht wusste, wer der Mann vor ihm war, wusste er genau, was dieser getan hatte.​
»Dein Zuhause existiert längst nicht mehr.«​
»ORGRRRRRRRRR!!!!«​
Der Lord gab einen ohrenzerreißenden Schrei von sich und stürzte sich auf Goblin Slayer. Er Schwang seine Axt von oben, um Goblin Slayers Schädel zu spalten, aber dieser wehrte den Hieb mit seinem Schild ab. Ein schreckliches Krachen von Metall auf Metall. Goblin Slayer riss seinen Schild hoch und schüttelte die Axt ab, um dann schnell mit seinem Schwert zuzustoßen.​
»Hmpf!«​
Er hatte die Brust des Lords getroffen, aber dieser trug einen Brustpanzer. Sofort rauschte die Streitaxt von der Seite heran und Goblin Slayer sprang zur Seite weg. Nachdem er sich abgerollt hatte, kniete er und holte einmal tief Luft. Danach stand er auf, drehte geschickt sein Schwert in der Hand und nahm mit gehobenem Schild erneut Kampfhaltung ein.​
»GRRRRR ... «​
Der Lord schnaufte bösartig. Mit beiden Händen klammerte er sich an die Streitaxt. Der Lord war kräftiger und trug bessere Ausrüstung. Dazu kam, dass Goblins Slayer sich nach seiner Verletzung einen Monat ausgeruht hatte. Das war nötig gewesen, das verstand er. Aber auch wenn sein Körper dadurch träge geworden war, würde ihn das nicht aufhalten. Durfte ihn nicht aufhalten. Vor ihm stand ein Goblin. Das war Grund genug für ihn.​
»... !«​
Goblin Slayer stürmte auf den Lord zu. Er bewegte sich in einer tiefen Haltung, riss mit seiner linken Hand etwas Gras aus dem Boden und schleuderte es seinem Gegner ins Gesicht. Die Sekunde, die der Goblin Lord brauchte, um das Gras wegzuwischen, nutzte Goblin Slayer und stach zu.​
»GARUARARARA?!«​
Während eine Blutfontäne aus der Stirn des Lords spritzte, schrie dieser auf und wirbelte wild mit der Streitaxt herum. Der Treffer war nicht tief genug. Goblin Slayer schnalzte mit der Zunge, doch plötzlich flog er im hohen Bogen durch die Luft.​
»A ... Argh ... «​
Er schlug hart auf und jegliche Luft wurde aus seinen Lungen gepresst. Der Goblin hatte ihn mit einem seiner verzweifelten Hiebe getroffen und dabei auch seinen Schild zerstört. Ihn durchfuhr ein schrecklicher Schmerz. Auch wenn er träge geworden war, erinnerte sein Körper sich noch an die Bewegungen. Er hatte reflexartig seinen Schild hochgerissen und sich damit das Leben gerettet. Er hat Probleme mit Frontalattacken, sagte Goblin Slayer zu sich selbst, während er sich auf sein Schwert stützte, um aufzustehen.​
»GAROOO!!«​
Der Lord ließ diese Gelegenheit nicht ungenutzt. Er stieß sich vom Gras ab und stürzte sich auf Goblin Slayer. Dieser nickte, hielt sein Schwert hoch und stürmte seinem Gegner entgegen. Die Axt des Lords pfiff durch die Luft. Goblin Slayer hielt seinen Schild hoch, um die Axt abzuwehren und stieß gleichzeitig mit seinem Schwert zu.​
Treffer. Die Axt zertrümmerte seinen Schild und bohrte sich in seinen Arm. Goblin Slayer flog erneut durch die Luft.​
»GAU ... «​
Doch auch Goblin Slayer hatte es geschafft, den Lord zu verletzen. Ein Teil seiner abgebrochenen Klinge steckte in dessen Bauch und dunkles Blut tropfte auf den Boden. Der Lord verzog seltsam das Gesicht. Die Wunde war nicht tödlich.​
»U ... Urgh ... ? ! «​
Goblin Slayer versuchte unter Qualen aufzustehen, aber schaffte es nicht.​
»GURRR!«​
Der Lord schnaubte gelangweilt. Er wollte sich für seine getöteten Kameraden rächen. Er würde dem Abenteurer Arme und Beine abschlagen, ihn auf einen Pfahl spießen und ihn bis zum Tod in der Sonne vertrocknen lassen. Mit einem gehässigen Lachen stapfte er siegesgewiss auf Goblin Slayer zu. Zuerst verpasste er Goblin Slayers bewegungslosen Helm einen kräftigen Tritt. Stille. Er hasste es, wenn sich seine Opfer vor dem Tod nicht fürchteten. Aber wie dem auch sei, mit seinem Tod würde er einen Strich unter die heutige Niederlage ziehen können. Er hob langsam seine Streitaxt ... Dang! Plötzlich traf sie auf irgendeinen Widerstand. Hatte er gegen einen Baumstumpf geschlagen? Genervt schaute der Lord hinter sich, aber sah nichts. Rein gar nichts. Er war ein ganzes Stück vom nächsten Baum entfernt.​
»GA, RRRR ... ?!«​
Beim Versuch, aus der bereits erreichten Höhe zuzuschlagen, merkte der Lord, dass sich seine Axt auf einmal überhaupt nicht bewegen ließ. Nein, eigentlich konnte er seinen ganzen Körper nicht bewegen. Langsam spürte er, wie etwas seinen Körper zusammenzupressen begann. Ohne seinen Kopf bewegen zu können, schwenkte der Lord verwirrt den Blick hin und her.​
»GA, GAO ... ?!«​
Was passiert hier?!
»Höchst barmherzige Erdmutter. Bitte beschütze uns Schwache mit deiner Erde.«​
Ein junges Mädchen erschien betend aus einem Dickicht. Mit Schweiß auf der Stirn umklammerte sie zitternd ihren Priesterstab.​
»GAAAAUAUAUAUAUAUAUA!!!!«​
Das Mädchen steckt also dahinter!​
In der Überzeugung, dass sie klein beigeben würde, begann der Goblin Lord die Priesterin wüst zu beschimpfen:​
»Du Schlampe! Glaub nicht, dass du ungeschoren davonkommst! Ich werde dich nackt auf einer Lanze aufspießen und zur Schau stellen! Ich werde dir Arme und Beine abhacken und dich bei mir behalten! Nein, ich werde jeden deiner Finger einzeln brechen und dir mit Kohle das Gesicht versengen!«​
Aber sie gab nicht nach. Mit bleichem Gesicht biss sich die Priesterin auf die Unterlippe und hielt ihren Stab vor sich. Der Lord begann in Panik zu verfallen.​
»GA,RO ... ?«​
Ist dieses Mädchen etwa ganz anders, als es aussieht? Sofort änderte er seine Herangehensweise und winselte mit bemitleidenswerter Stimme um Vergebung:​
»Wi... Wir haben einen Fehler gemacht. Wir ... werden es nie wieder machen ... Wir ... kehren tief in den Wald zurück. Und ... werden abgeschieden leben ... Es tut ... uns leid ... «​
Wenn es ihm möglich gewesen wäre, wäre er vor ihr sogar auf die Knie gefallen. Dieser Trick hatte ihm damals als Goblin Kind das Leben gerettet. Natürlich hat er sich danach bei der Abenteurerin, die ihn verschonte, damit bedankt, dass er sie regelrecht in Stück riss. Er erinnerte sich, wie sie am Ende um ihr Leben winselte, und das erregte ihn. Wenn diese Schande ihn jetzt überleben ließ, würde er zurückkommen können und sich rächen.​
Und dann werde ich als Erste sie schänden ...​
»Das lasse ich nicht zu.«​
Eine gefühllose Stimme unterbrach seine Gedanken.​
»GA, RR ... ?!«​
Der Lord fühlte sich, als würde die Stimme das Blut in seinen Adern gefrieren lassen. Goblin Slayer stand gemächlich auf. Sein linker Arm blutete stark und in der rechten Hand hielt er das zerbrochene Schwert. Stampfend und unaufhaltsam näherte er sich dem Lord und blieb erst direkt vor diesem stehen. Er drückte die Reste seines Schwerts gegen dessen Kehle.​
»GA ... GO ... ?!«​
Obwohl er dem Goblin damit nicht mehr die Kehle zerschneiden konnte, war es mehr als genug, um ihm damit die Luftröhre zu zerquetschen. Das Monster brabbelte unverständliche Worte, während ihm die Luft langsam wegblieb.​
»Ein Lord? Dass ich nicht lache.«​
Der Lord riss verzweifelt den Mund auf, um nach Luft zu schnappen.​
»Du bist nichts weiter ... «​
Aber das half ihm nicht.​
»... als ein kleiner, dreckiger Goblin!«​
Während sein Gesicht dunkel anlief, fiel dem Lord die Zunge heraus, gefolgt von blubberndem Schaum. Zuletzt verdrehten sich seine Augen.​
»Und ich bin ... «​
Wahrend sein Verstand in der Dunkelheit versank, fragte er sich, wer ihn bezwungen hatte.​
»... der Goblin Slayer!«​
Das Monster, das bis eben noch ein Fürst der Goblins gewesen war, zuckte noch zwei-, dreimal und war dann tot.​
»Ein Goblin ... erledigt.«​
Goblin Slayer glitt das Schwert aus den Händen und er stürzte wie eine Marionette, deren Fäden durchgeschnitten wurden, zu Boden.​
»Goblin Slayer!«​
Die Priesterin warf ihren Stab weg und schaffte es so gerade, Goblin Slayer aufzufangen. Sein Körper fühlte sich in ihren dünnen Armen unglaublich schwer an. Ein wenig später endete die Wirkung von Schutzwall und die Leiche des Lords fiel neben Goblin Slayer zu Boden. Die Priesterin interessierte dies jedoch nicht und sie untersuchte hektisch Goblin Slayers Körper. Die Wunde an seinem linken Arm war tief und mit etwas Pech hatte es vielleicht sogar den Knochen erwischt.​
»Du musst es immer übertreiben ... « »Urgh ... «​
Sie verdrängte sein Stöhnen als sie ihre Hand auf die blutige Wunde legte. »Höchst barmherzige Erdmutter. Bitte lege deine Hände auf die Wunden dieser Person.«​
Sie betete aus vollem Herzen zur Erdmutter. Sie wollte nie wieder einen ihrer Kameraden sterben lassen. Die Erdmutter erhörte ihr Gebet und streckte ihre heilenden Hände nach Goblin Slayer aus. Es war von Anfang an der Plan gewesen, dass die Priesterin den Lord mit Schutzwall festsetzen und Goblin Slayer den Lockvogel spielen würde. Sein Plan, Schutzwall auf diese Art zu gebrauchen, hatte sie nicht im Geringsten verwundert. Allerdings hatte sie sich nicht hundertprozentig an den Plan gehalten. Anstatt dreimal Schutzwall zu wirken, hatte sie es nur zweimal getan, aber da Goblin Slayer ihr beigebracht hatte, nie Wunder zu verschwenden, und sie nur deswegen Heilen auf ihn wirken konnte, fand sie die Planänderung gerechtfertigt. Schließlich wäre er ansonsten hier gestorben.​
»Dabei hatte ich es dir doch gesagt ... «​
»Ach, Goblin Slayer ... «, antwortete die Priesterin mit heiserer Stimme.​
Dicke Tränentropfen kullerten ihr über die Wangen.​
»Es ist nicht so, dass es Teil meines Plans ist, zu übertreiben.«​
Goblin Slayer machte Anstalten aufzustehen. Die Priesterin musste all ihre Kraft aufwenden, um ihm dabei zu helfen.​
»Dann fang doch bitte mal an, besser auf dich aufzupassen!«​
»Es tut mir leid.«​
Schluchzend schüttelte die Priesterin den Kopf und begann, Goblin Slayer immer noch stützend, einen Fuß vor den anderen zu setzen.​
»Ich habe dir einfach nur vertraut.«​
»Du bist wirklich unverbesserlich«, entgegnete sie weinend, aber trotzdem lächelnd.​
Sie musste an ihr erstes Abenteuer und ihre ersten Kameraden denken Sie dachte an die Abenteurer, die heute verletzt wurden und gestorben sind. Sie dachte an die getöteten Goblins und den Lord, der vor ihren Augen seinen letzten Atemzug tat. Während sie über die verschiedensten Dinge nachdachte, war der Lärm der Schlacht weit entfernt und die Lichter der Stadt noch viel weiter. Trotzdem fühlte sich ihr Herz mit jedem Schritt ein wenig leichter an.​

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Kapitel 13

Das Ende eines Abenteuers

»Auf unseren Sieg, auf den Bauernhof, auf die Stadt, auf uns Abenteurer ... « Die Elfe schaute sich die von Wunden übersäten Abenteurer an, die heute in der Gilde erschienen waren. ». . . und natürlich auf den komischen Kauz, der ständig nur von Goblins redet! Prost!«​
Alle Abenteurer prosteten sich lautstark gegenseitig zu und leerten den Inhalt ihrer Krüge. Dass dies schon der fünfte oder sechste Trinkspruch war, störte keinen der Abenteurer. Noch bevor das Blut der getöteten Goblins getrocknet war, hatten sie sich hier versammelt, um ihren Sieg zu feiern. Sie hatten die Goblin Armee komplett ausgelöscht. Sie hatten Schamanen, Champions und andere Goblin Abarten bezwungen. Natürlich waren auch einige Abenteurer nicht unbeschadet davongekommen und so hatten sie sowohl Verletzte als auch Tote zu beklagen. Irgendjemand hatte nun mal immer Pech. Aber die Abenteurer gaben ihr Bestes, um auch für die Gefallenen mitzufeiern. Natürlich wurden die Kuhhirtin und ihr Onkel zum Mitfeiern eingeladen und das Gelage wurde auch mit anderen Gästen ausgeweitet. Goblin Slayer jedoch saß wie immer auf seinem Stammplatz an der Wand. Er trug seinen Arm noch in einer Schlaufe, aber der Schmerz war schon zum Großteil verflogen. Er hatte ein Goldstück in der Hand und beobachtete in dessen Reflektion das Treiben in der Schenke. Der Zwerg hatte Branntwein aus seinem Vorrat herausgeholt und teilte ihn eifrig mit den Feiernden. Viele Anfänger waren bereits sturzbetrunken, bevor sie überhaupt den Boden ihres Bechers sehen konnten. Direkt daneben führte ein vom Echsenmensch kontrollierter Drachenzahnkrieger einen seltsamen Tanz auf. Die Gilden Angestellte wirrte durch die Eingangshalle wie ein aufgeregter Welpe. Als der Speerkämpfer seine Hand nach ihrem Hintern ausstreckte, haute ihm die Hexe mit ihrer Pfeife auf die Finger.​
»Juhul Heute bin ich eine Frau mit fünf Goldstücken! Schafft mehr Essen heran!«​
»Fleisch! Leckeres Fleisch!«​
»D ... Du meintest doch, dass ich deine Freundin werden soll! Hast du das vergessen?! Lass uns meine Eltern in der Heimat besuchen fahren!«​
»Hey! Bist du schon besoffen?!«​
»Hört zu, Abenteurer! Ich habe zusätzlichen Alkohol besorgt!«​
»Wunderbar! Dann lass uns einen trinken! Heute wäre doch ... «​
»Ach, ich habe auch Gegenmittel gegen den Kater am nächsten​
Morgen.«​
»Ich nehme eins.«​
Goblin Slayer kniff leicht die Augen zusammen. Er hatte zwar ein Goblin Nest ausgelöscht, aber seine Leistung bei der Schlacht beschränkte sich auf den Lord. Deshalb hatte er auch nur ein Goldstück erhalten. Er drückte es der Priesterin in die Hand, die neben ihm saß. Sie war bereits eingeschlafen und ihr Kopf war auf seine Schulter gesunken.​
»Sie muss wirklich erschöpft sein.«​
Die Kuhhirtin setzte sich auf die andere Seite der Priesterin und strich ihr sanft durch die Haare. Als sie ihr ein wenig Dreck von der Wange rieb, wirkte sie fast wie eine große Schwester.​
»Treib es nicht zu wild mit ihr, okay? Sie ist schließlich ein Mädchen.«​
»Ja«, erwiderte er gleichgültig.​
»Hm ... Du bist aber lieb heute. Was ist passiert?«​
»Nichts.«​
Er schüttelte ruhig den Kopf.​
»Ich bin wie immer,«​
»Na dann.«​
Die beiden schwiegen und richteten ihre Blicke auf die Abenteurer. Diese tranken, aßen, stritten sich und lachten. Einige waren verletzt und andere hatten keinen Kratzer abbekommen. Einige hatten Heldentaten verbracht und wieder andere hatten gar nichts hinbekommen. Doch eines einte sie alle: Sie alle waren froh, dass sie gewonnen hatten.​
»Vielen Dank«, flüsterte die Kuhhirtin Goblin Slayer zu.​
»Wofür denn?«​
»Dass du mich gerettet hast.«​
»Ich habe überhaupt nichts getan.«​
Sie schwiegen sich wieder an, aber es war nicht unangenehm. Sie beide wussten, was der andere dachte.​
»Noch ... «, murmelte Goblin Slayer.​
»Hm?«​
»Noch habe ich mich nicht entschieden, aber ich sehe es zumindest etwas klarer,«​
Sie wartete geduldig darauf, dass er weiterredete.​
»Vielleicht möchte ich ein normaler Abenteurer werden.«​
»Ach so.«​
Gerade wirkte er auf sie wie der zehnjährige Junge von früher, doch im Gegensatz zu früher durfte sie jetzt über diesen Satz lächeln.​
»Du schaffst das bestimmt.«​
»Glaubst du?«​
»Ja, bestimmt.«​
Auch wenn es vielleicht erst sein wird, wenn es keine Goblins mehr gibt.​
»Hm? Mjam? ... ?!«​
Die Priesterin wurde allmählich wach. Ihre Augenlider zuckten kurz, bevor sie sich blinzelnd öffneten.​
»Äh?! Bi... Bin ich etwa eingeschlafen?!«​
Bei dem Anblick ihres knallroten Gesichts musste die Kuhhirtin lachen und sagte:​
»Hi hi hi, du bist richtig kaputt, oder?«​
»Ä ... Ähm ... Es tut mir leid.«​
»Na dann gehe ich mich auch mal bei den anderen bedanken.«​
Nachdem die Kuhhirtin der Priesterin ein letztes Mal über die Haare gestrichen hatte, stand sie auf.​
»Ruht euch zumindest heute aus.«​
Während Goblin Slayer nickte, schaute die Priesterin mit hochrotem Gesicht auf ihre Füße.​
»Willst du nicht zu den anderen gehen?«​
»Ist schon in Ordnung. Ich habe auch so Spaß.«​
Goblin Slayer schüttelte den Kopf.​
Nein, das ist so nicht in Ordnung. Ich weiß zwar nicht warum, aber so geht es nicht! Die Priesterin schlug die Hände zusammen. Sie hatte von ihm gelernt, dass es immer besser war, in dem Moment zu handeln, als zu lange an einem Plan zu feilen.​
»Ist das wirklich in Ordnung ... Was ist mit deinem Geld?«​
»Was denn?«​
» Du musst doch den anderen ... ? «​
»Keine Sorge«, sagte er.​
Sie hatte abrupt das Thema gewechselt und sie war sich nicht sicher, ob er verstanden hatte, aber er nickte.​
»Ich habe ihnen, wie versprochen, einen ausgegeben.«​
»Ach.«​
Ungewollt hielt die Priesterin sich eine Hand vor den Mund. Sie konnte sehen, wie der Speerkämpfer gerade eine Weinflasche köpfte und neben ihm die Hexe ein Glas exquisiten Roten genoss. Er wusste es, oder? Bestimmt. Ganz sicher.​
»Du gibst dir keine Blöße, oder?«​
»Das Bekämpfen von Goblins wird eben schlecht bezahlt.«​
»Und du bist damit einverstanden?«​
»Ich glaube schon. Außerdem wird die eigentliche Belohnung von der Gilde bezahlt.«​
Sie starrte ihn mit kritischem Blick an, aber es schien ihn nicht zu stören. Sie meinte es sowieso nicht ernst. Ihr Herz machte einen Sprung und ihr Puls schlug schneller.​
»Ähm ... «​
»Was denn«​
»Warum hast du keinen Auftrag vergeben, sondern sie persönlich um Hilfe gebeten?«​
Warum hatte er in der Gilde für solch eine Aufregung gesorgt? Warum hat er nicht einfach einen Zettel an das Brett geschlagen? Goblin Slayer schwieg. »Ach, natürlich musst du nicht antworten, wenn du nicht willst.«​
» Das hat keinen besonderen Grund. Als mir vor langer Zeit etwas Ähnliches passiert ist, hat mir keiner geholfen.«​
Er schaute zu den angetrunken feiernden Abenteurern herüber. Sie hatten ihre Waffen ergriffen und ihre Leben riskiert, um ihm zu helfen. Einige von ihnen hatten sogar ihr Leben dabei gelassen.​
»Ich dachte, diesmal würde mir auch keiner helfen. Ich hatte keine Beweise. Es war einfach Glück. Ich bin halt ein komischer Kauz.«​
Die Priesterin seufzte.​
»Das stimmt nicht. Wenn du meine Hilfe brauchst, bin ich immer für dich da. Nicht nur ich, sondern alle Abenteurer dieser Stadt.«​
Sie wusste manchmal wirklich nicht, was sie mit ihm machen sollte.​
»Beim nächsten Mal und auch bei allen kommenden Malen werden sie dir helfen, wenn du sie darum bittest. Darum hat es nichts mit Glück zu tun. Ganz sicher nicht.«​
Sie lächelte ihn mit einem strahlenden Lächeln an.​
»Ach so«, murmelte er.​
»Ja«, antwortete sie und streckte leicht die Brust heraus.​
Jetzt kann ich ihn fragen, oder? Ihr Herz klopfte wie wild. Sie atmete tief aus. »Sag mal, Goblin Slayer.«​
Bestimmt war sie angetrunken. Und weil sie angetrunken war, ist es so raus gerutscht. Ja, das würde als Erklärung reichen.​
»Darf ich auch eine Belohnung haben ... ? «​
»Was denn?«​
Hach, bitte schenke mir Mut, gnädige Erdmutter. Sie atmete tief ein und aus, schaute ihm direkt ins Gesicht und sagte:​
»Ich will dich ohne Helm sehen.«​
Er seufzte resignierend, öffnete langsam die Scharniere seines Helms und setzte ihn schließlich ab. Sein seit der Schlacht ungewaschenes Gesicht war im Licht der Eingangshalle gut zu erkennen.​
»Hi hi ... «​
Das Gesicht der Priesterin lief leicht rot an. »Ich finde, du siehst so viel cooler aus.«​
»Ach ja?«​
»Aaaaaahl!«​
Plötzlich schrie jemand durch die Halle.​
»Orcbolg hat den Helm abgenommen?! Unfair! Dabei habe noch nicht mal ich sein Gesicht gesehen!«​
Es war die Elfe. Ihr Gesicht war rot wie eine Tomate und ihre langen Ohren sprangen förmlich auf und ab, während sie mit einem Finger auf Goblin Slayer zeigte.​
»Was?!«​
»Wie bitte?!«​
Keiner der anwesenden Abenteurer wollte sich diese seltene Gelegenheit entgehen lassen. Schließlich war ein gutes Auge für sie wichtig fürs überleben. Die Hände beladen mit Speis und Trank drängten sie sich um Goblin Slayer herum.​
»Wow?! Toll! Was für eine Chance!«​
» Wahrscheinlich nimmt er ihn sonst nur ab, wenn der Helm kaputt ist oder er schläft.«​
»Oho, Wahrlich das Gesicht eines Kriegers.«​
»Hm. Gar nicht übel, dein Gesicht, Bartschneider.«​
» Woher kenne ich den ... ? ! Irgendwie gefällt mir das nicht!«​
»Hi hi ... Ja ... Er sieht nicht schlecht aus ... «​
»Hey, Goblin Slayer zeigt sein Gesicht.«​
»Hey! Wer hat auf was gewettet?«​
» Vielleicht steht morgen der Dämonenfürst wieder auf?«​
»Ich dachte, er ist in echt eine Frau ... «​
»Ich dachte, er wäre ein Goblin!«​
»Hey! Der Gewinner gibt einen aus!«​
Freunde, Kameraden, unbekannte und bekannte Gesichter. Alle kamen, um ihn ohne Helm zu sehen. Die Priesterin schien von dem ganzen Tumult überfordert zu sein und schaute Goblin Slayer nach Hilfe suchend an. Es war ein ganz schönes Spektakel. Aber morgen würde wieder alles beim Alten sein. Nichts würde anders sein. Nichts außer ... Beim nächsten Mal und auch bei allen kommenden Malen werden sie dir helfen, wenn du sie darum bittest. »Ach so.«​
Darum hat es nichts mit Glück zu tun. Ganz sicher nicht.​
»Ich hoffe, du hast recht«, sagte er und lächelte leicht.​
Vor langer Zeit, als noch weit weniger Sterne am Himmel leuchteten, fochten die Götter des Lichts, der Ordnung und des Schicksals mit den Göttern der Dunkelheit, des Chaos und des Zufalls darum, wer die Welt beherrschen sollte. Sie trugen ihre Schlachten nicht mit Fäusten und Waffen aus, sondern mit Würfeln. Sie würfelten so häufig, dass einem fast schwindelig wurde, aber da sich Sieg und Niederlage auf beiden Seiten stetig abwechselten, konnten sie nie einen Sieger krönen. Irgendwann waren die Götter es überdrüssig, nur mit Würfeln zu spielen, und erschufen Figuren, die sie über ein Brett zogen. Sie kreierten eine Welt und unzählige Charaktere, die in ihr lebten. Diese Charaktere erlebten Abenteuer, die sie manchmal überlebten und manchmal nicht. Die Götter waren ganz verliebt in ihre Figuren und fasziniert von deren Taten. Manchmal fielen die Würfel für sie und manchmal gegen sie. Und dann erschien ein mysteriöser und einsamer Abenteurer. Dieser Abenteurer war ein einfacher Jüngling. Er besaß weder Talent, noch Reichtum oder irgendwelche anderen Besonderheiten. Er war ein normaler menschlicher Krieger. Die Götter liebten ihn alle, aber sie setzten keine großen Hoffnungen auf ihn.Aber dieser Abenteurer war ein wenig anders als die anderen. Er ging durch die Welt und schmiedete stets Pläne. Er ließ nicht zu, dass die Götter ihre Würfel warfen. Rang, Fähigkeiten oder Schummeleien spielten für ihn keine Rolle. Er überraschte die Götter und sie wussten nicht, was sie tun sollten. Aber irgendwann bemerkten sie es. Er würde sicher nicht die Welt retten und sie auch nicht verändern, denn er war nichts weiter als eine Spielfigur ...Nichtsdestotrotz, er ließ die Götter ihre Würfe nicht werfen und selbst sie konnten nicht vorhersehen, wie sein Abenteuer enden würde. Sein Kampf wird noch lange weitergehen. Bestimmt auch heute irgendwo.​

