[Biete] Goblin Slayer Lightnovel [Deutsch][Kapitel 128/128][Update 01.03.23][PDF: Gesamtausgabe v_0.11.140 ]

Edward Teach

Anime-Pirat
VIP
Kapitel 40
Sieben Kräfte


Während der Regen gegen die Fensterscheibe prasselte, begann der Kanarienvogel zu singen. Die Kuhhirtin saß auf dem Fensterrahmen und strich mit dem Zeigefinger über die Scheibe. Sie seufzte. Gern wäre sie noch länger mit ihm über das Fest gelaufen. Sie sah den Vogel an und sagte:​
»Ich frage mich, was dein Herrchen wohl gerade macht.«​
Das Tier trällerte einfach weiter sein Lied. Goblin Slayer hatte ihn im Sommer von einem Abenteuer mitgebracht und nun wohnte er hier. Er kommt überhaupt nicht heim. Das Mädchen vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. Sie wollte nicht weiter ihr Spiegelbild im Fenster sehen. Immer noch trug sie das Kleid und den Spielzeugring. In der Ferne war das Donnern eines Gewitters zu hören. Gibt es nicht ein Märchen, das besagt, dass das Donnern in Wahrheit das Gebrüll eines Drachens ist? Sie war noch nie einem Drachen begegnet und würde es bestimmt auch niemals. Es donnerte erneut, doch irgendetwas schien komisch an dem Geräusch. Sie hob ihren Kopf und erschrak, als sie einen dreckigen Eisenhelm hinter dem Fenster erkannte.​
»Was?! Wieso?«​
Schnell riss die Kuhhirtin das Fenster auf.​
»Wa... Was machst du denn da draußen im Regen?! Du erkältest dich noch!«​
»Tut mir leid. Weil das Licht brannte, dachte ich, dass du noch wach bist. Ich wollte dir nur sagen, dass ich etwas zu erledigen habe.«​
»Erledigen?«​
»Ich werde am Morgen wieder da sein«, erzählte er nüchtern.​
»Zum Frühstück würde ich gerne deinen Eintopf essen«.​
»Ach.«​
Der Kuhhirtin wurde ganz warm ums Herz. Er hat mir Bescheid gegeben, wann er zurückkommt und zudem will er meinen Eintopf zum Frühstück essen ... Aber wieso freue ich mich so darüber? Bin ich etwa so einfältig? Sie sammelte sich kurz und sagte:​
»Mir bleibt wohl nichts anderes übrig, als ja zu sagen. Aber wenn du dich erkältest, werde ich sauer. Verstanden?«​
»Ja.«​
Die Kuhhirtin nickte. Das Fest war vorbei und sie musste sich damit abfinden, dass sie ihre Gefühle fürs Erste für sich behalten musste.​
»Na gut, gib bitte dein Bestes!«​
»Das werde ich. Du solltest schnell schlafen gehen«, erwiderte Goblin Slayer und drehte sich um.​
Nachdem er einige Schritte gegangen war, hielt er inne und wandte sich erneut seiner Kindheitsfreundin zu.​
»Geh nicht nach draußen und bleib in der Nähe deines Onkels.«​
Kurz darauf verschwand er in der Dunkelheit der Nacht. Die Kuhhirtin hatte ihm bis zum letzten Moment hinterhergeschaut und musste jetzt aus irgendeinem Grund kichern.​
»Dein Herrchen macht manchmal wirklich komische Dinges«, sagte sie und stupste leicht den Vogelkäfig an.​
Der Kanarienvogel protestierte mit einem Piepsen. Vorsichtig zog die Kuhhirtin das Kleid aus und legte es zusammen. Dann schlüpfte sie in ihr Bett. Bevor Goblin Slayer in der Dunkelheit verschwunden war, hatte sie gesehen, wie er begann, ein Fass durch die Gegend zu rollen.​
Was will er wohl damit?
* * *
Der Regen wurde immer stärker und auch der Wind ließ nicht in seiner Intensität nach. Außerdem war es stockduster, weshalb die Sichtverhältnisse alles andere als optimal waren.​
»Hey, Bartschneider! Ich habe Feuer im Ofen gemacht!«, rief der Zwerg, der neben der Räucherei des Hofes stand.​
Goblin Slayer nickte und fragte:​
»Wie sieht es aus?«​
»Es war feucht, aber ein bisschen Magie hat das Problem gelöst.«​
Der Zwerg fuhr sich grinsend durch den Bart. Er war eigentlich ein Meister der Erdmagie, aber als Zwerg besaß er auch eine natürliche Beziehung zum Feuer.​
»Wir befinden uns im Mittelpunkt des Sturms. Das ist von Vorteil für uns, denn der Wind weht in alle Richtungen von uns weg, sagte die Elfe und schnappte sich eine Spinne. Mit ihrer Hilfe spannte sie eine neue Sehne auf ihren Bogen.​
»Gut. Was ist mit den Goblins?«​
Die Waldläuferin spitzte ihre Ohren.​
»Sie nähern sich. Es wird nicht mehr lange dauern.«​
»In Ordnung. Wir müssen uns beeilen. Zwerg, wirke zur Sicherheit einen Zauber, um den Wind noch weiter zu verstärken.«​
»Der Wind ist eigentlich ein Fachgebiet der Elfen, aber ich hätte da eine Idee.«​
»Dann setz sie bitte in die Tat um.«​
Der Zwerg holte einen Fächer aus seiner Tasche hervor und schlug ihn mit einem Klacken auf. Er wedelte ihn durch die Luft und begann, in singendem Ton eine Zauberformel aufzusagen:​
»Sylphen, Sylphen, gebt mir einen Kuss, damit unser Schiff sicher segeln kann.«​
Nichts weiter als ein lauer Windstoß streichelte über die Wangen der Abenteurer.​
Die Elfe lachte und rief: »Du bist so nutzlos, Zwerg.«​
Der Schamane war sichtlich beleidigt und keifte zurück:​
»Hör auf zu lachen, Langohr! Ich hab doch gesagt, dass Wind nicht mein Fachgebiet ist!«​
»Das ist mehr als genug.« Goblin Slayer wandte sich dem Echsenmensch zu. »Wie sieht es mit den Drachenzahnkriegern aus?«​
»Ich muss sie nur noch beschwören, werter Goblintöter.«​
Der Mönch griff in seine Tasche und holte einige Reißzähne hervor, die er auf den Boden warf. Dann legte er seine Hände zusammen.​
»Zerschneidende Klaue meines Vorfahren Iguanodon lvana. Erhebe dich aus dem Boden. Vier Glieder. Zwei Beine.«​
Schaum bildete sich um die Zähne herum und fing an zu kochen. Er wurde mehr und mehr, bis sich schließlich zwei echsenartige Skelettkrieger daraus bildeten - Drachenzahnkrieger.​
»Werter Goblintöter, da ich meine drei Zauber für heute bereits aufgebraucht habe, kann ich die beiden nicht mit Waffen ausstatten. Könntest du mir zufällig weiterhelfen?«​
»Ja, in dem Schuppen dort bewahre ich meine Ausrüstung auf.​
Bedien dich.«​
»Das werde ich tun.« Der Mönch schlug seinen Schwanz freudig auf den Boden und lief mit seinen zwei beschworenen Kriegern zu dem Schuppen.​
Goblin Slayer stellte währenddessen die Fässer auf, die er herübergerollt hatte. Es waren insgesamt drei. Jedes von ihnen war so groß, dass sie dem Krieger bis zur Schulter reichten.​
»Goblin Slayer, ist dir nicht kalt?«, fragte die Priesterin besorgt.​
»Solltest du dir nicht eher Sorgen um dich selbst machen?«, erwiderte er emotionslos.​
Das Mädchen trug immer noch die dünne Kleidung von der Weihe, die mittlerweile vom Regen durchnässt an ihrer Haut klebte. Die Priesterin schämte sich ein wenig, dass so viel von ihrer Haut zu sehen war, aber schüttelte den Kopf.​
»Nein, kein Problem. Ich bin kaltes Wasser von den rituellen Waschungen gewöhnt.«​
»Hast du noch Wunder übrig?«​
»Ja. Ich habe eben Stille gewirkt, aber mich danach ausgeruht. Ich denke, dass ich noch zwei Wunder wirken kann.«​
»Verstanden.«​
Goblin Slayer schlug eines der Fässer mit dem Knauf seines Schwertes auf. Ein fischartiger Geruch verbreitete sich in der Luft.​
Entschlossen griff die Priesterin in das Fass und sagte:​
»Ich werde helfen!«​
Goblin Slayer nickte.​
»Entschuldige. Stopf sie alle in den Ofen hinein.«​
»Verstanden!« Sie holte eine Handvoll sonnen getrockneter Fische aus dem Fass und lief, so schnell sie konnte, zum Ofen.​
»Glaubst du nicht, dass sich das Mädchen kurz am Feuer aufwärmen sollte, mein lieber Bartschneider?«​
»Hey, Zwerg! Was ist mit mir?! Ich bin auch vollkommen durchnässt«, beschwerte sich die Elfe.​
»Sei ruhig! Mit 2.000 Jahren hast du eh die beste Zeit deines Lebens hinter dir! Außerdem ist für euch Elfen der Regen doch ein Geschenk des Himmels! Genieße ihn!«​
»Du hast wie immer keine Ahnung! Selbst wir Elfen mögen es nicht, wenn es kalt ist!«​
Während die beiden sich wie immer stritten, kam der Echsenmensch mit seinen Drachenzahnkriegern zurück. Beim Anblick der beiden Streithähne rollte er vergnügt mit den Augen. Dann wandte er sich neugierig an Goblin Slayer.​
»Goblintöter, was für einen Plan hast du eigentlich diesmal ausgeheckt?«​
»Wir werden sie mit einem einfachen Mittel erledigen.« Er zog sein Schwert aus der Scheide und fuhr gründlich mit einem schmutzigen Lappen über die Klinge.​
»Wir werden sie ausräuchern.«

* * *
Der Dunkelelf, der die Goblins anführte, freute sich über das Wetter. Die Dunkelheit war sein Freund, genauso wie dieser Sturm. Das Donnern des Gewitters klang in seinen Ohren als würden die Götter des Chaos ihn anfeuern. Er trug eine dreckige Lederweste, einen Umhang, der sich mit dem Regenwasser vollgesogen hatte und an seiner Hüfte hing ein Rapier. Wenn seine Ohren und seine dunkle Haut ihn nicht als Dunkelelfen verraten hätten, wäre er sicherlich auch als Abenteurer durchgegangen. In der Hand hielt er eine Statue, die fein verziert war und in ihrer Form an einen Arm erinnerte. Ihre Finger sahen aus, als würde sie nach etwas greifen. Immer wieder saugte sie das Licht der Blitze auf und pulsierte, als wäre sie lebendig. Kein Verteidiger der Ordnung würde es jemals wagen, solch ein Objekt in den Händen zu halten.​
»GOBOR!«
»GROBR!«​
»Hm?«​
Die Goblins waren so dumm, dass sie fast niedlich wirkten. Sie waren als Fußsoldaten ganz nützlich, aber sonst zu nichts zu gebrauchen.​
»Ihr wollt in der Feme Abenteurer gesehen haben? Deswegen braucht ihr doch keine Angst haben.«​
Dem Dunkelelf war klar, dass sie früher oder später auf Abenteurer treffen würden. Schließlich befand sich in der Stadt eine Zweigstelle der Gilde. Jene waren schließlich der Grund, warum er sich entschlossen hatte, nachts anzugreifen. Ruf mit dem Fluch, der in dieser Statue ruht, Hekatoncheir aus dem Altertum herbei! So hatte der Befehl der Götter des Chaos gelautet und der Dunkelelf wollte sie auf keinen Fall enttäuschen. Hekatoncheir war ein fürchterliches Monster mit hundert Armen, das in den Schriften des Chaos Erwähnung fand. Es wurde als Spielfigur für ein göttliches Kriegsspiel erschaffen. Der Dunkelelf wusste von Legenden, die besagten, dass Hekatoncheir den Göttern der Ordnung viel Leid bereitet hatte. Die Arme des Dunkelelfen zitterten, als er darüber nachdachte, wie sein Handeln die Kräfte des Chaos dem endgültigen Sieg näherbringen würde. Eine Sache beschäftigte ihn jedoch zurzeit. Seitdem er den Befehl zum Angriff gegeben hatte, waren keine Nachrichten der anderen Goblin Einheiten mehr bei ihm angekommen. Hatte der aufsässige Abenteurer, dem er die Anweisung gegeben hatte, für Chaos in der Stadt zu sorgen, versagt?​
»Nein!«, schrie der Dunkelelf, um seine eigenen Zweifel wegzuwischen.​
»Die Würfel sind längst gefallen!«​
Er hatte dreißig Goblins unter seinem direkten Kommando, aber sie waren nichts weiter als Kanonenfutter. Genau wie die Goblin Trupps, die aus den anderen Himmelsrichtungen angriffen. Sie sollten das Augenmerk der Abenteurer auf sich ziehen und damit von ihm ablenken. Er würde dann mithilfe der Macht von Hekatoncheir den Sieg an sich reißen.​
»Hmpf!«​
Der Dunkelelf besaß wie normale Elfen besonders scharfe Sinne, weshalb ihm der faulige Gestank als Erstem auffiel.​
»Ein Rauchschleier? Nein, etwa Giftgas?!«​
Schnell bedeckte er seinen Mund, doch für die Goblins war es bereits zu spät. Eine dunkle Rauchwolke verschluckte sie. Sofort fingen die kleinen Biester an zu keuchen und zu husten.​
»Unglaublich, dass Abenteurer zu solch dreckigen Mitteln greifen würden!«​
Doch das war noch nicht alles. Zwei echsenartige Skelettkrieger tauchten auf und begannen, die ersten Goblins niederzumetzeln.​
»Ich dachte, du hättest hier keine Fallen aufgestellt, Bartschneider?« »​
Das ist keine Falle«, sagte er, während er beobachtete, wie die ersten Goblins fielen.​
»Aber ich habe nie behauptet, dass ich keinen Plan habe. Ich versuche, immer vor zubereitet zu sein.«​
Die Gruppe hatte die Drachenzahnkrieger vorgeschickt, weil sie keine Augen und Nasen hatten. Der Rauch konnte ihnen also nichts anhaben und das machte sie zur idealen Vorhut für dieses Szenario.​
»Ja, das stimmt«, murmelte die Elfe, während sie mit einem dünnen Tuch ihren Mund verdeckte.​
»Wenn es um dreckige Herangehensweisen geht, dann bist du immer vorbereitet.«​
Deswegen war er auch der Anführer der Gruppe. Die Elfe war erfahrener und der Echsenmensch besonnener, aber Goblin Slayer hatte immer einen Plan parat.​
»Auf meinem Abenteuer sind solche Methoden verboten, Orcbolg! Ist das klar?«​
»Wieso denn?«​
»Weil sich so etwas nicht gehört!«​
»Ist das so?«​
Die Priesterin musste kichern.​
»Wieso klingst du so enttäuscht, Goblin Slayer?«​
»Wenn der Gegner in der Überzahl ist, sind Taktiken effektiv, die seinen Vormarsch verlangsamen«, erklärte er.​
»Er gerät dadurch in Unruhe und zerbricht sich darüber den Kopf, was als Nächstes kommen wird. Es ist wie bei einem Taschenspielertrick.«​
»Meinst du nicht, dass das ein bisschen was ander ...«​
Der Priesterin blieben die Worte im Hals stecken, als sie etwas bemerkte. Schnell stellte sie sich vor die Gruppe und riss ihren Flegel in die Luft. »Höchst barmherzige Erdmutter. Bitte beschütze uns Schwache mit deiner Erde! Schutzwall!«​
Im selben Moment donnerten Worte der Macht über das Schlachtfeld​
»Omnis ... nodos ... libero!«​
Hunderte gleißend weiße Lichtstrahlen ließen die Rauchwolke verschwinden und zerschmettern die zwei Drachenzahnkrieger. Auch ein verletzter Goblin wurde durch sie von einem Moment auf den anderen in Staub verwandelt.​
Mit einem Pamm knallten einige der Strahlen auf das schützende Wunder der Priesterin und lösten sich in Luft auf. Das Mädchen fiel vor Erschöpfung auf die Knie. Goblin Slayer zerrte sie wieder auf die Beine und fragte:​
»Bist du verletzt?«​
»N... Nein, körperlich geht es mir gut, aber ...«​
Die Priesterin keuchte vor Erschöpfung. »Mir ... bleibt nur ein Wunder übrig ...«​
»Mach dir keinen Kopf.«​
Jetzt, wo die Drachenzahnkrieger zerstört waren und der Rauch verschwunden war, würde es nicht lange dauern, bis die Goblins zum Gegenangriff ansetzten. Der Krieger versuchte, schnell umzudenken.​
»Was denkst du, Zwerg?«​
»Das muss ein Zerfall-Zauber gewesen sein. Beängstigend, aber der Gegner wird ihn nicht mehrfach nacheinander einsetzen können.«​
»Es ist seltsam«, murmelte der Echsenmensch.​
»Wieso die Streitmacht aufteilen, wenn ein so mächtiger Magiewirker dabei ist?«​
»Was mag wohl ihr Ziel sein?«​
Goblin Slayer gab ein tiefes Brummen von sich. Er hatte ein ungutes Gefühl.​
»Uns bleibt nicht viel Zeit.«​
»Eine alte Weisheit besagt: Wenn man in eine Falle tappt, dann muss man sie zertreten.«​
Der Echsenmensch schlug seinen Schwanz mehrmals auf den Boden.​
»Ich bin der Meinung, dass ein direkter Angriff gerade die beste Herangehensweise ist. So zwingen wir den Feind zu handeln.«​
»Ich stimme dir zu«, antwortete der Krieger und wandte sich der Priesterin zu.​
»Ich verlasse mich auf dich.«​
»Jawohl!«​
»Gut, dann legen wir mal los!«​
Goblin Slayer zog sein Schwert und hob seinen Schild. Der Echsenmensch positionierte sich neben ihm. Die Elfe stellte sich hinter die beiden und spannte einen Pfeil in ihren Bogen. Neben ihr stand der Zwerg und machte sich bereit, Zauber zu wirken. Hinter ihnen allen befand sich die Priesterin, die ein stilles Gebet sprach.​
»GROORB?!«​
Goblin Slayers erstes Opfer war ein Goblin, der ihm direkt vor die Klinge sprang. Kurzerhand rammte er ihm sein Schwert in den Schädel und zog es flink wieder heraus. Dann stürmte er weiter. Er schlug einem Goblin mit dem Schild ins Gesicht und durchbohrte mit seiner Klinge die Kehle eines weiteren.​
»Zwei«​
Er ließ das Schwert los und zog blitzschnell die kleine Axt, die in seinem Gürtel steckte. Gekonnt rammte er sie dem Goblin, den er mit dem Schild geschlagen hatte, in den Rücken.​
»Drei«​
Ohne zu zögern warf er die Axt in eine Menge der kleinen Teufel und griff sich einen Goblin Kurzspeer. Zu dem Mönch der Gruppe rief er:​
»Los!«​
Brüllend kam der Echsenmensch heran gesprungen und schwang seine beschworene Klinge wild um sich.​
»Sieh mir zu, fürchterlicher Drache! Diesen Kampf widme ich dir!«​
»GOROR?!«​
Herumfliegendes Blut färbte die Regentropfen rot und die sterbenden Goblins übertönten sich gegenseitig mit ihrem schmerzverzerrten Geschrei.​
»GOBBRO!!«​
Obwohl bereits einige von ihnen gestorben waren, glaubten die Goblins immer noch an die Macht ihrer Überzahl. Sie sahen die weiblichen Abenteurer und die Ideen, was sie ihnen alles antun konnten, motivierten sie.​
»GROBB!!«​
Sie teilten sich auf. Während einige sich dem heranstürmenden Krieger entgegenstellten, machten die anderen sich daran, den Echsenmenschen zu umzingeln. Die Schlaueren unter ihnen versuchten, sich an den Nahkämpfern vorbei zu schleichen, um so an die Fernkämpfer der Gruppe zu kommen. Goblin Slayer hatte sich bereits gedacht, dass sie so vorgehen würden, weshalb im nächsten Moment die Töne einer Flöte zu hören waren.​
»Pazuzu, Kind der Sonne, bring Angst und Schrecken über den Wind herbei!«​
»GORRBGGOOG?!?!«​
Die Goblins zitterten, als sie die schwarze Wolke sahen, die sich vom Himmel auf sie herabsenkte. Ein schwarzer Wirbelsturm aus Insekten fiel über sie her.

