[Biete] Goblin Slayer Lightnovel [Deutsch][Kapitel 128/128][Update 01.03.23][PDF: Gesamtausgabe v_0.11.140 ]

Edward Teach

Anime-Pirat
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Kapitel 31
Nach dem zweimaligen durchkreuzen der Pläne des Nekromanten.

»Tadah!«​
Kaum hatten die ersten Sonnenstrahlen die Heldin geweckt, war sie schon putzmunter. Sie sprang aus dem Bett ihres im Gasthaus gemieteten Zimmers und warf ihre Schlafkleidung von sich.​
»Alles klar. Heute gebe ich wieder mein Bestes!«​
Auch wenn es selbst für sie verlockend war, noch ein wenig im Bett zu bleiben, wollte sie weder das schöne Wetter noch die wertvolle Zeit verschwenden. Zum Ansporn klatschte sie sich mit beiden Händen auf die Wangen und zog sich so schnell sie konnte ihre volle Montur an. Nachdem sie ihren treuen Begleiter, das heilige Schwert, auf ihren Rücken gespannt hatte, knallte sie die Tür auf, eilte den Gang entlang und sprang hinunter ins Erdgeschoss.​
»Guten Morgen, alle miteinander!«​
Die Schänke war in den frühen Morgenstunden normalerweise relativ ruhig, weshalb sich die Kellnerin fürchterlich erschrak, als die Heldin plötzlich vor ihr landete. Die Schwertmeisterin hingegen, eine der Begleiterinnen der Heldin, seufzte einfach nur und sagte:​
»Abends früh ins Bett und morgens voller Energie. Du bist wie ein Kleinkind.«​
»Hä? Ist das nicht bei jedem so?«​
Mit verwirrtem Blick setzte sich der junge Wirbelwind zu ihrer Kameradin an den Tisch und griff sich, ohne nachzufragen, ein Brot aus dem Korb, welches sie dick mit Butter bestrich. Dann wandte sie sich der Kellnerin zu und rief: »Ich möchte Würstchen und Rühreier! Und noch mehr Brot! Mit ganz viel Butter!«​
»J ... Ja! Sofort!«​
Hastig lief die Bedienstete in die Küche.​
»Ha ha ha! Dieses Brot ist saulecker! Aber ... Huch?«​
Die Heldin musterte den leeren Stuhl neben ihnen.​
»Schläft sie etwa noch?«​
»Sie war halt lange wach«, antwortete die Schwertmeisterin und hinderte die Heldin mit einem Klaps auf ihre Hand daran, sich noch ein Stück Brot zu nehmen.​
»Das waren richtig viele Untote gestern und keiner von uns beherrscht Entzauberung. Deswegen war es echt ein Haufen Arbeit, die Armee des Nekromanten zu besiegen.«​
»Wäre es nicht cool, wenn ich alles mit einem Knall weg hauen könnte?«​
»Wenn gerade du das könntest, wäre das eher gefährlich.«​
»Meinst du? Schade ...«​
Wenn man sah, wie die Heldin hibbelig auf ihrem Stuhl saß, konnte man nicht anders, als zu vermuten, dass sie ein Kind war. Selbst die Schwertmeisterin, die schon zigmal gesehen hatte, was ihre Kameradin alles anrichten konnte, erwischte sich immer wieder dabei.​
»Übrigens, ich hatte einen echt komischen Traum«, sagte die Heldin.​
»Einen Traum?«​
»Ja, die Göttin meinte, dass wir zu einer Stadt gehen sollen.«​
Da die Schwertmeisterin keine Ahnung von solchen Dingen hatte, legte sie fragend ihren Kopf schief, doch im selben Moment kam das dritte Mitglied ihrer Gruppe, die Weise - eine der besten Magierinnen der vier Himmelsrichtungen - die Treppe zur Schenke herunter. Sie rieb sich den Schlaf aus den Augen, gähnte ausgiebig und sagte:​
»Das war eine Offenbarung.«​
»Guten Morgen!«, rief die Heldin und winkte wild mit der Hand.​
Die Weise nickte zur Antwort, setzte sich zu den beiden an den Tisch und fragte:​
»Zu was für einer Stadt sollen wir denn gehen?«​
»Mal überlegen. Da war ein Fest und es sind so Lichter aufgestiegen.«​
»Mehr Informationen hast du nicht?«​
»Danach kam noch bumm bumm bumm, etwas Gewaltiges herbei! Ein Riese oder so!«​
»Ich glaub, ich weiß, von welcher Stadt sie redet.«​
Die Weise flüsterte schnell zwei Worte der Macht und zog aus dem Nichts eine Karte hervor. Sie breitete sie auf dem Tisch aus und zeigte mit der Spitze ihres Stabs auf eine Stelle.​
»Du meinst die hier, nicht wahr?«​
»Ja! Super!«​
Inmitten des Gejubels der Heldin kam die Bedienung und brachte das Essen.​
»Willst du was bestellen?«, fragte die Schwertmeisterin die Weise.​
»Ein Omelett.«​
Die Heldin lachte, während sie eine große Menge Ketchup auf ihr Rührei spritzte.​
»Dann steht unser nächstes Abenteuer fest!«​

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Edward Teach

Anime-Pirat
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Kapitel 32
Der faule freie Tag der Elfe


»Mhm ...«
Die Strahlen der bereits hoch am Himmel stehenden Sonne fielen durchs Fenster aufs Gesicht der Elfe. Sie lagt nackt und nur von einer Wolldecke verhüllt im Bett und drückte ihr Gesicht tiefer ins Kissen. Sie wollte weiterschlafen, doch nach einer Weile merkte sie, dass es nicht länger ging. Sie kapitulierte und streckte sich ausgiebig im Bett.
»Mjam!«
»Ist es ... etwa schon morgens ... ?«
Anhand des Sonnenstands hätte sich die ehemalige Waldbewohnerin die Frage selbst beantworten können, aber anscheinend war sie mental noch nicht ganz da. Sie rieb sich die Augen und wuschelte sich durch die vom Schlaf zerzausten Haare, wobei sie unverständliche Laute von sich gab. Als sie bemerkte, wie spät es bereits war, verstand sie, dass sie heute wohl frei hatte. Schließlich war niemand vorbeigekommen, um sie zu wecken. Orcbolg war wahrscheinlich allein losgezogen. Er hatte schon gestern etwas von irgendwelchen Goblins gefaselt. Die Elfe gähnte lautstark und kratzte sich dabei am Bauch. Hm ... Außerdem weiß ich nicht, was ich über diese andere Sache denken soll. Ist er wirklich mit den beiden auf einen Turm geklettert und hat gegen einen bösen Magier gekämpft? Die Elfe streckte ein Bein aus und begann damit, auf dem Boden herumzuwühlen. Sie hatte schon länger nicht aufgeräumt und der Boden war voller dreckiger Kleidung und allerlei Krimskrams. Nach einiger Zeit fand sie, was sie suchte: ihren geliebten Bogen. Sie griff sich ihn mit ihren Zehen und hob ihn zu sich ins Bett. Dann spannte sie die Sehne ein paarmal und erkannte, dass es Zeit war, sie auszuwechseln.​
»War hier nicht irgendwo ... Ach ja, da!«
Die Elfe steckte ihren Arm unter die Kommode neben dem Bett und schnappte sich eine kleine Spinne, die gerade dabei war, über die ausgezogenen Gamaschen der Abenteurerin zu klettern. Danach drückte sie sanft auf den hinteren Teil des Wesens und sofort schoss ein dünner, silberner Faden heraus. Sie wiederholte dies mehrere Male und spann diese dünnen Fäden dann zu einem einzelnen dickeren Faden zusammen, den sie als Sehne benutzen konnte.
»Das sollte reichen. Vielen Dank meine Liebe.«
Vorsichtig setzte sie die Spinne ab und machten sich dann daran, den Bogen mit der neuen Sehne zu bespannen. Als sie überprüft hatte, dass alles in Ordnung war, wackelte sie mit ihren Ohren.
»Okay, das wäre das.«
Die Elfe stand vorsichtig auf und achtete darauf, keine Dinge zu zertreten, die sie auf dem Boden verteilt hatte. Geliehene Bücher waren darunter, und Gegenstände, die sie für teures Geld gekauft hatte, auch wenn sie jetzt nicht mehr wusste, warum sie sie überhaupt erworben hatte. Schließlich kam sie bei einem Haufen Kleidung an, aus dem sie sich ein schlichtes Jagdoutfit herausfischte und anzog. Auch wenn sie einfache Kleidung trug, war sie als Elfe von außergewöhnlicher Schönheit. Während sie ihre Haare zu einem Zopf zusammenband, summte die Bogenschützin munter vor sich hin und ließ ihren Blick über das alles andere als ordentliche Zimmer schweifen. Die meisten Wesen würden den Raum als Saustall bezeichnen, doch irgendwie schien sich die Elfe nicht sonderlich an der Unordnung zu stören. Weder die aufgestapelten Essensbehälter, noch der zahllose Krimskrams weckten den Drang in ihr, aufzuräumen. Allerdings wurde ihr bewusst, dass so gut wie all ihre Kleidung dreckig war, weshalb sie entschied:
»Hm ... Ich sollte wohl mal meine Wäschen waschen.«
Sie ging hinaus, suchte sich einen Bottich und füllte frisches Brunnenwasser hinein. Dann warf sie etwas Seife und ihre Wäsche in das Wasser und begann, mit ihren nackten Füßen auf der Wäsche herum zu stampfen.
»Urgh ... Das Wasser aus dem Brunnen ist echt kalt.«
Am ganzen Körper zitternd ärgerte sich die Elfe darüber, wie unpraktisch die Welt der Menschen doch sein konnte. Dass sie ihre Wäsche selber waschen musste, wäre im Wald noch undenkbar für sie gewesen. Dort hatte sie einfach den Naturgeist Undine aus dem Fluss darum gebeten und die Hausarbeiten hatten die Wichtel für sie übernommen. Doch wenigstens war das Wetter schön und man konnte die Freudenschreie von Kindern beim Spielen hören. Die Elfe hielt ihre Nase in den Wind und atmete tief durch. So sehr sie Abenteuer auch liebte, Tage wie dieser gefielen ihr auch ziemlich gut.
Um ehrlich zu sein hätte sie am liebsten den ganzen Tag verschlafen, doch gleichzeitig hatte sie Angst, etwas von ihm zu verpassen, denn das wäre unerträglich für sie. Nachdem sie eine Weile auf der Wäsche herumgetrampelt war, streckte sie sich und stieg aus dem Bottich heraus. Danach wrang sie ihre Kleidungsstücke aus und hängte sie ordentlich auf einer Leine auf. Dabei achtete sie genau darauf, dass ihre Kleidung ordentlich ausgebreitet war, damit sie später keine Falten bekam. Als sie fertig war, atmete sie einmal tief durch und wackelte zufrieden mit den Ohren. Ich muss zugeben: Am Ende hat es doch mehr Spaß gemacht, als ich gedacht hätte.
»Wäsche? Sie sind aber fleißig.«
Mit ihrem scharfen Gehör hatte die Elfe bereits bemerkt, dass sich jemand näherte, als dann jedoch die Stimme der Person erklang, war sie überrascht.
»Ach, die Gilden Angestellte! Was machst du denn hier?«
»Ich habe frei und gehe spazieren.«
Passend zu ihrer Aussage war die Beamtin heute nicht in ihrer Uniform, sondern in zivil unterwegs. Genauer gesagt: in einem leichten Sommerkleid. Es hatte keine Ärmel und war sehr körperbetont. Die Elfe musterte die Gilden Angestellte von oben bis unten und sagte dann:
»Damit siehst du ein wenig aus wie eine Sylphe.«
»Das ist gerade in Mode. Ich habe es in der Hauptstadt gekauft«, antwortete die Beamtin grinsend.
Die Elfe nickte verständnisvoll. Sie fand, dass das Kleid ein sehr schönes Kleidungsstück war, auch wenn sie sonst nicht viel von menschlicher Mode verstand. Schließlich wechselten sich die Stile immer so schnell. Ihr selbst war es zu anstrengend, mehrfach im Jahr darüber nachzudenken, was gerade in Mode war und was nicht.
»Wenn du frei hast, was machst du dann hier bei der Gilde?«, fragte die Elfe neugierig.
Die Gilden Angestellte hatte selbst keine richtige Antwort auf die Frage, weshalb sie verlegen sagte:
»I ... Ich wollte einfach nur gucken, ob a ... alle Abenteurer sicher zurückgekommen sind ...«
»Hm ...«
Die Elfe befriedigte die Antwort nicht, doch die Beamtin versuchte, so schnell wie möglich das Thema zu wechseln:
»Wie läuft es denn mit Ihrer Wäsche?«
»Das sieht man doch.«
Die Abenteurerin streckte stolz ihre Brust raus.
»Toll, oder?«
Freundlich wie immer grinste die Gilden Angestellte und erwiderte:
»Ja, nicht schlecht! Ich nehme an, dass Sie sich also schon daran gewöhnt haben, Ihre eigene Wäsche zu waschen?«
»Aber sicher! So etwas ist für mich ein Klacks!«
»Aber was ist denn mit Ihrer Unterwäsche?«
»Hm? Hab ich nicht.«
Der Zopf der Gilden Angestellten glitt von ihrer Schulter, als sie ihren Kopf schief legte:
»Sie meinen, dass das hier schon der zweite Waschgang ist?«
»Nein, nein.«
Die Elfe schüttelte ihren Kopf.
»Ich besitze keine.«
»Aber waren wir nicht bereits zusammen welche kaufen?«
»Ach ja! Die habe ich vergraben!«​
».•.«​
Bedröppelt ließ die Beamtin ihren Kopf hängen. Bevor die Elfe überhaupt verstand, wo das Problem lag, schoss ihr Kopf jedoch wieder hoch.
»Dann gehen wir jetzt einkaufen!«
»A ... Aber ... Unterwäsche nervt voll!«
»Wir gehen einkaufen!«
Der Elfe wurde klar, dass jegliche Widerrede nichts mehr bringen würde und so gab sie auf. Voller Tatendrang packte die Gilden Angestellte sie am Handgelenk und zerrte sie davon.​
* * *
»Sag mal ... Muss ich das wirklich anziehen?«
Die Elfe hatte kurz ihren Kopf aus der Umkleide des Gemischtwarenladens heraus gesteckt, in den die Gilden Angestellte sie gezerrt hatte. Die Beamtin hatte der Abenteurerin erklärt, dass die Auswahl dort besser war als in den anderen Läden.
»Selbstverständlich!
Für eine Abenteurerin ist das Aussehen wichtig«, belehrte die Gilden Angestellte jetzt die Bogenschützin mit erhobenem Zeigefinger.
»Ist das so?«
»Ein Abenteurer mit hohem Rang sollte sich entsprechend anziehen, ansonsten wirft das ein schlechtes Licht auf alle Abenteurer,«
Auch wenn die Elfe wusste, dass die meisten Abenteurer - Kleidung hin oder her - Rüpel waren, würde sie der Gilden Angestellten generell zustimmen. Ein ordentliches Auftreten von Abenteurern war wichtig, um das Ansehen von ihnen nicht noch weiter runter zuziehen, aber dennoch ...
»Wie wäre es, wenn du das erst einmal Goblin Slayer verklickern würdest?!«
»Glauben Sie etwa, dass er auf mich hört?«
»Guter Einwand ...«
Schmollend zog die Elfe sich in die Umkleide zurück. Vor ihr lag die Unterwäsche, die die Gilden Angestellte für sie ausgesucht hatte.
»Deswegen setze ich meine Hoffnung in Sie«, sagte die Beamtin, die vor der Kabine wartete.
»Hoffnungen?«
»Als Elfe haben Sie wunderbare Haut und müssen sowieso nicht viel machen, um Ihre Schönheit aufrechtzuerhalten.«
»Ich glaube, das stimmt so nicht ganz ...«, brummelte die Abenteurerin und zog sich die Unterwäsche an.
Schon nach einigen Sekunden störte sie das Gefühl von Stoff, der sie oben und untenrum einengte.
»Ich habe auch der Priesterin versprochen, mit ihr Unterwäsche kaufen zu gehen. Sie beide sind Abenteurer. Ich verstehe, dass Ausrüstung praktisch sein muss, aber Sie sind immer noch Frauen, nicht wahr?«
Während die Elfe der Beamtin zuhörte, dachte sie sich: Es ist nett, dass sie sich so um uns kümmert, aber ... Nun ja ... Unterwäsche mag vielleicht Schweiß aufsaugen, aber wirklich praktisch ist sie nicht ... In der Hoffnung, dass sie dann ein wenig angenehmer sitzen würden, fummelte sie an Höschen und Büstenhalter herum, aber es brachte alles nichts.
»Sag mal ... Wofür braucht man die jetzt überhaupt?«
»Wie meinen Sie das?«
»Man sieht sie unter der Kleidung doch sowieso nicht. Wem zeigt man sie denn?«
Die Elfe merkte, wie die Beamtin auf der anderen Seite des Vorhangs bei ihrer Frage zusammenzuckte. Hm? Habe ich etwas Komisches gefragt?
»A ... Als Frau ... muss man auf alles vorbereitet sein! Die Unterwäsche ist unsere Geheimwaffe«, kam schließlich von der anderen Seite des Vorhangs zurück.
»Ist das so?«
»]a, genau so ist das!«
Auch wenn die Gilden Angestellte so vehement darauf bestand, dass Unterwäsche wichtig war, konnte die Elfe einfach nicht verstehen, warum. Es war nichts weiter als ein wenig Stoff. Die Gilden Angestellte musste jedoch gemerkt haben, dass sie mit ihren Argumenten bei der Bogenschützin nicht weit kam, weshalb sie tief seufzte und sagte:
»Ich sehe schon, das wird ein harter Kampf ... Sie müssen heute nichts auf Zwang kaufen, aber merken Sie sich bitte meine Worte ...«
»Okay! Das werde ich!«
Im Bruchteil einer Sekunde kamen das Höschen und der Büstenhalter aus der Umkleidekabine geflogen. Wenig später stand die Elfe wieder voll bekleidet vor ihrer Begleiterin.
»So ist es am besten! In dieser Unterwäsche fühle ich mich immer eingeengt!«
Während die Gilden Angestellte sich daran machte, die Unterwäsche einzusammeln und zurück an ihren Platz zu legen, sagte die Abenteurerin schelmisch grinsend:
»Ich will lieber etwas Spaßiges machen! Los! Lass uns etwas spielen gehen!«​
* * *
»Ein Übungsspiel?«
»Genau, Ich habe es neulich gefunden.«
Die beiden fanden sich in der Schenke der Gilde ein, in der die Padfoot Kellnerin gerade dabei war, sich auf den Abend vorzubereiten. Zuvor hatte die Beamtin einen rechteckigen Kasten hinter dem Tresen hervorgeholt, der in ein rot goldenes Tuch eingewickelt war.
»Man benutzt Figuren als Abenteurer und würfelt. Man soll damit Abenteurertechniken lernen können. Zumindest angeblich ...«
»Also ist es ein Abenteuerspiel?«
»So könnte man es nennen.«
Nachdem die Gilden Angestellte den Deckel von der Kiste genommen hatte, kamen einige Figuren, Würfel und Hefte aus Pergamentpapier zum Vorschein. Die Elfe griff sich eine der Figuren und schaute sie sich genauer an. Es war ein Mann mit bläulicher Plattenrüstung, der auf einer kleinen runden Plattform stand und einen schweren Zweihänder schwang. Es handelte sich wohl um einen Paladin. Sie war sich nicht sicher, ob die Figur aus Metall gefertigt war, aber sie war schwerer als gedacht.
»Sieht nach solider Arbeit aus.«
»Es gibt viele unterschiedliche Szenarien. Von Katastrophen bis hin zur Vertreibung von Goblins.«
»Goblins!«
Die Elfe musste kichern.
»Mit Orcbolg würde es schnell schlimm werden. Darf ich was fragen?«
»Ja, sicher,«
»Welchen Sinn hat dieses Spiel? Ähm ... Also für Abenteurer ...«
»Hm ... Gute Frage ... «
Die Gilden Angestellte dachte angestrengt nach.
»Wahrscheinlich kann man damit viele verschiedene Taktiken ausprobieren, bevor man auf Abenteuer geht. Ich habe dieses Spiel aber noch nie gespielt. Man braucht dafür Mitspieler und Zeit und außerdem können viele Abenteurer leider nicht lesen.«
»Hm ...«, brummte die Elfe.
Sie steckte die Figur zurück in die Schachtel.
»Aber selbst wenn man eine Methode mit dem Spiel ausprobiert, heißt das nicht automatisch, dass man sie später erfolgreich einsetzen kann. Da bin ich mir sicher,«
»Ja, natürlich ist die Realität anders«, erwiderte die Beamtin und holte ihrerseits eine Figur aus der Kiste.
Es handelte sich um einen Krieger oder vielleicht auch einen Späher in Lederrüstung mit einem Kurzschwert. Sie strich mit ihrem Finger über die Figur und musste lachen.
»Aber ich glaube auch nicht, dass es schadet. Mit seiner Hilfe kann man verstehen, wie Abenteurer sich fühlen. Wir sehr sie sich angestrengt haben, um die Welt zu retten und wie erschöpft sie zurückkehren.«
Ich verstehe. Die Elfe musste kichern, als sie sah, wie der Gilden Angestellten dabei die Röte ins Gesicht stieg.
»Gut, du hast mich überzeugt. Bring mir die Spielregeln bei! Dann zeig ich dir, wie man ganz allein die Welt rettet!«
Auch wenn die Elfe angegeben hatte, war ihr erstes gespieltes Abenteuer ein vollkommener Reinfall. Sie schaffte es nicht, den Dämonenfürsten zu bezwingen, geschweige denn überhaupt sein Versteck zu finden. Das Retten der Welt war schließlich nicht so einfach - selbst in einem Spiel.​
* * *
»Ach Mann. Wie frustrierend.« Mittlerweile war es früher Abend und belebt in der Schenke, weshalb das Gefluche der Elfe kaum auffiel.
»Da war ganz sicher was faul! Warum kamen immer wieder Drachen angeflogen?«
»Das Szenario war nun mal so. Da kann ich nichts dran ändern«, erklärte die Gilden Angestellte lächelnd.
Die Elfe streckte sich lang über den Tisch aus und trommelte mit den Fäusten auf die Tischplatte. Obwohl erst die Inspektorin und später auch die Priesterin und die Kuhhirtin hinzugestoßen waren, hatten sie keines der Szenarien meistern können.
»Aber ich kann mich damit nicht zufriedengeben«, entgegnete die Bogenschützin schmollend.
»Es muss doch einen Weg geben ...«
Während die Elfe nach ihrem Krug mit Traubenwein griff, passte die Beamtin auf, dass sie nichts verschüttete.
»Da haben Sie wohl recht. Dass man sich so viele Gedanken macht, ist schließlich ein Element dieses Spiels.«
»Aber ist das nicht schade?«
»Schade?«
»Wenn ihr so lange an einem Planungsspiel hängt, dann verschwendet ihr doch wertvolle Lebenszeit. Dabei werdet ihr noch nicht einmal hundert Jahre alt ... Außer ihr werdet Nekromant oder so ...«
»Wollen Sie damit sagen, dass wir lieber das Jetzt genießen sollten?«
»Genau.«
Die Elfe lachte.
»Dass man über die täglichen Dinge lachen, weinen, schimpfen und sich aufregen kann, ist ein Recht der Sterblichen. überlasst die Dinge, die in ein-, zweihundert Jahren passieren, ruhig uns Elfen.«
»Ist das so?«
»Na klar, vertrau meinem Wort! Ich bin schließlich eine Hochelfe!«
Sie schnaufte kurz durch die Nase und streckte stolz ihre Brust heraus. So sichtlich betrunken wie die Elfe war, würde kein normaler Mensch an sie denken, wenn von einer weisen Elfe die Rede war, doch die Gilden Angestellte störte sich nicht daran. Sie musste kichern und die Elfe lächelte.
»Tja, wo wir schon mal hier sind ... Entschuldigung?«
»Ja!«
Auf den Zuruf der Gilden Angestellten kam die Padfoot Kellnerin sofort herangeeilt. Die Beamtin bestellte eine gute Flasche Traubenwein, die sofort an ihren Tisch gebracht wurde. Die Augen der Elfe begannen zu glitzern, als sie das edle Getränk sah. Die Gilden Angestellte zog den Korken aus der Flasche und schenkte den beiden ein Glas ein.
»Auf das missglückte Abenteuer heute!«, prostete sie der Bogenschützin zu. »Auf dass unsere Mühen auch in hundert Jahren nicht vergessen werden!«​

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Edward Teach

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Kapitel 33
Was die drei vor einigen Monaten gemacht haben


