Kapitel 36
Die Nacht vor dem Fest
Für Goblin Slayer begann der Tag früh. Er stand noch vor dem Morgengrauen auf, zog seine Ausrüstung an und überprüfte die Umgebung des Hofes. Das dämmerige Licht bot eine gute Übung, um seine Augen an die nahenden dunklen Wintertage zu gewöhnen. Mit seiner Waffe in der Hand schritt der Krieger das Hofgelände ab. Dabei ließ er seinen Blick über die Felder wandern und war jederzeit bereit einen, Goblin niederzustrecken, falls es plötzlich erforderlich bekäme.
»Guten Morgen. Heute ist es aber kühl.«
Goblin Slayer wusste sofort, dass es sich um die Kuhhirtin, seine Kindheitsfreundin, handelte. Als er sich umdrehte, sah er, wie sie sich - in nichts weiter als ein Laken gewickelt - aus dem Fenster lehnte. Natürlich ist ihr da kalt, dachte sich der Krieger.
»Du erkältest dich noch«, antwortete er dem Mädchen mit emotionsloser Stimme.
»Auch wenn ich nicht so aussehe Ich bin durchtrainiert. Also mach dir mal keine Sorgen. Ich werde das Frühstück sofort vorbereiten.«
»Nein«, entgegnete Goblin Slayer nachdenklich.
»Ich möchte zuerst etwas erledigen.«
»Ach, ja?«
»Kümmert euch nicht um mich und esst einfach. Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird.«
»Ach so ... In Ordnung.«
Die Kuhhirtin verzog die Lippen. Sie schient enttäuscht zu sein.
»Stell bitte dein Geschirr ordentlich weg, wenn du fertig mit dem Essen bist.«
»In Ordnung.«
Mit einem kurzen Winken schloss das Mädchen das Fenster und zog sich ins Innere des Hauses zurück. Goblin Slayer wandte sich in Richtung des Schuppens. Dieser war ursprünglich ein kleines Hoflager gewesen, aber da er nicht mehr genutzt worden war, hatte der Krieger ihn zu seiner kleinen Werkstatt gemacht. Die Tür quietschte, als er sie aufdrückte und den Schuppen betrat. Auf dem Boden lagen allerlei Ausrüstungsgegenstände und Hilfsmittel, die er grob zur Seite schob und sich setzte. Er griff zu seinem Schwert, nahm es vom Gürtel und holte einen Wetzstein hervor. Goblin Slayer erkannte im düsteren Licht, dass das Schwert leicht verbogen war und sich bereits Rost auf der Klinge zu bilden begann. Der Krieger wusste, dass ein Schwert durch das Blut und Fett seiner Gegner immer stumpfer wurde und die meisten Klingen gerade so dazu geeignet waren, fünf Gegner mit ihnen zu erlegen. Es war wie bei einem Kochmesser. Jeder Koch musste seine Messer hegen und pflegen, damit sie länger hielten. Bei Schwertern war es nicht anders. Da er während seiner Kämpfe keinerlei Rücksicht auf seine Waffen nehmen konnte, hatte Goblin Slayer sich angewöhnt, sie eher als Verbrauchsgegenstand anzusehen. Nichtsdestotrotz war der Krieger stets darauf bedacht, seine Ausrüstung zu pflegen, wenn die Zeit es ihm erlaubte. Deshalb begann er jetzt sein Schwert auszubessern. Er entfernte den Rost, schlug die Krümmung heraus und schliff die Klinge.
»Und weiter.«
Nachdem er das Schwert weggepackt hatte, ging Goblin Slayer dazu über, seine Rüstung zu überprüfen. Da Schild, Rüstung und Helm noch relativ neu waren, verlangten sie heute wenig Pflege. Er begnügte sich damit, sie genau zu untersuchen und dann zu polieren. Danach wandte er sich seinen Stiefeln zu. Sie waren nichts Besonderes, aber für den Krieger waren sie ein genauso wichtiger Ausrüstungsgegenstand wie jeder andere. Sie ermöglichten es ihm nicht nur, sich in vielen unterschiedlichen Gegenden frei zu bewegen, sondern auch, Gegner wegzutreten oder zu zerquetschen. Er kontrollierte die Stollen und entfernte sie dann, um die Stiefel ordentlich putzen zu können. Anschließend überprüfte er die Schnürsenkel. Einer drohte zu reißen und wurde daher ausgetauscht. Als Nächstes waren die Socken an der Reihe, die nicht weniger wichtig waren. Sie saugten den Schweiß auf und verhinderten, dass sich während langer Märsche Blasen an den Füßen bildeten.
Weil er ein Rhea war, hatte Goblin Slayers Meister nie Schuhe getragen. Rhea waren dafür bekannt, dass sie sich mit ihren Füßen nahezu lautlos bewegen konnten und nirgends ausrutschten. Der Krieger war stets neidisch auf diese Eigenschaft gewesen, aber da er nun mal ein Mensch war, besaß er diese Fähigkeit nicht.
»Nun gut.«
Goblin Slayer stand langsam auf. Er schaute sich um, ob irgendwas vom Regal gefallen war und sah den alten verrosteten Helm, den er früher getragen hatte. Er hob ihn auf und legte ihn zurück ins Regal. Als Nächstes sollte ich mich um das Feldwerkzeug kümmern, dachte Goblin Slayer und verließ den Schuppen.
»Du bist aber fleißig ...«, begrüßte ihn der Hofbesitzer.Er stand neben dem Schuppen und rauchte eine Pfeife. Mit strenger Miene musterte er Goblin Slayer, der nickte und antwortete:
»Guten Morgen.«
»Morgen.«
Die Stimme des Hofbesitzers klang nicht sonderlich erfreut.
»Ich hab gehört, dass du versprochen hast, mit ihr zum Fest zu gehen.«
»Ja.«
»Soll ich jetzt anstelle ihres Vaters wütend auf dich werden?«, fragte der Hofbesitzer grummelig, begann aber zu grinsen, als sich Goblin Slayers und sein Blick trafen.Dann wurde er wieder ernst und fuhr sich verlegen durch sein schütteres Haar.
»Ich weiß, dass ich es dir eigentlich nicht sagen muss, aber bitte spiel nicht mit ihren Gefühlen, ja?«
»Ja.«
»Du hast viele Frauen in deinem Umfeld ... Aber so wie ich dich kenne, nutzt du das nicht aus, oder?«
»Ja.«
»Ähm... Also ... Wie gesagt ... Denk bitte an ihre Gefühle .«
»Ja.«
»Wenn du es versteht, ist alles geklärt ...«
Der Hofbesitzer hielt kurz inne und fuhr dann fort:
»Verstehst du es denn wirklich?«
»Ich glaube schon«, antwortete Goblin Slayer.
»Aber sicher bin ich mir nicht.«
»Was hast du denn jetzt noch vor?«
»Ich wollte kurz das Werkzeug für die Felder sortieren und dann zum Einkaufen in die Stadt.«
»Ach so ...«
Der Hofbesitzer kaute auf dem Mundstück der Pfeife herum. Nach einer längeren Pause sagte er:
»Wenn das so ist, dann iss zumindest Frühstück, bevor du losgehst.«
»...«
»Sie hat es extra zubereitet.«
»Ja.«
»Und mach auch mal frei. übertreib es nicht.«
»Ja ...«, Goblin Slayer rang mit seinen Worten.
»Aber ich weiß nie wirklich, was ich an freien Tagen machen soll.«
Nachdem er sein Frühstück zu sich genommen hatte, räumte der Krieger wie versprochen sein Geschirr weg.
* * *
Es war Unterwäsche. Nein, genauer gesagt war es Rüstung in Form von Unterwäsche. Eine mehrteilige Rüstung, die aus Bruststück, Handschuhen und einem Teil bestand, der nur das Nötigste im Schambereich schützte. Prinzipiell war es eine leichte Rüstung, die den Fokus auf Mobilität legte und wenn man die einzelnen Teile in die Hand nahm, merkte man, dass sie einwandfrei verarbeitet war. Problematisch war jedoch, dass sie gut wie gar nichts bedeckte und viele Teile des Körpers sichtbar - und somit ungeschützt - waren. Ein Treffer in den Bauch würde genügen, um dem Träger dieser Rüstung den Gar auszumachen und seine Eingeweide auf dem Boden zu verteilen. Auch ein Schwertstreich über den Rücken könnte bereits ausreichen, um jenen zu erledigen. überhaupt, war es nicht falsch so unbedeckt in die Schlacht zu ziehen und an vorderster Front zu kämpfen? Sollte man nicht lieber ein Kettenhemd und andere Rüstungsgegenstände darüber anziehen?