»GORGO?!«​
Die Biester wussten nicht, dass es sich um eine magische Illusion handelte und begannen, panisch davonzurennen. Allerdings ... »Gnome, Undine, erzeugt für mich ein wunderbares Kissen!« . . . hinderte sie ein klebriger Morast, der an ihnen heraufstieg,​
daran.​
»GORBO?!«
»GBORBB!«​
Der Echsenmensch begann, die gefangen Goblins in einem wilden Tanz aus Krallen, Kiefer und Schwanz niederzumähen.​
»Vorfahren! Hört ihr mein Gebrüll?!«​
Goblin Slayer nutzte den Moment und stürmte weiter voran. Im Laufen rammte er einem umgestürzten Goblin den Speer in den Rücken und schnappte sich sein Schwert. Dieses warf er direkt darauf nach einem weiteren Goblin, den die Klinge tödlich am Brustkorb erwischte. Der Krieger rammte den toten Goblin mit voller Kraft, woraufhin seine Leiche in eine Gruppe seiner Artgenossen flog und sie umwarf. Einer von ihnen versuchte aufzustehen, doch Goblin Slayer hinderte ihn daran, indem er ihm die Klinge, die er aus seinem toten Kameraden gezogen hatte, quer durch den Schädel stieß. Als Nächstes griff er sich einen Goblin Knüppel.​
»Es ist echt immer wieder ein Fest, Bartschneider bei der Arbeit zuzuschauen«, kommentierte der Zwerg lachend das Geschehen.​
»Nun ja, ohne meine Zauber hätte er es jetzt aber bestimmt nicht so leicht ...«​
Das Ganze war Goblin Slayers Idee gewesen. Er hatte den Zwerg gebeten, die Goblins zu verwirren und dann festzusetzen. Der Schamane hatte den Plan mithilfe der Zauber „Furcht“ und „Schlammfessel“ in die Tat umgesetzt.​
»Pass auf, Langohr. Als Nächstes bist du dran.«​
Vergnügt klopfte der Zwerg der Elfe auf die Schulter.​
»Hey, nicht so doll. Ich kann sonst nicht zielen«, beschwerte sie sich.​
»Was willst du bei der Masse noch zielen? Einfach drauf halten und schießen!«​
»Ihr Zwerge seid echt unverbesserlich. Ohne zu zielen trifft man gar nichts!«​
Die Elfe atmete tief ein und ließ beim Ausatmen einen Pfeil von der Sehne ihres Bogens schnellen. Außer den Göttern konnte den Elfen im Bogenschießen niemand etwas vormachen. Wahrscheinlich hätte die Hochelfe auch ohne Zielen getroffen, aber sie machte keine halben Sachen. Vor allem nicht, wenn Goblin Slayer zur Belohnung mit ihr auf ein richtiges Abenteuer gehen würde. Während die Elfe einen Goblin nach dem anderen aus der Entfernung erledigte, schoss Goblin Slayer wie ein Pfeil durch die Reihen der Gegner. Sein Ziel: der gegnerische Anführer.​
»Argh!«​
Der Dunkelelf konnte nicht glauben, was gerade geschah. Seine Goblins wurden regelrecht abgeschlachtet und einer der Abenteurer stürmte direkt auf ihn zu. Er hatte keine Zeit mehr, einen Fluch zu wirken. Er zog das Rapier und warf die Scheide von sich.​
»Verdammter Mensch!«​
Wie ein silberner Lichtblitz schoss die Waffe nach vorne, doch Goblin Slayer wehrte den Angriff mit seinem Rundschild ab. Sofort schlug der Krieger mit dem Knüppel in seiner rechten Hand zu, wobei er auf den Nacken seines Gegners zielte. Der Dunkelelf rettete sich mit einem geschickten Satz nach hinten.​
»Ts, wer hätte gedacht, dass es in dieser Stadt jemanden gibt, der meine Pläne durchschaut ...«​
»So wie es aussieht, bist du kein Goblin.«​
Nachdem die beiden sich kurz gemustert hatten, fragte der Dunkelelf:​
»Wer bist du?«​
»...«
»Ich weiß, dass die stärksten Abenteurer dieser Stadt den Silber-Rang tragen, aber so jemand würde niemals den Knüppel eines Goblins verwenden.«​
Goblin Slayer ignorierte seinen Kommentar und fragte:​
»Bist du der Anführer?«​
»Ja.«​
Stolz streckte der Dunkelelf seine Brust heraus und rief:​
»Ich bin im Auftrag der Götter des Chaos unterwegs! Auch wenn ihr die Goblins hier erledigt, greifen noch Trupps aus den anderen Himmelsrichtungen an! Ihr werdet nicht so leich ...«​
»Ich habe keine Ahnung, wer oder was du bist. Und ehrlich gesagt ist es mir auch egal«, unterbrach Goblin Slayer ihn. »Aber dank dir habe ich verstanden, dass keine weiteren Goblins angreifen. Anscheinend habe ich dich überschätzt. Der Kampf gegen den Goblin Lord war um einiges umständlicher.«​
»Du verdammter ...«​
Es hatte einige Augenblick gedauert, bis der Dunkelelf verstanden hatte, was der Krieger ihm damit hatte sagen wollen. Mit geschickten Schritten näherte er sich dem Abenteurer und stieß mit seiner Waffe nach vorne. Goblin Slayer versuchte, die Klinge mit seinem Schild wegzuschlagen, doch aufgrund ihrer magischen Fähigkeiten und dem Können seines Gegners rutschte sie am Rand des Schildes vorbei und bohrte sich in seine Schulter. Warmes Blut begann aus der Wunde zu fließen.​
»Ha ha! Du bist zu langsam, Mensch!«​
In einem normalen Zweikampfwaren Menschen Dunkelelfen unterlegen. Sie besaßen die schlechteren Sinne und konnten aufgrund ihrer kurzen Lebensdauer bei Weitem nicht so viel Erfahrung sammeln wie sie. Doch Goblin Slayer war das egal.​
»Ich verstehe. Gegen dich darf ich mich also nicht zurückhalten.«​
Die Wunde war nicht lebensgefährlich und auch der Schmerz war erträglich. Er hatte also noch eine Chance.​
»Hast du lächerlicher Mensch denn noch nicht genug?!«​
»...«
»In Ordnung. Dann werde ich dir zeigen, dass ich viel mächtiger als ein dreckiger Goblin bin!«​
Der Dunkelelf streckte die Statue in seiner linken Hand in die Luft. »Oh, Herr dieses Arms! Kronprinz des Sturms! Lass deinen Wind wehen! Beschwöre einen Sturm! Schenke mir deine Kraft!«​
Der Körper des Dunkelelfen begann zu knacken und zu knirschen. Er blähte sich auf und etwas brach aus seinem Rücken heraus. Es waren Arme. Fünf Stück, um genau zu sein.​
»Hm ...«
»Ha ha ha ha! Da bleiben dir die Worte im Hals stecken, nicht wahr, du erbärmlicher Mensch?!«​
Die Art, wie die Arme sich bewegten, erinnerte Goblin Slayer an die Beine einer Spinne. Die Augen des Dunkelelfen leuchteten rot, während er sich nach vorne neigte, um sich auf den Abenteurer zu stürzen.​
»Sind dem Dunkelelfen gerade fünf Arme aus dem Rücken gewachsen!?«, rief die Elfe, während sie einem heraneilenden Goblin einen Pfeil in den Kopf schoss.​
»Das passiert nicht einfach so!«, erwiderte der Zwerg, der eine Axt gezogen hatte und zusammen mit der Waldläuferin und dem Echsenmenschen die letzten übriggebliebenen Goblins erledigte.​
»Das muss bösartige Magie sein!«​
»Macht euch keine Sorgen, werte Kameraden.« Der schuppige Mönch hatte bereits ein siegessicheres Grinsen auf dem Gesicht.​
»Goblintöter wird sicherlich damit klarkommen.«​
* * *
Goblin Slayer gab sein Bestes, um im Kampf mit dem Dunkelelfen und seinen sieben Armen nicht unterzugehen. Er blockte mit seinem Schild einen Angriff von links, schlug mit dem Knüppel zu und wich der nächsten Angriffswelle mit einem Satz nach hinten aus. Da sein Gegner als Nächstes einige seiner Arme von oben auf ihn heruntersausen lassen wollte, rollte er nach vorne und versuchte mit dem Schwung der Bewegung einen Angriff auf seine Brust. Der Dunkelelf wich der Attacke aus, indem er zwei seiner neuen Arme auf den Boden und sich selbst einige Schritte nach hinten schleuderte.​
»Was ist mit dir, Mensch? Aus der Entfernung wirst du mich mit deinem Knüppel niemals erwischen!«​
Goblin Slayer wusste das selbst nur zu gut, weshalb er auf seinen Gegner zustürmte und murmelte:​
»Große Objekte geben bessere Ziele ab!«​
Im selben Moment ließ die Hochelfe einen Pfeil von der Sehne ihres Bogens schnellen. Pfeifend raste er auf die Stirn des Dunkelelfen zu, als plötzlich ...​
»Was?!«​
... eine weiße Hand aus dem Nichts auftauchte und sich das Projektil schnappte. Sie war transparent und bewegte sich mit unmenschlicher Geschwindigkeit. Sie zerbrach den Pfeil wie einen Zahnstocher und löste sich in Luft auf.​
»Was zum Teufel war das?!«, schrie die Elfe erstaunt.​
Der Zwerg wurde ganz bleich im Gesicht. »Das kann nur heißen, dass er ein Beschwörer ist ...«​
Dass der Dunkelelf in der Lage war, ein Wesen aus dem Zeitalter der Götter zu beschwören, machte ihn zu einem gefährlichen Gegner, der einem Silber-Rang-Abenteurer in nichts nachstand.​
»Heißt das, dass deine Pfeile nichts gegen ihn ausrichten können, werte Waldläuferin?«​
Der Echsenmensch hatte gerade dem letzten Goblin den Kopf abgeschlagen.​
»Ich weiß auch nichts Genaueres, erwiderte die Elfe und wackelte unsicher mit den Ohren, »aber mein Großvater hat mir Geschichten von ähnlichen Dämonen erzählt ...«​
Wäre dieser Satz von einem Menschen gekommen, dann wären die Geschichten nichts weiter als Märchen gewesen, aber der Großvater der Elfe hatte die Kriege im Zeitalter der Götter selbst miterlebt. Er hatte ihr erzählt, dass sie nicht mit Pfeilen zu bezwingen waren.​
»Verdammt. Es wäre ja jetzt auch zu einfach gewesen, wenn wir ihn mit einem Pfeil hätten erledigen können ...«​
Der Zwerg schnalzte mit der Zunge.​
Zum gleichen Zeitpunkt entwich dem Dunkelelf ein erstauntes​
»Oho?«.​
Goblin Slayer hatte den Knüppel weggeworfen und ein Schwert mit dreckiger Klinge gezogen.​
»Glaubst du wirklich, dass du mich mit einem Schwert verletzen kannst?«​
»Nein«, antwortete der Krieger seelenruhig, während er eine tiefe Kampfhaltung einnahm und die Spitze der Waffe auf seinen Feind richtete. »Ich glaube, dass ich dich damit töten werde.«​
»Was bildest du dir ein?!«, schrie der Dunkelelf empört und ließ seine neuen Arme auf Goblin Slayer zurasen.​
Der Krieger schmiss sich nach vorne und tauchte so unter den Armen hinweg. Er rollte sich ab und befand sich direkt vor seinem Gegner.​
»Glaub ja nicht, dass du mich mit solch lächerlichen Versuchen bezwingen kannst!«​
Der Beschwörer ließ sein Rapier hervorschnellen, doch Goblin Slayer schaffte es diesmal, die Klinge mit seinem Schild wegzuschlagen. Er nutzte die Lücke in der Verteidigung seines Gegners und stieß sein Schwert mit einem Ausfallschritt nach vorne. Sein Angriff schaffte es zwar, den Brustpanzer des Dunkelelfen zu zerkratzen, doch dieser rettete sich mit einem Satz nach hinten vor schwereren Verletzungen.​
»Du bist zu schwach, um gegen mich anzukommen!«, verspottete der Beschwörer den Abenteurer.​
»Sowieso siehst du für mich wie jemand auf Rubin-Rang ... Nein, eher wie jemand auf dem Smaragd-Rang aus!«​
»Mir egal«, Goblin Slayer schüttelte den Kopf.​
»Den entscheidenden Schlag wird dir jemand auf Obsidian-Rang verpassen.«​
»Höchst barmherzige Erdmutter. Schenke uns, die durch die Dunkelheit irren, dein heiliges Licht!« Die Priesterin bat die Erdmutter um ihre Unterstützung und die Göttin gewährte sie ihrem geliebten Kind. Ein gleißender Lichtstrahl erschien aus der Spitze des Flegels der Priesterin und strahlte dem Dunkelelf direkt in die Augen. Schreiend hielt er sie sich zu, um nicht zu erblinden.​
Ich verlasse mich auf dich. Dies waren Goblin Slayers Worte an sie gewesen und das Mädchen war sich sofort bewusst gewesen, was der Krieger von ihr wollte. Sie war ihm gefolgt und hatte auf den richtigen Moment gewartet, um ihn mit ihrem Wunder Heiliges Licht zu unterstützen.​
»Goblin Slayer!«​
Ohne auch nur einen Moment zu zögern, schlug der Krieger mit seinem Schwert zu. Es war ein einfacher Angriff. Und er traf. Die Klinge zerschmetterte den Brustpanzer des Dunkelelfen und verwundete ihn leicht, aber das würde reichen.​
»U... Uwargh ... D ... Du dreckiger Mensch!«, schrie der Dunkelelf und sprang nach hinten, um Abstand zu den Abenteurern zu gewinnen.​
»Ich werde die Kraft des Riesen Hekatoncheir nutzen und diesen gesamten Landstrich in Schutt und Asche verwandeln!«​
Es machte ihn wahnsinnig, dass solch eine lächerliche Gruppe es geschafft hatte, ihn in die Ecke zu drängen und sogar zu verwunden. Ich werde die Männer zu Goblin Futter verarbeiten und den Frauen die Arme und Beine abschlagen, um sie dann zum Spielzeug für meine Untertanen zu machen.​
»A... Argh ... Urgh ...«​
Plötzlich fiel der Dunkelelf auf die Knie. Sein Körper wollte ihm nicht mehr richtig gehorchen. Verzweifelt dachte er nach: Hat die Beschwörung mich all meine Kräfte gekostet? Nein ... Das kann nicht sein ... Sie sollte mich doch eigentlich stärker gemacht haben! Hat es mit dieser Wunde zu tun? Sie war doch eigentlich viel zu ...
»Es ist Gift«, unterbrach Goblin Slayer seine Gedanken.​
Er griff in seine Tasche und warf dem Dunkelelf ein dreckiges Bündel vor die Füße. Dieses enthielt das Tuch, mit dem der Krieger sein Schwert eingerieben hatte, und die Wurfpfeile des Rhea.​
»W... Was fällt dir ein ... Du ... Du ... Verdammt sollst du sein!«​
Blut begann aus den Körperöffnungen des Dunkelelfs zu quellen. Sein Gesicht war vor Schmerz und Wut verzerrt und er schaffte es nur unter Aufwendung all seiner Kraft, sich wieder aufzurichten. Wenn er hier schon sterben sollte, dann würde er die Abenteurer mit in den Tod reißen.​
»Omnis ...«​
»Oh nein ...«​
Die Priesterin hatte soeben ihr letztes Wunder verbraucht und sie würde sich und ihre Kameraden nicht vor dem Zauber des Dunkelelfen schützen können.​
»Jetzt können wir ihn bestimmt treffen!«, rief die Elfe und zog drei Pfeile aus ihrem Köcher, die sie alle gleichzeitig abfeuerte.​
Entgegen ihrer Erwartungen schützten die wolkenartigen Arme ihren Beschwörer jedoch immer noch und ihre Pfeile wurden aus der Luft geschlagen. Die Waldläuferin knirschte mit den Zähnen.​
»Mit Steinhagel kann ich nicht genau genug zielen! Mach irgendwas, Langohr!«​
»Ja, ja! Ich bin dabei!«​
Sie schoss einen Pfeil nach dem anderen ab, aber alle wurden von den aus dem Nichts auftauchenden Hände aufgehalten.​
»Uns bleiben auch keine Zauber übrig!«​
Schrill hallte die Stimme des Dunkelelfen über das Schlachtfeld:​
»Nodos ...«​
»Wir haben keine Zeit!«, rief der Echsenmensch panisch.​
Die Blicke der Gruppe fielen auf ihren Anführer.​
»Goblin Slayer!«​
»Schützen diese Arme ihn vielleicht nur vor Pfeilen?«, murmelte er.​
Dank ihrer hervorragenden Ohren hörte die Waldläuferin seine Worte und rief:​
»Mein Großvater hat mir dazu ein Sprichwort beigebracht: Keine Pfeilspitze wird meine Haut durchbohren. Meine Hände werden jeden Pfeilschaft erwischen.«​
»Ich verstehe. Also schützen sie ihn wirklich nur vor Pfeilen.«​
Der Krieger nickte der Priesterin zu und machte einen Schritt nach vorne. Strahlend weißes Licht bildete sich bereits zwischen den Händen des Dunkelelfen, als Goblin Slayer sein Schwert zurück in die Scheide steckte und einen zweiten Schritt machte. Mit einem dritten Schritt drehte der Krieger leicht seine Schulter.​
»Libe...«, bevor der Dunkelelf seinen Zauber vollenden konnte, flog seine linke Hand davon.