Neben der Schenke in der Gilde gab es noch viele weitere in der Stadt im Grenzland. Die meisten von ihnen boten auch Unterkünfte für Reisende und es kam durchaus vor, dass sich auch Abenteurer in sie hinein verirrten. Der Zwerg und der Echsenmensch saßen gerade in einer von ihnen. Ein Barde stand in einer Ecke des Schankraums und sang ein Lied:​
»Bei Treffen und Abschieden zählen die inneren Werte. Das habe ich tapfer erzählt, aber eigentlich kommt man nur immer wieder, weil einem hier keine gefällt. Doch endlich hast du ein süßes Mädel getroffen. Es ist egal, ob man als Fürst oder Spion geboren wurde. Ihr Name interessiert dich nicht. Wichtig sind nur die ersten Worte. Du möchtest ihr süße Worte zuwerfen und begibst dich in die Kneipe, aber huch? Du bist zu spät und hast sie aus den Augen verloren. Man nennt es Treffen und Abschiede, weil mit einem Treffen oder Abschied schon alles vorbei sein kann ...«​
»Meine Güte. Jetzt sind wir immer zusammen unterwegs. Nicht wahr, Schuppiger?«​
Der Zwerg schlug sich auf den runden Bauch und grinste seinen schuppigen Kameraden an. Beide aßen und tranken, was das Zeug hielt.​
»Ha ha ha. Gerne hätte ich noch einen Krieger und einen Späher. Aber unsere Gruppe ist trotzdem bereits formidabel besetzt.«​
Der Echsenmensch biss in ein Stück Wildschweinfleisch, während der Zwerg sich Schnaps aus dem Bart leckte. Dann griff er sich seinen übervollen Krug, stürzte den Inhalt hinunter und gab einen zufriedenen Rülpser von sich. »Nicht genug vorne und nicht genug hinten. Und die Ausrüstung reicht auch nicht. Wenn man erst anfängt zu meckern, findet man kein Ende.«​
»In der Tat. In der Tat.«​
Der Echsenmensch schlug mit seinem Schwanz auf den Boden.​
»Unsere Gruppe ist bereits mit drei Magiewirker gesegnet.«​
»Dennoch ist es ein wenig überraschend.«​
»Was meinst du?«​
»Dich meine ich«, antwortete der Zwerg und zeigte mit dem leeren Krug auf sein Gegenüber.​
»Am Anfang wirktest du so, als würdest du nicht mit anderen Klerikern zusammenarbeiten wollen.«​
»Ha ha ha. Du sagst wirklich komische Dinge.«​
Der Echsenmensch begann, an einem Knochen zu knabbern.​
»Wir alle kommen aus dem Sand des Meeres. Warum soll man sich über Primaten ärgern, die von Ratten abstammen?«​
Nach einem Moment der Stille fügte er hinzu:​
»Das war ein Scherz.«​
»Der war nicht lustig«, entgegnete der Zwerg und schüttelte seine Hand abwehrend vorm Gesicht.​
»Nun ja, jeder kann glauben, was er möchte. Streitereien über solch ein Thema können nicht gut enden.«​
»Aber Ketzer und die Kräfte des Chaos sind eine Ausnahme?«​
»Mit denen muss man sich nicht streiten, sondern sie einfach nur auslöschen.«​
Bevor er antwortete schob der Zwerg seine leeren Teller in die Mitte des Tisches und bestellte etwas mehr Fleisch.​
»Ich habe gehört, dass alle Echsenmenschen Linkshänder sind und das Herz rechts in ihrer Brust schlägt. Stimmt das?«​
»Ich weiß nicht, wo das Herz meiner Brüder und Schwestern schlägt, aber ich würde uns eher als beidhändig beschreiben.«​
»Also stimmt es nicht, dass ein Gott euch mit der linken Hand erschaffen hat und ihr deswegen alle Linkshänder seid?«​
»Nein, aber ich habe gehört, dass Zwerge nie im Wasser untergehen.«​
»Solange wir Alkohol haben, ist alles möglich. Und natürlich ein paar Leckereien.«​
Nachdem der Zwerg das gesagt hatte, hielt er kurz inne. Hatte er genau diesen Satz nicht vor ein paar Monaten schon einmal ausgesprochen?​
* * *
»Solange wir Alkohol haben, ist alles möglich. Und natürlich ein paar Leckereien.«​
Der Zwerg saß in einer gut besuchten Schenke in der Stadt des Wassers und unterhielt sich mit einem Artgenossen.​
»Onkel, verlangst du nicht ein bisschen viel von deinem Neffen?«​
Der Onkel des Schamanen war ein Berg von einem Zwerg mit dicken Muskeln und einem mächtigen Bart. Er hatte seinen Kriegshammer neben seinem Stuhl abgestellt und war dabei, mit grimmigem Gesicht einen tiefen Schluck aus seinem Bierkrug zu nehmen. Nachdem er den Krug abgesetzt hatte, sagte er:​
»Das meinst du vielleicht. Aber ich kann gerade niemand anderen fragen.«​
»Nein, nein, das ist unmöglich.«​
Dem Schamanen gefiel überhaupt nicht, was sein sehr viel älterer Onkel von ihm verlangte.​
»Mit einem Elfen auf ein Abenteuer? Bestimmt ist der nur der Liebling irgendeines Adligen.«​
»Nun ja ...«​
»Sie sind groß, eingebildet und von strahlender Schönheit, oder?«​
»Ja, ich glaub schon.«​
»Sie reden elegant und tragen erstklassige Gedichte vor. Außerdem sind sie begabt mit dem Bogen.«​
»Ich bin ihm noch nicht begegnet, aber ...«​
»Pahl Nein, niemals.«​
Der Zwergen-Schamane winkte angewidert ab.​
»Bei so einem bleibt mir keine Luft zum Atmen.«​
»Seit wann bist du so egoistisch?«​
»Die Welt ist ein gefährlicher Ort. Ich halte alles aus, nur keine Elfen.«​
Im selben Moment, in dem der Zwerg seinen Satz beendete, flog ein Krug voller Traubenwein an ihm vorbei und zersprang an einer naheliegenden Wand.​
»Sag das noch mal, wenn du dich traust!«, brüllte eine Elfe.​
Sie war von zarter Gestalt und trug ein enganliegendes Jagdgewand. Der Schamane glaubte zuerst, dass sich die Elfe mit ihm anlegen wollte und griff zu seiner Axt, doch dann erkannte er, dass sie dabei war, sich mit einer Padfoot mit hundeartigem Gesicht zu streiten. Im Gegensatz zu der Elfe war sie kräftiger gebaut und wenn der Schamane raten müsste, würde er sagen, dass sie Abenteurerin oder Soldatin war.​
»Ich sage es dir, so oft du willst! Elfen verkriechen sich nur im Wald und lästern dann über die anderen Völker ab!«​
»Dann werde ich dir beweisen, dass es nicht so ist!«​
Mit einem Satz stürzte sich die Elfe auf die Padfoot und sie begannen, miteinander zu rangeln. Sofort fiel den beiden ein runder Tisch zum Opfer, der mit einem lauten Krachen umfiel. Die anderen Kneipenbesucher störte das nicht im Geringsten, denn sie waren schon dabei, erste Wetten abzuschließen.​
»Die Elfe wird siegen.«​
»Die Padfoot gewinnt.«​
»Die Elfe ist doch total schmächtig.«​
»Aber Padfoots sind dumm ...«​
»Was für ein unerzogenes Gör ...«, murmelte der Onkel des Schamanen.​
»Ja, es ist ziemlich ungewöhnlich, dass eine Elfe sich so verhält«, antwortete sein Enkel.​
»Glaubst du, dass du mit ihr zusammenarbeiten könntest?«​
»Nun ja ... Die hohen Tiere im Wald würden eine wie sie nie wählen.«​
»Das war eine Zusage, oder?«​
Ein Lächeln legte sich auf die Lippen des Onkels und er knallte ein Blatt Papier mit einer Zeichnung darauf auf den Tisch.​
»Schau dir das mal an.«​
»Oh nein ...«​
Die Zeichnung zeigte das Gesicht der kämpfenden Elfe.​
»Sie ist es?!«​
Die beiden Zwerge schauten für eine Weile der Padfoot und der Elfe bei ihrer Keilerei zu. Dann fragte der Schamane seinen Onkel:​
»Was sollen wir tun?«​
»Gute Frage. Wenn wir uns einmischen, brechen die uns die Knochen ...«​
Wie gerufen betrat in dem Moment eine riesige Gestalt den Raum. Es war ein Echsenmensch, der seiner Kleidung nach aus dem Süden gekommen sein musste. Doch anstatt sich zwischen die Streithähne zu stellen, ignorierte er sie einfach und ging direkt zum Tresen.​
»Entschuldigung. Ich bin hier, um mich mit jemanden zu treffen. Da ich nicht weiß, wann sie ankommen, wird es vielleicht ein längerer Aufenthalt.«​
»Äh ... Ja ...«, antwortete der Wirt.​
»Hervorragend. Es handelt sich um einen Zwerg und einen Elfen. Bitte gebt mir Bescheid, wenn solche Abenteurer hier eintreffen.«​
Der Schamane schaute fragend seinen Onkel an, der zögernd antwortete: »Ups ... Ja ... Stimmt. Ich habe auch gehört, dass die Echsenmenschen jemanden schicken.«​
»Und von dem hast du keine Zeichnung?«​
»Wozu? Die sehen doch eh alle gleich aus.«​
Die Echsenmenschen glaubten daran, dass sie alle von einem fürchterlichen Drachen abstammten, der einst aus dem Meer gekommen war. Sie waren in der Welt der vier Himmelsrichtungen als äußerst fähige Kämpfer bekannt, die Ruhm und Ehre auf dem Schlachtfeld suchten. Viele sahen sie als Barbaren an, wovon sie allerdings weit entfernt waren.​
»Werter Wirt. Wo wir schon miteinander reden. Ich würde gerne etwas zu essen bestellen. Allerdings ist meine Reisekasse leider bereits leer und ich würde deshalb als Ausgleich für die Nahrung Arbeiten wie Tellerwaschen oder Holzhacken verrichten.«​
Als der Schamane das hörte, musste er laut auflachen und klopfte sich auf den Bauch. Der Echsenmensch bemerkte das und schaute in seine Richtung. Der Zwerg nutzte die Chance und sagte:​
»Hey; Schuppiger! Kannst du das Langohr, das sich dort prügelt, holen und zu mir bringen? Wenn du das machst, lade ich dich ein.«​
Die Elfe und die Padfoot waren immer noch dabei, miteinander zu raufen. Sie zogen sich gegenseitig an den Haaren und kratzten sich. Im Grunde genommen sah es aus wie eine Schlägerei zwischen zwei Kindern.​
»Oho!«​
Der Echsenmensch schlug kräftig mit dem Schwanz auf den Boden. »Verstanden. Verstanden. Vielen Dank! Tugend wird doch belohnt! Dann lege ich gleich los!«​
Der Onkel des Schamanen beobachte das Geschehen und schüttelte einfach nur den Kopf. Schließlich wandte er sich seinem Enkel zu und sagte:​
»Tut mir leid, aber ich gehe zurück zu meiner Einheit.«​
Dann legte er einige Goldstücke auf den Tisch und sprang von dem Stuhl, der eigentlich für Menschenmaße gedacht war, herunter. Beim Gang zur Tür meinte er, das Klacken fallender Würfel hören zu können.​
Können wir diesem Haufen tatsächlich das Schicksal unseres Volkes anvertrauen? Die Wege der Götter sind wirklich unergründlich ...
* * *
»Was denn?«​
Mit zerzausten Haaren, verrutschter Kleidung und leicht geschwollener Wange saß die Elfe mit den beiden anderen Abenteurern am Tisch.​
»Was wohl? Ich möchte über unseren Auftrag reden«, antwortete der Zwerg mit einem breiten Grinsen im Gesicht.​
Obwohl die Schlägerei gerade erst beendet worden war, hatte sich die Stimmung in der Schenke bereits wieder beruhigt. Die Padfoot hatte sich ohne zu meckern auf einem Platz in der anderen Ecke der Schenke niedergelassen und nagte an einem Stück Fleisch. Da der Kampf der beiden vorzeitig unterbrochen worden war, waren alle Wetten für ungültig erklärt worden und nur der Buchmacher - ein Rhea - hatte Gewinn gemacht.​
»Lasst mich gleich eine entscheidende Frage stellen«, sagte der Echsenmensch, der sich statt auf einen Stuhl auf ein Fass gesetzt hatte.​
»Was denn, Schuppiger?«​
»Können wir unser Essensgeld und die Belohnung für den Auftrag voneinander trennen?«​
»Klar doch«, erwiderte der Zwerg und fuhr sich grinsend durch den Bart.​
»Die Zeche übernimmt eh mein Onkel.«​
»Hervorragend!«​
Grinsend biss der Mönch in eines der Fleischstücke, die die Bedienung ihm gebracht hatte.​
»Um was für einen Auftrag geht es überhaupt? Ich kann mich nicht mehr richtig erinnern«, warf die Elfe mit grimmigem Gesicht in die Runde.​
»Also ... Es geht um folgendes ...«​
Der Zwerg griff sich seinen Krug, nahm einen tiefen Schluck und machte dann etwas Platz in der Mitte des Tisches. Er zog eine Karte, die auf Baumrinde aufgemalt worden war, aus seiner Brusttasche hervor und breitete sie aus.​
»Ihr wisst doch bestimmt von den Kämpfen gegen den Dämonenfürsten in der Nähe der Hauptstadt, oder? Die sprechenden Völker wollten deswegen einen Kriegsrat abhalten, aber in ihrem Rücken befand sich ein Nest kleiner Monster. Ein Goblin Nest, um genau zu sein. Es liegt wohl hier!«​
Die Elfe schaute auf den Punkt, auf den der Zwerg mit seinem Finger zeigte, und rief erschrocken:​
»Das ist in der Nähe meines Walds!«​
»Hm ... Und was glaubt ihr?«, fragte der Echsenmensch.​
»Wurden wir aus politischen Gründen ausgewählt?«​
»Ja, es scheint so.«​
Der Zwerg nickte.​
»Mein Onkel hat mir die Aufgabe aufgedrückt, aber wir brauchen wohl noch einen Menschen.«​
»Keinen Rhea und Padfoot?«​
Im selben Moment, in dem der Echsenmensch „Padfoot“ sagte, flog die Tür der Schenke auf und ein Soldat kam herein gestapft. Er ging schnurstracks zu der Padfoot, mit der sich die Elfe gestritten hatte, und schlug ihr kräftig gegen den Hinterkopf. Anscheinend war er ihr Vorgesetzter und hatte von der Keilerei Wind bekommen.​
»Nein, von denen wird sich keiner freiwillig melden.«​
Es war generell bekannt, dass die Rhea ein eher gemütliches Volk waren und dass die Padfoot - auch bekannt als Tiermenschen - sich ständig darüber stritten, welcher ihrer vielen verschiedenen Stämme die Führung übernehmen sollte.​
»Ich habe allerdings auch keine Ahnung, wo wir den Menschen herkriegen sollen.«​
»Ich hätte eine Idee.«​
Die Elfe schaute von der Karte hoch. Sie stellte ihren Zeigefinger auf und malte damit einen Kreis in die Luft.​
»Es gibt einen Krieger, der Orcbolg genannt wird und auf Goblins spezialisiert ist.«​
»Was? Bartschneider?«​
»Genau. Ihr Zwerge wisst so etwas bestimmt nicht, aber seine Geschichte ist gerade bei Barden beliebt.«​
Die Elfe räusperte sich kurz und begann, ein Gedicht zu rezitieren: »Ein kritischer Treffer und schon flog das Haupt des Goblin Königs hoch durch die Luft. Oh, schaut, diese blau leuchtende Klinge. Aus echtem Silber geschmiedet, wird sie ihren Herrn nicht betrügen. Damit endeten die Ambitionen des Herrschers jäh zu früh und der Held erhielt die Prinzessin für seine Müh. Doch er war der Goblin Slayer. Und so war er ewig verdammt, allein zu ziehen durch unser Land. Ohne sich nur einmal umzuwenden, zog er von dannen.«​
Nachdem sie fertig war, warf sie dem Zwerg einen stolzen Blick zu und sagte: »Wenn ihr Zwerge mal aus euren Höhlen herauskommen würdet, dann wärt ihr auch wenig kultivierter.«​
»Du hast gut reden, ihr Elfen hockt doch auch nur im Wald. Aber dieser Bartschneider klingt nach einer guten Idee. Als Krieger würde er unsere Gruppe gut abrunden.«​
»Solange wir die Belohnung gerecht verteilen, soll es mir recht sein. Lasst uns diesen Gobelin-Spezialisten als Verbündeten gewinnen.«​
Der Echsenmensch ließ seinen Blick über seine neuen Kameraden wandern. »Aber zuerst brauchen wir einen Plan.«​
»Langohr!«​
Der Zwerg wandte sich der Elfe zu.​
»Weißt du, wo wir diesen Krieger finden?«​
»Ich habe den Barden gefragt und er meinte, in dieser Gegend.«​
Sie klopfte mit ihrem Finger auf die Karte.​
»Wahrscheinlich in dieser Stadt.«​
»Das ist nicht allzu weit weg, aber wir sind immerhin auf offizieller Mission unterwegs. Wir könnten angegriffen werden.«​
»Hm ... Der Schuppige hat recht. Wir könnten auch im Goblin Nest von Kräften des Chaos überfallen werden.«​
»Deshalb sollten wir den Gegner jetzt erledigen und ihm gar nicht erst die Möglichkeit zu einem Überfall geben.«​
»Überlasst das mir,«​
Die Elfe klopfte sich auf die Brust.​
»Es ist erst ein richtiges Abenteuer, wenn das Schicksal der Welt auf dem Spiel steht!«​
»Hey; hey! Das ist kein Spiel. Das weißt du, oder, Langohr?«​
»Na klar. Ihr Zwerge wisst es vielleicht nicht, aber wir Elfen sind es, die diese Welt mit unseren Bögen beschützen.«​
»Oho, da spielt sich aber jemand auf. Aber wo wir schon beim Bogenschießen sind, du bist also vorne nur so flach, damit dir nichts im Weg ist?«​
»Flach?«​
»Ich rede von deiner Brust.«​
»Wa ... ?!«​
Die Elfe wurde sofort rot wie eine Tomate und schoss von ihrem Stuhl hoch. »W ... Was?! Wie kannst du es wagen? Ihr Zwerge seid ... Ähm ... Du bist so rund wie ein Fass!«​
»Üppig zu sein ist eine Tugend. Wir Zwerge mögen das.«​
Der Zwerg legte eine bedeutungsvolle Pause ein und warf der Elfe einen Blick zu.​
»Keine Ahnung, wie das bei Elfen ist.«​
»Hng! Ihr Zwerge habt echt kein Gefühl für Ästhetik!«​
»Aha ... Und warum kaufen Elfen dann unsere Metallwaren?«​
»Wie bitte?«​
»Du hast mich gehört!«​
Als der Zwerg schließlich aufstand, wurden die anderen Besucher der Schenke hellhörig. Keiner von ihnen wollte sich eine erneute Keilerei entgehen lassen.​
»Ich setze fünf Silbermünzen auf den Zwerg.« »Ein Goldstück auf die Elfe.«​
»Zeig's ihm, Mädel.«​
»Versohle ihr ordentlich den Hintern, Opa.«​
Der Echsenmensch seufzte tief und schüttelte den Kopf, bevor er laut zischte. Der Klang war dem eines Reptils, das sich gleich auf seine Beute stürzen würde, nicht unähnlich. Mit einem Schlag wurde es still. Der Mönch nickte zufrieden und sagte: »Ja. So ist es gut.«​
* * *
Die drei Abenteurer saßen auf einem Pferdewagen und rumpelten durch die Nacht. Eigentlich war es nicht ratsam, nachts zu reisen, aber da sie zu dritt und in Eile waren, hatten sie sich doch dafür entschieden. Es war ein durchschnittlicher Pferdewagen mit durchschnittlichen Pferden und der Zwerg hielt die Zügel. Hinter ihm saß der Echsenmensch, der das Umfeld im Blick behielt, während die Elfe darauf achtete, dass sie nicht vom Himmel aus angegriffen wurden.​
»So langsam zu fahren, ist ganz schön nervig«, meckerte der Zwerg.​
»]a, aber so müssen wir nicht zwischendurch die Pferde wechseln«, antwortete der Echsenmensch.​
»Außerdem würden wir nur unnötige Aufmerksamkeit erregen, wenn wir zu schnell fahren. So gesehen ist diese Art vielleicht sogar schneller.«​
»Unnötige Aufmerksamkeit?«, fragte die Elfe neugierig.​
»Ich rede von Dieben oder Wegelagerern. In der Stadt ist die Lage dank der Erzbischöfin ruhig, aber hier draußen ist es anders. Da wir uns immer weiter vom Tempel des erhabenen Gottes entfernen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis böse Kräfte uns angreifen werden.«​
»Redest du vom Schutz der Götter? Die Götter des Schmiedens und des Stahls geben uns Mut für die Schlacht.«​
Der Zwerg fuhr sich grinsend durch den Bart und warf der Elfe einen kurzen Blick zu.​
»Ich bete, dass unser kleines Langohr im Ernstfall keine weichen Knie bekommt.«​
»Hmpfl Du wirst schon sehen! Am Ende wirst du dich noch bei mir bedanken!«​
»Ha ha, mach dir keine großen Hoffnungen.«​
Als Antwort gab die Elfe einfach nur ein Schnaufen zurück und legte sich auf den Rücken. Am Himmel sah sie die funkelnden Sterne und die beiden Monde. Der grün leuchtende Mond sah heute aus wie ein aufflammendes Auge.​
»Wenn doch bloß ein leichter Wind wehen würde ...«, murmelte die Elfe, denn sie hatte das Gefühl, dass die drückende Sommernachtluft ihr das Atmen erschwerte. Ausnahmsweise stimmte der Zwerg seiner Kameradin in Gedanken zu und konzentrierte sich dann wieder auf den Weg. Sie passierten gerade die Überreste eines Dorfes, dessen Ruinen im Mondlicht traurige Schatten warfen. Wahrscheinlich würde sich kein Abenteurer wundern, wenn an so einem Ort Ghule auftauchen würden. Plötzlich rümpfte die Elfe ihre Nase und gab ein leises »Hm?« von sich.​
»Ist irgendwas, Langohr? Hast du die Gräser gerochen?«​
»Hey! Nein! Da war ein unangenehmer Geruch. Er war stechend und beißend, aber es weht gar kein Wind.«​
»Vielleicht Schwefel?«​
»Wieso sollte ich hier Schwefel riechen?«​
»Genauer gesagt, der Gestank von Schwefel und Dampf, die sich vermischen.«​
Die zwei Kumpanen des Zwergs wussten genau, worauf er anspielte und schauten sofort in den Himmel.​
»Über uns!«, rief die Elfe aufgeregt.​
Über den dreien flogen zwei humanoide Wesen mit blutroter Haut und fledermausartigen Flügeln. Ihre Schädel waren langgezogen und liefen oben zu einer Spitze zu. An ihren Händen befanden sich scharfe Krallen. Es waren niedere Dämonen.​
»Sie kommen!«​
Mit diesen Worten begann der Zwerg, die Pferde anzutreiben, doch diese schienen bereits von selbst die Gegenwart der bösartigen Wesen gespürt zu haben und preschten los.​
»Treib die Pferde stärker an ... Nein, gib mir die Zügel! Bereite du lieber einen Zauber vor!«​
»In Ordnung!«​
Der Zwerg warf dem Echsenmenschen die Zügel zu und rollte sich nach hinten auf die Ladefläche. Dann begann er, in seiner Tasche nach passenden Katalysatoren zu wühlen.​
»Können wir nicht einfach abhauen?«, fragte die Elfe und verzog die Lippen, während sie einen Pfeil anlegte.​
»Sie könnten ihrem Meister von uns erzählen«, erwiderte der Echsenmensch ruhig.​
»Wir sollten sie hier erledigen!«​
Der erste Dämon schoss auf den Wagen zu und schlug auf ihn ein. Krachend brach er ein Stück Holz aus der Ladefläche heraus, bevor er wieder ein wenig hinter ihnen zurückfiel.​
»Uwah ... Hoppla!«​
Der Zwerg zog ein paar Holzsplitter aus seinem Bart.​
»Wenn sie den Wagen zerstören, sind wir dran!«​
»Ich passe auf die Pferde auf. Also kümmert ihr euch um sie!«​
Während die Abenteurer sich noch abstimmten, schoss der nächste Gegner heran. Die Elfe spannte ihren Bogen an und wartete auf den richtigen Moment für ihren Schuss.​
»AAARREMMEERRRRR?!?!«
Mit einem ohrenbetäubenden Schrei schlug der niedere Dämon zu und traf wie sein Vorgänger nur die Ladefläche, aber die Elfe ließ sich diese Chance nicht entgehen. Ihr Pfeil schnellte von der Sehne und bohrte sich durch die Augenhöhle direkt in das Gehirn des Angreifers, der daraufhin sofort tot auf die Ladefläche stürzte.​
»Nummer eins!«, rief die Bogenschützin triumphierend.​
»Nicht schlecht, oder?«​
»Eine tolle Leistung, aber würdest du seinen toten Körper runter werfen? Er macht uns langsamer«, erwiderte der Echsenmensch.​
Die Elfe machte sich daran, der Bitte des Mönchs nachzukommen, als ein paar Krallen durch die Luft zischten und sie nur um Haaresbreite verfehlten. Der andere Dämon war von der Seite heran geschossen und hatte versucht, ihr den Kopf abzureißen. Zitternd fiel die Elfe auf ihren Hintern.​
»Na? Schon weiche Knie, Langohr?«​
»Von wegen! Ich bin sauer! Aber, sag mal, Zwerg. Kannst du ihn nicht mit einem Zauber vom Himmel holen?«​
»Hm, warte.«​
Der Zwerg kniff ein Auge zu, um die Entfernung und Geschwindigkeit des Gegners abzuschätzen.​
»Es ginge schon, aber er würde nicht lange am Boden bleiben.«​
»Was zum ... ?! Magiewirker und Zwerg! Eine nutzlose Kombination!«​
»Die bewegen sich nach anderen Regeln als wir. Man kann sie nur mit Gewalt erledigen.«​
»Das klingt doch gut!« Der Echsenmensch grinste bestialisch.​
»Werter Zwerg, du kannst ihn aber zu Boden bringen, oder?«​
»Das schon«, antwortete der Schamane.​
»Aber eben nicht für sehr lange.«​
»Werte Waldläuferin, könnte ich dich dann bitten, einen Pfeil zu schießen?«​
»Ja, natürlich!«​
Der Echsenmensch riss abwechselnd an den Zügeln, um den Pferdewagen Schlangenlinien fahren zu lassen.​
»Dann befestige bitte ein Seil an dem Pfeil.«​
»Ein Pfeil mit Seil ...«​
Ihren Gegner nicht aus den Augen lassend schnappte sich die Elfe ein Seil von der Ladefläche und band es um einen Pfeil. Der niedere Dämon schien derweil auf die richtige Gelegenheit zu warten, sie anzugreifen.​
»Du benimmst dich ja wie ein Kommandant, Mönch.«​
»Ach was!« Der Echsenmensch schüttelte leicht den Kopf.​
»Oberhaupt nicht. Ich bin eher wie die Feder eines Pfeils. Ich mag die Richtung vorgeben, aber komplett werde ich erst, wenn man mich mit Pfeilspitze, Schaft, Bogen und Schützen kombiniert.«​
Die Elfe kicherte kurz. Der Vergleich gefiel ihr.​
»Dann bin ich wohl deine Spitze! Los, Zwerg! Vermasse! ja nicht den Zauber!«​
»Ha! Keine Sorge!«​
Doch bevor der Schamane seinen Zauber wirken konnte, erkannte er einen roten Lichtblitz im Maul des Gegners. Panisch rief er:​
»Ist das „Feuerpfeil“?! Scheiße!«​
»Was zum ... ?!«​
Der Echsenmensch wusste nicht wirklich, was los war, doch aus Instinkt trieb er die Pferde noch einmal härter an als bisher und nur so kam es, dass der Pferdewagen nicht von der Explosion erfasst wurde, die der gegnerische Zauber zur Folge hatte. Obwohl sie gerade nur knapp dem Tod entkommen waren, konnte der Mönch nicht anders, als laut aufzulachen.​
»Ha ha ha ha ha. Jetzt wird es richtig heiß hier!«​
»Hey, Schuppiger! Das hier ist kein Kriegswagen!«​
Nachdem der Zwerg sich beim Echsenmenschen beschwert hatte, konzentrierte er sich wieder auf den niederen Dämonen und sprach die folgenden Worte der Macht:​
»Pixies, Pixies! Ich habe keinen Kuchen, aber bitte euch um einen Streich!«​
Der Dämon schien bemerkt zu haben, dass der Schamane etwas vorhatte und ging in einen Sturzflug auf ihn über, doch es war zu spät. Der Zauber des Zwergs zeigte seine Wirkung und riss ihn aus der Luft.​
»AAARREMMEERRRRR?!?!«
Mit all seiner Kraft versuchte das Wesen des Chaos wieder in die Lüfte zu steigen, doch es funktionierte nicht. Seine Wut auf die Abenteurer wuchs ins Unermessliche. Doch ein plötzlicher Schmerz raubte ihm seinen Verstand. Der Pfeil der Elfe ragte ihm aus seiner Brust.​
»AREEERM?!«
Er konnte gar nicht so schnell reagieren, wie sein Körper plötzlich nach vorne gerissen und hinter dem Wagen der Abenteurer her geschleift wurde.​
»Und was jetzt?«, rief die Elfe ihren Kameraden zu.​
»Wir erledigen ihn natürlich.«​
Der Echsenmensch stand auf und legte die Hände zusammen, in denen er als Katalysator Reißzähne hielt, um sich eine Waffe zu beschwören. »Sichelschwinge des Velociraptors, flieg messerscharf empor und begib dich auf die Jagd!«​
»Und die Pferde?«​
Die Elfe drehte sich um und sah, dass vorn ein Drachenzahnkrieger saß und die Zügel festhielt.​
»Wo kommt der denn her?«​
Anders als seine Kameradin beschäftigte den Zwerg etwas völlig anderes, weshalb er aufgeregt fragte:​
»Erledigen ... ? Hey, Schuppiger! Willst du etwa springen?«​
»Das wäre absurd.«​
Der Echsenmensch riss seine Augen weit auf.​
»Aber genau deshalb mache ich es!«​
Mit einem mächtigen Satz sprang der Echsenmensch vom Wagen in Richtung des niederen Dämons und schrie:​
»Oh, fürchterlicher Drache! Mein alter Vorfahre, sieh mir zu!«​
»AREEERMEER?!?!?!?!?!«
Der Mönch krachte mit voller Wucht auf den Angreifer und begann, ihn mit seiner Waffe, seinen Krallen und seinen Zähnen in Stücke zu fetzen. Der Dämon riss das Maul auf, um einen weiteren Zauber abzuschießen, doch der Echsenmensch zertrümmerte ihm seine Kehle mit einem Tritt.​
»Gwaaaaaaaaaaaah!«
Mit einem furchterregenden Schrei beendete der Mönch schließlich das Leben der Bestie und trennte ihm den Schädel ab. Während er in einer Pfütze aus Blut und Gedärmen stand, drehte der Echsenmensch sich seinen Kameraden zu, die den Wagen zum Stehen gebracht hatten.​
»Und wieder habe ich eine gute Tat vollbracht.«​
Die Elfe und der Zwerg wussten nicht, was sie darauf erwidern sollten.​
* * *
»Als ich das sah, habe ich mir geschworen, dass ich mich nie im Leben mit dir anlegen werde, Schuppiger.«​
»Mein Blut kocht bisweilen über«, erwiderte der Echsenmensch und biss glücklich in ein großes Stück Käse.​
»Trotz meines Aussehens bin ich ein wenig heißblütig.«​
»Mann ... Deine Scherze soll mal einer verstehen.«​
Der Zwerg riss seine Arme in die Höhe und rief die Bedienung herbei. Er konnte noch einen Krug von etwas wirklich Starkem vertragen.​
»Und, hast du alles zusammen?«​
»Was meinst du damit?«​
»Deinen Pfeil. Also Pfeil und Bogen.«​
»Ja.«​
Der Echsenmensch stopfte sich den restlichen Käse in den Mund.​
»Die Spitze ist die werte Waldläuferin. Der Schaft bist du und ich bin die Feder ...«​
»... und der Bogen ist die Priesterin und der Schütze ist Bartschneider, was?«​
»Du hast es erfasst.«​
»Aber selbst der beste Bogen braucht ein Ziel«, gab der Zwerg zurück und stürzte den Inhalt des mittlerweile von der Bedienung gebrachten Krugs in einem Schwung herunter. Sich den Mund abwischend fügte er hinzu:​
»Sollten wir immer nur auf Goblins zielen oder auch mal auf etwas anderes? Nun ja, wie dem auch sei, auf jeden Fall sind wir eine gute Gruppe.«​
»]a, ich kann mich nicht beschweren«, antwortete der Echsenmensch.​
Die beiden wechselten einen Blick und mussten laut lachen. Schon wissend, dass die Abenteurer noch durstig waren, hatte die Bedienung bereits zwei neue Getränke an den Tisch gebracht, die der Zwerg und der Echsenmensch gleich in die Hand nahmen.​
»Auf gute Freunde!«​
»Auf gute Kampfgefährten!«​
»Und auf gute Abenteuer!«​
»Prost!«​
Der Barde in der Ecke stimmte ein neues Lied an:​
»Mit jedem Treffen und jedem Abschied gibt es welche, die zu Asche werden und verschwinden. Man trifft sich, geht und kommt wieder. Es ist wie eine Seite, die sich durch das Umblättern auflöst. Wer ist das? Wenn man dies bedenkt, ist es bereits zu spät. Dann ist er schon nicht mehr hier. Jedes Treffen und jeder Abschied sind für uns einmalig.«​

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Edward Teach

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Kapitel 34
Als er wieder nach Hause kam.


Als der Wagen plötzlich anhielt, war die Sonne bereits dabei unterzugehen. Die letzten Sonnenstrahlen warfen einen roten Schleier über den Platz und ließen die langen Schatten von Menschen und Gebäuden miteinander verschwimmen. Goblin Slayer streckte seinen verspannten Körper, während er einigen Kindern dabei zuschaute, wie sie nach Hause eilten. Er hatte lange auf der Ladefläche des Wagens gesessen und sein Körper fühlte sich dadurch unheimlich schwer an. Irgendwo hatte der Krieger einmal gehört, dass Menschen dazu fähig waren, zwanzig Tage am Stück zu kämpfen, aber gerade schien ihm das eine übermäßig optimistische Schätzung. Schließlich musste man sich ausruhen, sonst nahmen die Fähigkeiten rapide ab. Der Abenteurer stand auf, sprang vom Wagen und steuerte mit stapfenden Schritten auf das hohe Gebäude hinter dem Stadttor - die Zweigstelle der Gilde - zu. Bevor er sich ausruhte, wollte er Bericht erstatten, seine Belohnung erhalten und seine Ausrüstung ausbessern. Bei dem Gebäude angekommen, stieß er die Tür auf und ...​
»Wah?!«​
»Hoppla ...«​
... stieß fast mit zwei anderen Abenteurern zusammen: einer kurvigen Frau und einem durchtrainierten Mann. Während der Mann Goblin Slayer abschätzig musterte, verzog die Frau ihre Lippen zu einem verschmitzten Lächeln.​
»Also wirklich! Kannst du nicht mal deinen Helm absetzen?«, meckerte der Speerkämpfer.​
»Hab ich dich erschreckt?«, erwiderte der Krieger trocken.​
»Nein! Kein Stück!«​
»Er erinnert ... so sehr ... an eine lebendige Rüstung ... nicht wahr?«, fragte die Hexe mit einem Kichern.​
Goblin Slayer musterte die beiden, bemerkte ihre Ausrüstung und fragte: »Geht ihr beiden auf ein Abenteuer?«​
»]a.«​
Die Hexe kniff ihre Augen leicht zusammen.​
»Ein Date.«​
»Und du warst Goblins jagen?«​
»Ja«, antwortete Goblin Slayer auf die Frage des Speerkämpfers.​
»Bin gerade zurück.«​
»Ach so ...«​
Es wirkte, als wollte der Speerkämpfer noch etwas hinzufügen, aber er blieb still. Ohne dies zu bemerken, machte Goblin Slayer einfach nur einen Schritt zur Seite. Er hielt die Tür auf und brummte:​
»Passt gut auf euch auf.«​
»Ausgerechnet von dir will ich das nicht hören.«​
Mit einem „Donk“ schlug der Speerkämpfer beim Vorbeigehen auf Goblin Slayers Schulter. Die Hexe folgte ihm mit wiegenden Hüften und schenkte dem Krieger ein Lächeln zum Abschied.​
»Hm ... « gab Goblin Slayer von sich und schaute zu, wie die zwei durch das Stadttor verschwanden. Er schloss die Tür und ließ seinen Blick durch die Eingangshalle der Gilde schweifen. Es war viel los. Einige Abenteurer lasen sich die Aufträge an der Anschlagstafel durch, während andere dabei waren, an der Anmeldung Bericht zu erstatten. Aus der Schenke tönten Geräusche, die vermuten ließen, dass dort bereits Hochbetrieb herrschte. Da die Gilden Angestellte gerade mit einigen anderen Abenteurern beschäftigt war, entschied Goblin Slayer, sich erst einmal zu setzen. Er ging zu einer Bank und ließ sich plumpsend nieder.​
»Oh!«​
»Ah!«​
Der Krieger drehte sich um und sah den Krieger Lehrling und die Heilige in Ausbildung. Da ihre Haare noch ganz feucht waren, schienen sie gerade gebadet zu haben. Sie sahen erschöpft, aber auch glücklich aus. Goblin Slayer erkannte, dass der Junge neben einem Kurzschwert auch einen Knüppel bei sich hatte. Die dunklen Flecken auf dem Holz waren ein Beweis dafür, dass er bereits benutzt worden war.​
»Hast du dir also auch einen zugelegt?«, fragte der Krieger den Anfänger.​
»Ährn ... Ja ...«, antwortete dieser nervös.​
»Ich benutze ihn relativ häufig.«​
»Ist das so?«​
»Ich habe viel darüber nachgedacht, aber ich werde ihn wohl „Zertrümmerer“ nennen.«​
»Ist das so?«​
Die junge Heilige stieß ihren Kameraden in die Seite.​
»Moment mal! Der Name ist doch voll peinlich.«​
»Aber ...«​
Während die jungen Abenteurer zu streiten anfingen, schaute Goblin Slayer zur Anmeldung und sah, dass die Gilden Angestellte mit den vorigen Abenteurern fertig war. Er machte einen ersten Schritt in Richtung Anmeldung, drehte sich dann aber noch einmal zu dem Krieger Lehrling um. »Das mit der Schlaufe am Griff des Knüppels ist keine schlechte Idee. Man kann ihn so nicht werfen, aber ich werde es trotzdem mal ausprobieren.«​
Die beiden jungen Abenteurer hörten sofort auf zu streiten und starrten Goblin Slayer an, der sich einfach umdrehte und zur Anmeldung ging. Die Gilden Angestellte war dort gerade dabei, ein paar Dokumente zu sortieren. Als der Krieger dann vor ihr stand, legte sie diese sofort zur Seite und begann zu grinsen.​
»Willkommen zurück. Sie sind bestimmt müde, Goblin Slayer.«​
»Ja.«​
Die Gilden Angestellte bemerkte, dass ihr Gegenüber die Spielfiguren, die vor ihr auf dem Tresen standen, eindringlich begutachtete. Mit einem Kichern sagte sie:​
»Interessieren Sie sich für diese Figuren? Sie gehören zu einem Spiel, das ich gefunden habe. Ich dachte mir, dass sie eigentlich zu schade dafür sind, immer in der Box zu versauern.«​
»Ist das so?«​
»]a.«​
Sie ließ ihren Blick über die Figuren wandern: ein gepanzerter Menschen-Krieger, ein äußerst gelenkiger Späher, eine Elfen- Magierin, ein Zwergen Krieger und ein alter erfahrener Mönch.​
»Ist das eine Gruppe?«​
»Ja. Sie ist losgezogen, um das Tor zu einer Gruft zu schließen, die zur Hölle führt. Am Ende sind sie aber leider gescheitert.«​
»Sie ist gut zusammengesetzt.«​
»Ja, es war auch eine sehr gute Gruppe. Sie hat den Eingang der Gruft abgesucht und dort ... Oh! E ... Es tut mir leid! Ich habe einfach los geplappert ...«​
»Nein.« Goblin Slayer schüttelte den Kopf.​
»Es klang interessant.«​
»Ach, wirklich?«​
Die Gilden Angestellte räusperte sich.​
»Ähm ...​
Wie lief denn ihr Auftrag?«​
»Es gab Goblins.«​
»Ja, gut. Wie viele denn?«​
Während sie den Erzählungen des Kriegers fröhlich lauschte, ließ sie die Feder übers Papier flitzen. Sie schrieb auf, wo die Goblins sich aufgehalten hatten, wie sie getötet worden waren, wie der Zustand der zu rettenden Personen gewesen war und so weiter. Nachdem der Krieger fertig berichtet hatte, las sie ihm alles Notierte noch einmal zur Kontrolle vor und als er den Inhalt abgenickt hatte, verpasste sie dem Bericht einen Stempel.​
»Kommen wir zur Belohnung. Aber vorher habe ich noch etwas anderes für Sie. Erinnern Sie sich an das Dorf von neulich?«​
»Welches Dorf?«​
»Sie sind dort allein hingegangen ...«​
»Ach«, erwiderte der Krieger.​
Die Höhle, die Dorfbewohner, der Junge und die Gefangene.​
»Ich erinnere mich.«​
»Aus dem Dorf kam etwas für Sie an. Einen Moment bitte.«​
Die Gilden Angestellte eilte in den hinteren Bereich der Anmeldung und griff dort nach einem Korb voller Maiskolben. Sie kam zurück und stellte ihn vor Goblin Slayer auf den Tresen.​
»Es war ein Brief dabei, dass Sie sie bitte essen sollen.«​
»Oh ...« Goblin Slayer nahm sich einen der Maiskolben, der sich überraschend schwer in seiner Hand anfühlte. Er zog ein, zwei der Blätter zurück: und erkannte darunter den goldfarbenen Mais.​
»Die sind schön reif.«​
»Nicht wahr? Sie wurden von der Person gebracht, die Sie aus der Höhle gerettet haben.«​
»Ist das so? Es ist selten, dass sich jemand von so einer Erfahrung erholt.«​
»Ist es nicht schön?«​
»Doch.«​
Goblin Slayer nickte langsam.​
»Sehr gut.«​
Nachdem die Formalitäten abgeschlossen waren, nahm Goblin Slayer sich den Korb voller Maiskolben und war im Begriff zu gehen, als plötzlich der Lehrling der Schmiede der Gilde vor ihm auftauchte.​
»Was ist?«, fragte der Abenteurer.​
»Ah ... Ich dachte, dass Sie vielleicht ein neues Schwert brauchen. Wollen Sie eins bestellen?«​
»Ach so«, erwiderte Goblin Slayer.​
»Dann nehme ich eins.«​
»Ja, gerne. Wollen Sie gleich mehrere bestellen?«​
»Nein«, sagte der Krieger und zeigte auf die Scheide an seinem Gürtel, »ich kann nur eins mit mir tragen.«​
»Das passt zu Ihnen, Goblin Slayer. Dann werde ich eins vorbereiten ... Huch? Ist das etwa Mais? Wie schön! In meinem Heimatdorf habe ich oft Mais gegessen!« Die Augen des Lehrlings leuchteten.​
»Ist das so?«​
Goblin Slayer zog einige Maiskolben aus dem Korb heraus.​
»Willst du welche haben?«​
»Ist das Ihr Ernst?«​
»Ich bin dir und deinem Chef doch etwas schuldig.«​
»Uwah! Das Angebot nehme ich gerne an!« Der junge Lehrling umklammerte die Maiskolben wie einen Schatz und verschwand in Richtung Schmiede. »Meister!«​
Goblin Slayer brummte zufrieden und machte sich auf den Weg zur Tür. Er nickte einigen bekannten Abenteurern zu und war dabei, das Gebäude zu verlassen, als ihn jemand am Arm packte.​
»Oh Mann ... Wir können sie doch in der Küche für dich vorbereiten.«​
Der Krieger drehte sich um und sah, dass es die Padfoot Kellnerin war.​
»Du hättest mit den Maiskolben gleich zu uns kommen sollen.«​
»Ist das so?«​
»Ja. Dann können wir den Mais mit allen gemeinsam essen.«​
»Ach so.«​
»Hey, Goblin Slayer!«, rief jemand dem Abenteurer lautstark zu.​
Es war der Panzerkrieger, der bereits ein paar Krüge zu viel gehabt hatte. »Willst du nicht noch schnell einen mit uns heben?«​
»Willst du den jetzt echt einladen?«, fragte die Ritterin, deren Wangen vom Alkohol auch schon ganz rot waren.​
»Wieso denn nicht?«​
»Mit dem kann man doch eh über nichts anderes als Goblins reden! Na ja, egal.«​
Die Ritterin stand auf und sagte zu den jungen Mitgliedern ihrer Gruppe: »Los, Kinder. Rutscht weiter und lasst den Paladin sitzen.«​
»Also wirklich, so redet kein echter Paladin.«​
»Wie bitte? Gleich hau ich euch ein Heiliges Schmettern um die Ohren!«​
»In letzter Zeit kämpfst du eh nur mit dem Schild, weißt du noch, wie das geht?«​
»Was zum ... ?! Es ist doch vollkommen legitim, dass ich mit dem Schild zuschlage! Außerdem sind die Götter schuld, wenn sie mir kein Wunder gewähren!«​
»Oh Mann! Haltet den Rand!«, schaltete sich der Panzerkrieger in den Streit seiner Gruppenmitglieder ein.​
Anscheinend hatten sie Goblin Slayer schon wieder ganz vergessen.​
Wahrend der Krieger sich fragte, ob er einfach gehen könnte, tippte ihm jemand auf die Schulter und sagte:​
»Tut mir leid, dass wir dich aufgehalten haben. Kümmere dich bitte nicht darum, was sie sagen.«​
Es war der Halbelf aus der Gruppe des Panzerkriegers. Die Padfoot Kellnerin stimmte ihm zu.​
»Das stimmt. Die sind alle schon ganz schön betrunken. Lass dich davon nicht stören. Außerdem, sollte der Herr nicht lieber schnell nach Hause? Es wartet bestimmt jemand auf dich.«​
»Ja, entschuldigt.«​
Mit diesen Worten drehte sich der Krieger um und ging zur Tür der Gilde.​
Das „Ist schon okay“ der Padfoot hörte er nicht mehr. Nachdem er sich durch eine kleine Gruppe Abenteurer gedrängt hatte, war Goblin Slayer wieder draußen. Eine Brise der kühlen Abendluft begrüßte ihn und nachdem er kurz die Augen geschlossen und durchgeatmet hatte, machte der Krieger sich auf in Richtung Stadttor. Unter den vielen Reisenden und Abenteurern, die das Tor passierten, stach eine Gestalt besonders hervor. Als Goblin Slayer sie erkannte, blieb er stehen.​
»Oh, werter Goblintöter!«​
Grinsend winkte der Echsenmensch seinem Kameraden zu.​
Der Krieger erkannte, dass der Mönch von der Elfe, der Priesterin und dem Zwerg begleitet wurde. Obwohl sie erschöpft wirkten, strahlten sie alle Zufriedenheit aus.​
»Auf dem Weg zum nächsten Abenteuer, Bartschneider?«, fragte der Schamane und nahm einen tiefen Schluck aus seiner Trinkflasche.​
Wahrscheinlich enthielt sie starken Schnaps.​
»Nein.«​
Goblin Slayer schüttelte den Kopf im Eisenhelm.​
»Ich bin auf dem Heimweg. Was ist mit euch?«​
»Wir haben gerade ein kleines Abenteuer abgeschlossen.«​
»Aber ohne deine Unterstützung war das nicht so leicht«, warf die Elfe dem Krieger an den Kopf. Sie war sichtlich beleidigt, dass er sie nicht begleitet hatte. Doch dann schlang sie ihre Arme um die Priesterin und fragte sie:​
»Du bist müde, oder?«​
»W ... Was? N ... nein ... nicht doch. Ich wurde doch eigentlich nur von allen beschützt.«​
Die Jüngste der Gruppe schaute verlegen auf den Boden.​
»Du bist so bescheiden«, antwortete die Elfe und tätschelte ihren Kopf.​
»Ich bin zwar nicht wie der Zwerg, aber ich möchte dennoch etwas Leckeres essen.«​
»Ich verstehe«, entgegnete Goblin Slayer nüchtern.​
»Huch? Ist das etwa Mais?«​
Plötzlich ließ die Elfe von der Priesterin ab.​
»Hey: Sag mal! Darf ich einen Kolben haben?«​
»Warum nicht!«, antwortete Goblin Slayer, doch schon bevor er seine Antwort ausgesprochen hatte, hatte sich die Bogenschützin einen Maiskolben gegriffen.​
»Hey! Bist du etwa eine Rhea?«, schimpfte der Zwerg mit grimmigem Gesicht.​
»Oho, In meiner Heimat habe ich auch oft Mais gegessen«, meldete sich der Echsenmensch und ließ seine Zunge zischend aus dem Mund schnellen.​
»Was? Ich dachte, Echsenmenschen essen nur Fleisch«, warf die Priesterin überrascht ein.​
»In meiner Siedlung haben wir daraus Eintopf gemacht. Wir haben ihn mit Honig und Agavensaft verfeinert und gegessen.«​
»Ach, das hätte ich nicht gedacht.«​
»Wenn ihr wünscht werde ich ihn euch beizeiten mal zubereiten. Ach, und werter Goblin Slayer?«​
»Was denn?«​
»Wenn möglich, hätte ich gerne mehr von diesem Käse.«​
»Alles klar, ich sorge dafür, dass er auf dein Zimmer gebracht wird.«​
»Vielen Dank! Ich bin ganz süchtig nach ihm!«​
Freudig schlug der Echsenmensch den Schwanz auf den Boden.​
»Oh, das wird ein Festschmaus!«​
Die Elfe wackelte mit den Ohren und kicherte.​
»Wo wir schon dabei sind. Ich habe auch eine Bitte, Orcbolg.«​
»Goblins?«​
»Nein. Bring sie doch bitte zum Tempel.«​
Mit diesen Worten gab die Bogenschützin der Priesterin einen Schubs.​
»Wah?!«​
Taumelnd kam das Mädchen vor dem Krieger zum Stehen.​
»Äh ... Ah ... Nein. I... Ich schaff das auch allein. Es ist nicht weit ...«​
»Nachts ist es draußen gefährlich.«​
Der Zwerg strich sich frech grinsend durch den Bart.​
»Vielleicht tauchen Goblins auf. Nicht wahr, Bartschneider?«​
»Ja«, erwiderte Goblin Slayer ernst.​
»Aber ich dachte, dass du inzwischen in der Gilde übernachtest.«​
»Sie muss im Tempel noch einige Dinge wegen des Fests besprechen, oder?«, warf die Elfe blitzschnell ein.​
»Ä ... Ähm ...«, stammelte die Priesterin.​
»Lass dich ruhig von ihm bringen«, sagte der Echsenmensch zu dem Mädchen.​
»Keine falsche Scheu.«​
Da die Priesterin keine Widerworte mehr von sich gab, schien die Sache entschieden, weshalb Goblin Slayer sich in Bewegung setzte.​
»Wir gehen.«​
»Äh ... J ... Ja!«​
Mit trappelnden Schritten eilte die Priesterin dem Krieger hinterher. Nach einigen Metern drehte sie sich noch einmal zu den anderen um und rief:​
»Dann, ähm ... bis morgen!«​
Ihr Gesicht war rot wie eine Tomate, doch Goblin Slayer bekam davon nichts mit. Er setzte stur einen Fuß vor den anderen. Als er jedoch merkte, dass die Priesterin es nicht schaffte, zu ihm aufzuschließen, verringerte er sein Tempo ein wenig.​
»I... In letzter Zeit bist du viel beschäftigt, oder?«, fragte das Mädchen, als sie schließlich neben ihm herlief.​
Sie war ein wenig außer Atem.​
»]a.« Goblin Slayer nickte.​
»Ich brauchte dringend Geld.«​
»Geld ... ?«​
»Aber jetzt habe ich es zusammen.«​
»Hm?«​
Die Priesterin legte einen ihrer Finger an die Lippen und dachte nach. Was war das wohl für ein Gefühl, das sie gerade verspürte? Sie war sich nicht sicher, aber auf jeden Fall war sie nicht glücklich darüber, dass er nicht bereit war, ihr mehr über die Angelegenheit zu erzählen. Wenig später kamen sie beim Tempel der Erdmutter an.​
»Da wären wir«, sagte Goblin Slayer.​
Die Priesterin ließ ihren Blick über die kreideweißen Wände des Gebäudes wandern. Wahrscheinlich war der Wachdienst im Inneren schon dabei, ein Wachfeuer zu entzünden. Sie lief einige Treppen zum Eingang hinauf und sagte:​
»Vielen Dank und ähm ...«​
Sie atmete tief durch und sammelte all ihren Mut.​
»Wenn du aufs nächste Abenteuer gehst, frag mich bitte, ob ich mitwill.«​
Goblin Slayer schaute sie einige Sekunden lang wortlos an, bevor er antwortete:​
»Okay, das werde ich.«​
»Gut!«​
Das Mädchen setzte ein strahlendes Lächeln auf.​
»Bis morgen!«​
»Bis morgen.«​
Der Krieger schaute der Priesterin dabei zu, wie sie durch den Eingang des Tempels verschwand und machte sich dann selbst auf den Heimweg. Heute bin ich wieder vielen Leuten begegnet, dachte er, doch dann bemerkte er, dass es gar nicht so anders gewesen war als sonst. Eigentlich waren die Leute immer hier. In ihm stieg die Vermutung auf, dass ihm bisher viele Dinge einfach nicht aufgefallen waren. Er atmete tief ein und wieder aus, während er die Gilde passierte und das Tor durchquerte. Am Himmel über ihm standen unverändert die glitzernden Sterne und die zwei Monde. Obwohl ein kühler Wind wehte, war dem Krieger überhaupt nicht kalt. Er fühlte sich wohl. Er begann, den Weg entlangzulaufen, bis er in der Ferne ein einzelnes Licht erkennen konnte. Es war der Bauernhof. Der Krieger beschleunigte seine Schritte. Er bog in den Weg zum Hof ein und passierte den Zaun und die kleine Steinmauer, die er mithilfe des Hofbesitzers errichtet hatte. Schließlich stand er vor der Tür des Hauptgebäudes des Hofes. Er atmete tief durch und holte dann einen Beutel mit Goldstücken aus der Tasche an seinem Gürtel.​
Prüfend wog er den Beutel in seiner Hand. Er beschloss, dass es genügend Geld sein musste und murmelte leise:​
»Gut.«​
Er öffnete die Tür und sofort kam ihm ein appetitanregender süßlicher Geruch entgegen. Es musste ihr Eintopf sein.​
»Wow. Heute bist du aber spät dran«, sagte die Kuhhirtin und drehte sich mit einem Grinsen zu ihm um.​
Goblin Slayer machte die Tür hinter sich zu und ging mit schweren Schritten durch den Raum.​
Das Mädchen musterte ihn und sah den Korb auf seinem Rücken.​
»Huch? Was hat es denn damit auf sich? Das ist aber hübscher Mais.«​
»Ich habe ihn bekommen«, sagte er und stellte den Korb auf den Tisch.​
»Ach so«, erwiderte sie und rührte das Essen im Topf um.​
»Aber stell den Korb nicht auf den Tisch.«​
»Hmpf ...«​
»Stell ihn lieber auf einen Stuhl.«​
»Was ist mit deinem Onkel?«​
»Er trifft sich heute mit wem und kommt später,«​
Goblin Slayer zog einen Stuhl zur Seite und stellte den Mais darauf ab. Es war, als wären die Maiskolben Ehrengäste.​
»Warte einen Moment. Es gibt gleich Essen«, sagte die Kuhhirtin, während sie geschäftig durch die Küche flitzte.​
»Ja«, antwortete der Krieger, ging zu seinem Stuhl, aber setzte sich nicht.​
»Hm?«​
Seine Kindheitsfreundin hielt in ihrem Treiben inne, weil er sich nicht wie gewohnt auf seinem Platz niederließ. Sie wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab und fragte:​
»Was ist denn los?«​
Sie beugte sich vor und schaute hoch zu seinem Helm. Sein Gesicht konnte sie zwar nicht sehen, aber irgendwie konnte sie es sich gerade gut vorstellen.​
»Bevor wir essen, möchte ich dir etwas geben«, sagte der Krieger und ließ den Geldbeutel von vorhin auf den Tisch fallen. Die Goldstücke darin klimperten.​
»Huch? Die Miete für diesen Monat hast du doch schon bezahlt.«​
»Nein«, erwiderte er unbeholfen. »Du hast doch Geburtstag.«​
»Ach!« Sie klatschte die Hände zusammen. Das stimmte in der Tat. Sie war so beschäftigt gewesen, dass sie es ganz vergessen hatte. Morgen werde ich neunzehn!​
»Ich wusste nicht, was ich dir schenken soll, da dachte ich, dass das der beste Weg ist.«​
Er schob ihr den Beutel zu.​
»Oh Mann ...«​
Sie war sich nicht sicher, wie sie darauf reagieren sollte. Es war wirklich kein passendes Geburtstagsgeschenk. Sie lächelte verlegen.​
»Du bist wirklich unverbesserlich. Du siehst aus, als würdest du es nicht verstehen, aber dann wirkt es oft so, als würdest du es verstehen. Am Ende allerdings verstehst du es dann häufig doch noch nicht.«​
»Hm ...«​
»Wenn du nicht weißt, was ich haben will, kannst du mich fragen oder wir gehen es gemeinsam aussuchen.«​
So hätte sie es lieber gewollt?, dachte Goblin Slayer und gab ein kurzes Brummen von sich. Dann nickte er langsam und sagte:​
»Okay.«​
»Du verstehst es nicht, oder? Na ja, ich bedanke mich bei dir, wenn wir ein Geschenk ausgesucht haben.«​
Sie klopfte ihm leicht auf den Rücken und kicherte kurz.​
»Ich bin auch schon auf das Erntefest gespannt.«​
»Ich werde darüber nachdenken.«​
»Ja, ja. Jetzt setz dich erst einmal hin, damit wir essen können.«​
Sie drückte ihn auf den Stuhl und trappelte in Richtung Herd, doch drehte sich mittendrin noch einmal um. Sie schenkte Goblin Slayer ein strahlendes Lächeln und sagte:​
»Hätte ich fast vergessen: Willkommen zu Hause!«​
»Ja.« Er nickte. »Ich bin zurück.«​