»Nein, nein, nein, nein. Das geht doch nicht.«
»Was denn?«
»Wenn ich meine Haut verstecke, kann ich meine weiblichen Reize nicht zei ...«, antwortete die Ritterin und drehte sich zu der Gestalt neben ihr um.
»Argh, Goblin Slayer?!«
»Ganz genau«, antwortete der Krieger und nickte langsam.
Die beiden Abenteurer befanden sich im Ausrüstungsladen der Gilde. Obwohl Goblin Slayer jedes Mal hierherkam, um sich neu auszurüsten, hatte er die Ritterin noch nie in dem Laden gesehen. Er war verwundert darüber, warum seine Kollegin, die sonst eigentlich schwere Rüstungsgegenstände trug, sich gerade eine leichte Rüstung anschaute.
»Willst du etwa auf eine leichte Rüstung umsteigen?«
»Nun ja ... Eigentlich nicht ...«
Die Ritterin überlegte vorsichtig, wie sie Goblin Slayer antworten sollte.
»Und überhaupt, wenn ich dich sehe, verliere ich jegliche Lust, Lederrüstung zu tragen.«
»Ist das so?«
Goblin Slayers Ausrüstung sah wie immer schäbig aus. Er trug eine verschmutze Lederrüstung mit einem Kettenhemd und auf dem Kopf einen billigen Eisenhelm. Natürlich war er damit perfekt für den Kampf gegen Goblins an dunklen und engen Orten ausgerüstet, aber der Ritterin missfiel sein Aussehen trotzdem.
»Könntest du deine Rüstung nichts wenigstens mal ordentlich sauber machen und polieren? Zumindest um diese dunkelroten Flecken solltest du dich kümmern.«
»Das ist gewollt«, erklärte Goblin Slayer gewöhnt nüchtern.
»So können die Goblins meinen Geruch nicht erkennen.«
»Deinen Körper wäscht du aber, ja?«
»Ja. Sonst wird mit mir geschimpft.«
Leicht verzweifelt schaute die Ritterin zur Decke des Raums. Sie wusste, dass sie in dieser Situation keinen himmlischen Beistand erhalten würde, aber diese Unterhaltungen mit Goblin Slayer waren für sie jedes Mal zum Haare raufen. Schnell wechselte sie das Thema:
»Und was möchtest du diesmal kaufen?«
»Pflöcke und zwei Seile. Dann noch Drahtseil und Holz. Außerdem habe ich einen Spaten anfertigen lassen.«
»Wie bitte?«
»Pflöcke und zwei Seile. Dann noch Drahtseil und Holz. Außerdem habe ich einen Spaten anfertigen lassen.«
»Auf was für ein Abenteuer willst du denn gehen?«
»Ich brauche es für kein Abenteuer.«
Goblin Slayer schüttelte deutlich den Kopf.
»Ich brauche es zum Goblins auslöschen.«
»Hach«, stieß die Ritterin einen tiefen Seufzer aus.
Goblin Slayer schaute währenddessen interessiert die leichte Rüstung an und fragte:
»Sind das hier Teile einer Rüstung?«
»Es sind nicht Teile einer Rüstung, sondern eine ganze Rüstung, von der die wichtigsten Teile fehlen«, erklärte die Ritterin.
Man muss entweder verrückt oder als Kämpfer unheimlich begabt sein, um mit so einem Outfit in erster Reihe zu kämpfen. Vielleicht können Magierinnen, Diebe oder Priesterinnen sie anziehen, aber eigentlich tragen sie doch noch leichtere Ausrüstung, dachte Goblin Slayer. Er begriff nicht, warum jemand so eine Rüstung tragen würde. Die Ritterin merkte, wie Goblin Slayer sich den Kopf zerbrach und setzte ihre Erklärung zögernd fort:
»Es ist so. Frauen, die auf Abenteuer gehen und ... ähm ... ja ... Solche Frauen haben eben nur wenige Auswahl an Partnern, die sie heiraten können.«
»Ist das so?«
Goblin Slayer erkannte, dass die Ritterin ganz rot im Gesicht geworden war, verstand aber den Grund nicht. Sowieso erschloss sich ihm nicht, was sie da redete. Die Ritterin war eine attraktive Frau. Sie hatte langes, blondes Haar, große Augen, eine ansprechende Gesichtsform und weiche, glatte Haut. In einem Kleid könnte sie glatt als Adelige durchgehen.
»Ja, so ist das. Denk doch mal darüber nach. Die meisten männlichen Abenteurer kommen mit den Frauen zusammen, die sie gerettet haben. Manchmal sind sogar Prinzessinnen dabei.«
»Das mag sein. Ich kenne mich mit so was nicht aus.«
Der Krieger erinnerte sich daran, dass er als Kind solche Geschichten gehört hatte. Ein Ritter besiegt den Drachen und rettet die Prinzessin. Auf dem Rückweg zum Schloss lehnt er einen Teil des Königreichs, den er zum Dank erhalten soll, ab und geht lieber auf Reisen. In einem fernen, fernen Land trifft er dann auf eine andere Prinzessin, mit der er ein neues Königreich gründet.
»Tja, dann wirst du wohl keine andere Wahl haben, als mir zu glauben.«
»Gut, aber was hat das jetzt mit dieser Rüstung zu tun?«, fragt Goblin Slayer ungewohnt vorsichtig.
Sichtlich genervt antwortet die Ritterin:
»Was wird jetzt aus den weiblichen Abenteurern, die übrig bleiben?«
»Hm? Sie können doch einfach einen anderen Kumpan aus der Gruppe heiraten.«
»Ich kenne mehrere Gruppen, die sich wegen Liebesproblemen in die Haare gekriegt haben und sich auflösen mussten.«
»Oh ... Das ist natürlich höchst unerfreulich ...«
Goblin Slayer hatte bereits viele Gruppen mit hohem Frauenanteil gesehen, aber er hatte nie darüber nachgedacht, dass so etwas zum Problem werden könnte. Da in seiner jetzigen Gruppe auch zwei weibliche Mitglieder waren, war das Thema äußerst interessant für ihn.
»Heißt das nicht, dass du rausgehen musst, um dir woanders einen Mann zu suchen?«
Die Frage schien einen wunden Punkt getroffen zu haben, denn ihr Gesichtsausdruck wurde plötzlich ganz missmutig.
»Glaubst du, dass Frauen, die Trolle und Drachen mit einem Streich besiegen können, besonders beliebt bei Männern sind?«
»Etwa nicht?«
»Was denkst du denn über solche Frauen?«
»Die sind verlässlich.«
»Nein ... So meine ich das nicht.«
Die Ritterin seufzte tief.
»Ich will mir niemanden von Außerhalb suchen ...«
Obwohl sie sonst unerschütterlich war, zappelte sie und schaute nervös hin und her.
»Um die Person zu kriegen, die ich will ... muss ich mich von meiner etwas weniger starken Seite zeigen.«
»Ach so.«
An diesem Punkt war auch endlich für Goblin Slayer der Groschen gefallen. Es ging um den Panzerkrieger in ihrer Gruppe.
»Um den geht es also.«
»Ja ...«
Die Ritterin nickte leicht. Ihr Bewegungen wirkten wie die eines unschuldigen Mädchens. Weil sie sonst so kühn ist, dachte ich, dass sie älter wäre, aber kann es sein, dass sie noch recht jung ist?, dachte sich Goblin Slayer.
»Aber du meintest doch gerade, dass Liebe unter den Mitgliedern einer Gruppe zu Problemen führen kann?«
»Das muss man von Fall zu Fall unterscheiden!
»Ist das so?«
»Ja... Aber sag mal, Goblin Slayer.«
Plötzlich wurde die Ritterin wieder hochrot im Gesicht.
»Es ist unheimlich peinlich, dich das zu fragen, aber würde dieser Aufzug . . . ähm . . . nun ja ... seine Aufmerksamkeit auf mich ziehen?«
»Wer gerade mir so eine Frage stellt, kann wirklich nicht ganz bei Sinnen sein.«
»Urgh!«
Vor diesem kritischen Treffer hatte auch ihre schwere Rüstung die Ritterin nicht schützen können.