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Edward Teach

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Prelude II



Ewig soll ihr Name erklingen. Die Jungfrau des Schwertes - geliebt vom erhabenen Gott. Eine der sechs Goldenen und eine Heilige. Die Waage der Gerechtigkeit und ein mächtiges Schwert in den Händen. Von allen sprechenden Völkern geliebt, wirkt sie mit ihren Gebeten göttliche Wunder. Mit den anderen sechs Goldenen kämpfend, stürzte sie den Dämonenfürsten. Nach dieser Aufgabe wurde sie die Beschützerin des Rechts. Ewig soll ihr Name erklingen. Die Jungfrau des Schwertes - geliebt vom erhabenen Gott ...​

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Edward Teach

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Kapitel 14
Der Alltag der Abenteurer

»Wenn es dir nicht gefällt, kannst du auch gehen.«​
Eine Stimme hallte durch den Wald, der selbst zur Mittagszeit etwas düster war. Bäume, Moos und Ranken überwucherten die verfallenen Gebäude aus weißem Stein und zeugten davon, dass die Pflanzenwelt mittlerweile die Überreste dieser alten Stadt beherrschte. Dem Zahn der Zeit konnte niemand standhalten, noch nicht einmal die langlebigen Elfen. Diese Ruinen waren der bittere Beweis dafür: Einst prachtvolle Bildhauereien waren aufgebrochen, große Risse liefen durch die Bodenplatten und statt der Bewohner lebte hier nur noch Wildwuchs. Eine fünfköpfige Gruppe von Abenteurern war dabei, diese ehemals prächtige Stadt zu erkunden. Der gerade erklungene Ausruf kam von einer jungen Frau in Jagdkleidung. Ihre langen Ohren und der große Bogen in ihrer Hand deuteten darauf hin, dass sie eine Hochelfen-Bogenschützin war. Sie sagte in schnippischem Ton:​
»Wenn du eigentlich gar nicht hier sein willst, bringt mir das auch nichts!«​
»Was?«, antwortete ihr eine komplett emotionslose Stimme.​
Sie kam von einem Menschenkrieger mit verschmutztem Eisenhelm und Lederrüstung. An der Hüfte trug er ein mittellanges Schwert, um den Arm hatte er sich einen kleinen Rundschild gebunden und am Gürtel hing eine Tasche. Selbst Anfänger besaßen meist bessere Ausrüstung als er. Seine Bewegungen und seine Haltung zeugten jedoch von Selbstvertrauen, weshalb er bei den meisten Wesen, denen er begegnete, einen gemischten Eindruck hinterließ.​
»Ich rede natürlich von diesem Abenteuer«, antwortete die Elfe, ohne sich zu dem Krieger umzudrehen.​
Viele Elfen bekamen die Talente, mit denen sie fähige Waldläufer werden konnten, in die Wiege gelegt, was dazu führte, dass sie neben den Rhea die besten Späher waren. Aus diesem Grund hatte die Elfe die Vorhut der Gruppe übernommen.​
»Es geht doch nicht darum, dass es mir nicht gefällt.«​
Die Ohren der Elfe stellten sich freudig auf . . . und sanken sofort wieder nach unten.​
»Es war schließlich abgemacht, dass ich euch begleite.«​
Ein weiteres Mitglied der Gruppe seufzte. Es war ein junges Menschenmädchen, das einen Stab fest in den Händen hielt und ein Kettenhemd unter der Kleidung trug. Es handelte sich um eine Priesterin. Sie zeigte mit einem Finger auf den Krieger und begann mit ihm zu schimpfen:​
»Mann, so geht das doch nicht. Deine Einstellung ist nicht in Ordnung.«​
»Ach so«, erwiderte dieser und schwieg.​
Nach einer Weile schaute er die Hochelfe an und fragte:​
»Wirklich?«​
»Was fragst du jetzt mich?«​
Die Elfe blies schmollend die Wangen auf. Er hatte ihr zum Austausch für ihre Hilfe bei der Verteidigung des Bauernhofs versprochen, sie auf ein Abenteuer zu begleiten, und sie hatte sich sehr darauf gefreut.​
»Unmöglich, das führt doch zu nichts.«​
Ein dicklicher Zwerg kommentierte grinsend das Geschehen und fuhr sich durch den dichten Bart. Seine fernöstliche Kleidung war ein Hinweis darauf, dass es sich bei ihm um einen Zwergen-Schamanen handelte. Von der Körpergröße her war er zwar kleiner als die Priesterin, aber sein großer runder Bauch ließ ihn wie ein Fels wirken. Und auch wenn die meisten Magiewirker eher körperlich schwach waren, war er als Zwerg von Natur aus sehr kräftig. Sein größtes Problem waren die kurzen Beine, die es ihm immer wieder erschwerten, steile Pfade zu erklimmen und Hindernisse zu überwinden.​
»Er ist schließlich Bartschneider. Es ist ja nicht so, als wäre er erst seit Kurzem ein komischer Kauz.«​
»Ja.Er ist nun mal Orcbolg«, stimmte die Elfe ihm seufzend zu.​
»Wer hätte gedacht, dass ich mal mit einem Zwerg die Meinung teile.«​
»Den letzten Satz hättest du dir sparen können«, schnaufte der Zwerg beleidigt.​
»Wenn du mit deinem Gemecker nicht aufhörst, wirst du nie einen Mann finden. Du bist zweitausend Jahre alt und immer noch allein.«​
»Ts ...«​
Die Ohren der Elfe zitterten.​
»Ich brauch keinen.​
Außerdem bin ich noch jung.«​
»Stimmt«, erwiderte der Zwerg und grinste selbstzufrieden.​
»Du hast ja schließlich auch noch die Brust eines Kindes.«​
»Halt den Rand, du fettes Fass!«​
Mit wütendem Blick starrte die Elfe den Zwerg an. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und öffnete den Mund, um dem Schamanen eine weitere Beleidigung an den Kopf zu werfen, doch sie wurde von einer fauchenden Stimme unterbrochen.​
»Die Bewohner dieser Stadt mögen längst fort sein, aber dennoch sollten wir uns ein wenig anständiger verhalten.«​
Es war ein Echsenmensch, der eine Vielzahl an Glücksbringern um den Hals trug. Er bildete die Nachhut der Gruppe und trug die traditionelle Kleidung seines Stammes. Er war ein Mönch und verehrte einen furchteinflößenden Drachen als seinen Vorfahren.​
»Vor allem müssen wir achtsam bleiben, damit wir keine schlafenden Hunde wecken.«​
»Hmpf ... Sag das ihr, sie hält doch nicht den Rand.«​
»Pfft. Von wegen. Du Zwerg musst doch immer mit dem ...«​
»Bitte, werte Waldläuferin. Konzerntrier dich lieber auf den Weg vor uns.«​
»Ja ...«​
Der Echsenmensch war zwar nicht der Anführer der Gruppe, aber die Elfe entschied sich dafür, seiner Bitte nachzukommen.​
»Und du, werter Schamane, bitte lenke sie nicht zu sehr vom Spähen ab.«​
»Ich weiß. Ich weiß.«​
Während die Elfe schmollend die Ohren hängen ließ, schien den Zwerg die Schelte nicht sonderlich gestört zu haben. Verzweifelt rollte der Echsenmensch mit den großen Augen, worauf die Priesterin leise kichern musste. Immer wenn die Elfe und der Zwerg sich in die Haare kriegten, wurde es lebhaft. Sie mochte das. Wenn sie sich nicht gut verstehen würden, würden sie auch nicht streiten, oder?
»Und hepp.«​
Die Elfe erklomm mit ein, zwei, drei Sätzen eine Baumwurzel, die weit größer war als sie selbst.​
»Nicht schlecht«, sagte der Krieger, der sie dabei beobachtet hatte.​
»Ja, oder?«, antwortete die Elfe selbstbewusst und schmiss der Gruppe ein Kletterseil herunter.​
Der Krieger zog zwei-, dreimal daran, bevor er mit dessen Hilfe die Baumwurzel erklomm. Es war kaum zu glauben, dass er eine Rüstung mit einem schweren Eisenhelm trug, denn er stand in kürzester Zeit neben der Elfe. Er musste an das Leben im Freien gewöhnt sein.​
»Der Nächste«, sagte er und schaute auf den Rest der Gruppe hinunter.​
»Äh, ja!«, erwiderte die Priesterin und hing sich ihren Stab über die Schulter. Unerfahren griff sie nach dem Seil und begann vorsichtig ihren Aufstieg. »Aber ... Hngh. Dass so eine große Stadt jetzt eine Ruine ist ... Ah!«​
»Pass aufl«​
Als die Priesterin mit den Füßen am nassen Moos abrutschte, schnappte der Krieger nach ihrem Handgelenk und zog sie daran grob nach oben.​
»E ... Es tut mir leid ....«, entschuldigte sich die Priesterin und rieb sich das schmerzende Handgelenk.​
»Wenn du nicht verletzt bist, klettern wir jetzt gleich auf der anderen Seite wieder runter.«​
»Ja ...«​
Mithilfe des Kriegers gelang der Priesterin auch der Abstieg.​
»Alles in Ordnung?«, erkundigte sich die Elfe.​
»Ja... Ich muss meinen Körper wohl ein bisschen mehr trainieren«​
»Das mag sein. Aber übertreib es nicht, ja?«​
Die Elfe wackelte mit den Ohren und kniff die Augen leicht zusammen.​
»Es wäre schrecklich, wenn du am Ende so dick und rund wärst wie der Zwerg.«​
»Halt die Klappe, Langohr. Für einen Zwerg habe ich ein vollkommen durchschnittliches Gewicht.«​
Von der anderen Seite des Baums schallten die wütenden Worte des Zwergs herüber.​
»Der Zahn der Zeit macht wirklich vor nichts Halt. Weder vor den Behausungen der Elfen, noch vor den Höhlen meiner Art. Einfach vor nichts ...«​
Dem Zwerg war es nur mithilfe des Echsenmenschen gelungen, die Wurzel zu erklimmen, aber schon im nächsten Moment sprang er entschlossen auf der anderen Seite hinunter. Mit einem dumpfen Rumms landete der Zwerg auf seinem Gesäß. Bei dem Anblick konnte sich die Elfe natürlich einen Kommentar nicht verkneifen:​
»Geht das nicht auch etwas eleganter?«​
»Meine Beine sind eben nicht so lang. Scher dich um deinen eigenen Kram.«​
»Setz doch zumindest Sturzkontrolle ein.«​
»Pah! Wieso sollte ich für so etwas einen Zauber verwenden? Ihr Elfen seid wirklich verschwenderisch!«​
»Beruhigt euch doch bitte.«​
Die Priesterin ging zwischen die beiden, aber konnte sich dabei ein Lächeln nicht verkneifen.​
»Wenn ihr zu laut seid, kriegt ihr gleich wieder Ärger.«​
»Also wirklich. Als würde ich mir von so einem schuppigen Kind etw ...«​
»Selbst Elfen sind nicht ewig. Ewig ist einzig die Ewigkeit, oder?«, wurden sie von einer tiefen Stimme unterbrochen.​
Der Echsenmensch hatte mithilfe seiner Krallen die Baumwurzel erklommen und sprang jetzt geschickt auf der anderen Seite herunter. Es war zwar etwas laut, aber wirklich beeindruckend.​
»Wollen wir es an dir ausprobieren, werte Hochelfe?«​
»Ich verzichte ...«​
Schmollend runzelte die Elfe die Stirn und schüttelte den Kopf.​
»Und?«, fragte der Krieger.​
»Wo sind die Goblins?«​
»Schon wieder ...«​
Die Elfe zuckte langsam mit den Schultern und seufzte.​
»Ich habe extra für dich Ruinen ausgesucht, in denen es vielleicht Goblins geben könnte. Zeig doch bitte erst einmal etwas Dankbarkeit.«​
»Hmpf ... Dann hast du also Rücksicht auf mich genommen?«​
»Ja, so könnte man das nennen.«​
Der Krieger schritt mit einem Nicken voran. Aufgeregt huschte die Elfe an ihm vorbei und übernahm wieder die Vorhut.​
»Wieso die Eile, werter Goblintöter!«​
Der Echsenmensch breitete beim Gehen eine Schriftrolle aus. Es war eine alte Karte dieser Stadt. Bedacht darauf, sie nicht zu beschädigen, führte er vorsichtig seine Krallen darüber.​
»Im Inneren gibt es einen Tempel. Wollen wir uns dorthin bewegen?«​
»Ja.«​
Der Krieger blieb stehen und deutete auf leicht verstreute Pflastersteine, die einst Teil eines Weges gewesen sein mussten. Nüchtern ergänzte er: »Vielleicht sind dort Goblins.«​
»Hast du nichts anderes im Kopf?«, maulte die Elfe genervt.​
»Was denn?«​
»Die Mysterien! Die Geheimnisse! Die Rätsel! Die Legenden!«​
»Dafür hab ich keine Zeit.«​
»Du bist echt unglaublich.«​
»Ist das so?«​
»Hey, hey, Langohr! Wenn du es beim Schleifen eines Steins übereilst, bricht er!«​
Der Zwerg redete mit der Elfe wie mit einem Kind.​
»Für eine Elfe hast du echt keine Geduld.«​
»Wenn ich den ganzen Tag herumsitzen und nur fressen und saufen würde, wäre ich bald so fett wie du, Zwerg.«​
»Halt die Klappe. Alkohol ist eine Ausnahme. Aber ein wenig zunehmen könntest du wirklich.«​
Anstatt sich zu ärgern, schnappte er sich den Trinkbeutel von seinem Gürtel und nahm einen Schluck Branntwein.​
»Dennoch muss ich zugeben, dass du ein wenig recht hast, Langohr.«​
Nach einem herzhaften Rülpser fuhr er fort:​
»Bartschneider, glaubst du nicht, dass vieles einfacher für dich wäre, wenn du deinen Horizont erweitern würdest?«​
»Ich habe darüber nachgedacht.«​
Während der Krieger leise antwortete, lugte er vorsichtig um eine Ecke.​
»Ich habe mich verdient gemacht und den Silber-Rang erreicht. Als Abenteurer mit größerem Einsatzspielraum hätte ich auch mehr Möglichkeiten.«​
»Und warum machst du es dann nicht?«, fragte der Zwerg.​
»Weil Goblins währenddessen weitere Dörfer angreifen würden.«​
Die Elfe schüttelte den Kopf.​
»Ich hab gehört, dass Menschen oft nur ans Jetzt denken, aber sind sie alle so eingleisig wie er?«​
»Ich glaube, dass er ein besonderer Fall ist«, antwortete die Priesterin mit einem verlegenen Lächeln.​
Sie war erst ein paar Monate mit dem Krieger unterwegs, hatte sich jedoch schon viele Male über ihn gewundert.​
»Aber er ist jetzt schon viel gesprächiger. Außerdem kann man ihn ziemlich leicht verstehen.«​
»Ja, da hast du recht.«​
Die Elfe kicherte und auch der Zwerg und der Echsenmensch stimmten mit ein. Ein wenig später überquerte die Gruppe einen Weg, der einst eine große Straße gewesen sein musste. Damit waren sie am Ziel angelangt: Zwischen einigen Bäumen war bereits ein Eingang zu erkennen.​
»Es scheint keine Wachen zu geben«, sagte der Krieger, nachdem er das Gebüsch und den Boden genau untersucht hatte.​
»Vielleicht gibt es hier überhaupt keine Goblins!«, rief die Priesterin sichtlich erleichtert.​
»Nein, Ich glaube nicht, dass sie so ein Nest übersehen würden.«​
»Aber es wäre doch schön, wenn es hier keine Goblins gäbe.«​
Der Krieger ignorierte die Bemerkung der Elfe und murmelte:​
»Vielleicht haben sie auch nur einen Tunnel von ihrem Nest hierher gegraben.«​
»Sagt mal ... Stinkt hier nicht irgendwas?«​
Die Elfe verzog leicht das Gesicht.​
Der Echsenmensch schüttelte langsam den Kopf und antwortete:​
»Meine Nase funktioniert in Wäldern wie diesen nicht besonders gut. Was riechst du?«​
»Es riecht nach faulen Eiern«​
»Also sind doch welche hier«​
Die Abenteurer zogen ihre Waffen. Die Elfe hielt einen Langbogen in der Hand, der aus einem natürlich gewachsenen Ast angefertigt worden war. Seine Sehne bestand aus Spinnenfäden und die Pfeile hatten Knospen statt Eisenspitzen. Der Echsenmensch betete zu seinen Vorfahren und beschwor aus einem Reißzahn eine Klinge. Der Zwerg griff in seine Taschen, die mit Katalysatoren gefüllt waren, und die Priesterin hielt sich mit beiden Händen an ihrem Priesterstab fest. Die Gruppe platzierte sich in einem Halbkreis um den Eingang.​
»Was machen wir? Dringen wir ein? Dann sollte ich ein schützendes Wunder ...«, sagte die Priesterin, doch der Krieger unterbrach sie.​
»Nein. Diese Ruine ... Dieser Schrein hat vielleicht einen Hintereingang. Was sagt die Karte?«​
»Darauf war nichts verzeichnet«, antwortete der Echsenmensch.​
»Da es sich um eine alte Ruine handelt, können wir davon ausgehen, dass große Teile bereits eingestürzt sind.«​
»Dann werden wir sie ausräuchern.«​
Der Krieger griff in seine Tasche und zog einen faustgroßen Klumpen heraus. Es war ein kleines Bündel Anmachholz, in dem etwas steckte.​
Der verkrampfte Gesichtsausdruck der Priesterin zeigte, dass sie bereits wusste, was es war.​
»Das ist Kiefernharz und Schwefel ...«​
»Der Rauch ist schwer und sinkt nach unten.«​
Der Krieger schlug mit einer Hand gegen den Klumpen und entzündete so die Rauchbombe. Er warf sie geschickt in den Eingang.​
»Auch wenn der Rauch giftig ist, wird er sie nicht töten«, sagte er und zog sein Schwert aus der Scheide.​
»Jetzt heißt es warten.«​
»Deine Methoden sind echt grausam«, meinte der Zwerg seufzend.​
»Sind sie das?«​
»Weißt du das etwa nicht?«​
Grausam hin oder her, seine Methode waren wirksam. Mit schrillen Schreien sprangen kleine Gestalten aus dem verrauchten Eingang hervor. Es waren Goblins.Als der Krieger sah, dass die Goblins lederne Brustpanzer trugen, holte er mit seinem Schwert von oben aus. Ein Schlag. Ein Schrei. Eine Blutfontäne. Er trat gegen den Goblin, in dessen Kopf er die Klinge vergraben hatte, und schnappte sich dessen Waffe. Der Krieger nickte zufrieden: Es war ein kleiner Krummsäbel.​
»Sie sind gut ausgerüstet. Seid vorsichtig.«​
»Das ist für mich kein Abenteuer,«​
»Etwa nicht?«​
»Natürlich nicht.«​
Mit grimmigem Gesicht spannte die Elfe einen Pfeil auf ihren Bogen und schoss ihn ab. Er verschwand im Dunkel des Eingangs, und direkt darauf ertönten drei Schreie.​
»Wenn wir schon gegen Goblins kämpfen, dann doch bitte zumindest in einer Ruine!«​
»Es ist wie immer.«​
Der Echsenmensch sprang heran und versetzte einigen Goblins, die sich am Boden krümmten, den Todesstoß.​
»Du hast Goblintöter eingeladen, was hast du also anderes erwartet?«​
Der Krieger bohrte in diesem Moment den aufgehobenen Krummsäbel tief in die Kehle eines Goblins, zog ihn wieder heraus und warf ihn dann in Richtung des Eingangs. Sofort ertönte ein quietschender Schrei. Seine Handgriffe wirkten geradezu maschinell.​
»Für die paar brauchen wir noch nicht einmal Zauber.«​
Der Zwerg legte einen Stein in seine Schleuder und zertrümmerte mit dem Geschoss den Kopf eines Goblins. Der Krieger hob einen Dolch auf, der einem der getöteten Goblins gehörte und sah eine unbekannte schwarze Flüssigkeit auf der Schneide. Den erschreckten Blick der Priesterin ignorierend, wischte er sie an der Kleidung des Leichnams ab.​
»Spart euch die Zauber auf, bis wir reingehen.«​
Dann richtete er seinen Blick auf den Eingang. Während sich dort bereits ein Stapel von Goblin-Leichen angesammelt hatte, kamen keine neuen Gegner mehr heraus. Hatten die Abenteurer bereits alle erwischt, oder waren einige von ihnen irgendwie entkommen?​
»Goblins sind hartnäckig.«​
Er zog sein eigenes Schwert aus dem Kopf des ersten Goblins und überprüfte die Klinge.​
»Sobald sich der Rauch gelegt hat, gehen wir rein.«​
»Ich sag es noch mal, aber das ist für mich kein Abenteuer«, protestiere die Elfe.​
»Ach, ja?«, entgegnete der Krieger emotionslos.​
»Das zählt nicht!«​
»Alles klar«​
Der Krieger ging in Richtung des Eingangs, und der Rest der Gruppe folgte ihm. Seit sie sich zusammengeschlossen hatten, waren die Sterne bereits die Hälfte ihres sich stetig wiederholenden Weges am Horizont gewandert. Durch die ewigen Kämpfe zwischen Chaos und Ordnung waren zahlreiche vergessene Festungen, Tempel, Ruinen und Höhlen über die ganze Welt verstreut. Häufig dienten sie als Verstecke für Diener des Chaos, die nur darauf warteten, dass ihre Zeit kommen würde. Doch anstatt sich um diese schlummernden Gefahren zu kümmern, betrachteten die Könige der verschiedenen Länder sich argwöhnisch und überließen die Aufgabe der Erkundung solch verlorener Objekte den Abenteurern. In Hoffnung auf Ruhm, Schätze und Reichtum nahmen die meisten Abenteurer die Aufträge an, doch für einen Krieger spielten all diese Dinge keine Rolle. Orcbolg, Bartschneider, Goblintöter. Er trug mehrere Spitznamen.​
»Lasst uns Goblins töten.«​
Er war Goblin Slayer.​
* * *
Es war am frühen Abend, und die Sonne versank bereits am Horizont. Der Hofbesitzer hatte gerade seine Arbeiten an dem Zaun beendet, der zur Abwehr von wilden Tieren diente, und richtete sich auf, als er die stapfenden Schritte hinter sich hörte.​
»Da bist du ja wieder«, murmelte er.​
»Ja. Ich habe meinen Auftrag erledigt«, antwortete Goblin Slayer, der direkt hinter ihm stand.​
»Ach so ...«​
Der Hofbesitzer wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Da man aufgrund des Helms sowieso nicht erkennen konnte, was Goblin Slayer gerade dachte, schaute der Hofbesitzer ihn gar nicht erst an. Er kannte ihn schon seit dessen Kindheit, aber wusste nicht, wie er mit ihm umgehen sollte. Auch wenn er ihn nicht rausschmeißen konnte, wollte er ihn nicht unbedingt um sich haben. Es waren bereits einige Jahre vergangen, seitdem die Goblins die Heimat von seiner Nichte und Goblin Slayer zerstört hatten. Es war ein Unglück, eine regelrechte Katastrophe gewesen, aber Goblin Slayer hatte sie überlebt. Er hatte sie überlebt und sich nicht davon brechen lassen. Das war doch eine gute Sache.​
»Ja«, sagte Goblin Slayer, als wüsste er, worüber der Hofbesitzer gerade nachdachte.​
»Übertreib es nicht immer ... Denk auch an das arme Mädchen ...«​
»Ich werde mich bessern ...«​
»Es ist wirklich nicht einfach mit ihm.«
Der Hofbesitzer wunderte sich, warum er auf jemanden, den eigentlich nichts störte, immer solche Rücksicht nahm. Als hätte er erneut seine Gedanken gelesen, sagte Goblin Slayer:​
»Tut mir leid, aber ich müsste den Schuppen benutzen.«​
»Du brauchst ihn doch immer, wenn du zurückkommst. Du musst das nicht extra anmelden«, entgegnete der Hofbesitzer mürrisch.​
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, verschwand Goblin Slayer hinter dem Kuhstall. Dort ging er an einem Heuhaufen vorbei zu einem alten Schuppen, der schon lange nicht mehr im besten Zustand war. Goblin Slayer hatte mit Mühe und Not die Löcher in den Wänden und im Dach gestopft, und auch wenn er mit seinen Arbeiten nicht angeben konnte, taten sie ihren Zweck. Er hatte sie still und heimlich erledigt, damit die Kuhhirtin nichts davon mitbekam, denn eigentlich hatte sie den Schuppen reparieren wollen. Da aber Goblin Slayer die Person war, die ihn nutzte, war es für ihn selbstverständlich, dass er ihn auch reparierte.​
»Ahl«​
Als Goblin Slayer eine Hand auf die Tür des Schuppens legte, hörte er einen kindlichen Zuruf. Er drehte sich um und sah, wie die Kuhhirtin auf ihn zu gerannt kam.​
»Willkommen zurück! Du könntest doch wenigstens Bescheid geben, wenn du wieder da bist!«​
»Ich wollte dich nicht stören.«​
»Du störst doch nicht.«​
»Ist das so?«​
Die Kuhhirtin blies vor Wut die Backen auf und richtete einen Zeigefinger auf Goblin Slayer.​
»Wenn du das verstanden hast, dann melde dich gefälligst zurück!«​
Nach einem kurzen Augenblick antwortete er leise:​
»Ich bin zurück ...«​
»Willkommen zurück.«​
Die Kuhhirtin lächele strahlend.​
»Das hast du eben schon gesagt«, erwiderte Goblin Slayer schroff, öffnete die quietschende Tür und betrat den Schuppen.​
Die Kuhhirtin folgte ihm hinein, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern.​
»Was ist mit deiner Arbeit?«, wunderte sich Goblin Slayer.​
»Sagen wir mal ... Ich mache gerade eine Pause ...«​
»Ist das so?«​
»Ja.«​
Ohne dem Ganzen weitere Beachtung zu schenken, warf er seine Tasche auf den Boden und entzündete eine kleine Lampe mit seinem Feuerstein. Der Schuppen war gefüllt mit mysteriösen Gegenständen. Es waren Heilmittel, besondere Waffen, Bücher mit unlesbaren Schriftzeichen, Tierköpfe und auch andere Dinge, die die Kuhhirtin nie zuvor gesehen hatte. Wahrscheinlich gab es selbst unter den Abenteurern viele, die sich nicht vorstellen konnten, wofür Goblin Slayer die Objekte wohl einsetzen würde.​
»Das ist gefährlich.«​
»Äh,ja.«​
Nachdem er der neugierigen Kuhhirtin eine Warnung zugeworfen hatte, setzte er sich auf den Boden. Er nahm sein Schwert vom Gürtel und warf es in eine Ecke. Dann zog er sich die Rüstung aus und begann daran zu arbeiten. Die Kuhhirtin beugte sich leicht über seine Schulter und fragte ihn: »Was machst du da?«​
»Ich bessere eine Beule im Helm aus und wechsle die Scharniere der Rüstung. Ich flicke das Kettenhemd, schärfe das Schwert und poliere den Rand des Schildes.«​
»Den Rest verstehe ich, aber warum musst du den Rand des Schildes polieren?«​
»In den richtigen Momenten kann das nützlich sein.« »Hm ...«​
Er arbeitete sehr gründlich. Er schwang den Hammer, nahm einen Beschlag ab und wechselte ihn aus. Dann griff er zu einer gebogenen Nadel, um das Kettenhemd zu flicken. Zuletzt nahm er einen Polier Stein und polierte den Rand des Schildes.​
Wenn Goblin Slayers Waffen kaputt gingen, konnte er sich neue von den erlegten Goblins besorgen, aber bei Rüstungsgegenständen war es anders. Die Biester trugen nur selten Rüstung und selbst wenn, hatte er im Feld nicht die Zeit dazu, sie ihnen auszuziehen und sich selbst wieder anzuziehen. Sowieso konnte ein falscher Treffer bei einer ungepflegten oder kaputten Rüstung schnell tödlich enden, was die Arbeit gerade umso wichtiger machte.​
»Ist das spannend?«, fragte Goblin Slayer die Kuhhirtin, die ihm immer noch aufmerksam bei der Arbeit zuschaute.​
Sie musste kurz kichern, bevor sie ihm antwortete:​
»Irgendwie schon. Ich interessiere mich dafür, was du so machst. Und, wie ist das Abenteuer gelaufen?«​
Sie lehnte sich an Goblin Slayers Rücken, und ihre Augen glitzerten, während sie gespannt auf seine Antwort wartete. Diese fiel wie so häufig sehr kurz aus:​
»Da waren Goblins.«​
»Ach ja?«​
»Ja, sehr viele.«​
Die Kuhhirtin musterte ihn ganz genau und ...​
»Hey!«​
Goblin Slayer spürte, wie sich ihre Arme von hinten um ihn schlossen, und kurz darauf wuschelte sie ihm durch die Haare. Zum ersten Mal, seitdem sie den Schuppen betreten hatten, hörte er auf, sich auf die Arbeit zu konzentrieren, und wandte sich der Kuhhirtin zu.​
»Was ist?«​
»Nichts, Das war bestimmt anstrengend.«​
»Pass auf.«​
»Keine Angst. Ist schon gut.«​
»Nein, ist es nicht.«​
»Ist sonst noch irgendwas Spannendes passiert? An was für einem Ort wart ihr!«​
Er schwieg, lehnte den fertig polierten Schild an die Wand und lies den Blick über ein Regal schweifen. Er griff nach mehreren Fläschchen, einem Paar Lederhandschuhe und einem Mörser. Nachdem er sich die Handschuhe angezogen hatte, öffnete er eins der Fläschchen und schüttete ein paar seltsame Würmer in die Schale des Mörsers. Die Kuhhirtin hinter ihm gab ein angewidertes Geräusch von sich.​
»Nicht anfassen. Die sind giftig«, warnte Goblin Slayer sie.​
»Ich fass die schon nicht an.«​
»Wir waren bei einigen Ruinen im Wald.«​
»Und ihr wart dort, um Goblins zu töten?«​
»Nein.« Er schüttelte den Kopf.​
»Ich wurde von den anderen eingeladen.«​
Während die Kuhhirtin sichtlich überrascht war, kippte Goblin Slayer den Inhalt der restlichen Fläschchen in die Schale. Danach zerstieß er alles und mischte es.​
»Es soll früher eine Stadt gewesen sein.«​
»Erinnerst du dich an ihren Namen?«​
»Nein, der war mir egal.«​
»Nun ja ... Hier im Grenzgebiet gibt es viele davon.«​
Nachdem alles gut durchmischt war, griff er erneut ins Regal und holte eine intakte Eierschale hervor. Er entfernte ihre Spitze und füllte den Inhalt des Mörsers vorsichtig hinein. Ohne den Blick von seiner Arbeit abzuwenden, sagte Goblin Slayer:​
»Eine große ...«​
»Ja?«, unterbrach ihn die Kuhhirtin aufgeregt.​
»Dort war eine große Baumwurzel.«​
»Groß? Wie groß denn?«​
»Sie war größer als du. Es war gar nicht so einfach, sie zu überwinden.«​
»Das war bestimmt toll!«​
Die Antwort der Kuhhirtin klang wie die eines begeisterten Kindes. Sie hatte noch nie solche Dinge gesehen, und es war für sie äußerst aufregend, Goblin Slayers Geschichten zu lauschen. Allerdings wurde sie bisweilen auch ein wenig traurig, dass er so viel welterfahrener war als sie. Nachdem das Ei gefüllt war, wickelte er es in Ölpapier und murmelte:​
»Es war komisch. Die Goblins dort waren zu gut ausgerüstet.«​
»Hm?«​
Die Kuhhirtin legte nachdenklich einen Finger aufs Kinn.​
»Vielleicht sind sie vor der Schlacht letztens geflohen.«​
»Aber warum haben sie keine Wachen aufgestellt?«​
»Wenn du das nicht weißt, weiß ich es erst recht nicht.«​
Sie hob die Arme in die Luft und ließ sich nach hinten fallen.​
»Du machst dich dreckig«, ermahnte Goblin Slayer sie.​
»Ist mir egal. Sag mal, kannst du morgen freimachen?«​
»Nein.«​
Er steckte das fertige Ei in seine Tasche und schüttelte​
den Kopf.​
»Die Gilden Angestellte will etwas von mir.«​
»Ach so ... Schade.«​
»Ja. Es geht wahrscheinlich wieder um Goblins.«​
* * *
»Nein, es geht nicht um Goblins. Äh ... Deswegen müssen Sie doch nicht gleich gehen!«​
Obwohl Goblin Slayer schon die Klinke des Besprechungszimmers in der Hand hatte, drehte er sich noch einmal um. Der Raum war mit prachtvollen Möbeln ausgestattet, und die Wände schmückten alte Waffen, Köpfe von Monstern sowie viele weitere Trophäen.​
»Aber es geht doch nicht um Goblins, oder?«​
»Ähm. Nun ja ... Das stimmt zwar ...«​
Die Gilden Angestellte saß auf einer Bank und schaute ihn an, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen.​
»Aber ohne Sie geht es nicht, Goblin Slayer.«​
Nachdem er für einen Moment geschwiegen hatte, seufzte er leise. Er drehte sich um, ging auf die der Gilden Angestellten gegenüberliegende Bank zu und setzte sich.​
»Dann bringen wir es hinter uns«, sagte Goblin Slayer mürrisch.​
»J ... Ja!«​
Plötzlich stand der Gilden Angestellten die Freude ins Gesicht geschrieben. Sie breitete ihre Unterlagen auf dem Tisch zwischen ihnen aus. Es handelte sich um die Lebensläufe mehrerer Abenteurer. Deren Namen, Volkszugehörigkeit, Geschlecht, Fähigkeiten und bisher erfüllte Aufträge waren darauf notiert.​
»Goblin Slayer, ich möchte Sie bitten, als rang hoher Abenteurer einem Rangaufstiegsinterview beizuwohnen.«​
»Ich soll einem Rangaufstiegsinterview beiwohnen?«​