»Hng ... Aaaargh!«​
»Nicht schlecht«, sagte der Krieger nüchtern. Er hatte das südländische Wurfmesser verwendet und war beeindruckt von seinen Eigenschaften. Er hatte es in einer geraden Linie geworfen und es war noch ein ganzes Stück weitergeflogen, nachdem es die Hand seines Gegners abgetrennt hatte. Mit stapfenden Schritten ging der Krieger zu der Statue, die jetzt im Dreck lag. Knirschend zertrümmerte er sie unter seinem Stiefel.​
»A... Argh ... M ... Mein Arm ... Heka ... toncheir ?! Esw . waren nicht genü ... gend O ... Opfer ... Die Goblins waren ... auch ... nutzlos!«​
Der Körper des Dunkelelfen verkrampfte sich vor Schmerzen und er fiel zu Boden wie ein nasser Sack. Mit seinen schwindenden Sinnen konnte er gerade noch wahrnehmen, dass der Krieger in billiger Rüstung zu ihm kam. »Wa... Warst du es etwa ...? Der A ... Abenteurer der in der Stadt des W Wassers ... unsere Ambitionen ... zerschlagen hat!«​
Er hätte es früher bemerken müssen. Die Pläne von ihm und seinen Kameraden konnten nicht nur von der Heldin allein zerschlagen worden sein.​
»Das spielt keine Rolle«, antwortete der Krieger emotionslos.​
Er war nur hier, weil sie alle ihn unterstützt hatten. Nicht nur die, die heute mit ihm auf dem Schlachtfeld gestanden hatten, sondern auch viele weitere. Das alles hatte nichts mit Zufall oder Schicksal zu tun, sondern mit seinem und ihrem Willen.​
»Denn ich bin Goblin Slayer.«/JUSTIFY]​
 

Edward Teach

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Intermission XV
Wie die Heldin ihren ersten Zug macht.


Was für ein aufregendes Abenteuer mit vielen interessanten Wendungen! Allerdings war das mit den Überbleibseln der Anhänger des Dämonenfürsten ein wenig nervig. Ich wusste nichts Genaues, aber sie hatten so einen komischen Windriesen beschwört. Zum Glück hatte die Erzbischöfin uns erlaubt, das Ritual des Erntefests zu benutzen. Es war an der Zeit, ihm gegenüberzutreten, auch wenn wir nur Astralkörper waren. Zum Glück hatten wir aber immer noch unsere Ausrüstung bei uns.​
Er stand vor uns und war fast so groß wie ein Berg. Mit seinen vielen Armen sah er irgendwie aus wie ein Tausendfüßler, an dem ein riesiger Mensch hing ... Oder so in der Art.​
»Wenn man einem Gegner als Astralkörper gegenübersteht, muss man sich erst mal an dieses Schwebegefühl gewöhnen.«​
Mann ... Die hatte Nerven. Sie war Schwertkämpferin, aber hatte so einen gewaltigen Busen. Sie sollte mir ein wenig was davon abgegeben! Zumindest während der Zeit, in der wir Astralkörper waren!​
»Warum hab ich das Gefühl, dass du mich anstarrst?«​
Hoppla! Das ging nicht. Ich durfte hier nicht meine Gefühle zeigen! Ich sollte lieber wie die Priesterin von dem Ritual sein und würdevoll meine flache Brust akzeptieren! Wobei ... Konnte sie nicht zu den Göttern Kontakt aufnehmen und sich eine größere Brust wünschen?​
»Pah! Das bildest du dir nur ein!«​
»Hey ihr beiden! Wir haben hier gerade ein anderes Problem!«​
Wir befanden uns an einem Ort, der sich Astralebene nannte. Sein Licht entsprach den Gefühlen der Wesen in der anderen Welt und gerade war er mit hellem, warmem Licht gefüllt. Warum? Weil die Bewohner der Stadt so viel Spaß während des Fests gehabt hatten! Hach, es war aber auch großartig gewesen. Diese Eiscreme hat voll süß geschmeckt. Und auch das Spiel hat Spaß gemacht. Leider habe ich keine Limo gewonnen, aber das war schon in Ordnung. Vor allem diese Laternen zum Schluss waren super! Nächstes Jahr wollte ich definitiv wiederkommen und genau deswegen mussten wir dieses riesige Biest vor uns besiegen.​
»Hey, ist das überhaupt Hekatoncheir? Soll der nicht nur hundert Arme haben? Der hier hat bestimmt tausend!«​
»Das mit den hundert Armen sagt man nur so.«​
»Voll der Beschiss!«​
Was für eine Frechheit! Hatten die Götter mich etwa angelogen, als sie mir diesen Auftrag erteilten? Das Vieh sieht irgendwie voll stark aus.​
»Manchmal lande auch ich keinen kritischen Treffer ...«​
»Du hast gut reden. Du stellst doch jedes Mal einen neuen Rekord für den meisten Schaden auf!«​
Nun ja, ich hatte genug gemeckert. Ich griff zu meinem heiligen Schwert. Auch heute würde ich wieder die Welt vor den Mächten des Chaos beschützen. Zeit für meinen Endkampf- Blick.​
»Es geht looooos! Die Heldin ist da!«​


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Edward Teach

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Kapitel 41
Last uns ruhige Tage feiern.


Auch wenn die Tage kürzer geworden waren, waren die Sonnenstrahlen zur Mittagszeit immer noch warm. So warm sogar, dass man zu einem kleinen Nickerchen im Gras verleitet werden konnte. Die Kuhhirtin musste kurz gähnen und lächelte den Mann, der seinen Kopf in ihren Schoß gelegt hatte, an.​
»Ach, das ist wirklich angenehm.«​
»Hm ...«​
»Habe ich dir wehgetan?«​
»Nein, aber ich weiß nicht, was das soll.«​
»Lass mich doch. Ich wollte es halt machen.«​
Mit der einen Hand strich die Kuhhirtin durch Goblin Slayers Haar, während sie das Ohrstäbchen in der rechten Hand vorsichtig bewegte.​
»Hi hi hi ... Jemanden die Ohren sauber zu machen, ist ganz schön spaßig.«​
Ihr Kindheitsfreund schwieg und genoss den Moment. Ein kühler Wind kam aus Richtung der Stadt und strich den beiden über ihre Haut. Er trug den Geruch der Blüten der Goldenen Duftblüte mit sich. Seitdem Goblin Slayer am frühen Morgen zurückgekommen war, hatte er nichts erzählt. Die Kuhhirtin hatte von einigen Reisenden gehört, die am Hof vorbeigezogen waren, dass sie Goblin Leichen am Rand der Straße gefunden hatten. Einige niederrangige Abenteurer hatten sie wohl kurz danach weggeschafft.​
Die Kuhhirtin seufzte.​
»Also heißt es ab heute wieder zurück in den Alltag, was?«​
»Was meinst du damit?«, fragte ihr Kindheitsfreund.​
»Ach, nichts«, erwiderte sie und pustete in sein Ohr.​
Er zuckte zusammen.​
»Hi hi hi. Komm. Dreh dich auf die andere Seite.«​
»Ja ...«​
Als er sich brav umdrehte, wirkte der Abenteurer auf die Kuhhirtin wie ein großer Hund. Aber da er zum Schmusen zu wild war und für einen Wachhund zu ungepflegt aussah, konnte er nur ein Streuner sein. Amüsiert wuschelte sie ihm durchs Haar.​
»Aber du hast ja ein Zuhause, daher passt das auch nicht ganz.«​
»Und was meinst du jetzt damit?«​
»Was wohl?«​
Lachend zog sie an seinem Ohr.​
»Und jetzt halte wieder still, sonst pieke ich dir noch in dein Trommelfell.«​
»Das wäre ein Problem.«​
Wie klang ihr Lachen wohl für ihn? Seine Stimme hörte sich durch den Helm immer etwas gedämpft an. Während sie darüber nachdachte, brummte Goblin Slayer kurz und sagte:​
»Tut mir leid, aber mach mal kurz Pause,«​
»In Ordnung. Ist etwas?«​
»Wir haben Besuch.«​
Vier bekannte Gestalten näherten sich den beiden. Goblin Slayer richtete sich auf und setzte seinen Helm auf. Er überprüfte kurz seine Ausrüstung und ging dann auf die Besucher zu. Er warf ihnen eine kurze, aber für ihn übliche Frage zu:​
»Goblins?«​
»Genau! Gaaaaaaaaanz viele! Auch wenn ich keine Lust darauf habe!«​
Die Elfe schnaufte verächtlich durch die Nase.​
»Aber die Gilden Angestellte hat uns angefleht, weil sich niemand sonst darum kümmern will.«​
»Lasst uns gehen. Wo müssen wir hin? Wir groß ist das Nest?«​
»Es soll in den Bergen sein. Über das Nest ist nicht viel bekannt, außer dass es groß sein soll«, antwortete der Echsenmensch.​
»Verstanden. Und die Ausrüstung ·.•​
»Die haben wir bereits besorgt!«, erwiderte die Priesterin stolz.​
»Proviant, Alkohol und so weiter. Wir haben alles Nötige dabei«, erklärte der Zwerg.​
»Gut.«​
Goblin Slayer nickte.​
»Ich werde auch noch ein paar Dinge von hier mitnehmen. Der Auftrag kam von Dorfbewohnern?«​
»Ja.«​
»Dann werden wir uns von ihnen das Gebiet erklären lassen.«​
Die Kuhhirtin hatte Spaß daran, ihrem Kindheitsfreund dabei zuzuschauen, wie er sich mit seinen Kameraden austauschte und vorbereitete. Sie musste ein wenig grinsen. Als sie langsam aus dem Gras aufstand, wandte Goblin Slayer sich ihr zu.​
»Tut mir leid, aber ich komme bald wieder.«​
»Ja, ist schon in Ordnung. Außer dir würde sich doch keiner darum kümmern, oder?«​
»Das stimmt ... Ach ja, wegen der Blumensprache.«​
»Ja?«​
»Ich habe es überprüft, aber ich glaube nicht, dass die Goldene Duftblüte zu mir passt.«​
»Ach, wirklich?«​
Ein Windstoß zerzauste ihr Haar.​
»Ich glaube da muss ich dir widersprechen.«​
»Ist das so?«​
»Ja, so ist es.«​
»Ach so.«​
Mit diesen Worten brach er auf, um wieder Goblins zu vertreiben. Die Kuhhirtin war sich sicher, dass er erfolgreich zurückkehren würde. Es war schließlich sein Beruf. Und sie würde auf seine Rückkehr warten. Nachdem Goblin Slayer am Horizont verschwunden war, drehte sie sich zum Bauernhof um.​
Erneut stieg ihr der Geruch der Blüten der Goldenen Duftblüte in die Nase. In der Sprache der Blumen hatten sie vier Bedeutungen: Rechtschaffenheit, Bescheidenheit, wahre Liebe und erste Liebe. »Ich denke, dass es perfekt passt.«​


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Edward Teach

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Prelude IV

Oh, Abenteurer.
Es ist beschämend, dass du gestorben bist.
Auf deinem Grabstein werden nur vier Zeichen stehen.
Abenteurer, ich kenne deinen Namen nicht.
Du bist gestorben, ohne deinen Namen zu hinterlassen.
Abenteurer, hättest du mich doch einen Kameraden genannt.
Oh, mein Freund.
Es ist beschämend, dass du gestorben bist.






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Edward Teach

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Kapitel 42
Probe


»Er ist dort lang, schallte eine klare Stimme über das Schnee umwehte Schlachtfeld. Sie stammte von einer jungen Frau mit blauen Augen und honigfarbenem Haar, das sie in zwei Zöpfen trug. Sie stach durch ihr adliges Auftreten aus der Gruppe hervor. Ihre geschminkten Wangen waren feucht vom Schweiß des Kampfes. Unter dem Brustpanzer, der ihren üppigen Busen beschützte, trug sie eine Lederrüstung, die ihre schmale Taille umhüllte. Sie hielt ein silbern glänzendes Schwert, einen Familienschatz, in ihrer Hand. Er war mit einem Donnerhammer geschmiedet und mit roten Juwelen geschmückt worden. Da er aus Aluminium hergestellt worden war, war er äußerst leicht. Zustoßen, zustoßen und ablenken. So war es ihr beigebracht worden und solange sie sich daran hielt, war es für sie ein Leichtes, ihre Gegner in die Enge zu treiben. Neben ihr stand eine Kriegerin, die in vertrautem Tonfall zu ihr sagte:​
»Ich weiß! Pass du lieber auf, dass du nicht ausrutschst!«​
»Mann! So blöde werde ich mich schon nicht anstellen!«​
»Bist du dir sicher?«, fragte die Kriegerin und legte eine Hand auf ihren Brustpanzer.​
Spitze Ohren schauten unter ihrem ahornroten Haar hervor. Sie zog in einer eleganten Bewegung ihr dünnes Schwert und machte ein paar Schritte nach vorne. Sie hatte nicht vor, der adligen Fechterin alle Gegner zu überlassen.​
»ORARARARAG?! «
»GAROARARA?!«
Aus der Brust des Monsters schoss eine kleine Fontäne seines dreckigen Bluts hervor. Die Wunde riss auf, Eingeweide fielen heraus und das Wesen hauchte sein Leben aus. Auf das erste folgte sogleich das zweite. Es war davon auszugehen, dass jeder in der Welt der vier Himmelsrichtungen den Namen dieser Monster kannte. Sie hatten grüne Haut, gelbe, verdrehte Zähne und einen kleinen Körperbau. Es waren Goblins. Wenn man genauer hinsah, konnte man im Schneegestöber erkennen, wie die Viecher sich durch den Schnee kämpften. Sie waren bewaffnet mit Steinäxten, Knüppeln und aus Knochen hergestellten Speeren. Obwohl sie als äußerst feige galten, stellten sie sich den Abenteurern mutig entgegen.​
»Dass ihr so weit geht, macht das Ganze schon fast komisch«, rief die Fechterin den Goblins keck entgegen.​
»Ha ha, Mädels. Gar nicht übel«, erklang eine frivole Stimme.​
Die Halbelfen-Kriegerin störte sich an dem Ton der Stimme und antwortete: »Spare dir deine Kommentare und mach einfach deine Arbeit.«​
»Ja, ja.«​
Geräuschlos tanzte ein Dolch durch die Luft und bohrte sich zwischen die Rippen eines Goblins. Die Klinge hatte das Herz des Biestes getroffen, das mit weit aufgerissenen Augen nach hinten umfiel. Eine Rhea-Späherin trat an die Leiche des Goblin heran und zog stöhnend ihre Waffe aus ihr heraus. Goblins waren dumm, doch diese Angriffschance wollten sie sich nicht entgehen lassen.​
»GORBBB!!«
»GROOOB!!«​
»Hoppla!«​
Ein Knüppel sauste auf die Rhea nieder, doch sie schaffte es, rechtzeitig zur Seite zu springen.​
»Hey, pass doch auf«, rief ein stämmiger Zwerg und kam der Rhea zur Hilfe.​
Er trug die Kleidung eines Mönchs und war mit einem Kriegshammer bewaffnet. Ohne zu zögern, ließ er seine schwere Waffe auf den Kopf eines Goblins niedersausen, der sofort zerplatzte. Die Gehirnmasse der Bestie verteilte sich in der Gegend.​
»Tut mir leid, Kumpel.«​
»Schon gut«, erwiderte der Zwerg gleichgültig auf die Worte der Späherin und schüttelte den Augapfel ab, der am Kriegshammer hängen geblieben war.​
»Hey, Magier. In der Ferne sind noch ein, zwei Stück.«​
»Ich sehe sie«, erwiderte der Magiewirker, der in eine schneeweiße Robe gehüllt war.​
Mit einem überlegenen Grinsen strich er sich über die Stirn und bildete mit seinen Fingern Zeichen. Dann hielt er seinen Stab in die Höhe und sagte: »Meine Dame, dürfte ich um Hilfe bitten?«​
»Natürlich!«, antwortete die Fechterin entschlossen und streckte ihren mit einem Edelstein besetzten Ring in die Höhe.​
Zusammen sprachen die beiden Worte der Macht.​
»Sajita ... Certa ... Radius!«
»Tonitrus ... Oriens ... Iacta!«​
Mit diesen Formeln manipulierten die beiden die Welt nach ihrem Willen und zwei Zaubersprüche rasten auf die Goblins zu. Das vom Magier gewirkte „Magische Geschoss“ spaltete sich kurz vor seinen Zielen auf und durchbohrte mehrere Goblins und der »Blitzschlag« der Fechterin ließ einen Blitz vom Himmel fallen. Die verkohlten und durchlöcherten Goblin Leichen waren nur wenige Momente zu sehen, bis der starke Schneefall sie verdeckte.​
»Tja, das war's dann wohl«, sagte die Halbelfen-Kriegerin und schüttelte Blut von ihrem Schwert, das sie danach in die Scheide steckte.​
Die Späherin pfiff kurz und antwortete:​
»Ja, lief doch klasse, oder?«​
»Ja, aber von mir wirst du kein Lob kriegen, so unachtsam, wie du bist«, warf der Zwerg der Rhea an den Kopf.​
»Solange meine Magie wirkt, können wir alles schaffen«, meldete der Magier sich arrogant zu Wort.​
Die Abenteurer überprüften noch einmal, wie viele Goblins sie erlegt hatten. Es waren nicht sonderlich viele, doch auf ihrer Seite war niemand verletzt worden, sodass sie diesen Kampf als Erfolg verbuchen konnten. Hinter ihnen lag das Dorf, das sie beschützen sollten. Vor ihnen befanden sich die wilden, steilen und komplett verschneiten Berge, von denen die Monster herabgestiegen gekommen waren. Irgendwo dort musste es einen Unterschlupf geben, in dem die Viecher sich eingenistet hatten, und sie mussten ihn finden und zerstören, um ihren Auftrag zu erfüllen.​
»Seid beruhigt«, erhob die Fechterin ihre Stimme.​
Sie hatte sich vor ihre Kameraden gestellt und strich sich durch ihr Haar.​
»Ich habe einen Plan!«​