»Wenn du ihn mit einem Überraschungsangriff attackieren willst, solltest du deine Herangehensweise ändern.«
»Wie meinst du das?«
»Bei Goblins muss man sich immer neue Strategien überlegen.«
»Ich rede hier aber nicht über das Vertreiben von Goblins«, antwortete die Ritterin ein wenig entnervt.
Goblin Slayer verschränkte die Arme und dachte nach, bevor er fortfuhr.
»Du trägst doch normalerweise immer nur Rüstung. Ist es da nicht bereits Überraschung genug, wenn du einfach nur normale Kleidung anziehst?«
»Ja, okay ... Normale Kleidung ... Ich werde darüber nachdenken.«
»Na dann.«
»Entschuldige bitte, dass ich dich so etwas Komisches gefragt habe.«
»Kein Problem.«
Goblin Slayer schüttelte den Kopf.
»Wir sind doch Kollegen.«
Die Ritterin war überrascht von der Aussage des Kriegers. Statt zu antworten, starrte sie eine Weile seinen billigen Eisenhelm an.
»Habe ich irgendetwas Falsches gesagt?«, fragte Goblin Slayer.
»Nein, aber du bist ein komischer Kauz.«
»Ist das so?«
»Komisch, aber gar nicht so schlecht. Danke.«
Mit einem Lächeln auf ihrem Gesicht drehte die Ritterin sich um und ging. Goblin Slayer blieb wortlos zurück.
* * *
»Ha ha ha ... Du bist ja ganz schön beliebt«, schallte hinter Goblin Slayer die kehlige Stimme des Schmieds.
Er hatte einen prächtigen Bart, der dem eines Zwerges in nichts nachstand. Der Krieger ignorierte die Aussage, drehte sich um und ging auf den alten Mann zu.
»Ich habe eine Bestellung. Pflöcke und ...«
»Ja, ja ... Ich habe das vorhin schon gehört. Das kriegen wir hin. Hey, Junge! Bring den Kram!«
»Jawohl!«
Auf den ruppigen Zuruf seines Lehrmeisters flitzte der Lehrling der Schmiede los und legte Pflöcke, Draht und auch die anderen Dinge auf den Tresen.
»Danke«, sagte Goblin Slayer und überprüfte die Ware.
Dann befestigte er alles an seiner neuen Schaufel, die er sich über die Schulter legte. Als Nächstes zog er seinen Geldbeutel aus der Tasche und legte einige Geldstücke auf den Tresen, die der Alte gleich überprüfte. Während er die Münzen mit zusammengekniffenen Augen begutachtete, fragte er:
»Es hat echt fünf Jahre gedauert, bis ihr beiden euch ein wenig aneinander gewöhnt habt, was?«
»Ist das so?«, entgegnete der Krieger.
»Ja, genau.«
»Ach so.«
»Also wirklich ... Als du als fünfzehnjähriger Bursche herkamst und deine billige Ausrüstung gekauft hast, dachte ich eigentlich, dass ich dich nie wiedersehen würde.«
Der Schmied zog ein Gesicht, als würde er sich an einen unangenehmen Verwandten erinnern.
»Ich musste an die Kosten denken und daher war das die beste Vorgehensweise.«
»Zuerst dachte ich, dass du einfach nur kein Geld hast und auf Dinge sparen würdest, aber du kaufst nach wie vor nur schäbige Ausrüstung. Wie wäre es mal mit einer etwas besseren Klinge?«
Goblin Slayer antwortete nicht darauf. Für ihn gab es keine bessere Ausrüstung, um Goblins zu bekämpfen. Würde es irgendwo in dieser Welt eine magische Klinge zum Töten von Goblins geben, würde er sie wahrscheinlich nicht verwenden.
»Na, egal.«
Der Schmied merkte, dass Goblin Slayer keine Lust hatte, darüber zu diskutieren und wechselte das Thema.
»Brauchst du noch etwas anderes? Ich hätte da etwas Besonderes für dich.«
»Was denn?«
»Südländische Wurfmesser.«
»Oho«, entglitt es Goblin Slayer.
»Na, hast du Interesse?«
Ein verwegenes Lächeln machte sich auf dem Gesicht des Alten breit und er drehte sich um, ohne auf eine Antwort zu warten. Er nahm die seltsam geformten Messer, die im Regal auslagen, und legte sie auf den Tresen. Die mysteriösen Waffen waren kurz und dolchartig. Aus ihren Griffen entsprangen jeweils drei Klingen, die auf sonderbare Art gebogen waren.
»Ich habe ein wenig herumgebastelt. Was denkst du?«
Goblin Slayer hob eine der Waffen auf, wog sie kurz in der Hand und schwang sie dann ein, zwei Mal durch die Luft.
»Goblins könnten die zwar aufsammeln, aber sicherlich nicht reproduzieren.«
»Natürlich können sie das nicht. Es ist ja auch mein Handwerk.«
»Was sind die Vorteile dieser Waffe?«
Der Schmied runzelte die Stirn und antwortete:
»Sie sehen nicht so aus, aber es sind eigentlich Schwerter. Die Spitzen der drei Klingen sorgen dafür, dass sich das ganze Ding im Flug dreht, was sie wiederum weiter fliegen lässt. Durch den Schaden, die sie anrichten, sind es eher Schneid- als Stichwaffen.«
»So ähnlich wie die Wurfmesser aus dem fernen Osten?«
»Quatsch! Das sind doch Stichwaffen! Außerdem sind die nichts im Vergleich zu den Dingern hier!«
»Ich verstehe.« Goblin Slayer schaute sich die Waffen noch einmal genau an. Es würde ihm nicht schaden, wenn er eine davon dabei hätte.
»Ich nehme eins davon.«
»Vielen Dank. Das macht fünf Goldstücke ... Nein, du kriegst sie für vier.«
Es war ein stolzer Pries für ein Wurfmesser, aber Goblin Slayer bezahlte ihn ohne sich zu beschweren. Der Schmied wusste, dass der Krieger solche Waffen liebte und hatte sie ihm deshalb gezeigt.
»Und wenn du Schriftrollen rein bekommst, leg sie bitte für mich zur Seite«, sagte Goblin Slayer und schob das kreuzförmige Wurfmesser in den Gürtel. Er zog es mehrfach heraus und steckte es wieder ein, um zu sehen, ob es richtig saß.
Der Schmied schaute ihn zufrieden an und antwortete entspannt:
»Ja, das werde ich wie immer machen, aber du weißt, wie selten ich welche reinkriege. Noch irgendwas?«
»Hm ... Ich bräuchte noch ein paar getrocknete Fische.«
»Wieso sollte ich so etwas hier haben? Wir sind ein Ausrüstungsladen.«
»Ist das so?«
Der Schmied seufzte. Er kannte den Krieger jetzt schon seit fünf Jahren, aber er war immer noch für eine Überraschung gut.
»Wenn es um haltbares Essen geht, könnte ich dir aber helfen.«
»Dann gerne zwei, drei Fässer. Lass sie zum Hof bringen.«
»Fässer?! Das hier ist doch nicht der Markt!«, beschwerte sich der Schmied. Nichtsdestotrotz holte er einen Stift hervor und notierte sich die Bestellung.
* * *
Nachdem er mit dem Einkauf fertig war, verließ Goblin Slayer mit seinen üblichen schweren Schritten die Schmiede und wanderte zur Anschlagstafel bei der Anmeldung der Gilde hinüber. Ruhig ließ er seinen Blick über die aushängenden Aufträge wandern. Einige Aufträge waren auch nach dem morgendlichen Ansturm seiner Kollegen hängen geblieben und Goblin Slayer las sie sich durch: etwas mit Drachen, das Erkunden unbekannter Ruinen, ein Oger, das Sammeln von Kräutern im großen Wald, eine Schatzsuche, ein Vampir in einem alten Schloss, das Beseitigen von Ratten und das Besiegen von Räubern. Immer wieder stieß er auf Wörter wie Sekte, Dämonenfürst, Dämon oder Besiegen und Untersuchen. Nach dem er alle Aufträge durchgelesen hatte, murmelte er:
»Gibt es heute keine?«
Goblin Slayer empfand diesen Umstand als seltsam. Sonst hatte es immer Goblin Aufträge gegeben. Sie tauchten überall auf und Jahreszeiten oder Ähnliches waren ihnen egal ... Nein, besonders im Herbst waren sie häufig auf der Jagd. Er ließ seinen Blick durch die Eingangshalle schweifen, aber sah niemanden, den er kannte. Auch die Gilden Angestellte, die ihn sonst betreute, war nicht da.