Innerhalb der Gilde konnten Abenteurer zehn verschiedene Ränge einnehmen. Die Verteilung von Rängen geschah anhand der bisherigen Belohnungen, der Beiträge zur Gesellschaft und dem Charakter der Abenteurer. Die Kombination aller drei Kriterien war auch als Erfahrungspunkte bekannt. Wer genügend Erfahrungspunkte gesammelt hatte, der durfte einen Rangaufstieg beantragen. Um den wahren Charakter eines Abenteurers zu bewerten, wurden dann Rangaufstiegsinterviews durchgeführt, denen hin und wieder ranghohe Abenteurer als Zeugen beiwohnten. Diese Interviews sollten verhindern, dass Abenteurer hohe Ränge nur aufgrund ihrer Stärke erreichten, und machten es für Neuanfänger so gut wie unmöglich, in kürzester Zeit den Silber oder Gold-Rang zu erreichen. Erfolgreiche Abenteurer zeichneten sich in den Augen der Gilde also nicht nur durch Stärke, sondern auch durch vertrauenswürdiges und zuverlässiges Verhalten aus.​
»Aber bin ich dafür überhaupt der Richtige?«, fragte Goblin Slayer verwundert.​
»Was reden Sie denn da? Sie tragen doch den Silber-Rang.«​
»Das hat die Vereinigung entschieden.«​
»Das zeigt, wie dankbar Ihnen alle sind«, erwiderte die Gilden Angestellte ein wenig stolz.​
Nachdem er eine Weile schweigend an die Decke gestarrt hatte, betrachtete Goblin Slayer die Unterlagen und sagte:​
»Wer soll denn bewertet werden?«​
»Vielen Dank! Es geht um die Mitglieder einer Gruppe, die von Stahl auf Saphir aufsteigen möchten. Sie wollen also von Rang acht auf Rang sieben aufsteigen.«​
* * *
»Di.. Diesmal. Diesmal schaffen ... schaffen wir es und steigen auf. Auf jeden Fall!«​
Die Gruppe von Abenteurern wartete auf dem Gang vor dem Besprechungszimmer darauf, dass sie einzeln aufgerufen wurden.​
Einer von ihnen rezitierte murmelnd ein Gebet. Er trug die Kleidung eines Mönches, hielt einen langen Stab in den Händen und besaß trotz seines fortgeschrittenen Alters einen sehr durchtrainierten Körper. Er musste ein Kampfmönch sein. Allerdings zeugten die vereinzelten Haarstoppel, die aus seinem sonst kahlen Kopf hervorschauten, davon, dass er sich in letzter Zeit ein wenig gehen gelassen hatte.​
»Halt die Klappe, alter Mann! Mönch hin oder her. Deine Gebete bringen uns nur Pech«, fauchte ein weiteres Mitglied der Gruppe.​
Es war ein junger Mann, der seinem Äußeren zufolge ein Krieger - genauer gesagt ein Axtkämpfer - sein musste. Er war fürchterlich aufgeregt und stand keine Sekunde lang still. Seine Ausrüstung war nicht verrostet, aber alt und nicht von allzu hoher Qualität.​
»Außerdem hättest du dir für heute mal ordentlich den Schädel rasieren können.«​
»Er hat eine Familie zu ernähren, natürlich will er da beten«, antwortete die Hexe der Gruppe auf das Gemecker des Axtkämpfers.​
Ihre Ohren, die leicht unter der Kapuze der zerrissenen Robe hervorschauten, verrieten, dass sie eine Halbelfe war. Ihr Zauberbuch, das sie in den Händen hielt, war eine alte handgeschriebene Ausgabe, die kurz davorstand auseinanderzufallen.​
»Außerdem werden die Haare heute nicht entscheidend für unser Interview sein.«​
»Ach, kommt. Beruhigt euch. Wir haben nichts davon, wenn wir uns jetzt streiten«, fügte ein kleiner junger Mann hinzu, der nur halb so groß wie die restlichen Gruppenmitglieder war.​
Er trug eine makellose Lederrüstung, an der Hüfte einen Dolch und an den Füßen nagelneue Lederschuhe. Er war ein Späher vom Volk der Rhea.​
»Das mag sein, aber Saphir-Ränge kriegen bessere Aufträge und Belohnungen als Stahl-Ränge«, erwiderte der Axtkämpfer.​
»Wir müssen unsere Schulden so langsam zurückzahlen, und das hier könnte uns das ermöglichen. Wie sollen wir da ruhig bleiben?«​
»Ich sehe das ähnlich. Wenn wir den Aufstieg schaffen, können wir uns endlich vom Ratten jagen in der Kanalisation verabschieden. Außerdem sind Zauberbücher teuer. Wenn Gebete uns helfen, mach ich mit«, stimmte die Hexe dem Axtkämpfer zu.​
Während sie den Späher mit bohrendem Blick anstarrte, fügte sie hinzu:​
»Tu nicht so, als ginge dich das nichts an.«​
Dieser kratzte sich am Kopf und sagte:​
»Nein, ha ha ha Aber ein höherer Rang bedeutet auch gefährlichere Aufträge! Davor hab ich ein wenig Angst ... Schulden habe ich auch keine ...« »Weichei.«​
»Feigling.«​
Auf die Beschimpfungen des Axtkämpfers und der Hexe hin zuckte der Späher nur mit den Schultern.​
»Gut. Der Nächste bitte«, rief die Gilden Angestellte aus dem Besprechungszimmer.​
»Oh, ich bin dran.«​
Mit einem leichten Wippen im Schritt bewegte sich der Späher in Richtung Tür. Bevor er den Besprechungsraum betrat, sagte der Kampfmönch noch mit bettelnder Stimme:​
»Bitte reiß dich am Riemen!«​
»Ja, ich weiß. Nerv nicht«, antwortete der Rhea genervt und klatschte die Tür hinter sich zu.​
»Ah!«​
Als er sah, welche drei Personen in dem Raum auf ihn warteten, gab der Späher einen kleinen Ausruf des Erstaunens von sich. Zuerst einmal befand sich dort die Gilden Angestellte mit dem gleichgültigen Gesichtsausdruck. Zu gern würde er ihr mal den Hintern versohlen und sie so dazu kriegen, mal ein wenig Emotion zu zeigen. Neben ihr saß eine weitere Frau, die in der Uniform der Gilde gekleidet war. Der Späher war sich nicht sicher, ob er sie bereits irgendwo gesehen hatte. Person Nummer drei war ein ranghoher Abenteurer und der Grund, warum er den erstaunten Laut von sich gegeben hatte. Er trug einen billigen Eisenhelm und eine verdreckte Lederrüstung: Auch ohne Schwert und Schild war dem Späher klar, um wen es sich dabei handelte.​
»Go ... Goblin Slayer,«​
»Stimmt was nicht!«​
»Nei ... Nein ...«​
Der Späher verachtete Goblin Slayer nicht. Der Silber- Rang Abenteurer hatte es schließlich mit einfachen Aufträgen geschafft, Rang und Ruhm zu erwerben. Da er selbst fürchterliche Angst vor dem Tod hatte, schien ihm der Weg, den Goblin Slayer eingeschlagen hatte, ein äußerst kluger zu sein. Einzig der Helm, der Goblin Slayer vollkommen emotionslos erscheinen ließ, schreckte den Rhea ein wenig ab. Als der Späher gegenüber von dem Silber-Rang-Abenteurer Platz nahm, merkte er, wie dieser ihn von oben bis unten musterte. Er lachte verlegen und sagte:​
»Äh ... Ahm, kommen wir zur Sache. Es geht um einen Rangaufstieg. Am liebsten würde ich gleich Saphir und Smaragd überspringen und zu Rubin ... nein, gleich zu Bronze aufsteigen«​
»Nein, ein Schritt nach dem anderen«, erwiderte die Gilden Angestellte, während sie die vor ihr liegenden Unterlagen durchblätterte;​
»Ihre Rüstung und Stiefel sind neu, oder? Das stach mir gleich ins Auge.«​
»Ach? Sieht man das?«​
Der Rhea-Späher grinste schelmisch und legte die kleinen Füße auf den Tisch. »Das sind feine Treter. Ich hab sie mir in matt gekauft. Toll, oder?«​
»Sie nehmen als Gruppe Aufträge an und erhalten eine Belohnung. Wieso sind Sie dann viel besser gekleidet als Ihre Kameraden?«, fragte die Gilden Angestellte sehr sachlich und ruhig.​
»Ist das nicht seltsam? Liegt das vielleicht an einem Berechnungsfehler?«​
Obwohl es offensichtlich war, dass der Späher bereits verkrampfte, fuhr die Gilden Angestellte fort:​
»Es ist auch auffällig, dass Sie das einzige Mitglied der Gruppe sind, dessen Auftragsberichte immer etwas vage sind.«​
»Ähm ... Also ...«​
Aufgeregt nahm der Späher die Füße vom Tisch und ließ seinen Blick durch den Raum gleiten. Es wirkte, als würde er einen Fluchtweg suchen.​
»M ... Meine Familie hat mir ein wenig Geld geschickt ...«​
»Er lügt«, sagte die dem Späher unbekannte Gilden Angestellte mit lauter, klarer Stimme.​
Um ihren Hals hing eine Kette mit einem Symbol, das wie die Kombination eines Schwertes und einer Waage aussah.​
»Ich schwöre im Namen des erhabenen Gottes, dass seine Worte gelogen sind.«​
Das Wunder »Lügen erkennen«?! Sie ist eine Inspektorin! Dem Rhea wurde plötzlich klar, warum er sie noch nie gesehen hatte. Sie war nicht nur eine gewöhnlich Gilden Angestellte, sondern auch eine Dienerin des erhabenen Gottes - eine Inspektorin. Wie kann das sein? Stand ich etwa bereits unter Beobachtung? Aber wieso?
Die dem Rhea bereits bekannte Gilden Angestellte kommentierte das Geschehen mit einem leichten Lächeln auf den Lippen: »Wir wissen alles. Sie scheinen nach dem Erkunden einiger Ruinen Ihre Ausrüstung erneuert zu haben. Wahrscheinlich haben Sie zu Ihren Kameraden gesagt, dass sie die Gegend auskundschaften, und haben dann allein eine Schatzkiste geöffnet. Den Inhalt haben Sie dann geheim gehalten und verkauft.«.​
»Hngh ...«​
Sie hatte voll ins Schwarze getroffen.​
Bei der Erkundung von Ruinen waren Fallen meist eine tödlichere Gefahr als Monster, weshalb die Kameraden des Rheas auch nichts Besonderes vermutet hatten, als er ihnen in seiner Rolle als Späher angeboten hatte, vorauszugehen und sich umzuschauen. Er hatte vorsichtig die Ruine betreten, mehrere Ecken kontrolliert und dann eine Schatzkiste gefunden. Sie war von keiner Falle geschützt und einfach zu knacken gewesen, weshalb er in kürzester Zeit einige Dutzend Goldstücke in der Tasche hatte. Da leere Schatzkisten keine Seltenheit waren, entschloss er sich einfach dazu, alles für sich zu behalten.​
»Hä hä hä ...«​
Der Späher setzte den Blick eines gescholtenen Kinds auf. »Es ist so über mich gekommen ... Es tut mir leid.«​
»Wie ärgerlich«, antwortete die Gilden Angestellte und schüttelte den Kopf. »Wegen Personen wie Ihnen werden Späher und Rhea immer misstrauisch behandelt. Nun ja, da es Ihr erstes Vergehen ist, werden Sie nur auf Porzellan herab gestuft und erhalten ein Abenteuerverbot in dieser Stadt.«​
»Mo ... Moment mal! Das ist doch übertrieben!«​
Unbewusst war der Späher aufgesprungen und hatte seine Stimme erhoben. »Nur weil ich eine Schatzkiste unterschlagen habe?!«​
»Was?!«, antwortete die Gilden Angestellte mit eisernem Blick.​
»Nur? Sind Sie schwer von Begriff? Vertrauen kann man mit Geld nicht zurückgewinnen.«​
Wer das Vertrauen anderer hinterging, besaß nicht das Recht, sich als Abenteurer zu bezeichnen. Natürlich war man vielen Gefahren ausgesetzt. Natürlich besaßen viele Abenteurer eine zwielichtige Vergangenheit. Und natürlich benahm sich der ein oder andere Abenteurer daneben. Aber Gefährten zu hintergehen konnte nicht geduldet werden. Abenteurer ähnelten Söldnern, doch die Gilde garantierte deren Vertrauenswürdigkeit. Wenn die Gilde Verhaltensweisen wie die des Rheas tolerierte, würde damit das gesamte System unterwandert. Weil es sein erstes Vergehen war, hatte sie ein Auge zugedrückt und dem Späher die Möglichkeit eingeräumt, woanders noch einmal neu anzufangen. Verstand er das nicht?​
»Wir können auch bekannt geben, dass Sie aufgrund eines Verbrechens herabgestuft wurden. Dann können Sie gern hierbleiben.«​
Der Späher wusste nicht, was er sagen sollte. Verzweifelt dachte er darüber nach, wie er sich aus dieser Situation herausreden konnte: Das machen doch alle ... Nein, das kann ich nicht sagen! Vielleicht, dass jemand mich gezwungen hat?! »Es bringt nichts, sich jetzt Ausreden auszudenken«, sagte die Inspektorin in hartem Ton. Jetzt wissend, dass sie seine Lügen durchschauen würde, blieb dem Späher nur noch ein Ausweg. Er wandte sich Goblin Slayer zu und flehte:​
»I. .. Ich bitte dich! Du bist doch auch Abenteurer!«​
»Mir egal«, antwortete der Silber-Rang-Abenteurer genervt.​
»Ich bin nur Zeuge.«​
»Aber ... du bist doch ...«​
»Du hast die anderen Abenteurer ausgenutzt.«​
Der Späher lief vor Zorn rot an und richtete den Blick auf die Inspektorin und die Gilden Angestellte. Kurz dachte er darüber nach, seinen Dolch zu ziehen und sich auf die beiden zu stürzen. Er würde die beiden kurzerhand erledigen können ... ... allerdings müsste er dafür erst einmal Goblin Slayer überwinden. Als Späher war er Flink, aber nicht flink genug, um ihn zu besiegen. Er wusste: Er hatte keine Chance. Selbst er war nicht so dumm, um es auf einen Kampf mit Goblin Slayer ankommen zu lassen.​
»Ts! Das werdet ihr bereuen!«, warf der Späher in den Raum, bevor er hastig aus dem Besprechungszimmer eilte und die Tür mit einem lauten Knall hinter sich zuzog.​
»Beförderung abgelehnt. Hach. Das war gruselig ...«​
Die Gilden Angestellte sackte erschöpft auf dem Tisch zusammen. Sie wusste genau, was der starre Blick des Spähers bedeutet hatte, und wollte sich gar nicht erst ausmalen, was passiert wäre, wenn Goblin Slayer heute nicht dabei gewesen wäre.​
»Vielen Dank, Goblin Slayer.«​
»Ich hab doch nichts gemacht«, antwortete der Abenteurer kopfschüttelnd.​
Die Gilden Angestellte richtete sich wieder auf und entgegnete: »Das stimmt nicht. Als ich in der Hauptstadt ausgebildet wurde, war es noch härter. Ständig haben die männlichen Abenteurer herbe Zoten gerissen und sich an die Frauen ran gemacht ...«​
»Von denen gibt es in der Hauptstadt viele«, fügte die Inspektorin seufzend hinzu.​
Die Gilden Angestellte nickte ihrer Kollegin zustimmend zu und fuhr fort: »Normalerweise müssen wir als Angestellte der Gilde solche Abenteurer allein interviewen, aber wenn jemand als Zeuge dabei ist, dem man vertrauen kann, fühlt man sich gleich viel sicherer.«​
»Ist das so?«​
»Ja, natürlich.«​
Goblin Slayer schwieg einen kurzen Moment, bevor er kurz darauf aufstand und sagte:​
»Ich geh dann mal.«​
»Sie können sich an der Anmeldung eine Entschädigung abholen.«​
»Okay.«​
Mit stapfenden Schritten ging der Abenteurer zur Tür.​
»Ah, Ähm ...«, stammelte die Gilden Angestellte auf der Suche nach den richtigen Abschiedsworten.​
Mit einer Hand auf dem Türknopf drehte sich Goblin Slayer zu ihr um und fragte:​
»Was?«​
Nicht wissend, was sie sagen sollte, und auch ein wenig beschämt beschloss die Gilden Angestellte, es beim Nötigsten zu belassen:​
»Vielen Dank noch mal.«​
»Ja. Kein Problem.«​
Mit einem Knall flog die Tür zu: Goblin Slayer hatte den Raum verlassen. Die Gilden Angestellte sackte erneut auf dem Tisch zusammen. Die Tischplatte fühlte sich angenehm kühl auf ihrer Stirn an.​
»Puh ...«​
»Gut gemacht.«​
Die Inspektorin setzte einen freundlichen Gesichtsausdruck auf und klopfte ihrer Kollegin sanft auf den Rücken.​
»Aber was wird dieser Späher jetzt wohl machen?«​
»Nun ja ... Abenteurer müssen auch schauen, wie sie über die Runden kommen, und sein Vergehen war noch eine vergleichsweise kleine Straftat. Hoffentlich wird aus ihm jetzt nicht ein absoluter Taugenichts.«​
»Es gibt viele verschiedene Arten von Abenteurern. Von denen, die im Sinne der Gerechtigkeit handeln, bis hin zu jenen, die nichts weiter als Chaos stiften.«​
»Im Grunde hat er sich noch im Toleranzbereich bewegt, aber na ja ... Ich muss dir für deine Hilfe heute danken.«​
Die Inspektorin winkte mit den Händen ab und antwortete:​
»Nein, nein. Als Dienerin des erhabenen Gottes sind Aufgaben wie die heutige meine Pflicht.«​
»Ich weiß, dass ich im Rahmen meiner Befugnisse entschieden habe, aber wie beurteilst du mein Verhalten aus der Sicht des Gottes des Rechts?«​
»Er ist zwar Gott der Gerechtigkeit, aber die meisten verstehen ihn falsch.« Die Inspektorin räusperte sich theatralisch.​
»Wahre Gerechtigkeit besteht nicht darin, das Böse zu bestrafen, sondern dem Täter verständlich zu machen, dass er etwas Böses getan hat. Das Recht ist nur ein Hilfsmittel für ein geregeltes Leben.Nicht mehr und nicht weniger. Deshalb gibt der erhabene Gott auch keine direkten Anweisungen. Man soll nicht einfach nur den Worten der Götter folgen, sondern selbst nachdenken und Entscheidungen treffen.«​
Immer noch auf dem Tisch liegend, richtete die Gilden Angestellte den Blick auf die Inspektorin.​
»Das ist ein hervorragender Gedanke.«​
»Ja, wenn man ihn richtig umsetzen kann. Verglichen mit der Jungfrau des Schwertes habe ich aber noch viel zu lernen.«​
»Mit ihr hast du dir aber ein großes Vorbild genommen.«​
Der Name »Jungfrau des Schwertes« war vor ungefähr zehn Jahren, als die Gilden Angestellte zwölf oder dreizehn Jahre alt gewesen war, zum ersten Mal in aller Munde gekommen. Es war eine Zeit, in der noch keine Platin-Rang-Abenteurer existierten, und zusammen mit einer Gruppe von anderen Gold-Rang-Abenteurern war es einer jungen Frau gelungen, einen wiederauferstandenen Dämonenfürsten zu bezwingen.​
Die Inspektorin seufzte wie ein verträumtes Mädchen und antwortete:​
»Ich bewundere sie. Verglichen mit dem was sie geleistet hat, war das heute nichts. Ich habe schließlich nur das Wunder Lügen erkennen eingesetzt. Wie dem auch sei, es gibt noch viel zu tun, oder?«​
»Neben dem Versetzungsbericht und den restlichen Rangaufstiegsinterviews stehen noch die alltäglichen Aufgaben an.«​
»Lass den Kopf nicht hängen«, sagte die Inspektorin und klopfte der Gilden Angestellten freundschaftlich auf den Rücken. Wissend, dass es nicht an der Zeit war, sich auszuruhen, raffte diese sich mit einem »Okay« wieder auf.​
»Und? War er der Typ, an dem du interessiert bist?«, fragte die Inspektorin mit einem neckischen Grinsen.​
»Ä ... Ähm ...«​
Wirkte das Wunder Lügen erkennen der Inspektorin etwa noch? Mit einem leichten Nicken antwortete sie:​
»J ... Ja, wieso?«​
»Hm ... Ich habs mir schon gedacht. In der Hauptstadt haben dir auch eher die groben Typen gefallen.«​
»Ja, aber ich glaube, dass es keinen Abenteurer gibt, der dickköpfiger ist als er ...«​
Leider - oder aus anderem Blickwinkel betrachtet vielleicht auch glücklicherweise - hatte die Gilden Angestellte während ihrer Zeit in der Hauptstadt niemanden wie Goblin Slayer kennengelernt. Sie war ihm zum ersten Mal begegnet, als sie nach Abschluss ihrer Ausbildung ins Grenzland versetzt wurde. Er meldete sich als neuer Abenteurer an, und sie bezog ihre neue Position. In all der Zeit war er nur einer Aufgabe nachgegangen: der Jagd nach Goblins. Während andere dies misstrauisch betrachteten, war er für sie im Vergleich zu den aufschneiderischen Abenteurern eine erfrischende Abwechselung. Sein Pflichtbewusstsein ist bewundernswert, aber er könnte mich zumindest mal zum Essen einladen ... Kaum hatte sie darüber nachgedacht, schüttelte die Gilden Angestellte den Kopf. Der Gedanke, dass er sie zu einem Essen einladen würde, war komplett abwegig. Ihr hingegen fehlte der Mut, die Sache von sich aus anzustoßen. Dafür bräuchte sie einen besonderen Anlass.​
»Hauptsache, du bist glücklich. Solltest du nicht zurück an die Arbeit?«, fragte die Inspektorin sie.​
»Du hast recht. Ich sollte mit der Träumerei aufhören.« Die Gilden Angestellte setzte sich auf und sortierte ihre Unterlagen. Es gab viel zu tun. Entschieden griff sie zur Feder, tippte sie ins Tintenfass und ...​
»Hey.«​
»Uwaaah!«​
Goblin Slayer betrat plötzlich das Zimmer und erschreckte die Gilden Angestellte so sehr, dass sie einmal quer mit der Feder über das vor ihr liegende Dokument fuhr. Sie sammelte sich kurz, richtete ihre Haare und gelobte sich, dass sie sich irgendwann bei der Inspektorin für das hämische Grinsen revanchieren würde, das diese ihr gerade zugeworfen hatte.​
»Wa ... Was ist denn, Goblin Slayer?«​
»Ist doch klar«, antwortete er und zeigte ihr einen Auftragszettel.​
Hat er ihn von der Tafel? Nein, da hängt gerade kein Goblin Auftrag. Außerdem ist dieses Formular doch ... Ist das etwa ein direkter Auftrag? Die Gilden Angestellte wusste zwar nicht, von wem das Dokument kam, aber sie erkannte einen direkten Auftrag, wenn sie ihn sah. Irgendjemand musste nach Goblin Slayer verlangt haben. Ihren verwirrten Blick ignorierend sagte Goblin Slayer:​
»Es geht um Goblins.«​
* * *
Goblin Slayer saß in der Kneipe der Gilde auf einem Stuhl und erläuterte seinen Kameraden den Auftrag. Dass es erst Mittag war, interessierte die durstigen Kehlen der vielen anwesenden Abenteurer nicht, weshalb bereits eine sehr heitere Atmosphäre in dem Lokal herrschte. Da Abenteurer generell wenig darauf gaben, ob es Tag oder Nacht war, brannte in der Kneipe immer Licht, um sie jederzeit nach einem erschöpfenden Abenteuer willkommen heißen zu können.​
»Die Belohnung ist ein Sack Goldmünzen pro Person. Entscheidet selbst, ob ihr mitkommen wollt.«​
Die Priesterin rieb sich die Schläfen und antwortete:​
»Ich glaube, ich verstehe es endlich. Ich dachte, dass ich es bereits begriffen hätte, aber jetzt hat es erst richtig geklickt.«​
»Ist das so?«​
»Ja, genau«, stimmte die Elfe zu.​
»Wenn ich mich weiterhin jedes Mal über dein komisches Verhalten wundere, macht mein Körper das nicht mehr lange mit.«​
Wahrend der Echsenmensch mit dem Schwanz wedelte und fröhlich auf einem Stück Käse herumkaute, grinste der Zwerg breit, war aber wie geistesabwesend damit beschäftigt, Edelsteine in das Futter seiner Weste zu nähen.​
Die Priesterin zeigte mit ihrem Zeigefinger auf Goblin Slayer, als würde sie ein Kind im Tempel belehren, und sagte:​
»Wie häufig muss ich es noch sagen? Eine Besprechung besteht nicht nur aus einem Ja oder Nein.«​
»Aber ihr habt doch die Wahl.«​
»]a, aber nur ob wir mitgehen oder nicht.«​
»Ist das so?«​
»Ja, so ist es.«​
Goblin Slayer verdrehte leicht den Kopf und die Priesterin war sich nicht sicher, ob er verstanden hatte, was das Problem war.​
»Du gehst doch sowieso allein, wenn wir nicht mitkommen, oder?«, fragte die Elfe.​
»Ja«, antwortete Goblin Slayer, als wäre das selbstverständlich.​
»Dann ist das wirklich keine Besprechung.«​
»Dass er überhaupt mit uns darüber redet, ist schon ein Zeichen der Besserung«, mischte der Zwerg sich ein, während er kritisch seine Arbeit im Licht betrachtete.​
»Ja, er entwickelt sich in die richtige Richtung«, fügte der Echsenmensch schmatzend hinzu.​
»Also können wir selbst entscheiden, was wir wollen?«, fragte die Priesterin, während sie sich seufzend auf ihren Stab stützte.​
»Ja, macht, was ihr wollt«, erwiderte Goblin Slayer nüchtern.​
»Dann werde ich dich begleiten.«​
»Na ja, du bist auch auf mein Abenteuer mitgekommen ...«, sagte die Elfe mit wackelnden Ohren.​
Ungeduldig kontrollierte sie ihren Langbogen, schaute in ihren Köcher und stand auf. Sie warf Goblin Slayer ein selbstsicheres Lächeln zu.​
»Im Austausch für meine Hilfe begleitest du mich auf ein weiteres Abenteuer. In Ordnung?«​
»Ja. Einverstanden.«​
»Aber dieses Giftgasding ist verboten!«​
»Hm ...«​
»Auch kein Feuer oder Wasser!«, ergänzte die Elfte und tippte mit ihrem Zeigefinger gegen Goblin Slayers Helm.​
»Aber ...«​
»Kein Aber!«​
»Vergiss es. Wenn ihre Ohren wie der Schwanz eines Hundes wackeln, dann hört sie auf niemanden mehr«, gab der Zwerg zu bedenken.​
Der Echsenmensch kniff amüsiert die Augen zusammen und leckte sich mit der Zunge über die Nasenspitze.​
»Selbst die schlauen Strategien des geschätzten Goblintöters zeigen bei der werten Waldläuferin keine Wirkung.«​
»Dann halt nicht«, willigte Goblin Slayer ohne weitere Widerworte ein.​
Wenn nicht mehr nötig war, um die Elfe dazu zu bekommen, ihn zu begleiten, würde er nach ihren Regeln spielen. Mit einem Lächeln auf den Lippen nickte die Priesterin der Elfe zu.​
»Es sieht so aus«, sagte der Echsenmensch, »als bräuchtet ihr noch einen weiteren Abenteurer, der Zauber wirken kann.«​
»Hey, hey, Schuppiger«, unterbrach der Zwerg ihn in einem vorwurfsvollen Ton.​
»Was lässt du mich einfach außen vor?«​
»Oh, ich bitte um Verzeihung. Zwei Abenteurer, die Zauber wirken können.«​
Während der Echsenmensch mit den Augen rollte, gab der Zwerg ihm einen freundschaftlichen Stoß in die Seite.​
»Na, wenn du das so sagst, kann ich wohl schlecht ablehnen.«​
Da er fertig mit seiner Arbeit war, packte der Zwerg sein Nähzeug ein. Es war nicht zu erkennen, dass er die Edelsteine in seine Kleidung eingenäht hatte, und er ersparte sich damit die Notwendigkeit, seine Wertgegenstände irgendwo zwischen zulagern. Grinsend fuhr er sich durch den Bart sagte:​
»Ich werde euch begleiten.«​
»Oje«, entgegnete die Elfe mit einem schelmischen Grinsen.​
»Wenn du nicht willst, dann musst du nicht.«​
»Du hast gut reden. Wenn du wieder nur meckern willst, solltest wohl eher du hierbleiben.«​
»Hmpfl«​
Die Ohren der Elfe stellten sich auf. Sie schlug mit beiden Händen auf den Tisch und näherte sich dem Zwerg.​
»Jetzt habe ich endgültig genug von dir! Ich fordere dich zum Duell heraus!«​
»Oho! Mutig, mutig! Sei gewarnt, ich werde mich nicht zurückhalten.«​
Mit einem siegessicheren Lachen stellte der Zwerg zwei Flaschen und zwei Gläser auf den Tisch.​
»Ich trinke Branntwein und du Traubenwein. In Ordnung?«​
»Mach dich auf was gefasst!«​
Noch während sie sich an keiften, füllten die beiden ihre Gläser und stürzten sie in einem Schwung hinunter.​
»Hey! Die trinken um die Wette!«​
»Hi hi hi ... Auf wen setzt du?«​
Natürlich ließen die anderen Besucher der Kneipe sich dieses Spektakel nicht entgehen. Während der Speerkämpfer sich sofort an den Tisch von Goblin Slayer und seinen Kameraden gesellte, nahm die Hexe ihren Hut ab und erklärte sich zum Buchmacher. Mehr und mehr Abenteurer gesellten sich dazu: Die erste, die Goldmünzen in den Hut warf, war die Ritterin.​
»Ich setze drei Goldstücke auf die Elfe!«​
»Hey, du bist aber mutig. Bist du dir sicher?«, erkundigte sich der Panzerkrieger, der neben ihr stand.​
»Ha ha ha, im Namen der Gerechtigkeit setze ich auf den Außenseiter. Der erhabene Gott wird mir ...«​
»Was redest du denn da? Ich dachte Glücksspiel wäre gegen die Regeln des erhabenen Gottes.«​
»Ich bin für den Zwerg.«​
»Nein, ich wette auf das Mädel.«​
»Los! Macht weiter!«​
Die Priesterin beobachtete besorgt, wie ihre Kameraden sich immer weiter rein steigerten, und wandte sich verlegen an Goblin Slayer:​
»Sollten wir sie nicht lieber aufhalten?«​
»Das ist eh nach ein paar Gläsern vorbei«, antwortete dieser gleichgültig.​
Viele der Zuschauer waren sich sicher, dass der Zwerg als erfahrener Trinker die Elfe ohne Probleme in die Tasche stecken würde, aber der Echsenmensch war anderer Meinung:​
»Nein, Die werte Waldläuferin ist dickköpfig. Sie wird nicht so einfach aufgeben.«​
Mit knallrotem Gesicht stürzte die Elfe ihr zweites Glas hinunter und verkündete triumphierend:​
»Noch eins! Ich bin noch lange nicht fertig!«​
Sie hatte noch nicht angefangen, zu nuscheln, und auch ihr Blick war noch klar. Mit einem Klack wurde ihr das nächste Glas vor die Nase gestellt und auch dieses kippte sie mit einem Schwung hinunter. Die Leute begannen zu jubeln. Kurze Zeit später sackte die Elfe sturzbetrunken auf dem Tisch zusammen, und der Zwerg riss mit einem Siegesschrei seine Faust in die Luft. Ihm war vollkommen egal, wie stolz man eigentlich darauf sein könnte, eine Elfe im Wett trinken besiegt zu haben. Er genoss einfach den Moment.​
»Ich bin als Nächstes dran«, sagte die Ritterin und machte Anstalten, sich zum Tisch durchdrängeln, aber der Panzerkrieger hielt sie auf.​
»Du bist eine schlechte Trinkerin.«​
Die drei anderen Mitglieder ihrer Gruppe begannen sofort zu kichern, aber als die Ritterin sah, dass der Speerkämpfer die Ärmel hochkrempelte, stieß sie den Panzerkrieger weg und meinte:​
»Ich werde nicht verlieren.«​
Statt gegeneinander zu trinken, duellierten sich die beiden im Armdrücken, und was als Spaß losging, wurde sehr schnell bitterer Ernst. Das Geschrei war wieder groß. Während der Zwerg sich zum Schiedsrichter erklärte, nahm die Hexe weitere Wetten an. Ein Regen von Goldmünzen fiel in ihren Hut.​
Der Speerkämpfer besiegte die Ritterin und der Panzerkrieger dann den Speerkämpfer.​
»Als Nächstes bin ich dran«, rief der Kriegerlehrling, aber die Heilige in Ausbildung hielt ihn auf. Der Panzerkrieger nickte anerkennend und griff sich den jungen Späher seiner Gruppe, um ihn gegen den Kriegerlehrling antreten zu lassen. Auf Signal des Zwerges begannen sie ihr Duell ...​
»Goblin Slayer ... Sollen wir?«, fragte die Priesterin.​
»]a.«​
Goblin Slayer erhob sich von seinem Platz, ging um den Tisch herum und legte einen Arm um die Hüfte der Elfe.​
»Hmpf ...«​
Er hob sie hoch, doch obwohl sie sehr zart aussah, schnaufte Goblin Slayer unter ihrem Gewicht. Er schaute kurz die Priesterin an, die ihn mit einem Grinsen bestätigte, dass er die Elfe nicht zurücklassen durfte.​
»Sei mir später nicht böse«, murmelte Goblin Slayer leise, griff die Elfe bei den Oberschenkeln und warf sie sich über die Schulter.​
»U ... Mu ...«​
»Ich hab keine Ahnung, was du mir sagen willst.«​
»Mhm. Hihi ...«​
Murmelte sie gerade etwas vor sich hin, oder war das die Sprache der Elfen? Goblin Slayer wusste es nicht, aber auf dem Gesicht der Elfe war ein Lächeln zu erkennen.​
»Ich werde sie auf ihr Zimmer bringen«, sagte er nüchtern zu der Priesterin. »Hilf du ihr bitte beim Umziehen.«​
»Ja! überlass das mir.«​
»Was? Ihr legt sie jetzt einfach so ins Bett?«, fragte der Echsenmensch. »Dann wird sie morgen aber einen sehr starken Kater haben.«​
»Wenn sie morgen noch betrunken ist, kriegt sie von mir ein Gegengift.«​
»Goblin Slayer, das wäre zu viel des Guten«, schimpfte die Priesterin.​
»Das war ein Scherz.«​
Der Echsenmensch und die Priesterin begannen laut zu lachen. Nicht weil der Witz witzig war, sondern weil Goblin Slayer versucht hatte, einen zu erzählen. Es war wirklich selten, dass er so gut gelaunt war.​