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Edward Teach

Anime-Pirat
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Prelude III

Das Leben ist ein Würfelspiel. Tagein, tagaus würfelt man, erhält. jedoch nichts als Einsen. Irgendjemand meinte mal, das Glück sei gerecht. Jeder lebt und muss irgendwann sterben. Mal weint man und mal lacht man. Doch auch heute zeigen die Würfel nichts weiter als Einsen. Oh, Schlangenaugen, Schlangenaugen. Bitte zeigt mir morgen zwei Sechsen ...​




Nach Oben
 

Edward Teach

Anime-Pirat
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Kapitel 35
Herbstmond


Am Horizont war eine Rauchfahne zu erkennen. Wer ihren Ursprung suchte, dessen Augen fielen auf einen kleinen Bauernhof, der sich auf einem Hügel befand. Um genau zu sein war der Ursprung der Rauchfahne eine kleine Backsteinhütte leicht abseits des Hofes. Ihr Schornstein stieß dicke weiße Rauchwolken aus, die wie auf einem Gemälde ihren Weg in den Himmel suchten. Vor der Hütte hockte eine junge Frau, die damit beschäftigt war, einen Kamin zu befeuern. Sie keuchte und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Ihre Haut war durch die Sonne leicht gebräunt und sie besaß gut ausgeprägte Rundungen, war aber keinesfalls dick.​
»Hm? Das wäre alles, oder?«, sagte sie und griff zu einem Tuch, das sie unter einen Träger ihrer Arbeitskleidung geklemmt hatte.​
Sie wischte sich ein wenig Ruß aus dem Gesicht und schloss zufrieden für einen Moment die Augen. Dann lehnte sie sich zur Seite und schaute durch ein kleines Fenster ins Innere der Hütte, in der mehrere Stücke Schweinefleisch aufgehängt waren. Bei der Hütte handelte es sich um die Räucherei des Bauernhofs. Nachdem die Schweine auf dem Hof im Laufe des Jahres jede Menge Eicheln und Gänseblümchen gefressen hatten, stand im Herbst die große Aufgabe an, aus ihrem Fleisch Schinken herzustellen. Dieser Prozess war langwierig und äußerst anstrengend. Allein das Räuchern benötigte bereits mehrere Tage. Goblin Slayer hatte der Kuhhirtin bisher eigentlich immer bei der Schwerstarbeit geholfen, aber diesmal war es anders.​
»Tja, er hat nun mal auch seine eigene Arbeit«, murmelte die Kuhhirtin.​
Es klang, als wolle sie sich selbst davon überzeugen, dass seine Abwesenheit sie nicht störte. Nun ja, dachte sie sich, er kommt bestimmt bald wieder und hilft mir dann.
Mit einem „Hepp“ richtete die Kuhhirtin sich auf und streckte sich.​
Nachdem sie so lange in der Hocke verharrt hatte, fühlte dies sich richtig gut an. Sie ließ ihren Blick über die weiten Felder wandern bis er an der aufgehenden Sonne hängen blieb. Sie war bereits viele Stunden vor Sonnenaufgang aufgestanden, um ihrer Arbeit nachzugehen, aber irgendwie fühlte sie sich jetzt erst, als würde der Tag richtig beginnen. Die Sonne ließ die Weizenfelder golden glänzen und die Ähren tanzten im Wind. Ihre Bewegungen erzeugten ein Rascheln und die Kuhhirtin musste bei der Vorstellung, dass sich ein Meer aus Gold vor ihr befand, kurz kichern. Zu gerne würde sie mal das Meer sehen. Das Krähen eines Hahns riss sie aus ihren Gedanken. Sie blickte hinüber zur Stadt und sah, wie erste Rauchfahnen aus den Schornsteinen einiger Häuser aufstiegen. Einige Bewohner der Stadt mussten also auch ihren Tag begonnen haben.​
Hm ... Für einen normalen Morgen sind es aber überraschend viele, dachte die Kuhhirtin sich.​
Lassen die Sonnenstrahlen die Stadt vielleicht einfach nur lebendiger erscheinen?
Ein Windstoß brachte die Fahnen der Stadt zum Flattern und streichelte kurz darauf über die Wangen der Kuhhirtin.​
»Uwah ...«, stöhnte sie und begann leicht zu zittern.​
»Kalt.«​
Der Herbst war gekommen und mit ihm die Erntezeit. Gleichzeitig musste man sich auf den Winter vorbereiten. Es gab viel zu tun, aber das störte die Kuhhirtin nicht, denn Goblin Slayer würde ja bald zurückkehren und ihr bei allem unter die Arme greifen.​
»Ja! Mit dem frischen Schinken werde ich einen Eintopf für ihn kochen!«​
Doch zuerst sollte er etwas Ordentliches zu essen kriegen. Der Gedanke an seine Heimkehr machte die Kuhhirtin schon ganz hibbelig. Sie musste grinsen und begab sich hüpfend zurück zum Haupthaus des Hofes. Bald würde ja auch das Erntefest stattfinden.​
***
Es war gegen Mittag, als er den fünften Goblin erledigte. Goblin Slayer hatte mit seiner Schleuder einen Stein nach ihm geschossen, der sich durch die Augenhöhle in den Schädel gebohrt hatte. Mit einem lauten Knacken war der Goblin wie ein nasser Sack umgefallen.
»Hm ...«​
Mit einem Brummen lugte der Abenteurer hinter dem Felsen hervor, den er zur Deckung nutzte. Die Leichen der Goblins, die er bereits erledigt hatte, brieten in der Mittagssonne und er konnte ein wenig tiefer in die Mine schauen, aus der sie herausgekommen waren. Goblin Slayer trug wie immer eine dreckige Lederrüstung mit einem billigen Helm. An seiner Hüfte hing ein mittellanges Schwert und um den linken Arm war ein kleiner Rundschild gebunden. Bisher hatte er nur Wachen getötet, was hieß, dass er der Horde wahrscheinlich noch keinen richtigen Schaden zugefügt hatte. Die Goblins hatten vor einem halben Monat die Mine - vor der Goblin Slayer sich gerade befand - eingenommen und hielten damit die einzige Einnahmequelle der Bewohner des nahegelegenen Dorfes besetzt. Der Abenteurer wusste nicht, wie viele der Viecher mittlerweile in den tiefen Gängen hausten. Sie haben Frauen entführt, aber falls sie Kinder gezeugt haben, werden die noch nicht alt genug sein, um kämpfen zu können. Aber was, wenn sie die Frauen als Geiseln benutzen? Ich schätze es werden mindestens noch zehn Goblins übrig sein ...
Die Dorfbewohner wollten die Mine in Zukunft weiter nutzen, was hieß, dass er sie nicht mit Wasser fluten konnte. Nachdenklich legte er einen weiteren Stein in seine Schleuder. Er hatte zahlreiche von ihnen gesammelt, um im Fall der Fälle genügend Munition zu haben.​
»Und wie sieht es aus, Goblin Slayer?«, fragte das junge Mädchen, dass hinter ihm kniete.​
Es trug die einfachen Kleider einer Priesterin und hielt einen Stab in beiden Händen.​
Ohne sich umzudrehen, antwortete der Krieger:​
»Was meinst du?«​
»Ähm ... Wie die Lage ist ...«​
»Ich weiß es selbst nicht so recht«, murmelte Goblin Slayer und schoss einen weiteren Stein ab.​
»GOORB?!«​
Ein Goblin hatte die Mine verlassen, um zu schauen, was mit seinen Artgenossen passiert war und bezahlte dafür mit seinem Leben.​
»Sechs«, zählte Goblin Slayer gewohnt emotionslos.​
Die Taktik, die er gerade anwendete, war simpel. Da er nicht wusste, aus wie vielen Goblins die Horde bestand, lockte er sie heraus. Und zwar mit den Leichen ihrer Kameraden. Da Goblins so etwas wie Freundschaft nicht kannten, war das Wort Kameraden vielleicht nicht passend. Wahrscheinlich hatte der Goblin gerade einfach nur den Kürzeren gezogen und deshalb den Befehl erhalten, draußen nachzuschauen. Goblin Slayer war das jedoch reichlich egal. Ihn interessierte nur, dass er die Goblins so herauslocken und töten konnte, ohne sich dabei selbst in sonderlich große Gefahr zu begeben. In Vorbereitung auf den nächsten Goblin legte er einen neuen Stein in die Schleuder. Als er das erledigt hatte, sagte er leise:​
»Irgendwie gefällt mir das nicht.«​
»Was meinst du?«, fragte die Priesterin verwundert.​
»Sie sind zu gut ausgerüstet.«​
»Ach ...«​
Das Mädchen begriff, was ihr Kamerad meinte. Die toten Goblins trugen alle Rüstungen - auch wenn diese nur simpel waren. Außerdem waren sie alle bewaffnet. Neben ihren Leichen lagen ein Schwert, eine Spitzhacke, zwei Knüppel, ein kurzer Speer und ein Kurzschwert. Mit besorgtem Gesicht, aber ohne panisch zu wirken, sagte die Priesterin:​
»Hm Sie haben drei Mädchen entführt ... Wir sollten uns beeilen«​
Sie war nun schon ein halbes Jahr Abenteurerin. Ihr erstes Abenteuer hatte sie als Einzige aus ihrer Gruppe überlebt, aber seitdem hatte sie an Goblin Slayers Seite ihr Bestes gegeben. Sie trug mittlerweile den Obsidian-Rang und niemand würde es jetzt noch wagen, sie als blutige Anfängerin zu bezeichnen. Nachrichten wie die, dass eine Horde Goblins ein Dorf überfallen hatte, sorgten sie zwar noch, brachten sie aber nicht mehr aus der Fassung. Vielleicht bin ich auch einfach nur abgestumpft, fragte sich die Priesterin. Besorgt um ihr Seelenheil zog sie ihren Stab fest an sich heran und sprach ein Gebet. Sie betete darin für die Leben der entführten Mädchen und verabschiedete die getöteten Goblins von dieser Welt.​
»Es ist zu viel Zeit vergangen, seitdem der Auftrag erteilt wurde«, sagte Goblin Slayer nachdem die Priesterin ihr Gebet beendet hatte.​
»Könntest du die Goblin Leichen plündern?«​
»Wie bitte?«​
Überrascht schaute sie auf und sah nichts weiter als einen dreckigen Helm.​
»Ich brauche ihre Ausrüstung.«​
»Äh ... Ähm ... Also das ...«, stammelte die Priesterin.​
Verwirrt schaute sie immer wieder zwischen den Leichen und Goblin Slayer hin und her. Es ging ihr nicht darum, dass sie Angst hatte oder ihr die Aufgabe zu dreckig war, sondern darum, dass es sich hier immer noch um Leichen handelte. Wenn er es tun würde, würde sie sein Handeln nicht tadeln, aber sie selbst war immer noch eine Priesterin. Als solche konnte sie doch keine Leichen schänden.​
»Wenn du es nicht kannst, dann gib mir wenigstens Rückendeckung, grummelte Goblin Slayer, dem die ganze Angelegenheit zu lange dauerte.​
»Äh, ja.« Die Priesterin nickte schnell.​
»Ich werde mein Bestes geben ...«​
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, stürmte Goblin Slayer los.​
Die zurückgelassene Priesterin atmete tief durch. Anscheinend war sie an das Ganze doch noch nicht so gewohnt, wie sie gern geglaubt hätte. Das Wetter war mittlerweile kühl geworden, aber ihre Stirn war nass vor Schweiß. Wenn nur der Rest der Gruppe hier wäre. Vor allem die Hilfe der Elfe könnten wir gut gebrauchen ... Goblin Slayer und die Priesterin waren häufig mit ihrer Gruppe unterwegs, aber das hieß nicht, dass es bei jedem Abenteuer so war.​
»Hach ...«​
Ungewollt entwich der Priesterin ein Seufzer. Es gab vieles, über das sie sich noch Gedanken machen musste, und es gab noch viel mehr Dinge zu tun, aber sie wusste, dass der Versuch eines Gesprächs mit Goblin Slayer nicht viel mehr als Goblins, Goblins und noch mehr Goblins hervorbringen würde.​
»Ah, das geht doch nicht. Ich muss mich konzentrieren«, murmelte das Mädchen und schüttelte ihren Kopf.​
Es war gerade nicht der richtige Zeitpunkt, um sich über andere Dinge als die noch in der Mine befindlichen Goblins den Kopf zu zerbrechen.​
»A... Alles in Ordnung?«, rief sie Goblin Slayer zu, der gerade dabei war, die Leichen zu durchsuchen.​
»Ja«, antwortete er nüchtern.​
Der Krieger ging grob mit den toten Körpern der Goblins um. Da er ihre Rüstungen und Helme nicht brauchte, griff er sich einfach ihre Waffen. Als er damit fertig war, drehte er der Mine den Rücken zu, um zum Felsen, hinter dem die Priesterin immer noch hockte, zurückzukehren.​
»GORB! GRROOORB!!«​
»Goblin Slayer, da kommt einer!«, rief die Priesterin und feuerte einen Stein aus ihrer eigenen Schleuder ab.​
Ein Goblin hatte im Dunkeln des Mineneingangs anscheinend nur darauf gewartet, dass Goblin Slayer ihm den Rücken zudrehen würde. Interessant, dachte der Krieger sich, während er dem schlecht anvisierten Stein der Priesterin auswich. Er hat genau wie ich die Goblin Leichen als Lockmittel benutzt. Das Steingeschoss traf den Goblin an der Schulter und riss ihn zu Boden. Goblin Slayer ließ sich diese Gelegenheit natürlich nicht entgehen und schleuderte etwas über seine eigene Schulter. Es war das aufgehobene Kurzschwert, das sofort mit einem schmatzenden Geräusch die Kehle des gestürzten Goblins durchbohrte.​
»GBBR?!«​
»Sieben. Kommt noch einer?«​
»Nein, soweit ich es sehen kann nicht«, antwortete die Priesterin.​
»Gut.« Goblin Slayer war schnell an ihre Seite zurückgeeilt und warf die erbeuteten Waffen scheppernd zu Boden. Dann griff er zu dem Schwert und dem Dolch, befestigte sie an seinem Gürtel und sagte:​
»Wir wechseln die Stellung.«​
»Hm? Aber diese Mine hat doch nur einen Eingang, oder?«​
Goblin Slayer griff zur Spitzhacke und richtete die Spitze auf die Priesterin. »Vor einem Monat war das vielleicht noch so.«​
»Ah!«​
Die plötzliche Bewegung erschreckte das Mädchen.​
»Pa... Pass bitte auf damit, Goblin Slayer.«​
»Schau«, entgegnete dieser emotionslos.​
»Was denn?«, fragte die Priesterin und nahm die Spitzhacke genauer in Augenschein.​
Sie war abgenutzt und dreckig. Bestimmt hatten die Goblins sie irgendwo in der Mine gefunden. Erdreste hingen an ihrer Spitze. Interessiert kratzte sie daran. Die Erde war noch weich und frisch.​
»Goblin Slayer, heißt das etwa ·.•​
»Genau«, antwortete er und nickte. Goblins konnten kein Metall verarbeiten und würden deshalb nicht von selbst danach graben. Es gab also nur eine sinnvolle Schlussfolgerung.​
»Wenn ich sie wäre, würde ich einen Seitentunnel graben.«​
Goblin Slayer hatte vollkommen recht. Als die Priesterin mit ihm zusammen den kleinen Berg umrundete, in dem sich die Mine befand, fanden sie ein Loch, das die Goblins gegraben hatten. Kurz nachdem sie Stellung bezogen hatten, krochen ein paar der Bestien aus dem Loch heraus. Sie waren dreckig und mit Fäkalien beschmiert und sie machten einen nicht sonderlich ausgeruhten Eindruck.​
»GUAAUA?!«​
»Acht.«​
Goblin Slayer entschied sich, die erschöpften Goblins hier und jetzt zu erledigen und schleuderte die Spitzhacke nach einem der Viecher. Sie rammte sich in dessen Brustkorb und durchbohrte sein Herz, weshalb er auf der Stelle tot umfiel. Die restlichen Goblins gerieten in Panik und begannen lautstark herumzuschreien, aber damit hatte Goblin Slayer gerechnet. Für sie war es gerade mitten in der Nacht und sie hatten lange gearbeitet, um die Abenteurer, die am Mineneingang auf sie warteten, zu überraschen. Doch die Angreifer waren plötzlich zu Opfern geworden. Eigentlich bevorzugte Goblin Slayer es, Goblins morgens statt mitten in der Nacht zu überfallen, aber in diesem Fall war er auch mit dieser Variante zufrieden. Mit einem schnellen Blick musterte er die restlichen Goblins des Trupps.​
»Ein Speer, eine Spitzhacke, zwei Knüppel. Keine Bögen und keine Magier. Das sollte kein Problem sein.«​
»J... Ja!«, rief die Priesterin tapfer.​
Wie ein Pfeil zischte Goblin Slayer auf die Gegner zu, während sie zu beten begann:​
»Höchst barmherzige Erdmutter. Bitte beschütze uns Schwache mit deiner Erde! Schutzwall!«​
Eine unsichtbare Kraft legte sich über das Schild des Kriegers, der diese sofort nutzte, um einen Speer zur Seite zu schlagen, den ein Goblin nach ihm geworfen hatte.​
»GRRORG?!«​
»Neun.«​
Mit voller Wucht krachte Goblin Slayer in den ersten der kleinen Teufel und rammte ihm ein Schwert in den Hals. Ohne nur eine Sekunde innezuhalten riss er die Klinge aus dem erschlaffenden Körper seines Gegners und wandte sich dem Goblin zu, der den Speer nach ihm geworfen hatte. Er holte weit aus und schlug diesem das Schwert so tief in den Schädel, dass er sofort tot umfiel.​
»Und zehn.«​
Mit einem gekonnten Tritt beförderte Goblin Slayer die Spitzhacke des gerade getöteten Goblins in die Luft und griff danach. Von der Seite schwang eines der Biester ungeschickt einen Knüppel nach ihm, doch der Krieger wirbelte herum und durchbohrte mit der Spitzhacke sowohl den Arm als auch den Brustkorb seines Angreifers. Das ölige Blut des Goblins sprühte fontänenartig aus der Wunde hervor und beschmierte Goblin Slayers Rüstung.​
»GOOROGOROGB!«​
Als der Krieger bemerkte, dass der letzte Goblin dabei war sich auf ihn zu werfen, machte er sich gar nicht erst die Mühe die Spitzhacke herauszuziehen und trat den sterbenden Goblin einfach beiseite. Noch bevor er sein zweites Schwert ziehen konnte, flog allerdings ein Stein durch die Luft und traf den Angreifer mit einem dumpfen Klatschen an der Stirn.​
»GBBOR?!«​
Der Stein aus der Schleuder der Priesterin reichte nicht, um den Goblin umzubringen, aber das übernahm Goblin Slayer, indem er sich mit einem Dolch auf ihn warf. Er drehte die Klinge in der Wunde und wartete, bis die Zuckungen des Goblins aufhörten, bevor er sich aufrichtete und sagte: »Zwölf.«​
Wenn man gegen Goblins kämpfte war man häufig in der Unterzahl, aber die gute Zusammenarbeit zwischen der Priesterin und Goblin Slayer hatte dafür gesorgt, dass die beiden diesen Kampf unbeschadet überstanden hatten. Das junge Mädchen kam trappelnd herbeigelaufen und zog dabei einen Wasserbeutel aus ihrer Tasche.​
»Ähm, Goblin Slayer. Möchtest du etwas trinken?«​
»Ja, bitte.«​
Er griff nach dem Wasserbeutel, zog den Stöpsel und goss sich gierig etwas von dem verdünnten Traubenwein durch das Visier seines Helms in den Rachen.​
»Pass bitte darauf auf, dass du genügend trinkst, okay?«​
»Ja.«​
Soweit die Priesterin es erkennen konnte, schien Goblin Slayer sich um seine körperliche Fitness zu kümmern, aber sie konnte den Gedanken nicht abschütteln, dass er dabei nur das absolut Notwendige tat.​
»Du hast gut getroffen«, murmelte Goblin Slayer.​
Sie musste kurz darüber nachdenken, was er meinte, als ihr wieder der mit der Schleuder abgefeuerte Stein einfiel. Mit einem Lächeln erwiderte sie:​
»Ah ... Ja ... Ich habe trainiert.«​
Sie hatte das Training mit der Schleuder nicht in erster Linie angefangen, um eine Technik zum Töten zu lernen, sondern um ihren Kameraden weniger zur Last zu fallen. Sie wollte sich in gefährlichen Situationen selbst verteidigen können.​
Goblin Slayer steckte den Stöpsel wieder in den Wasserbeutel und sagte: »Das hast du gut gemacht.«​
H. .. Hat er mich gerade ... gelobt?!
Auch wenn der Krieger ihr die Worte relativ emotionslos vor die Füße geworfen hatte, konnte die Priesterin nicht anders, als sich zu freuen. Sie merkte wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Goblin Slayer hingegen tat, als hätte er nichts Besonderes gesagt und fuhr einfach fort:​
»Es dürften nicht mehr viele sein. Mit dem Hob vielleicht noch zwei oder drei.«​
»E... Ein Hob?«, fragte die Priesterin verwundert.​
»Hier gibt es keine Totems.«​
Als wäre das Erklärung genug gewesen, hielt er ihr den Wasserbeutel hin und sagte:​
»Trink du auch.«​
»Ah ... Ja ...«​
Vorsichtig nahm sie ihn an sich und fuhr sich mit einem ihrer zarten Finger über die Lippen. Irgendwie fühlte sie, wie ihr Herz schneller klopfte, als sie den Wasserbeutel zu ihrem Mund führte, aber Goblin Slayer bekam davon nichts mit. Er war dabei, das Blut auf dem Dolch an der Rüstung eines Goblins abzuwischen. Anschließend steckte er diesen dann wieder in den Gürtel. Danach ging er zu dem Schwert, das noch in dem Kopf des Goblins steckte. Wahrend er den Kopf mit seinem Fuß fixierte, zog er das Schwert heraus. Er wischte das Blut und die Hirnreste von der Klinge und steckte sie zurück in ihre Scheide. Abschließend kontrollierte er, ob seine Rüstung richtig saß und drehte sich wieder der Priesterin zu.​
»Bist du bereit?«​
»Ja!«​
»Dann mal los.«​
Ein Hobgoblin und zwei oder drei Goblins. Was mit ihnen danach geschah, muss nicht lange erzählt werden. Die entführten Mädchen waren überraschenderweise noch am Leben, doch ob sie das, was ihnen widerfahren war, jemals würden überwinden können, wusste selbst die Priesterin nicht.​
***
»Wenn er wenigstens ordentlich mit einem reden würde!«, sagte die Elfe und schlug mit ihrem Krug mehrfach auf den Tisch.​
»Ach so? Ist das so? Goblin dies, Goblin das!«​
Ihre Augen wackelten aufgeregt auf und ab, ihre normalerweise weiße Haut war gerötet, die sonst klaren Augen waren leicht verdreht und sie verhielt sich für eine Hochelfe höchst ungehobelt. All diese Anzeichen deuteten darauf hin, dass sie betrunken war. Es war am frühen Abend und die Schänke der Gilde war gut belebt. Die meisten Gäste waren Abenteurer, die ihre Aufträge erledigt hatten und sich bei Essen und Trinken entspannten. Unter all diesen ausgelassenen Gesellen fiel die aufbrausende Elfe nicht sonderlich auf, aber das hieß natürlich trotzdem nicht, dass sie den Alkohol sonderlich gut vertrug.​
Der Speerkämpfer, der am Tisch der Elfe saß, nahm einen Schluck Bier aus seinem großen Krug und antwortete ihr:​
»Der war doch schon immer so.«​
»Wenn ich frage: Hast du Zeit? und er antwortet mit: „Goblins“, ist das verständlich, er ist halt Orcbolg.«​
Mit einem Wrumms schlug sie den Krug so hart auf den Tisch, dass sein Inhalt über den Tisch schwappte.​
»Aber normalerweise fragt man doch dann auch nach Hilfe, oder?«​
»Hast du etwa einen Korb kassiert?«, fragte der Speerkämpfer trocken und zog eine Schale mit Nüssen zu sich.​
»Ich hab gar nichts kassiert!«, schrie die Elfe und schwang ihren Krug nach dem Speerkämpfer, der schnell seinen Kopf einzog.​
»Warum denkt ihr Menschen eigentlich immer nur ans Eine?!«​
»Wollen wir es einfach einen Abenteurerkorb nennen, Spitzohr?«​
»Halt den Rand, Zwerg!«, keifte die Elfe und schwang ihren Krug jetzt nach ihm.​
Fröhlich strich der Zwerg sich durch den Bart, während der Krug über ihn hinweg rauschte.​
»Bei Bartschneider solltest du nicht darauf warten, dass er dich nach Hilfe fragt, sondern sie ihm einfach anbieten.«​
»Wieso sollte ich mich denn so bei ihm anbiedern! Das klingt doch so, als würde ich ihm unbedingt helfen wollen!«​
»Ist es denn nicht so?«​
»Natürlich nicht! Immer geht es nur um diese dreckigen Goblins! Er macht meine Kleidung schmutzig und zeigt mir nicht mal seine Ausrüstung! Mann!«​
Leicht genervt von dem Verhalten seiner Kameradin schüttelte der Zwerg seinen Kopf und murmelte:​
»Also wirklich. Von einem Becher Traubenwein so betrunken zu werden. Zumindest kommt sie billig weg.«​
»Manchmal darf man auch über die Stränge schlagen«, meldete sich der Echsenmensch, der freudig an einem Klumpen Käse knabberte.​
Eigentlich bot er Fremden einen bedrohlichen Anblick, aber in diesem Moment sah er aus wie ein wirklich witziger Genosse.​
»Was für ein Schmaus! Wenn alle so leckeres Essen und einen Schlafplatz hätten, würde es keine Kriege mehr geben.«​
»Und natürlich Alkohol. Aber dann streiten wir uns, was wir zum Knabbern bestellen«, stimmte der Zwerg zu.​
»Wenn das alles nur wirklich so einfach wäre ... Der werte Goblintöter ist mit der Priesterin unterwegs, da machen sich einige bestimmt Sorgen.«​
»Du hast ... viele Rivalinnen ... oder?«, sagte die Hexe mit einem zweideutigen Lächeln zur Gilden Angestellten.​
»Ich habe keine Ahnung, wovon sie sprechen«, erwiderte diese und kicherte nervös.​
Sie hatte ihre Schicht bereits beendet, trug aber immer noch ihre Uniform. Sie war in die Schänke gekommen, um einen Feierabend-Absacker zu trinken.​
»Oh, so gelassen?«​
»So ist es nicht«, sagte die Gilden Angestellte und spielte mit dem Krug in ihren Händen, »ich warte nur auf die richtige Gelegenheit.«​
»Und wie lange schon? Fünf Jahre?«​
Da die Gilden Angestellte nicht wusste, was sie darauf antworten sollte, trank sie lieber einen Schluck. Sie war vor fünf Jahren in diese Stadt gekommen und für Goblin Slayer zuständig. Tagein und tagaus sah sie zu, wie er die Gilde verließ und wieder zurückkehrte. Sonst war nie etwas Besonderes passiert ... Fünf lange Jahre lang ...
Sie schielte zum Speerkämpfer hinüber und dachte sich: In gewisser Weise kann ich seine Erwartungen schon verstehen. Er sah gut aus, war fröhlich, gesprächig, verdiente gutes Geld und war eigentlich kein schlechter Mann. Allerdings war sie einfach nicht in ihn verliebt. Und nur weil er sich in sie verguckt hatte, musste sie ja nicht gleich darauf anspringen. Aber sieht die Hexe mich nicht vielleicht als Rivalin in der Liebe? Als hätte sie gemerkt, dass die Gilden Angestellte gerade über sie nachdachte, lächelte die Hexe und sagte:​
»Du hast ... es nicht ... leicht ... was?«​
»Ich glaube, das gilt für uns beide«, antwortete die Gilden Angestellte und lächelte zurück.​
Der Speerkämpfer bemerkte das Verhalten der beiden nicht und warf in die Runde:​
»Obwohl der Dämonenfürst besiegt wurde, gibt es immer noch viele Aufträge mit Dämonen. Warum ist das wohl so?«​
Die Gilden Angestellte war froh, über etwas anderes reden zu können und sprang direkt auf das Thema an:​
»Ich habe gehört, dass die Heldin einige seine Untertanen laufen lassen hat.« »Wahrscheinlich wissen sie jetzt nicht, wo sie ohne ihren Anführer hin sollen«, meinte der Speerkämpfer und warf sich eine Handvoll Nüsse in den Mund.​
»Dämonen haben es auch nicht leicht.«​
»Wer weiß, was die jetzt anstellen. Sie werden bestimmt keinen ehrenwerten Tätigkeiten nachgehen.«​
Der Echsenmensch legte mit einer seltsamen Bewegung die Hände zusammen und verbeugte sich tief vor dem Speerkämpfer.​
»Vielen Dank noch mal für deine Hilfe. Ohne Goblin Slayer und seine Begleitung fehlte es uns dreien ein wenig an Kampfkraft.«​
»Was denn? Ich lehne doch keinen Auftrag ab.«​
Der Speerkämpfer winkte beschwichtigend mit der Hand.​
»Und zur Abwechslung ist so ein Date auch nicht übel.«​
Die Elfe, der Zwerg und der Echsenmensch hatten mit dem Speerkämpfer und der Hexe einen Auftrag erledigt, in dem es darum ging, einen Dämon in Menschengestalt zu erledigen. Da es nicht zu erwarten gewesen war, dass Goblins auftauchen würden, hatte Goblin Slayer gleich abgelehnt und die Priesterin hatte es ihm gleichgetan. Da die Elfe den Auftrag aber bereits angenommen hatte, musste sie sich um andere Abenteurer kümmern, die ihr, dem Zwerg und dem Echsenmenschen bei dem Auftrag helfen würden. Zu ihrem Glück hatten der Speerkämpfer und die Hexe direkt zugesagt. Zusammen machte sich die Gruppe dann in eine andere Stadt auf, um dort eine Sekte zu untersuchen, die angeblich mit dem Dämonen zu tun haben sollte. Sie stießen auf viele Beweise: Entführungen, Drogenhandel, Diebstahl und Erpressung. Als sie schließlich herausfanden, dass die Sekte ein Heiligtum aus einem Tempel entwendet hatte, entschieden sie sich, zu handeln. Sie stürmten das Hauptquartier der fanatischen religiösen Gruppe und unterbrachen dabei eine dunkle Zeremonie. Gerade als sie die Anführer umzingelt hatten ...​
Uhhhh ... ! AKAATERRRAAAABBBBB!!!!
. . . zeigte der stellvertretende Sektenführer sein wahres dämonisches Gesicht. Er stürzte sich auf die Abenteurer und verstrickte sie in ein heftiges Gefecht.​
»Mein Pfeil hat dem Dämon den Todesstoß versetzt!«, prahlte die Elfe.​
»Ja, das habe ich so im Bericht notiert«, versuchte die Gilden Angestellte die betrunkene Waldläuferin zu beschwichtigen, doch diese war bereits dabei, mit wilden Bewegungen den Kampf nachzustellen.​
Die Gilden Angestellte beobachtete sie dabei und fragte besorgt:​
»Sollten Sie nicht etwas weniger trinken?«​
»Alles gut. Kein Problem. Traubenwein ist für mich wie Wasser.«​
Tja, ein Kater ist auch eine Erfahrung, dachte sich die Gilden Angestellte und entschied sich, die Elfe später auf ihr Zimmer zu bringen. Als sie selbst einen weiteren Schluck Traubenwein trank musste sie an die Worte der Hexe denken. Ob es wohl stimmt, dass ich viele Rivalinnen habe? Verglichen mit der Priesterin, die Goblin Slayer auf Abenteuer begleiten konnte, war sie tatsächlich im Nachteil. Aber war das nicht zu einfach gedacht? Sie wusste, dass sie etwas tun musste . Sie musste zum Angriff übergehen. Denn wenn sie es nicht täte, dann könnte ihr jemand anderes zuvorkommen. Aber den ersten Schritt zu machen macht mir ganz schön Angst ... Die Gilden Angestellte sah aus den Augenwinkeln, wie der Speerkämpfer versuchte, sie anzusprechen, aber von der Hexe zurückgehalten wurde. Ihr entglitt ein Seufzer, als sich die Schwingtür des Haupteingangs quietschend öffnete.​
Mit lauten, stapfenden Schritten betrat ein Abenteurer die Gilde. Die Elfe erkannte sofort, wessen Schritte es waren und sprang wie ein wildes Häschen auf. Es war Goblin Slayer.​
»Ich kümmere mich um den Papierkram. Ruh dich aus«, sagte er zu der Priesterin, die nach ihm die Gilde betrat.​
Sie war sichtlich erschöpft und konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Ihr Kopf schwankte mit jedem Schritt von links nach rechts und immer wieder fielen ihr die Augen zu. Das Wirken von Wundern war nicht weniger anstrengend als die Auseinandersetzung mit dem Feind im Nahkampf und ihr Zustand zeigte, dass sie bis an ihre Grenzen gegangen sein musste.​
»Ja... Ähm ... Gute Nacht, Goblin Slayer«, antwortete sie und kletterte schweigend die Treppe nach oben, um zu ihrem Zimmer zu gelangen.​
Nachdem er sichergestellt hatte, dass sie trotz ihres unsicheren Schrittes das obere Stockwerk erreicht hatte, ging Goblin Slayer schnurstracks auf die Anmeldung zu.​
»Hey! Orcbolg! Hier drüben!«, stoppte ihn eine bekannte Stimme.​
Er drehte sich um und erkannte, dass es die Elfe war, die zusammen mit ein paar anderen bekannten Gesichtern an einem Tisch saß. Goblin Slayer trat an den Tisch heran und fragte:​
»Was denn?«​
Der Zwerg und der Echsenmensch zuckten zur Antwort einfach nur mit den Schultern, aber die betrunkene Elfe trieb seine Art sofort zur Weißglut. Sie schlug mehrfach auf den Tisch und schrie:​
»Was heißt hier Was denn?! Sag uns doch wenigstens Hallo!«​
»Ach, das meinst du.«​
»Ja! Das meine ich!«​
Die Gilden Angestellte nutzte die Zeit, in der die Elfe mit Goblin Slayer schimpfte, um einen Stuhl weiter zu rutschen und so Platz für den Krieger zu machen, denn sie wollte, dass er neben ihr sitzt. Mit einem Lächeln sprach sie ihn an:​
»Goblin Slayer, Sie sind bestimmt erschöpft. Hier ist ein Platz frei. Setzten Sie sich doch.«​
Goblin Slayer nickte und setzte sich neben die Gilden Angestellte.​
»Ich möchte gern Bericht erstatten, aber du hast schon Feierabend, nicht wahr?«​
»Es ist schon okay. Sie geben ja sonst auch immer Ihren Bericht bei mir ab.«​
»Hm.«​
Goblin Slayer legte die Arme übereinander und dachte kurz nach.​
»Also, dort waren Goblins.«​
»Was denn sonst?! Erzähl mal lieber, ob du heute mehr geleistet hast als ich!«, mischte sich der Speerkämpfer ein.​
Goblin Slayer dachte erneut etwas nach, bevor er antwortete:​
»Wir haben fünfzehn getötet.«​
»Nur so wenige? Hast du nichts Aufregenderes?«​
»Da es ... um Goblin Slayer ... geht ... wahrscheinlich nicht?«, vermutete die Hexe.​
»Ja, wir reden hier schließlich von Bartschneider«, murmelte der Zwerg.​
Als würden ihn die Aussagen der anderen nicht interessieren, setzte Goblin Slayer seinen Bericht fort:​
»Sie waren erstaunlich gut ausgerüstet und die entführten Mädchen waren überraschenderweise noch am Leben.«​
»Oh ... Das ist gut, wenn auch etwas seltsam.«​
Sie arbeitete nun schon fünf Jahre in dieser Zweigstelle der Gilde und es war äußerst selten, dass entführte Mädchen so lange in den Fängen von Goblins überlebten.​
»Wollten sie sie fressen? Oder wollte ein höherer Goblin sie als Geiseln benutzen?«​
»Es ist sowieso seltsam, dass Goblins eine Mine angreifen«, überging Goblin Slayer ihre Fragen.​
»Das stimmt allerdings. Sie hatten es also nicht auf Nahrung abgesehen. Hm ...«​
Wahrscheinlich war der Grund dafür, dass der Krieger seine Berichte am liebsten bei der Gilden Angestellten abgab, dass sie mittlerweile relativ viel über Goblins wusste. Nachdenklich legte sie eine Fingerspitze an ihre Lippen. Sie hörte, wie der Speerkämpfer von der Seite rief​
»Soll ich etwa auch mehr über Goblins lernen?!«, tat es aber einfach als Hintergrundrauschen ab.​
In acht oder neun von zehn Fällen war das eigentliche Ziel der Goblins, Mädchen zu entführen. Sie wollten sie als Sexobjekte missbrauchen und ihre Wut an ihnen auslassen, was die meisten der Mädchen das Leben kostete. Deshalb war es eigentlich eine gute Nachricht, dass sie überlebt hatten, aber irgendwie kam es der Gilden Angestellten komisch vor. Goblin Slayer schien es ähnlich zu gehen, aber er entschloss sich, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war, um weiter über die Motive der Goblins zu diskutieren.​
»Ich werde später einen detaillierten Bericht abgeben. Bitte lies ihn dir durch.«​
»Ja, ich werde ihn mir gleich morgen früh anschauen.«​
»In Ordnung.«​
»Hier ist gar nichts in Ordnung«, mischte sich die Elfe mit wütender Stimme ein. Sie lag auf dem Tisch und fixierte Goblin Slayer mit funkelnden Augen. »Was ist mit der Begrüßung deiner Freunde? Eigentlich solltest du erst einmal mit uns reden, bevor du deinen Bericht erstattest!«​
Goblin Slayer schüttelte den Kopf.​
»Du siehst mich doch, also besteht kein Bedarf.«​
»Natürlich besteht der! Schließlich haben wir uns alle Sorgen gemacht.«​
»Ist das so? Ich werde mich bessern.«​
»Dann ist gut«, antwortete die Elfe triumphierend und begann zu grinsen. Sie wackelte mit ihren Ohren und auch wenn sie immer behauptete, mit 2.000 Jahren bereits erwachsen zu sein, wirkte sie gerade eher wie ein Kind. Würden ihre Vorfahren sie so sehen, dann wären sie sicherlich enttäuscht, dachte der Zwerg, verkniff sich aber einen Kommentar.​
Die Gilden Angestellte nutzte die Gesprächspause und fasste sich ein Herz. Sie lehnte sich nach vorne und legte eine Hand auf Goblin Slayers Knie. Mit ernstem Gesichtsausdruck fragte sie:​
»Sagen Sie mal, Goblin Slayer. übermorgen ist doch das Erntefest.«​
»Ja, und?«​
»Haben Sie da vielleicht Zeit?«​
Auf einen Schlag veränderte sich die Stimmung im Raum. Nicht nur die Personen am Tisch, sondern auch der Rest der Abenteurer in der Schenke spitze seine Ohren.​
Der Speerkämpfer wollte sich so schnell wie möglich einmischen, doch die Hexe wirkte „Stille“, auf ihn. Die Elfe riss ihre Augen weit auf, doch schaffte es aufgrund des vielen Alkohols nicht, einen vollständigen Satz zu formulieren.​
»Goblins?«, fragte Goblin Slayer als sei es die natürlichste Frage der Welt.​
Blitzschnell antwortete die Gilden Angestellte:​
»Nicht wegen Goblins.«​
»Hmpf ...« Goblin Slayer senkte nachdenklich den Kopf. Die Abenteurer beobachteten aufgeregt das Geschehen.​
»Ich glaube, dass ich Zeit habe.«​
»I... Ich habe an dem Nachmittag frei!«, erzählte die Gilden Angestellte aufgeregt.​
Sie wusste, dass die Zeit für den entscheidenden Schlag gekommen war. Sie hatte lange genug gezögert, aber jetzt gab es kein Zurück. Angetrieben vom Alkohol brachte sie stotternd den nächsten Satz über die Lippen:​
»We... Wenn Sie möchten, kö... könnten wir gemeinsam über das Fest gehen.«​
»...«​
»N... Nun ja ... Während so eines Fests ist doch immer viel los, oder?«​
»...«​
Die Zeit, die Goblin Slayer sich nahm bevor er antwortete, kam der Gilden Angestellten endlos vor. Sie begann, nervös mit ihrem Zopf zu spielen. Gerade als sie anfing, sich Sorgen darüber zu machen, ob er vielleicht ihren Herzschlag hören könne, antwortete er:​
»In Ordnung. Schließlich bist du mir immer eine große Hilfe.«​
»Äh ... J ... Ja!«​
Die Gilden Angestellte verbeugte sich instinktiv und ihr Zopf hüpfte dabei durch die Luft. Sie dachte kurz darüber nach, warum sie das gemacht hatte, aber entschied sich dann, sich lieber auf die Freude, die sie gerade verspürte, zu konzentrieren.​
»St... Stimmt. Goblin Slayer, wollen Sie etwas essen?«​
Goblin Slayer schüttelte verträumt den Kopf und stand von seinem Stuhl auf. »Nein, danke. Ich gehe nach Hause.«​
»A... Ach so ...«​
Die Gilden Angestellte war zwar etwas enttäuscht, aber solch eine Antwort war von ihm zu erwarten gewesen.​
»Ähm, dann ...«​
»Am Tag des Erntefests mittags auf dem Platz. Ist das in Ordnung?«​
»Ja!«​
»Verstanden.«​
Goblin Slayer nickte kurz und schwenkte seinen Blick über seine Kameraden. »Was macht ihr an dem Tag?«​
Der Echsenmensch und der Zwerg waren von der sozialen Inkompetenz ihres Kameraden schockiert. Sie wussten nicht, wieso er nicht verstand, dass die Gilden Angestellte allein mit ihm über das Fest gehen wollte. Sie wussten, was sie jetzt zu tun hatten.​
»Ich werde mit dem Zwerg über alle möglichen Köstlichkeiten herfallen.«​
»Genau. Ich wollte mit dem Schuppigen sowieso mal um die Wette trinken.« Der Zwerg schlug sich laut auf den Bauch und stupste die Elfe an.​
»Langohr, du kommst doch mit, oder?«​
»Häää?«, erwiderte die Waldläuferin genervt.​
»Komm schon. Ich gebe dir auch einen aus.«​
»Okay! Dann komme ich mit!«​
»Ich verstehe«, sagte Goblin Slayer.​
»Dann gehe ich jetzt.«​
Ohne sich richtig zu verabschieden ging der Krieger kurz zur Anmeldung und verließ dann das Gebäude.​
»Gut gemacht«, lobte der Echsenmensch die Gilden Angestellte.​
»Ein wirklich hervorragender Zug.«​
»Ha ha ... Zum Glück hat es geklappt ...«​
Die Hexe strich dem Speerkämpfer, der wie ein Häufchen Elend auf dem Tisch zusammengesackt war, über die Haare. Ein paar tröstende Worte konnte sie sich nicht verkneifen.​
»Stimmt... Du hast dich ... sehr ... angestrengt.«​
»Echt gute Leistung. Besonders bei jemandem wie Bartschneider.«​
Grinsend wandte der Zwerg sich der Elfe zu.​
»Das Bügelbrett hier kann bestimmt was von dir lernen.«​
»Du nervst echt«, kam eine schwerfällige Antwort von ihr.​
Sie wirkte niedergeschlagen und starrte den Zwerg mit halb geöffneten Augen an.​
»Ich will den Idioten nur auf ein Abenteuer mitnehmen. Das ist nicht das Gleiche.«​
»Das ist dir aber missglückt!« »Urgh ...«​
»Ach, komm. Trink. Trink.«​
Die Gilden Angestellte fühlte sich, als müsste sie sich entschuldigen und sagte zur Elfe:​
»Ä... Ähm, also ... Es tut mir leid.«​
»Ist schon gut. Ich habe doch eben schon gesagt, dass es wirklich nicht so ist ... Aber sag mal ...«​
»Ja?«​
»Darf ich auch deine Masche bei ihm versuchen?«​
Nachdem Goblin Slayer die Gilde verlassen hatte, stieg ihm ein süßer Duft in die Nase. Während er sich noch Gedanken darüber machte, wo der Geruch wohl hergekommen war, verschwand er. Die Nächte wurden in der letzten Zeit immer kühler und ließen damit die Hitze des Sommers wie einen Traum erscheinen. Der Herbst war gekommen, doch für Goblin Slayer hieß das nur, dass die Goblins jetzt wieder häufiger Dörfer angreifen würden, um ihre Ernten zu erbeuten. Der Krieger schaute sich kurz in der Stadt um, aber es war kaum jemand auf den Straßen zu sehen. Auch wenn er nicht auf einem Abenteuer unterwegs war, blieb er stets wachsam. Niemand konnte ihm versichern, dass sich keine Goblins unbemerkt in die Stadt geschlichen hatten und jetzt in dunklen Ecken darauf warteten, die Bewohner zu überfallen.​
»Oh, da bist du ja.«​
Jeder andere hätte sich wahrscheinlich bei so einer plötzlichen Ansprache von hinten erschrocken, aber nicht Goblin Slayer. Er drehte sich zu der vertrauten Stimme um und sagte:​
»Was denn? Bist du mich abholen gekommen?«​
»Ich würde diese Frage gerne bejahen, aber eigentlich bin ich nur zufällig wegen der Arbeit hier«, antwortete die Kuhhirtin mit einem strahlenden Lächeln.​
Ach so. Eine Lieferung?«​
»Nein.«​
Das Mädchen schüttelte den Kopf.​
»Ein Handel. Es ging um Geld, aber mein Onkel wollte, dass ich mich darum kümmere.«​
»Na dann ... Wollen wir los?«​
»Ja, lass uns nach Hause gehen.«​
Seite an Seite folgten die beiden dem gepflasterten Weg zum Stadttor:​
»Ah ...«​
Erneut trug der Wind das süße Aroma herbei, das Goblin Slayer bereits beim Verlassen der Gilde gerochen hatte, aber auch diesmal konnte er es beim besten Willen nicht zuordnen.​
Als die Kuhhirtin sah, wie ihr Kindheitsfreund ein vorbeifliegendes goldenes Blütenblatt mit seinem Blick verfolgte, zeigte sie auf einen Baum und erklärte: »Dieser süße Duft kommt von der Goldenen Duftblüte.​
Dort drüben steht eine. Wer hätte gedacht, dass sie schon blühen.«​
Dieser Geruch kam also von den Blüten eines Baums, dachte sich Goblin Slayer. Dankend nickte er der Kuhhirtin zu. Kurz betrachtete er den Baum mit seinen goldenen Blüten, die im Kontrast zum kalten Mondlicht seltsam warm wirkten. Als er dann weitergehen wollte, spürte er, wie etwas Warmes seine linke Hand umschloss. Die Kuhhirtin hielt seine Hand in ihren Händen und schaute mit leicht gerötetem Gesicht beschämt zur Seite.​
»Es ist gefährlich, beim Gehen in den Himmel zu schauen ... Vor allem jetzt wenn es dunkel ist.«​
»Willst du das nicht?«​
Um herauszufinden, was Goblin Slayers Schweigen zu bedeuten hatte, versuchte sie, durch die Schlitze seines Helms einen Blick auf sein Gesicht zu erhaschen. Langsam schüttelte er den Kopf.​
»Doch ...«, sagte Goblin Slayer schließlich.​
Freudestrahlend begann die Kuhhirtin weiterzugehen, ließ aber Goblin Slayers Hand dabei nicht los. Nach einigen Metern schielte sie zu ihm nach oben.​
»Aber da fällt mir was ein.«​
»Was denn?«​
»Weißt du, was die Blüten der Goldenen Duftblüte in der Blumensprache bedeuten?«​
»Blumensprache?« Goblin Slayer hatte dieses Wort noch nie gehört.​
»Nein, weiß ich nicht.«​
»Dann solltest du es vielleicht mal herausfinden«, antwortete die Kuhhirtin in neckischem Ton.​
Kichernd hob sie ihren Zeigefinger und schüttelte ihn leicht.​
»Also ich finde, dass die Blüten gut zu dir passen.«​
»Ich werde es mir merken.«​
Jetzt, wo sie das Eis gebrochen hatte, war die Kuhhirtin sich unsicher, ob sie ihm die Frage stellen konnte, die ihr schon länger auf der Seele gebrannt hatte. Sie entschied sich dafür, es zu tun und holte tief Luft. »Das Fest ist doch bald. Genauer gesagt schon übermorgen.«​
»Das stimmt«, erwiderte Goblin Slayer langsam.​
»Ich wurde eingeladen.«​
»Hä ... Was?!«​
»Wieso?«​
»Äh, nein ... Von wem denn? Was ist passiert?«​
»Von der Gilden Angestellten. Du kennst sie, oder?«​
Der Kuhhirtin schnürte es den Hals zu, weshalb sie einfach nur nickte. Die Gilden Angestellte. Sie sah gut aus, wusste sich zu benehmen und arbeitete hart Sie war im wahrsten Sinne des Wortes eine erwachsene Frau.​
»Ich hatte keinen Grund abzulehnen. Ich wollte die anderen Mitglieder meiner Gruppe einladen, aber die hatten alle schon was vor.«​
Die Kuhhirtin blieb ungewollt stehen.​
»Was hast du?«​
»Ha ha ha ...«​
Sie strich sich mit ihrer freien Hand durch die Haare. Oh nein ... Mir ist jemand zuvorgekommen ...​
»Was ist?«​
»Nein ... Es ist gar nichts.« Die Kuhhirtin schüttelte langsam den Kopf. Es würde schon nichts Schlimmes passieren.​
»Ich wollte dich eigentlich auch fragen, ob du mit mir auf das Fest gehen willst.«​
»Ist das so?«​
»Ja«, antwortete sie und nickte.​
Nachdem die beiden das Tor der Stadt durchquert hatten, wurde aus dem Weg aus Pflastersteinen ein einfacher Pfad aus Erde. Im Frühling wuchsen am Wegrand Gänseblümchen, aber da der Winter immer näherkam, spross dort nur noch Wiesengras. In der Ferne konnte man das Fiepen einzelner Insekten hören, aber es waren bereits viel weniger als noch vor einigen Wochen.​
»Sag mal.«​
»Was denn?«​
»Ab wann bist du denn verabredet?«​
»Ab Mittag.«​
Langsam konnte man in der Ferne schon die Lichter des Bauernhofes erkennen.​
»Ach so«, antwortete die Kuhhirtin und ballte ihre freie Hand vor ihrer Brust. »Könnte ich dich bitten, den Vormittag mit mir zu verbringen?«​
»Gerne.«​
»Wie?«​
Das Mädchen war sich sicher gewesen, dass er Nein sagen würde. Sie sah hoch zu Goblin Slayers Helm, konnte aber aufgrund der Dunkelheit der Nacht nichts erkennen. Eigentlich war seine Antwort eindeutig gewesen, aber trotzdem war die Kuhhirtin sich unsicher, ob sie vielleicht zu viel in seine Worte hineindeutete. Sie schluckte kurz und fragte mit zitternder Stimme: »Wi... Wirklich?«​
»Warum sollte ich denn lügen?«, antwortete er nüchtern.​
»A... Aber ... ist das in Ordnung?«​
»Warum fragst du mich, ob das in Ordnung ist? Du hast mich doch darum gebeten, oder?«​
»A... Also gehst du mir zum Fest ... ?«​
»Ja, kein Problem.«​
»Juhu!« Die Kuhhirtin sprang vor Freude in die Luft.​
»Dann ist es abgemacht! Morgens am Tag des Fests!«​
»Ja.«​
Goblin Slayer legte leicht verwirrt den Kopf zur Seite.​
»Ist das so eine freudige Angelegenheit?«​
»Aber klar doch! Es ist bereits zehn Jahre her, dass wir gemeinsam auf ein Fest gegangen sind!«​
»Ist das wirklich schon so lange her?«​
»Ja, das ist es.«​
»Dessen war ich mir nicht bewusst ...«​
Der Geruch des Eintopfs, den die Kuhhirtin vorbereitet hatte, bevor sie losgegangen war, um ihn abzuholen, lag bereits in der Luft.​