Mit einem "Hmpf" ging Goblin Slayer zur Anmeldung und stellte sich vor eine andere Gilden Angestellte.
»Hey.«
»Uwah ... ! Was? Wer?!«
Überrascht ließ die Angestellte das Buch fallen, das sie heimlich hinter dem Geschäftsbuch gelesen hatte. Hastig sammelte sie es wieder auf und richtete ihren Blick auf den Krieger vor ihr. Es war die Inspektorin, die zusammen mit Goblin Slayer dem Rangaufstiegsinterview beigewohnt hatte.
»Ach, Sie sind es. Geht es um den Auftrag von gestern? Die Bezahlung wurde bereits vorbereitet.«
»Ja, ich nehme das Geld mit. Teile es bitte gleichmäßig auf zwei Beutel auf.«
»Ja, verstanden.«
»Und ich würde gerne einen genauen Bericht abgeben.«
»Ach ... Aber darf ich mir den überhaupt anhören?«, murmelte die Inspektorin und warf etwas verlegen einen Blick in den hinteren Teil des Büros.
Dann wandte sie sich Goblin Slayer zu und sagte:
»Leider ist die zuständige Angestellte heute nicht hier. Ginge es vielleicht auch an einem anderen Tag?«
»Kein Problem«, erwiderte Goblin Slayer, für den es keinen großen Unterschied machte.
»Aber warum ist sie heute denn nicht hier?«
»Ach, nun ja ...«, die Inspektorin beugte sich nach vorne und begann zu flüstern.
»Sie muss sich noch auf das Fest vorbereiten und hat so einiges zu tun.«
»Ist das so?«
»Ja, darf ich ihr später sagen, dass Sie sich Sorgen um sie gemacht haben?«
»Ich habe mich zwar nicht gesorgt, aber mir soll es recht sein.«
Ein breites Lächeln legte sich auf das Gesicht der Inspektorin.
»Und Goblins? Gib es heute nichts?«, fragte Goblin Slayer.
»Goblin Aufträge? Einen Moment bitte«, antwortete die Inspektorin und zog sich in den hinteren Bereich zurück. Sie holte einen Lederbeutel aus dem Tresor und kam wieder an den Tresen. Die Goldstücke aus dem Beutel wog sie mit einer Waage ab und teilte sie dann gerecht auf zwei weitere Beutel auf.
»Hier. Bitte.«
»Danke.«
»Und wegen der Goblin Aufträge ...«
Die Inspektorin klappte das Geschäftsbuch auf und blätterte darin herum.
»Ja, Sie haben recht. Heute gibt es keine Aufträge mit Goblins.«
»Haben andere Abenteurer bereits welche angenommen?«
»Nein. Heute wurde wohl generell kein Auftrag mit Goblins abgegeben.«
Goblin Slayer stieß ein tiefes Brummen aus.
»Stört Sie etwas daran, dass es keine Goblin Aufträge gibt?«
»Ja, das gefällt mir ganz und gar nicht.«
Die Inspektorin hatte ihre Aussage scherzhaft gemeint, weshalb sie jetzt nicht wusste, was sie sagen sollte. Verlegen murmelte sie:
»Es tut mir leid, dass ich Ihnen nicht helfen kann.«
Ohne darauf etwas zu antworten, drehte Goblin Slayer ihr den Rücken zu und ging zu seinem gewohnten Platz in einer Ecke der Eingangshalle. Es warf ihn aus der Bahn, dass überhaupt keine Goblin Aufträge abgegeben worden waren. Das Leben der Biester bestand daraus, zu rauben. Obwohl sie dazu imstande waren, krude Waffen oder Hilfsmittel herzustellen, würden sie niemals auf die Idee kommen, Lebensmittel anzubauen oder sich Unterkünfte zu errichten. Warum auch? Sie konnten doch alles klauen.
Das kann nur heißen, dass die Goblins auf etwas warten ...
Goblin Slayer stieß ein Brummen aus und schüttelte den Kopf. Während er seine Gedanken ordnete, schaute er sich in der Eingangshalle um.
»Arrrrgh! Mein Kopf tut weh, als würde er gleich platzen ... Und die Gilden Angestellte ist auch nicht hier!«
»Du... Dummerchen. Das ist ... weil du ... zu viel ... getrunken hast.«
Es waren der Speerkämpfer und seine übliche Begleitung, die Hexe.
»Oh, da bist du ja endlich. Mann, wie lange dauert es denn, Ausrüstung zu kaufen?«, meckerte dann noch der Panzerkrieger.
Er hatte wohl zusammen mit dem Rest seiner Gruppe auf die Ritterin gewartet, die mit knallrotem Gesicht erwiderte:
»Ha... Halt die Klappe! Manchmal brauch selbst ich ein wenig, um mich zu entscheiden ...«
Scherzend mischte sich der Halbelf ihrer Gruppe ein:
»Sieh an! Unsere liebe Ritterin möchte sich wohl für das Fest fein raus putzen!«
»Wirklich? Wie toll! Vielleicht sollte ich auch ein Kleid anziehen!«, sagte die Druidin der Gruppe begeistert.
Der Späher der Gruppe sah darin eine Steilvorlage und kommentierte die Aussage seiner Kameradin:
»Du willst dich fein raus putzen? Lass das lieber und begnüge dich mit deiner inneren Schönheit.«
Mit einem empörten "Wie bitte?!" sprang die Druidin sofort auf die Provokation an und ein hitziges Wortgefecht entbrannte.
Der Krieger Lehrling und die Heilige in Ausbildung saßen neben der Gruppe und führten ihre eigene Unterhaltung.
»Wie? Als Heilige machst du da nicht mit? Ich hätte dich zu gern in passender Ritualkleidung gesehen.«
»Hey ... Willst du mich veräppeln?«
»Nein, ich meine das ernst!«
»W... Wenn du unbedingt willst, kö ... könnte ich mich ja ein wenig hübsch machen ...«
»Echt?! Juhu!«
»Ja, aber mach da jetzt keine große Sache draus. Es ist mir ein wenig peinlich ...«
Fast alle hier scheinen sich auf dieses Fest zu freuen, dachte sich Goblin Slayer. Doch einer sticht heraus. Sein Blick fiel auf einen kleinen Mann, der sich in einen schwarzen Mantel gehüllt hatte und die anderen Abenteurer missmutig anstarrte. Der Krieger wusste nicht, was mit diesem Mann war, aber es interessierte ihn auch nicht sonderlich. Er hatte andere Dinge, über die es nachzudenken galt. Er stand auf und machte ein paar Schritte in Richtung Ausgang, als ...
»Ah!«
Fast wäre Goblin Slayer mit der Priesterin zusammengestoßen, die von draußen hereingelaufen kam.
»A... Ach, Goblin Slayer.«
Sie war hochrot im Gesicht, aber der Krieger konnte sich nicht erklären, warum. Er legte den Kopf schief und fragte:
»Konntest du letzte Nacht schlafen?«
»J... Ja. Sehr gut sogar.«
»Hier, ich gebe es dir, bevor ich es vergesse.«
Goblin Slayer warf der Priesterin einen der zwei Geldbeutel zu, die er an der Anmeldung erhalten hatte.
»Dein Anteil von gestern.«
»Vi. .. Vielen Dank.«
Vorsichtig packte das Mädchen den Beutel in ihre Tasche. Ihre Augen wanderten dabei rastlos hin und her. Goblin Slayer begann stutzig zu werden. Als er bemerkte, dass ihr Blick hinter ihm am Eingang zum Ausrüstungsladen und der Schmiede hängenblieb, fragte er:
»Brauchst du neue Ausrüstung?«
»Ähm, ach ...«
»Soll ich dich begleiten und beraten?«
Zögernd antwortete sie:
»N... Nein ... Schon gut...«
»Na dann ...«
Goblin Slayer hatte kein Interesse daran, nachzubohren. Wenn sie etwas für sich behalten wollte, war das okay für ihn.