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Edward Teach

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Intermission V
Die Götter


An einem weit entfernten, aber dennoch nahen Ort.​
»Fertig!«​
Illusion wischte sich den Schweiß von der Stirn. Stolz betrachtete sie das Labyrinth, das sie auf ein großes Papier aufgemalt hatte. Es war ein Dungeon: Jeder wusste, dass ein Abenteuer ohne Dungeon kein richtiges Abenteuer war.​
»Verdammt.«​
Plötzlich fiel Illusion etwas auf. In einem Dungeon musste es Monster geben, denn sonst war es nichts weiter als ein Labyrinth. Außerdem wären ein paar Fallen gut. Zuerst platzierte sie beliebig einige Goblins, weil Goblins einfach dazugehörten, aber was nun? Sowohl erfahrene Abenteurer als auch Anfänger brauchten passende Gegner, denn sonst kam keine Stimmung auf.​
Während Illusion so vor sich hin grübelte, stieß Wahrheit zu ihr und erklärte:​
»Wie wäre es, wenn du es so machst?«​
Illusion fragte skeptisch:​
»Ist das wirklich in Ordnung? Wenn du dabei bist, passieren immer schreckliche Dinge.«​
Häufig redete Wahrheit den Auftraggebern bösartige Dinge ein, was dazu führte, dass Abenteurer betrogen wurden oder sogar starben. Wenn Abenteurer normalerweise eine Umgebung von zehn Fuß nach Fallen absuchten, platzierte er Fallen elf Fuß von ihnen entfernt. Doch Wahrheit holte ein Buch hervor und sagte:​
»Schau. Hier drin gibt es genügend schreckliche Monster und Fallen!«​
Er berührte die verschiedenen Bilder, die sich darauf magisch in seiner Hand manifestierten. Nach und nach platzierte er Monster und Fallen im Labyrinth, als plötzlich ...​
»Ah!«​
Illusion stieß einen Schrei aus, und Wahrheit lachte schallend.​
»Jetzt muss ich der bösen Sekte nur noch eine passende Prophezeiung geben und es ist perfekt.«​
»Das kann nicht dein Ernst sein ...«, murmelte Illusion, aber es war bereits zu spät.​
Die Würfel waren längst gefallen: Sie waren bereits da.​