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Edward Teach

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Kapitel 43
Massenschlacht


»Sehr geehrter Goblin Slayer,
obwohl die Geister der Gletscher zu dieser Jahreszeit tanzen und die Kälte tief in die Kleidung eindringt, hoffe ich, dass es Euch gut ergeht. Als Abenteurer müsst Ihr Euch Gefahren stellen und deshalb ist Euer Körper Euer Kapital. Von daher hoffe ich, dass Ihr Euch nicht erkältet. Es ist verwunderlich, aber seit unserer Begegnung sind in meinen Träumen keine Goblins mehr aufgetaucht, sodass ich ruhig mein Leben verbringen kann. Das habe ich allein Euch zu verdanken und ich stehe zutiefst in Eurer Schuld. Eigentlich wollte ich Euch schon viel früher einen Brief schreiben, aber ich wollte nicht unverschämt sein und Euch belästigen. Jetzt habe ich allerdings einen guten Grund: Ich benötige Eure Hilfe bei einem Auftrag. Wie es nur allzu häufig passiert, ist die Tochter einer äußerst wohlhabenden Adelsfamilie von daheim ausgerissen, um Abenteurerin zu werden. Während eines Auftrags ist sie dann leider verschwunden. Ihre Eltern haben einen Suchauftrag bei der hiesigen Zweigstelle der Gilde aufgegeben und es kam heraus, dass ihre Tochter vor ihrem Verschwinden einen Goblin Auftrag angenommen hatte. Den Rest versteht Ihr wahrscheinlich, ohne dass ich es Euch erklären muss. Die Eltern möchten, dass sich ein vertrauenswürdiger und hochrangiger Abenteurer um den Auftrag kümmert, aber wie Ihr sicher wisst, rümpfen die meisten Abenteurer, die diese Kriterien erfüllen, bei Goblin Aufträgen die Nase. Deswegen komme ich jetzt auf Euch zu. Natürlich weiß ich, dass Ihr beschäftigt seid - der Vorfall beim Erntefest ist mir selbstverständlich schon zu Ohren gekommen aber es wäre großartig, wenn Ihr bei der Suche nach dem Mädchen aushelfen könntet. Ich sende Euch meinen Segen, Jungfrau des Schwertes.«​
Die Elfe, die den Brief vorgelesen hatte, lachte amüsiert.​
»Ihr Menschen schreibt wirklich leidenschaftliche Briefe.«​
Die Gruppe um Goblin Slayer ging eine verschneite Straße entlang, die auf beiden Seiten von verwahrlosten Feldern gesäumt war. Als einzige Abwechslung sah man ab und an kahle Bäume und schneebedecktes Gebüsch. Zusammen mit dem grauen Himmel entstand so eine Szenerie, die wirklich erdrückend war. Die freudige Stimme der Elfe klang in dieser grauen Umgebung vollkommen fremd. Sie wackelte mit ihren Ohren, faltete den Brief vorsichtig zusammen und reichte ihn nach hinten.​
»Ich kenne mich mit Briefen nicht aus, aber sind die alle so?«​
»Ich weiß nicht ...«, antwortete die Priesterin und nahm den Brief entgegen.​
Sie lächelte verlegen und wusste nicht, was sie sagen sollte. Dieser Brief war teilweise ein Liebesbrief und auch, wenn sie sie sich ein wenig geschämt hatte, den Inhalt zu hören, konnte sie nicht behaupten, dass er sie nicht interessiert hatte. Trotzdem wäre es ihr unheimlich unangenehm, wenn jemand so etwas mit einem Brief von ihr machen würde. Deshalb wechselte sie so schnell wie möglich das Thema.​
»A... Aber es ist wirklich kalt, oder? Vielleicht liegt es an dem Kettenhemd, aber ich friere fürchterlich.«​
»Deswegen sollte man Gegenstände aus Metall meiden!«, gab die Elfe zurück.​
Die Jagdkleidung, die sie trug, war vornehmlich aus Leder.​
»Du hast gut reden. Dabei frierst du doch sicher selbst«, warf ihr der Zwerg an den Kopf.​
»Du solltest dir lieber etwas Ordentliches anziehen!«​
»Elfen sind robuster gebaut, als du denkst!«​
»Ach ja, Idioten erkälten sich ja nicht.«​
»Was?!«​
Wahrend der Zwerg sich grinsend durch seinen schneeweißen Bart fuhr, ging die Waldläuferin mit hochrotem Kopf auf ihn los. Wie so häufig, begannen die beiden, sich zu fetzen.​
»Die beiden sind unverbesserlich ...«, murmelte die Priesterin lächelnd.​
»Ja ... Ich bin ein wenig neidisch, dass sie genügend Energie haben, um so ein Theater zu veranstalten«, gab der Echsenmensch schwerfällig zurück.​
Seine Art wohnte eigentlich in tropischen Regionen, weshalb er gerade am ganzen Leib zitterte.​
»Alles in Ordnung?«​
»Nun ja, schon meine Vorfahren waren kälteempfindlich und bei diesen Temperaturen wären sie wahrscheinlich alle vor die Hunde gegangen.«​
Der Echsenmensch verdrehte die Augen und ließ seine Zunge mehrfach aus seinem Maul hervorschnellen.​
»Der werte Goblintöter scheint aber keinerlei Probleme mit dem Wetter zu haben, was? Hat er etwa für diese Art von Klima trainiert?«​
Goblin Slayer, der die Gruppe anführte, blieb kurz stehen. Er trug wie immer eine billige, dreckige Rüstung und hatte einen kleinen Rundschild um seinen Arm gebunden. In seinen Händen hielt er einen einfachen Pfeil. Er brummte: »Ich wurde auf einem verschneiten Berg trainiert.«​
Er fing wieder an zu laufen und drückte an der Pfeilspitze herum.​
»Oho«, sagte der Echsenmensch voller Bewunderung.​
»Das hätte ich sicherlich nicht überstanden.«​
»Ich will das auch kein zweites Mal tun.«​
»Ähm, Goblin Slayer!«​
Die Priesterin eilte an die Seite des Kriegers.​
»Noch einmal danke, dass du ihn uns gezeigt hast. Und ... Entschuldigung.«​
Sie hielt ihm den Brief von der Jungfrau des Schwertes hin. Da der Zwerg und die Elfe sich gerade stritten, hatte sie es als passenden Zeitpunkt empfunden, um ihm den Brief zurückzugeben.​
»Habt ihr den Auftrag verstanden?«, fragte Goblin Slayer und steckte den Brief grob weg.​
Die Priesterin konnte einen kurzen Blick in die Tasche des Kriegers erhaschen und wie gewöhnlich war sie aufgeräumt und mit vielen nützlichen Gegenständen gefüllt. Vielleicht sollte ich mir auch mehr Ausrüstung zulegen, schoss es der Priesterin durch den Kopf, bevor sie sich zusammenriss und antwortete.​
» Ah, ja! Wir müssen dieses Mädchen vor Goblins retten.«​
»Genau.«​
Der Krieger nickte.​
»Wir müssen Goblins töten.«​
Auch wenn die Angelegenheit etwas komplizierter war, dachte Goblin Slayer wieder nur an das eine. Der Brief der Erzbischöfin war kurz nach dem Erntefest angekommen und die Gruppe war direkt aufgebrochen. Es sollte nicht mehr lange dauern, bis sie beim Dorf am Fuß der Berge ankommen würden.​
»Ich hoffe, sie ist in Ordnung ...«, murmelte die Priesterin.​
Die Elfe, die keine Lust mehr hatte, mit dem Zwerg zu streiten, kam mit wedelnden Armen angelaufen.​
»Hm ... Nun ja, da sie von Goblins geschnappt wurde, wird es ihr wohl nicht mehr sonderlich gut gehen.«​
»Das mag sein ... «​
Die Priesterin und die Elfe schauten sich an und man konnte erahnen, woran die beiden dachten. Es spielte keine Rolle, ob es sich um Goblins oder einen Drachen handelte. Wer in dieser Welt Monstern unterlag, dem ging es danach nur selten noch gut.​
»Wenn sie noch lebt, retten wir sie, wenn sie tot ist, sammeln wir einen Beweis für ihren Tod ein«, warf Goblin Slayer emotionslos ein.​
»Wie dem auch sei, die Goblins werden wir töten.«​
»Das könntest du ruhig etwas netter ausdrücken«, beschwerte sich die Elfe, obwohl sie wusste, dass es sinnlos war.​
Die Priesterin zuckte mit den Schultern.​
»Da kann man nichts machen.«​
»Dass Goblins selbst bei so einer Kälte Dörfer angreifen.«​
Es schien, als würde der Echsenmensch extra stark zittern, um seinem Unbehagen Ausdruck zu verleihen.​
»Dabei wäre es doch sicherlich viel angenehmer, ruhig in einer warmen Höhle zu sitzen.«​
»Schuppiger, die Viecher sind doch keine Bären«, erwiderte der Zwerg.​
Er holte eine Flasche mit Alkohol hervor, zog den Korken heraus und nahm einen tiefen Schluck. Dann hielt er sie dem Echsenmenschen hin.​
»Hier, du solltest ein wenig davon trinken.«​
»Oh, sehr freundlich.«​
Der Echsenmensch riss sein Maul weit auf, gönnte sich auch einen Schluck und gab die Flasche dann wieder an seinen Kameraden zurück. Dieser schüttelte sie, um zu prüfen, wie viel noch darin war, und steckte sie wieder weg. Dann sagte er:​
»Um den Winter zu überstehen, braucht man Essen, Alkohol und Früchte. Dafür benötigt man allerdings einen sicheren Ort, um das alles zu lagern.«​
»Aber wenn es wirklich so ist, dann hätten sie das Dorf doch schon im Herbst angegriffen«, gab die Elfe zurück und wedelte mit ihrem Finger durch die Luft.​
»So machen es zumindest die Tiere, die Winterruhe halten.«​
»Aber wieso laufen einige Bären dann trotzdem im Winter herum?«​
»Weil sie entweder nicht genügend Futter gesammelt haben oder keinen sicheren Platz zum Schlafen gefunden haben.«​
Da Elfen mehr über die Natur und die Jagd wussten als jedes andere Volk, konnte der Zwerg der Waldläuferin nicht widersprechen und nickte einfach nur.​
»Hm ...«​
Die Priesterin legte einen Finger an ihre Lippen und dachte nach. »Ach!«​
»Was ist denn?«, fragte die Elfe überrascht.​
»Vielleicht greifen sie gerade jetzt an, weil die Ernte abgeschlossen ist und die Lager gefüllt sind.«​
»Da ist was dran. So können sie sich alles auf einen Schlag unter den Nagel reißen«, stimmte der Echsenmensch zu.​
»In der Tat wäre das ein Motiv, das zu Goblins passen würde.«​
»Ich dachte immer, sie sind einfach nur bösartig«, entgegnete der Zwerg.​
»Nein. Goblins sind dumm, aber nicht töricht«, warf Goblin Slayer in die Runde.​
Die Elfe zog eine Augenbraue hoch.​
»Du sagst das so, als hättest du es gewusst.«​
»Ja, Goblins rauben, um zu überleben, also wissen sie natürlich, wann man am besten zuschlagen sollte.«​
Er kontrollierte seine Arbeit an dem Pfeil und steckte ihn dann in den Köcher an seinem Gürtel. Anscheinend war er zufrieden mit der Arbeit, die er im Gehen vollbracht hatte.​
»Ich habe so etwas schon einmal mitbekommen.«​
»Ist das so?«, fragte die Priesterin interessiert, doch die Elfe brummte kritisch.​
Sie hatte Goblin Slayer gar nicht richtig zugehört, denn sie interessierte sich viel mehr dafür, warum der Krieger Pfeil und Bogen dabei hatte.​
»Und, Orcbolg? Was ist mit dem Pfeil?«​
»Ich habe einen Plan.«​
»Damit?«​
Die Waldläuferin schnellte hervor und schnappte sich den Pfeil aus dem Köcher.​
»Pass auf!«, warnte Goblin Slayer sie, doch dass er sie nicht daran gehindert hatte, sich den Pfeil zu greifen, war der Beweis dafür, dass er sich langsam an ihr Verhalten gewöhnt hatte.​
Die Elfe untersuchte den Pfeil, doch konnte nichts Besonderes an ihm erkennen. Es war ein normaler, billiger Pfeil.​
»Der ist nicht mit Gift eingerieben ... «​
»Heute nicht.«​
»Oh Mann ...«​
Die nüchterne Art seiner Antwort missfiel ihr.​
Sie stupste mit ihrem Finger gegen die Pfeilspitze.​
»Huch? Die Spitze ist locker. Fällt die nicht ab? Mann, Orcbolg. Du bist echt unverbesserlich. Komm, gib mir den ganzen Köcher. Ich werde sie wieder befestigen.«​
»Jetzt spiel dich nicht so auf«, versuchte der Zwerg sie zu provozieren, doch sie ignorierte das.​
Goblin Slayer, der sich die Hand anschaute, die sie ihm entgegenhielt, antwortete nur:​
»Nein, ich will, dass sie so sind.«​
»Was? Wieso das denn?«​
»Wir wissen nicht, wo sich das Lager der Goblins befindet, richtig?«​
»Und was hat das bitte mit diesen Pfeilen zu tun?!«​
Goblin Slayer musste seufzen. »Wenn der Pfeil trifft, fällt der Schaft ab und die Spitze bleibt stecken.«​
»Und dann?«​
»Die Spitze ist Gift.« Der Krieger streckte seine Hand aus und die Elfe gab ihm den Pfeil zurück. Er steckte ihn zurück in den Köcher.​
»Sie wird im Fleisch stecken bleiben und so für eine Krankheit sorgen, die auch die anderen Goblins im Nest befällt.«​
Goblins besaßen kein Wissen über Heilkunde und wenn ein Nest von einer Krankheit befallen wurde, konnte diese großen Schaden anrichten.​
»Sie würde sicher nicht alle erledigen, aber es würde ihrer Population einen heftigen Schlag versetzen.«​
»Du bist wirklich unglaublich, Orcbolg.«​
Während die Elfe einen tiefen Seufzer von sich gab, schaute die Priesterin neben ihr in den Himmel und dachte sich: Götter. Liebe Götter. Er meint es nicht böse ... Na ja, vielleicht schon, aber bitte vergebt ihm.
Sie wunderte sich schon seit einiger Zeit nicht mehr über seine Taten, aber sie brauchte ihren Glauben, um mit ihnen klarzukommen.​
Goblin Slayer drehte sich zu dem Mädchen um und fragte sie:​
»Ist der Plan etwa komisch?«​
»Nun ja ... Es ist halt ein Plan von dir, Goblin Slayer.«​
»Ist das so?«​
Der Echsenmensch musste nach diesem Austausch laut lachen und sagte:​
»Ja, das klingt wahrlich nach einem Plan von dir, werter Goblintöter.«​
»Bartschneider, wir wissen so langsam, dass du als Gegner ein schrecklicher Genosse sein kannst.«​
Der Zwerg holte erneut seine Flasche hervor und nahm einen tiefen Schluck. Dann rülpste er lautstark. Sofort lag der Geruch von Branntwein in der Luft und die Elfe hielt sich mit angewidertem Gesichtsausdruck die Nase zu. Der Zwerg wischte sich einige Tropfen aus seinem Bart und redete dann weiter:​
»Wir haben aber noch keine Antwort auf die ursprüngliche Frage.«​
»Die ursprüngliche Frage?«​
Goblin Slayer legte den Kopf schief.​
»Was meinst du?«​
»Ob es dem Mädchen gut geht oder nicht. Normalerweise würden Goblins doch eine Entführte wie sie über den Winter fressen, oder nicht?«​
»Da der Winter lang ist, könnte es auch sein, dass sie etwas Unterhaltung benötigen«, entgegnete Goblin Slayer grummelnd.​
Wenig später kam das Dorf in Sicht. Aus ihm stieg Rauch auf.​
»Orcbolg!«​
Die Elfe erhob als Erste ihre Stimme.​
»Ist das ein Goblin-Angriff?«​
»Feuer, Rauch, Lärm, Schreie ... Goblins.«​
Der Krieger ging kurz die Optionen durch und kam zu dem Schluss, dass es sich nur um die grünen Biester handeln konnte. Er zog den Bogen von seinem Rücken, beschleunigte seinen Schritt und holte einen Pfeil aus dem Köcher. Der Rest der Gruppe folgte ihm, ohne dass etwas gesagt wurde. Die Goblins konzentrierten sich auf das Plündern des Dorfes und hatten keine Wachen aufgestellt, weshalb keiner von ihnen die heranstürmenden Abenteurer bemerkte.​
»Goblin Slayer, soll ich Wunder vorbereiten?«, fragte die sichtlich aufgeregte Priesterin.​
»Bitte«, antwortete der Krieger kurz und knapp.​
Das Mädchen war nun ungefähr ein Jahr Abenteurerin und auch wenn sie bisher immer nur auf Goblin Jagd gewesen war, hatte sie schon einiges an Erfahrung gesammelt. Deshalb wusste sie genau, welches Wunder sie wirken musste.​
»Höchst barmherzige Erdmutter. Bitte beschütze uns Schwache mit deiner Erde.«​
Sie hielt den Priesterstab fest in ihren Händen, während sie ein Gebet zu ihrer Gottheit sprach, und direkt im Anschluss schossen​
zwei Lichtstrahlen vom Himmel hinab und umhüllten Goblin Slayer und den Echsenmenschen. Es war das Wunder Schutzwall.​
»Die Macht der Wunder deiner Gottheit ist wirklich stark.​
Wenn diese Erdmutter ein Drache wäre, würde ich ihr vielleicht sogar dienen«, sagte der Mönch.​
Er hatte bereits ein Gebet zu seinen Vorfahren gesprochen, weshalb sich ein Krallenschwert in seinen Händen befand.​
»Werter Goblintöter, sollen wir die Goblins töten oder die Dorfbewohner beschützen?«​
»Beides«, erwiderte der Krieger.​
»Wie sieht es aus?«​
»Nicht besonders gut. Ich kann keine Kampfgeräusche und Schreie mehr hören.«​
»Wenn es so ist, schlagen wir gleich zu. Sie wägen sich bestimmt in Sicherheit.«​
»Drachenzahnkrieger?«, fragte der Echsenmensch.​
»Nein. Den Grund dafür erkläre ich euch später«, sagte Goblin Slayer und steigerte sein Lauftempo.​