Als die Tür der Gilde hinter ihm zufiel, konnte er entfernt das Lachen des alten Schmieds hören. Vielleicht hatten er und das Mädchen sich angefreundet. Das wäre gar nicht mal so schlecht, dachte sich der Krieger. Nachdem Goblin Slayer die Gilde verlassen hatte, befand er sich mitten im geschäftigen Treiben der Stadtbewohner. Sie alle bereiteten sich auf das morgige Fest vor. Buden wurden gebaut, Flaggen wurden gehisst und in unregelmäßigen Abständen strich eine herbstliche Brise durch die Menge. Junge Mädchen flanierten in Gruppen durch die Straßen und unterhielten sich aufgeregt darüber, was sie morgen anziehen sollten. Spielende Kinder diskutierten wild, wofür sie ihr Taschengeld ausgeben würden. Am Straßenrand trocknete seltsames, geschnittenes Gemüse neben Laternen für das Fest und Last- und Pferdewagen brachten nicht nur viele Waren, sondern auch Besucher in die Stadt. Wenn man all dies beobachtete, konnte man schnell vergessen, dass die Stadt im Grenzland lag. Einer Gegend, die mehr als jede andere von Monstern und Dämonen bedroht wurde. Langsam kämpften sich die sprechenden Völker vor und sicherten Meter für Meter, doch es würde noch lange dauern, bis die letzte Gefahr gebannt war - wenn dies überhaupt jemals geschehen würde. Aber vielleicht freuten sich all die Leute so sehr auf das Fest, gerade weil sie sich im Grenzland befanden und daher eine Auszeit gebrauchen konnten. Während er sich interessiert umschaute, ging Goblin Slayer langsam die Straße hinunter, um zum Trainingsplatz hinter der Gilde zu gelangen. Als er an der Küche der Schenke vorbeilief, stieg ihm ein leckerer Geruch in die Nase. Es war Mittagszeit. Beim Trainingsplatz angekommen bemerkte der Krieger, dass dieser leer war. Das war aber nichts überraschendes, denn die meisten Abenteurer waren unterwegs und die, die es nicht waren, aßen sicherlich gerade zu Mittag. Eine gute Gelegenheit, dachte sich Goblin Slayer und ging um den Zaun des Trainingsplatzes herum, um sich dort in den Schatten eines Baums zu setzen. Zusammen mit der neuen Schaufel breitete er die gekauften Utensilien auf dem Boden aus: Pflöcke, Holz, Draht, Seil und ein paar weitere Dinge. Es waren größtenteils Gegenstände, die man nicht für normale Abenteuer benötigte. Goblin Slayer zog seinen Dolch aus dem Gürtel und begann, den Pflöcken noch schärfere Spitzen zu verpassen. Seine Handbewegungen waren grob und gleichzeitig sehr geschickt. Wäre die Elfe anwesend gewesen, hätten ihre Ohren sicherlich vor Neugier gewackelt und auch die Priesterin hätte ganz bestimmt vorsichtig Fragen gestellt. Doch es waren nicht die beiden Frauen, die den Krieger im nächsten Moment bei seiner Arbeit störten.
»Oho!«
»Da sieh mal einer an!«
Goblin Slayer hob seinen Helm und sah, dass der Zwerg und der Echsenmensch Mönch, seine beiden anderen Kameraden neben der Elfe und der Priesterin, sich ihm mit einem Lächeln näherten.
»Werter Goblintöter, genießt du auch das wunderschöne Wetter?«
Der Mönch legte seine Hände zu einem Gruß zusammen und verbeugte sich. »Wäre es nicht fantastisch, wenn das Wetter morgen auch so wäre?«
»Ja«, antworte Goblin Slayer, ohne seine Hände von der Arbeit zu nehmen. »Hoffentlich scheint die Sonne.«
»In der Tat. In der Tat«, sagte der Zwerg, während er sich genüsslich durch seinen Bart strich.
»Wie ich sehe, bist du eifrig bei der Arbeit. Was soll das werden?«
»Ich muss mich vorbereiten«, erwiderte der Krieger.
»Willst du etwa einen Vampir besiegen?«, fragte der Echsenmensch neugierig.
»Warum denkst du so was?«
»Ich dachte, es wäre bekannt, dass man Vampire mit Pflöcken vernichten kann.«
»Ist das so?«
Der Zwerg lächelte resignierend.
»Es ist bereits bemerkenswert, dass du schon mal von Vampiren gehört hast.«
Vampire waren ähnlich wie Drachen legendäre Monster und nur die wenigsten kannten sich gut mit ihnen aus. Dies machte es umso erstaunlicher, dass Goblin Slayer - der zuvor noch nicht einmal gewusst hatte, was ein Oger war - den Begriff Vampir bereits gehört hatte.
»Die interessieren mich nicht.«
Der Krieger nahm seine Arbeit wieder auf, bis er plötzlich ein kurzes
»Hm?« von sich gab und fragte: »War es nicht so, dass Vampire sich vermehren, indem sie jemanden beißen?«
»So wird es erzählt.«
»Vielleicht sollte ich mich darauf vorbereiten, falls ein Goblin mal zu einem Vampir wird.«
Das Wissen, dass Goblin Slayer diese Aussage todernst gemeint hatte, entlockte dem Zwerg einen tiefen Seufzer. Der Echsenmensch ergriff das Wort:
»Nun ja, ein toter Goblin ist eine Goblin Leiche und selbst wenn sie wieder zum Leben erweckt würde ... Wäre sie dann nicht ein Ghul?«
»So oder so würde kein Vampir das Blut eines Goblins trinken wollen«, fügte der Zwerg hinzu.
»Ich verstehe«, sagte Goblin Slayer und nickte.
Nachdem die beiden dem Krieger einige Zeit bei seiner Arbeit zugeschaut hatten, stellte der Zwerg eine sehr offensichtliche Frage:
»Es ist zum Bekämpfen von Goblins, nicht wahr?«
»So ist es.«
»Ja, was frage ich auch.«
Der Elfe wäre bei solch einer Unterhaltung mit Goblin Slayer die Hutschnur geplatzt, aber der Zwerg wusste es nach einem halben Jahr mit dem Abenteurer besser.
»Willst du uns nicht erzählen, wofür genau das gut sein soll?«
»Man kann nicht immer genau wissen, woher Goblins kommen.«
»Ja, genau.« Der Echsenmensch schüttelte langsam den Schwanz.
»Man muss immer vorsichtig sein.«
»Ja.«
Goblin Slayer nickte.
»Sie sind zwar dumm, aber keine vollkommenen Idioten.«
Normalerweise hatten Goblins kein Interesse daran, Dinge zu lernen, aber das hieß nicht, dass sie es nicht konnten. Das wusste Goblin Slayers Gruppe nur zu gut. Schließlich hatten sie in der Kanalisation der Stadt des Wassers bereits gegen Goblins gekämpft, die gewusst hatten, wie man Schiffe baut und steuert. Deswegen musste man aufpassen, dass sie nicht mehr in die Hände bekamen als sie sollten. Goblin Slayer war, was diese Angelegenheit anging, über gründlich, aber der Echsenmensch und der Zwerg konnten verstehen, warum.
»Na gut, dürften wir uns neben dich setzen, werter Goblintöter?«, fragte der Echsenmensch höflich.
Goblin Slayer antwortete nüchtern:
»Kein Problem, der Ort gehört mir nicht.«
»Nun ja, der Höflichkeit halber sollte man trotzdem fragen, Bartschneider«, meinte der Zwerg, breitete ein großes Tuch als Unterlage aus und setzte sich darauf.
Der Echsenmensch setzte sich neben ihn. Er löste das Band um das Paket in seinen Armen und breitete den Inhalt, verschiedene Utensilien, auf der Unterlage aus. Darunter waren dünne Baumbusstangen, verschieden gefärbte Papiere sowie Ölpapier.
»Hm? Wollt ihr fliegende Laternen basteln?«
»Oho. Sehr gut erkannt, Bartschneider«, antwortete der Zwerg und begann, mit geübten Handgriffen die Einzelteile zusammenzusetzen. Die leicht herzustellenden fliegenden Laternen waren ein bekannter Bestandteil des Erntefests. Zuerst baute man einen kleinen Korb aus Bambusstäben und beklebte ihn mit Papier. Dann setzte man ein Licht in die Laterne und schloss sie von oben mit einem Schirm.
»Ich bin schon gespannt, viele von ihnen zum Himmel steigen zu sehen«, freute sich der Echsenmensch und fuhr sich mit der Zunge über seine Schnauze.
»Da ich einen ähnlich Brauch bereits aus meiner Heimat kenne, wollte ich dem Schuppigen zeigen, wie man sie baut«, warf der Zwerg grinsend ein.
Goblin Slayer antwortete mit einem einfachen
»Ach so« und begutachtete einen angespitzten Pflock im Sonnenlicht.