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Edward Teach

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Kapitel 15
Goblins töten in der Stadt des Wassers


Die Stadt des Wassers lag zwei Tagesreisen vom Westlichen Grenzland entfernt und war bekannt als die letzte Stadt im Westen des Zentralgebiets. Sie befand sich inmitten eines riesigen Sees, von dem viele Flüsse in verschiedene Himmelsrichtungen abgingen. Das machte sie zu einem wichtigen Knotenpunkt für Reisende und Händler. Ihre kreideweißen Mauern, die im Zeitalter der Götter keine Stadt, sondern eine Festung geschützt hatten, waren allerdings erst zu erkennen, wenn man den dichten Wald durchquert hatte, der den See umgab. Ein Pferdewagen überquerte polternd die Brücke zur Stadt und passierte das Tor, auf dem das Symbol des Gottes des Rechts eingraviert war. Die Kombination aus Schwert und Waage sollte ein Zeichen dafür sein, dass selbst im Grenzland, wo sich viele Halunken und Monster herumtrieben, das Gesetz eine Rolle spielte. Einer alten Wagenspur folgend hielt der Wagen schließlich auf einem Platz. Nach und nach stieg eine Gruppe von Abenteurern von seiner Pritsche.​
»Uwah ... Mein Hintern tut weh ...«​
Die Elfe streckte ihren von der langen Fahrt geschundenen Körper. Die Sonne stand hoch am Himmel und die vielen Läden, die sich auf Proviant für die Reisenden spezialisiert hatten, bereiteten gerade die Mittagsmahlzeiten vor. Süße Backwaren, herzhafte Fleischspieße und viele weitere Köstlichkeiten verströmten ihren Duft. Die Vielfalt der angebotenen Speisen war überwältigend. Doch wer glaubte, hier würden nur Nahrungsmittel verkauft, der irrte sich. Links und rechts versuchten Händler auf die verschiedensten Arten das Interesse potenzieller Kunden zu wecken. Ein Zwerg preiste lautstark seine Waren an, während ein Elf geschwind um vorbeigehende Wesen tanzte und ein Rhea über den Platz flitzte und jeden ansprach, der auch nur für eine Sekunde stehenblieb.​
»Flache Brust, aber breiter Hintern«, antwortete der Zwerg auf die Klage der Elfe.​
»Du solltest besser auf dich Acht geben. Der Zahn der Zeit macht schließlich vor nichts halt.«​
»]a, das sehe ich bereits an dir.«​
»Ha ha ha! Das sagst du, aber die Zwergendamen fliegen nur so auf mich!«​
Nicht wissend, was sie darauf antworten sollte, warf die Elfe dem Zwerg einfach einen wütenden Blick zu.​
»So ... Sollten wir nicht lieber den Auftraggeber aufsuchen?«, unterbrach die Priesterin die beiden Streithähne.​
»Ja«, antwortete Goblin Slayer und zog den Auftragszettel aus seiner Tasche hervor.​
Er sah ziemlich mitgenommen aus. Ohne sich weiter daran zu stören, fuhr Goblin Slayer fort:​
»Wir sollten ihn im Tempel des Rechts treffen können.«​
»Dann müssen wir hier entlang!«, sagte die Elfe freudig.​
»Kennst du den Weg dorthin?«​
»Ich war schon mal in dieser Stadt.«​
Mit der Elfe an der Spitze setzte die Gruppe sich in Bewegung. Die Wege waren gepflastert, und viele kleine Brücken ermöglichten es, die Wasserstraßen zu überqueren, die sich kreuz und quer durch die Stadt zogen. Auf ihrem Weg sahen die Abenteurer viele schön verzierte Gebäude und begegneten mehreren Menschen in prachtvollen Kleidern. Im Vergleich zu der Stadt, aus der sie gekommen waren, war diese eine wahre Großstadt. Die Priesterin sah beschämt an sich hinunter, als sie ihre Kleidung mit der einer modischen Passantin verglich. Auch wenn sie wusste, dass sie als Abenteurerin so etwas nicht tragen konnte, war sie ein wenig neidisch.​
»Aber ... ähm ... gibt es in dieser Stadt denn wirklich Goblins?«​
»Ich glaub schon«, antwortete Goblin Slayer kühl auf die Frage der Priesterin.​
»Oho.« Die Zunge des Echsenmenschen schoss hervor. »Woher kommt diese Zuversicht?«​
»Die Atmosphäre ähnelt der eines Dorfes, das bald von Goblins angegriffen wird.«​
»Die Atmosphäre?« Der Zwerg schnupperte verwundert. »Das versteh ich nicht. Ich kann keine Goblins riechen.«​
»Ihr Zwerge seid echt schwer von Begriff.«​
»Das musst du gerade sagen. Du hast doch auch keine Ahnung, wovon er redet.«​
Während der Zwerg schmollend die Arme verschränkte, wackelte die Elfe vergnügt mit den Ohren.​
»Mein Volk lebt in den Wäldern, also muss ich mich auch gar nicht mit den Gerüchen einer Stadt auskennen.«​
Bevor der Zwerg zu einer Antwort ansetzen konnte, fauchte der Echsenmensch die beiden an: »Reißt euch am Riemen, wir sind hier in einer Stadt.«​
»Ja, ja. Was bist du eigentlich immer so streng mit uns, Schuppiger?«​
»Wenn ihr euch zu benehmen wüsstet, bestände nicht die Notwendigkeit dazu.«​
Die Zunge des Echsenmenschen zischte noch zweimal hervor, und die Priesterin begann zu kichern. Jetzt, wo der Streit unterbunden war, wanderte die Gruppe in aller Ruhe durch die beeindruckende Stadt und bekam dabei so manche Sehenswürdigkeit zu sehen. Während die anderen vier nicht aus dem Staunen herauskamen, untersuchte Goblin Slayer immer wieder aufmerksam die Umgebung.​
»Auch wenn ich mich nicht mit den Gerüchen hier auskenne, werden schon keine Goblins mitten in der Stadt auftauchen, oder?«, murmelte die Elfe.​
»Das weißt du nicht«, antwortete Goblin Slayer in scharfem Ton.​
»So etwas ist schon einmal passiert.«​
Seine Bewegungen sahen aus, als würde er gerade eine Höhle erkunden, Während die an fremde Völker bereits gewöhnten Einwohner dem Rest der Gruppe keine weitere Beachtung schenkten, wurde Goblin Slayer mit kritischen Blicken überhäuft. Die Hochelfe schämte sich für all die Aufmerksamkeit, wusste aber, dass es sinnlos war, ihn auf sein Verhalten hinzuweisen.​
»Und wo ist dieser Tempel nun?«, fragte der Echsenmensch interessiert.​
»Ach, den kann man von hier schon sehen. Schaut. Da drüben.«​
Die Elfe zeigte auf ein prachtvolles Gebäude, das direkt neben einer großen Wasserstraße errichtet worden war. Der Eingang war gesäumt von kreideweißen Marmorsäulen, und darüber prangte das Symbol des Gottes des Rechts die Mauer.​
»Wow ...«​
Für einen kurzen Moment fiel der Priesterin die Kinnlade herunter. Der Tempel der Erdmutter, in dem sie aufgewachsen war, war auch ein beeindruckendes Gebäude gewesen, aber dieser Tempel stellte ihn ohne Probleme in den Schatten. Er war dem Namen des mächtigen Gottes des Rechts würdig.​
»Goblin Slayer. Ist er nicht großartig?«​
»Hm ...«​
Die Priesterin war weniger enttäuscht von Goblin Slayers Antwort als davon, dass sie geglaubt hatte, er würde anders reagieren. Wahrscheinlich sah er in dem Tempel nichts weiter als ein potenzielles Goblin Nest. Schmollend blies sie die Backen auf. Sie wusste selbst, wie kindlich ihr Verhalten war, doch ohne weiter darüber nachzudenken, kam ihr plötzlich ein Gedanke in den Sinn.​
»Ähm, Goblin Slayer?«​
»Was denn?«​
»Ist der Auftraggeber eine Priesterin des erhabenen Gottes?«​
»Nein.«​
Er schüttelte den Kopf.​
»Die Erzbischöfin.«​
»Hä?!«​
Die Priesterin umklammerte fest ihren Stab. Damit hatte sie nicht gerechnet. Die Erzbischöfin war für die Rechtsprechung im gesamten westlichen Grenzland zuständig. Nein, eigentlich noch viel mehr. Sie war weithin bekannt als die Jungfrau des Schwertes.​
* * *
Der Tempel des Rechts war nicht nur ein Ort der Gebete, sondern auch ein Ort, wo Recht gesprochen wurde. Diener des erhabenen Gottes entschieden hier über alle Arten von Vergehen, und selten herrschte Ruhe in seinen Hallen. Weil die Abenteurer von der Erzbischöfin höchstpersönlich einberufen worden waren, wurden sie schnellen Schrittes durch die verschiedenen Warteräume, Gerichtssäle und Lagerräume geführt, bis sie schließlich in einem Altarraum im Innersten des Tempels ankamen. Dort bot sich ihnen ein Anblick wie aus einer Göttersage. Die großen Fenster hinter einer Statue des erhabenen Gottes ließen alles in einem goldenen Licht erstrahlen, und vor dem Altar kniete eine Frau versunken im Gebet. Sie hatte glänzendes blondes Haar, und ihr üppiger Körperbau wurde von einer dünnen weißen Robe verhüllt. Der lange Stab, den sie in den Händen hielt, war dem Symbol des Gottes des Rechts nachempfunden und zeichnete sie als wahrhaftige Vertreterin der Gerechtigkeit aus. Würde man es nicht anders wissen, könnte man leicht dem Glauben verfallen, dass sie selbst eine Gottheit war. Als die Frau hörte, wie sich jemand mit stapfenden Schritten näherte, richtete sie sich auf und drehte sich um. In diesem Moment erkannten die Abenteurer, dass ihre Augen von einem schwarzen Tuch bedeckt waren, doch das änderte nichts an ihrer blendenden Schönheit.​
»Mo ... Moment mal, Goblin Slayer. Sei etwas ruhiger und stapfe nicht so laut ...«, beschwerte sich die Priesterin.​
»Wir haben es eilig. Wir sind schon hier, also warum warten?«​
»Orcbolg ist echt ungeduldig.«​
»Ja, sogar ungeduldiger als jeder Elf.«​
»Hey! Benehmt euch! Dies ist immer noch ein Ort des Glaubens.«​
Laut, gesellig, wild und voller Lebenskraft. Das Verhalten der Abenteurer rief alte Erinnerungen in der Frau hervor. Mit einem Lächeln wandte sie, die Erzbischöfin des erhabenen Gottes, die Jungfrau des Schwertes, sich an die Besucher:​
»Wer seid ihr?«​
»Ich bin gekommen, um Goblins zu vertreiben«, antwortete Goblin Slayer emotionslos.​
Auch wenn so manche Person sein Verhalten wahrscheinlich als anmaßend bewertet hätte, wusste die Erzbischöfin, dass er es nicht so meinte.​
»En... Entschuldigt sein Verhalten. Ähm ... Ich bin sehr erfreut «, stammelte die Priesterin eine Begrüßung hervor.​
Sie war aufgeregt, die Erzbischöfin zu treffen. Seitdem die Jungfrau des Schwertes vor zehn Jahren einen wiederauferstandenen Dämonenfürsten besiegt hatte, war sie eine Berühmtheit. Sie war eine Legende: Sie gehörte nicht zu den Auserwählten, sondern war einfach so aus dem Volk hervorgegangen. Die Priesterin hätte in ihrer Zeit als Tempeldienerin noch nicht einmal zu träumen gewagt, dass sie jemals jemanden wie ihr persönlich begegnen würde. Mit hochroten Wangen und glitzernden Augen verbeugte sie sich und sagte:​
»Also, Ä ... Ähm ... Da ... Danke, dass Ihr uns empfangt ...«​
»Ein ehrenhafter Kämpfer und eine niedliche Priesterin ...«​
Die Priesterin spürte, wie die Jungfrau des Schwertes trotz der Augenbinde ihren »Blick« sanft über sie streichen ließ. Ihr Herz machte einen kleinen Sprung.​
»Und ihr seid?«​
»Wir sind Mitglieder ihrer Gruppe«, antwortete der Echsenmensch und legte seine Hände zu einem Gruß zusammen.​
»Ich bete zwar den fürchterlichen Drachen an, aber bin Euch gern zu Diensten.«​
Auch wenn sein Gruß sich von dem des erhabenen Gottes unterschied, wusste die Erzbischöfin seine freundlichen Bemühungen zu schätzen. Sie schlug mit den Fingern ein Kreuz über der Brust und sagte:​
»Willkommen im Tempel des Rechts. Ich begrüße euch schuppiger Mönch.«​
Die Hochelfe und der Zwerg hatten sich zwar hinter dem Echsenmenschen verbeugt, waren jedoch mittlerweile in Gedanken ganz woanders. Sie flüsterten sich gegenseitig zu:​
»Hmm ... Gar nicht so übel für Menschen.«​
»Ja, da kann man wirklich nicht meckern.«​
Sie betrachteten die prachtvollen Malereien an der Decke des Raums. Diese stellten detailliert eine Schlacht aus dem Zeitalter der Götter dar. Vor einem Hintergrund aus Sternen tanzten Strudel aus Magie. Ordnung kämpfte gegen Chaos und Illusion gegen Wahrheit. Die Götter warfen eckige Objekte und duellierten sich in einem Spiel, dessen Spielbrett diese Welt und dessen Figuren die Bewohner eben jener waren. Aus Ehrfurcht vor den Göttern und ihrer Macht bemühten die sprechenden Völker sich darum, ein rechtschaffenes Leben zu führen. Zwerge und Elfen waren dabei keine Ausnahme: Allerdings vertrauten ihre Völker den Göttern - aufgrund ihrer engen Verbundenheit zu den Naturgeistern - nicht blind. Während viele Zwerge sich zumindest noch zum Gott des Schmiedens hingezogen fühlten, gingen nur die wenigsten Elfen religiösen Berufen nach. Ein sonderlicher Krieger, eine niedliche Priesterin, ein Mönch eines anderen Glaubens, ein Zwergen-Magier und eine Elfen-Waldläuferin. Bei dem Anblick dieser zusammengewürfelten Abenteurergruppe konnte die Erzbischöfin sich ein Kichern nicht verkneifen, doch der Priesterin kam dieses Kichern seltsam vor.​
»Ihr scheint wirklich tapfere Abenteurer zu sein. Das macht uns zu Kameraden. Ich heiße euch willkommen.«​
Die Jungfrau des Schwertes streckte die Arme aus, als würde sie die Abenteurer umarmen wollen. Diese Bewegung hatte zu gleichen Teilen etwas Herzerwärmendes und etwas Anrüchiges an sich, und jeder normale menschliche Mann hätte sich wohl in diesem Moment kurz sammeln müssen, aber ...​
»Genug Geplänkel. Gib mir die Details über den Auftrag.«​
Goblin Slayer interessierte sich für sie nicht im Geringsten.​
»Mo ... Moment mal, Goblin Slayer ...«, die Priesterin war geschockt von der Unhöflichkeit ihres Kameraden.​
»Jetzt reiß dich mal am Riemen. Wie kannst du vor der Erzbischöfin ... ?«​
»Mich stört es nicht.«​
Die Jungfrau des Schwertes schüttelte den Kopf.​
»Ich freue mich, dass ihr fähigen Abenteurer meinem Ruf gefolgt seid.«​
»Hm ...«, brummte Goblin Slayer als Antwort.​
»Dürfte ich dich etwas fragen, Krieger? Könntest du jemanden​
deines Blutes töten, wenn er die Kräfte des Bösen unterstützt?«​
»Nein, ich habe keine lebenden Verwandten.«​
»Ich verstehe ...«​
»Und wo sind jetzt die Goblins?«​
Hinter ihm seufzten seine Kameraden.​
* * *
Bevor sie zu erzählen begann, gab die Erzbischöfin den Abenteurern ein Zeichen, sich auf den Boden zu setzen.​
»Es begann vor ungefähr einem Monat. Spätabends war eine Tempeldienerin auf einem Botengang unterwegs, kam aber nicht mehr zurück.«​
»Hm ... Wurde sie getötet oder entführt?«, fragte Goblin Slayer in nachdenklichem Ton.​
»Am nächsten Morgen wurde ihre Leiche in einer Gasse gefunden. Dem Anschein nach wurde sie bei lebendigem Leibe zerhackt.«​
Obwohl die Jungfrau des Schwertes nicht ins Stocken geriet, erkannte die Priesterin ein leichtes Zittern in ihrer Stimme. War es nur Trauer oder vielleicht auch Angst? Sie konnte es nicht einschätzen.​
»Oh, nein. Wie schrecklich ...«, murmelte sie.​
Die Erzbischöfin antwortete:​
»Auch wenn Mord ein fürchterliches Vergehen ist, passiert es immer wieder, aber diesmal ...«​
»Bei lebendigen Leibe ...«, unterbrach sie Goblin Slayer.​
»Wurde die Leiche bewegt? Wurden Teile von ihr gefressen, oder wurde sie nur getötet? Und ...«​
»Immer mit der Ruhe, Orcbolg. Das ist selbst für dich unsensibel.«​
Der Elfe war das Zittern auf den Lippen der Jungfrau des Schwertes aufgefallen.​
»Fahrt bitte fort, Erzbischöfin.«​
»Es war ein wirklich schrecklicher Vorfall. Einige sagen, dass die Niederlage von Recht und Ordnung bereits seit der Erschaffung dieser Welt besiegelt ist, und es erscheint wirklich, als wäre das Böse unbesiegbar ...«​
Die Jungfrau des Schwertes faltete die Hände und sprach ein kurzes Gebet. Zwar stand der Tempel des Rechts in der Stadt des Wassers, aber das hieß nicht, dass die Stadt frei von Verbrechen war. Ihre Nähe zum Grenzland, welches das Zuhause vieler Monster und Schurken war, sorgte immer wieder für Probleme, und selbst das Licht des erhabenen Gottes reichte nicht aus, um all ihre Einwohner vor Unheil zu schützen. Nachdem die Erzbischöfin ihr Gebet beendet hatte, stellte der Echsenmensch eine Frage:​
»Also führten die ersten Untersuchungen zu keinen Ergebnissen?«​
»Ja ... Wir tappten im Dunkeln. Wir wussten nicht, ob es einfache Gauner, Agenten des Bösen oder Anhänger einer Sekte waren. Obwohl die Stadt eigentlich immer sehr belebt ist, waren keine Zeugen der Tat zu finden. Während die Stadtwache sich auf die Suche nach dem Täter machte, nahmen die Straftaten immer weiter zu. Raub, Überfälle, Gewalt gegen junge Frauen und sogar Entführungen von Kindern.«​
»Hmpf ... Das gefällt mir nicht«, murmelte Goblin Slayer.​
»Was gefällt dir schon, Bartschneider?«​
Der Zwerg machte der Erzbischöfin mit einer Handbewegung klar, dass sie nicht weiter über sein Verhalten nachdenken sollte, und fragte:​
»Aber das ist noch nicht das Ende der Geschichte, oder?«​
»Ja ... Da die Stadtwache keine Spuren finden konnte, kam sie zu dem Schluss, man müsste die Täter auf frischer Tat ertappen. Um in der Stadt flächendeckend patrouillieren zu können, gaben wir Abenteurern den Auftrag, die Stadtwache zu unterstützen. Sie hatten die Anweisung, alles zu verfolgen, was ihnen verdächtig vorkam. Es war kein sonderlich eleganter Plan, aber er hatte Erfolg. Eine Gruppe von Abenteurern sah, wie eine Frau von einer kleinen Gestalt angegriffen wurde. Sie streckten den Angreifer nieder und fanden heraus, dass es ein Goblin war.«​
»Also doch.«​
Nachdem er still zugehört hatte, bekundete Goblin Slayer jetzt sein Interesse.​
Wahrend der Zwerg sich durch den Bart fuhr und seufzte, überlegte die Priesterin laut:​
»Hm ... Aber wie ist der Goblin in die Stadt gekommen? Er wird doch nicht durchs Stadttor stolziert sein.«​
»Er wird wahrscheinlich einen Wasserweg benutzt haben«, antwortete Goblin Slayer.​
»Aber ein einzelner Goblin kann nicht solch einen Schaden anrichten, oder?«, fragte die Elfe.​
Goblin Slayer wandte sich dem Echsenmenschen zu:​
»Was denkst du?«​
»Goblins halten sich gern unter der Erde auf. Diese Stadt wurde auf den Überresten einer alten Festung errichtet, also gibt es sicher unterirdische Ruinen.«​
»Dann bin ich mir sicher«, sagte Goblin Slayer entschieden. »Wenn ich ein Goblin wäre, würde ich mein Lager in der Kanalisation aufschlagen.«​
»Du denkst echt wie eins dieser Viecher ...«, kommentierte die Elfe nüchtern seine Aussage.​
»Natürlich. Wer sie nicht versteht, der kann auch nicht gegen sie kämpfen.«​
Die Jungfrau des Schwertes hielt kurz inne, aber nickte dann entschieden.​
»Es war bestimmt der Wille Gottes, der euch zu mir geführt hat. Auch wir sind nach einem Monat zu der Ansicht gelangt, dass sie unter der Erde sein müssen. Wir haben Abenteurern den Auftrag erteilt, Nachforschungen anzustellen.«​
»Und haben sie dort ein Goblin Nest gefunden?«, fragte die Priesterin aufgeregt.​
Die Jungfrau des Schwertes schüttelte als Antwort nur langsam den Kopf, aber die Priesterin verstand sofort, was sie ihr sagen wollte. Die Abenteurer waren nie zurückgekehrt. Die Priesterin musste sich unwillkürlich daran erinnern, was mit den Kameraden ihrer ersten Abenteurergruppe passiert war. Ihr war für einen kurzen Moment, als stiege ihr der faulige Geruch der Höhle erneut in die Nase. Zum Glück rissen die Worte der Erzbischöfin die Priesterin aus ihren Gedanken.​
»Kurz darauf hörte ich ein Lied über Goblin Slayer, den Helden des Grenzgebiets.«​
»Ein Lied?«, murmelte Goblin Slayer verständnislos.​
»Wusstest du das nicht? Es wird über dich gesungen, Orcbolg!«​
Die Elfe wedelte mit einem Zeigefinger durch die Luft.​
»Allerdings ist es etwas enttäuschend, wenn man auf die reale Variante trifft.« »Mir egal.«​
»Das sollte es dir nicht sein«, ermahnte der Echsenmensch den Krieger. »Diese Balladen bestimmen, wie man sich an dich erinnert.«​
»Ja, und?«​
»Bartschneider, sieh es so: Wenn mehr Leute von deinen Taten hören, bekommst du mehr Goblin Aufträge«, sagte der Zwerg und klopfte sich auf den Bauch.​
»Aha ...«​
Goblin Slayer richtete seinen Blick zurück auf die Jungfrau des Schwertes. Trotz ihrer Augenbinde schien es einen kurzen Moment lang so, als würden sich die Augen der beiden treffen.​
»Ich bitte euch. Bitte, rettet unsere Stadt vor diesem Unheil«, bat die Erzbischöfin mit einer tiefen Verbeugung.​
»Ich weiß nicht, ob wir die Stadt retten können, aber die Goblins werden wir töten«, erwiderte Goblin Slayer in kaltem Ton.​
Die Priesterin begann erneut mit ihm zu schimpfen:​
»Goblin Slayer! Drück dich doch bitte etwas gewählter aus!«​
»Aber es ist doch so.«​
»Trotzdem ist gutes Benehmen wichtig!«​
»Hm ...«​
Mit ernstem Ton wandte sich der Echsenmensch an den Krieger:​
»In der Kanalisation wirst du deine normalen Tricks nicht benutzen können, werter Goblintöter.«​
»Es gefällt mir nicht, wie du sie als normal bezeichnest«, entgegnete die Elfe. Nach einem herzhaften Stoß in Goblin Slayers Seite sagte sie zu ihm:​
»Die sind seltsam, nicht wahr, Orcbolg?«​
»Ja, aber wir müssen die Goblins vollständig auslöschen. Uns darf keiner entkommen.«​
»Da stimme ich dir zu, aber da wir unter der Stadt kämpfen werden, können wir keinen deiner komischen Tricks benutzen. Sonst gefährden wir die Leben der Einwohner. Verstehst du?«​
Auch wenn die Elfe Goblin Slayer gerade belehrte, wusste sie, dass er sich bereits gebessert hatte. Als sie ihn kennenlernte, steckte er noch ganze Festungen an, bespritzte andere mit Goblin Eingeweiden und bediente sich dreckiger Strategien, die denen der Goblins in so gut wie nichts nachstanden.​
»Feuer, Wasser, Gift und Eingeweide sind verboten!«​
»Ich hab dir doch schon gesagt, dass ich all das nicht einsetzen werde.«​
Die Elfe hatte diesen Tonfall bisher nur gehört, wenn Goblin Slayer mit der Priesterin schimpfte. Sie gab ein kurzes »Hmpf« von sich und wackelte unzufrieden mit den Ohren.​
Die kurze Auseinandersetzung der beiden ignorierend, wandte der Echsenmensch sich mit einer Frage an die Erzbischöfin:​
»Warum kümmert sich nicht die Wache oder das Militär um dieses Problem? Fällt solch eine Aufgabe nicht in ihr Gebiet?«​
Da die Jungfrau des Schwertes schwieg, entschied sich Goblin Slayer dafür, an ihrer Stelle zu antworten:​
»Sie sind sich zu fein, um wegen ein paar Goblins auszurücken.«​
Es war äußerst beschämend für die Erzbischöfin, aber der Krieger hatte voll ins Schwarze getroffen. Neben dem Umstand, dass die Wachen und Soldaten nicht gewillt waren, solchen Aufgaben nachzugehen, war es auch ein Kostenproblem. Die Ausbildung und die Ausrüstung der Wachen kosteten viel Geld, und außerdem musste die Stadt Entschädigung zahlen, wenn sie im Rahmen ihrer Arbeit verletzt oder sogar getötet wurden. Abenteurer hingegen waren für sich selbst verantwortlich und mit keinem weiteren Aufwand verbunden als die Belohnung, die sie erhielten, wenn sie einen Auftrag erfolgreich ausführten.​
»Tja, da kann man nichts machen. Außerdem haben sie bestimmt auch noch ein wenig mit den Überresten der Armee des Dämonenfürsten zu tun«, sagte der Zwerg und strich sich durch den Bart.​
»Damit bleibt die Goblin Jagd wohl weiterhin eine Aufgabe für Abenteurer ...«​
»Meine Güte ... So ein Theater und das nur wegen ein bisschen Geld und Verwaltungsaufwand«, fügte der Echsenmensch seufzend hinzu.​
Fast wie bei einem Schuldbekenntnis murmelte die Erzbischöfin:​
»Es ist beschämend, aber ja, so ist es. Barmherzigkeit wird nur einigen wenigen Bettelnden gewährt. Es gibt so viel Leid in der Welt, aber Rettung ist dennoch ...«​
Goblin Slayer unterbrach sie:​
»Das interessiert mich nicht. Sag uns lieber, wie wir in die Kanalisation kommen.«​
Langsam drehte sich die Jungfrau des Schwertes dem Kämpfer zu, doch antwortete nicht.​
»Hast du mich nicht gehört?«, fragte dieser ungeduldig.​
»Oh, ja. Entschuldige bitte«, antwortete sie, als wäre sie gerade vollkommen in Gedanken versunken.​
Sie griff in den Ausschnitt ihrer dünnen Robe und zog ein Schriftstück hervor. Es handelte sich um eine alte Karte der Kanalisation.​
»Am einfachsten wäre es für euch, über den Brunnen im hinteren Garten des Tempels in die Kanalisation herabzusteigen.«​
Nachdem sie die Karte aufgefaltet hatte, fuhr die Jungfrau des Schwertes mit der Hand darüber, und das alte Pergamentpapier gab knackende Geräusche von sich.​
»Den Umständen halber möchte ich euch bitten, hier im Tempel zu übernachten, bis der Auftrag abgeschlossen ist.«​
Anstatt zu antworten, studierte Goblin Slayer die Karte. Sie war vergilbt und die Zeit hatte ihre Spuren darauf hinterlassen, aber dennoch vermittelte sie klar, wie weitläufig und verwirrend die Kanalisation war.​
»Das gleicht ja einem Labyrinth«, sagte die Priesterin.​
Schon jetzt konnte sie sich unzählige Stellen vorstellen, wo die Goblins sich eingenistet haben könnten. Dies würde ein schwieriger und durchaus gefährlicher Auftrag werden.​
»Bin ich etwa die Einzige, die sich ein wenig fürchtet?«​
Um sich zu versichern, sah die Priesterin in die Gesichter ihrer Kameraden, aber sie wusste nicht, wie sie deren Gesichtsausdrücke deuten sollte. Goblin Slayer fragte derweil:​
»Stimmt die Karte überhaupt noch?«​
»Sie stammt zwar aus der Zeit, als der Tempel gebaut wurde, aber da das Wasser weiterhin unbehindert durch die Stadt fließt, scheint die Kanalisation nicht allzu stark beschädigt zu sein. Deshalb sollte sie größtenteils noch korrekt sein«, antwortete die Erzbischöfin.​
»Verstanden.«​
Goblin Slayer faltete die Karte zusammen und warf sie hinter sich. Der Echsenmensch fing sie geschickt auf.​
»Du übernimmst das Kartenlesen.«​
»]a, in Ordnung.«​
»Die Zeit ist knapp. Wir gehen.«​
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, stand Goblin Slayer auf und ging in Richtung Ausgang. Seine Kameraden schauten sich kurz an und nickten sich dann zu.​
»Tja, typisch Orcbolg«, sagte die Elfe und sprang auf.​
Sie hing sich ihren Langbogen über die Schulter, überprüfte ihren Köcher und eilte dem Krieger hinterher. Der Echsenmensch nahm die Karte kurz in Augenschein und steckte sie dann vorsichtig in eine seiner Brusttaschen.​
»Es scheint, als gäbe es Ruinen in der Kanalisation. Wahrscheinlich sollten wir uns erst einmal die anschauen.«​
»Ja, aber übernimm du lieber die Führung. Auf das Langohr können wir uns nicht verlassen.«​
Nachdem der Zwerg und der Echsenmensch sich kurz auf den Rücken geklopft hatten, standen sie auf.​
»Dann entschuldigen wir uns«, verabschiedete sich der Echsenmensch höflich und verließ zusammen mit dem Zwerg den Raum.​
Die Priesterin stand als Letzte auf, überprüfte ihre Ausrüstung und verbeugte sich tief vor der Jungfrau des Schwertes.​
»Werte Erzbischöfin, ich breche auch auf.«​
»Diese ...«​
Die Priesterin hatte sich bereits umgedreht, als die Jungfrau des Schwertes sie ansprach. Sie wandte sich ihr wieder zu.​
»Wie bitte?«​
»Diese Frage mag etwas unhöflich erscheinen, aber hast du keine Angst?«​
Die Priesterin wusste nicht, wie sie antworten sollte. Die Jungfrau des Schwertes hatte ihr die Frage in einem ruhigen und warmen Ton gestellt, aber ihr Gesicht war frei von jeglicher Emotion. Die Priesterin entschied sich, die Wahrheit zu sagen.​
»Doch. Natürlich habe ich Angst.«​
Sie hatte ständig Angst, seitdem sie zu ihrem ersten Abenteuer aufgebrochen war, doch mit der Zeit hatte sich ihre Angst verändert. Sie dachte an ihre Kameraden: den gewaltigen Echsenmensch, den Krieger mit seiner billigen Ausrüstung, den runden Zwerg und die schlanke Elfe. Sie hoffte, dass nie einer von ihnen zu Schaden kommen würde.​
»Aber ich bin mir sicher, dass alles gut gehen wird.«​
Ohne dass sie es bemerkte, legte sich ein Lächeln auf ihre Lippen.​