Die Priesterin und der Zwerg versuchten ihr Bestes, um mitzuhalten, doch es fiel ihnen schwer. Goblin Slayer war nie wirklich offiziell als der Anführer der Gruppe anerkannt worden, doch wenn es um Goblins ging, würde ihm keiner widersprechen.​
»Setz keine Tränke ein, aber halte dich ansonsten nicht mit Zaubern zurück.«​
»Verstanden«, antwortete der Zwerg und fing an, in seiner Tasche nach Katalysatoren zu wühlen.​
»Was ich wirke, kann ich frei entscheiden?«​
Magiewirker waren selten in dieser Welt und dass diese Gruppe gleich drei von ihnen hatte, war ein großer Vorteil für sie.​
»Ja«, sagte Goblin Slayer und wandte sich der Elfe zu.​
»Such du dir einen guten Ort, von dem du alles im Blick hast und uns unterstützen kannst.«​
»Alles klar.«​
Die Elfe grinste schelmisch, während sie geschickt ihren Langbogen zog und einen Pfeil anlegte.​
»Dann kann es losgehen.«​
Pfeifend sauste ein Pfeil durch die Luft und bohrte sich in den Schädel eines Goblins, der nichtsahnend am Dorfeingang stand.​
»ORAAG?!«​
Die Bestie brach nach vorne zusammen, doch ihre Artgenossen schienen davon nichts bemerkt zu haben.​
»N... Nein! Hilfe! Schwester!«
Gerade waren zwei Goblins dabei, ein junges Mädchen an seinen Haaren aus einem Fass in der Nähe eines Hauses zu ziehen. Direkt nachdem der erste Goblin erledigt war, verschoss Goblin Slayer noch zwei weitere Pfeile - einer bohrte sich durch die Kehle der ersten Bestie, der andere durch ein Auge der zweiten.
»Moment mal, Orcbolg! Was fängst du einfach ohne mich an?!«, beschwerte sich die Elfe und sprang mithilfe eines Fasses auf ein Hausdach.
»W... Was?«
Die junge Dorfbewohnerin verstand nicht, was gerade passierte.
»Wir sind Abenteurer«, sagte Goblin Slayer.
Dem Mädchen, das einfache Kleidung aus Fellen trug, stiegen Tränen in die Augen, als es das silberne Abzeichen sah, das um Goblin Slayers Hals hing. Sie verstand, dass sie jetzt in Sicherheit war. Der Krieger ließ ihr jedoch keine Zeit, um sich zu sammeln, bevor er begann, sie auszufragen.
»Wo sind die Goblins? Wie viele sind es? Was ist mit den anderen Dorfbewohnern?«
»I... Ich weiß es nicht ...«
Das Mädchen schüttelte verwirrt den Kopf.
»Die anderen w ... wurden alle auf dem Dorfplatz versammelt ... Meine Schwester meinte, ich solle mich verstecken ... «
»Das gefällt mir nicht.«
Goblin Slayer spannte einen neuen Pfeil in seinen Bogen.
»Das gefällt mir ganz und gar nicht.«
Die Priesterin wusste, dass das nichts Gutes bedeuten konnte, aber kniete sich erst einmal neben das Mädchen.
»Es ist alles gut. Wir werden unser Bestes geben, um deine Schwester zu retten.«
»Wirklich?«
»Ja, wirklich!«
Die Priesterin setzte ein strahlendes Lächeln auf und strich der jungen Dorfbewohnerin zärtlich durchs Haar. Dann zeigte sie ihr ihr Symbol der Erdmutter.
»Schau. Ich bin Dienerin einer Göttin. Außerdem ...«
Die Priesterin schaute zu Goblin Slayer und der Blick des Mädchens folgte ihrem.
»... wird er ganz sicher nicht gegen Goblins verlieren.«
Der Krieger drehte sich um und suchte aufmerksam die Umgebung ab. Dann sagte er:
»Sie haben uns noch nicht bemerkt. Lasst uns zuschlagen.«
»Warte, Goblintöter. Vielleicht sind die Goblins doch organisierter, als wir gedacht haben. Wir sollte nicht unachtsam werden«, bremste der Echsenmensch seinen Kameraden aus.
»Du hast recht. Wenn sie tagsüber angreifen, könnten sie von einem weiterentwickelten Exemplar angeführt werden. Wir dürfen nicht zulassen, dass sie irgendwelche Informationen zurück zu ihrer Horde bringen.«
Goblin Slayer steckte seine Pfeile weg und zog sein Schwert.
»Die Frage ist allerdings, wie wir das anstellen.«
»Wenn sie wirklich alle auf dem Dorfplatz sind, kann ich sie mit einem Zauber ausschalten«, erklärte der Zwerg und schlug sich zufrieden auf den dicken Bauch.
»Hm ...«
Goblin Slayer trat die Leiche eines Goblins zu seinen Füßen. Er war ein eher schwächliches Exemplar seiner Rasse gewesen. Der Krieger schnappte sich das Beil, das der Goblin als Waffe benutzt hatte, und sagte:
»Das hängt von der Anzahl ab.«
Dann schaute er hoch zur Elfe, die mit einer Hand über den Augen in Richtung des Dorfplatzes schaute. Ihre Ohren wackelten ein wenig.
»Auf dem Platz sechs Stück!«, antwortete sie auf die ungestellte Frage ihres Kameraden.
»Wie viele sind insgesamt im Dorf?«
»Einige verstecken sich in den Schatten, aber ich würde sagen, dass es etwas über zwanzig sein müssten.«
» Also handelt es sich um eine Vorhut.«
Goblin Slayer dachte nach. Drei Goblin waren bereits tot und sechs befanden sich auf dem Platz. Bei mehr als zwanzig Goblins insgesamt trieben sich also noch mindestens zwölf von ihnen im Dorf herum.
»Platz und der Rest des Dorfes. Wir teilen uns auf.«
»Wenn das so ist, werde ich mit dem werten Schamanen zum Platz gehen.«
Goblin Slayer nickte.
»Ich verlass mich auf euch.«
»Ich werde dir Rückendeckung geben, Zwerg«, rief die Elfe vom Dach herunter.
»Ich bitte darum.«
Der Schamane gönnte sich noch einen schnellen Schluck aus seiner Flasche.
»Dann lasst uns mal los.«
Die drei setzten sich in Bewegung und der Echsenmensch klopfte Goblin Slayer im Vorbeigehen auf die Schulter.
»Ich wünsche dir viel Erfolg im Kampf, werter Goblintöter.«
Dieser schaute seinen Kameraden einige Momente schweigend hinterher und begab sich dann unter das Vordach eines Hauses, wo sich die Priesterin und die junge Dorfbewohnerin aufhielten.
»Geht es dem Mädchen gut?«
»Ja. Sie hat sich beruhigt.«
Die Priesterin lächelte tapfer. Die Dorfbewohnerin hatte sich auf dem Boden zusammengerollt und war vor Erschöpfung eingeschlafen.
»Aber was sollen wir jetzt mit ihr tun?«
»Wir können uns nicht länger um sie kümmern.«
»A...«
Die Priesterin wollte widersprechen, doch Goblin Slayer hob das Mädchen hoch und legte es vorsichtig zurück in das Fass, aus dem die Goblins es herausgezerrt hatten. Dann deckte er das Behältnis mit einem großen Tuch, das er aus seiner Tasche gezogen hatte, ab. Der Platz war nicht der sicherste, aber da die Schwester des Mädchens ihn ausgesucht hatte, sollte es sich dort sicher fühlen.
»So wird ihr schon nichts passieren«, sagte Goblin Slayer.
» Ja«, antwortete die Priesterin und nickte.
Sie hob ihre linke Hand und legte sie auf Goblin Slayers Rücken.
»Bestimmt wird ihr nichts passieren.«
Der Krieger nickte, überprüfte noch einmal kurz seine Ausrüstung und brummte dann:
»Lass uns gehen.«
»Jawohl!«
Die Priesterin wusste, dass sie noch lange nicht auf dem Level ihrer Gruppenmitglieder war, doch Goblin Slayer hatte ihr das Leben gerettet. Deshalb würde sie ihn unterstützen, so gut sie konnte.
»Ich halte dir den Rücken frei!«
Damit begann die Schlacht. Wie zwei Schatten eilten Goblin Slayer und die Priesterin zwischen den aus Baustämmen errichteten Häusern hin und her. Ein Nebelschleier lag bereits über der sinkenden Sonne und bald würde es dunkel werden. Die Zeit der Goblins rückte immer näher.
»Es ist für mich das erste Mal«, keuchte die Priesterin beim Laufen, »dass ich in einem Dorf kämpfe.«
»Es gibt nicht so viele Ecken, in denen man sich verstecken kann, wie in einer Höhle. Achte vor allem auf Schatten und Dinge über dir.«
»ORAAG?!«
Als wolle er seine Aussage unterstreichen, hatte Goblin Slayer ein Schwert in die Luft geworfen und traf einen Goblin, der sich auf einem Dach versteckt hatte, in der Brust. Er fiel zu den beiden Abenteurern hinab und Goblin Slayer setzte ihm mit einem gefundenen Hackebeil ein Ende.​
»GAAROROROOOOOORG?!«
Es brauchte mehrere Schläge, bis der letzte Atemzug aus der kleinen grünen Bestie gewichen war, doch der Krieger schien zufrieden mit der Waffe zu sein.​
»Damit hätten wir vier.«
Die Priesterin schloss kurz die Augen und sprach ein Gebet zur Erdmutter, damit der gestorbene Goblin sich auf dem Weg ins Totenreich nicht verirrte. Alle Sterblichen mussten irgendwann gehen. Da gab es keine Ausnahme. Der Tod war in dieser Welt etwas Freundliches und Gerechtes. Als sie fertig war, sagte sie:
»Auf dem Platz sind noch sechs. Es sollten also nicht mehr viele übrig sein.«
»Ja, der Schrei von gerade wird sie hergelockt haben.«
Die beiden gingen weiter und fanden sich auf einer Kreuzung wieder. Dort positionierte sich der Krieger so, dass sein Rücken den der Priesterin berührte. Ihr Herz machte deshalb einen Sprung, auch wenn sie wusste, dass jetzt gerade nicht die Zeit für so etwas war.
»Mach dich bereit.«
»Äh, j... ja!«
»Pass auf, wo du hintrittst. Wenn du im Schnee ausrutschst, stirbst du. Und achte auf vergiftete Klingen.«
Schatten, Dinge über mir, der Boden, vergiftete Waffen ... Die Priesterin ging im Kopf die Dinge, die Goblin Slayer zu ihr gesagt hatte, durch.
»Im Grunde genommen muss ich wie immer auf alles in der Umgebung achten, nicht wahr?«
»Hmpf ...«
Die Priesterin bemerkte, dass Goblin Slayer leicht nickte, und musste lächeln. »Du weißt schon, dass das nicht als ordentliche Anweisung durchgeht, oder?«
»Tut mir leid.«
Die Priesterin kicherte, um ihre Nervosität zu überspielen und sich selbst etwas stärker zu fühlen. Sie hatte sich schon häufiger mit Goblin Slayer Gefahren gestellt, doch dies war das erste Mal, dass sie zusammen mit ihm in der ersten Reihe stand. Normalerweise kämpfte der Echsenmensch vorne mit dem Krieger, während sie die beiden mit dem Zwerg und der Elfe aus den hinteren Reihen unterstützte. Bisweilen hatte sie sich ein wenig darüber geärgert, dass sie ständig beschützt wurde, weshalb sie sich vornahm, diesmal ihr Bestes zu geben. Sie schaute nach vorne und konnte in einer Wolke aus Schnee wabernde Schatten erkennen.
»Sie sind da, oder?«
»Mach mit deiner Waffe kleine Bewegungen. Du musst sie nur abwehren. Ich werde sie dann erledigen.«
»Jawohl!«
Den beiden blieb keine Zeit für weitere Unterhaltungen. Die Goblins griffen sie von allen Seiten der Kreuzung an.
»GAAORRR!!«
»GROOB!!«
»Fünf!«​
Die erste Bestie machte einen Satz auf den Krieger zu, doch dieser versenkte sein Beil in ihrem Kopf.
»GOROB?!«
Der Angreifer stürzte zu Boden, während Goblin Slayer den Angriff eines anderen Goblins mit seinem Rundschild abwehrte. Direkt darauf schlug er mit der Kante des Schildes zu und spaltete den Kopf eines weiteren Goblins, der wild aufschrie. Der Krieger zögerte keinen Augenblick und ergriff den Dolch am dreckigen Gürtel des Monsters. Mit einem Tritt in seinen Bauch schleuderte er die sterbende Bestie weg und zog gleichzeitig die Klinge aus ihrer Scheide. Doch er hielt das Messer nicht lange fest, sondern warf es direkt nach seinem nächsten Gegner. Es traf einen Goblin, der mit einem Speer bewaffnet war, im Hals. Er fiel sofort um.​
»Sechs.«
Goblin Slayer zog das Hackebeil aus der Leiche des ersten Goblins und verpasste dem zweiten damit den Gnadenstoß.
»Sieben.«
Der Krieger war sich bewusst, dass sie gegen eine Überzahl kämpften, doch mit der Priesterin an seiner Seite machte er sich keine Sorgen. Anders als in einer Höhle konnten die Goblins ihn hier nicht überfallen und er musste einfach nur alle Biester erledigen, die er finden konnte.
»Hah! Hah!«
Die Priesterin schwang ihren Stab in kurzen, schnellen Bewegungen umher. Sie hatte während der Vorbereitungen für die Zeremonie des Erntefests so einiges über Kampftechniken gelernt und versuchte nun, ihr Wissen anzuwenden. Zur Seite stoßen. Zurückdrängen. Mit der Waffe zuschlagen und ausweichen. Sie musste die Goblins nicht töten, sondern sie nur aufhalten. Um den Rest würde sich Goblin Slayer kümmern. Sie merkte, wie ein Goblin versuchte, rechts an ihr vorbeizuziehen, doch das würde sie nicht zulassen. Ohne zu zögern oder zu hadern, folgte sie ihm einfach. Es war fast wie ein Tanz, um die Goblins in Schach zu halten.
»Acht ... und neun!«
Mit seinem Beil hauchte Goblin Slayer zwei Goblins, die sie bisher abgewehrt hatte, das Leben aus. Die Priesterin hatte mittlerweile etliche Male die Geräusche vernommen, die entstanden, wenn Goblin Slayer seiner Arbeit nachging, doch bisher hatte sie sich nicht daran gewöhnen können. Genauso wenig wie an den Anblick der grünen Bestien, wenn sie mit hasserfüllten Augen über die zerstückelten Körper ihrer Kameraden kletterten. Sie konnte die Angst, die sie während ihres ersten Abenteuers verspürt hatte, einfach nicht vergessen.
»Hah! Ah?!«
Mit einem Watsch fing ein Goblin den Stab der Priesterin. Sie mochten eher schwächliche Monster sein, doch sie waren immer noch stärker als die kleine, dünne Priesterin. Wenn sie erst einmal unbewaffnet war, wäre es ein Leichtes für die Goblins, das Mädchen zu Boden zu reißen und ihr die Kehle zu zerfetzen. Panik stieg in der Priesterin auf, als sich daran erinnerte, was mit der Magierin aus ihrer ersten Gruppe passiert war.
»Höchst barmherzige Erdmutter. Schenke uns, die durch die Dunkelheit irren, dein heiliges Licht!«
»GORRUURUAAA??!?!«
Sie würde nicht zulassen, dass ihr das Gleiche geschah. Mithilfe des Wunders Heiliges Licht blendete sie den Goblin und entriss ihm ihren Stab. Goblin Slayer nutzte die Chance, um dem Leben der Bestie sogleich ein Ende zu setzen. Er nahm den Platz der Priesterin ein und schlug mit dem Beil so stark zu, dass der Hals des Goblins durchtrennt wurde.​
»Zehn!«
Zuckend fiel der Körper des Monsters um, dem der Krieger noch einen letzten Tritt verpasste, um sicherzugehen, dass er tot war. Als wäre es das natürlichste der Welt, hatte Goblin Slayer einen Haufen von Goblin Leichen erzeugt.
»Bist du verletzt?«, fragte er die Priesterin emotionslos.
»Ähm ... Nein«, antwortete diese, nachdem sie kurz ihren Körper überprüft hatte.
Wegen ihrer vergifteten Waffen konnte beim Kampf gegen Goblins selbst die kleinste Wunde tödlich sein.
»Ich glaube ... ich bin in Ordnung.«
»Ist das so?«
Goblin Slayer nickte und schaute sich seine Waffe an. Weil das Beil durch das Blut stumpf und durch die durchtrennten Knochen rissig geworden war, schnalzte er missfallend mit der Zunge. Er warf die Waffe weg und nahm sich den Bogen von seinem Rücken.
»Das Heilige Licht von eben war ein guter Einfall.«
»Wie?«
Er hatte den Satz gerade beiläufig fallen lassen und die Priesterin brauchte einen Augenblick, um ihn zu verarbeiten.
»Ah ... V ... Vielen Dank!«
Sie war nicht daran gewöhnt, dass er sie lobte. Röte schoss ihr ins Gesicht und sie konnte ein leichtes Kichern nicht unterdrücken. Dann sammelte sie sich und sprach ein kurzes Gebet für die Goblins.
»Zu Beginn drei, hier sieben. Das macht zehn.«
Er spannte einen Pfeil in den Bogen und untersuchte die Umgebung. Er sah einige Menschen- und drei Goblin Leichen, für die er nicht verantwortlich war. Die Dorfbewohner hatten sie mit Feld- und anderen Werkzeugen erledigt. »Dreizehn tote Goblins, was?«
Der Krieger verpasste jeder Goblin Leiche einen Tritt. Eine ließ dabei einen Dolch fallen, den er sich sofort einsteckte. Man musste mit dem arbeiten, was man kriegen konnte. Das hatte er schon früh gelernt.
»Sie meinte, auf dem Platz seien sechs, oder?«
»Damit wären wir dann bei neunzehn.«
Die Priesterin hatte ihr Gebet beendet. Mit einem verwirrten Gesichtsausdruck wandte sie sich Goblin Slayer zu.
»Das sind aber weniger als zwanzig ... «
»Mir gefällt nicht, dass sie die restlichen Dorfbewohner an einem Ort versammelt haben. Außerdem ist es komisch, dass die Leichen der Dorfbewohner, die Widerstand geleistet haben, nicht weiter verunstaltet wurden.«