»Na ja ... Der wird schon reichen ...«
»Ich bin schon gespannt, wie dir das Fest dieses Jahr gefallen wird, werter Goblintöter.«
»Ist das so?«, entgegnete Goblin Slayer und griff sich den nächsten Pflock, um ihn anzuspitzen.
Der Zwerg verstand nur zu gut, warum der Krieger nicht weiter darüber reden wollte und spornte den Echsenmenschen dazu an, mit der Arbeit zu beginnen.
»Komm schon. Das Fest ist bereits morgen. Uns bleibt nicht viel Zeit.«
»Dann erklär mir bitte, was ich tun soll«, antwortete der Mönch und rollte mit den Augen.
Der Zwerg bewies daraufhin, warum er und seine Artgenossen für ihre Handwerkskünste berühmt waren. In einer unfassbaren Geschwindigkeit setzte er die Körbe aus Bambus zusammen, auf die der Echsenmensch dann das Papier klebte. Der Mönch musste fürchterlich aufpassen, dass er mit seinen Krallen nicht das Papier zerschnitt.
»Was für eine Geschichte steckt wohl hinter diesen Papierlaternen?«, fragte er und fuhr sich über die Stirn, obwohl seine Art nicht schwitzte.
Ohne mit seiner Arbeit aufzuhören, griff der Zwerg nach seiner Trinkflasche und gönnte sich einen Schluck Branntwein.
»Wer weiß, ich komme auch von außerhalb. Ich kenne zwar die Laternen, aber was es mit ihnen auf sich hat, weiß ich auch nicht.«
»Sie sind nicht sonderlich selten«, antwortete Goblin Slayer.
Aufmerksam richteten seine beiden Kameraden ihre Blicke auf ihn.
»Sie sollen gute Geister rufen und böse vertreiben. Sie sind wie Wegweiser, die Licht ins Dunkle bringen.«
»Du kennst dich gut aus«, sagte der Zwerg verwundert.
»In meiner Heimat«, erzählte Goblin Slayer, »gab es auch so ein Fest.«
»Hm ... So ein Ritual wäre bei uns undenkbar.«
Der Echsenmensch kratzte sich mit einer Klaue die Nase. Für sein Volk waren Tote nichts weiter als Leichen, die dem Kreislauf der Welt zurück gegeben wurden.
»Trotzdem ist uns natürlich die Trauer um Tote nicht fremd. Vielleicht ist solch ein Fest gar keine schlechte Art, mit ihr umzugehen.«
»Das denke ich auch.«
Goblin Slayer nickte.
»Ich werde mich anstrengen!«
»Oho, Schuppiger! Woher die Motivation?«
»Ich darf meinem Vorfahren, dem fürchterlichen Drachen, durch mein Handeln keine Schande bereiten. Ich werde als Echsenmensch mein Bestes geben.«
»Dann darf ich mich auch nicht lumpen lassen! Ich werde die beste Laterne basteln, die ein Zwerg je kreiert hat!«
Während die drei sich auf ihre Arbeit konzentrierten, kamen nach und nach die ersten Abenteurer von ihrem Mittagessen auf den Trainingsplatz zurück. Sie alle interessierten sich dafür, was das sonderliche Dreiertrio am Rande des Platzes bastelte, aber keiner traute sich, sie anzusprechen. Dann tauchte eine Hochelfe auf, für die Zurückhaltung ein Fremdwort war.
»Ah! Die beiden bauen irgendwas mit Orcbolg!«
Es war die Waldläuferin der Gruppe, die sofort, als sie ihre Kameraden erkannt hatte, herangestürmt kam. Sie ging neben der ausgebreiteten Unterlage in die Hocke.
»Du benimmst dich echt immer wie ein neugieriger Rotzlöffel, Langohr«, schimpfte der Zwerg.
»Hey, das ist voll unhöflich! Ich bin schon 2.000 Jahre alt!«, entgegnete sie wütend und schnaufte durch die Nase.
»Was macht ihr hier?«
»Das kannst du doch sehen! Das sind aufsteigende Laternen ...«
»Pflöcke.«
»Das mein ich nicht.« Mit einem leisen Plumps ließ die Elfe sich neben dem Zwerg auf der Unterlage fallen.
»Was ist das dann? Und was ist das da? Was ist das für ein Werkzeug? Wie verwendet man es? Warum stellst du Pflöcke her?«
»Um Goblins zu töten.«
»Das war mir klar.«
»Du bist wie ein Wirbelsturm, Langohr. Eigentlich saßen wir bis gerade schön in aller Ruhe zusammen«, meckerte der Zwerg.
Da die Elfe das Eis gebrochen hatte, trauten sich jetzt auch die anderen Abenteurer, sich der Gruppe zu nähern. Zuerst kamen der Späher, die Druidin, der Krieger Lehrling und die Heilige in Ausbildung näher.
»Hallo, Goblin Slayer.«
»Hey, bereitest du dich auf das Fest vor?«
»Und was macht ihr beiden da?«
»Weißt du das etwa nicht, das sind ...«
»Doch, doch, das sind aufsteigende Laternen!«
»Wollt ihr mitmachen?«, fragte der Echsenmensch die jungen Abenteurer und fuhr sich freudig mit der Zunge über die Schnauze.
»Ich bin auch noch unerfahren darin. Der werte Zwerg bringt es mir gerade bei.«
Während es um ihn herum immer lauter wurde, ging Goblin Slayer weiterhin seiner Arbeit nach. Er dachte sich: Ob es wohl genauso gekommen wäre, wenn die anderen nicht hier wären? Wahrscheinlich nicht ... Aber es ist nicht schlecht so ...
»Was? Du hast noch nichts gegessen, Orcbolg?«
»Ja.« Es war mittlerweile dunkel geworden und die Sterne und die beiden Monde hatten bereits ihre Wanderung über den Horizont begonnen. Während alle anderen Abenteurer sich bereits zurückgezogen hatten, waren nur noch Goblin Slayer und die Elfe zurückgeblieben.
»Das geht doch nicht ... Hast du etwa kein Geld?«
»Das ist es nicht.«
»Ich könnte dich einladen.«
»Nein.«
»Was willst du denn machen, wenn Goblins angreifen? Kannst du mit leerem Magen kämpfen?«
»Hmpf...«
»Gut. Dann ist ja alles klar!«
Da die Stadt im Grenzland ein beliebter Zwischenstopp von Reisenden war, gab es viele verschiedene Lokale und die Elfe schleppte Goblin Slayer in einen Laden, der eine Kombination aus Wirtshaus und Unterkunft war. Die schwere Schwingtür quietschte beim Aufdrücken und als die beiden hineingingen, schlug ihnen sofort die laute Geräuschkulisse des Ladens entgegen. In der Luft lag der schwere aber nicht unappetitliche Geruch von gebratenem Fleisch und frischem Bier. Die Elfe wackelte freudig mit den Ohren, aber Goblin Slayer fragte verdutzt:
»Ich dachte, du kannst nicht so gut mit Alkohol und Fleisch.«
»Das stimmt schon.«
Sie zwinkerte ihm mit einem Auge zu.
»Aber diese lebendige Atmosphäre muss man doch lieben, oder?«
»Ist das so?«
»Ganz genau!«
Die Elfe rief der herankommenden Kellnerin zu, dass sie zwei Plätze brauchten und kurz darauf saßen sie und der Krieger an einem runden Tisch in einer stilleren Ecke des Ladens.
»Sag mal, Orcbolg«, sagte die Waldläuferin und zeigte mit einem ihrer weißen, dünnen Finger auf Goblin Slayers Helm,
»Setz das Ding doch wenigstens beim Essen ab.«
»Das geht nicht. Was ist, wenn Goblins auftauchen?«
»Jetzt und hier?«
»Warum nicht?«
»Du bist echt unmöglich ...«, entgegnete die Elfe resignierend. Goblin Slayer verstand ihre Aussage schon irgendwie. Er wusste, dass er selbst aus den illustren Abenteurern der Stadt herausstach.