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Edward Teach

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Intermission X
Von einer überraschend anstrengenden Frau


»Meine Güte. Es ist schön, dass Ihr Euch in letzter Zeit mehr ausruht, aber könntet Ihr Euch nicht etwas zusammenreißen? Ihr macht nichts weiter als in Eurem Bett herum zurollen. Wie alt seid Ihr denn? Das gehört sich nicht!«​
»Bitte hört auf zu schmollen. Daran kann man doch nichts ändern. Ihr habt als Erzbischöfin eine wichtige Rolle zu erfüllen, oder nicht? Einfach zum Spaß könnt Ihr doch nicht zu einem Fest fahren.«​
»Die Überreste der finsteren Sekte, der mysteriöse Einsturz und viele andere Dinge ... Außerdem sind da noch die zwei mysteriösen Explosionen in der Nähe der Hauptstadt!«​
»Meine Güte ... Was ist bloß in letzter Zeit los mit Euch?«​
»Ja, aber genau deswegen brauchen wir jetzt die Kraft der Erzbischöfin. Also bitte reißt Euch am Riemen.«​
»Ja. Wascht Euer Gesicht und kämmt Euch die Haare. Schminkt Euch und nehmt Haltung an. Heute kommen sehr wichtige Gäste und dafür müsst ihr anständig aussehen.«​
»Der Abenteurer und seine Gruppe, die neulich hier waren, haben doch auch fleißig ihren Auftrag erledigt, oder? Es ist äußerst wichtig, dass man ernsthaft seine Aufgaben erfüllt ...«​
»Oh, Ihr könnt Euch ja doch zusammenreißen.«​
»Wenn Ihr Euch dafür interessiert könntet Ihr ihm doch einen Brief schreiben, oder? Ich werde gerne für Euch die Feder führen.«​
»Hier ist das nach alter Tradition duftende Papier und die Tinte.«​
»Ja, genau. Wenn man ein wenig Freude daran hat, kann man sich gleich wieder besser auf die Arbeit konzentrieren.«​
»Und die Gäste von heute ...«​
»Ja, die drei sind es.«​
»Jedenfalls findet doch dieses Fest statt, oder? Sie würden gerne ein Empfehlungsschreiben haben, weil sie sich dort das Werk der Erdmutter ansehen möchten.«​
»Ach, das geht doch nicht. Bitte schmollt nicht so sehr. Eure Schminke verläuft noch:«​
»Also wirklich! Ihr seid doch die ehrwürdige Jungfrau des Schwertes?«​


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Edward Teach

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Kapitel 36
Die Nacht vor dem Fest