»Du hast recht. Dieses Verhalten ist untypisch für Goblins .., murmelte die Priesterin, während sie nachdenklich einen Finger an die Lippen legte.
In ihrer Erfahrung hatten sich Goblins immer sofort auf die ein oder andere Weise mit den Leichen ihrer Opfer vergnügt. So etwas wie Geduld gab es in dem Wortschatz der Viecher nicht und Geiseln, die nicht weiblich waren, waren auch untypisch für sie.
»Haben wir es vielleicht mit einem Oger oder einem Dunkelelfen zu tun?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Goblin Slayer.
»Es könnte sich aber auch einfach nur um weiterentwickelte Goblins handeln.«
Diese Worte waren typisch für ihn und hatten eine beruhigende Wirkung auf die Priesterin. Während sie über seine verschrobene Art nachdachte, stieg ihr auf einmal ein süßlicher Geruch in die Nase, den sie schon oft gerochen hatte.
»Huch? Das ist Trunkenheit, nicht wahr?«
»Er hat also alle Geiseln mitsamt der Goblins einschlafen lassen?«
Goblin Slayer blickte in Richtung des Platzes und sah, wie sich eine Wolke auf merkwürdige Art und Weise darauf ausbreitete.
»Eine gute Idee.«
Die Priesterin schnaufte kurz laut. Sie konnte sich schon vorstellen, wie Goblin Slayer diesen Zauber als Nächstes für ein ganzes Nest einsetzen wollen würde.
»Orcbolg, du kommst spät!«, warf die Elfe dem Krieger genervt an den Kopf.
»Ist das so?«
Die Kameraden von Goblin Slayer hatten den Platz unter Kontrolle gebracht. Die Dorfbewohner, die die Goblins als Geiseln genommen hatten, sahen verwirrt, aber ansonsten in Ordnung aus. Nachdem der Krieger sich kurz umgeschaut hatte, sagte er:
»Es waren also sieben.«
Der Zwerg, der aus den Goblin Leichen einen kleinen Haufen gemacht hatte, wischte sich die Hände an seiner Kleidung sauber und entgegnete:
»Meine Güte, diese Goblins stinken echt erbärmlich.«
»Findest du?«
»Ja, finde ich. Aber wenigstes sind sie tot. Alles gut bei dir, Schuppiger?«
Der Echsenmensch, der auf der anderen Seite des Platzes stand, nickte.
»Ja. Es ist alles gut verlaufen, meine Klauen und Reißzähne und der Bogen der werten Waldläuferin haben den Bestien keine Chance gelassen.«
»Gut«, antwortete Goblin Slayer nickend und griff in den Haufen von Goblin Leichen.
Er hatte erkannt, dass eines der grünen Monster ein Schwert an seinem Gürtel trug. Er zog die Waffe heraus, überprüfte die Klinge und steckte sie dann in seinen Gürtel.
»Orcbolg, wo ist das Mädchen?«, fragte ihn die Elfe.
»Sie geht das Kind holen.«
»Wird ihr nichts passieren?«
»Sie ist erfahren. Es wird schon alles okay sein.«
Goblin Slayer wandte sich den Dorfbewohnern zu. Er suchte sich die älteste Person mit der edelsten Kleidung heraus und ging zu ihr.
»Bist du der Dorfälteste?«
»J... Ja, und wer seid ihr?«, antwortete der alte Mann misstrauisch.
Goblin Slayer zeigte ihm seinen Gildenausweis.
»Wir sind Abenteurer.«
Der Dorfälteste brauchte einen Moment, nachdem er erkannt hatte, aus welchem Material der Ausweis gefertigt war.
»Ein Abenteurer ... auf Silber-Rang ... Etwa der Goblintöter?«
»Ja, genau.«
»Oh! Vielen, vielen Dank, dass ihr gekommen seid! Habt Dank!« Die misstrauische Miene des alten Mannes war einem freudigen Grinsen gewichen. Er griff nach der Hand des Kriegers.
Goblin Slayer erwiderte den Händedruck und schaute dabei kurz auf die knochigen Finger seines Gegenübers. Sie mussten einst durch die Arbeit auf den Feldern stark und kräftig gewesen sein, doch jetzt wirkten sie wie dürre vertrocknete Ästchen.
»Ich würde gern einige Fragen stellen.«
»Ja. Um was geht es denn?«
»Zuerst einmal würde mich interessieren, ob es in diesem Dorf einen Kräutermischer oder Heiler gibt. Ein Kleriker würde auch gehen, sofern er in der Lage ist, Wunder zu wirken.«
»Einen Kleriker haben wir hier leider nicht. Deshalb sind wir in diesen Belangen auf Wanderer angewiesen, aber wir haben jemanden hier, der Ihnen mit Kräutern helfen könnte.«
In der Stimme des alten Mannes schwang ein entschuldigender Ton mit.
»Sie hat die Nachfolge ihres Vaters erst vor Kurzem angetreten, weshalb ihr Können noch ... «
»Verstanden. Wir werden beim Heilen helfen. Meine Gruppe hat zwei Kleriker. Da wir keine Tränke entbehren können, müssen Wunder und etwas Notversorgung reichen.«
Der Dorfälteste konnte seinen Ohren nicht glauben. Nicht nur, dass der Abenteurer zusammen mit seinen Kameraden her geeilt war, um die Goblins zu erledigen, jetzt boten sie ihnen auch noch medizinische Versorgung an? Die Barden hatten bereits Loblieder auf den Goblin Schlächter gesungen, doch sein jetziges Verhalten überstieg die Erwartungen des alten Mannes noch.
»Ha ha ha, werter Goblintöter, ich verstehe. Deswegen sollte ich mir meine Wunder aufsparen«, warf der Echsenmensch von der Seite ein.
»Aber nicht nur das war der Grund dafür. Die Bewohner der Grenzgebiete sind sehr abergläubisch. Magie ist eine Sache, aber Wunder mit Knochen zu wirken, das ist anders.«
»Du hast recht, wenn ich Skelettkrieger befehligt hätte, hätten die Menschen hier vielleicht geglaubt, dass ich ein Nekromant wäre. Sehr vorausschauend. Fürs Erste sollten wir die Verletzten nach der Schwere ihrer Wunden aufteilen.«
Da die Echsenmenschen ein kriegerisches Volk waren, wusste der Mönch, wie man in solchen Notsituationen Leuten möglichst effektiv helfen konnte. Goblin Slayer folgte seinen Anweisungen und machte sich sogleich daran, den ersten Verwundeten mit Kräutern und Verbänden zu helfen. Auch die zuvor erwähnte Kräutermischerin machte sich ans Werk, aber nicht, ohne sich vorher ausgiebig bei den Abenteurern zu bedanken.
»Na, da sieh mal einer an ...«, kommentierte die Elfe das Geschehen.
»Wenn er will, kann er ja doch ganz nett sein.«
»Tja, Bartschneider ist von uns eben am bekanntesten«, sagte der Zwerg, der sich zu ihr gesellt hatte.
Während die Waldläuferin weiterhin die Umgebung im Blick hielt, hatte er nun nichts mehr zu tun. Er lief kurz zu der Kräutermischerin hinüber und gab ihr eine Flasche seines Branntweins, den man, in seinen Worten, nicht nur furchtbar gut trinken, sondern auch als Desinfektionsmittel benutzen konnte.
Nachdem Goblin Slayer zu seiner langohrigen Kameradin zurückgekehrt war, sagte sie zu ihm:
»Goblintöter, der fähigste im ganzen Grenzgebiet ... Du hast das Lied auch gehört, oder?«
»Ja, das stimmt, aber Lied und Realität unterscheiden sich sehr.«
Stark, verschwiegen und aufrichtig. Ein anspruchsloser Mann, der für jegliche Belohnung Aufträge erfüllte. Solange sich dort Goblins aufhielten, tauchte er sofort selbst an den entlegensten Orten auf und vernichtete die kleinen Teufel mit seiner Klinge.
Das Lied beschrieb ihren Kameraden wie einen Heiligen, aber trotzdem hatte er es noch nicht bis auf Platin-Rang geschafft.
»Wie dem auch sei, er kommt wirklich gut mit der Gilde aus, oder?«
»Ach, Langohr, der Eifersucht zu verfallen bringt niemandem etwas.«
Während der Zwerg von unten zur Elfe hochschaute, musste er frech grinsen.
»Auch wird es dir nicht helfen, eifersüchtig auf Frauen mit größerer Oberweite zu sein. Das bringt dich nicht weiter. Im Gegensatz zu dem Priester-Mädchen dauert es ja hundert oder zweihundert Jahre, bis Elfen ausgewachsen sind, oder?«
»Du hast gut reden! Du bist doch mit einem Fass verwandt!«, spuckte die Elfe erzürnt zurück.
»Ach was, ein wahrer Zwerg muss halt eben etwas fülliger sein!«
Wie so häufig fingen die beiden an, sich zu fetzen, aber dennoch blieben sie wachsam. Der Zwerg behielt seine Hand in der Tasche mit den Katalysatoren und die Ohren der Elfe wackelten aufmerksam. Deshalb bemerkten die beiden sofort, dass sich zwei weitere Personen näherten. Es waren die Priesterin und das Kind.
»Schwester!«
»Ah!«
Das Gesicht der Kräutermischerin, die zwischen den Verletzten hin und her eilte, strahlte auf, als sie ihre kleine Schwester sah. Sie schloss sie fest in die Arme und das kleine Kind fing an zu weinen.
Goblin Slayer sah das Ganze und wandte sich dann der Priesterin zu, welche ihm ein entspanntes Lächeln schenkte.
»Was ist?«, fragte der Krieger grob.
»Hi hi, ach, nichts.«
Das Mädchen schüttelte leicht den Kopf.
»Es wirkte nur kurz so, als seist du glücklich, Goblin Slayer.«
»Ist das so?«
»Ja, ist es.«
»Na gut. Hilf bitte bei der Heilung der Dorfbewohner und auch dabei, die Leichen unter die Erde zu bringen.«
»Leichen?«
Die Priesterin legte ihren dünnen weißen Zeigefinger an die Lippen und dachte kurz nach.
»Ich habe nur die Riten der Erdmutter gelernt. Ist das denn in Ordnung?«
»Solange es eine Gottheit der Ordnung ist, werden sie nicht wählerisch sein.«
»Verstanden. Dann werde ich helfen«, antwortete die Priesterin voller Tatendrang und lief zum Echsenmenschen.
»Tut mir leid, dass ich so spät komme!«
»Ah, gut, dass du da bist«, antwortete der Mönch, der gerade dabei war, mit seinen schuppigen Pranken eine Wunde zu verarzten.
»Ich habe noch ein Wunder übrig, daher könnte ich bei jemandem, der schwer verletzt ist, noch Heilen wirken«, entgegnete die Priesterin, während sie verschiedene Verbände und Medikamente aus ihrer Tasche hervorholte.
»Dann kümmere dich um diese Person dort. Ihr wurde heftig auf die Hand geschlagen. Mir sind die Wunder schon ausgegangen.«
»In Ordnung!«
Die Priesterin hatte schon im Tempel gelernt, wie man verletzte Abenteurer heilte, weshalb sie genau wusste, was zu tun war. Voller Selbstbewusstsein machte sie sich an die Arbeit. Goblin Slayer schaute ihr kurz beim Schaffen zu und wollte sich dann daranmachen, über ihre weitere Vorgehensweise nachzudenken, als plötzlich ...
»Orcbolg!«
Ein einzelner Goblin war aus seinem dunklen Versteck hinter einem Fass hervorgesprungen. Doch sein Ziel war nicht, jemanden anzugreifen, sondern zu fliehen. Er rannte los und zuerst sah es so aus, als würde er entkommen, doch der Zwerg schaltete schnell genug. Er warf ein Band in die Luft und sagte eine Zauberformel auf.​
»Pixies, Pixies! Ich habe keinen Kuchen, aber bitte euch um einen Streich!«
Das Band raste wie eine Schlange los und wickelte sich um die Beine des Goblins, der nicht umfiel, aber deutlich ins Straucheln geriet. Dies gab der Elfe genügend Zeit, um sich in eine passende Schussposition zu begeben.
»Es war also doch noch einer übrig ...«
Mit diesen Worten zog Goblin Slayer einen Pfeil mit loser Spitze aus dem Köcher und warf ihn seiner langohrigen Kameradin zu.
»Bring ihn nicht um. Nutze den hier.«
Die Elfe schnappte sich den Pfeil mitten im Flug und im nächsten Moment schoss er auch schon wieder durch die Luft. Im selben Augenblick, in dem die Elfe wieder auf dem Boden landete, fiel der Goblin getroffen um.
»Bist du jetzt zufrieden?«, fragte die Waldläuferin Goblin Slayer.
» Ja«, antwortete dieser vollkommen nüchtern und schaute gebannt auf den getroffenen Goblin. Er war noch am Leben und machte sich daran, wieder aufzustehen. Er durchtrennte das Band um seine Beine und versuchte, den Pfeil aus seiner Schulter zu ziehen, doch während der Schaft abbrach, blieb die Spitze in seinem Fleisch stecken. Er rannte los ins Richtung Norden, die Berge hinauf.
»Aber es ist noch nicht vorbei.«
Es war, wie Goblin Slayer es sich gedacht hatte. Die getöteten Goblins waren nichts weiter als eine Vorhut gewesen, was hieß, dass auch noch eine Nachhut existierte. Die Frage war jetzt allerdings: Würden sie erneut angreifen oder sich zurückziehen?
Goblin Slayer sagte:
»Sobald sich die verbrauchten Zauber regeneriert haben, nehmen wir die Verfolgung auf.«
Er kniete sich vor den Dorfältesten, dem die Angst, dass ein weiterer Kampf in seinem Dorf stattfinden würde, ins Gesicht geschrieben war.
»Auch um auf Angriffe bei Nacht vorbereitet zu sein, würden wir gerne bis morgen eine Unterkunft haben. Wäre das in Ordnung?«
»... Ja, natürlich!«
» Und dann möchte ich Informationen über die Gruppe, die zuvor hier war. Gibt es im Dorf Jäger?«
»Ja, einen älteren ... «
»Ich möchte mehr über die Beschaffenheit der Berge wissen. Eine Karte hätten wir auch gern. Sie darf auch simpel sein.«
Der Dorfvorsteher nickte mehrfach, bevor er verlegen sagte:
» Ach, aber was die Belohnung angeht ... «
»Die Goblins gehen vor«, unterbrach der Krieger ihn.
Er blickte nach Norden zu den Bergen. Die Sonne war schon fast untergegangen und eine dunkle und kühle Nacht kündigte sich an.
»Sobald unsere Vorbereitungen abgeschlossen sind, werden wir sie vernichten.«
* * *
Der Schaden im Dorf war relativ gering. Natürlich waren Einzelne verletzt oder getötet worden, weil sie versucht hatten, sich den Goblins zu widersetzen, aber nur wenige Häuser waren abgebrannt oder auf andere Art und Weise unbewohnbar gemacht worden. Vielleicht ist das eine Art Segen, dachte die Priesterin. Doch ein Blick auf den Friedhof ließ sie diesen Gedanken schnell wieder vergessen. Nachdem sie mit der Kräutermischerin und dem Echsenmenschen die Verletzten versorgt hatte, sollte sie sich jetzt um die Beerdigung der verstorbenen Dorfbewohner kümmern.​
»Höchst barmherzige Erdmutter. Bitte führe mit deinen Händen die Seelen derer, die diese Erde verlassen haben.«​
Sie zog den Priesterstab an sich heran, während sie flüsternd das Gebet sprach. Anschließend versah sie jeden Toten mit einem heiligen Zeichen und schüttete Erde auf sie alle. So ein Ritual war nicht nur notwendig, weil die Möglichkeit bestand, dass jemand als Untoter wiederkehren könnte, sondern auch, damit die Überlebenden Frieden mit dem Tod ihrer Bekannten schließen konnten. Die Seelen der Verstorbenen durften so zu ihren Göttern zurückkehren und der Kreislauf des Lebens konnte ungestört weiterfließen.​
»Wahrscheinlich wird es heute Nacht keinen Angriff geben«, sagte Goblin Slayer nüchtern, nachdem die Priesterin ihr Ritual beendet hatte.​
»Du musst erschöpft sein. Ruh dich aus.«
Er sprach wie immer in einem Ton, der keine Widerrede zuließ. Da die Priesterin aber genau wusste, dass er gerade versuchte, rücksichtsvoll zu ihr zu sein, würde sie sich nicht beschweren.
»Haaaach!«​
Mit einem entspannten Seufzer stieg die Priesterin wenig später in die heiße Quelle des Dorfes. Einer der verschneiten Berge war früher ein feuerspeiender Vulkan gewesen, weswegen die Naturgeister im Boden das Wasser aufwärmten. Unter einem Dach, das wie eine Gartenlaube gebaut war, blubberte aus der heißen, von Steinen umringten Quelle warmes Wasser hervor. Der Waschplatz war aus Steinen angelegt worden und eine Statue einer Gottheit beschützte die Badenden. Weil es ein gemischtes Bad war, hatte die Priesterin ihren zarten Körper in ein Handtuch gehüllt, doch die Elfe schien das nicht zu beunruhigen. Sie war splitterfasernackt. Ihr Körper erinnerte an den einer edlen Fee, doch ihr aktuelles Verhalten stand im kompletten Gegensatz dazu. Sie marschierte nervös am Rand des Wasserbeckens hin und her und tippte immer wieder eine Zehenspitze ins Wasser, bevor sie einen Satz zurück machte.​
»S... Sag mal ... Ist das wirklich sicher?«
Die Priesterin musste lächeln.
»Das ist vollkommen sicher. Es ist eine natürliche Quelle, aus der warmes Wasser kommt.«
»Ist es nicht unangenehm, wenn die Naturgeister des Wassers, der Erde, des Feuers und des Schnees so vermischt sind?«