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Edward Teach

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Intermission VI
Die beiden zu jener Zeit


»Ja, alles scheint korrekt zu sein. Vielen Dank, dass Sie jedes Mal die Lieferung persönlich bringen.«​
»Nichts zu danken. Das ist nun mal ein Teil meiner Aufgaben.«​
»Es ist eine wahre Freude, mit Ihnen zusammenzuarbeiten.​
Nicht nur sind die Lebensmittel unheimlich köstlich, sondern auch noch unschlagbar günstig.«​
»Ha ha ha ... Ich freue mich, dass nach dem Vorfall im Frühling alles wieder etwas ruhiger geworden ist. Hach ...«​
»Oje, warum seufzen Sie? Wollen Sie noch einmal über die Preise verhandeln?«​
»Ach, nein ... Es ist ein wenig seltsam, dass er weg ist, oder?«​
»Ja, aber es wird ihm sicher nichts passieren.«​
»Das glaube ich auch. Mich beschäftigt allerdings etwas anderes.«​
»Nämlich?«​
»Er ist mit zwei weiblichen Abenteurern in einer großen Stadt ... Dort gibt es viele Orte, an denen man sich vergnügen kann ...«​
»J ... Ja, aber er hat doch auch männliche Begleiter. Sowieso ist er doch nicht der Typ für so etwas ...«​
»Das stimmt allerdings ...«​
»In den Geschichten heiraten Abenteurer doch immer Frauen, die sie gerettet haben, oder?«​
»Ja, stimmt.«​
»Aber passiert das wirklich so häufig?«​
»Eine Seltenheit ist es nicht. Weibliche Abenteurer haben allerdings meistens Probleme damit, einen Partner zu finden.«​
»Was denken die Frauen, die er rettet, wohl von ihm?«​
»Hm ... Vielleicht, dass er der beste Goblin Jäger des Grenzlandes ist?«​
»...«​
»Möchten Sie einen Tee?«​
»Ja, gerne.«​
»Es findet bald das Erntefest statt, nicht wahr?«​
»Das werde ich mir nicht entgehen lassen.«​
»Ich mir auch nicht.«​
Die beiden hatten sich entschieden.​