Für Goblin Slayer begann der Tag früh. Er stand noch vor dem Morgengrauen auf, zog seine Ausrüstung an und überprüfte die Umgebung des Hofes. Das dämmerige Licht bot eine gute Übung, um seine Augen an die nahenden dunklen Wintertage zu gewöhnen. Mit seiner Waffe in der Hand schritt der Krieger das Hofgelände ab. Dabei ließ er seinen Blick über die Felder wandern und war jederzeit bereit einen, Goblin niederzustrecken, falls es plötzlich erforderlich bekäme.​
»Guten Morgen. Heute ist es aber kühl.«​
Goblin Slayer wusste sofort, dass es sich um die Kuhhirtin, seine Kindheitsfreundin, handelte. Als er sich umdrehte, sah er, wie sie sich - in nichts weiter als ein Laken gewickelt - aus dem Fenster lehnte. Natürlich ist ihr da kalt, dachte sich der Krieger.​
»Du erkältest dich noch«, antwortete er dem Mädchen mit emotionsloser Stimme.​
»Auch wenn ich nicht so aussehe Ich bin durchtrainiert. Also mach dir mal keine Sorgen. Ich werde das Frühstück sofort vorbereiten.«​
»Nein«, entgegnete Goblin Slayer nachdenklich.​
»Ich möchte zuerst etwas erledigen.«​
»Ach, ja?«​
»Kümmert euch nicht um mich und esst einfach. Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird.«​
»Ach so ... In Ordnung.«​
Die Kuhhirtin verzog die Lippen. Sie schient enttäuscht zu sein.​
»Stell bitte dein Geschirr ordentlich weg, wenn du fertig mit dem Essen bist.«​
»In Ordnung.«​
Mit einem kurzen Winken schloss das Mädchen das Fenster und zog sich ins Innere des Hauses zurück. Goblin Slayer wandte sich in Richtung des Schuppens. Dieser war ursprünglich ein kleines Hoflager gewesen, aber da er nicht mehr genutzt worden war, hatte der Krieger ihn zu seiner kleinen Werkstatt gemacht. Die Tür quietschte, als er sie aufdrückte und den Schuppen betrat. Auf dem Boden lagen allerlei Ausrüstungsgegenstände und Hilfsmittel, die er grob zur Seite schob und sich setzte. Er griff zu seinem Schwert, nahm es vom Gürtel und holte einen Wetzstein hervor. Goblin Slayer erkannte im düsteren Licht, dass das Schwert leicht verbogen war und sich bereits Rost auf der Klinge zu bilden begann. Der Krieger wusste, dass ein Schwert durch das Blut und Fett seiner Gegner immer stumpfer wurde und die meisten Klingen gerade so dazu geeignet waren, fünf Gegner mit ihnen zu erlegen. Es war wie bei einem Kochmesser. Jeder Koch musste seine Messer hegen und pflegen, damit sie länger hielten. Bei Schwertern war es nicht anders. Da er während seiner Kämpfe keinerlei Rücksicht auf seine Waffen nehmen konnte, hatte Goblin Slayer sich angewöhnt, sie eher als Verbrauchsgegenstand anzusehen. Nichtsdestotrotz war der Krieger stets darauf bedacht, seine Ausrüstung zu pflegen, wenn die Zeit es ihm erlaubte. Deshalb begann er jetzt sein Schwert auszubessern. Er entfernte den Rost, schlug die Krümmung heraus und schliff die Klinge.​
»Und weiter.«​
Nachdem er das Schwert weggepackt hatte, ging Goblin Slayer dazu über, seine Rüstung zu überprüfen. Da Schild, Rüstung und Helm noch relativ neu waren, verlangten sie heute wenig Pflege. Er begnügte sich damit, sie genau zu untersuchen und dann zu polieren. Danach wandte er sich seinen Stiefeln zu. Sie waren nichts Besonderes, aber für den Krieger waren sie ein genauso wichtiger Ausrüstungsgegenstand wie jeder andere. Sie ermöglichten es ihm nicht nur, sich in vielen unterschiedlichen Gegenden frei zu bewegen, sondern auch, Gegner wegzutreten oder zu zerquetschen. Er kontrollierte die Stollen und entfernte sie dann, um die Stiefel ordentlich putzen zu können. Anschließend überprüfte er die Schnürsenkel. Einer drohte zu reißen und wurde daher ausgetauscht. Als Nächstes waren die Socken an der Reihe, die nicht weniger wichtig waren. Sie saugten den Schweiß auf und verhinderten, dass sich während langer Märsche Blasen an den Füßen bildeten.​
Weil er ein Rhea war, hatte Goblin Slayers Meister nie Schuhe getragen. Rhea waren dafür bekannt, dass sie sich mit ihren Füßen nahezu lautlos bewegen konnten und nirgends ausrutschten. Der Krieger war stets neidisch auf diese Eigenschaft gewesen, aber da er nun mal ein Mensch war, besaß er diese Fähigkeit nicht.​
»Nun gut.«​
Goblin Slayer stand langsam auf. Er schaute sich um, ob irgendwas vom Regal gefallen war und sah den alten verrosteten Helm, den er früher getragen hatte. Er hob ihn auf und legte ihn zurück ins Regal. Als Nächstes sollte ich mich um das Feldwerkzeug kümmern, dachte Goblin Slayer und verließ den Schuppen.​
»Du bist aber fleißig ...«, begrüßte ihn der Hofbesitzer.Er stand neben dem Schuppen und rauchte eine Pfeife. Mit strenger Miene musterte er Goblin Slayer, der nickte und antwortete:​
»Guten Morgen.«​
»Morgen.«​
Die Stimme des Hofbesitzers klang nicht sonderlich erfreut.​
»Ich hab gehört, dass du versprochen hast, mit ihr zum Fest zu gehen.«​
»Ja.«​
»Soll ich jetzt anstelle ihres Vaters wütend auf dich werden?«, fragte der Hofbesitzer grummelig, begann aber zu grinsen, als sich Goblin Slayers und sein Blick trafen.Dann wurde er wieder ernst und fuhr sich verlegen durch sein schütteres Haar.​
»Ich weiß, dass ich es dir eigentlich nicht sagen muss, aber bitte spiel nicht mit ihren Gefühlen, ja?«​
»Ja.«​
»Du hast viele Frauen in deinem Umfeld ... Aber so wie ich dich kenne, nutzt du das nicht aus, oder?«​
»Ja.«​
»Ähm... Also ... Wie gesagt ... Denk bitte an ihre Gefühle .«​
»Ja.«​
»Wenn du es versteht, ist alles geklärt ...«​
Der Hofbesitzer hielt kurz inne und fuhr dann fort:​
»Verstehst du es denn wirklich?«​
»Ich glaube schon«, antwortete Goblin Slayer.​
»Aber sicher bin ich mir nicht.«​
»Was hast du denn jetzt noch vor?«​
»Ich wollte kurz das Werkzeug für die Felder sortieren und dann zum Einkaufen in die Stadt.«​
»Ach so ...«​
Der Hofbesitzer kaute auf dem Mundstück der Pfeife herum. Nach einer längeren Pause sagte er:​
»Wenn das so ist, dann iss zumindest Frühstück, bevor du losgehst.«​
»...«​
»Sie hat es extra zubereitet.«​
»Ja.«​
»Und mach auch mal frei. übertreib es nicht.«​
»Ja ...«, Goblin Slayer rang mit seinen Worten.​
»Aber ich weiß nie wirklich, was ich an freien Tagen machen soll.«​
Nachdem er sein Frühstück zu sich genommen hatte, räumte der Krieger wie versprochen sein Geschirr weg.​
* * *
Es war Unterwäsche. Nein, genauer gesagt war es Rüstung in Form von Unterwäsche. Eine mehrteilige Rüstung, die aus Bruststück, Handschuhen und einem Teil bestand, der nur das Nötigste im Schambereich schützte. Prinzipiell war es eine leichte Rüstung, die den Fokus auf Mobilität legte und wenn man die einzelnen Teile in die Hand nahm, merkte man, dass sie einwandfrei verarbeitet war. Problematisch war jedoch, dass sie gut wie gar nichts bedeckte und viele Teile des Körpers sichtbar - und somit ungeschützt - waren. Ein Treffer in den Bauch würde genügen, um dem Träger dieser Rüstung den Gar auszumachen und seine Eingeweide auf dem Boden zu verteilen. Auch ein Schwertstreich über den Rücken könnte bereits ausreichen, um jenen zu erledigen. überhaupt, war es nicht falsch so unbedeckt in die Schlacht zu ziehen und an vorderster Front zu kämpfen? Sollte man nicht lieber ein Kettenhemd und andere Rüstungsgegenstände darüber anziehen?​
»Nein, nein, nein, nein. Das geht doch nicht.«​
»Was denn?«​
»Wenn ich meine Haut verstecke, kann ich meine weiblichen Reize nicht zei ...«, antwortete die Ritterin und drehte sich zu der Gestalt neben ihr um.​
»Argh, Goblin Slayer?!«​
»Ganz genau«, antwortete der Krieger und nickte langsam.​
Die beiden Abenteurer befanden sich im Ausrüstungsladen der Gilde. Obwohl Goblin Slayer jedes Mal hierherkam, um sich neu auszurüsten, hatte er die Ritterin noch nie in dem Laden gesehen. Er war verwundert darüber, warum seine Kollegin, die sonst eigentlich schwere Rüstungsgegenstände trug, sich gerade eine leichte Rüstung anschaute.​
»Willst du etwa auf eine leichte Rüstung umsteigen?«​
»Nun ja ... Eigentlich nicht ...«​
Die Ritterin überlegte vorsichtig, wie sie Goblin Slayer antworten sollte.​
»Und überhaupt, wenn ich dich sehe, verliere ich jegliche Lust, Lederrüstung zu tragen.«​
»Ist das so?«​
Goblin Slayers Ausrüstung sah wie immer schäbig aus. Er trug eine verschmutze Lederrüstung mit einem Kettenhemd und auf dem Kopf einen billigen Eisenhelm. Natürlich war er damit perfekt für den Kampf gegen Goblins an dunklen und engen Orten ausgerüstet, aber der Ritterin missfiel sein Aussehen trotzdem.​
»Könntest du deine Rüstung nichts wenigstens mal ordentlich sauber machen und polieren? Zumindest um diese dunkelroten Flecken solltest du dich kümmern.«​
»Das ist gewollt«, erklärte Goblin Slayer gewöhnt nüchtern.​
»So können die Goblins meinen Geruch nicht erkennen.«​
»Deinen Körper wäscht du aber, ja?«​
»Ja. Sonst wird mit mir geschimpft.«​
Leicht verzweifelt schaute die Ritterin zur Decke des Raums. Sie wusste, dass sie in dieser Situation keinen himmlischen Beistand erhalten würde, aber diese Unterhaltungen mit Goblin Slayer waren für sie jedes Mal zum Haare raufen. Schnell wechselte sie das Thema:​
»Und was möchtest du diesmal kaufen?«​
»Pflöcke und zwei Seile. Dann noch Drahtseil und Holz. Außerdem habe ich einen Spaten anfertigen lassen.«​
»Wie bitte?«​
»Pflöcke und zwei Seile. Dann noch Drahtseil und Holz. Außerdem habe ich einen Spaten anfertigen lassen.«​
»Auf was für ein Abenteuer willst du denn gehen?«​
»Ich brauche es für kein Abenteuer.«​
Goblin Slayer schüttelte deutlich den Kopf.​
»Ich brauche es zum Goblins auslöschen.«​
»Hach«, stieß die Ritterin einen tiefen Seufzer aus.​
Goblin Slayer schaute währenddessen interessiert die leichte Rüstung an und fragte:​
»Sind das hier Teile einer Rüstung?«​
»Es sind nicht Teile einer Rüstung, sondern eine ganze Rüstung, von der die wichtigsten Teile fehlen«, erklärte die Ritterin.​
Man muss entweder verrückt oder als Kämpfer unheimlich begabt sein, um mit so einem Outfit in erster Reihe zu kämpfen. Vielleicht können Magierinnen, Diebe oder Priesterinnen sie anziehen, aber eigentlich tragen sie doch noch leichtere Ausrüstung, dachte Goblin Slayer. Er begriff nicht, warum jemand so eine Rüstung tragen würde. Die Ritterin merkte, wie Goblin Slayer sich den Kopf zerbrach und setzte ihre Erklärung zögernd fort:​
»Es ist so. Frauen, die auf Abenteuer gehen und ... ähm ... ja ... Solche Frauen haben eben nur wenige Auswahl an Partnern, die sie heiraten können.«​
»Ist das so?«​
Goblin Slayer erkannte, dass die Ritterin ganz rot im Gesicht geworden war, verstand aber den Grund nicht. Sowieso erschloss sich ihm nicht, was sie da redete. Die Ritterin war eine attraktive Frau. Sie hatte langes, blondes Haar, große Augen, eine ansprechende Gesichtsform und weiche, glatte Haut. In einem Kleid könnte sie glatt als Adelige durchgehen.​
»Ja, so ist das. Denk doch mal darüber nach. Die meisten männlichen Abenteurer kommen mit den Frauen zusammen, die sie gerettet haben. Manchmal sind sogar Prinzessinnen dabei.«​
»Das mag sein. Ich kenne mich mit so was nicht aus.«​
Der Krieger erinnerte sich daran, dass er als Kind solche Geschichten gehört hatte. Ein Ritter besiegt den Drachen und rettet die Prinzessin. Auf dem Rückweg zum Schloss lehnt er einen Teil des Königreichs, den er zum Dank erhalten soll, ab und geht lieber auf Reisen. In einem fernen, fernen Land trifft er dann auf eine andere Prinzessin, mit der er ein neues Königreich gründet.​
»Tja, dann wirst du wohl keine andere Wahl haben, als mir zu glauben.«​
»Gut, aber was hat das jetzt mit dieser Rüstung zu tun?«, fragt Goblin Slayer ungewohnt vorsichtig.​
Sichtlich genervt antwortet die Ritterin:​
»Was wird jetzt aus den weiblichen Abenteurern, die übrig bleiben?«​
»Hm? Sie können doch einfach einen anderen Kumpan aus der Gruppe heiraten.«​
»Ich kenne mehrere Gruppen, die sich wegen Liebesproblemen in die Haare gekriegt haben und sich auflösen mussten.«​
»Oh ... Das ist natürlich höchst unerfreulich ...«​
Goblin Slayer hatte bereits viele Gruppen mit hohem Frauenanteil gesehen, aber er hatte nie darüber nachgedacht, dass so etwas zum Problem werden könnte. Da in seiner jetzigen Gruppe auch zwei weibliche Mitglieder waren, war das Thema äußerst interessant für ihn.​
»Heißt das nicht, dass du rausgehen musst, um dir woanders einen Mann zu suchen?«​
Die Frage schien einen wunden Punkt getroffen zu haben, denn ihr Gesichtsausdruck wurde plötzlich ganz missmutig.​
»Glaubst du, dass Frauen, die Trolle und Drachen mit einem Streich besiegen können, besonders beliebt bei Männern sind?«​
»Etwa nicht?«​
»Was denkst du denn über solche Frauen?«​
»Die sind verlässlich.«​
»Nein ... So meine ich das nicht.«​
Die Ritterin seufzte tief.​
»Ich will mir niemanden von Außerhalb suchen ...«​
Obwohl sie sonst unerschütterlich war, zappelte sie und schaute nervös hin und her.​
»Um die Person zu kriegen, die ich will ... muss ich mich von meiner etwas weniger starken Seite zeigen.«​
»Ach so.«​
An diesem Punkt war auch endlich für Goblin Slayer der Groschen gefallen. Es ging um den Panzerkrieger in ihrer Gruppe.​
»Um den geht es also.«​
»Ja ...«​
Die Ritterin nickte leicht. Ihr Bewegungen wirkten wie die eines unschuldigen Mädchens. Weil sie sonst so kühn ist, dachte ich, dass sie älter wäre, aber kann es sein, dass sie noch recht jung ist?, dachte sich Goblin Slayer.​
»Aber du meintest doch gerade, dass Liebe unter den Mitgliedern einer Gruppe zu Problemen führen kann?«​
»Das muss man von Fall zu Fall unterscheiden!​
»Ist das so?«​
»Ja... Aber sag mal, Goblin Slayer.«​
Plötzlich wurde die Ritterin wieder hochrot im Gesicht.​
»Es ist unheimlich peinlich, dich das zu fragen, aber würde dieser Aufzug . . . ähm . . . nun ja ... seine Aufmerksamkeit auf mich ziehen?«​
»Wer gerade mir so eine Frage stellt, kann wirklich nicht ganz bei Sinnen sein.«​
»Urgh!«​
Vor diesem kritischen Treffer hatte auch ihre schwere Rüstung die Ritterin nicht schützen können.​
»Wenn du ihn mit einem Überraschungsangriff attackieren willst, solltest du deine Herangehensweise ändern.«​
»Wie meinst du das?«​
»Bei Goblins muss man sich immer neue Strategien überlegen.«​
»Ich rede hier aber nicht über das Vertreiben von Goblins«, antwortete die Ritterin ein wenig entnervt.​
Goblin Slayer verschränkte die Arme und dachte nach, bevor er fortfuhr.​
»Du trägst doch normalerweise immer nur Rüstung. Ist es da nicht bereits Überraschung genug, wenn du einfach nur normale Kleidung anziehst?«​
»Ja, okay ... Normale Kleidung ... Ich werde darüber nachdenken.«​
»Na dann.«​
»Entschuldige bitte, dass ich dich so etwas Komisches gefragt habe.«​
»Kein Problem.«​
Goblin Slayer schüttelte den Kopf.​
»Wir sind doch Kollegen.«​
Die Ritterin war überrascht von der Aussage des Kriegers. Statt zu antworten, starrte sie eine Weile seinen billigen Eisenhelm an.​
»Habe ich irgendetwas Falsches gesagt?«, fragte Goblin Slayer.​
»Nein, aber du bist ein komischer Kauz.«​
»Ist das so?«​
»Komisch, aber gar nicht so schlecht. Danke.«​
Mit einem Lächeln auf ihrem Gesicht drehte die Ritterin sich um und ging. Goblin Slayer blieb wortlos zurück.​
* * *
»Ha ha ha ... Du bist ja ganz schön beliebt«, schallte hinter Goblin Slayer die kehlige Stimme des Schmieds.​
Er hatte einen prächtigen Bart, der dem eines Zwerges in nichts nachstand. Der Krieger ignorierte die Aussage, drehte sich um und ging auf den alten Mann zu.​
»Ich habe eine Bestellung. Pflöcke und ...«​
»Ja, ja ... Ich habe das vorhin schon gehört. Das kriegen wir hin. Hey, Junge! Bring den Kram!«​
»Jawohl!«​
Auf den ruppigen Zuruf seines Lehrmeisters flitzte der Lehrling der Schmiede los und legte Pflöcke, Draht und auch die anderen Dinge auf den Tresen.​
»Danke«, sagte Goblin Slayer und überprüfte die Ware.​
Dann befestigte er alles an seiner neuen Schaufel, die er sich über die Schulter legte. Als Nächstes zog er seinen Geldbeutel aus der Tasche und legte einige Geldstücke auf den Tresen, die der Alte gleich überprüfte. Während er die Münzen mit zusammengekniffenen Augen begutachtete, fragte er:​
»Es hat echt fünf Jahre gedauert, bis ihr beiden euch ein wenig aneinander gewöhnt habt, was?«​
»Ist das so?«, entgegnete der Krieger.​
»Ja, genau.«​
»Ach so.«​
»Also wirklich ... Als du als fünfzehnjähriger Bursche herkamst und deine billige Ausrüstung gekauft hast, dachte ich eigentlich, dass ich dich nie wiedersehen würde.«​
Der Schmied zog ein Gesicht, als würde er sich an einen unangenehmen Verwandten erinnern.​
»Ich musste an die Kosten denken und daher war das die beste Vorgehensweise.«​
»Zuerst dachte ich, dass du einfach nur kein Geld hast und auf Dinge sparen würdest, aber du kaufst nach wie vor nur schäbige Ausrüstung. Wie wäre es mal mit einer etwas besseren Klinge?«​
Goblin Slayer antwortete nicht darauf. Für ihn gab es keine bessere Ausrüstung, um Goblins zu bekämpfen. Würde es irgendwo in dieser Welt eine magische Klinge zum Töten von Goblins geben, würde er sie wahrscheinlich nicht verwenden.​
»Na, egal.«​
Der Schmied merkte, dass Goblin Slayer keine Lust hatte, darüber zu diskutieren und wechselte das Thema.​
»Brauchst du noch etwas anderes? Ich hätte da etwas Besonderes für dich.«​
»Was denn?«​
»Südländische Wurfmesser.«​
»Oho«, entglitt es Goblin Slayer.​
»Na, hast du Interesse?«​
Ein verwegenes Lächeln machte sich auf dem Gesicht des Alten breit und er drehte sich um, ohne auf eine Antwort zu warten. Er nahm die seltsam geformten Messer, die im Regal auslagen, und legte sie auf den Tresen. Die mysteriösen Waffen waren kurz und dolchartig. Aus ihren Griffen entsprangen jeweils drei Klingen, die auf sonderbare Art gebogen waren.​
»Ich habe ein wenig herumgebastelt. Was denkst du?«​
Goblin Slayer hob eine der Waffen auf, wog sie kurz in der Hand und schwang sie dann ein, zwei Mal durch die Luft.​
»Goblins könnten die zwar aufsammeln, aber sicherlich nicht reproduzieren.«​
»Natürlich können sie das nicht. Es ist ja auch mein Handwerk.«​
»Was sind die Vorteile dieser Waffe?«​
Der Schmied runzelte die Stirn und antwortete:​
»Sie sehen nicht so aus, aber es sind eigentlich Schwerter. Die Spitzen der drei Klingen sorgen dafür, dass sich das ganze Ding im Flug dreht, was sie wiederum weiter fliegen lässt. Durch den Schaden, die sie anrichten, sind es eher Schneid- als Stichwaffen.«​
»So ähnlich wie die Wurfmesser aus dem fernen Osten?«​
»Quatsch! Das sind doch Stichwaffen! Außerdem sind die nichts im Vergleich zu den Dingern hier!«​
»Ich verstehe.« Goblin Slayer schaute sich die Waffen noch einmal genau an. Es würde ihm nicht schaden, wenn er eine davon dabei hätte.​
»Ich nehme eins davon.«​
»Vielen Dank. Das macht fünf Goldstücke ... Nein, du kriegst sie für vier.«​
Es war ein stolzer Pries für ein Wurfmesser, aber Goblin Slayer bezahlte ihn ohne sich zu beschweren. Der Schmied wusste, dass der Krieger solche Waffen liebte und hatte sie ihm deshalb gezeigt.​
»Und wenn du Schriftrollen rein bekommst, leg sie bitte für mich zur Seite«, sagte Goblin Slayer und schob das kreuzförmige Wurfmesser in den Gürtel. Er zog es mehrfach heraus und steckte es wieder ein, um zu sehen, ob es richtig saß.​
Der Schmied schaute ihn zufrieden an und antwortete entspannt:​
»Ja, das werde ich wie immer machen, aber du weißt, wie selten ich welche reinkriege. Noch irgendwas?«​
»Hm ... Ich bräuchte noch ein paar getrocknete Fische.«​
»Wieso sollte ich so etwas hier haben? Wir sind ein Ausrüstungsladen.«​
»Ist das so?«​
Der Schmied seufzte. Er kannte den Krieger jetzt schon seit fünf Jahren, aber er war immer noch für eine Überraschung gut.​
»Wenn es um haltbares Essen geht, könnte ich dir aber helfen.«​
»Dann gerne zwei, drei Fässer. Lass sie zum Hof bringen.«​
»Fässer?! Das hier ist doch nicht der Markt!«, beschwerte sich der Schmied. Nichtsdestotrotz holte er einen Stift hervor und notierte sich die Bestellung.​
* * *
Nachdem er mit dem Einkauf fertig war, verließ Goblin Slayer mit seinen üblichen schweren Schritten die Schmiede und wanderte zur Anschlagstafel bei der Anmeldung der Gilde hinüber. Ruhig ließ er seinen Blick über die aushängenden Aufträge wandern. Einige Aufträge waren auch nach dem morgendlichen Ansturm seiner Kollegen hängen geblieben und Goblin Slayer las sie sich durch: etwas mit Drachen, das Erkunden unbekannter Ruinen, ein Oger, das Sammeln von Kräutern im großen Wald, eine Schatzsuche, ein Vampir in einem alten Schloss, das Beseitigen von Ratten und das Besiegen von Räubern. Immer wieder stieß er auf Wörter wie Sekte, Dämonenfürst, Dämon oder Besiegen und Untersuchen. Nach dem er alle Aufträge durchgelesen hatte, murmelte er:​
»Gibt es heute keine?«​
Goblin Slayer empfand diesen Umstand als seltsam. Sonst hatte es immer Goblin Aufträge gegeben. Sie tauchten überall auf und Jahreszeiten oder Ähnliches waren ihnen egal ... Nein, besonders im Herbst waren sie häufig auf der Jagd. Er ließ seinen Blick durch die Eingangshalle schweifen, aber sah niemanden, den er kannte. Auch die Gilden Angestellte, die ihn sonst betreute, war nicht da.​
Mit einem "Hmpf" ging Goblin Slayer zur Anmeldung und stellte sich vor eine andere Gilden Angestellte.​
»Hey.«​
»Uwah ... ! Was? Wer?!«​
Überrascht ließ die Angestellte das Buch fallen, das sie heimlich hinter dem Geschäftsbuch gelesen hatte. Hastig sammelte sie es wieder auf und richtete ihren Blick auf den Krieger vor ihr. Es war die Inspektorin, die zusammen mit Goblin Slayer dem Rangaufstiegsinterview beigewohnt hatte.​
»Ach, Sie sind es. Geht es um den Auftrag von gestern? Die Bezahlung wurde bereits vorbereitet.«​
»Ja, ich nehme das Geld mit. Teile es bitte gleichmäßig auf zwei Beutel auf.«​
»Ja, verstanden.«​
»Und ich würde gerne einen genauen Bericht abgeben.«​
»Ach ... Aber darf ich mir den überhaupt anhören?«, murmelte die Inspektorin und warf etwas verlegen einen Blick in den hinteren Teil des Büros.​
Dann wandte sie sich Goblin Slayer zu und sagte:​
»Leider ist die zuständige Angestellte heute nicht hier. Ginge es vielleicht auch an einem anderen Tag?«​
»Kein Problem«, erwiderte Goblin Slayer, für den es keinen großen Unterschied machte.​
»Aber warum ist sie heute denn nicht hier?«​
»Ach, nun ja ...«, die Inspektorin beugte sich nach vorne und begann zu flüstern.​
»Sie muss sich noch auf das Fest vorbereiten und hat so einiges zu tun.«​
»Ist das so?«​
»Ja, darf ich ihr später sagen, dass Sie sich Sorgen um sie gemacht haben?«​
»Ich habe mich zwar nicht gesorgt, aber mir soll es recht sein.«​
Ein breites Lächeln legte sich auf das Gesicht der Inspektorin.​
»Und Goblins? Gib es heute nichts?«, fragte Goblin Slayer.​
»Goblin Aufträge? Einen Moment bitte«, antwortete die Inspektorin und zog sich in den hinteren Bereich zurück. Sie holte einen Lederbeutel aus dem Tresor und kam wieder an den Tresen. Die Goldstücke aus dem Beutel wog sie mit einer Waage ab und teilte sie dann gerecht auf zwei weitere Beutel auf.​
»Hier. Bitte.«​
»Danke.«​
»Und wegen der Goblin Aufträge ...«​
Die Inspektorin klappte das Geschäftsbuch auf und blätterte darin herum.​
»Ja, Sie haben recht. Heute gibt es keine Aufträge mit Goblins.«​
»Haben andere Abenteurer bereits welche angenommen?«​
»Nein. Heute wurde wohl generell kein Auftrag mit Goblins abgegeben.«​
Goblin Slayer stieß ein tiefes Brummen aus.​
»Stört Sie etwas daran, dass es keine Goblin Aufträge gibt?«​
»Ja, das gefällt mir ganz und gar nicht.«​
Die Inspektorin hatte ihre Aussage scherzhaft gemeint, weshalb sie jetzt nicht wusste, was sie sagen sollte. Verlegen murmelte sie:​
»Es tut mir leid, dass ich Ihnen nicht helfen kann.«​
Ohne darauf etwas zu antworten, drehte Goblin Slayer ihr den Rücken zu und ging zu seinem gewohnten Platz in einer Ecke der Eingangshalle. Es warf ihn aus der Bahn, dass überhaupt keine Goblin Aufträge abgegeben worden waren. Das Leben der Biester bestand daraus, zu rauben. Obwohl sie dazu imstande waren, krude Waffen oder Hilfsmittel herzustellen, würden sie niemals auf die Idee kommen, Lebensmittel anzubauen oder sich Unterkünfte zu errichten. Warum auch? Sie konnten doch alles klauen.​
Das kann nur heißen, dass die Goblins auf etwas warten ...
Goblin Slayer stieß ein Brummen aus und schüttelte den Kopf. Während er seine Gedanken ordnete, schaute er sich in der Eingangshalle um.​
»Arrrrgh! Mein Kopf tut weh, als würde er gleich platzen ... Und die Gilden Angestellte ist auch nicht hier!«​
»Du... Dummerchen. Das ist ... weil du ... zu viel ... getrunken hast.«​
Es waren der Speerkämpfer und seine übliche Begleitung, die Hexe.​
»Oh, da bist du ja endlich. Mann, wie lange dauert es denn, Ausrüstung zu kaufen?«, meckerte dann noch der Panzerkrieger.​
Er hatte wohl zusammen mit dem Rest seiner Gruppe auf die Ritterin gewartet, die mit knallrotem Gesicht erwiderte:​
»Ha... Halt die Klappe! Manchmal brauch selbst ich ein wenig, um mich zu entscheiden ...«​
Scherzend mischte sich der Halbelf ihrer Gruppe ein:​
»Sieh an! Unsere liebe Ritterin möchte sich wohl für das Fest fein raus putzen!«​
»Wirklich? Wie toll! Vielleicht sollte ich auch ein Kleid anziehen!«, sagte die Druidin der Gruppe begeistert.​
Der Späher der Gruppe sah darin eine Steilvorlage und kommentierte die Aussage seiner Kameradin:​
»Du willst dich fein raus putzen? Lass das lieber und begnüge dich mit deiner inneren Schönheit.«​
Mit einem empörten "Wie bitte?!" sprang die Druidin sofort auf die Provokation an und ein hitziges Wortgefecht entbrannte.​
Der Krieger Lehrling und die Heilige in Ausbildung saßen neben der Gruppe und führten ihre eigene Unterhaltung.​
»Wie? Als Heilige machst du da nicht mit? Ich hätte dich zu gern in passender Ritualkleidung gesehen.«​
»Hey ... Willst du mich veräppeln?«​
»Nein, ich meine das ernst!«​
»W... Wenn du unbedingt willst, kö ... könnte ich mich ja ein wenig hübsch machen ...«​
»Echt?! Juhu!«​
»Ja, aber mach da jetzt keine große Sache draus. Es ist mir ein wenig peinlich ...«​
Fast alle hier scheinen sich auf dieses Fest zu freuen, dachte sich Goblin Slayer. Doch einer sticht heraus. Sein Blick fiel auf einen kleinen Mann, der sich in einen schwarzen Mantel gehüllt hatte und die anderen Abenteurer missmutig anstarrte. Der Krieger wusste nicht, was mit diesem Mann war, aber es interessierte ihn auch nicht sonderlich. Er hatte andere Dinge, über die es nachzudenken galt. Er stand auf und machte ein paar Schritte in Richtung Ausgang, als ...​
»Ah!«​
Fast wäre Goblin Slayer mit der Priesterin zusammengestoßen, die von draußen hereingelaufen kam.​
»A... Ach, Goblin Slayer.«​
Sie war hochrot im Gesicht, aber der Krieger konnte sich nicht erklären, warum. Er legte den Kopf schief und fragte:​
»Konntest du letzte Nacht schlafen?«​
»J... Ja. Sehr gut sogar.«​
»Hier, ich gebe es dir, bevor ich es vergesse.«​
Goblin Slayer warf der Priesterin einen der zwei Geldbeutel zu, die er an der Anmeldung erhalten hatte.​
»Dein Anteil von gestern.«​
»Vi. .. Vielen Dank.«​
Vorsichtig packte das Mädchen den Beutel in ihre Tasche. Ihre Augen wanderten dabei rastlos hin und her. Goblin Slayer begann stutzig zu werden. Als er bemerkte, dass ihr Blick hinter ihm am Eingang zum Ausrüstungsladen und der Schmiede hängenblieb, fragte er:​
»Brauchst du neue Ausrüstung?«​
»Ähm, ach ...«​
»Soll ich dich begleiten und beraten?«​
Zögernd antwortete sie:​
»N... Nein ... Schon gut...«​
»Na dann ...«​
Goblin Slayer hatte kein Interesse daran, nachzubohren. Wenn sie etwas für sich behalten wollte, war das okay für ihn.​
Als die Tür der Gilde hinter ihm zufiel, konnte er entfernt das Lachen des alten Schmieds hören. Vielleicht hatten er und das Mädchen sich angefreundet. Das wäre gar nicht mal so schlecht, dachte sich der Krieger. Nachdem Goblin Slayer die Gilde verlassen hatte, befand er sich mitten im geschäftigen Treiben der Stadtbewohner. Sie alle bereiteten sich auf das morgige Fest vor. Buden wurden gebaut, Flaggen wurden gehisst und in unregelmäßigen Abständen strich eine herbstliche Brise durch die Menge. Junge Mädchen flanierten in Gruppen durch die Straßen und unterhielten sich aufgeregt darüber, was sie morgen anziehen sollten. Spielende Kinder diskutierten wild, wofür sie ihr Taschengeld ausgeben würden. Am Straßenrand trocknete seltsames, geschnittenes Gemüse neben Laternen für das Fest und Last- und Pferdewagen brachten nicht nur viele Waren, sondern auch Besucher in die Stadt. Wenn man all dies beobachtete, konnte man schnell vergessen, dass die Stadt im Grenzland lag. Einer Gegend, die mehr als jede andere von Monstern und Dämonen bedroht wurde. Langsam kämpften sich die sprechenden Völker vor und sicherten Meter für Meter, doch es würde noch lange dauern, bis die letzte Gefahr gebannt war - wenn dies überhaupt jemals geschehen würde. Aber vielleicht freuten sich all die Leute so sehr auf das Fest, gerade weil sie sich im Grenzland befanden und daher eine Auszeit gebrauchen konnten. Während er sich interessiert umschaute, ging Goblin Slayer langsam die Straße hinunter, um zum Trainingsplatz hinter der Gilde zu gelangen. Als er an der Küche der Schenke vorbeilief, stieg ihm ein leckerer Geruch in die Nase. Es war Mittagszeit. Beim Trainingsplatz angekommen bemerkte der Krieger, dass dieser leer war. Das war aber nichts überraschendes, denn die meisten Abenteurer waren unterwegs und die, die es nicht waren, aßen sicherlich gerade zu Mittag. Eine gute Gelegenheit, dachte sich Goblin Slayer und ging um den Zaun des Trainingsplatzes herum, um sich dort in den Schatten eines Baums zu setzen. Zusammen mit der neuen Schaufel breitete er die gekauften Utensilien auf dem Boden aus: Pflöcke, Holz, Draht, Seil und ein paar weitere Dinge. Es waren größtenteils Gegenstände, die man nicht für normale Abenteuer benötigte. Goblin Slayer zog seinen Dolch aus dem Gürtel und begann, den Pflöcken noch schärfere Spitzen zu verpassen. Seine Handbewegungen waren grob und gleichzeitig sehr geschickt. Wäre die Elfe anwesend gewesen, hätten ihre Ohren sicherlich vor Neugier gewackelt und auch die Priesterin hätte ganz bestimmt vorsichtig Fragen gestellt. Doch es waren nicht die beiden Frauen, die den Krieger im nächsten Moment bei seiner Arbeit störten.​
»Oho!«​
»Da sieh mal einer an!«​
Goblin Slayer hob seinen Helm und sah, dass der Zwerg und der Echsenmensch Mönch, seine beiden anderen Kameraden neben der Elfe und der Priesterin, sich ihm mit einem Lächeln näherten.​
»Werter Goblintöter, genießt du auch das wunderschöne Wetter?«​
Der Mönch legte seine Hände zu einem Gruß zusammen und verbeugte sich. »Wäre es nicht fantastisch, wenn das Wetter morgen auch so wäre?«​
»Ja«, antworte Goblin Slayer, ohne seine Hände von der Arbeit zu nehmen. »Hoffentlich scheint die Sonne.«​
»In der Tat. In der Tat«, sagte der Zwerg, während er sich genüsslich durch seinen Bart strich.​
»Wie ich sehe, bist du eifrig bei der Arbeit. Was soll das werden?«​
»Ich muss mich vorbereiten«, erwiderte der Krieger.​
»Willst du etwa einen Vampir besiegen?«, fragte der Echsenmensch neugierig.​
»Warum denkst du so was?«​
»Ich dachte, es wäre bekannt, dass man Vampire mit Pflöcken vernichten kann.«​
»Ist das so?«​
Der Zwerg lächelte resignierend.​
»Es ist bereits bemerkenswert, dass du schon mal von Vampiren gehört hast.«​
Vampire waren ähnlich wie Drachen legendäre Monster und nur die wenigsten kannten sich gut mit ihnen aus. Dies machte es umso erstaunlicher, dass Goblin Slayer - der zuvor noch nicht einmal gewusst hatte, was ein Oger war - den Begriff Vampir bereits gehört hatte.​
»Die interessieren mich nicht.«​
Der Krieger nahm seine Arbeit wieder auf, bis er plötzlich ein kurzes​
»Hm?« von sich gab und fragte: »War es nicht so, dass Vampire sich vermehren, indem sie jemanden beißen?«​
»So wird es erzählt.«​
»Vielleicht sollte ich mich darauf vorbereiten, falls ein Goblin mal zu einem Vampir wird.«​
Das Wissen, dass Goblin Slayer diese Aussage todernst gemeint hatte, entlockte dem Zwerg einen tiefen Seufzer. Der Echsenmensch ergriff das Wort:​
»Nun ja, ein toter Goblin ist eine Goblin Leiche und selbst wenn sie wieder zum Leben erweckt würde ... Wäre sie dann nicht ein Ghul?«​
»So oder so würde kein Vampir das Blut eines Goblins trinken wollen«, fügte der Zwerg hinzu.​
»Ich verstehe«, sagte Goblin Slayer und nickte.​
Nachdem die beiden dem Krieger einige Zeit bei seiner Arbeit zugeschaut hatten, stellte der Zwerg eine sehr offensichtliche Frage:​
»Es ist zum Bekämpfen von Goblins, nicht wahr?«​
»So ist es.«​
»Ja, was frage ich auch.«​
Der Elfe wäre bei solch einer Unterhaltung mit Goblin Slayer die Hutschnur geplatzt, aber der Zwerg wusste es nach einem halben Jahr mit dem Abenteurer besser.​
»Willst du uns nicht erzählen, wofür genau das gut sein soll?«​
»Man kann nicht immer genau wissen, woher Goblins kommen.«​
»Ja, genau.« Der Echsenmensch schüttelte langsam den Schwanz.​
»Man muss immer vorsichtig sein.«​
»Ja.«​
Goblin Slayer nickte.​
»Sie sind zwar dumm, aber keine vollkommenen Idioten.«​
Normalerweise hatten Goblins kein Interesse daran, Dinge zu lernen, aber das hieß nicht, dass sie es nicht konnten. Das wusste Goblin Slayers Gruppe nur zu gut. Schließlich hatten sie in der Kanalisation der Stadt des Wassers bereits gegen Goblins gekämpft, die gewusst hatten, wie man Schiffe baut und steuert. Deswegen musste man aufpassen, dass sie nicht mehr in die Hände bekamen als sie sollten. Goblin Slayer war, was diese Angelegenheit anging, über gründlich, aber der Echsenmensch und der Zwerg konnten verstehen, warum.​
»Na gut, dürften wir uns neben dich setzen, werter Goblintöter?«, fragte der Echsenmensch höflich.​
Goblin Slayer antwortete nüchtern:​
»Kein Problem, der Ort gehört mir nicht.«​
»Nun ja, der Höflichkeit halber sollte man trotzdem fragen, Bartschneider«, meinte der Zwerg, breitete ein großes Tuch als Unterlage aus und setzte sich darauf.​
Der Echsenmensch setzte sich neben ihn. Er löste das Band um das Paket in seinen Armen und breitete den Inhalt, verschiedene Utensilien, auf der Unterlage aus. Darunter waren dünne Baumbusstangen, verschieden gefärbte Papiere sowie Ölpapier.​
»Hm? Wollt ihr fliegende Laternen basteln?«​
»Oho. Sehr gut erkannt, Bartschneider«, antwortete der Zwerg und begann, mit geübten Handgriffen die Einzelteile zusammenzusetzen. Die leicht herzustellenden fliegenden Laternen waren ein bekannter Bestandteil des Erntefests. Zuerst baute man einen kleinen Korb aus Bambusstäben und beklebte ihn mit Papier. Dann setzte man ein Licht in die Laterne und schloss sie von oben mit einem Schirm.​
»Ich bin schon gespannt, viele von ihnen zum Himmel steigen zu sehen«, freute sich der Echsenmensch und fuhr sich mit der Zunge über seine Schnauze.​
»Da ich einen ähnlich Brauch bereits aus meiner Heimat kenne, wollte ich dem Schuppigen zeigen, wie man sie baut«, warf der Zwerg grinsend ein.​
Goblin Slayer antwortete mit einem einfachen​
»Ach so« und begutachtete einen angespitzten Pflock im Sonnenlicht.​
»Na ja ... Der wird schon reichen ...«​
»Ich bin schon gespannt, wie dir das Fest dieses Jahr gefallen wird, werter Goblintöter.«​
»Ist das so?«, entgegnete Goblin Slayer und griff sich den nächsten Pflock, um ihn anzuspitzen.​
Der Zwerg verstand nur zu gut, warum der Krieger nicht weiter darüber reden wollte und spornte den Echsenmenschen dazu an, mit der Arbeit zu beginnen.​
»Komm schon. Das Fest ist bereits morgen. Uns bleibt nicht viel Zeit.«​
»Dann erklär mir bitte, was ich tun soll«, antwortete der Mönch und rollte mit den Augen.​
Der Zwerg bewies daraufhin, warum er und seine Artgenossen für ihre Handwerkskünste berühmt waren. In einer unfassbaren Geschwindigkeit setzte er die Körbe aus Bambus zusammen, auf die der Echsenmensch dann das Papier klebte. Der Mönch musste fürchterlich aufpassen, dass er mit seinen Krallen nicht das Papier zerschnitt.​
»Was für eine Geschichte steckt wohl hinter diesen Papierlaternen?«, fragte er und fuhr sich über die Stirn, obwohl seine Art nicht schwitzte.​
Ohne mit seiner Arbeit aufzuhören, griff der Zwerg nach seiner Trinkflasche und gönnte sich einen Schluck Branntwein.​
»Wer weiß, ich komme auch von außerhalb. Ich kenne zwar die Laternen, aber was es mit ihnen auf sich hat, weiß ich auch nicht.«​
»Sie sind nicht sonderlich selten«, antwortete Goblin Slayer.​
Aufmerksam richteten seine beiden Kameraden ihre Blicke auf ihn.​
»Sie sollen gute Geister rufen und böse vertreiben. Sie sind wie Wegweiser, die Licht ins Dunkle bringen.«​
»Du kennst dich gut aus«, sagte der Zwerg verwundert.​
»In meiner Heimat«, erzählte Goblin Slayer, »gab es auch so ein Fest.«​
»Hm ... So ein Ritual wäre bei uns undenkbar.«​
Der Echsenmensch kratzte sich mit einer Klaue die Nase. Für sein Volk waren Tote nichts weiter als Leichen, die dem Kreislauf der Welt zurück gegeben wurden.​
»Trotzdem ist uns natürlich die Trauer um Tote nicht fremd. Vielleicht ist solch ein Fest gar keine schlechte Art, mit ihr umzugehen.«​
»Das denke ich auch.«​
Goblin Slayer nickte.​
»Ich werde mich anstrengen!«​
»Oho, Schuppiger! Woher die Motivation?«​
»Ich darf meinem Vorfahren, dem fürchterlichen Drachen, durch mein Handeln keine Schande bereiten. Ich werde als Echsenmensch mein Bestes geben.«​
»Dann darf ich mich auch nicht lumpen lassen! Ich werde die beste Laterne basteln, die ein Zwerg je kreiert hat!«​
Während die drei sich auf ihre Arbeit konzentrierten, kamen nach und nach die ersten Abenteurer von ihrem Mittagessen auf den Trainingsplatz zurück. Sie alle interessierten sich dafür, was das sonderliche Dreiertrio am Rande des Platzes bastelte, aber keiner traute sich, sie anzusprechen. Dann tauchte eine Hochelfe auf, für die Zurückhaltung ein Fremdwort war.​
»Ah! Die beiden bauen irgendwas mit Orcbolg!«​
Es war die Waldläuferin der Gruppe, die sofort, als sie ihre Kameraden erkannt hatte, herangestürmt kam. Sie ging neben der ausgebreiteten Unterlage in die Hocke.​
»Du benimmst dich echt immer wie ein neugieriger Rotzlöffel, Langohr«, schimpfte der Zwerg.​
»Hey, das ist voll unhöflich! Ich bin schon 2.000 Jahre alt!«, entgegnete sie wütend und schnaufte durch die Nase.​
»Was macht ihr hier?«​
»Das kannst du doch sehen! Das sind aufsteigende Laternen ...«​
»Pflöcke.«​
»Das mein ich nicht.« Mit einem leisen Plumps ließ die Elfe sich neben dem Zwerg auf der Unterlage fallen.​
»Was ist das dann? Und was ist das da? Was ist das für ein Werkzeug? Wie verwendet man es? Warum stellst du Pflöcke her?«​
»Um Goblins zu töten.«​
»Das war mir klar.«​
»Du bist wie ein Wirbelsturm, Langohr. Eigentlich saßen wir bis gerade schön in aller Ruhe zusammen«, meckerte der Zwerg.​
Da die Elfe das Eis gebrochen hatte, trauten sich jetzt auch die anderen Abenteurer, sich der Gruppe zu nähern. Zuerst kamen der Späher, die Druidin, der Krieger Lehrling und die Heilige in Ausbildung näher.​
»Hallo, Goblin Slayer.«​
»Hey, bereitest du dich auf das Fest vor?«​
»Und was macht ihr beiden da?«​
»Weißt du das etwa nicht, das sind ...«​
»Doch, doch, das sind aufsteigende Laternen!«​
»Wollt ihr mitmachen?«, fragte der Echsenmensch die jungen Abenteurer und fuhr sich freudig mit der Zunge über die Schnauze.​
»Ich bin auch noch unerfahren darin. Der werte Zwerg bringt es mir gerade bei.«​
Während es um ihn herum immer lauter wurde, ging Goblin Slayer weiterhin seiner Arbeit nach. Er dachte sich: Ob es wohl genauso gekommen wäre, wenn die anderen nicht hier wären? Wahrscheinlich nicht ... Aber es ist nicht schlecht so ...​
»Was? Du hast noch nichts gegessen, Orcbolg?«​
»Ja.« Es war mittlerweile dunkel geworden und die Sterne und die beiden Monde hatten bereits ihre Wanderung über den Horizont begonnen. Während alle anderen Abenteurer sich bereits zurückgezogen hatten, waren nur noch Goblin Slayer und die Elfe zurückgeblieben.​
»Das geht doch nicht ... Hast du etwa kein Geld?«​
»Das ist es nicht.«​
»Ich könnte dich einladen.«​
»Nein.«​
»Was willst du denn machen, wenn Goblins angreifen? Kannst du mit leerem Magen kämpfen?«​
»Hmpf...«​
»Gut. Dann ist ja alles klar!«​
Da die Stadt im Grenzland ein beliebter Zwischenstopp von Reisenden war, gab es viele verschiedene Lokale und die Elfe schleppte Goblin Slayer in einen Laden, der eine Kombination aus Wirtshaus und Unterkunft war. Die schwere Schwingtür quietschte beim Aufdrücken und als die beiden hineingingen, schlug ihnen sofort die laute Geräuschkulisse des Ladens entgegen. In der Luft lag der schwere aber nicht unappetitliche Geruch von gebratenem Fleisch und frischem Bier. Die Elfe wackelte freudig mit den Ohren, aber Goblin Slayer fragte verdutzt:​
»Ich dachte, du kannst nicht so gut mit Alkohol und Fleisch.«​
»Das stimmt schon.«​
Sie zwinkerte ihm mit einem Auge zu.​
»Aber diese lebendige Atmosphäre muss man doch lieben, oder?«​
»Ist das so?«​
»Ganz genau!«​
Die Elfe rief der herankommenden Kellnerin zu, dass sie zwei Plätze brauchten und kurz darauf saßen sie und der Krieger an einem runden Tisch in einer stilleren Ecke des Ladens.​
»Sag mal, Orcbolg«, sagte die Waldläuferin und zeigte mit einem ihrer weißen, dünnen Finger auf Goblin Slayers Helm,​
»Setz das Ding doch wenigstens beim Essen ab.«​
»Das geht nicht. Was ist, wenn Goblins auftauchen?«​
»Jetzt und hier?«​
»Warum nicht?«​
»Du bist echt unmöglich ...«, entgegnete die Elfe resignierend. Goblin Slayer verstand ihre Aussage schon irgendwie. Er wusste, dass er selbst aus den illustren Abenteurern der Stadt herausstach.​
»Wer ist das denn? Ein Abenteurer?«​
»Ich dachte schon, dass es ein Untoter wäre.«​
»Oh nein. Er hat hergeschaut.«​
»Das hast du dir bestimmt nur eingebildet, oder?«​
Die anderen Besucher des Lokals begannen, lautstark über den Krieger zu reden. Neben der Elfe und Goblin Slayer schienen nur zwei weitere Gäste Abenteurer zu sein. Sie saßen unauffällig in der Ecke des Ladens und trugen Mäntel mit tiefen Kapuzen, wie man sie sonst von Magiern kannte. Einer von ihnen war hochgewachsen, während der andere eher klein war. Sie diskutierten wild miteinander, aber über das wilde Treiben der Schenke konnte man nicht hören, worüber. Die Elfe versuchte kurz, mit ihren Ohren etwas aufzuschnappen, aber gab dann auf.​
Sie wandte sich Goblin Slayer zu.​
»Und? Was hast du so vor?«​
»Was meinst du?«​
»Morgen beim Fest.« Ein wissendes Grinsen legte sich auf das Gesicht der Waldläuferin.​
»Am Vormittag amüsierst du dich mit dem Mädchen vom Hof und am Nachmittag mit der Gilden Angestellten.«​
»Ich amüsiere mich nicht«, gab Goblin Slayer barsch zurück.​
»Du bist zu neugierig.«​
»Was erwartest du? Ich bin schließlich eine Elfe. Ich höre alles.​
Deine Nachmittagskandidatin hat bereits irgendwas geplant, aber ich wollte wissen, ob du dir schon etwas für deine Verabredung am Vormittag ausgedacht hast.«​
»Nein, habe ich nicht.« Goblin Slayer schüttelte den Kopf.​
»Ich habe mir ehrlich gesagt noch gar keine Gedanken darüber gemacht.«​
»Zum Verzweifeln.«​
Die Waldläuferin seufzte laut.​
»Aber typisch Orcbolg. Geh doch wenigstens zu einem Ort mit ihr, der ihr gefallen könnte.«​
»Ein Ort, der ihr gefällt ...«​
»Genau, du kennst sie doch schon lange. Du kennst doch bestimmt einen Ort oder weißt zumindest etwas, das sie mag.«​
Goblin Slayer nickte.​
»Außerdem solltest du dir Mühe geben, eine richtige Unterhaltung mit ihr zu führen. Nicht immer nur deine abgehackten Antworten.«​
Die Elfe ignorierte das Grummeln, das sie von Goblin Slayer als Antwort erhielt und richtete ihre Aufmerksamkeit auf die an der Wand hängende Speisekarte.​
»Was wollen wir denn nehmen?«, sagte sie aufgeregt. Ihr Geldbeutel war prall gefüllt von den letzten Aufträgen und sie hatte Lust, sich zu amüsieren.​
»Orcbolg, gibt es etwas, was du essen willst?«​
»Ich bin mit allem zufrieden. Da du bezahlst, richte ich mich nach dir.«​
»Es ist echt schwer zu verstehen, ob du mit der Aussage jetzt Rücksicht nimmst oder dich einfach nur aus der Verantwortung ziehen willst.«​
»So bin ich nun mal.«​
»Ja, ja ... Schon klar ... Entschuldigung!«​
Nachdem sie kurz über das Verhalten ihres Begleiters gestöhnt hatte, riss sie eine Hand in die Höhe, um die Bedienung herbeizurufen. Sie bestellte dies und das und als die Kellnerin ihr erzählte, dass es guten Traubenwein gab, bestellte sie den natürlich auch. Nachdem sie fertig war, kommentierte der Krieger ihre Bestellung nur mit:​
»Wenn du dich betrinkst, kann ich dich nicht nach Hause bringen.«​
»Wieso glaubst du denn, dass ich mich betrinken würde?«​
»Das ist doch schon häufiger passiert.«​
»Nein, nein! Das waren Ausnahmen! Ausnahmen! Verstehst du?«​
»Ist ja gut, aber ich habe hiernach noch etwas zu erledigen.«​
»Hmpf...«​
Genervt ließ die Elfe ihren Blick durch den Laden schweifen. Sie schaute kurz einer Bedienung zu, wie sie mit vollen Tabletts durch das Treiben der Gäste tänzelte. Dann wandte sie sich wieder Goblin Slayer zu.​
»Brauchst du Hilfe?«​
»Nein, noch nicht.«​
»Na dann.«​
Die beiden schwiegen, bis ihr Essen gebracht wurde. Die Bedienung stellte Suppe, Brot, Käse und Traubenwein auf den Tisch. Die dampfende Suppe enthielt Getreide, das in süßer Sahne aufgekocht worden war und das harte Schwarzbrot war dazu gedacht, vor dem Essen hinein getunkt zu werden. Der Käse war sehr salzig und passte großartig zur Suppe.​
»Der Mönch würde den Käse lieben, nicht wahr, Orcbolg?«​
»Ja, das stimmt.«​
»Der Zwerg hingegen hätte bestimmt ein Problem damit, dass wir keinen stärkeren Alkohol bestellt haben.«​
»Er würde wahrscheinlich Branntwein wollen.«​
Goblin Slayer kippte sich etwas Traubenwein durch das Visier in den Mund und schluckte ihn herunter.​
»Branntwein macht wach und kann als Brennstoff eingesetzt werden. Man kann damit sogar Dinge desinfizieren.«​
»Wenn du es so sagst, klingt das nicht gerade nach einem Getränk.«​
Die Elfe kicherte.​
»Da fällt mir ein ...«​
Sie schob die Teller beiseite und lehnte sich über den Tisch, bis ihr Gesicht sehr nah vor seinem war.​
»Was denn?«​
»Weißt du, dass das Mädchen heute in der Werkstatt einkaufen war?«​
»Ja.«​
»Weißt du denn auch, was sie gekauft hat?«​
»Nein.« Er schüttelte den Kopf und nahm einen Schluck Wasser zu sich.​
»Ich habe auch nicht nachgefragt.«​
»Hm ...«​
Die Waldläuferin blinzelte und setzte sich wieder auf ihren Stuhl.​
»Das überrascht mich ... Dann sollte ich es dir lieber nicht verraten, oder? Willst du es überhaupt wissen?«​
»Wenn du mir davon erzählen willst, höre ich dir zu.«​
»Ich würde dir zu gern davon erzählen, aber sie hat wirklich nichts zu dir gesagt?«​
»Nein.«​
»Dann behalte ich es lieber für mich.«​
Die Elfe blinzelte ihm mit einem Auge zu. Sie hatte es von den Menschen dieser Stadt gelernt und freute sich, diese Mimik endlich einsetzen zu können.​
»So ist es am spannendsten.«​
»Ist das so?«​
»So ist es.«​
»Ist das so?«, wiederholte Goblin Slayer sich und kramte in seiner Tasche. Er zog den Lederbeutel heraus, den er in der Gilde erhalten hatte und legte drei Goldmünzen auf den Tisch.​
»Solange du noch nicht komplett betrunken bist, gebe ich dir meinen Anteil.«​
»Ich hab doch gesagt, dass ich dich einlade!«​
Die Elfe starrte ihn wütend an.​
»Irgendwann ...«,​
Goblin Slayer konnte selbst nicht glauben, was er gerade sagen wollte, »irgendwann werde ich wieder deine Hilfe brauchen.«​
»Und das hier soll eine Vorauszahlung sein?«​
»Genau.«​
»Hm ... Die will ich nicht.«​
»Ist das so?«​
Die Elfe ließ pathetisch ihren Finger durch die Luft kreiseln.​
»Im Austausch bekomme ich ein Abenteuer von dir!«​
»Hm ...«​
»Ich hab es dir doch schon einmal gesagt!« Sie trank einen tiefen Schluck Traubenwein.​
»Außerdem, denk daran: Das Abenteuer darf nichts mit Goblins zu tun haben!«​
Die Elfe wartete auf Goblin Slayers Antwort, doch ihm fehlten die passenden Worte. Es verstrichen einige Sekunden, bis er schließlich sagte:​
»Abgemacht ...«​
»Sehr gut.«​
Die Elfe unterstrich ihre Aussage mit einem breiten Grinsen.​
»Komm, lass uns essen. Wenn es kalt wird, schmeckt es nicht mehr.«​
»Ja.«​
Während er aß, schaute Goblin Slayer sich erneut im Laden um und bemerkte, dass die beiden Abenteurer in den Mänteln verschwunden waren. Er stieß ein kurzes "Hm" aus und brach sich dann ein Stück vom Brot ab.​
»Da fällt mir etwas ein.«​
»Was denn, Orcbolg?«​
»Weißt du vielleicht, was die Blüten der Goldenen Duftblüte in der Blumensprache bedeuten?«​
Nachdem er die betrunkene Elfe ins Obergeschoss des Gasthauses getragen und für ein Zimmer bezahlt hatte, verließ Goblin Slayer den Laden. Ihm war klar, was er jetzt zu tun hatte. Er musste Löcher graben. Es war bereits mitten in der Nacht und die beiden Monde standen hoch am Himmel. Er war allein und trieb seinen neu gekauften Spaten immer wieder in die Erde. Nachdem er die Stadt durch das große Tor verlassen hatte, war er von der großen Straße auf einen Trampelpfad abgebogen, der ihn zu einer abgelegenen Lichtung geführt hatte. Diese wollte er heute sichern. Der Krieger grub Löcher von einer Tiefe von ungefähr zwei Metern und versah ihre Böden mit den am Mittag angespitzten Pflöcken. Dann legte er Tücher über die Löcher und streute eine dünne Schicht von Pflanzen und Erde darauf, damit sie nicht zu erkennen waren. Als er schließlich fertig war, verstreute er kleine farbige Steine in der Umgebung.​
»Nun gut ...«​
Jetzt musste der Krieger sich noch um die überschüssige Erde kümmern. Er fing an, sie in Leinenbeutel zu füllen und versteckte sie in einem Dickicht, wo er sie zu einem Halbkreis aufstapelte. Goblin Slayer war sich nicht sicher, ob er diese Sandsäcke irgendwann würde gebrauchen können, aber er war der Überzeugung, dass es nicht schaden könne, auf alle möglichen Ereignisse vorbereitet zu sein.​
»Hm ...«​
Er nickte zufrieden. Da er sich bereits in den vorigen Tagen um die anderen Orte gekümmert hatte, war er fürs Erste fertig damit, diese Fallgruben auszuheben. Jetzt galt es nur noch, die Fallen aus Pflöcken, Seil und Holz aufzustellen, aber es gab nur eine begrenzte Anzahl von Stellen, an denen er sie effektiv platzieren konnte. Zu allen von ihnen zu gehen, würde wahrscheinlich zu lange dauern. Goblin Slayer schaute hoch zum Himmel und schätzte anhand der zwei Monde ab, wie viel Zeit ihm noch blieb. Zwar waren die Nächte bereits länger geworden, aber er musste am Morgen definitiv wieder beim Hof sein. Schnell zog er einige Holzplatten aus seinem Gepäck und entfernte die Bänder drumherum. Dann ging er damit zwischen Dickicht und Bäumen hin und her und nachdem er einige kleinere Arbeiten abgeschlossen hatte, stand er auf.​
»Ich sollte mich beeilen.«​
Der Krieger legte sich sein Gepäck über die Schulter und rannte los. Er schlüpfte durch ein Dickicht als plötzlich ...​
»Hey, was machst du da?!«​
Ein messerscharfer Zuruf brachte Goblin Slayer dazu, stehenzubleiben. Er hörte das Knacken von Schritten im Unterholz und das Klappern einer Rüstung. Er griff jedoch nicht zum Schwert, da er wusste, dass kein Goblin so flüssig die Sprache der sprechenden Völker beherrschte. Vorsichtig fragte er:​
»Wer ist dort?«​
Zwischen zwei Bäumen erschien eine Gestalt, die von einem Umhang umhüllt war. Sie war hochgewachsen und die Stiefelspitzen, die zu sehen waren, sahen verstärkt aus. Es musste sich um einen Abenteurer handeln.​
Anstatt auf Goblin Slayers Frage zu antworten, entgegnete die Gestalt:​
»Ich stelle hier die Fragen.«​
Diese Stimme ... Eine Frau?!, dachte sich der Krieger. Plötzlich blitzte etwas im Mondlicht auf und die Klinge eines Schwertes legte sich kühl an Goblin Slayer Hals.​
»Und jetzt rede! Wer bist du?«​
»Ich bin Goblin Slayer.«​
Fast gelangweilt schob er die Klinge beiseite. Ein Langschwert. Einseitige Klinge. Gute Technik. Ich weiß nicht, ob ich rechtzeitig hätte reagieren können, aber ich spüre keine Mordlust.​
»Ein Mann ... der Goblins tötet?«​
»So ist es.«​
»Das klingt nicht, als wärst du bei klarem Verstand.«​
»Ist das so?«​
Die Klinge, die Goblin Slayer eben weggedrückt hatte, legte sich erneut an seine Kehle. Die Gestalt fischte mit der Spitze des Schwertes nach der Kette mit dem Ausweis des Kriegers und zog daran.​
»Ein silbernes Abzeichen ... Ein Silber-Rang-Abenteurer?«​
»Ja.«​
»Ich verstehe...«​
In einer eleganten Bewegung führte die Gestalt das Schwert zurück in seine Scheide. Es musste sich um eine Abenteurerin höheren Ranges handeln. »Ich habe voreilige Schlüsse gezogen. Entschuldige bitte, Goblin Slayer.«​
»Nein. Ist schon gut.«​
»Ich dachte, dass du ein Untoter oder etwas in der Art wärst ...«​
Am Tonfall der Frau war genau zu erkennen, dass ihr der Fehler fürchterlich unangenehm war.​
»Hey, genau deswegen solltest du nicht losstürmen.«​
Eine zweite unbekannte Stimme meldete sich hinter Goblin Slayer. »Du und dein impulsives Handeln.«​
»Nun ja ... Aber er hat sich schon sehr verdächtig verhalten«, antwortete eine weitere Person.​
Die Besitzerinnen der zwei Stimmen liefen an Goblin Slayer vorbei und gesellten sich zu der Person, die sich dem Krieger zuerst in den Weg gestellt hatte. Die eine der beiden war von kleiner Statur und trug ein prächtiges Schwert an ihrer Hüfte. Die andere trug einen langen Stab bei sich und war normal gebaut. Sie war also mit ihrer Gruppe unterwegs ... Zwei Kriegerinnen und eine Magierin ... Noch bevor er eine Frage stellen konnte, erhob schon die kleine Schwertkämpferin das Wort:​
»Du hast immer noch nicht gesagt, was du hier willst.«​
»Hm... Ich treffe Vorkehrungen.«​
Mit hüpfenden Schritten ging sie um Goblin Slayer herum und sagte: »Vorkehrungen, was? Und wieso trägst du so eine komische Ausrüstung?«​
»...«​
»Tut mir leid, ich will mich nicht über dich lustig machen. Ich finde es einfach nur spannend.«​
Die kleine Schwertkämpferin setzte ein breites Lächeln auf, aber Goblin Slayer wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Zu seiner Ausrüstung passten viele Adjektive, aber spannend war sicherlich keins davon.​
»Bestimmt hat er nichts damit zu tun«, murmelte die Magierin grübelnd.​
»So verdächtig würde sich keiner von ihnen verhalten.«​
»Das stimmt ... Nur um das Aussehen zu verstecken, geht das etwas zu weit«, antwortete die größer gewachsene Schwertkämpferin.​
»Er hat bestimmt schon gemerkt, dass er nicht gegen uns ankommt. Er wird keine Probleme machen.«​
»Ach ja? Wenn ihr beiden das sagt, dann stimmt das wohl«, sagte die kleine Schwertkämpferin und klatschte in die Hände.​
»Tut mir leid, junger Mann. Wir haben dich bestimmt gestört.«​
»Nein.«​
Goblin Slayer schüttelte leicht den Kopf und legte sein Gepäck ab.​
»Seid ihr wegen des Festes gekommen?«​
»Hm? Nun ja, in gewisser Weise schon ... Die Stadt ist gleich da vorne, oder?«​
»Ja«, erwiderte er.​
»Wenn ihr eine Bleibe sucht, dann solltet ihr euch besser beeilen.«​
»Ach, stimmt. Es ist schon ziemlich spät, oder? Lasst uns los!«​
Die kleine Schwertkämpferin eilte fort und ließ ihre Kameraden zurück.​
»Ach, Mensch, sie ist immer so ... Tut uns leid wegen der Unannehmlichkeiten.«​
»Entschuldigung.«​
Die beiden anderen rannten auch los und ließen Goblin Slayer allein zurück. Erst jetzt realisierte er, dass die kleine Schwertkämpferin über einer seiner Fallgruben gestanden hatte. Wieso ist sie nicht reingefallen? War es Magie, eine Fertigkeit oder einfach nur Glück? Der Krieger konnte es sich nicht erklären. Nicht minder wunderte er sich darüber, warum die Gruppe nicht die Straße genutzt hatte. Nun ja, ich werde mir das jetzt nicht erklären können. Sie waren keine Goblins und somit auch nicht Goblin Slayers Problem. Allerdings musste er sich in Zukunft besser Gedanken machen, wo er seine Fallen aufstellen würde. Er wollte damit schließlich Goblins töten, keine Menschen.​