»Ich finde, es fühlt sich sehr angenehm an.«​
» Ach, wirklich?«
Die Elfe kämpfte mit sich selbst. Nervös wanderte ihr Blick von der Priesterin auf das Wasser und wieder zurück. Schließlich fasste sie sich ein Herz und ...
»Hey!«
»Wah?!«
Mit Schwung sprang die Waldläuferin ins Wasser und sorgte so für eine kleine Wasserfontäne, die die Priesterin voll erwischte.
Die Elfe war komplett in das Wasser eingetaucht und streckte ihren Kopf mit einem „Puah!“ wieder heraus.
»Ach, das warme Wasser ist gar nicht mal so übel.«
»Das habe ich dir doch schon gesagt ... Aber wieso springst du so ins Wasser? Das gehört sich nicht.«
» Tut mir leid, aber es musste einfach sein. Sonst hätte ich mich nicht getraut.«
Die beiden schauten sich kurz schweigend an und verloren sich dann in schallendem Lachen. Es war schwer, über die Aufregung und dem Schrecken eines Kampfes hinwegzukommen, doch Momente wie dieser halfen einem dabei. Die Bogenschützin mochte wesentlich älter und erfahrener sein als die Priesterin, doch für eine Elfe war sie noch relativ jung. Die beiden entspannten sich im Wasser und schauten in den Himmel. Er war voll von trüben, bleifarbenen Wolken und man konnte weder Sterne noch die zwei Monde sehen. Goblin Slayer hatte ihnen mal erzählt, dass Goblins von einem der zwei Monde kamen, aber wie lang war das jetzt wieder her? Bevor sie zum Bad aufgebrochen waren, war er es auch gewesen, der ihnen gesagt hatte, dass sie ihre Waffe in der Nähe behalten sollten. Schließlich konnte es sein, dass die Goblins erneut angriffen.
Ob er wohl selbst im Bad seine Rüstung und den Helm trägt?
Dieser Gedanken schoss den beiden gleichzeitig durch den Kopf und brachte sie wieder zum Lachen.
»Die anderen hätten ruhig mitkommen können«, murmelte die Priesterin.
»Für meine Art ist ein Bad im Schlamm passender!«, machte die Elfe den Echsenmenschen nach und die Priesterin musste kichern.
»Diese Echsenmenschen soll mal einer verstehen. Aber der Zwerg ist auch nicht besser, der möchte seinen Geist lieber mit Alkohol erholen oder so. Und Orcbolg ... «
»Er steht Wache, oder?«
Die Priesterin saß mit angezogenen Knien im Wasser.
»Ich mache mir ein wenig Sorgen, dass er sich übernimmt.«
»Aber er ist doch voll in seinem Element! Schließlich geht es um das Auslöschen von Goblins.«
»Ja, das mag sein, aber man macht sich doch trotzdem Gedanken.«
Die beiden hielten kurz inne und stellten sich vor, wie er gerade auf einen der verschneiten Berge starrte und die ganze Zeit „Goblin, Goblins“ vor sich hin murmelte.
»Wenn man ihn lassen würde, würde er sicherlich sein ganzes Leben so verbringen.«
»Ja... Sicherlich ...«, stimmte die Priesterin ihr zu.
Seitdem sie alle zusammen unterwegs waren, hatte der Krieger sich zwar verändert, aber dennoch ...
Die Elfe unterbrach die Priesterin in ihren Gedanken.
»Aber weil wir mit ihm unterwegs sind, sind wir jetzt hier in den Norden gekommen. Das ist auch nicht schlecht.«
Dann schlug sie klatschend auf die Wasseroberfläche und wedelte mit ihrer Hand im Quellwasser herum. Langsam wurde sie von einer Dampfwolke eingehüllt.
»Ach ja, du bist Abenteurerin geworden, weil du die Welt außerhalb des Waldes sehen wolltest, nicht wahr?«
»Mhm?«
Während die Elfe Arme und Beine ausstreckte, setzte die Priesterin neben ihr sich aufrecht hin.
»Ja, das stimmt. Mir würde etwas fehlen, wenn ich in meinem Leben nichts weiter als den Wald gesehen hätte.«
»Ihr Elfen lebt doch ewig ... Ich kann mir gar nicht ausmalen, wie es sein muss, mehrere tausend Jahre lang zu leben.«
»Das ist gar keine so große Sache. Es ist wie mit großen Bäumen, sie sind einfach da.«
Die Elfe malte mit ihrem Zeigefinger Kreise in die Luft. Gebannt folgte die Priesterin den grazilen Bewegungen.
»Dann ...«, die Priesterin tauchte kurz bis über ihren Mund ins Wasser, um zu verstecken, dass etwas so Kleines sie so begeistert hatte, »... war das Leben dort langweilig und deswegen bist du Abenteurerin geworden?«
»Teilweise stimmt das, aber teilweise auch nicht. Es gab etwas, das ich tun musste. Das würde es wohl eher treffen.«
Wenn es zu viele Tiere gab, mussten diese gejagt und zur Erde zurückgeführt werden. Wenn es zu viele Früchte gab, aß man sie.
Man durfte den Blick nicht vom Kreislauf der Natur nehmen. Sie erzählte, dass es im Wald immer etwas zu tun gab.
»Einmal sah ich, wie ein Blatt von einem Bach weggespült wurde. Ich habe mich gewundert, wo es wohl eines Tages landen würde, und schon gab es kein Halten mehr für mich. Ich lief nach Hause, schnappte mir meinen Bogen und verfolgte das Blatt.«
»Und wo ist es am Ende angekommen?«
»An einem Damm.«
Die Elfe kniff wie eine Katze die Augen leicht zusammen.
»Einem von Menschen errichteten Staudamm. Da ich so etwas noch nie gesehen hatte, schaute ich ihn mir ganz genau an.«
Obwohl das Blatt mit solcher Kraft vom Fluss mitgerissen worden war, war es dort einfach aufgehalten worden. Die Elfe lächelte, holte tief Luft und begann, ein Gedicht zu rezitieren:
»Was befindet sich am Ende des Flusses? Was blüht dort, wo die Schwingen des Vogels ihn hintragen? Wenn der Wind aus weiter Ferne herbei weht? Was befindet sich dann am Ende des Regenbogens? Vielleicht ist es zu weit weg, um hingehen zu können, aber wenn man nicht geht, kann man es auch nicht sehen.«
Die Priesterin blinzelte überrascht und die Elfe stieß ein Schnaufen durch die Nase aus. Man sagte, dass es auf der Welt kein Volk gab, das so elegant wie die Elfen war.
Der Blick der Elfe fiel auf die Brüste der Priesterin und sie stieß einen Seufzer aus.
»Ab jetzt werden sie noch wachsen. Wie schön ... «
Die Priesterin wurde auf einen Schlag rot im Gesicht. »W...
Was redest du denn da plötzlich? Und sowieso ... «
»Ich rede von der Zeit. Die Zeit. Das Lied und das Jetzt.« Die Elfe kicherte und es klang, als hätte sie ein Glöckchen in ihrer Kehle. Dann streckte sie ihre Hand aus und fuhr damit durch die nassen Haare der Priesterin. »Weißt du? Ich kann mir zwar noch etwas Ruhe lassen, aber ...«
»Ruhe?«, fragte die Priesterin, während sie sich den Kopf streicheln ließ.
»Ja«, erwiderte die Elfe. »Menschen leben gerade mal hundert Jahre, bevor sie sterben, oder?«
»Das ist ...«
»Warum können nicht alle einfach ein langes Leben haben? Oder würde ich gar nicht erst daran denken, wenn ich ein Mensch wäre?«
»Wenn du ein Mensch wärst, wärst du sicherlich neidisch auf die Schönheit der Elfen«, murmelte die Priesterin.
Sie war zufrieden mit ihrem Leben, doch natürlich dachte auch sie manchmal darüber nach, wie es anders sein könnte.
Was wäre, wenn sie besser kämpfen könnte? Wenn sie ihre Wunder länger aufrechterhalten könnte? Würde sie ihm dann vielleicht nützlicher sein? Sie hatte ihm versprochen, dass sie ihn unterstützen würde, doch konnte sie das im derzeitigen Zustand überhaupt?
Jeder würde irgendwann ein Ende finden, so viel war sicher, aber sie wollte verhindern können, dass es für ihn zu früh kam.
»Wenn du als Elfe geboren wärst, hättest du dir gewünscht, ein Mensch zu werden«, antwortete die Elfe und drückte die Priesterin kurz, bevor sie sich langsam entfernte.
Das Mädchen hatte kurz das Gefühl gehabt, den Geruch des Waldes in der Nase zu haben. Vielleicht war es aber auch einfach nur Einbildung gewesen. Aber wenn es nicht so war ... Dann ist die Elfe noch immer mit dem Wald verbunden . . . Und das, obwohl sie so weit von ihm entfernt ist.
»Das mag sein«, gab die Priesterin seufzend zurück.
»Wir sollten das Bad langsam verlassen. Wir sind schließlich wegen eines Auftrags unterwegs und nicht auf einer Entspannungsreise.«
»Das stimmt.«
Die Elfe stand auf und vertrieb dabei den Dampf um sie herum.
»Diese Welt macht es einem wirklich nicht einfach.«
* * *
»Die Lage sieht nicht besonders gut aus«, sagte Goblin Slayer vor dem knisternden Kaminfeuer.​
Die Abenteurer befanden sich im zweiten Stock einer Schänke. Das Gebäude aus Holzstämmen wurde durch das Kaminfeuer gewärmt, das gleichzeitig auch die Schatten im Raum tanzen ließ. Auf dem Tisch standen mit Met gefüllte Krüge. Eigentlich hatten die Dorfbewohner angeboten, dass sie jedem von ihnen einen Platz zum Schlafen geben könnten, doch Goblin Slayer hatte abgelehnt. Er wollte, dass die Gruppe für den Fall der Fälle zusammenblieb. In dem Raum waren gerade nicht nur die Abenteurer, sondern auch einige Dorfbewohner anwesend, die sie gleichermaßen neugierig und argwöhnisch anstarrten. Die Priesterin machte das unruhig.
»Wir scheinen aber nicht besonders willkommen zu sein, oder?«, sagte das Mädchen leise zu seinen Kameraden.
Vor allem das aufgetischte Essen hatte ihr diesen Eindruck vermittelt. Auf dem Tisch stand nichts weiter als Kartoffeln und auch wenn sie ein einfaches Leben gewöhnt war, war das dann doch ein wenig dürftig.
»Nein.«
Der Zwerg schüttelte den Kopf. »Ich habe gehört, dass die vorherige Abenteurergruppe fast alle Vorräte aufgekauft hat.«
»Wie bitte?«
»Sie meinten wohl, dass sie die Sachen zum Vertreiben der Goblins brauchen würden.«
»Hm ... Vielleicht wollten sie die Goblins damit hervorlocken?« Der Echsenmensch wedelte mit dem Schwanz.
»Oder war es eine Art der Erpressung?«
» Aber braucht man davon so viel?«, fragte das Mädchen nachdenklich.
»Das hängt von vielen Faktoren ab«, erklärte Goblin Slayer.
»Einige Goblin Horden besitzen kein Nest, sondern ziehen umher, und die muss man dann länger verfolgen.«
»Aber wir haben keine Zeit, oder?«, sagte die Elfe, während sie genüsslich etwas Met schlürfte. Ihre Wangen waren schon ordentlich gerötet.
»Wir wissen nicht, wie es um die Abenteurerin steht, die wir retten sollen.«
»Ja, aber dass die Dorfbewohner nicht entführt wurden, ist ein glücklicher Umstand. Wer weiß, ob wir ihnen noch hätten helfen können.«
Der Krieger nickte langsam. Dann schob er die Teller auf dem Tisch zur Seite und breitete ein Pergamentpapier aus.
» Wir haben wirklich keine Zeit zu verlieren.« Mithilfe des Jägers hatte er eine einfache Karte der Gegend erstellen können und sie auch bereits mit einigen Kommentaren versehen.
»Nach Erzählung des Jägers soll es hier eine Höhle geben, die die Goblins als ihr Nest nutzen könnten.«
» Aber«, die Elfe strich mit dem Finger über die Karte und schätzte die Entfernung zwischen Dorf und Höhle ab, »wenn keine Dorfbewohner entführt wurden, warum hat man sich dann nicht sofort um die Höhle gekümmert?«
»Ich kann mir vorstellen, was die vorherige Abenteurergruppe gedacht haben mag.«
Die Blicke aller Anwesenden hafteten auf Goblin Slayer, als er sich eine gebratene Kartoffel in den Mund steckte. Man konnte den Helm wackeln sehen und ein Schmatzen hören, bevor er sie runter schluckte.
»Ich habe von der jungen Kräutermischerin gehört, dass sie auch Bauholz gekauft haben.«
»Holz ... Ach! Warte! Ich komm gleich drauf!«
Der Zwerg schüttete sich einen großen Schluck Met in den Hals und störte sich nicht daran, dass die Elfe ihm einen angeekelten Blick zuwarf.
»Weil es Bauholz ist, wollten sie die Biester nicht ausräuchern, sondern etwas bauen. Und den ganzen Proviant brauchten sie, um...«
»Sie wollten sie aushungern«, unterbrach Goblin Slayer den Schamanen.
Das Feuer im Kamin knisterte und für eine Weile sagte niemand im Raum etwas. Der Echsenmensch nahm sich den Schürhaken und stocherte etwas zwischen den Holzscheiten herum. Dabei sagte er:
»Gegen eine große Menge von Gegnern kann man so auf jeden Fall ankommen.«
»Nicht unbedingt. Wenn die Gegend dazu geeignet ist, den Gegner einzukesseln und auszuhungern, funktioniert die Taktik natürlich, aber schlecht angewendet treibt sie den Gegner nur zu verzweifelten Maßnahmen.«
Dass die Goblins das Dorf überfallen hatten, konnte eigentlich nur eins bedeuten: Sie waren ausgebrochen und hatten die Abenteurer dabei erledigt. Als sich die Priesterin diese Szene ausmalte, verkrampfte sich ihr ganzer Körper. Ausgehungerte Goblins mussten schreckliche Gegner sein. Eigentlich war es ein komischer Gedanke: Die Dorfbewohner hatten die Abenteurer angeheuert, damit sie die Goblins davon abhielten, Nahrung zu stehlen, aber die Abenteurer hatten ihnen all ihre Nahrung ab geknüpft, nur um dafür zu sorgen, dass die Goblins noch aggressiver wurden.
»Allein können wir kein Schwert, keine Tränke und auch keinen Proviant herstellen.«
Mit einem lauten Gluck nahm Goblin Slayer einen Schluck Met. Er trank durch das Visier hindurch.
»Und Abenteurer, denen der Proviant ausgeht, sind schon am frühen Abend aufgerieben.«
»Orcbolg, kannst du solche Dinge nicht etwas diplomatischer ausdrücken?«
»Ich werde es probieren«, antwortete der Krieger und nahm noch einige weitere Schlucke. Seine Kameraden schauten ihm dabei mit einem leichten Lächeln auf ihren Gesichtern zu.
Ohne diesen Mann hätten sie ganz sicher niemals diese Gruppe gebildet.
» Werter Goblintöter, hast du mittlerweile einen Plan geschmiedet?«, fragte der Echsenmensch schließlich.
»Nicht wirklich«, antwortete jener fast ein wenig amüsiert. Er wusste weder, wie das Nest aufgebaut war, noch, wie viele Gegner darin wohnten. Außerdem war nicht klar, ob von der vorigen Abenteurergruppe noch welche übrig waren. Das einzige, was er mit Bestimmtheit sagen konnte, war, dass die Goblins nicht allzu lange warten würden, um erneut anzugreifen. Und genau deshalb wusste er, was zu tun war:
»Wir werden schnell angreifen.«