»Wer ist das denn? Ein Abenteurer?«
»Ich dachte schon, dass es ein Untoter wäre.«
»Oh nein. Er hat hergeschaut.«
»Das hast du dir bestimmt nur eingebildet, oder?«
Die anderen Besucher des Lokals begannen, lautstark über den Krieger zu reden. Neben der Elfe und Goblin Slayer schienen nur zwei weitere Gäste Abenteurer zu sein. Sie saßen unauffällig in der Ecke des Ladens und trugen Mäntel mit tiefen Kapuzen, wie man sie sonst von Magiern kannte. Einer von ihnen war hochgewachsen, während der andere eher klein war. Sie diskutierten wild miteinander, aber über das wilde Treiben der Schenke konnte man nicht hören, worüber. Die Elfe versuchte kurz, mit ihren Ohren etwas aufzuschnappen, aber gab dann auf.
Sie wandte sich Goblin Slayer zu.
»Und? Was hast du so vor?«
»Was meinst du?«
»Morgen beim Fest.« Ein wissendes Grinsen legte sich auf das Gesicht der Waldläuferin.
»Am Vormittag amüsierst du dich mit dem Mädchen vom Hof und am Nachmittag mit der Gilden Angestellten.«
»Ich amüsiere mich nicht«, gab Goblin Slayer barsch zurück.
»Du bist zu neugierig.«
»Was erwartest du? Ich bin schließlich eine Elfe. Ich höre alles.
Deine Nachmittagskandidatin hat bereits irgendwas geplant, aber ich wollte wissen, ob du dir schon etwas für deine Verabredung am Vormittag ausgedacht hast.«
»Nein, habe ich nicht.« Goblin Slayer schüttelte den Kopf.
»Ich habe mir ehrlich gesagt noch gar keine Gedanken darüber gemacht.«
»Zum Verzweifeln.«
Die Waldläuferin seufzte laut.
»Aber typisch Orcbolg. Geh doch wenigstens zu einem Ort mit ihr, der ihr gefallen könnte.«
»Ein Ort, der ihr gefällt ...«
»Genau, du kennst sie doch schon lange. Du kennst doch bestimmt einen Ort oder weißt zumindest etwas, das sie mag.«
Goblin Slayer nickte.
»Außerdem solltest du dir Mühe geben, eine richtige Unterhaltung mit ihr zu führen. Nicht immer nur deine abgehackten Antworten.«
Die Elfe ignorierte das Grummeln, das sie von Goblin Slayer als Antwort erhielt und richtete ihre Aufmerksamkeit auf die an der Wand hängende Speisekarte.
»Was wollen wir denn nehmen?«, sagte sie aufgeregt. Ihr Geldbeutel war prall gefüllt von den letzten Aufträgen und sie hatte Lust, sich zu amüsieren.
»Orcbolg, gibt es etwas, was du essen willst?«
»Ich bin mit allem zufrieden. Da du bezahlst, richte ich mich nach dir.«
»Es ist echt schwer zu verstehen, ob du mit der Aussage jetzt Rücksicht nimmst oder dich einfach nur aus der Verantwortung ziehen willst.«
»So bin ich nun mal.«
»Ja, ja ... Schon klar ... Entschuldigung!«
Nachdem sie kurz über das Verhalten ihres Begleiters gestöhnt hatte, riss sie eine Hand in die Höhe, um die Bedienung herbeizurufen. Sie bestellte dies und das und als die Kellnerin ihr erzählte, dass es guten Traubenwein gab, bestellte sie den natürlich auch. Nachdem sie fertig war, kommentierte der Krieger ihre Bestellung nur mit:
»Wenn du dich betrinkst, kann ich dich nicht nach Hause bringen.«
»Wieso glaubst du denn, dass ich mich betrinken würde?«
»Das ist doch schon häufiger passiert.«
»Nein, nein! Das waren Ausnahmen! Ausnahmen! Verstehst du?«
»Ist ja gut, aber ich habe hiernach noch etwas zu erledigen.«
»Hmpf...«
Genervt ließ die Elfe ihren Blick durch den Laden schweifen. Sie schaute kurz einer Bedienung zu, wie sie mit vollen Tabletts durch das Treiben der Gäste tänzelte. Dann wandte sie sich wieder Goblin Slayer zu.
»Brauchst du Hilfe?«
»Nein, noch nicht.«
»Na dann.«
Die beiden schwiegen, bis ihr Essen gebracht wurde. Die Bedienung stellte Suppe, Brot, Käse und Traubenwein auf den Tisch. Die dampfende Suppe enthielt Getreide, das in süßer Sahne aufgekocht worden war und das harte Schwarzbrot war dazu gedacht, vor dem Essen hinein getunkt zu werden. Der Käse war sehr salzig und passte großartig zur Suppe.
»Der Mönch würde den Käse lieben, nicht wahr, Orcbolg?«
»Ja, das stimmt.«
»Der Zwerg hingegen hätte bestimmt ein Problem damit, dass wir keinen stärkeren Alkohol bestellt haben.«
»Er würde wahrscheinlich Branntwein wollen.«
Goblin Slayer kippte sich etwas Traubenwein durch das Visier in den Mund und schluckte ihn herunter.
»Branntwein macht wach und kann als Brennstoff eingesetzt werden. Man kann damit sogar Dinge desinfizieren.«
»Wenn du es so sagst, klingt das nicht gerade nach einem Getränk.«
Die Elfe kicherte.
»Da fällt mir ein ...«
Sie schob die Teller beiseite und lehnte sich über den Tisch, bis ihr Gesicht sehr nah vor seinem war.
»Was denn?«
»Weißt du, dass das Mädchen heute in der Werkstatt einkaufen war?«
»Ja.«
»Weißt du denn auch, was sie gekauft hat?«
»Nein.« Er schüttelte den Kopf und nahm einen Schluck Wasser zu sich.
»Ich habe auch nicht nachgefragt.«
»Hm ...«
Die Waldläuferin blinzelte und setzte sich wieder auf ihren Stuhl.
»Das überrascht mich ... Dann sollte ich es dir lieber nicht verraten, oder? Willst du es überhaupt wissen?«
»Wenn du mir davon erzählen willst, höre ich dir zu.«
»Ich würde dir zu gern davon erzählen, aber sie hat wirklich nichts zu dir gesagt?«
»Nein.«
»Dann behalte ich es lieber für mich.«
Die Elfe blinzelte ihm mit einem Auge zu. Sie hatte es von den Menschen dieser Stadt gelernt und freute sich, diese Mimik endlich einsetzen zu können.
»So ist es am spannendsten.«
»Ist das so?«
»So ist es.«
»Ist das so?«, wiederholte Goblin Slayer sich und kramte in seiner Tasche. Er zog den Lederbeutel heraus, den er in der Gilde erhalten hatte und legte drei Goldmünzen auf den Tisch.
»Solange du noch nicht komplett betrunken bist, gebe ich dir meinen Anteil.«
»Ich hab doch gesagt, dass ich dich einlade!«
Die Elfe starrte ihn wütend an.
»Irgendwann ...«,
Goblin Slayer konnte selbst nicht glauben, was er gerade sagen wollte, »irgendwann werde ich wieder deine Hilfe brauchen.«
»Und das hier soll eine Vorauszahlung sein?«
»Genau.«
»Hm ... Die will ich nicht.«
»Ist das so?«
Die Elfe ließ pathetisch ihren Finger durch die Luft kreiseln.
»Im Austausch bekomme ich ein Abenteuer von dir!«
»Hm ...«
»Ich hab es dir doch schon einmal gesagt!« Sie trank einen tiefen Schluck Traubenwein.
»Außerdem, denk daran: Das Abenteuer darf nichts mit Goblins zu tun haben!«
Die Elfe wartete auf Goblin Slayers Antwort, doch ihm fehlten die passenden Worte. Es verstrichen einige Sekunden, bis er schließlich sagte:
»Abgemacht ...«
»Sehr gut.«
Die Elfe unterstrich ihre Aussage mit einem breiten Grinsen.
»Komm, lass uns essen. Wenn es kalt wird, schmeckt es nicht mehr.«
»Ja.«
Während er aß, schaute Goblin Slayer sich erneut im Laden um und bemerkte, dass die beiden Abenteurer in den Mänteln verschwunden waren. Er stieß ein kurzes "Hm" aus und brach sich dann ein Stück vom Brot ab.