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Intermission XI
Von den Sorgen zur diesjährigen Weihe.


Immer wieder klopfte sie mit der Schreibfeder rhythmisch auf das Pergament. Es war eine große Ehre, aber sie hatte dennoch das Gefühl, dass sie dieser Aufgabe nicht gewachsen war. Wenn man sie fragen würde, was sie außerhalb des Tempels gelernt hatte, würde sie Probleme mit einer Antwort haben und sie hatte so ihre Bedenken, ob sie das Gebet für die Weihe schreiben konnte.​
»Hach ... Meine Vorgänger waren alle so gut.«​
Sie seufzte und schaute auf die Kleidung, die sie heute abgeholt hatte. Sie hatte jedes Jahr ihre Vorgänger bewundert, aber nie daran gedacht, dass sie irgendwann selbst diese Rolle übernehmen würde.​
»Was soll ich der Erdmutter denn bitte sagen? Es sollte anders sein als die üblichen Gebete, oder? Nein, war es überhaupt ein richtiges Gebet? Was würde er wohl sagen?«​
Der Gedanke daran, wie er mit seiner emotionslosen Stimme ein Gebet sprach, brachte sie zum Kichern.​
»Na gut ... Ich werde einfach mein Bestes geben ...«​
Nachdem sie diesen Entschluss gefasst hatte, tanzte die Feder förmlich über das Papier. Ihre Handschrift war nicht sonderlich schön, aber die geschrieben Worte kamen direkt aus ihrem Herzen.​

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Kapitel 37
Ein Erntefest voller Träume

Poff, Poff. Mit leisem Knallen breitete sich farbiger Rauch am Morgenhimmel über der Stadt aus. Wahrscheinlich stellte gerade ein Magiewirker seine Feuerwerkszauber zur Schau. Die prächtige Farbenvielfalt des Rauches war Beweis genug für seine Fähigkeiten. Da die Straßen bereits belebt waren, spielten auch schon die ersten Musikgruppen und heiterten die Stimmung weiter auf. Selbst die Kuhhirtin, die sich gerade in ihrem Zimmer auf dem Hof auf das Fest vorbereitete, konnte nicht umhin, die lebhaften Geräusche aus der Stadt wahrzunehmen. Ihr Herz macht vor Aufregung einige Sprünge. Sie konnte es gar nicht erwarten, zusammen mit ihrem Kindheitsfreund, Goblin Slayer, durch die Straßen der Stadt zu schlendern. Doch vorher musste sie sich noch für ein passendes Outfit entscheiden.​
»Hm ...«​
Mit nichts weiter als ihrer Unterwäsche bekleidet, stand sie zwischen verschiedenen Kleiderhaufen, deren Bestandteile sie aus ihrem Schrank gezogen hatte. Immer wieder fuhr sie sich nachdenklich durch die Haare und ihr war bereits klar, dass sie es erneut würde bürsten müssen, bevor sie das Haus verließ. Aber neben dem wenigen Makeup, das sie tragen würde- ein wenig Puder und Lippenstift - war das ihr kleinstes Problem. Denn ...​
»Ich weiß nicht, was ich anziehen soll!«​
Ein einfaches Kleid oder etwas Schickeres? Vielleicht etwas Gewagtes? Wie wäre es mit meiner Arbeitskleidung? Nein, das geht nicht ... Aber wieso zerbreche ich mir hier den Kopf? Er kommt doch sowieso wie immer! Dreckige Lederrüstung mit billigem Helm. Nein, ich werde mich davon nicht beeinflussen lassen! Die Kuhhirtin schmiss ihre Arbeitskleidung in einen Wäschekorb in der Ecke. Auf Wiedersehen! Auch wenn sie jetzt eine Option ausgeschlossen hatte, fiel ihr die Entscheidung nicht leichter. Zur Auswahl stand nur die Kleidung, die sie sich nach und nach an ihren freien Tagen gekauft hatte, aber nichts davon konnte sie wirklich überzeugen. Alle Teile waren sich sehr ähnlich und keines davon erschien ihr besonders passend zu dem heutigen Anlass. Dazu kam, dass sie keine Erfahrung in Sachen Mode hatte und ihr dementsprechend das Selbstbewusstsein fehlte, um eine klare Entscheidung zu treffen.​
Unterwäsche . . . Ahm, die ist doch eigentlich egal, oder? Viel wichtiger ist doch, was ich darüber trage! Aber . . . Hat mir nicht mal jemand gesagt, dass Dinge, die man nicht sieht, auch für einen Sieg entscheidend sein können?!
»Ahhhh.«​
Die Kuhhirtin stieß einen verzweifelten Seufzer aus. Sie wühlte sich erneut erfolglos durch die verschiedenen Klamottenhaufen. Sie hatte sich mit Goblin Slayer für den Vormittag verabredet, was hieß, dass sie gerade kostbare Zeit verschleuderte. Während sie ihre Suche nach dem Outfit fortsetzte, klopfte ihr Onkel an die Tür und sagte:​
»Ähm, tut mir leid. Aber hast du kurz Zeit?«​
»Wie? Was? Onkel?!«​
Die Kuhhirtin zuckte erschrocken zusammen und sprang aufs Bett, um sich in eine Decke zu hüllen. »I... In Ordnung. Du kannst reinkommen ...«​
Der Onkel betrat das Zimmer und fragte erschrocken:​
»Was ist denn hier los? Willst du etwa einen eigenen Kleiderladen aufmachen?«​
»Ach ... Ha ha ha ha ... Das ist mir etwas peinlich ·.«​
»Nun ja, räum nachher ordentlich auf ... Aber, warum ich eigentlich hier bin. Ich dachte, dass heute eine gute Gelegenheit wäre, um dir das hier zu geben.«​
»Hm? Was denn?«​
Der Hofbesitzer öffnete eine Schachtel und holte ein blaues Kleid hervor. Es war mit wunderschönen Stickereien verziert.​
»Es gehörte meiner Schwester ... deiner Mutter. Sie hat es getragen, als sie in deinem Alter war.«​
»Wow...« Die Kuhhirtin nahm es an sich und hielt es sich vor den Körper. Sie wünschte sich, dass sie einen Wandspiegel hätte. »Glaubst du, es steht mir?«​
»Ganz sicher.«​
Ihr Onkel nickte.​
»Deine Mutter hatte längere Haare, aber ansonsten sah sie aus wie du.«​
Meine Mutter hat das Kleid getragen? Sehe ich ihr wirklich ähnlich?!
Von ihren Gefühlen überwältigt, drückte die Kuhhirtin das Kleid fest an sich.​
»Vorsichtig. Es kriegt noch Falten«, ermahnte sie ihr Onkel.​
»Ja ... Stimmt. Das war knapp. Ha ha ha ...«​
Die Kuhhirtin konnte nicht anders als zu strahlen.​
»Danke, Onkel!«​
Der Hofbesitzer schaute einige Sekunden zur Decke und schüttelte dann den Kopf.​
»Schon gut. Es gehörte doch sowieso deiner Mutter und deswegen solltest du es haben. Geh vorsichtig damit um.«​
»Ja, ich werde gut darauf aufpassen!«​
»Fall nicht versehentlich hin«, sagte der Onkel und verließ das Zimmer.​
»Ja!«, rief die Kuhhirtin ihm hinterher.​
Schnell legte sie die Decke zur Seite und schlüpfte in das Kleid ihrer Mutter. Der weite, wallende Stoff des Rocks fühlte sich für sie, die an die tägliche Arbeitskleidung gewöhnt war, vollkommen neu an - aber gar nicht schlecht. Dann griff sie zu einem breitkrempigen Hut mit einer Schleife und setzte ihn auf.​
Ja, gut! Sie drehte und wendete sich und dachte erneut darüber nach, wie gut es jetzt wäre, einen Spiegel zu besitzen, aber niemals würde sie ihren Onkel nach einem solchen Luxusgegenstand fragen. Sie zog ihre Schuhe an, die leider nicht allzu sehr zu dem Rest ihres Outfits passten und sagte:​
»Gut. Dann will ich mal los!«​
Sie stieß die Zimmertür auf und ging in die Küche, in der ihr Onkel gerade dabei war, irgendetwas mit Milch vorzubereiten.​
»Onkel, willst du nicht auch das Fest genießen gehen?«​
»Ach was ... Ich bin zu alt für so was. Ich werde lieber versuchen, mit dieser Eiszkreme etwas dazu zu verdienen.«​
Von dieser neuartigen Süßigkeit hatte der Hofbesitzer durch Goblin Slayer erfahren und beschlossen, sich während des Festes an deren Verkauf zu versuchen. Die Kuhhirtin musste kichern, weil er immer noch Probleme damit hatte, das Wort richtig auszusprechen.​
»Aber hab du deinen Spaß, ja?«​
»Ja«, erwiderte die Kuhhirtin mit einem Lächeln und winkte auf geregt. »Ich bin bald zurück!«​
»Ja, geh und hab Spaß. Und pass auf dich auf.«​
Der Onkel zögerte und schien noch etwas sagen zu wollen, aber er schwieg. Weil die Kuhhirtin keine Zeit mehr hatte, eilte sie aus dem Haus, so schnell sie es in dem blauen Kleid konnte. Sie wurde von einer strahlenden Sonne am blauen Himmel begrüßt. Goblin Slayer wartete bereits, wie konnte es auch anders sein, in seiner üblichen Montur. Er hatte bereits seine morgendliche Runde gemacht und die Umgebung des Bauernhofs untersucht.​
»Danke, dass du gewartet hast.«​
»Nein, schon gut«, erwiderte er in gewohnt nüchternem Ton.​
»So lange habe ich nicht gewartet.«​
»Wirklich?«​
»Ja.«​
»Dann lass uns gehen!«​
»Ja.«​
Zusammen setzten die zwei sich in Bewegung. Die Kuhhirtin nutzte die Chance und griff mit ihrer linken Hand nach seiner rechten.​
»Hm?«, grummelte der Krieger verwundert.​
»Die Straßen der Stadt werden bestimmt voll sein und ich will dich nicht verlieren.«​
Die Kuhhirtin wusste, dass ihre Begründung nach nichts weiter als einer Ausrede klang, aber gab ihr Bestes, damit sich ihre Stimme nicht überschlug. Hoffentlich kann er meinen Puls durch seinen Handschuh nicht spüren.
»Aber wir sind doch noch gar nicht in der Stadt.«​
»W... Wir müssen uns doch daran gewöhnen.«​
Die Kuhhirtin wandte ihren Blick ab und kratzte sich mit der freien Hand an der Wange. Sie war bestimmt gerade rot wie eine Tomate und sie wollte nicht, dass Goblin Slayer sie so sah.​
»Damit es später reibungslos klappt.«​
»Ach so.«​
Er nickte langsam.​
»Das ist natürlich wichtig.«​
»S... Sag mal ...«​
»Was denn?«​
»Ähm, also ... Wie gefällt dir das Kleid ... ?«​
Eigentlich war alles wie immer. Sie gingen den gleichen Weg in die gleiche Stadt und er war wie immer. Aber sie war heute anders. Außerdem gingen sie Hand in Hand. Nachdem er eine Weile geschwiegen hatte, sagte er:​
»Ich finde, es steht dir.«​
»Hi hi hi ...«​
Dieser Satz allein reichte bereits, um ihr wacklige Knie zu machen. Sie fühlte sich, als würde sie hoch am Himmel schweben. Als sie ein wenig später in der Stadt ankamen, war das Fest bereits in vollem Gange. Musiker musizierten lautstark, Budenbesitzer boten schreiend ihre Waren an und Gaukler riefen Passanten zu, damit jene sich ihre Darstellungen anschauten.​
»Das Fest findet zwar jährlich statt«, die Kuhhirtin drückte Goblin Slayer Handschuh fester und drehte sich aufgeregt zu ihm, »aber es ist immer wieder beeindruckend.«​
»Ja«, antwortete der Krieger nickend. Trotz seines üblichen Aufzugs fiel er zwischen all den sonderlich angezogenen Darstellern und Besuchern kaum auf. Dennoch zog er viele Blicke auf sich. Wahrscheinlich fragten sich viele Leute, warum ein so herausgeputztes Mädchen mit einem so dreckigen Abenteurer unterwegs war.​
Wie sehe ich wohl für andere aus? Amüsiert von all der Aufmerksamkeit ließ das Mädchen ihrer Fantasie freien Lauf. Vielleicht wie eine feine Adlige, die sich mit ihrer Eskorte aus dem Familiensitz geschlichen hat? Nein ... eine Adlige ist etwas übertrieben, oder? Sie war die Nichte - oder vielleicht auch Adoptivtochter des Besitzers eines großen Bauernhofs mit viel Land und der Mann an ihrer Seite war ein bekannter Abenteurer. Natürlich wussten alle, dass sie keine Adlige war, aber ...
»So falsch ist es nun auch nicht, oder?«​
»Was denn?«, fragte Goblin Slayer, als er das Gemurmel seiner Begleitung hörte.​
»Wohin würdest du mich denn zu Beginn eskortieren?«, entgegnete diese mit einem Schmunzeln.​
»Hm ...«, grummelte Goblin Slayer und blieb kurz stehen.​
»Ich habe noch nicht gefrühstückt.«​
»Ach!«​
Sie hielt sich eine Hand vor dem Mund. Erst jetzt fiel ihr ein, dass sie vor Aufregung komplett vergessen hatte, Frühstück vorzubereiten.​
»Wollen wir etwas von den Ständen essen?«, schlug Goblin Slayer vor.​
»Ja, gern!«​
Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil ihr Onkel nichts zu essen bekommen hatte, doch dafür war es jetzt sowieso zu spät. Aber zumindest bei Goblin Slayer wollte sie sich entschuldigen:​
»Es tut mir leid. Irgendwie habe ich das Frühstück komplett vergessen.« »Alles gut ... Solche Dinge passieren eben manchmal.«​
Die beiden liefen weiter und schauten sich ein paar Stände an, bis sie schließlich von ihrem Hunger übermannt wurden und sich für einen entschieden. Ihr spätes Frühstück war ein relativ einfaches Gericht, aber ganz schön teuer. Der Schinken, der in dicke Scheiben geschnitten war, und die heiße gedämpfte Kartoffel schmeckten fantastisch.​
»Ach«, sagte das Mädchen, nachdem sie einen Bissen genommen hatte, »das ist unser Schinken.«​
»Ist das so?«, erwiderte er und stopfte sich selbst einen Bissen durch sein Visier.​
Die beiden mussten immer wieder pusten, um sich nicht die Zungen zu verbrennen und aßen so ihre erste Mahlzeit des Tages. Nachdem sie fertig waren, zerbrachen sie die unglasierten Teller aus Keramik und warfen sie weg. Dann zogen sie weiter über das Fest. Von überall waren lebendige Zurufe zu hören und alle Anwesenden schienen in bester Stimmung zu sein.​
»Hey, ihr beiden! Probiert doch mal meinen Pflaumen-Brandy! Er ist wunderbar süß!«​
Interessiert blieb die Kuhhirtin stehen und schaute sich den Stand des Alkoholhändlers an.​
»Was machen wir?«, fragte Goblin Slayer.​
»Willst du den Brandy mal probieren?«​
»Ja!«, antwortet sie begeistert und nahm sich eins der beiden kleinen Gläser, die ihnen der Budenbesitzer hinhielt. Goblin Slayer nahm sich das andere. Während die Kuhhirtin nur leicht an dem Getränk nippte, um es zu probieren, schüttete Goblin Slayer es in einem Schluck hinunter.​
»Hey! Wenn du so schnell trinkst, bist du bald betrunken«, beschwerte sich die Kuhhirtin.​
»Kein Problem. Brandy macht wach«, erklärte der Krieger.​
»Willst du mir damit sagen, dass du noch nicht richtig wach bist?«​
»Nein, nein, das ist es nicht.«​
»Wirklich?«​
Die leichte Verlegenheit in Goblin Slayers Stimme brachte die Kuhhirtin dazu, leicht zu kichern. Sie freute sich, dass sie es geschafft hatte, ihn ein wenig aufzuziehen.​
»Aber wo wir schon dabei sind, was hast du denn gestern gemacht? Du kamst erst sehr spät.«​
»Es gab da so eine Sache, um die ich mich kümmern musste.«​
Obwohl er damit eigentlich nichts erklärt hatte, gab sich die Kuhhirtin zufrieden und antwortete mit einem einfachen​
»Ach so«.​
»Aber woher weißt du, wann ich zurückgekommen bin? Warst du etwa wach?«​
»Ähm ... Nun ja ... Irgendwie konnte ich nicht schlafen.«​
»Na dann.«​
Schweigend liefen die beiden weiter über das Fest. Sie winkten einem Elfen zu, der Teller in die Luft warf, um sie dann kunstvoll mit Pfeilen abzuschießen. Sie schauten sich die verzierten Kurzschwerter im Laden eines Zwergs an und lauschten einem Rhea- Barden, der eine Heldengeschichte vortrug. Einige Zeit später blieb Goblin Slayer einfach stehen.​
»Hm? Was ist denn?«, fragte die Kuhhirtin und lehnte sich nach vorne, um in sein Gesicht zu schauen, aber natürlich konnte sie wegen des Helms nichts erkennen.​
»Warte kurz«, entgegnete er.​
»Ja ... Okay ...«​
Er zog seine Hand aus der ihren und entfernte sich. Das Mädchen blieb alleine zurück und lehnte sich an eine Mauer, um auf ihn zu warten. Auch wenn sie nicht wirklich traurig darüber war, dass Goblin Slayer sich gerade um etwas anderes kümmerte, musste sie leicht seufzen. Sie war es gewohnt, auf ihn zu warten und war sich sicher, dass sich auch in Zukunft. nicht viel daran ändern würde. In den zehn Jahren seit ihr Dorf überfallen worden war hatten die beiden die Welt durch andere Augen gesehen. Vor fünf Jahren war er an ihre Seite zurückgekehrt, aber was in den vorherigen fünf Jahren passiert war, wusste sie nicht genau. Sie würde ihn zu gerne mal danach fragen, aber sie brachte es nicht übers Herz. Jetzt, wo sie darüber nachdachte, konnte sie sich noch genau daran erinnern, wie sie die Hand ihres Onkels hielt, als die leeren Särge für die Dorfbewohner begraben worden waren. Sie wusste nicht, was genau mit allen anderen Dorfbewohnern passiert war und sie würde es wahrscheinlich auch nie wissen. Auch was mit all den Dingen aus ihrer Kindheit geschehen war, war ein Rätsel für sie. Der Becher, den sie zum Geburtstag erhalten hatte und die Orte, an denen sie mit ihren Freunden gespielt hatte ... Die vielen Erinnerungen, die sie an ihre Kindheit besaß, kamen ihr immer mehr wie Illusionen vor. Was wäre, wenn ich in an jenem Tag auch in dem Dorf gewesen wäre? Mit diesem Gedanken hatte sie im Laufe der Zeit immer wieder gespielt. Hätten wir beide dann das Gleiche erlebt? Wären wir beiden noch am Leben? Wäre ich vielleicht gestorben und nur er hätte überlebt? Oder aber wäre er gestorben und ich hätte überlebt? Nein ... Das wäre die schlimmste aller Optionen ...
»Tut mir leid, dass ich dich warten gelassen habe.«​
Mit diesen Worten riss sie der zurückgekehrte Goblin Slayer aus ihren Gedanken.​
»Nein, ist schon gut.«​
Die Kuhhirtin schüttelte ihren Kopf. Ihr fiel auf, dass er etwas Kleines in der Hand hielt und sie fragte:​
»Was ist das?«​
»Als du klein warst ... hast du solche Dinge doch gemocht, oder?«​
Er streckte seine Hand aus und zum Vorschein kam ein kleiner Ring. Er musste ihn bei einem Kunsthandwerkstand gekauft haben. Er schimmerte silbern, aber es konnte sich unmöglich um echtes Silber handeln. Es war wahrscheinlich nichts weiter als ein Spielzeugring. Die Kuhhirtin musste ungewollt lachen.​
»Ha ha ha ha, ja, als wir noch Kinder waren ...«​
»Ach so ...«, antwortete er ein wenig niedergeschlagen.​
»Ja.«​
Sie nickte kurz und nahm sich den Ring. Er war wirklich nichts weiter als ein billiges Imitat. Noch nicht einmal eine Edelsteinimitation war an ihm angebracht. Nichtsdestotrotz freute sich die Kuhhirtin.​
»Aber ich mag so etwas immer noch.«​
»Ist das so?« Goblin Slayers Stimme klang wieder etwas heller.​
»Ja, wirklich. Vielen Dank.«​
Lächelnd schob die Kuhhirtin den Ring in die Tasche ihres Kleides. Sie umschloss ihn dabei fest mit ihrer linken Hand, während sie mit ihrer rechten nach Goblins Slayers Hand griff.​
»Wollen wir weiter?«​
Lachend zog sie an seinem Arm und auch wenn sie sein Gesicht nicht sehen konnte, war sie sicher, dass auch er gerade lächelte.​
* * *
»Oh, da ist ja der alte Gob-Slay!«, ertönte eine helle Stimme hinter den beiden.​
Während die Kuhhirtin bis gerade noch verträumt darüber nachgedacht hatte, was sie mit dem Ring machen solle, schaute sie sich jetzt um, wer nach ihrem Begleiter gerufen hatte. Ihr Blick fiel auf einen Jungen, der wie ein Abenteurer aussah. Goblin Slayer erkannte sofort, dass es der junge Späher in Begleitung von der Druidin, dem Krieger Lehrling und der Heiligen in Ausbildung war.​
»Was? Alter Mann, bist du etwa mit dem Mädel vom Bauernhof auf einem Date?!«, fragte der Krieger Lehrling mit einem breiten Grinsen.​
»Hey, pass aus, wie du mit ihm redest«, schimpfte die Heilige in Ausbildung mit ihm.​
Gob-Slay.
Die Kuhhirtin musste über diese Verniedlichung des Spitznamens ihres Begleiters schmunzeln. Dann wandte sie sich ihm zu und fragte mit einem Zwinkern:​
»Ein Date? Was denkst du denn?«​
»Es stimmt nicht«, sagte er ganz deutlich. »Ich bin gerade mal zwanzig.«​
»Waaaas?!«, schrien die jungen Abenteurer fassungslos.​
»Nun ja . . . Es ist halt schwer zu erkennen, weil du immer einen Helm trägst«, erklärte die Kuhhirtin, während sie sich darüber freute, dass er ihre Frage nicht verneint hatte.​
»Ich trage ihn, weil es nötig ist«, erwiderte Goblin Slayer barsch.​
Die Kuhhirtin wusste ganz genau, dass er gerade ein wenig beleidigt war.​
»Ähm, könntest du uns vielleicht helfen, Goblin Slayer?«,​
fragte die junge Druidin ein wenig zurückhaltend.​
»Geht es etwa um Goblins?«​
»Nein, gar nicht. Ähm ...«​
Der Späher musste lachen und sagte:​
»Wie kommst du denn darauf? Goblins würden hier doch nicht so einfach auftauchen!«​
»Doch.«​
»Wie bitte?«​
»Goblins könnten hier auftauchen.«​
»Ist das dein Ernst?«​
Die Kuhhirtin musste über das Verhalten ihres Begleiters den Kopf schütteln. Sie entschied sich, einzuschreiten:​
»Gut, dass wir das geklärt haben, aber was wollt ihr jungen Abenteurer denn?«​
Sie hatte sich für ihre Frage etwas vorgebeugt und die Druidin und die junge Heilige schauten neidisch auf ihren sehr beeindruckenden Vorbau. Nachdem sie an sich selbst heruntergeschaut hatten, mussten sie seufzen. Die Kuhhirtin verstand sofort, worum es ging und sagte:​
»Keine Angst. Eure werden auch noch wachsen.«​
»So etwas gesagt zu bekommen ...«​
»Ja, das ist etwas ... Ähm ... Nun ja ....«​
Die beiden Mädchen schauten mit gerötetem Gesicht zu Boden. Die Kuhhirtin tätschelte den beiden den Kopf und fragte erneut:​
»Wobei brauchtet ihr denn jetzt Hilfe?«​
»Ach ja ...«​
Die Mädchen drehten sich um und zeigten auf eine Bude vor einer Kneipe. Vor ihr hatten sich eine Menge Menschen versammelt, die der Reihe nach versuchten, einer Froschstatue aus einer gewissen Entfernung Silberkugeln in den Mund zu werfen. Gerade war ein Betrunkener an der Reihe, der mit einem lautstarken​
»Hey! Ha! Da!« alle Kugeln schnell hintereinander warf, aber mit keiner einzigen treffen konnte.​
Sein Gesicht lief hochrot an und er murmelte:​
»Ach, Scheißdreck!«​
Der Budenbesitzer sammelte mit geübten Handgriffen die Kugeln auf und rief mit lauter Stimme: »Kommt her! Zehn Kugeln für einen Bronzetaler! Ein Bier für einen Treffer! Jungs und Mädels bekommen Limonade!«​
»Wir haben es versucht, aber die Kugeln wollen einfach nicht reingehen«, beschwerte sich der Späher. Angeblich war er mit fünfzehn Abenteurer geworden und war schon ein paar Jahre mit dem Panzerkrieger unterwegs, aber Goblin Slayer war sich relativ sicher, dass er damals bei der Registrierung als Abenteurer bei seinem Alter gelogen hatte.​
»Wahrscheinlich ist das irgendein Betrug«, sagte der Krieger in Ausbildung scherzend, während er einen Bronzetaler zahlte.​
»Red keinen Unsinn, Junge. Du kannst einfach nur nicht werfen«, antwortete der Budenbesitzer und reichte ihm die Kugeln.​
Der Späher und der Krieger in Ausbildung teilten sich die Kugeln, aber keiner der beiden schaffte es, zu treffen.​
»Die beiden sind ganz versessen ...« Die Druidin seufzte. Worauf die Heilige in Ausbildung sagte:​
»Jungs bleiben halt einfach Jungs ...«​
Die Kuhhirtin hörte den beiden gespannt zu und meinte:​
»Ach, so ist das.«​
»Was denn?«, fragte Goblin Slayer.​
»Zeig ihnen doch mal, wie man es macht.«​
»Na gut.« Der Krieger holte einen Bronzetaler hervor und warf ihn dem Budenbesitzer zu.​
»Chef, einmal bitte.«​
Nachdem der Krieger die Kugeln erhalten hatte, ließ er sie knirschend in der Handfläche kreiseln. Dann begann er unvermittelt, eine nach der anderen zielsicher in das Maul der Froschstatue zu werfen. Erst eine, dann zwei, drei, vier, fünf und sechs.​
»Ah!«​
»Wow!«​
Die Kinder hatten ihre Augen weit aufgerissen und einige Schaulustige begannen zu klatschen. Stolz begann die Kuhhirtin zu lächeln. Seht! Er kann mehr als nur Goblins töten!​
Der Budenbesitzer schüttelte seinen Kopf.​
»Mein Herr, könnten Sie sich nicht etwas zurückhalten.«​
»Das geht nicht«, antwortete Goblin Slayer nüchtern.​
»Darin warst du schon als kleiner Junge gut, nicht wahr?«, fragte die Kuhhirtin Goblin Slayer.​
»Ja.«​
In ihrem Dorf hatte es eine Kneipe gegeben, vor der eine Statue einer Göttin mit einem Krug stand. Während der Feste im Dorf war mit dieser ein ähnliches Spiel gespielt worden. Einmal hatte er bei dem Spiel für seine Schwester, die Kuhhirtin und sich selbst drei Limonaden gewonnen.​
Da fällt mir ein, dass er vor dem Fest jedes Mal am Fluss geübt hat, erinnerte sich die Kuhhirtin.​
»Das war wirklich nicht übel! Wollen Sie sechs Limonaden?«, rief eine Bedienung.​
»Ja.« Goblin Slayer nickte und wandte sich dann den jungen Abenteurern zu, »So macht man das. Hier, nehmt ihr die restlichen Kugeln.«​
Der Späher fing die übriggebliebenen vier Silberkugeln auf und fragte: »G... Gibt es keinen Trick?«​
»Genau. Eine spezielle Wurftechnik oder so!«, stimmte der junge Krieger zu.​
»Da hilft nur Übung«, erwiderte Goblin Slayer.​
»Was ...?«​
Die Jungs waren sichtlich enttäuscht, aber die Mädchen begannen, sie anzufeuern.​
»St... Strengt euch an!«​
»Gebt euer Bestes!«​
»Los! Das wird schon!«​
Die Kuhhirtin, die das Ganze beobachtete, dachte erneut über die zehn Jahre nach, die vergangen waren, seitdem das Heimatdorf von ihr und Goblin Slayer zerstört worden war. Natürlich war wichtig, was sie in der Zeit durchgemacht hatten, aber änderte das etwas daran, wer die beiden waren und wie sie zueinanderstanden? Schließlich waren die Wurzeln ihrer Beziehung immer noch die gleichen.​
»Trinkst du eine?«​
»Ja, danke.«​
Goblin Slayer reichte ihr einen kalten Becher. Das Getränk darin war eine Mischung aus Brunnenwasser, Zitronensaft und Honig.​
»Ach, stimmt.« Die Kuhhirtin tat so, als wäre es ihr gerade erst eingefallen. »Da du ihn mir geschenkt hast, willst du mir den Ring nicht anstecken?«​
»Wohin denn?«​
Die Kuhhirtin richtete ihren Blick auf ihre Hände und sagte dann zögerlich: »Au... Auf den Ringfinger ... vielleicht?«​
»Auf welchen?«​
»Auf welchen?« Sie wollte gerne, dass er ihr den Ring auf den linken Ringfinger steckt, aber sie traute sich nicht. Sie atmete tief durch und zog den Ring aus der Tasche: »Auf den rechten ... bitte.«​
»In Ordnung.«​
Etwas grob griff er nach der Hand der Kuhhirtin und steckte ihr den Ring an.​
Sie hielt ihn in die Sonne und betrachtete ihn noch einmal, während er an ihrem Finger schimmerte. Nun ja. Bei der Arbeit werde ich ihn wohl abnehmen müssen. Aber zumindest während des Festes kann ich ihn tragen, dachte sie. Sie nahm einen Schluck von der Limonade und lächelte.​
Im Inneren der Kneipe, vor der Goblin Slayer und die Kuhhirtin sich gerade befanden, saß eine Gruppe zusammen.​
»In keinem Fall kann ich mich für eine von beiden entscheiden«, sagte der Echsenmensch und biss ein Stück von einer gebratenen Wurst ab.​
»Aber ob das alles wohl glatt läuft?«​
»Ach, komm. Die meisten Dinge passen in dieser Welt am Ende doch irgendwie zusammen.«​
Der Zwerg schlug sich zufrieden auf den Bauch.​
»Köstlich!«, rief er, nachdem er einen Schluck von seinem Schnaps genommen hatte.​
»Ich mache mir um jemand anderen Sorgen.«​
Die Elfe wusste ganz genau, dass der Zwerg sie gemeint hatte, aber gerade war sie von etwas anderem noch genervter als von ihm.​
»Hngh...«​
»Was ist los, Langohr?«​
Sie schlug heftig mit ihrem Becher auf den Tisch.​
»Ich hab mich auch an diesem Spiel versucht und keine einzige Kugel rein bekommen!«​
»Nur weil du mit einem Bogen umgehen kannst, heißt das nun mal nicht, dass du eine gute Werferin bist.«​
»Das lasse ich nicht auf mir sitzen! Ich bin eine Hochelfe!«, meinte sie mies gelaunt und trank ihren Becher Limonade in einem Zug aus.​
»Nun ja, jeder hat Dinge, die er besser und schlechter kann«, sagte der Echsenmensch in ruhigem Ton.​
»Aber dass du gegen Bartschneider den Kürzeren ziehst, wurmt dich schon, nicht wahr, Langohr?«​
»Ngh... Mich wurmt das gar nicht!«​
Während sie ihre Zähne zusammenbiss, stieß der Echsenmensch ein amüsiertes Zischen aus.​
Plötzlich wackelten die Ohren der Elfe und sie schaute nach draußen.​
»Oh, wartet.«​
»Was ist denn, werte Waldläuferin?«​
»Hey, sie gehen weiter.«​
Goblin Slayer und die Kuhhirtin entfernten sich von dem Wurfspielstand und redeten miteinander.​
»Sie sagt dass er die Gilden Angestellte grüßen soll ... Er grummelt nur irgendwas ...«​
Auch wenn sie nicht mit ihm unterwegs war, schien die Elfe Goblin Slayers Verhalten zu nerven. Schmollend spielte sie mit ihrem leeren Becher herum. Der Zwerg beobachtete sie dabei und strich sich durch den Bart.​
»Du missbrauchst dein gutes Gehör für ziemlich lächerliche Dinge, Langohr.«​
»Mensch Zwerg, weißt du denn überhaupt nichts über die Kultur der Menschen?«​
Die Elfe lachte überlegen.​
»Wenn man etwas für lächerliche Dinge einsetzen kann, ist das ein Zeichen, dass man davon im Überfluss hat.«​
»Das sollte keine Person sagen, die so konzentriert auf etwas war, dass sie ihren Geldbeutel liegenlassen hat.«​
»Was hat das denn jetzt damit zu tun?«​
»Typisch Elf! Wenn es um die eigenen Fehler geht, lenken sie immer ab!«​
»Das will ich von keinem knauserigen Zwerg hören!«​
Amüsiert kniff der Echsenmensch seine Augen zusammen und schlug mit dem Schwanz auf den Boden. Dann hob er einen Arm, um eine Kellnerin zu rufen.​
»Entschuldigung, werte Bedienung?«​
»Ja!«​
Eine Padfoot Dame kam herangeeilt. Sie besaß neben Händen und Füßen auch die Ohren eines Tieres.​
»Oho!«​
Der Echsenmensch machte große Augen.​
»Arbeitest du sonst nicht in der Gilde?«​
»Ja, aber ich habe mehrere Jobs. Außerdem ist heute das Trinkgeld besonders hoch.«​
»Ich verstehe, gut, dass du auch etwas vom Fest hast.«​
Der Echsenmensch zeigte mit einer Kralle auf die Karte, die an der Wand hing.​
»Ich hätte gerne noch einige von diesen Würsten. Mit extra viel Käse, bitte.«​
»In Ordnung. Ich könnte Ihnen auch Würste mit Kräutern empfehlen.«​
»Oho, mit Kräutern.«​
»Dann gibt es auch noch welche mit Knorpeln ...«​
»So was.«​
»Und welche mit Käsefüllung!«​
»Meine Güte!«​
Die Augen des Echsenmenschen strahlten vor Freude. Es war ein guter Nachmittag für ihn.​