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KAPITEL 16
Zufallsbegegnung


Ein ohrenbetäubender Schrei hallte durch die Tunnel der Kanalisation. Goblin Slayer hatte mithilfe eines Beils den Kopf eines Goblins gespalten. Ohne zu zögern trat er die Leiche in den Kanal aus Schmutzwasser, der durch die Mitte des Tunnels floss. Kurz darauf war sie verschwunden.​
»Ich glaube, das war der Letzte.«​
Der Echsenmensch war herumgegangen und hatte sichergestellt, dass alle Goblins wirklich tot waren. Jetzt seufzte er und wischte das Blut von seiner Klinge. Im flackernden Licht der Fackel, die die Abenteurer in ihre Mitte geworfen hatten, waren sowohl frische Goblin Leichen als auch verweste Überreste von Abenteurern zu sehen.​
»Nein, noch nicht.«​
Die Elfe hatte einen fliehenden Goblin Bogenschützen entdeckt und schickte ihm einen Pfeil hinterher. Wie ein magisches Geschoss verfolgte dieser den Goblin um eine Ecke und bohrte sich in seinen Schädel. Die Gruppe der Abenteuer hörte einen kurzen Schrei und ein platschendes Geräusch.​
»Das war der Letzte.«​
»Puh ... Gute Arbeit.«​
Ihren Stab immer noch fest umklammernd atmete die Priesterin erleichtert aus. Sie hatte sich bereitgehalten, um im Notfall ein Wunder zu wirken, aber zum Glück war das nicht nötig gewesen.​
»Wer hätte gedacht, dass es so viele sind.«​
»Ich«, sagte Goblin Slayer während er grob an der Leiche eines Abenteurers zog.​
Sie war bereits so stark verwest und von Ratten zernagt, dass nicht mehr zu erkennen war, ob es sich um die Leiche eines Mannes oder einer Frau handelte. Goblin Slayer störte das jedoch nicht im Geringsten, und er machte sich daran, sie zu plündern. Das verrostete Kettenhemd und der kaputte Helm waren unbrauchbar - auch ihre Tasche war leer. Das Langschwert schien jedoch im guten Zustand zu sein, weshalb er es an sich nahm, auch wenn es für seinen Geschmack zu lang und zu schwer war.​
»Der Ausrüstung zufolge war die Person hier wohl ein Krieger. Er geriet in einen Hinterhalt und wurde von einem Schlag an den Kopf getötet. Es muss so schnell gegangen sein, dass er noch nicht einmal seine Klinge ziehen konnte.«​
Mit einem »Gut« richtete Goblin Slayer sich wieder auf.​
Seufzend sagte die Priesterin:​
»Ich würde jetzt nicht das Wort - gut - benutzen. Darf ich?«​
»Ja.«​
Goblin Slayer drehte die Leiche auf den Rücken und die Priesterin kniete sich daneben. Ihr war es egal, dass ihre weiße Kleidung dabei schmutzig wurde.​
»Höchst barmherzige Erdmutter. Bitte führe mit deinen Händen die Seelen derer, die diese Erde verlassen haben.«​
Mit geschlossenen Augen und dem Stab fest im Griff rezitierte sie die heiligen Texte. Ihre Worte klangen wie leiser Gesang, der die Götter darum bat, die Seelen der toten Abenteurer und Goblins zu retten.​
»Ich hätte sie gern über der Erde begraben«, sagte der Echsenmensch, der die Hände zu einem besonderen Zeichen zusammengelegt hatte.​
»Es wäre schön, wenn sie als Nahrung für Ratten und Würmer ihren Weg zurück in den Kreislauf des Lebens finden.«​
Auch wenn beide unterschiedliche Gottheiten anbeteten und unterschiedliche Lehren verfolgten, beteten sie für das Seelenheil der Verstorbenen. Als sie mit ihren Gebeten fertig waren, blickten die Priesterin und der Echsenmensch sich zuversichtlich an. Sie waren sich sicher, dass ihre Gebete von einem der Götter erhört würden. Während die Elfe die beiden mit einem Auge beobachtete, zog sie einen ihrer Pfeile aus einer Goblin Leiche. Sie überprüfte die Spitze und steckte ihn zurück in ihren Köcher. Als sie Goblin Slayers kritischen Blick bemerkte, sagte sie:​
»Nur damit du es weißt, ich mache dich hier nicht nach. Es wird ein langer Kampf und ich will keine Goblin Pfeile benutzen müssen. Die sind so primitiv.«​
»Ist das so?«​
»Ja!«​
»Na dann.«​
Der Zwerg hatte seine Hand noch immer in der Tasche mit den Katalysatoren, die er für seine Zauber benötigte, aber sein Blick war in die tiefe Dunkelheit des Tunnels gerichtet. Da er an das Leben unter der Erde gewöhnt war, hätte er sich selbst ohne Fackel hier unten zurechtfinden können.​
»Es ist wirklich schwer einzuschätzen, wie viele von ihnen in diesen Gewölben sind.«​
Es war bereits der dritte Tag ihrer Erkundung der Kanalisation, und allein heute waren sie fünf Mal angegriffen worden.​
* * *
Für die Abenteurer fühlte es sich an, als wäre die gesamte Kanalisation mittlerweile ein Goblin Nest. Die fiesen Biester nutzten die labyrinthartige Struktur der Tunnel zu ihrem Vorteil: Man konnte sich nie sicher sein, wann und wo sie als Nächstes angreifen würden.​
»Kaum zu glauben, dass dies alltäglich für Abenteurer sein soll, die in Labyrinthstädten wohnen.«​
Die Gruppe war erschöpft: Dass der sonst so standhafte Echsenmensch sich beschwerte, war der beste Beweis dafür. Die Notwendigkeit, immer wachsam zu sein, und die verwirrende Umgebung belasteten die Abenteurer unheimlich.​
»Keine Sorge«, murmelte Goblin Slayer, der aufmerksam die Umgebung untersucht hatte.​
»Das hier sind Steinwände. Wenigstens können sie keine Tunnel graben und uns von der Seite überraschen.«​
»Erinnere mich nicht daran ...«, beschwerte die Priesterin sich mit einem nervösen Gesichtsausdruck. Sie wollte in so einer Situation nicht darüber nachdenken, was damals passiert war.​
»Tut mir leid.«​
»Ist schon gut.«​
Um das Thema zu wechseln, sagte der Zwerg:​
»Zumindest müssen wir mit dem ganzen Müll hier unten nicht unseren Geruch verdecken.«​
»Hey! Erinnre mich jetzt nicht daran!«​
Goblin Slayer hatte bei der Erkundung einer Ruine die Kleidung der Elfe mit den Körpersäften und Gedärmen eines Goblins eingerieben. Auch wenn sie seitdem alles etliche Male gewaschen hatte, musste sie sich immer noch beim Gedanken an den Gestank schütteln.​
»Orcbolg, wenn du das je wieder machst, kriegen wir beide richtig Ärger.«​
Goblin Slayer atmete einmal tief ein und aus, als ob er die Gerüche überprüfte, die in der Luft lagen, und antwortete ihr nüchtern:​
»Diesmal besteht zumindest kein Bedarf.«​
»Hmpf ... Moment mal! Da fällt mir wieder was ein!«​
»Was denn?«​
»Du hast dich dafür bei mir noch nicht entschuldigt!«​
»Warum auch?«​
Die Elfe blähte schmollend die Backen auf, bevor sie etwas bemerkte. Neugierig richtete sie ihren Blick nach oben.​
»Was ist los, Langohr?«, fragte der Zwerg.​
»Irgendwas ist komisch ... Höre ich etwa Wasser über uns?«​
Kaum hatte die Elfe ihre Frage ausgesprochen, waren erst ein, dann zwei, dann drei Plitsch Geräusche auf dem Wasser des Kanals zu hören.​
»Hm?«​
Der Echsenmensch leckte sich verwundert über die Nasenspitze, und plötzlich wurde aus den Plitsch Geräuschen ein Rauschen.​
»Ist das etwa Regen?«, fragte die Priesterin.​
Die Elfe versuchte, sich mit den Händen vor den Tropfen zu schützen, und fügte hinzu:​
»Wie kann das hier unter der Erde sein?«​
»Wahrscheinlich regnet es an der Oberfläche, und das Regenwasser kommt durch die Abflüsse hierher«, erklärte der Zwerg.​
»Was denkst du, Bartschneider?«​
»Das ist gar nicht gut«, sagte Goblin Slayer, während er versuchte, seine Fackel mit dem Schild zu schützen.​
»Jetzt müssen wir eine Laterne benutzen, wir rutschen leichter aus und außerdem laufen wir Gefahr, dass wir nass werden und uns unterkühlen.«​
Der Echsenmensch nickte und schlug vor, dass sie eine kurze Pause einlegen sollten. Da alle zustimmten, suchten sie in einem der kleinen Nebentunnel, in dem es nicht so stark regnete, Zuflucht. Da sie keine Zeltplane dabei hatten, zogen die Abenteurer sich ihre Mäntel aus Kammgarn an und setzten sich in einen Halbkreis. Mithilfe der fast erloschenen Fackel zündete Goblin Slayer eine Laterne an, die die Priesterin mitgebracht hatte.​
»Orcbolg, warum benutzt du eigentlich sonst keine Laternen?​
Wenn man sie an den Gürtel bindet, hat man beide Hände frei«, fragte die Elfe neugierig.​
»Fackeln kann man als Waffe benutzen. Laternen hingegen gehen leicht kaputt.«​
»Ach so ...«​
Goblin Slayer störte sich nicht an den Regentropfen, die auf seinen Eisenhelm tropften, und ließ den Dreckwasser-Kanal, der in dem großen Tunnel vor ihnen lag, keine Sekunde lang aus den Augen.​
»Goblin Slayer, solltest du nicht deinen Helm ausziehen?«, fragte die Priesterin.​
»Nein, wir wissen nicht, wann sie wieder angreifen.«​
»Bartschneider, ich habe mir das schon häufiger gedacht.aber du solltest besser mit deiner Ausrüstung umgehen.«​
Der Zwerg holte eine Flasche und ein paar Schalen aus seiner Tasche und schüttete jedem etwas Branntwein ein.​
»Hier, trinkt. Der wärmt von innen.«​
»Ich ...«​
»Ja, ich weiß. Nur einen Schluck. Ich mach das nicht, um dich zu ärgern.«​
Die Elfe führte die Schale vorsichtig an die Lippen und nippte kurz an dem Branntwein, nur um ihr Gesicht sofort zu einer Grimasse zu verziehen.​
»Urgh!«​
»Du bist so ein Kind.«​
Die Priesterin fragte besorgt:​
»Alles in Ordnung?«​
»Al, .. Alles okay. Ich pass schon auf, dass ich es nicht übertreibe. Eine betrunkene Waldläuferin hilft schließlich keinem.«​
Auch die Priesterin hatte ihre lieben Probleme mit dem hochprozentigen Getränk und schlürfte es wie eine bittere Medizin. Im Gegensatz zu den beiden anderen kippte der Echsenmensch seinen Branntwein in einem Schwung hinunter.​
»Ja, das schmeckt ganz hervorragend. Am liebsten würde ich davon gleich ein ganzes Fass trinken.«​
»Selbst mit meinen Tricks könnte ich kein ganzes Fass mitschleppen. Nimm du auch einen Schluck, Bartschneider.«​
Ohne dem Zwerg zu antworten oder seinen Blick vom Kanal abzuwenden, schüttete Goblin Slayer den Branntwein durch einen Spalt in seinem Helm. Eine Zeitlang sagte niemand etwas, und es war nichts weiter als das Rauschen des Regens und der Atem der Gruppenmitglieder zu hören.​
»Wir sollten eine Kleinigkeit essen«, sagte Goblin Slayer mit leiser Stimme. »Ein wenig Hunger kann motivierend sein, aber wenn es so weitergeht, fehlt es uns an Energie.«​
Die Priesterin wühlte ihn ihrer Tasche und holte ein in Papier gewickeltes Päckchen und eine Flasche hervor.​
»Wenn einfache Dinge genügen ... Ich habe Brot und Wein dabei. Ich wollte eigentlich kochen, aber hier ist nicht der richtige Ort dafür,«​
»Das stimmt wohl«, stimmte die Elfe lachend zu.​
»Oho! Langohr, von ihr kannst du eine Menge lernen«, stichelte der Zwerg die Elfe.​
Doch anstatt einen Streit vom Zaun zu brechen, antwortete sie einfach nur schnippisch:​
»Hmpf ... Vielleicht lerne ich das Kochen ja irgendwann.«​
Die Priesterin teilte ihr Proviant mit ihren Kameraden und auch wenn es nichts Besonderes war, erfüllte er seinen Zweck. Nach einer Weile des Schweigens beschwerte die Elfe sich jedoch:​
»Ich versteh wirklich nicht, wie irgendjemand gern unter der Erde essen, geschweige denn leben würde.«​
»Jetzt halt aber mal den Ball flach, Langohr. Für uns Zwerge gibt es nichts Schöneres als ein Zuhause unter der Erde.«​
»Lasst uns ein Festmahl zu uns nehmen, wenn das hier vorbei ist.«​
Mit seinem Kommentar erstickte der Echsenmensch den entflammenden Streit zwischen dem Zwerg und der Elfe im Keim.​
»Ja, das ist eine gute Idee«, stimmte die Priesterin ihm zu.​
Sie hielt eine Schüssel mit Traubenwein in den Händen.​
»Waren die Spezialitäten dieser Gegend nicht ...«​
»Gebratene Flussfische, Kalbsleber und Eintöpfe mit Wein«, erklärte Goblin Slayer nüchtern.​
»Weil das Mehl hier besonders fein ist, sollen die Backwaren auch sehr lecker sein.«​
Während der Zwerg ganz erstaunt den Krieger anblickte, lobte der Echsenmensch ihn:​
»Oho, der werte Goblintöter kennt sich gut aus.«​
»Jemand, den ich kenne«, erwiderte Goblin Slayer, »hat es mir erzählt, als ich erwähnt habe, dass ich in die Stadt des Wassers reise.«​
Wen er damit wohl meint? Der Priesterin fielen die Gilden Angestellte, die Kuhhirtin und die Hexe ein. Der Speerkämpfer oder der Panzerkrieger würden solche Unterhaltungen mit ihm nicht führen. Sie musste kichern. Eigentlich war es erstaunlich, wie viele Bekanntschaften Goblin Slayer geschlossen hatte, seitdem sie mit ihm unterwegs war. Die Gruppe war gerade wieder einem angenehmen Schweigen verfallen, als Goblin Slayer sich plötzlich aufraffte.​
»Was ist denn los?«, fragte die Priesterin überrascht.​
»Macht euch bereit.«​
Schnell packte die Gruppe ihre Sachen ein. Goblin Slayer hatte etwas gespürt, und selbst wenn es nur eine Einbildung gewesen war, war es an der Zeit für die Abenteurer, sich wieder in Bewegung zu setzen. Als eingespieltes Team wussten die Abenteurer, was zu tun war. Als das Gruppenmitglied mit dem besten Gehör eilte die Elfe an Goblin Slayers Seite und lauschte nach auffälligen Geräuschen.​
»Da kommt etwas!«​
Die Abenteurer griffen zu ihren Waffen. Goblin Slayer zog das geplünderte Langschwert und der Echsenmensch seine beschworene Klinge. Die Priesterin umgriff fest ihren Stab, der Zwerg zückte seine Schleuder und die Elfe spannte einen Pfeil auf ihren Bogen.​
»Hier, Bartschneider!«​
Der Zwerg warf Goblin Slayer die Laterne zu, der sie mit der linken Hand fing und an seinem Gürtel befestigte. Mittlerweile konnte die gesamte Gruppe das Geräusch vernehmen, das die Elfe gemeint hatte. Es wurde nicht von der starken Strömung des Kanals erzeugt, sondern es klang wie etwas, das schnell den Kanal herunter schwamm. Bevor einer der Abenteurer eine Vermutung anstellen konnte, war das Objekt auch schon in Sicht. Es war ein Schiff, das aus groben Holzresten zusammengezimmert worden war und auf ihm fuhren ...​
»Goblins!«​
Kaum hatte die Elfe die Warnung ausgesprochen, begannen die kleinen Bestien die Abenteurer mit ihren Bögen zu beschießen.​
»Höchst barmherzige Erdmutter. Bitte beschütze uns Schwache mit deiner Erde.«​
Die Priesterin wirkte das Wunder Schutzwall und erzeugte damit eine unsichtbare Mauer, die die Pfeile abprallen ließ.​
»Ich weiß nicht, wie lange ich das Wunder aufrechterhalten kann ...«​
»Es wird schon reichen«, erwiderte Goblin Slayer und wandte sich der Elfe zu.​
»Wie viele sind es?«​
»Ich schaffe es nicht, sie zu zählen. Was machen wir?«​
»Du fragst noch? Unsere Aufgabe bleibt dieselbe.«​
Goblin Slayer drehte das Schwert in seiner Hand und hielt es nun wie einen Speer.​
»Goblins töten.«​
Mit diesen Worten schleuderte er die Klinge in Richtung des Schiffs. Weil das Schwert keine Gefahr für die Priesterin darstellte, durchdrang es Schutzwall ohne Probleme. Mit gewaltiger Wucht schlug es in der Stirn des Goblin Schamanen ein, der die Bestien befehligte, und sein lebloser Körper fiel rücklings über Bord.​
»GROOARRB!!«
»GAROOROROROR?!«​
Verwirrt durch den Verlust ihres Anführers schrien die restlichen Goblins auf.​
»Wie häufig kannst du noch zaubern, Zwerg?«​
»Mehrfach. Ich habe mir die Zauber aufgespart!«​
»Dann erzeuge mit Tunnel ein Loch.«​
»Red keinen Unsinn! Willst du die Stadt zerstören?!«​
»Nicht über uns. Ein Loch im Kanal, damit das Schiff untergeht.«​
»Die Stadt wurde nach einem präzisen Muster aufgebaut! So ein Loch in d.er Kanalisation könnte alles zum Einsturz bringen.«​
Der Zwerg war fassungslos darüber, wie Goblin Slayer überhaupt auf so eine Idee kommen konnte.​
»Aber Feuer, Wasser und Gift gehen auch nicht ...«​
Goblin Slayer schien einen kurzen Moment lang ratlos. In einem ungefährlicheren Moment hätte die Elfe bestimmt über die fast schon kindische Reaktion des Kriegers gelacht, aber gerade wusste sie sich nicht anders zu helfen, als ihn anzuschreien:​
»Denk dir was anderes aus!«​
Nachdem die Goblins aufgrund ihrer Verwirrung kurz ihren Angriff gestoppt hatten, nahmen sie diesen nun wieder auf. Pfeilhagel nach Pfeilhagel prallte gegen das Wunder der Priesterin, die erschöpft ihren Kameraden zurief:​
»Ich kann Schutzwall nicht viel länger aufrechterhalten!«​
Der Echsenmensch wandte sich leicht nervös an Goblin Slayer:​
»Hast du diesmal keine Portal-Schriftrolle dabei?«​
»Wie hätte ich auf die Schnelle ein neue auftreiben sollen?«​
Portal-Schriftrollen waren ungeheuer selten und wertvoll. Goblin Slayer hatte die eine, die sich in seinem Besitz befand, benutzt, als die Gruppe gegen den Oger gekämpft hatte. Allerdings hatte er etwas anderes dabei ...​
»Was sollen wir tun, werter Goblintöter?«​
»Sobald der Schutzwall bricht, springen wir beide aufs Schiff.«​
»Verstanden.«​
Nachdem er sich mit dem Echsenmenschen abgestimmt hatte, wandte Goblin Slayer sich an die Priesterin:​
»Wirke, sobald wir gesprungen sind, erneut Schutzwall für euch.«​
»J ... Ja!«​
Goblin Slayer seufzte. Jetzt war da noch das Problem der Waffe. Er hatte nichts weiter als seinen Dolch, aber damit würde er nicht weit kommen.​
»Einen Moment, werter Goblintöter.«​
Der Echsenmensch zog einen Fangzahn aus seiner Brusttasche und sprach ein Gebet an seine Vorfahren:​
»Sichelschwinge des Velociraptors flieg messerscharf empor und begib dich auf die Jagd!«​
Der Fangzahn in seinen Händen wurde von der Kraft des fürchterlichen Drachen erfüllt und verwandelte sich in ein Knochenschwert.​
»Nimm dieses Schwert, aber bitte wirf es nicht.«​
»Ich versuch es.«​
Goblin Slayer schwang die Waffe ein paarmal. Sie war gar nicht so übel.​
»Der Schutzwall bricht!«, schrie die Priesterin, und die unsichtbare Mauer zersprang in tausend Stücke.​
Im selben Moment warf Goblin Slayer ein Ei, das er aus seiner Tasche geholt hatte, auf das Schiff und rief zum Echsenmenschen:​
»Halte Augen und Mund geschlossen! Spring!«​
»GARARAOB?!«
»GRORRRR?!«​
Die Mischung aus zerriebenem Pfeffer und Giften, die dem zersprungenen Ei entkommen war, verteilte sich in der Luft und setzte die Goblins einen Moment lang außer Gefecht. Goblin Slayer und der Echsenmensch nutzten diesen Moment und landeten auf dem Deck des Goblin Schiffs. Durch das Gewicht der beiden wurde das Schiff ins Schwanken gebracht, und die ersten Goblins fielen platschend ins Wasser. Sie ignorierend schmiss Goblin Slayer sich auf den nächstbesten Goblin und durchbohrte ihn mit seiner Klinge. Ein weiterer Goblin wollte diese Chance nutzen, um sich von hinten auf ihn zu werfen, doch er werte den Angriff mit dem Schild ab.​
»GAROU!«​
Erst als er hörte, wie sein Schild auf etwas Metallenes traf, bemerkte Goblin Slayer, dass die Goblins auf diesem Schiff Rüstungen trugen. Ohne weiter zu zögern, trat er den durch seinen Schildhieb ins Wanken geratenen Goblin ins Wasser.​
»GROOROB?!«​
Dieser versuchte sich verzweifelt über Wasser zu halten, aber das Gewicht der Rüstung zog ihn unter Wasser und er ertrank. Den Schwung von seinem Tritt nutzend warf Goblin Slayer sich auf den nächsten Gegner.​
»GAROOARA?!«​
»Es ist einfacher, sie von Bord zu werfen«, rief der Krieger dem Echsenmenschen zu.​
»Ja!«, antwortete dieser und rezitierte mit Gebrüll ein Kampfgebet.​
»Oh, fürchterlicher Drache! Sei Zeuge, wie einer deiner Nachkommen kämpft!«​
Die ersten Goblins schienen sich von der giftigen Mischung aus dem Ei zu erholen, doch bevor sie sich sammeln konnten, war es für die meisten von ihnen bereits zu spät.​
»Sechzehn«, murmelte Goblin Slayer und schaute sich kurz um.​
»Wieso sind es so viele?«​
Für jeden Goblin, den sie töteten, schienen zwei neue aufzutauchen. Es war unglaublich, wie viele von ihnen sich auf diesem Schiff befinden mussten.​
»GOOORRB!«
»GROB! GOOBR!«​
Allein hätten Goblin Slayer und der Echsenmensch sie nicht besiegen können, aber zum Glück waren sie nicht allein.
»GRAB?!«​
Ein Pfeil flog heran und durchbohrte den Schädel eines Goblins.​
»Ein Elf trifft mit seinen Pfeilen selbst mit geschlossenen Augen!«, prahlte die Waldläuferin.​
Sie feuerte in solch einem Tempo, dass es mit dem menschlichen Auge kaum wahrzunehmen war, und bewies damit, dass es keine anderen Wesen innerhalb der sprechenden Völker gab, die so begabt im Umgang mit Pfeil und Bogen waren wie die Elfen. In kürzester Zeit hatte sie ihren Köcher leer geschossen und begann mit leichtem Unbehagen auf Goblin Pfeile zurückzugreifen.​
»Was für widerliche Dinger,«​
Doch obwohl die Elfe sich beschwerte, verfehlte sie auch mit diesen Pfeilen kein einziges Mal. Zur gleichen Zeit griff ein Goblin auf dem Schiff zum Bogen. Er spannte einen Pfeil auf die Sehne und zielte, so gut es ein Goblin auch nur konnte. Sein Ziel: die Elfe. Er wusste, dass er seinen Spaß mit ihr haben könnte, wenn er sie am Leben lassen würde, aber in diesem Moment würde ihm ihr Tod nicht weniger Freude bereiten.​
»ORGGGG ...«​
Mit einem dreckigen Grinsen schoss er den Pfeil ab.​
»Schutzwall!«​
Bevor das Geschoss die Elfe erreichen konnte, erhörte die barmherzige Erdmutter die Bitte der Priesterin und der Pfeil prallte ab. Innerhalb des Bruchteils einer Sekunde hatte sich die Elfe dann auch bei dem Goblin für seinen Pfeil mit einem weiteren revanchiert.​
»Danke«, sagte die Elfe und schenkte der Priesterin ein Lächeln.​
»Nicht nötig, ich muss auch mein Bestes geben.«​
»Ich bin so weit!«, meldete der Zwerg. Er hatte nach den richtigen Katalysatoren für seine Zauber gesucht und hielt jetzt etwas Lehm in der Hand.​
»Beeil dich einfach. Ihr Zwerge seid zu langsam«, stichelte die Elfe, ein breites Grinsen auf dem Gesicht.​
»Halt die Klappe. Wir kämpfen nun mal auf unsere eigene Art.«​
Er formte den Lehm zu einer Kugel, hauchte sie an und murmelte etwas. Dann schrie er so laut, wie er konnte:​
»Bartschneider! Schuppiger! Kommt zurück!«, bevor er die Kugel in die Luft warf.​
»An die Arbeit, Gnome! Formt die einzelnen Sandkörner und rollt sie zu Steinen.«​
Nachdem der Zwerg die Worte der Macht ausgesprochen hatte, wuchs die Kugel schlagartig auf die Größe eines gewaltigen Felsens heran. Gezielt lies der Schamane sie mithilfe seines Zaubers über dem Schiff schweben und dann darauf fallen.​
»Goblintöter!«​
»Ja.«​
Goblin Slayer und der Echsenmensch rannten, so schnell sie es konnten, über das Deck und sprangen von Bord in Richtung Sicherheit. Wahrend die beiden sich noch in der Luft befanden, krachte der Felsen auf das Schiff und riss es in Stücke. Die Goblins, die nicht bereits durch den Aufprall des Felsens tot waren, ertranken aufgrund der Schwere ihrer Rüstungen, und Goblin Slayer sah ihnen in Seelenruhe dabei zu. Der Rest der Gruppe schwieg, während sich neben dem Geruch von Abfall auch der Geruch von Blut in der Luft breitmachte.​
»Und was jetzt?«, fragte die Elfe.​
»Jetzt mach mal halblang.«​
Der Zwerg war sichtlich erschöpft und belohnte sich für die gewonnene Schlacht mit einem ordentlichen Schluck Brandwein.​
»Ich bin zu alt für den Scheiß.«​
Die Priesterin schien ähnlich außer Atem wie der Zwerg, denn sie setzte sich auf den Boden und fragte: »Können wir ... uns kurz ausruhen?«​
»Nein. Wir sollten schnellstmöglich weiter«, antwortete Goblin Slayer, der sich mit dem Echsenmenschen wieder zu ihnen gesellt hatte. Erstaunlicherweise schien er überhaupt nicht erschöpft.​
»Ich bin der gleichen Meinung«, stimmte der Echsenmensch zu.​
»Wir waren ziemlich laut, und auch wenn das starke Rauschen des Regens die Kampfgeräusche verdeckt haben mag, will ich keine Risiken eingehen.«​
Plötzlich hörte die Elfe ein leises Platschen im Wasser. Nervös richtete sie den Blick auf den Kanal und sagte zu ihren Kameraden:​
»Ich will nicht dem Tod durch Goblins entkommen sein, um dann von etwas Größerem erlegt zu werden.«​
Als hätte sie mit ihrer Aussage etwas beschworen, begannen sich Wellen auf dem Abwasser des Kanals zu bilden, und im nächsten Augenblick schoss das schreckliche Maul einer Bestie hervor.​
»AAAAAARRRIGGGGGG!!!!«​
Die Gruppe entschloss sich sofort zu einem taktischen Rückzug. Die Elfe und der Echsenmensch übernahmen die Führung und führten - der Dunkelheit der Tunnel trotzend - ihre Kameraden schnell an allen Hindernissen vorbei. Der Zwerg und die Priesterin eilten ihnen so schnell hinterher, wie ihre erschöpften Körper es zuließen. Goblin Slayer bildete die Nachhut und hielt Ausschau nach dem Monster, das eben aus dem Wasser geschossen war.​
»Das war kein Goblin, oder?«, fragte Goblin Slayer mit ernster Stimme.​
»Natürlich nicht! Du hast es doch gesehen!«, antwortete die Elfe wütend.​
Es war ein Monster, das Alligator genannt wurde. Es war eine am Boden kriechende Bestie mit einem unheimlich langen Maul, das einen Menschen ohne Probleme entzwei reißen konnte. Der lange Schwanz erlaubte dem Monster, sich furchtbar schnell durch das Abwasser zu bewegen.​
»Hey, Schuppiger ... ! Ist das ein ... Verwandter von dir?! Mach doch irgendwas!«, rief der Zwerg völlig außer Atem.​
»Ich bin zu weit von meiner Heimat entfernt, um Kontakt mit meinen Verwandten aufzunehmen.«​
»Das geht ... aber nicht! Man sollte ab und ... an mal nach Hause!«​
»Wie gesagt, mein Zuhause ist sehr weit von hier weg!«​
Fauchend wischte der Echsenmensch mit einem Schlag seines Schwanzes die Beine des Zwergs weg.​
»Hngh?!«​
Die kurzen Stummelbeine des Schamanen flogen in die Luft, aber anstatt auf den Boden zu schlagen, fühlte er, wie sich ein schuppiger Arm um seine Hüfte legte und ihn in der Luft hielt. Der Echsenmensch trug ihn jetzt, aber dieser wurde unter dem Gewicht seines Kameraden erstaunlicherweise keinen Schritt langsamer.​
»Oho! Das ist eine großartige Art zu reisen!«​
»Nebenbei, bitte vergleiche meine Verwandten nicht mit so einen Wurm, werter Zwerg.«​
»W ... Woher mag die Bestie wohl gekommen sein?«, fragte die Priesterin. Sie war am Ende ihrer Kräfte. Wunder zu wirken war eine starke Belastung für Geist und Seele und nicht weniger erschöpfend als der direkte Nahkampf. Mit jedem Meter wurden ihre Schritte unsicherer und sie drohte zu stürzen. Goblin Slayer bemerkte das und schnalzte mit der Zunge. Er packte sie bei der Hüfte und hob sie hoch, um sie fortan zu tragen.​
»Uwah?!«, schrie die Priesterin erschrocken und zappelte mit den Beinen.​
»Versuch deine Atmung zu kontrollieren«, befahl der Krieger ihr nüchtern.​
»Al... Alles gut. Ich muss nicht getragen werden ...«​
»Hör auf zu zappeln, sonst lass ich dich fallen.«​
»Ngh ...«​
»Spare dir die Energie. Vielleicht musst du noch ein Wunder wirken.«​
»Ja ...«​
»Wir sollten uns möglichst weit vom Kanal entfernen, oder?«​
Obwohl er den Zwerg unter einem Arm trug, griff der Echsenmensch mit der freien Hand in seine Tasche und zog die Karte der Kanalisation heraus, um zu kontrollieren, ob sie auf dem richtigen Weg waren.​
»Ich hab's! Wir verfüttern den dicken Zwerg an die Bestie und laufen währenddessen weg!«, rief die Elfe.​
»Der verdirbt dem Vieh bestimmt den Magen!«​
»Halt die Klappe!«​
»Ähm ... Da kommt noch etwas!«​
Während die Elfe und der Zwerg sich an keiften, zeigte die Priesterin mit ihrem Stab auf etwas in der Dunkelheit. Die Elfe stellte die Ohren auf und lauschte in die Richtung, wohin die Priesterin gezeigt hatte. Es klang wieder, als würde etwas den Kanal herunter schwimmen. Dazu ertönte ein sich ständig wiederholendes Geräusch von einem Objekt, das auf Wasser schlug.​
»Ich höre Ruder! Das müssen mehrere Goblin Schiffe sein!«​
Die letzte Begegnung saß den Abenteurern noch tief in den Knochen, und jetzt kam nicht nur ein einziges, sondern gleich eine Gruppe von Goblin Schiffen auf sie zu.​
»Wa ... Was machen wir?«​
Mit bebenden Augen sah die Priesterin zu Goblin Slayer auf, der schweigend das Licht seiner Laterne löschte. Dann wandte er sich an den Echsenmenschen:​
»Gibt es hier eine Abzweigung?«​
»Ja, davon hat diese Kanalisation mehr als genug.«​
»Ich gehe davon aus, dass du dich nicht zurückziehen willst, oder? Aber kein Gift oder Feuer ...«​
»Ja, ja«, entgegnete Goblin Slayer der Elfe ruhig, »aber ich brauch deine Hilfe.«​

* * *
Unter Aufwand all ihrer Kräfte versuchten die Goblins ihr Kriegsschiff - wenn man es so nennen wollte - zu beschleunigen, Ihr Schamane schrie kreischende Befehle und wedelte mit seinem Stab. Die Kampfgeräusche waren schon vor einiger Zeit verstummt und wahrscheinlich waren ihre Artgenossen längst tot, aber das störte sie nicht. Wichtig war nur, dass die Abenteurer erschöpft und damit leichte Beute waren. Diese Chance durften sie sich nicht entgehen lassen. Die Goblins fühlten sich wohl in diesem Nest. Es war schön feucht und warm und ideal für Überfälle auf Abenteurer geeignet. Nur der derzeitige Regen störte sie ein wenig. Doch er würde sie nicht daran hindern, endlich wieder ein paar Abenteurer zu quälen. Es kam ihnen bereits so vor, als wäre es ewig her, dass ihnen die letzten in die Falle gelaufen waren. Sie hatten schon darüber gemutmaßt, ob unter ihren neuen Opfern eine Elfe oder ein weiblicher Mensch war, und sie konnten es gar nicht erwarten, diese in ihre schmierigen Finger zu kriegen. Während die Ruderer des Schiffs ein schräges Goblinlied sangen, dachten die Kämpfer an Bord bereits über die folgende Siegesfeier nach. Sie waren sich sicher, dass sie nicht verlieren würden. Schließlich waren sie mit drei Goblin Schiffen voller Kämpfer unterwegs. Der Goblin-Schamane erkannte ein Licht in der Dunkelheit. Es schaukelte hin und her und war zweifelsohne eine Laterne der Abenteurer. Es war lächerlich, aber einfache Menschen konnten in der Dunkelheit überhaupt nichts sehen. Als sie schließlich dem Licht nähergekommen waren, erkannte der Schamane, dass es sich unter Wasser befand und weit und breit kein Abenteurer zu sehen war.​
»ORAGARA!«​
Schimpfend befahl er einem Goblin, mit seinem Ruder gegen das Licht zu stoßen. Der Goblin hatte Pech denn ...
»ORAGA?!«​
... der Alligator schnappte mit seinem Maul aus dem Wasser und riss ihm den Kopf ab.
»GORARARARAB!!«
»GORRRB! GROAB!!«​
Während einige Goblins vor Panik von Bord sprangen, versuchten andere sich der Bestie entgegenzustellen, aber es war sinnlos. Der Alligator zerriss einen Goblin nach dem anderen. Der Schamane hob wutentbrannt seinen Stab und sprach einen Zauber ...​
* * *
»Fast schon praktisch, dass es so viele von ihnen waren«, kommentierte der Echsenmensch das ganze Geschehen, das er mit seinen Kameraden aus einem der Nebentunnel beobachtete.​
Die Priesterin hatte das Wunder Heiliges Licht auf den Schwanz des Alligators gewirkt, um die Goblins dazu zu bewegen, eben jenen anzugreifen und so zu reizen. Die Idee zu dieser Strategie war natürlich von Goblin Slayer gekommen.​
»Irgendwie fühlt sich das Ganze heute fast wie ein richtiges Abenteuer an!« Die Elfe freute sich sichtlich darüber, dass der Plan erfolgreich war, und ihre Ohren wippten leicht auf und ab.​
»Dass die Goblins auf das Licht am Schwanz des Alligators reingefallen sind, zeugt wirklich von ihrer Dummheit.«​
»Sie denken halt, dass Abenteurer immer mit einem Licht unterwegs sind«, sagte Goblin Slayer, während er weiterhin den Kampf im Kanal beobachtete.​
»Ach, wirklich?«​
»Ja, ich dachte, dass wäre allgemein bekannt. Mich wundert allerdings, dass sie etwas gebaut haben. Eigentlich stehlen sie so ziemlich alle Gegenstände, die sie benutzen. Das soll aber nicht heißen, dass sie nichts lernen können. Wenn man es ihnen beibringt, können sie bestimmt auch lernen, wie man Schiffe baut.«​
»Wieso glaubst du das?«, fragte die Elfe.​
»Ich habe sie lange beobachtet und untersucht. Damit sie nicht aus ihren Erfahrungen lernen können, muss man immer sicher gehen und alle Bewohner eines Nests töten.«​
Der Zwerg stand an einer Wand und strich sich nachdenklich durch den Bart. »Bartschneider, willst du damit sagen, dass jemand ihnen beigebracht hat, wie man Schiffe baut?«​
»Ja.«​
»Aber so etwas könnte doch auch einem Schamanen eingefallen sein«, meinte die Priesterin.​
»Vielleicht, aber was ist mit dem ... Wie heißt der?«​
»Meinst du den Alligator?«​
»Genau. Warum wissen sie nicht, dass es ihn gibt? Wenn sie von ihm wüssten, würden sie keine Schiffe bauen. Sie sind schließlich Feiglinge.«​
»Worauf willst du hinaus, werter Goblintöter?«, fragte der Echsenmensch.​
»Jemand hat die Goblins hier hergebracht.«​
Die Gruppe wartete, bis keine Kampfgeräusche mehr zu hören waren, und zog sich dann für heute zurück. Die Zauber waren aufgebracht, alle Pfeile verschossen und keine Energiereserven mehr vorhanden. Schweigend erreichten sie nach einer Weile die Leiter, die sie zurück an die Oberfläche brachte. Gänzlich durchnässt schaute die Priesterin in den Himmel und sagte:​
»Es sieht nicht aus, als würde dieser Regen bald enden.«​