»Da fällt mir etwas ein.«
»Was denn, Orcbolg?«
»Weißt du vielleicht, was die Blüten der Goldenen Duftblüte in der Blumensprache bedeuten?«
Nachdem er die betrunkene Elfe ins Obergeschoss des Gasthauses getragen und für ein Zimmer bezahlt hatte, verließ Goblin Slayer den Laden. Ihm war klar, was er jetzt zu tun hatte. Er musste Löcher graben. Es war bereits mitten in der Nacht und die beiden Monde standen hoch am Himmel. Er war allein und trieb seinen neu gekauften Spaten immer wieder in die Erde. Nachdem er die Stadt durch das große Tor verlassen hatte, war er von der großen Straße auf einen Trampelpfad abgebogen, der ihn zu einer abgelegenen Lichtung geführt hatte. Diese wollte er heute sichern. Der Krieger grub Löcher von einer Tiefe von ungefähr zwei Metern und versah ihre Böden mit den am Mittag angespitzten Pflöcken. Dann legte er Tücher über die Löcher und streute eine dünne Schicht von Pflanzen und Erde darauf, damit sie nicht zu erkennen waren. Als er schließlich fertig war, verstreute er kleine farbige Steine in der Umgebung.
»Nun gut ...«
Jetzt musste der Krieger sich noch um die überschüssige Erde kümmern. Er fing an, sie in Leinenbeutel zu füllen und versteckte sie in einem Dickicht, wo er sie zu einem Halbkreis aufstapelte. Goblin Slayer war sich nicht sicher, ob er diese Sandsäcke irgendwann würde gebrauchen können, aber er war der Überzeugung, dass es nicht schaden könne, auf alle möglichen Ereignisse vorbereitet zu sein.
»Hm ...«
Er nickte zufrieden. Da er sich bereits in den vorigen Tagen um die anderen Orte gekümmert hatte, war er fürs Erste fertig damit, diese Fallgruben auszuheben. Jetzt galt es nur noch, die Fallen aus Pflöcken, Seil und Holz aufzustellen, aber es gab nur eine begrenzte Anzahl von Stellen, an denen er sie effektiv platzieren konnte. Zu allen von ihnen zu gehen, würde wahrscheinlich zu lange dauern. Goblin Slayer schaute hoch zum Himmel und schätzte anhand der zwei Monde ab, wie viel Zeit ihm noch blieb. Zwar waren die Nächte bereits länger geworden, aber er musste am Morgen definitiv wieder beim Hof sein. Schnell zog er einige Holzplatten aus seinem Gepäck und entfernte die Bänder drumherum. Dann ging er damit zwischen Dickicht und Bäumen hin und her und nachdem er einige kleinere Arbeiten abgeschlossen hatte, stand er auf.
»Ich sollte mich beeilen.«
Der Krieger legte sich sein Gepäck über die Schulter und rannte los. Er schlüpfte durch ein Dickicht als plötzlich ...
»Hey, was machst du da?!«
Ein messerscharfer Zuruf brachte Goblin Slayer dazu, stehenzubleiben. Er hörte das Knacken von Schritten im Unterholz und das Klappern einer Rüstung. Er griff jedoch nicht zum Schwert, da er wusste, dass kein Goblin so flüssig die Sprache der sprechenden Völker beherrschte. Vorsichtig fragte er:
»Wer ist dort?«
Zwischen zwei Bäumen erschien eine Gestalt, die von einem Umhang umhüllt war. Sie war hochgewachsen und die Stiefelspitzen, die zu sehen waren, sahen verstärkt aus. Es musste sich um einen Abenteurer handeln.
Anstatt auf Goblin Slayers Frage zu antworten, entgegnete die Gestalt:
»Ich stelle hier die Fragen.«
Diese Stimme ... Eine Frau?!, dachte sich der Krieger. Plötzlich blitzte etwas im Mondlicht auf und die Klinge eines Schwertes legte sich kühl an Goblin Slayer Hals.
»Und jetzt rede! Wer bist du?«
»Ich bin Goblin Slayer.«
Fast gelangweilt schob er die Klinge beiseite. Ein Langschwert. Einseitige Klinge. Gute Technik. Ich weiß nicht, ob ich rechtzeitig hätte reagieren können, aber ich spüre keine Mordlust.
»Ein Mann ... der Goblins tötet?«
»So ist es.«
»Das klingt nicht, als wärst du bei klarem Verstand.«
»Ist das so?«
Die Klinge, die Goblin Slayer eben weggedrückt hatte, legte sich erneut an seine Kehle. Die Gestalt fischte mit der Spitze des Schwertes nach der Kette mit dem Ausweis des Kriegers und zog daran.
»Ein silbernes Abzeichen ... Ein Silber-Rang-Abenteurer?«
»Ja.«
»Ich verstehe...«
In einer eleganten Bewegung führte die Gestalt das Schwert zurück in seine Scheide. Es musste sich um eine Abenteurerin höheren Ranges handeln. »Ich habe voreilige Schlüsse gezogen. Entschuldige bitte, Goblin Slayer.«
»Nein. Ist schon gut.«
»Ich dachte, dass du ein Untoter oder etwas in der Art wärst ...«
Am Tonfall der Frau war genau zu erkennen, dass ihr der Fehler fürchterlich unangenehm war.
»Hey, genau deswegen solltest du nicht losstürmen.«
Eine zweite unbekannte Stimme meldete sich hinter Goblin Slayer. »Du und dein impulsives Handeln.«
»Nun ja ... Aber er hat sich schon sehr verdächtig verhalten«, antwortete eine weitere Person.
Die Besitzerinnen der zwei Stimmen liefen an Goblin Slayer vorbei und gesellten sich zu der Person, die sich dem Krieger zuerst in den Weg gestellt hatte. Die eine der beiden war von kleiner Statur und trug ein prächtiges Schwert an ihrer Hüfte. Die andere trug einen langen Stab bei sich und war normal gebaut. Sie war also mit ihrer Gruppe unterwegs ... Zwei Kriegerinnen und eine Magierin ... Noch bevor er eine Frage stellen konnte, erhob schon die kleine Schwertkämpferin das Wort:
»Du hast immer noch nicht gesagt, was du hier willst.«
»Hm... Ich treffe Vorkehrungen.«
Mit hüpfenden Schritten ging sie um Goblin Slayer herum und sagte: »Vorkehrungen, was? Und wieso trägst du so eine komische Ausrüstung?«
»...«
»Tut mir leid, ich will mich nicht über dich lustig machen. Ich finde es einfach nur spannend.«
Die kleine Schwertkämpferin setzte ein breites Lächeln auf, aber Goblin Slayer wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Zu seiner Ausrüstung passten viele Adjektive, aber spannend war sicherlich keins davon.
»Bestimmt hat er nichts damit zu tun«, murmelte die Magierin grübelnd.
»So verdächtig würde sich keiner von ihnen verhalten.«
»Das stimmt ... Nur um das Aussehen zu verstecken, geht das etwas zu weit«, antwortete die größer gewachsene Schwertkämpferin.
»Er hat bestimmt schon gemerkt, dass er nicht gegen uns ankommt. Er wird keine Probleme machen.«
»Ach ja? Wenn ihr beiden das sagt, dann stimmt das wohl«, sagte die kleine Schwertkämpferin und klatschte in die Hände.
»Tut mir leid, junger Mann. Wir haben dich bestimmt gestört.«
»Nein.«
Goblin Slayer schüttelte leicht den Kopf und legte sein Gepäck ab.
»Seid ihr wegen des Festes gekommen?«
»Hm? Nun ja, in gewisser Weise schon ... Die Stadt ist gleich da vorne, oder?«
»Ja«, erwiderte er.
»Wenn ihr eine Bleibe sucht, dann solltet ihr euch besser beeilen.«
»Ach, stimmt. Es ist schon ziemlich spät, oder? Lasst uns los!«
Die kleine Schwertkämpferin eilte fort und ließ ihre Kameraden zurück.
»Ach, Mensch, sie ist immer so ... Tut uns leid wegen der Unannehmlichkeiten.«
»Entschuldigung.«
Die beiden anderen rannten auch los und ließen Goblin Slayer allein zurück. Erst jetzt realisierte er, dass die kleine Schwertkämpferin über einer seiner Fallgruben gestanden hatte. Wieso ist sie nicht reingefallen? War es Magie, eine Fertigkeit oder einfach nur Glück? Der Krieger konnte es sich nicht erklären. Nicht minder wunderte er sich darüber, warum die Gruppe nicht die Straße genutzt hatte. Nun ja, ich werde mir das jetzt nicht erklären können. Sie waren keine Goblins und somit auch nicht Goblin Slayers Problem. Allerdings musste er sich in Zukunft besser Gedanken machen, wo er seine Fallen aufstellen würde. Er wollte damit schließlich Goblins töten, keine Menschen.
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