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Edward Teach

Anime-Pirat
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Intermission XII
Wie sich der Oberpriester auf das Fest vorbereitet


»Meine Güte ... Was für niedliche Besucherinnen in unserem Tempel.«​
»Ja, bei dem Ritual des Erntefests ... Ja, wir leihen uns die Kraft der Göttin. Ganz genau.«​
»Gottheit beschwören ist aber nicht das höchste aller Wunder. Man leiht sich damit nur einen Funken der Kraft der Götter aus, um für Fruchtbarkeit und Frieden zu beten.«​
»Ja, daher ist es eine gute Gelegenheit, um Einfluss auf die Astralwelt zu nehmen.«​
»Hey, ruft mal dieses Mädchen her. Ja, genau. Sie ist doch in der Stadt, oder? Ich setze große Hoffnungen in sie. Sie ist fromm, hat einen starken Glauben und kann bereits drei Wunder an einem Tag wirken. Und das, obwohl sie erst auf Obsidian-Rang ist. Deswegen soll sie bei diesem Fest den Tanz übernehmen.«​
»Sie ist ein liebes Mädchen, aber es gibt da ein kleines Problem ...«​
»Wie? Ob sie mit einem Dunkelelfen oder dem Dämonenfürsten zusammenhängt? Die Wiedergeburt eines Tempelmädchens der Antike? Eine unbekannte Herkunft?«​
»Nein, ich glaube nicht ... Sie hat nicht das Zeug für den Platin Rang ... Aber das muss sie ja auch nicht, oder? Entschuldigung.«​
»Jedenfalls ist sie für mich wie eine Tochter. Ja, aber das bleibt geheim.«​
»Aber wie soll ich es sagen ... Das Problem ist eher der Abenteurer, den sie begleitet ...​
»Ob er verdächtig ist? Nein, nicht doch. Der Herr würde niemals einen dunklen Gott oder Ähnliches anbeten. Da bin ich mir sicher. Wenn er Zeit für so was hätte, würde er sie lieber für andere Dinge nutzen.«​
»Wie? Ihr habt auf dem Weg hierher einen seltsamen Abenteurer getroffen? Er wirkte wie ein Untoter?«​
»Ach... Bei den Göttern ...«​
»Nein. Ach, er ist wirklich kein schlechter Mensch.«​
»Nun gut ... Ich habe schon viel von der Erzbischöfin aus der Stadt des Wassers gehört. Wenn ich irgendetwas für Euch tun kann, biete ich Euch natürlich meine Hilfe an, geehrte Heldin.«​


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Edward Teach

Anime-Pirat
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Kapitel 38
Wichtig ist das Lächeln


Zur Mittagszeit war der Platz voller Leute. In seiner Mitte stand eine hohe Säule, die häufig als Treffpunkt verwendet wurde. Inmitten der großen Menschenmenge befand sich eine Frau, die adrett gekleidet auf jemanden zu warten schien. Sie trug eine schmucklose weiße Bluse und einen auf Beweglichkeit ausgelegten Rock. Ihre Haare hatte sie wie immer gemacht, aber die Schleife, die ihren geflochtenen Zopf zusammenhielt, war neu.​
»Oh!«, entfuhr es ihr, als sie sah, wie sich die Person, auf die sie gewartet hatte, durch das Getümmel schob.​
Er sah aus wie immer: Eine dreckige Lederrüstung mit einem Eisenhelm. Dazu ein Schwert und einen Rundschild.​
»Haben Sie am Vormittag Spaß gehabt?«, fragte die Gilden Angestellte, als Goblin Slayer schließlich vor ihr stand.​
»Ja. Tut mir leid, dass du warten musstest.«​
»Ich bin auch gerade erst gekommen.«​
Das war eine Lüge, aber sie wollte es lieber geheim halten, dass sie aus Vorfreude schon ein wenig früher am vereinbarten Treffpunkt gewesen war.​
»Aber ein bisschen schade ist es schon, dass Sie etwas zu spät gekommen sind, Goblin Slayer.«​
»Entschuldigung.«​
»Ach was, vergessen Sie, was ich gesagt habe. Es ist kein Problem, dass Sie zu spät sind«, sagte die Gilden Angestellte und beendete den Satz in ihren Gedanken. Schließlich mag ich es, zu warten.
»Na gut. Wollen wir losgehen?«​
Es hatte einen Grund, warum die Gilden Angestellte sich nicht herausgeputzt hatte. Sie wollte, dass Goblin Slayer erfuhr, wie sie in ihrer Freizeit war. Nicht als Gilden Angestellte, sondern als normale Frau.​
»Haben Sie schon Mittag gegessen?«​
»Nein.«​
Goblin Slayer schüttelte langsam den Kopf.​
»Na gut ...«​
Sie wusste, dass er gerne Eintopf aß, aber es musste eine besondere Art von Eintopf sein, die sie nicht kannte. Da sie hier nicht punkten konnte, entschied sie sich, die Atmosphäre des Fests für sich zu nutzen. Sie lächelte schüchtern und fragte:​
»Wollen wir beim Herumgehen etwas essen? So kriegen wir mehr vom Fest mit.«​
»Meinetwegen.«​
»Dann ist es entschieden!« Die Gilden Angestellte lehnte sich nach vorne und schaute hoch zu Goblin Slayers Eisenhelm.​
»Wo wollen wir zuerst hin?«​
»Hm ...«​
»Gibt es einen Ort, den Sie besonders mögen?«​
Goblin Slayer brummte kurz, während er nachdachte und wandte sich in eine Richtung.​
»Wie wäre es, wenn wir dort anfangen?«​
»Ja, sehr gern!«​
Der Krieger stapfte los und die Gilden Angestellte folgte ihm so nah wie möglich, ohne ihn zu berühren. Am liebsten würde ich seine Hand halten, um ihn nicht zu verlieren. Wobei, mit dem Aussehen würde ich ihn überall wiederfinden.
Die Gilden Angestellte entschied sich, erst einmal damit zufrieden zu sein, dass sie Zeit mit ihm verbringen konnte. Ihr Lächeln wurde immer breiter, während sie ihm hinterhereilte. Sie kauften sich kandierte Äpfel. Es war keine richtige Mahlzeit, aber die Gilden Angestellte würde sich nicht beschweren und sie wusste, dass Goblin Slayer es sicherlich auch nicht tun würde. Gespannt sah sie dem Krieger dabei zu, wie er die Süßigkeit verspeiste, ohne seinen Helm abzusetzen.​
»Hi hi ...«​
»Was denn?«, fragte Goblin Slayer und legte seinen Kopf schief.​
»Ach nichts. Gibt es irgendein Essen, dass Sie nicht mögen?«​
Während Goblin Slayer darüber nachdachte, was er antworten sollte, knabberte die Gilden Angestellte leicht an ihrem kandierten Apfel.​
»Mit Mögen hat es nichts zu tun«, sagte er schließlich.​
»Aber wenn ich kann, vermeide ich Fische.«​
»Fische?«​
»Man kann sie leicht in Flüssen fangen, aber wenn man Pech hat, können sie mit Parasiten befallen sein.«​
Er hielt kurz inne und fügte dann hinzu:​
»Außerdem stinken sie.«​
»Ha ha ha. Ja, das kann ich gut verstehen. Ich habe bereits mitbekommen, wie sich Abenteurer darüber gestritten haben. Ein Mitglied einer Gruppe hatte einen geräucherten Fisch gekauft und der Rest der Gruppe hat sich darüber beschwert, dass er stank.«​
»Ach so«, antwortete ihr Begleiter emotionslos.​
Mal überlegen. Welche Gruppe war es denn? Die Gilden Angestellte wusste nicht mehr genau, welche Gruppe es gewesen war. Wahrscheinlich war sie nur auf der Durchreise gewesen und mittlerweile in einer anderen Stadt aktiv. Zumindest hoffte sie es, denn der Gedanke war einfacher zu verdauen als der, dass die Gruppe komplett ausgelöscht worden war. Sie hatte immer noch Probleme mit der Realität, dass viele Abenteurer nicht von ihren Aufträgen zurückkamen. Nein, ich sollte jetzt nicht darüber nachdenken.​
»Aber immerhin kann man sie gut dazu nutzen, um Goblins aus ihren Nestern zu treiben.«​
Die bitterernste Aussage des Kriegers brachte die Gilden Angestellte zum Lachen. Typisch Goblin Slayer, dachte sie sich. Seitdem sie ihn kannte, war er schon immer so gewesen. Während sie die Straßen der Stadt entlang spazierten, überprüfte er jeden Kanalisationsdeckel und schaute vorsichtig in jede Seitengasse, ob nicht doch irgendwo Spuren oder Anzeichen von Goblin Aktivitäten zu sehen waren. Schließlich kamen die beiden auf eine Brücke, die er natürlich auch überprüfte. Der kühle Herbstwind strich der Gilden Angestellten über die Wangen.​
»Ah ... Das fühlt sich herrlich an.«​
Dann legte sie ihre Hände auf das Brückengeländer und lehnte sich nach vorne.​
»Fall nicht runter«, warnte Goblin Slayer sie.​
»Keine Sorge«, erwiderte sie und drehte sich um.​
Mit dem Rücken an das Geländer gelehnt, schaute sie nach oben in den Himmel.​
»Dieser Fluss mündet irgendwann in ein Meer, oder?«​
»Genau. Er kommt aus den Bergen.«​
»Aber dieser Fluss ist nicht zu vergleichen mit denen in der Stadt des Wassers, oder? Wie war es dort?«​
»Der Aufbau der Stadt ist wirklich kompliziert. Man kann sie gut vor Angriffen von außen schützen, aber wenn der Feind bereits in der Stadt ist, wird es problematisch.«​
»Dementsprechend müssen wir auch aufpassen, dass nie Goblins in diese Stadt kommen, nicht wahr?«​
»Ja, das stimmt.«​
Als die Gilden Angestellte sich erneut umdrehte, um einen Blick auf den Fluss zu werfen, sah sie ein Boot mit zwei ihr bekannten Passagieren. Der eine war eine blonde Frau mit schönen langen Haaren. Sie trug nicht wie üblicherweise ihren Plattenpanzer, sondern ein hübsches Seidenkleid und war leicht geschminkt. Neben ihr saß ein großer Kerl, der ein wenig nervös erschien. Das ist doch Ritterin!
Die Abenteurerin im Boot bemerkte die Gilden Angestellte und legte einen Zeigefinger auf ihren Mund, um zu signalisieren, dass jene das Gesehene für sich behalten solle. Die Gilden Angestellte musste kurz kichern und nickte, um der Ritterin zu bestätigen, dass sie keinem davon erzählen würde. Sie hoffte, dass ihr Date mit dem Panzerkrieger gut laufen würde. Wobei, wie läuft es eigentlich gerade bei mir? Sie wandte sich Goblin Slayer zu und fragte:​
»Sagen Sie mal, Goblin Slayer. Wo wollen wir als Nächstes hingehen?«​
Ohne zu antworten ging der Krieger los und wechselte immer wieder die Richtung. Die Gilden Angestellte lief ihm aufgeregt hinterher. Nach einigen Minuten blieb er auf einer belebten Straße stehen. Sie waren an ihrem Ziel angekommen. Vor ihnen lag die Straße der Straßenkünstler. Viele verschiedene Wesen in aufregenden Kleidern führten den Passanten hier ihr Können vor und erhielten dafür Applaus, Spenden und natürlich auch den einen oder anderen Buhruf. Ein Rhea-Barde streichelte eine Katze, um ihr einen Ton zu entlocken und sprang dann mit einem Purzelbaum auf einen Ball. Während er sein Gleichgewicht hielt, sang er ein merkwürdiges Lied.​
»Das Leben ist ein Würfelspiel. Tagein, tagaus würfelt man, erhält jedoch nichts als Einsen. Irgendjemand meinte mal, das Glück sei gerecht. Jeder lebt und muss irgendwann sterben. Mal weint man und mal lacht man. Doch auch heute zeigen die Würfel nichts weiter als Einsen. Oh, Schlangenaugen, Schlangenaugen. Bitte zeigt mir morgen zwei Sechsen ...«​
Die Gilden Angestellte wandte sich an Goblin Slayer.​
»Wie ist denn heute Ihr Würfelglück?«​
»Das weiß ich noch nicht«, antwortete er.​
»Hm ...«​
Sie legte den Zeigefinger auf ihre Lippen.​
»Eine Verabredung mit einem Mädchen am Morgen und eine am Nachmittag. Ist das nicht eigentlich ein großes Glück?«​
»Ist das so?«​
»Das ist es.«​
Da der Krieger als Antwort nichts weiter als ein​
»Hmpf« von sich gab, wusste seine Begleitung nicht wirklich, was sie erwidern sollte. Sie hatte ihm eine Reaktion entlocken wollen, aber ihr Plan war fehlgeschlagen. Sie murmelte:​
»Also wirklich«.​
Goblin Slayer ließ seinen Blick währenddessen über die verschiedenen Straßenkünstler wandern. Er machte kurz bei einem Gaukler halt, der so tat, als würde er ungeschickt Messer jonglieren, verlor aber direkt wieder das Interesse. Als Nächstes sprang ihm ein Mann, der komplett in einen Mantel gehüllt war, ins Auge. Er machte übertrieben große Armbewegungen und kurz darauf erschien ein winziger Drache in seiner Handfläche.​
»Wow.«​
Die Gilden Angestellte war beeindruckt. Der Künstler ließ den kleinen Drachen in einem Ei verschwinden, das er mit beiden Händen umschloss. Als er seine Hände wieder öffnete, flog eine ausgewachsene Taube heraus. Dann begannen die Finger des Künstlers zu glitzern und er schoss einen Lichtstrahl auf die Taube, die sich dann in blauen Rauch verwandelte. Den Rauch zog der Mann wie ein Tuch an sich heran. In seiner Hand angekommen, verwandelte dieser sich dann in ein Schwert. Er riss seinen Mund weit auf, wirbelte die Klinge herum und ließ sie dann in seinem Hals verschwinden.​
»Wirklich toll, oder? Ich habe nicht gewusst, dass hier jemand so Begabtes sein würde«, sagte die Gilden Angestellte und klatschte begeistert in die Hände.​
»Ist das so?«, erwiderte Goblin Slayer kalt.​
»Mögen Sie so etwas?«, fragte seine Begleitung. Es wunderte sie, dass der Krieger während der Aufführung nicht einmal überrascht gewirkt hatte.​
»Ja.« Goblin Slayer nickte langsam. »Dieser Mann lenkt die Zuschauer mit seinen Bewegungen ab und nutzt den Augenblick dann für seine Tricks.«​
»Ich habe schon mehrmals gehört, dass Ablenkung eine der Grundlagen von Taschenspielertricks ist.«​
»Ja, das stimmt. Er nutzt selbst diesen Fakt aus. Wenn die Zuschauer denken, er will mit seinen Bewegungen ablenken, nutzt er die Bewegungen selbst. Solche Tricks sind eine Art psychologische Schlacht und er ist sehr gut darin. Danke, dass du mit mir zugeschaut hast.«​
Ach, dieser Mann schon wieder. Die Anmeldedame seufzte leicht. Er war ernst, dickköpfig, exzentrisch und verhielt sich ungeschickt. Sie kannte ihn, seit sie als Beamtin in diese Stadt gekommen war. Das war fünf Jahre her. Doch heute wollte sie ihn nicht als Abenteurer, sondern als Menschen kennenlernen. Es war an der Zeit, ihren Plan in die Tat umzusetzen.​
* * *
»Ich würde Ihnen gerne einen Ort zeigen. Wäre das in Ordnung?«​
Der Ort, an den die Gilden Angestellte Goblin Slayer führte, war wie eine Oase der Ruhe inmitten all des Festtrubels. Es war die Gilde der Abenteurer, die für den heutigen Tag geschlossen war. Die Gilden Angestellte schloss die Vordertür auf und betrat zusammen mit dem Abenteurer die große Eingangshalle.​
»Bitte warten Sie hier einen Moment. Ich bin sofort wieder da.«​
»In Ordnung.«​
Es war komisch für Goblin Slayer, diesen sonst so lebhaften Raum jetzt so still zu erleben. Er war schon unzählige Male in alte Ruinen eingedrungen, aber so etwas wie hier hatte er noch nie erlebt.​
»Hm ...«, brummelte der Krieger und beobachtete, wie sein Schatten über die Wände tanzte, während er sich bewegte.​
Da er nicht wusste, was er sonst mit sich anfangen sollte, ging Goblin Slayer zu dem Anschlagbrett mit den Aufträgen. Da die dringenden Aufträge ausnahmslos vor dem Fest erledigt worden waren, hingen dort nur noch kleinere Aufgaben: Beseitigen von Ratten in der Kanalisation, Sammeln von Heilkräutern, Erledigen von Monsterpilzen, Auftreiben von Antiquitäten, Patrouillen, Erkunden einer unerforschten Ruine, Schutz einer Karawane ... Goblin Slayer hatte es sich schon gedacht, aber es gab noch immer keine neuen Goblin Aufträge.​
»Goblin Slayer, ich wäre soweit!«​
Der Krieger drehte sich zu der Gilden Angestellten um. Sie stand hinter der Anmeldung und winkte ihm mit einem Schlüssel in der Hand zu.​
»Hier drüben. Lassen Sie uns gehen.«​
Als die Gilden Angestellte dann hinter dem Tresen verschwand, ließ Goblin Slayer noch einmal seinen Blick über die Anschlagstafel schweifen und folgte ihr dann. Er war mittlerweile fünf Jahre ein Abenteurer in dieser Stadt, aber er war noch nie im Bereich für Angestellte gewesen. Skeptisch fragte er:​
»Ist das überhaupt erlaubt?«​
»Nein, eigentlich nicht«, antwortete seine Begleiterin und wirbelte zu ihm herum.​
Sie streckte ihm leicht scherzend die Zunge heraus. »Aber das hier bleibt ein Geheimnis zwischen uns. Bitte verraten Sie es keinem.«​
»Verstanden.«​
»Wirklich? Ich möchte nicht, dass Sie mich anlügen.«​
»Ja, wirklich.«​
»Dann glaube ich Ihnen.«​
Die Gilden Angestellte drehte sich wieder um und ging weiter. Sie begann, leise ein Lied zu summen, das Goblin Slayer nicht kannte. Ein wenig später erreichten die beiden eine alte Tür, die sie aufschloss. Hinter der Tür lag ein Raum, in dem sich eine Wendeltreppe befand, welche wiederum nach oben führte. Die Gilden Angestellte stand bereits auf der Treppe, als sie meinte:​
»Kommen Sie. Wir müssen hier hoch.«​
Unter Goblin Slayers Gewicht begann die Treppe, quietschende Geräusche von sich zu geben. Die Gilden Angestellte konnte nicht umhin, dies zu kommentieren:​
»So ein Glück. Wenn die Treppe unter mir so gequietscht hätte, wäre ich vor Schock umgefallen.«​
»Ist das so?«​
»Ja, so etwas wäre für Frauen ein riesiger Schreck.«​
Die Gilden Angestellte nickte. Sie schielte leicht über ihre Schulter nach hinten und sagte dann in einem neckischen Tonfall:​
»Hi hi ... Sagen Sie mal, Goblin Slayer. Hätte ich etwas anderes als einen Rock anziehen sollen?«​
Der Abenteurer schüttelte den Kopf.​
»Schau nach vorne. Sonst stürzt du noch.«​
»Würden Sie mich nicht auffangen?«​
»Das tut nichts zur Sache.«​
»Ja, okay.«​
Einen kleinen Augenblick später erreichten die beiden die Spitze der Wendeltreppe, an der sich eine weitere Tür befand. »Bitte warten Sie kurz«, sagte die Gilden Angestellte und schloss das angerostete Schloss auf. »Diesen Ort wollte ich Ihnen gerne zeigen, Goblin Slayer.«​
»Mir?«​
»Ja. Bitte sehr.«​
Sie öffnete die Tür. Sofort blies ihnen der Wind entgegen und das goldene Licht der untergehenden Sonne blendete sie. Sie standen auf dem Dach des Gebäudes der Gilde. Von hier aus hatten sie einen großartigen Ausblick auf die Stadt und ihr Umfeld.​
»Na? Das haben Sie nicht erwartet, oder?«​
Die Gilden Angestellte ging zu einem der Geländer und lehnte sich dagegen. Sie hatte natürlich bemerkt, dass er die Stadt während ihres Spaziergangs über das Fest nach Goblin Spuren abgesucht hatte. Weil sie wusste, dass er so eine Art von Mensch war, hatte sie diesen Ort ausgesucht. Von hier aus würde er die ganze Stadt im Blick behalten können.​
»Beruhigt Sie der Ausblick von hier ein wenig?«​
»Nein.«​
Er schüttelte kurz den Kopf.​
»Ich bin nie wirklich beruhigt.«​
»Ich verstehe«, murmelte die Gilden Angestellte.​
Ihr Zopf schaukelte im Wind.​
»Dabei haben Sie doch schon so viele Goblins vertrieben.«​
»Gerade deswegen.«​
Schweigend beobachteten die beiden das Festtreiben, während langsam die Sonne unterging und die Sterne und Monde ihre Reise durch den Himmel begannen. Nächtliche Kälte legte sich langsam über die Stadt, als die Gilden Angestellte meinte:​
»Schauen Sie. Es geht los.«​
Das goldene Licht war verschwunden und die Stadt versank in Dunkelheit. Zuerst war es nur eine Laterne. Dann zwei. Drei. Vier. Fünf. Schließlich waren es zu viele, um sie zählen zu können. Die vielen Leuchtpunkte spiegelten sich wie Sterne auf der Oberfläche des Flusses wider.​
»Die aufsteigenden Laternen.«​
»Ja. Von hier kann man sie gut sehen. Deshalb wollte ich Ihnen diesen Ort zeigen.«​
»Ach so.«​
Goblin Slayer folgte mit seinem Blick den nach oben schwebenden Lichtern. Obwohl er wusste, wieso sie flogen und dass sie bald wieder vom Himmel fallen würden, empfand er den Anblick als leicht magisch.​
»Goblin Slayer, Sie ...«​
Ein Tschamm. Als würde sich der Klang wellenartig ausbreiten, ertönte in der ruhigen Nacht das Geräusch einer Glocke. Tschamm. Tschamm. Tschamm. Das regelmäßige Läuten der Glocke war ein heiliges Ritual, um die Umgebung zu reinigen. Die Gilden Angestellte und Goblin Slayer suchten nach dem Ursprung des Geräusches und ihre Blicke landeten auf einem Platz, von dem unzählige Laternen aufstiegen. In der Mitte befand sich eine runde Bühne, die von Stühlen eingerahmt war. Um sie herum drängte sich eine Menschenmenge.​
Ach, ist es schon so spät?, dachte die Gilden Angestellte.​
Das Erntefest war auch gleichzeitig der Tag der Weihe. Die Bewohner der Stadt bedankten sich bei der Erdmutter für die reiche Ernte, die es ihnen erlauben würde, über den Winter zu kommen. Leuchtfeuer erhellten den Platz, während ein komplett in weiß gekleidetes Mädchen die Bühne betrat.​
»Oh, Götter, die ihr im Krug der Sternentafel wohnt.«​
Es war die Priesterin. Aber anders als sonst trug sie ein Gewand, das überraschend viel Haut zeigte.​
»Bestimmer über Schicksal und Zufall. Ihr haltet das Würfelglück in Euren Händen.«​
An ihrem roten Gesicht war zu erkennen, dass der Auftritt ihr unangenehm war. Sie schwang einen Flegel, der ihr als heiliges Werkzeug diente.​
»Höchst barmherzige Erdmutter, wir beten dich an.«​
Schweiß lief der Priesterin übers Gesicht.​
Der schwingende Flegel, der ursprünglich ein Feldwerkzeug gewesen war, zog bei seinem Flug durch die Luft ein weißes Band hinter sich her. Die daran befestigen Glöckchen erklangen bei jeder Bewegung. Die Priesterin tanzte einen Tanz für die Götter, bei dem sie nachgeahmt und gleichzeitig geehrt wurden. Eine geistliche Vorführung.​
»Dein Wille soll auch unseren bestimmen.«​
Goblin Slayer erinnerte sich an seine letzte Begegnung mit der Priesterin. Wahrscheinlich war sie an diesem Tag in den Ausrüstungsladen gegangen, um den Flegel und die Kleidung zu bestellen.​
»Unermüdlich widme ich dir meinen Körper.«​
Ihre Worte hallten über den Platz und waren selbst auf dem Gebäude der Gilde gut zu hören. Sie sprach ihr Gebet so laut, damit selbst die Götter im Himmel gar nicht anders konnten, als sie zu erhören.​
»Erhöre mein Gebet!«​
Die Priesterin vollführte eine Götterbeschwörung. Natürlich war es kein wahrhaftiges Wunder, aber man spürte, wie jede ihrer Bewegungen und jedes ihrer Worte die Luft mit einer gewissen Reinheit erfüllten.​
»Ich empfange deine unendliche Liebe.«​
Sie stampfte mit einem Fuß auf die Bühne und die Bewegung entblößte ihre Schenkel. Ihr angestrengter Atem erzeugte weiße Wölkchen und ihr Schweiß glitzerte im Licht der Feuer. Nichts davon wirkte anzüglich, sondern ihrem Auftritt schien vielmehr eine gewisse Heiligkeit beizuwohnen.​
»Lass deinen Willen auf dem Spielbrett wahr werden.«​
»Ich bin überhaupt nicht beruhigt«, murmelte Goblin Slayer, während er seiner Kameradin bei ihrem Ritual zuschaute.​
»Wie?«, fragte die Gilden Angestellte überrascht. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass ihr Begleiter jetzt etwas sagen würde.​
»Egal um wie viele Goblins ich mich kümmere, ich erhöhe damit nur meine Gewinnchancen, aber das heißt noch lange nicht, dass ich auch gewinnen werde.«​
Er hatte ständig das Gefühl, dass die Niederlage ihm im Nacken saß. Das Gefühl war wie sein eigener Schatten, vor dem er auch nicht fliehen konnte. »Deswegen habe ich keine aufsteigende Laterne gebastelt.«​
Er benötigte seine Zeit, um sich auf den nächsten Kampf mit Goblins vorzubereiten. Jede Sekunde, die er auf etwas anderes verwendete, war vergeudete Zeit, mit der er seine Gewinnchancen verringerte. Außerdem wusste er, dass die Laternen, nachdem sie vom Himmel gefallen waren, nichts weiter als Müll sein würden. Trotzdem beschäftigte ihn eine Frage. »Diese Laternen sollen den Verstorbenen den Weg weisen. Ob sie wohl alle sicher zurückgekehrt sind?«​
Die Gilden Angestellte wusste nicht wirklich, ob er überhaupt eine Antwort von ihr erwartete, aber sie konnte nicht anders als zu lächeln und zu sagen:​
»Ja, bestimmt.«​
»Und möge kein Unheil das Gleichgewicht zwischen Ordnung und Chaos auf der Waage des Himmels stören.«​
Die Priesterin warf ihren Kopf nach hinten, um sich ihr Haar aus dem Gesicht zu schütteln. Obwohl sie erschöpft war, sprach sie weiter mit fester Stimme ihr Gebet.​
»Segne den Beschützer der Nacht und schenke ihm Glück. Hoch zu dir im Himmel spreche ich dieses Gebet ...«​
»Sehen Sie.«​
Die Gilden Angestellte zögerte ein wenig, aber sah dann mit einem Lächeln hoch zu Goblin Slayer.​
»Ihre Anstrengungen werden von den Göttern wohl geheißen.«​
Sie war sich sicher. Dieses Fest konnte nur stattfinden, weil er zusammen mit den anderen Abenteurern die Stadt vor der Goblin Horde gerettet hatte. Es war ihr egal, ob es Zufall gewesen war oder nicht, aber er hatte es möglich gemacht. Sie wusste nicht, was ihm widerfahren war, bevor er Abenteurer geworden war, aber sie wusste besser als jeder andere, was er in den letzten fünf Jahren geleistet hatte. Dass er selbst nicht realisierte, was er bereits alles erreicht hatte, war für sie unerträglich. Sie hatte vor seinen Kameraden den ersten Schritt zu dieser Verabredung gemacht und dadurch gelernt, dass sie ihr Ich, dass vorher nichts getan hatte, nicht ausstehen konnte. Ständig hatte sie gedacht: Ich warte. Ich bin hier. Ich unterstütze dich. Ich feure dich an. Ich möchte, dass du mich ansiehst. Ich möchte, dass du mich bemerkst. Ich möchte verstanden werden. Mich. Etwas anderes als Goblins oder deine Kameraden ... Getan hatte sie jedoch nie etwas.​
»Ich glaube fest daran, dass sie sicher heimgekehrt sind«, sagte die Gilden Angestellte mit Überzeugung.​
»Ja ...«, antwortete Goblin Slayer und nickte leicht.​
Das Ende des Rituals läutete auch das Ende des Fests ein. Goblin Slayer und die Gilden Angestellte waren dabei, die Wendeltreppe hinabzusteigen. Da es dunkel war, konnte die Gilden Angestellte nicht sehr viel erkennen und geriet ins Stolpern.​
»Ah, hoppla ...«​
Mit einem »Sei vorsichtig« griff Goblin Slayer ihren Arm und hielt sie fest. Auch wenn es nur eine grobe Berührung war, schlug das Herz der Gilden Angestellten schneller.​
»T... Tut mir leid.«​
»Schon gut ... Es war nicht schlecht.«​
»Was?«​
»Also heute.«​
»Ach ...«​
»So was nennt man einen freien Tag, oder?«​
»Nein, also ... ähm ... Ha ... Hauptsache, es hat Ihnen Spaß gemacht.«​
»Ist das so?«​
Aus Angst davor, dass sie jetzt aus einem Impuls heraus etwas Dummes tun könnte, löste sich die Gilden Angestellte aus Goblin Slayers Griff und eilte zur Tür, die sich im Raum mit der Treppe befand. Sie griff nach der Klinke und drückte sie ...​
»Huch?«​
Ruhig kam Goblin Slayer heran geschritten und fragte:​
»Was ist?«​
»Bilde ich es mir nur ein? Ich dachte, dass ich diese Tür nicht abgeschlossen hä ...«​
Bevor sie ihren Satz beenden konnte, war der Krieger schon in Bewegung. Er sprang nach vorne und griff gleichzeitig nach der Hüfte der Gilden Angestellten, um sie mit sich umzureißen. Direkt danach trat er gegen einen Tisch, der hinter ihnen landete und ihnen Deckung gab.​
»Was zum ...?!«​
Während die Gilden Angestellte noch zu realisieren versuchte, was gerade passierte, bohrte sich eine Klinge mit einem Tock in die schützende Tischplatte.​
»Was ist hier los?!«​
»Halte den Kopf runter und bleib ruhig«, befahl ihr Goblin Slayer und zog sein Schwert. Mit tiefer Körperhaltung verließ er die Deckung und zog den dunkel glitzernden Dolch, den jemand nach ihnen geworfen hatte, aus dem Tisch. Als er seinen Blick durch den Raum schwenken ließ, erkannte er einen Schatten in einer Ecke. Der Schatten huschte hin und her, gab dabei aber kein Geräusch von sich. Er war von kleiner Gestalt, ungefähr halb so groß wie ein Mensch.​
»Ein Goblin?«, murmelte der Krieger.​
Als Antwort erhielt er nur eine Art schlürfendes Geräusch.​
Direkt im Anschluss stürzte der Schatten sich auf den Abenteurer. Er hielt ein Messer in der Hand, das er in schwingender Bewegung auf seinen Gegner herunterrasen ließ.​
Goblin Slayer hob seinen Rundschild und wehrte die Waffe damit ab, aber ein paar Spritzer flogen durch die Luft. Gift? Der Angreifer fiel zu Boden, aber war mit einer flinken Bewegung sofort wieder auf den Beinen. Erneut stürzte er sich auf Goblin Slayer und ließ einen Regen aus Hieben auf ihn niederprasseln. Der Abenteurer wehrte die Angriffe mit seinem Schild ab, während er mit seinem Schwert auf den richtigen Moment wartete. Als er dann schließlich zuschlug, zog der Schatten ein zweites Messer hervor und lenkte damit den Schwertstreich um, sodass er ins Leere traf. Goblin Slayer wurde klar, dass er es mit keinem Anfänger zu tun hatte.​
»Nein ... Du kannst kein Goblin sein.«​
»Go... Goblin Slayer!«, rief die Gilden Angestellte und man konnte deutlich hören, wie der Schatten mit den Zähnen knirschte. Die Augen der Beamten hatten sich langsam an die Dunkelheit gewöhnt, weshalb sie erkennen konnte, dass der Angreifer eine Lederrüstung trug. Außerdem hatte er sein Gesicht mit einem Tuch bedeckt und mit Schminke eingerieben. Ihr kam ein schrecklicher Gedanke.​
»Unmöglich ... Ein Dunkelelf?!​
Der Angreifer hatte sich gerade einige Schritte von Goblin Slayer zurückgezogen und nutzte die Chance, um ein Messer nach seinem Gegner zu werfen. Im nächsten Moment glitzerte etwas in seiner linken Hand, was er auch nach Goblin Slayer warf.​
Wurfpfeile! Der Krieger schaffte es, das Messer mit seinem Schild abzuwehren, doch die Wurfpfeile trafen ihn unvorbereitet an seinem Bauch.​
»Hngh!«​
Goblin Slayer fiel nach hinten und zertrümmerte im Fall einen der herumstehenden Stühle. Um ihn herum stieg eine Staubwolke auf.​
»Go... Goblin Slayer?!«, rief die Gilden Angestellte verzweifelt, aber erhielt keine Antwort.​
»Das kann nicht sein ·.•​
»Natürlich kann das sein!«, brüllte der Angreifer in triumphierender Lautstärke.​
»Geschafft. Ich habe es geschafft! Ha ha ha ha! Das ist ... Das ist alles seine Schuld!«​
Mit wilden Schritten stürmte er zu Goblin Slayer und gab ihm einen Tritt.​
»Der hat immer nur Kleinvieh gejagt! Nur mit Glück ist er zum Silber-Rang aufgestiegen!«​
Immer und immer wieder trat er nach dem Krieger, der leblos am Boden lag. Es war ein unerträglicher Anblick für die Gilden Angestellte. Bis gerade hatten sie doch noch einen wundervollen Nachmittag miteinander verbracht!​
»Hö... Hören Sie auf ...«, sagte sie leise zitternd.​
»Hören Sie bitte auf!«​
»Trotz seines Aussehens hatte er immer Frauen um sich. Das fand ich unerträglich.«​
Der Angreifer drehte sich herum und starrte die Gilden Angestellte wütend an.​
»Außerdem verstand er sich gut mit den Angestellten der Gilde. Das ist doch ungerecht, oder?!«​
Hätte ich lieber nichts sagen sollen? Nein, ich kann nicht zulassen, dass Goblin Slayer so sein Ende findet! Während die Gilden Angestellte verzweifelt darüber nachdachte, was sie tun könnte, tropfte ein Teil des gefährlich aussehenden Gifts auf den Boden. Sollte ich versuchen, nach Hilfe zu rufen? Nein ... Es würde wahrscheinlich eh niemand kommen ...
Sie entschloss sich, zumindest ihren Blick nicht abzuwenden, doch der zornige Blick auf ihrem Gesicht schien dem Angreifer nicht zu gefallen. Wütend brüllte er:​
»Glaub ja nicht, dass du einen einfachen Tod haben wirst!«​
»Ist das so?«, sagte eine kalte, tiefe Stimme hinter ihm.​
»Argh. Hn...nngh?!!«​
Goblin Slayer war aufgestanden und hatte den Angreifer von hinten mit seinem Schwert durchbohrt. Er drehte die Klinge in der Wunde, um die Innereien seines Gegners vollständig zu zerstören. Sein Körper zuckte mehrfach krampfartig zusammen, während er begann, Unmengen an Blut zu spucken. Kurz darauf wich jegliches Leben aus ihm.​
»Hmpf!«​
Goblin Slayer schnaufte kurz und zog seine Klinge aus dem leblosen Körper.​
»Go...«, die Stimme der Anmeldedame zitterte,​
»Goblin Slayer? Sind Sie in Ordnung?!«​
»Ich trage unter der Lederrüstung ein Kettenhemd«, antwortet er emotionslos.​
»Da kommt kein Wurfpfeil durch.«​
Ruckartig griff er die Wurfpfeile, die in seinem Lederwams steckten und warf sie zu Boden. Ein wenig amüsiert fügte er hinzu:​
»Er war ein beweglicher Geselle. Ich musste ihn überraschen.«​
»I... Ich hatte Sie schon für tot gehalten!«​
Augenblicklich bildeten sich Tränen in den Augen der Gilden Angestellten und kurz darauf fing sie bitterlich zu weinen an.​
»Hm ...«, brummte Goblin Slayer kurz und schüttelte Blut von seiner Klinge. »Tut mir leid.«​
»Machen Sie bitte so etwas nie wieder ...«​
»Ich werde es versuchen.«​
Goblin Slayer nickte und löste mit der Schwertspitze die Maske des Angreifers.​
»I... Ist es ein Dunkelelf?«​
»Damit kenne ich mich nicht aus.«​
Schniefend hob die Gilden Angestellte ihren Blick. Der Ursprung der Dunkelelfen war wie bei normalen Elfen der Wald, aber sie hatten sich mit den Mächten des Chaos verbunden. Einige von ihnen waren mit der Zeit zurück an die Seite der Ordnung gekehrt, aber generell konnte man sie als niederträchtiges und ungläubiges Volk ansehen. Äußerlich unterschieden sie sich von normalen Elfen vor allem durch ihre dunkle Haut.​
»Aber das hier ist sicherlich ein Rhea.«​
»Wie?«, fragte die Gilden Angestellte verwundert.​
Goblin Slayer bewegte den Kopf des Angreifers mit seinem Fuß und der Gilden Angestellten wurde bewusst, dass sie ihn kannte.​
»Das ist der Rhea, der bei dem Rangaufstiegsinterview bestraft wurde!«​
Goblin Slayer nickte und sagte:​
»Ich erinnere mich an ihn.«​
»Aber natürlich, Sie haben doch dem Gespräch beigewohnt.«​
»Nein, nicht von dort. Ich habe ihn in einer Schänke mit einer anderen Gestalt gesehen und davor bin ich ihm hier in der Gilde begegnet.«​
»Heißt das etwa ...«​
»Aber um mich zu überraschen hätte er diese Verkleidung nicht gebraucht.«​
Goblin Slayer seufzte. Dieser Angriff konnte vieles bedeuten und darunter war eine Möglichkeit, die ihm gar nicht gefiel.​
»Es könnte sein, dass wir es bald wieder mit Goblins zu tun bekommen. Kannst du gehen?«​
»Ach, ähm ...«​
Die Gilden Angestellte war tatsächlich bis eben starr vor Schreck gewesen, aber sie glaubte, dass sie sich jetzt wieder bewegen konnte. Doch was würde jetzt passieren, wenn sie es verneinte? Würde er dann bei ihr bleiben?​
»Doch ... Es sollte gehen ...«, sagte die Gilden Angestellte entschieden und klammerte sich an einem Tisch fest.​
Goblin Slayer hob die Wurfpfeile auf und wickelte sie in die Maske des Angreifers. Dann steckte er sie sich in seine Tasche. Eines der Giftmesser wischte er an der Kleidung des toten Rhea ab und steckte es in seinen Gürtel. Schnell kontrollierte er seine Ausrüstung und entschied, dass die Stellen, an denen die Wurfpfeile seine Rüstung durchbohrt hatten, kein Problem darstellen würden.​
Er wandte sich an die Gilden Angestellte:​
»Bitte kümmere dich um den Rest.«​
Sie konnte immer noch nicht fassen, wie schnell sich ein großartiger Tag zu einem Desaster entwickelt hatte. Es war wieder an der Zeit, dass er einfach nur der Abenteurer und sie die Gilden Angestellte war.​
»Ja, bitte geben Sie Ihr Bestes, Goblin Slayer!«​
»Das werde ich.«​