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Edward Teach

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Intermission VII
Von einem jungen König


»Na dann. Lasst uns zuerst über den Dämonenfürsten reden, der vor Kurzem besiegt wurde.«​
»Ja, es scheint, als wären Überbleibsel seiner Anhänger noch aktiv, aber die Weisen haben bereits mit Nachforschungen begonnen. Während wir auf Meldung von ihnen warten, kontaktiert bitte die Fürsten und sagt ihnen, dass sie die Heldin, wenn nötig, unterstützen sollen.«​
»Kommen wir zum nächsten Punkt ... Was? Der Preis von Heiltränken steigt?«​
»Ach ja ... Mehr Monsteraktivität bedeutet mehr Verletzte, was wiederum den Bedarf von Heiltränken erhöht. Dass dieser nicht gedeckt werden kann, ist allerdings ein Problem ...«​
»Uns bleibt wohl nichts anderes übrig ... Öffnet den königlichen Forst für Angestellte der Heilanstalten und für Medizinhersteller mit besonderen Aufträgen. Die Erntelimitierungen werden allerdings nicht aufgehoben. Passt auf, dass keine Schwindler und Plünderer hereinkommen. Greift hart durch, wenn nötig.«​
»Als Nächstes wäre der regelmäßige Bericht der Gilde an der Reihe, aber jetzt alles durchzugehen, würde zu lange dauern. Minister, bitte geh ihn durch und achte dabei genau auf alles, was hochrangige Abenteurer betrifft. Vielleicht finden wir so etwas über die Ziele der restlichen Anhänger des Dämonenfürsten heraus.«​
»Lasst uns über das Bündnis mit den Elfen, Zwergen und Echsenmenschen sprechen. Der Austausch mit diesen Halbmen ... Ah, entschuldigt. Wie unhöflich. Der Austausch mit diesen anderen Völkern erweist sich als problematisch. Es ist nicht so, als könnten wir ihnen nicht vertrauen, aber die kulturellen Unterschiede könnten zu großen Problemen führen, wenn wir ihnen erlauben, frei auf unserem Territorium zu agieren. Wir werden ihnen weiterhin freundlich entgegenkommen, müssen aber wachsam bleiben.«​
»Wie steht es eigentlich mit der Versorgung unserer Truppen?​
Wurden die Versorgungseinheiten mittlerweile aufgestellt? Egal, ob es sich um Bauern oder Adelige handelt, keiner unserer Soldaten soll Nahrung und ein warmes Bettlager missen.«​
»Ach, was ist das? Ein Schreiben von der Jungfrau des Schwertes? Meine Güte ... Sie ersucht uns um Hilfe bei einer Goblin Plage. Wir haben aber nicht genügend Truppen, die wir jedes Mal aussenden könnten, wenn diese nervigen Bestien angreifen. Wir haben größere Probleme. Sie wird schon eine eigene Lösung für dieses Problem finden, oder?«​
»Gut. Dann hätten wir über alles gesprochen. Bitte führt meine Anweisungen aus ...«​
»Was? Ein Bericht von den Weisen? Gib her. Hm ... Anscheinend haben sie bereits eine Gruppe von ehemaligen Anhängern des Dämonenfürsten entdeckt. Sehr gut. Schickt die Abenteurerin auf Platin-Rang, die Heldin, sie soll sich darum kümmern.«​

Nach Oben
 

Edward Teach

Anime-Pirat
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Kapitel 17
Von Abenteurer zu Abenteurer


»Hach ...«​
Als ihr Körper vom warmen Dampf umhüllt wurde, grinste die Priesterin zufrieden. Sie befand sich in einer großen Halle aus Marmor, in der süßlicher Wasserdampf durch die Luft tanzte. In der Mitte stand eine wunderschöne Statue der Gottheit des Bads, und in die überall im Raum verteilten Wasserbottiche lief aus Wasserhähnen in Form von Löwen durchgängig warmes Wasser. Für die Priesterin hatte es fast etwas Verschwenderisches an sich. In dem Tempel der Erdmutter, in dem sie aufgewachsen war, predigte man Bescheidenheit: Es kam nur selten vor, dass man sich mit warmem Wasser waschen konnte. Doch hier im Tempel des Rechts war alles anders. Die Priesterin befand sich gerade im Dampfbad des Tempels, das als das größte des Grenzlandes bekannt war. Da der erhabene Gott forderte, dass Menschen sein Urteil gereinigt empfingen, bekamen sie hier die Möglichkeit, sich von ihrem Schmutz zu befreien.​
»Nur heute lasse ich es mir mal gut gehen«, sagte die Priesterin ihr eigenes Verhalten entschuldigend und schlug mit einer Hand das Zeichen der Erdmutter.​
Ihr zierlicher Körper war von nichts weiter als einem Handtuch bedeckt und ihre nackte Haut wirkte fast durchsichtig weiß. Es war spät in der Nacht und die Priesterin war allein, weshalb sie ohne jede Scheu in die Mitte des Raums ging. Sie nahm sich eine Kelle und schöpfte etwas Wasser aus einem der Bottiche.​
»Oh, das ...«​
Ihr stieg ein wohltuender Duft in die Nase. Jemand hatte Duftöl in die Wasserbottiche gegeben. Unwillkürlich musste sie an die modisch gekleideten Einwohner der Stadt und die Eifersucht denken, die sie bei deren Anblick verspürt hatte. »Nein, ich sollte das Bad genießen.« Die Priesterin richtete den Blick auf die Steinstatue der Göttin. Um die Halle mit Wasserdampf zu füllen, wurde sie erhitzt und ständig mit Wasser übergossen, das sofort verdampfte. Die Gottheit des Bads war als nackte Frau dargestellt und die Priesterin hatte gehört, dass im Männerbad die Statue eines alten Mannes stehen sollte. Angeblich war es die Aufgabe der Gottheit des Bads, die Baden - den über ihr Schicksal zu informieren, aber sie besaß weder einen Tempel noch hatte sie feste Diener. Anders gesehen war aber vielleicht jedes Bad ihr Tempel und alle Badenden ihre Gläubigen. Die Priesterin nickte zufrieden. Während ihr Körper vom Dampf eingehüllt wurde, ließ sie sich auf einen der Sitze aus Marmor nieder. Dann griff sie zu einem Objekt, das es in jedem Bad gab: ein Weißbirkenzweig. Sie begann sich leicht damit zu schlagen, und ihre durch die lange Erkundung der Kanalisation verspannten Muskeln entspannten sich. Als die Priesterin mit dem Birkenzweig fertig war, leuchtete ihre Haut leicht rosa. Sie streckte sich entspannt auf ihrem Sitz und murmelte zu sich selbst:​
»Sie hätten mich ruhig begleiten können ...«​
Die Elfe hatte auf ihre Einladung energisch den Kopf geschüttelt und geantwortet:​
»In einem Raum mit Feuer und Wasser? Ich mag es nicht, wenn Naturgeister sich vermischen.«​
Der Zwerg und der Echsenmensch hingegen meinten nur:​
»Bevor wir baden, gehen wir lieber einen heben.«​
Goblin Slayer wollte natürlich auch nicht mitkommen und hatte nur gesagt: »Ich muss einen Brief aufgeben.«​
>Goblin Slayer ... Jetzt ... ist es schon ein halbes Jahr, oder?<
Ohne seine Hilfe wäre sie damals wahrscheinlich in diesem Goblin Nest gestorben. Die Erlebnisse jenes Tages verfolgten sie. Immer wieder musste sie daran denken, was die Goblins mit ihr angestellt hätten, wenn sie sie gefangen genommen hätten. Gleichermaßen dachte sie aber auch daran, was passiert wäre, wenn sie das Abenteuer erfolgreich abgeschlossen hätte.​
Wo wäre sie dann jetzt? Wie wären dann die Erkundung der unterirdischen Ruinen und der Kampf mit dem Goblin Lord verlaufen? Und hätten die Stadtbewohner und die anderen Abenteurer der Gilde sich mit Goblin Slayer angefreundet? Ware er dann überhaupt noch am Leben? Sie glaubte nicht, dass er ohne ihre Hilfe gestorben wäre, aber sicherlich hätte sie ihre jetzigen Kameraden nie kennengelernt, wenn ihr erstes Abenteuer geglückt wäre. Sie strich sich über die Hüfte, wo er sie berührt hatte, als er sie in der Kanalisation getragen hatte. Verglichen mit seinen Armen hatte sie sich zerbrechlich angefühlt. Was war er eigentlich? Ein Held? Ein Rache Dämon?​
>Wahrscheinlich keins von beidem ...< , dachte sich die Priesterin und umklammerte ihre Knie.​
So langsam wurde ihr von der Hitze des Dampfbads etwas schummerig, und unzählige Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Es war beruhigend und beunruhigend zugleich. Sie fühlte sich ein wenig so, als wäre sie an einem freien Tag zu früh aufgewacht. Eigentlich könnte sie weiterschlafen, aber der Gedanke daran, dass sie etwas mit ihrer Zeit machen sollte, hielt sie wach. Sie musste etwas tun. Irgendetwas.​
»Aber was nur?«​
»Was plagt dich?«​
»Hä?!«​
Die Priesterin hatte träumend vor sich hingemurmelt, aber als ihr jemand mit sanfter Stimme antwortete, fuhr sie erschrocken hoch. Vor ihr stand eine Frau mit wohlgeformtem Körper.​
»Hi hi hi ... Du solltest aufpassen, sonst kippst du noch wegen der Hitze um.«​
»E ... Es tut mir leid. Ich war nur in Geda ...«​
Der Priesterin blieb die Zunge im Hals stecken, als sie bemerkte, dass die Jungfrau des Schwertes vor ihr stand.​
»Ganz ruhig«, sagte diese und wippte leicht mit dem Kopf.​
»Es tut mir leid, dass ich dich erschreckt habe. Ich musste heute etwas länger arbeiten.«​
Der Körper der Erzbischöfin wurde von nichts bedeckt, und sie bewegte sich mit einer Anmut, die selbst die Priesterin bezauberte. Ihre vom heißen Dampf benetzte Haut glitzerte im Licht, doch als sie nähertrat, erkannte die Priesterin die vielen Narben.​
»Ähm .. . Sind das ... ?«, fragte sie zurückhaltend.​
Sie zogen sich über den gesamten Körper der Erzbischöfin. Es gab dickere, dünnere, längere und kürzere. Einigen von ihnen waren wie gerade Linien und andere formten seltsame Muster. Selbst an Stellen, an denen man sich normalerweise nicht verletzen würde, waren sie zu sehen. Da die Haut der Erzbischöfin leicht gerötet war, waren sie gut zu erkennen. Waren das etwa Tätowierungen? Nein, das konnte nicht sein.​
»Ach, die hier?«, antwortete die Erzbischöfin und fuhr sich mit einer Fingerspitze über eine Narbe, die über den Oberarm verlief.​
Es hatte etwas Erotisches, wie sie sich mit dem Finger sanft über die Haut fuhr, weshalb die Priesterin verschämt zu Boden sah.​
»Ich habe einen Fehler gemacht«, erklärte die Jungfrau des Schwertes mit einem liebevollen Lächeln.​
»Ich wurde von hinten überwältigt, aber das ist jetzt schon über zehn Jahre her,«​
»Ah, Ähm. Also ...«​
Die Priesterin ahnte woher die Wunden kamen und wusste nicht, was sie sagen sollte.​
»Geht es Ihnen denn besser?«​
»Du bist wirklich lieb«, antwortete die Erzbischöfin leise, nachdem sie kurz innegehalten hatte.​
»Wenn ich es erzähle, sagen die meisten Menschen nur, dass es ihnen leidtut.«​
»Aber ... Ähm ... so was ...«​
Die Priesterin war verwirrt, dass die Erzbischöfin sich so über ihre Nachfrage freute. Sie hatte es doch nur gesagt, weil sie nicht wusste, was sie hätte anderes sagen sollen. Die Jungfrau des Schwertes griff sich einen der Weißbirkenzweige und peitschte ihn mit schwingenden Bewegungen gegen ihren Körper. Immer wieder entglitt ihr dabei ein »Mhm« über die Lippen.​
Die Priesterin versuchte die Augen abzuwenden, aber erwischte sich immer wieder dabei, wie sie in ihre Richtung schielte. Als die Jungfrau des Schwertes dies bemerkte, näherte sie sich der Priesterin und flüsterte:​
»Mit diesen Augen habe ich vieles ... wirklich vieles gesehen. Dinge, die deine wildesten Vorstellungen übersteigen.«​
»Ah ...«​
Der Atem der Erzbischöfin traf auf ihre Haut und die Priesterin stöhnte kurz auf. Dies ignorierend stand die Jungfrau des Schwertes auf und zog sich in eine andere Ecke des Raums zurück. Sie hüllte sich in die Dampfwolken ein, und ihr goldenes Haar war nur noch als wabernder Schatten zu erkennen.​
»Dieser Mann namens Goblin Slayer ... Er ist wirklich verlässlich, oder?«​
»Ah ... Ähm, ja. Das stimmt«, antwortete die Priesterin lächelnd.​
Auch die Jungfrau des Schwertes setzte ein Lächeln auf, aber die Priesterin hatte das Gefühl, dass irgendetwas damit nicht stimmte.​
»Ich bin froh, dass die Suche erfolgreich voranschreitet. Aber sicher wird auch er irgendwann verschwinden.«​
Der nüchterne Tonfall der Erzbischöfin verwirrte die Priesterin und sie spürte, wie diese sie mit Blicken durchbohrte. Es war, als würde sie direkt in ihre Seele schauen ...​
»Ä ... Ähm ... I... Ich ...«, setzte sie stammelnd zu einer Antwort an, doch die Erzbischöfin unterbrach sie.​
»Geh lieber, bevor du umkippst.«​
Die Priesterin nickte verlegen und stand auf. Hastig verließ sie das Bad.​
Nachdem sie sich abgetrocknet und umgezogenen hatte, ging sie nun einen Gang des Tempels hinunter. Obwohl es Sommer war, waren die Nächte immer noch sehr kühl, weshalb die Priesterin zitternd ihre Schultern umklammerte. Sie blieb bei einem Fenster stehen und starrte in den Nachthimmel. Sie weiß ... Diese Frau weiß etwas über die Goblins! Plötzlich überkam sie ein fürchterliches Gefühl, dass sie noch stärker zittern ließ als die Kälte.​
* * *

* * *
>War es hier? <​
Die Elfe hatte mit Goblin Slayer abgemacht, dass sie sich in der Gilde treffen würden. Das Gebäude der Gilde in der Stadt des Wassers war größer als das der Stadt im Grenzgebiet, aber immer noch wesentlich kleiner als der Tempel des Rechts. Obwohl es dieselben Ämter und Händler wie die meisten Gildengebäude enthielt, ähnelte es von außen eher einer Bank. Oder zumindest dem, was sich die Elfe unter einer Bank vorstellte.​
»Hey, schaut. Eine Hochelfe.«​
»Echt? Ich hab noch nie eine gesehen.«​
»Wow! Eine echte Schönheit!«​
Obwohl sie vor einiger Zeit schon einmal hier gewesen war, schauten die Leute sie an, als wäre sie ein seltener Schatz. Ungeniert sagten sie alles, was ihnen gerade durch den Kopf ging, und durchbohrten sie mit Blicken. Die Elfe zog die Augenbrauen hoch. Früher hatte sie solch ein Verhalten nicht gestört, aber mittlerweile war sie an die warme und freundliche Atmosphäre der Stadt des Grenzlandes gewöhnt. Vielleicht lag es einfach nur daran, dass die Stadt größer war und deswegen hier mehr Abenteurer waren. Doch das Grenzland, in dem noch Land erschlossen und urbar gemacht wurde, gefiel ihr besser.​
»Ähm, Orcbolg ... Ach, da ist er ja.«​
Mit dem billigen Eisenhelm und der dreckigen Lederrüstung war er leicht zu erkennen. Goblin Slayer saß mit verschränkten Armen auf einer Bank in der Ecke des Raums.​
>Selbst in anderen Städten ist er an den gleichen Orten,< dachte sich die Elfe und musste grinsen. Während sie auf Goblin Slayer zulief, hörte sie, wie sich eine Gruppe Abenteurer flüsternd über ihn lustig machte. Sie dachten wahrscheinlich, dass niemand sie hören könnte, aber da hatten sie die Rechnung ohne das ausgezeichnete Gehör einer Elfe gemacht.​
»Was für eine dreckige Ausrüstung!«​
»Wo kommt der Streuner denn her? So einer hat uns noch gefehlt. Der macht uns noch den Ruf unserer Stadt kaputt.«​
Die Elfe warf ihnen einen missbilligenden Blick zu und schnaufte durch die Nase. Das alles gefiel ihr nicht. Obwohl ihre Schritte normalerweise nie zu hören waren, stapfte sie jetzt lautstark durch den Saal.​
»Danke fürs Warten, Orcbolg«, sagte sie mit freudiger Stimme und schmiss sich neben ihn auf die Bank.​
Für andere mochte es so ausgesehen haben, als würde sie sich an ihn schmiegen wollen, und wie von der Elfe geplant, begannen die lästernden Abenteurer aufgeregt miteinander zu tuscheln. Sie setzte ein Siegeslächeln auf.​
»Sorry, dass ich zu spät bin! Ich habe verschlafen. Hast du den Brief abgeschickt?«​
»Ja«, erwiderte Goblin Slayer.​
Er schien nicht sauer über die Verspätung der Elfe zu sein und reichte ihr einen Beleg für seinen Auftrag.​
»Abenteurer sind in die Richtung gezogen, ich habe ihnen den Brief als Auftrag mitgegeben.«​
Obwohl es Postkutschen im Grenzgebiet gab, konnte man auch Abenteurer damit beauftragen, Briefe und Pakete zu überbringen. Dies war meistens die bessere Option, wenn man es eilig hatte - oder sogar die einzige, wenn man etwas an Orte liefern wollte, zu denen die Postkutschen gar nicht erst fuhren. Die Gilde versicherte einem die aufgegebenen Lieferungen, was dazu führte, dass selten etwas verloren oder gestohlen wurde.​
»Ich habe noch nie einen Brief geschrieben«, murmelte die Elfe, während sie sich den Beleg anschaute.​
»Was schreibt man denn da so? Dass es einem gut geht?«​
»Ja, so in der Art.«​
Sie verstand, an wen Goblin Slayers Brief gerichtet war. Es musste das Mädchen von dem Bauernhof gewesen sein. Grinsend gab sie ihm den Beleg zurück.​
»Schön, dass du rücksichtsvoller wirst, Orcbolg.«​
»Ach,ja?«​
»]a.«​
»Ist das so?«​
Obwohl sie einfach entschlossen hatte, dass sie recht mit ihrer Annahme lag, bewegte sie vergnügt die Ohren auf und ab.​
»Okay«, sagte die Elfe und sprang mit wehendem Haar von der Bank auf. »Lass uns einkaufen gehen, Orcbolg. Du brauchst Waffen, oder?«​
»Ja«, antwortete Goblin Slayer und stand ebenfalls auf.​
Er klopfte sich leicht auf die Hüfte. Normalerweise hingen dort sein Kurzschwert und andere Waffen, die er erbeutet hatte, aber da er bei der Erkundung der Kanalisation all seine Waffen nach Goblins geworfen hatte, war sein Gürtel gerade leer.​
»Mit nur einem Dolch werde ich nicht weit kommen. Und du willst dir neue Kleidung besorgen?«​
»Ja. Der Gestank der Kanalisation will nicht mehr aus meinen Klamotten raus. Nur die Sache mit den Goblin Eingeweiden war noch schlimmer«, erwiderte die Elfe mit zugekniffenen Augen.​
»Hm«, brummte er leicht.​
»Soll ich mich entschuldigen?«​
»Ist schon gut.«​
Die Elfe winkte leicht ab.​
»Wenn du dich entschuldigst, kann ich dich nicht mehr damit aufziehen.«​
»Ist das so?«​
Die Stimmung in der Gilde hatte sich in der Zwischenzeit nicht verändert, und noch immer starrten alle Goblin Slayer und die Elfe an. Sie schienen verwirrt darüber, dass so eine Schönheit sich mit so einem dreckigen Abenteurer abgab. Vielleicht war auch ein wenig Neid dabei.​
»Eins beschäftigt mich in dieser Stadt«, sagte Goblin Slayer.​
»Trotz der großen Kanalisation gibt es hier keine Aufträge, Riesenratten zu beseitigen.«​
Die Elfe richtete den Blick auf die Anschlagtafel.​
»Ja ... Du hast recht.«​
Die Elfe merkte die herablassenden Blicke der Abenteurer und auch wenn sie es nicht aussprachen, wusste sie, was sie dachten. Was für ein Dorftrampel. Natürlich gibt es so etwas nicht in unserer schönen Stadt. Die Elfe schnaubte einmal kurz und richtete den Blick wieder auf Goblin Slayer.​
»Los, wir gehen.«​
Mit einem Grinsen griff sie Goblin Slayer bei der Hand und zog ihn hinter sich her.​
»Was ich mich schon länger gefragt habe«, sagte die Elfe, nachdem die beiden das Gildengebäude verlassen hatten.​
»Was denn?«​
»Wozu braucht man überhaupt Unterwäsche? Ich versteh das nicht.«​
Goblin Slayer seufzte tief und versuchte seine Hand aus ihrem Griff zu lösen.​
»Frag mich nicht so was.«​
Die Hochelfe ließ jedoch nicht los.​
»Und, Orcbolg? Brauchst du nur ein Schwert?«​
»Nein, auch andere Dinge.«​
»Hm ...«​
Die Elfe erinnerte sich an die vielen aufregenden Dinge in Goblin Slayers Tasche: Bei dem Gedanken daran, was er heute alles kaufen könnte, setzte sich ein strahlendes Lächeln auf ihr Gesicht.​
»Sag schon. Was kaufst du denn?«​

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