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Edward Teach

Anime-Pirat
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Intermission XIII
Wie die Götter eine neue Kampagne erstellen


Jetzt war es geschehen. Ja, selbst die freundliche Göttin Illusion konnte Fehler machen. Sie hatte in einem verlassenen Dorf ein aufgewecktes Mädchen gefunden. Das Mädchen hatte sich in einen Jungen verliebt, der jedoch schwer erkrankt war. Deswegen zog sie an den Strängen des Schicksals, sodass eine Medizin gefunden werden sollte, die die Krankheit heilen würde. Sie führte fähige, vertrauenswürdige Kameraden zu dem Mädchen, um ihm zu helfen. Sie bereitete die Höhlen und Monster so vor, dass das Mädchen sie bewältigen können würde. Alles war perfekt vorbereitet und sie freute sich bereits, dem Mädchen und ihren Kameraden dabei zuzuschauen, wie sie triumphierend den Jungen retten würden. Alles ging seinen Weg und schließlich kam die entscheidende Schlacht. Mit Schwung warf Illusion die Würfel und das Ergebnis ... Es geschah etwas Erstaunliches.​
Die Klingen der Abenteurer schlugen ins Leere und ihre Zauber verpufften, während die Monster nichts anderes als kritische Treffer landeten. In kürzester Zeit waren das Mädchen und ihre Gruppe am Ende. Selbst die Götter konnten die Würfel nicht kontrollieren. Was sie zeigten, war Gesetz.​
Illusion war am Boden zerstört. Sie hatte die Abenteurer verloren, um die sie sich mit solcher Sorgfalt gekümmert hatte. Aber so war es nun mal. Geschichten wie diese kamen häufiger vor und es gab nichts weiter zu tun, als ein neues Abenteuer vorzubereiten. Nichtsdestotrotz ließ Illusion es sich nicht nehmen, ihren Abenteurern ein paar Tränen nachzuweinen. Sie presste ihr Gesicht in ein Kissen und verfiel in Trauer.​
Sie wusste, dass der Gott der Wahrheit jetzt die Situation ausnutzen würde. Er hatte es auf ein Objekt in den Tiefen des Dungeons abgesehen und würde es sich zu Nutzen machen. Es würde der Preis für ein so gut wie unbezwingbares Abenteuer werden. Was für Bosheiten würde er sich diesmal ausdenken? Einen Dämonenfürst? Eine finstere Gottheit? Etwas noch viel Schlimmeres? Nur die besten und erfahrensten Abenteurer würden so einen Auftrag erfolgreich abschließen.​
Als Illusion überprüfte, wie weit Wahrheit bereits mit seinen Vorbereitungen war, erschrak sie. Wer sollte solch ein Abenteuer überstehen können?​


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Edward Teach

Anime-Pirat
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Kapitel 39
Die Kampagne wird umgeworfen


»Wow! Was ist denn mit dem?!«​
»Meine Güte, ist der dreckig.«​
»Hey, ist das nicht Goblin Slayer?«​
»Goblin Slayer?«​
»Ein Spezialist in der Jagd auf Goblins.«​
»Trägt er eine spezielle Rüstung zum Töten von Goblins?«​
»Was? Goblin Slayer?«​
Goblin Slayer rannte an den vielen Besuchern des Fests vorbei, die sich gerade auf dem Nachhauseweg befanden.​
»Goblin Slayer!«, rief eine helle Stimme.​
Der Krieger musste sich nicht extra umdrehen, um zu wissen, wer nach ihm gerufen hatte.​
»Was machst du hier?«​
»Ich hatte eine Art Eingebung!«​
Es war die Priesterin, die immer noch den Flegel bei sich trug. Sie war ganz aus der Puste.​
»Mir wurde gesagt, dass ich zu dir eilen soll, aber warum wohl?«​
»Wegen Goblins«, antwortete eine Gestalt, die lautlos aus dem Schatten hervortrat. Es war die Elfe.​
»Warum sonst würde Orcbolg durch die Gegend rennen?«​
»In der Tat. In der Tat.«​
»T'ja, wir reden hier nun mal von Bartschneider.«​
Auf die Elfe folgten der Echsenmensch und der Zwerg. Alle drei trugen ihre volle Montur und schienen auf einen Kampf vorbereitet.​
»Hm...«​
Goblin Slayer brummte und blieb stehen. Er musterte seine Kameraden.​
»Jetzt wäre eigentlich der richtige Zeitpunkt, um zu fragen, warum wir hier sind oder so!«, motzte die Elfe.​
»Sei froh, dass ich so gute Ohren habe und Leute über dich reden hören hab! Im Austausch für ein richtiges Abenteuer werden wir dir jetzt unter die Arme greifen!«​
Goblin Slayer nickte.​
»Na gut.«​
»Hey! Moment mal! Noch nicht einmal ein Dankeschön?!«​
»Ähm ...«​
Der Krieger zögerte etwas, bevor er nüchtern, aber dennoch deutlich sagte:​
»Tut mir leid. Danke.«​
Die Priesterin musste kurz kichern, bevor sie entgegnete:​
»Mach dir da mal keine Gedanken. Wir sind doch Kameraden.«​
»Ja, das stimmt wohl.«​
Die gewohnt kurze Antwort des Kriegers brachte den Rest der Gruppe zum Grinsen. Sie hatten keine Ahnung, was für eine Herausforderung außerhalb der Stadt auf sie wartete, aber zusammen waren sie bereit, sich der Gefahr zu stellen.​
»Wenn ich kurz das Thema wechseln dürfte, junge Dame. Ist dein Outfit für ein Abenteuer nicht etwas zu verführerisch?«, fragte der Zwerg und fuhr sich grinsend durch den Bart.​
Die Elfe schüttelte resignierend den Kopf und murmelte:​
»Perverser Sack«, während die Priesterin nervös ihren Arm schüttelte.​
»Ähm, also ... I. .. Ich hatte keine Zeit, mich umzuziehen ...«​
»Ich finde, dass dir diese Kleidung unheimlich gut steht.«​
Der Echsenmensch rollte freudig seine Augen.​
»Was denkst du denn, werter Goblintöter?«​
»Nicht schlecht.«​
»W... Was?!«​
Die Priesterin lief sofort hochrot an und auch der Echsenmensch schien über die Antwort des Kriegers überrascht zu sein. Die Elfe setzte einen kritischen Gesichtsausdruck auf und der Zwerg erstarrte vor Schreck.​
»Ich rede von der Situation«, erklärte Goblin Slayer.​
Während der Rest der Gruppe erleichtert ausatmete, blies die Priesterin schmollend ihre Backen auf.​
»Ein Sturm zieht auf«, sagte die Elfe ohne Vorwarnung, woraufhin Goblin Slayer nickte und zu erklären begann:​
»Vom Dach der Gilde konnte ich in allen Himmelsrichtungen Schatten erkennen. Es handelt sich wahrscheinlich um Goblins.«​
Prustend spuckte der Zwerg den Schluck Branntwein aus, den er gerade im Mund hatte. »Was?! Sind dann nicht alle in Gefahr? Die letzte Horde haben wir nur mit der Hilfe anderer Abenteurer besiegt.«​
»Sollen wir schnell einige von ihnen um Hilfe bitten?«, fragte der Echsenmensch.​
»Nein ...«, begann Goblin Slayer.​
Er hatte nachgedacht und sich entschlossen, die anderen nicht mit in diese Sache hineinzuziehen. Er wusste mittlerweile, dass es manchmal notwendig war, um Hilfe zu bitten, aber dieses Mal war es anders als bei dem Angriff des Goblin Lords.​
»Dieses Mal werden wir es alleine schaffen.«​
»Aber Bartschneider ... Wie sollen wir allein gegen solch eine Übermacht ankommen?«, fragte der Zwerg, während er die Katalysatoren in seiner Tasche überprüfte.​
»Auf einer Ebene hätten wir gegen eine Armee aus Goblins tatsächlich keine Chance«, antwortete Goblin Slayer nüchtern.​
»Aber diesmal ist es anders?«​
»Sie haben sich aufgeteilt und greifen nicht gemeinsam an.​
Außerdem habe ich Vorbereitungen getroffen.«​
Die Elfe warf dem Krieger einen misstrauischen Blick zu:​
»Vorbereitungen? Wusstest du, dass sie angreifen würden?«​
»Ich würde auf jeden Fall ein Goblin Nest angreifen, das vom Feiern betrunken und müde ist.«​
»Ach, ich verstehe.«​
Seine Gruppenmitglieder wussten sofort, was er ihnen damit sagen wollte. Als Goblin Slayer dann losrannte, folgte ihm der Rest seiner Gruppe ohne zu zögern. Nachdem sie das große Tor der Stadt durchquert hatten, liefen sie ein Stück die Straße hinunter, um dann einigen Tierpfaden in ein Waldstück zu folgen.​
»Ihr wisst, dass es in letzter Zeit nur wenige Aufträge zum Vertreiben von Goblins gab, oder?«​
»Nein, natürlich nicht. Aber was willst du uns damit sagen, Orcbolg?«​
»Gab es vielleicht nur so wenige Aufträge ... puh ... weil du so viele von ihnen erledigt hast?«, vermutete der Zwerg, der sein Bestes gab, um nicht den Anschluss zu verlieren.​
Goblin Slayer merkte, dass der Schamane bereits aus der Puste war und reduzierte sein Tempo.​
»Nein, das kann nicht sein.«​
»Und ... warum nicht?«​
»Wenn ich ihre Anzahl wirklich so stark reduziert hätte, dann wäre es zu Entführungen von weiblichen Dorfbewohnern gekommen.«​
Um schneller rennen zu können, hatte der Echsenmensch eine niedrigere Körperhaltung eingenommen. Er nutzte seinen Schwanz, um nicht die Balance zu verlieren und vornüber zufallen.​
»Hm ... Wenn es so ist, muss sie wahrscheinlich jemand versorgt haben, oder nicht?«​
»Oh!«, rief die Priesterin erstaunt auf.​
»Das würde auch erklären, warum die letzten Goblins so gut ausgerüstet waren!«​
»Ganz genau.«​
Goblin Slayer nickte. Er wusste, dass Goblins meistens als eine Art Fußsoldaten für die chaotischen Kräfte dienten, weshalb es plausibel war, dass ein anderes Wesen sie befehligte.​
»Ich weiß nicht, wer sie kontrolliert, aber ich habe im Umkreis der Stadt Fallen aufgestellt. Mithilfe dieser werden wir sie erledigen. Ihre Überzahl ist eine der Stärken von Goblins und sie aufzuteilen war ein großer Fehler. Ich werde dafür sorgen, dass ihr Befehlshaber diesen Schachzug bereuen wird.«​
Während die Gruppe weiter rannte, war in der Ferne das erste Grollen eines Gewitters zu hören.​
* * *
Die Goblins marschierten auf die Stadt im Grenzland zu. Eine erste Einheit aus fünfzehn Kämpfern näherte sich ihr aus Richtung Norden und freute sich, dass sie zur Mittagszeit diese Siedlung der Menschen erreichen würden. Monatelang hatten sie sich auf Befehl ihres Anführers zurückhalten müssen, aber endlich war die Zeit gekommen, in der sie sich ihrer Gelüste hingeben konnten.​
»GROOBR ...?«
»GROOB! GOROOBBR!«​
Plötzlich blieb die Gruppe stehen. Sie hatten ein Seil gesehen, das zwischen zwei Bäumen gespannt worden war. Die Goblins schauten einander an und brachen in Gelächter aus. Menschen waren solche Idioten. Einer von ihnen durchtrennte das Seil mit der Spitze seines Speers, worauf ein klapperndes Geräusch im Dickicht zu hören war. Ein anderer von ihnen schaute nach und fand nichts weiter als eine einfache Apparatur aus Seilen und Holzbrettern. Sie wussten, was es war: Ein Alarm. Doch was wollten die Menschen damit ausrichten?​
»GROROBR!!« »GOBRR!«​
Die Goblin Gruppe setzte ihren Marsch fort, ohne zu zögern. Es war nicht mehr weit bis zur Stadt und alle von ihnen grinsten bereits dreckig, während sie darüber nachdachten, was für ein Spaß auf sie wartete. Einer von ihnen stimmte ein schräges Lied an, welches nach und nach alle von ihnen mitsangen. Sie bemerkten dabei nicht, dass sie aus dem Dickicht von Abenteurern beobachtet wurden.​
»Go... Goblin Slayer, sie haben die Falle überwunden ..., sagte die Priesterin nervös.​
»Das ist in Ordnung«, antwortete der Krieger, ohne seinen Blick von den Goblins abzuwenden.​
»Es war sowieso keine richtige Falle, sondern eher ein Lockmittel.«​
»W... Was sollen wir jetzt tun?«​
»Sieh einfach hin und du wirst es verstehen.«​
Kaum hatte er den Satz ausgesprochen, war von irgendwo ein leises Pling zu hören. Es war unklar, ob die Goblins es auch gehört hatten, aber im nächsten Moment flogen einige spitze Pflöcke auf die Goblins zu. Sie waren von dicken Ästen abgefeuert worden, die als gewaltiger Bogen eingesetzt worden waren.​
CENTER]»GROOROB?!« »GOBR?!«[/CENTER]

Wahrend einige Goblins sofort getötet wurden, schrien die schwer verwundeten wie am Spieß. Einige waren unverletzt geblieben.​
CENTER]»GOORB! GOBRR!!«[/CENTER]

Sie stießen wütende, gehässige Schreie aus und rannten los.​
Doch für eine Flucht war es bereits zu spät. Goblin Slayer und der Echsenmensch sprangen aus dem Dickicht hervor und schwangen ihre Klingen.​
»Fürchterlicher Drache, schau mir zu, wie ich meine Feinde niederstrecke!«​
Mit diesem Kampfgebet zerschnitt der Mönch erst die Kehle eines Goblins und riss dann einem weiteren den Bauch auf.​
Nachdem sie alle überlebenden Goblins niedergestreckt hatten, zählte der Echsenmensch die Leichen ihrer Feinde:​
»Vierzehn müssten es sein.«​
»Nein, es sind fünfzehn«, widersprach Goblin Slayer.​
»U. .. Urgh ...«​
Die Elfe saß in einem Baum und stöhnte. Ihr war die Aufgabe übertragen worden, eventuell fliehende Gegner mit ihrem Bogen zu erledigen, aber das war nicht nötig gewesen.​
»Sag mal, wie kommst du eigentlich auf solche Ideen, Orcbolg?«​
»Indem ich darüber nachdenke.«​
»Vielleicht solltest du mal über andere Dinge nachdenken.«​
Mit einem eleganten Satz sprang die Elfe aus dem Baum.​
»Wage es ja nicht, so eine Falle bei meinem Abenteuer einzusetzen!«​
»Hmpf...«​
»Im Notfall heiligt der Zweck eben alle Mittel, Langohr.«​
Vergnügt fuhr der Zwerg sich durch den Bart. Er hatte sich zusammen mit der Priesterin zurückgehalten, um Magie zu sparen. Nachdem er sich die Mechanik hinter der Falle angeschaut hatte, sagte er:​
»Eine einfache Falle, aber äußerst effektiv.«​
»Ursprünglich wurde diese Art von Falle für die Jagd entwickelt«, erklärte Goblin Slayer und warf sein Schwert weg.​
Es war bereits stumpf geworden.​
»Wo hast du so was gelernt?«​
»Meine Schwester hat es mir beigebracht. Mein Vater war Jäger und sie hat es von ihm gelernt.«​
Bei einer der Goblin Leichen fand er ein neues Schwert.​
»Diese Falle hat einen besonderen Kniff, weshalb Goblins sie nicht so einfach kopieren können.«​
»Und, werter Goblintöter, was nun?«, fragte der Echsenmensch, der gerade dabei war, fettiges Goblin Blut von seiner Klinge zu wischen.​
»Ich habe eine Idee«, antwortete der Krieger und wandte sich der Priesterin zu.​
»Bist du fertig?«​
»Äh, j... ja!«​
Sie hatte ein Totengebet für die Goblins gesprochen. Da es noch weitere der kleinen Teufel zu erledigen galt, hatten sie nicht die Zeit, sie zu begraben, aber es störe Goblin Slayer nicht, wenn sie ein kleines Gebet sprach.​
»Weil die Kraft der Erdmutter heute sehr stark ist, denke ich, dass es keine Toten auf unserer Seite geben wird.«​
»Hattest du eine weitere Eingebung?«​
»Nein. Wahrscheinlich wird es bei dem einen Mal vorhin bleiben.«​
Goblin Slayer nickte. Er verstand nichts von ihrem Handwerk, weshalb er einfach akzeptierte, was sie tat. Nachdem die Priesterin Platz gemacht hatte, begann er, die anderen Goblin Leichen nach nützlichen Dingen abzusuchen. Zwischendrin fragte er die Elfe:​
»Kannst du irgendwas hören?«​
»Warte mal ...«​
Die Waldläuferin wackelte kurz mit den Ohren und schloss die Augen. Selbst der Zwerg verkniff sich jeglichen Kommentar, um seine Kameradin nicht zu behindern. Sie hörte den Wind, das Rauschen der Blätter und der Gräser, wilde Tiere und etwas, das nicht in die Natur passte.​
»Es klingt, als wäre eine Gruppe im Westen am nächsten an der Stadt. Darauf folgt eine Gruppe im Osten ...«​
»Und sonst?«​
»Ich mache mir ein wenig Sorgen um den Hügel im Süden ...​
Außerdem scheint es, als würde es bald regnen.«​
Goblin Slayer stöhnte und drehte sich zu dem Echsenmenschen.​
»Was glaubst du?«​
»Das Wetter ist auf der Seite des Feindes. Im Regen kann er ideal seine Spuren verwischen.« Er leckte sich zischend über die Nasenspitze.​
»Wir müssen sie alle vernichten. Wenn nur ein paar von ihnen die Stadt erreichen, haben wir verloren.«​
»Irgendwie bekomme ich bei diesen Regenwolken ein ungutes Gefühl ...«​
Die schmalen Schultern der Priesterin zitterten.​
»Es könnte sein, dass ein Gesandter des Chaos hinter all dem steckt.«​
Sowohl der Elfe, deren Volk fest mit der Natur verbunden war, als auch der Priesterin, die der Göttin der Erde diente, schien unwohl bei der Sache zu sein. Goblin Slayer hing für einen kurzen Moment seinen Gedanken nach. Kann es sein, dass ein Goblin-Schamane hinter allem steckt? Nein ... So einer würde nie solche gewaltigen magischen Kräfte besitzen.​
»Komm schon! Was bringt es jetzt, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, Bartschneider?«, sagte der Zwerg und schlug dem Krieger mit der flachen Hand auf den Rücken.​
»Wir spielen auf dem gleichen Spielbrett wie sie. Lass es uns wie immer angehen!«​
»Ja.«​
Der Zwerg hatte recht. Sie waren in der Unterzahl und es galt zu handeln. Goblin Slayer war dankbar, solch fähige Kameraden an seiner Seite zu haben. Er würde sich bei ihnen für ihre Hilfe erkenntlich zeigen. Auch wenn das hieß, dass er mit ihnen auf ein Abenteuer gehen musste, das nichts mit Goblins zu tun haben würde.​
»Wenn sie sowohl von Osten als auch von Westen kommen, dann wollen sie bestimmt die Stadt in die Mangel nehmen. Wir werden sie auf jeden Fall aufhalten.«​
Während das Donnern des Gewitters durch die Luft hallte, war eine Gruppe von Goblins dabei, aus Westen anzurücken. Plötzlich befahl ihr Anführer, dass sie stehenbleiben sollten. Er hatte gesehen, wie der Helm eines Abenteurers hinter einem Baum hervorlugte. Er rief einen seiner Soldaten zu sich und drückte ihm einen Speer in die Hand. Der Soldat erhielt den Befehl, sich an den Baum heranzuschleichen und den Abenteurer von hinten aufzuspießen.​
CENTER]»GRBB.«[/CENTER]

CENTER]»GOOB!«[/CENTER]
Der Soldat schüttelte unwillig den Kopf, aber ein Tritt in den Hintern bewegte ihn dazu, den Befehl zu befolgen. Vorsichtig näherte sich der Beauftragte dem Baum und holte mit dem Speer aus. Siegessicher stieß er die Speerspitze in Richtung seines Opfers und Pling. Die anderen Goblins der Gruppe waren außer sich vor Freude und kamen herangeeilt, um das Opfer ihres Kameraden zu betrachten und ignorierten dabei vollkommen, dass ihr Artgenosse versuchte, sie zu warnen. Es war kein Abenteurer gewesen, sondern nur eine Attrappe, die Teil einer ausgetüftelten Falle war. Der Angriff des Goblins hatte sie umgeworfen und die Falle damit in Gang gesetzt. Eine Kugel aus Pflöcken sauste aus einem der Bäume heraus und rauschte in die Gruppe der grünen Teufel, um mehrere von ihnen niederzumähen. Obwohl die Goblins ihre Mäuler aufrissen, um zu schreien, war nichts zu hören. Eine menschliche Priesterin war vor ihnen aus dem Dickicht aufgetaucht und hatte das Wunder Stille gewirkt. Blind vor Wut rannten die Monster auf das junge Mädchen zu. Sie wollten ihr die Kleidung vom Leib reißen und solange Spaß mit ihr haben, bis sie schließlich qualvoll sterben würde, doch dann ...​
»?!«​
Plötzlich überschlug sich einer der Goblins und fiel zu Boden. Verwundert blieben einige seiner Kameraden stehen, was sich als Fehler erweisen sollte. Die Elfe, die sich in einem Baum versteckt hatte, nutzte die Chance, um seelenruhig noch ein paar weitere von ihnen mit ihren Pfeilen ins Jenseits zu befördern. Keines ihrer Geschosse verfehlte sein Ziel. Ein Goblin schaffte es jedoch, sich an die Priesterin heranzuschleichen und sprang aus einem Gebüsch neben ihr hervor.​
»Was? Nein!«​
Obwohl dem Mädchen ein ungewollter Schrei entwich, verpasste sie dem Goblin mit ihrem Flegel einen kräftigen Schlag, der ihn zurückschleuderte. Die Elfe reagierte sofort und tötete ihn mit zwei Pfeilen in den Kopf.​
»Puh ... Hach ...«, stöhnte die Priesterin.​
Die Elfe sprang vom Baum herunter und klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter.​
»Das hast du gut gemacht.«​
»Vi... Vielen Dank ..«​
Die Priesterin setzte ein tapferes Lächeln auf, doch ihre zitternden Beine zeugten davon, wie erschöpft sie war.​
»Ach, Mann.«​
Die Elfe begann zu kichern und wuschelte dem Mädchen durchs Haar.​
»Das nächste Mal, wenn er von dir verlangt, dass du den Lockvogel spielst, kannst du ruhig sauer werden.«​
»Das mag sein, aber er hat sich auf mich verlassen...«​
»Orcbolg ist ein unsensibler Trottel. Dem darfst du ruhig mal eine verpassen. Außerdem, wieso verlangt er von uns, dass wir die Leichen zählen? Ist doch egal, wie viele es waren, wenn wir alle erwischt haben oder nicht?!«​
Die Priesterin antwortete nicht auf das Gemecker ihrer Kameradin, sondern hob den Helm auf, den Goblin Slayer für die Attrappe verwendet hatte. Er war alt, mit Rost überzogen und von der gleichen Bauart wie sein jetziger Helm. Wahrscheinlich hatte er ihn früher getragen und für solche Zwecke aufbewahrt.​
»Echt unmöglich«, murmelte sie und strich zart über das kalte Metall. »Einfach nur unverbesserlich.«​
Aber was machte dieser unverbesserliche Mensch jetzt gerade? Natürlich war er auf Goblin Jagd.​
* * *
Ein Kieselstein flog durch die Luft und schlug einem Goblin gegen den Kopf. Er fiel nach hinten um und damit in eine der Fallgruben, die Goblin Slayer vorbereitet hatte.​
»GOROOG?!«​
Die anderen Goblins sahen, wie ihr Artgenosse in der Grube von den am Boden platzierten Pflöcken durchbohrt wurde und starb.​
»GRRROROR!«
»GORRRB!«​
Gruben wie diese waren keine Seltenheit in verlassenen Ruinen und hatten schon manchen Abenteurer das Leben gekostet, aber das wussten die kleinen Teufel natürlich nicht. Trotzdem waren sie nicht dumm genug, einfach weiterzugehen und machten halt. Der Anführer der Gruppe bemerkte die farbigen Steine, die um sie herum lagen und befahl seinen Truppen, sie zu umgehen. Beim ersten Schritt passierte nichts. Auch beim zweiten, dritten und vierten. Aber dann ...​
»GOROOB?!«​
... eine weiterer Goblin fiel in den Tod.​
»GROOROB! GOROBOB!!«​
Der Rest der Gruppe verfiel in Panik. Obwohl dort kein Stein gelegen hatte, war ein weiterer ihrer Artgenossen gestorben. Sie befanden sich mitten auf einer Lichtung voller Fallen und hatten keine Ahnung, wie sie die Todesgruben erkennen konnten.​
»GROB! GOROROB!« »GOOOROBOG!!«​
Ein Streit brach innerhalb der Goblin Gruppe aus. Der Anführer befahl einem Soldaten, weiterzugehen, doch dieser verweigerte den Befehl.​
Goblin Slayer nutzte die Unruhe der kleinen Teufel aus und begann, Steine mit seiner Schleuder zu verschießen. Einige Goblins fielen getroffen auf ihren Hintern und verloren vor Angst fast ihren Verstand. Verzweifelt warfen sie mit ihren Waffen in die Gebüsche, in denen sie die Abenteurer vermuteten, aber sie trafen natürlich nicht. Doch selbst wenn sie in die richtige Richtung geworfen hätten, wären die Geschosse in Goblin Slayers Sandsäcken stecken geblieben.​
»Glaubst du nicht, dass die Elfe hier nützlicher gewesen wäre?«, murmelte der Zwerg und holte seine Schleuder hervor.​
»Nein.«​
Goblin Slayer warf emotionslos einen Stein und sorgte dafür, dass ein weiterer Goblin in eine Grube fiel.​
»Neunzehn ...​
Sie ist nicht besonders widerstandsfähig. Ich will nicht, dass sie in unvorhergesehene Dinge verwickelt wird.«​
»Spielst du damit auf einen Goblin Schamanen an?«​
Der Echsenmensch war dabei, Steine für die beiden zu sammeln und legte sie immer wieder zwischen seine beiden Kameraden.​
»So ist es«, antwortete Goblin Slayer.​
»Hmpf ... Ihre Brust ist zwar flach wie ein Amboss, aber du hast recht. Es würde nicht zu ihr passen, hinter Sandsäcken zu hocken. Sie will schließlich immer in der Gegend herum hüpfen.«​
»Aber es beschäftigt mich«, sagte Goblin Slayer.​
»Meinst du ihren fehlenden Vorbau?«​
»Nein. Ich meine, dass jeweils fünfzehn Goblins aus allen vier Himmelsrichtungen angreifen, aber keiner von ihnen entwickelt ist.«​
»Ja, du hast recht«, meinte der Echsenmensch.​
»Keine Magiewirker, keine Reiter, kein König, keine Schilde aus Fleisch und vor allem greifen sie nicht gleichzeitig an. Es kommt mir so vor, als hätten sie die Verteidigung der Stadt unterschätzt.«​
»Mit der Dummheit der Goblins können wir es nicht erklären, oder?«, fragte der Zwerg.​
»Sie sind dumm, aber keine Idioten.«​
»Das heißt also«, der Echsenmensch wedelte mit seinem Schwanz, »dass ihr Anführer fest davon ausgeht, dass er gewinnen wird, oder?«​
»Davon ist auszugehen.«​
Während sie geredet hatten, waren alle Goblins entweder von einem der Geschosse in eine Grube befördert worden oder aus Panik selbst in eine gerannt. Goblin Slayer richtete sich auf.​
»Kommt, wir müssen uns mit den anderen treffen und die Verteidigung im Süden verstärken.«​
»Bartschneider, liegt im Süden nicht der Bauernhof?«​
»Ja.«​
»Hast du dort auch Fallen aufgestellt, werter Goblintöter?«​
»Nein.«​
»Aber wie willst du dann den Angriff dort zurückschlagen?«, fragte der Zwerg skeptisch.​
Mit kühler Stimme antwortete Goblin Slayer:​
»Sie denken, dass sie die Angreifer sind. Doch da liegen sie falsch.«​
In diesem Moment fiel der erste Regentropfen auf Goblin Slayers Helm. Der Rest der Schlacht würde im Regen geschlagen werden.​


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Edward Teach

Anime-Pirat
VIP
Intermission XIV
Wie sich der Strippenzieher hinterm Meisterschirm verhält.

Es war ein langer qualvoller Kampf gewesen und jetzt lagen sechs zerschmetterte Leichen vor seinen Augen. Nur ihre Ausrüstung erinnerte daran, was sie einst gewesen waren. Die Mädchen waren tapfer gewesen, aber am Ende hatten die Goblins sie doch aufgerieben. Vielleicht hätte ich sie lieber leben lassen sollen?, dachte er, aber dann schüttelte er den Kopf. Was für ein sinnloser Gedanke. Hätte das erste Mädchen nicht einen Schlag gegen den Schädel bekommen, der ihre niedliche Stirn zertrümmert hatte, wäre ganz sicher er selbst dran gewesen. Ob es Schicksal oder Zufall gewesen war, war egal, denn die Götter hatten ihm einen kritischen Treffer geschenkt. Die Umgebung war feucht, es lag ein fauliger, süßlicher Gestank in der Luft und es war dunkel. Für ihn war das sehr angenehm. Die Goblins, die sich vor seinen Augen herumtrieben, waren dumm, aber irgendwie auch niedlich. Obwohl die Abenteurer bis zur heiligen Stätte in der Höhle vorgedrungen waren, hatten die kleinen Teufel sich ihnen mutig entgegengestellt. Das hatten sie jedoch nicht aus einem Gefühl der Treue getan, sondern aus Gier. Er hatte eine Quest. Aus den fernen Tiefen der Dunkelheit hatten die Götter des Chaos ihm eine wichtige Aufgabe anvertraut und er zitterte am ganzen Körper, wenn er darüber nachdachte, was für eine Ehre das war. Es war äußert selten, dass die Götter sich direkt an jemanden wandten und wäre er ein Abenteurer, dann hätte ihn das sicherlich zu so etwas wie einem Helden gemacht. Aber er war ein Anhänger des Chaos und das Quest hatte ihn zu dem mysteriös geformten Schlüssel geführt, den er jetzt in seinen Händen hielt. Jetzt brauchte er nur noch Opfer. Er würde die Goblins losschicken müssen, um sie zu sammeln. Und wenn das nicht reichen sollte, würde er diese Stadt überfallen müssen, in der dieses vollkommen idiotische Fest abgehalten wurde. Vielleicht könnte er sogar einen der lokalen Abenteurer dazu bringen, ihn in seiner Aufgabe zu unterstützen. Schließlich wirkte die Masche mit Geld und Frauen immer bei ihnen. Und wenn er erst mit seinen Goblins in der Stadt war, dann würde er sein eigenes kleines Fest feiern, dessen Höhepunkt die große Opferung sein würde. Bei dem Gedanken daran konnte der Dunkelelf nicht anders, als hämisch zu grinsen ...​


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