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Edward Teach

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Kapitel 44
Metzelei

Die Abenteurer brachen mit dem Morgengrauen auf. Am liebsten wären sie gleich nach dem Abendessen losgezogen, aber da die Nacht den Goblins gehörte, hatten sie bis zum Morgen warten müssen.​
»Urgh ... E ... Es ist so kalt!«, bibberte die Elfe mit zitternden Ohren, während sie gemeinsam mit ihren Kameraden den Aufstieg in die Berge begann.​
Sie war es gewohnt, durch die Natur zu wandern, aber in den verschneiten Bergen war sie zum ersten Mal. Die Gruppe war durch ein Seil verbunden, um sich nicht in all dem Weiß zu verlieren. Der Schnee war tief und kalt, sodass jeder Schritt anstrengend war, und die in unregelmäßigen Abständen herabfallenden Gesteinsbrocken konnten einen das Leben kosten, wenn man nicht ständig aufmerksam war.​
»Puh ... Hngh ... Das ist ganz schön ... «​
»Alles in Ordnung?«​
»Das ist wirklich ... «​
Der Echsenmensch, der aus einem südlichen Land kam, hatte ebenfalls unter dem Wetter zu leiden. Die Kälte machte ihn träge. Die Priesterin schaute ihm besorgt dabei zu, wie er seinen Schwanz hinter sich herschleifte. Ab und an musste der Zwerg ihm unter die Arme greifen. Jetzt schimpfte er:​
»Mensch, Schuppiger. Streng dich doch mal ein wenig an! Ich halte das Schneetreiben immerhin schon mit Magie ab.«​
»Entschuldige bitte«, antwortete der Echsenmensch niedergeschlagen.​
»Werter Goblintöter, wie sieht es vorne aus?«​
»Alles in Ordnung.«​
Goblin Slayer führte die Gruppe an. Gerade schaute er einen Gebirgskamm hinunter und überprüfte dabei mithilfe der Karte ihre Position.​
»Es müsste dort sein.«​
Er zeigte auf eine Höhle, die in die Seite eines Bergs geschlagen worden war. Um den Eingang herum stapelten sich Gesteinsreste und Unrat. Zweifelsohne eine Monsterhöhle. Die Gruppenmitglieder schauten einander an und nickten. Sie holten eine Plane heraus, um eine kurze Rast einzulegen und den Höhleneingang zu beobachten.​
»Wir müssen uns ein wenig aufwärmen. Hey, Bartschneider! Darf ich ein Feuer machen?«​
»Bitte.«​
Schnell hatte der Zwerg Feuerholz und Feuersteine hervorgeholt und schlug sie zusammen.​
»Wo hast du das denn gefunden?«, fragte die Priesterin.​
»Noch eine Schicht unter der Schicht unter dem Schnee. Das solltest du dir merken.«​
Damit die Goblins das Feuer nicht bemerkten, schichtete der Schamane ringsherum etwas Schnee als Abschirmung auf. Der Himmel war voller bleifarbener Wolken und die ließen nicht viel Sonnenlicht hindurch.​
»Bald schon wird es dämmern. Sobald unsere Körper sich durch die Wärme etwas gelockert haben, werden wir eindringen.«​
Scheppernd löste Goblin Slayer die Scharniere seiner Rüstung und stellte seine Tasche ab. Weil er seine Ausrüstung sonst nie ablegte, war die Priesterin sehr überrascht und fragte ihn:​
»Huch? Ist jetzt nicht der falsche Zeitpunkt dafür?«​
»Ganz im Gegenteil. Wenn ich das nicht eine Zeit lang mache, kann mein Körper sich nicht erholen.«​
Er legte die Handschuhe ab und massierte seine Hände, die nicht den geringsten Hauch von Bräunung aufwiesen.​
»Ihr solltet es auch tun. Wenn eure Hände oder Beine vom Geist des Eises vergiftet werden, faulen sie und fallen ab.«​
»Hilfe!«, rief die Elfe erschrocken. Mit angespanntem Gesicht begann sie, ihre Arme zu massieren.​
» Auch die Beine. Vergesst das nicht.«​
»Äh, ja.«​
Die Priesterin zog ihre Stiefel und Socken aus, um dann ihre entblößten Füße und Zehen zu kneten. Sie war überrascht, wie nass ihre Strümpfe waren. Wahrscheinlich durch eine Mischung aus Schweiß und Schnee. Sie ärgerte sich, dass sie kein Wechselpaar mitgenommen hatte.​
»Wie sieht es bei dir aus?«, fragte Goblin Slayer den Echsenmenschen.​
Es war nicht immer leicht, die Mimik des Mönchs zu verstehen, doch der Krieger erkannte, dass sein Kamerad wirklich mit der Kälte zu kämpfen hatte. Während er mit seinen Krallen die Eisklumpen von seinen Schuppen kratzte, erwiderte er:​
»Also ... Ich bin wirklich erstaunt, dass es auf dieser Welt einen Ort gibt, der so kalt ist wie dieser hier.«​
»Es gibt Gebiete, die noch wesentlich kälter sind.«​
»Wie bitte?!«​
Dem Echsenmenschen stand der Schock so sehr ins Gesicht geschrieben, dass der Zwerg ein Kichern nicht unterdrücken konnte. Geschickt holte er eine Flasche Branntwein aus seiner Tasche und überreichte jedem eine Schale, die er anschließend mit je einem Schluck des Hochprozentigen füllte.​
»Hier, trinkt. Das wird euch aufwärmen.«​
»Oho. Ich danke dir, werter Schamane.«​
»Ist schon gut, trink einfach.«​
Alle nippten vorsichtig an ihrem Getränk. Sie wollten sich schließlich nur aufwärmen und nicht betrinken.​
»Da fällt mir ein: Dein Ziel ist doch, deine Stellung zu erhöhen und ein Drache zu werden, oder?«, fragte die Elfe den Echsenmenschen plötzlich.​
Dieser hatte sich, so nah es sein großer Körper zuließ, am Feuer niedergelassen und hielt etwas Käse in den Händen.​
»So ist es.«​
»Ein Drache, der Käse liebt, was?« Die Elfe musste kichern.​
»Das ist besser als ein Drache, der Jungfrauen opfert und Schätze sammelt, nicht wahr?«​
»Ja, wahrscheinlich müsste für den auch kein Abenteurer kommen, um ihn zu vertreiben.«​
»Das will ich doch hoffen.«​
Trotz des kalten Wetters und des Goblin Nests in der Nähe war die Elfe bester Dinge. Sie schnitt sich mit ihrem Messer ein Stück von dem Käse des Echsenmenschen ab und warf es sich in den Mund. Die Lebensmittel von dem Bauernhof waren wie immer lecker. Ihre Ohren wackelten vergnügt.​
» Aber, sag mal, schmecken junge Mädchen den Drachen denn besonders gut? Oder hat das Ganze eher einen rituellen Zweck?«​
»Gute Frage, vielleicht kann ich dir das beantworten, wenn ich wirklich ein Drache geworden bin.«​
»Aber wie wird man überhaupt ein Drache?«, fragte die Priesterin neugierig.​
»Feuer zu speien und durch die Luft zu fliegen könnte man wahrscheinlich mit Magie schaffen, oder?«​
»Hi hi hi, in der Tat sprechen alte Leute so von den Drachen ..., sagte die Elfe und schenkte sich etwas von dem Branntwein nach.​
»Man sollte nicht immer darauf hören, was die alten Leute sagen«, warf der Zwerg ein.​
»In meiner alten Heimat gab es aber wirklich einen gewaltigen Drachen, von dem mittlerweile nur noch Knochen übrig sind.«​
Die Priesterin musste lächeln. Dies war mal wieder eine typische Unterhaltung zwischen Mitgliedern unterschiedlicher Glaubensrichtungen.​
» Ach, stimmt!«​
Die Elfe schnippte mit ihren dünnen, langen Fingern.​
»Wenn du ein unsterblicher Drache wirst, werde ich wenigstens für die nächsten paar tausend Jahre jemanden haben, mit dem ich Zeit verbringen kann.«​
»Oho.«​
»Ja, sonst wird dir doch sicher langweilig. Die anderen Drachen haben mit dem Chaos stiften doch auch bestimmt nur angefangen, weil sie nicht mehr wussten, was sie sonst noch machen sollten.«​
»Interessant«, erwiderte der Echsenmensch.​
Er versuchte, sich vorzustellen, wie es sein würde, wenn er erst ein Drache war.​
»Ein Drache, der Geschichten über die Goblin Jagd erzählt und ständig Besuch von einer Hochelfe erhält.«​
»Bitte nicht den Käse vergessen.«​
»Das klingt alles gar nicht so schlecht.«​
»Nicht wahr?«​
»Hört auf. Bevor ihr darüber nachdenkt, was in tausend Jahren passiert, denkt an das, was jetzt gleich geschehen wird«, sagte Goblin Slayer, nachdem er die ganze Zeit geschwiegen hatte.​
»Werter Goblintöter, hast du etwa schon eine Idee, wie wir angreifen sollen?«​
Der Krieger nickte.​
»Wir gehen wie immer vor, das heißt, wir werden in einer Reihe laufen. Von vorne nach hinten: Ich, Waldläuferin, Kampfmönch, Priesterin, Magiewirker.«​
»Der Standard also«, antwortete der Echsenmensch.​
»Der Eingang sieht breit genug aus, sodass wir auch mit einer Zwei-Dreier-Formation hineingehen könnten«, warf der Zwerg ein.​
Er sah sich den Höhleneingang und den Unrat davor noch einmal genauer an.​
»Pah, da vergeht mir der Durst auf den Alkohol.«​
Es war nicht irgendwelcher Abfall, den die Höhlenbewohner dort abgelagert hatten, sondern die misshandelte Leiche einer Abenteurerin. Jegliche Ausrüstung war ihr abgenommen worden und ihr nackter Körper war mit Bisswunden übersät. Ihre Ohren waren bis auf die Größe derer von Menschen zurückgeschnitten worden, doch man konnte erkennen, dass es sich um eine Elfe gehandelt hatte. Die abgeschnittenen Ohrenteile hatte man ihr in den Mund gestopft. Es war ein absolut grauenhafter Anblick.​
»Ist irgendwas?«, fragte die Waldläuferin.​
»Nein, gar nichts. Sei nicht immer so neugierig, Langohr.«​
»Das bin ich doch gar nicht immer ... Nur manchmal ... «​
»Hey.«​
Goblin Slayer lehnte sich zum Zwerg rüber und fragte leise:​
»Hast du dort blondes Haar gesehen?«​
Der Zwerg schüttelte langsam den Kopf. Er strich sich durch den Bart und antwortete mit genauso leiser Stimme:​
»Nein. Ich konnte keines ausmachen.«​
»Dann haben wir noch Zeit, oder?«, murmelte der Echsenmensch, der gehört hatte, worüber die beiden redeten.​
Ihre Mimik und Gestik ließ die Priesterin erahnen, was los war. Ein Schauer lief über ihren Körper. Goblin Slayer klopfte ihr leicht auf die Schulter und sagte:​
»Wir gehen. Aber zieh dir vorher deine Socken und Stiefel wieder an.«​
***
Die Schatten, die durch das Licht der Fackel geworfen wurden, tanzten an den Höhlenwänden. In der Höhle war es um einiges wärmer als draußen, doch es stank bestialisch.​
»Hm... Es geht nach unten.«​
» Aber dahinten führt der Weg wieder hoch, oder?«​
»Hm ...«​
Goblin Slayer hatte bereits in vielen Goblin Nestern gesehen, dass die Gänge erst nach unten und dann wieder nach oben verliefen.​
»Das ist zum Abhalten von Regen und Schnee«, erklärte der Zwerg.​
»Ich hätte nicht gedacht, dass Goblins schlau genug für so etwas sind«, sagte die Priesterin und neigte ihren Kopf zur Seite.​
Goblin Slayer hatte ihr schon häufiger gesagt, dass die Biester dumm waren, aber nicht töricht. Sie waren lernfähig, aber wie sie auf so etwas kommen sollten, wollte der Priesterin nicht in den Kopf.​
»Wer weiß?«, antwortete Goblin Slayer emotionslos und zog sein Schwert von der Hüfte, um die Spitze in eine Urinpfütze der Höhlenbewohner zu tunken. Er schnalzte mit der Zunge und sagte:​
»Tretet nicht unvorsichtig in diese Pfützen.«​
»Wieso das?«​
»Sie sind tiefer, als ihr denkt, und die Goblins haben darin Pflöcke aufgestellt.«​
Die Elfe zog einen ihrer Pfeile aus dem Köcher und überprüfte damit die Tiefe der Grube. Angeekelt verzog sie ihr Gesicht und sagte:​
»Oje, wie niederträchtig.«​
»Sei bitte wachsam.«​
»Ja, das werde ich.«​
Die Elfe sprang locker über die Pfütze und zwinkerte dem Krieger zu.​
»Ich habe schließlich keine Lust, so dreckig wie du herumzulaufen.«​
Anstatt sich mit Dreck und Extrementen zu beschmutzen, um ihren Geruch zu verdecken, hatte die Waldläuferin sich diesmal einen Duftbeutel umgehängt, der den gleichen Zweck erfüllte.​
»Du weißt schon, dass ich das nicht aus Spaß mache.«​
»Nun ja, es ist auf jeden Fall nicht einfach, den Dreck wieder aus der Kleidung zu kriegen«, meldete die Priesterin sich zu Wort.​
Sie trug ebenfalls einen Duftbeutel um ihren Hals.​
»Du sagst es«, stimmte die Elfe ihr zu.​
Den beiden war die Leiche der Abenteurerin am Eingang der Höhle nicht entgangen, doch sie wussten, dass es nichts brachte, sich in diesem Moment darüber aufzuregen. Sie nickten sich zu und sagten:​
»Wir werden uns anstrengen.«​
Nachdem der Gang noch einige Male hoch und runter geführt hatte, erreichte die Gruppe endlich so etwas wie einen Hauptgang der Höhle. Goblin Slayer bemerkte, dass seine Fackel schon heruntergebrannt war, und entzündete deshalb eine neue. Die alte Fackel überreichte er der Priesterin. Die Menschen in der Gruppe verfügten als einzige nicht über die Fähigkeit, im Dunkeln sehen zu können, und um sich genauer umzuschauen, brauchte der Krieger so viel Licht wie möglich.​
»Ich kann keine Totems finden«, sagte er nach einiger Zeit.​
»Dann gibt es vielleicht keinen Schamanen?«​
»Ich weiß es nicht.«​
Goblin Slayer schüttelte leicht den Kopf.​
»Irgendwie gefällt mir das nicht.«​
»Aber wieso? Wenn sie keine Magie wirken können, ist es doch einfacher für uns.«​
»Ja, aber eine Goblin Horde ohne einen klugen Anführer hätte es weder geschafft, die Abenteurer zu besiegen, noch hätten sie das Dorf so systematisch angreifen können«, warf der Echsenmensch in die Runde.​
»Dann gibt es hier also doch einen Dunkelelfen oder einen Oger?«​
»Es könnte auch ein Dämon sein.«​
Mit einem unguten Gefühl im Magen sahen sich die Abenteurer an, bis der Zwerg seufzte und sagte:​
»Ach, hört doch auf. Wir haben gar nichts davon, wenn wir uns jetzt ins Hemd machen. Selbst ein hervorragendes Schwert wird nur mit einem Hammer​
geschmiedet. Wir sollten uns einfach darauf konzentrieren, was zu tun ist. Nicht wahr, Bartschneider?«​
»Ja. War das gerade ein Sprichwort der Zwerge?«​
»So ist es«, antwortete der Schamane stolz.​
»Ach so.«​
Der Krieger stapfte los und dachte über die Redensart nach, die er gerade gehört hatte.​
»Gar nicht schlecht.«​
Da Goblin Höhlen in der Regel relativ simpel gebaut waren, lief die Abenteurer-Gruppe einfach den Weg entlang. Auch wenn es überall nach Goblins stank, waren die Bestien nirgendwo zu sehen.​
»Bei dem Mief wird mir echt übel ...«, flüsterte die Elfe und hielt sich angewidert den Stoff ihres Ärmels vor den Mund.​
Keiner von ihnen sagte etwas. Sie empfanden alle das Gleiche bis auf Goblin Slayer. Nach einiger Zeit erreichten die Abenteurer eine Abzweigung. Die Elfe ging in die Knie und untersuchte vorsichtig die Fußspuren auf dem Boden.​
»Es führen mehrere von ihnen nach rechts ..., sagte sie und klopfte mit der Hand auf den staubigen Boden.​
Auf die Augen der Waldläuferin war Verlass, was hieß, dass sich rechts das Schlaflager befinden musste. Links hingegen war die Waffenkammer, der Vorratsraum oder aber ...​
»Letztes Mal haben wir auch erst die Toilette aufgeräumt.«​
»Ja«, stimmte Goblin Slayer zu.​
»Es wäre ein Problem, wenn einer von ihnen fliehen könnte, nur weil er gerade auf dem Klo war.«​
»Dann machen wir es diesmal genauso?«​
»Hm ...«​
Goblin Slayer stieß ein tiefes Brummen aus. Sollten sie die erprobte Vorgehensweise nutzen oder lieber doch nicht? Würde die Strategie ihnen hier auch zum Sieg verhelfen? Der Krieger ging das Vorgehen der Gruppe im Kopf durch. Wenn Wurfsteine die wichtigste Waffe der Menschen waren, dann war ihr strategisches Denken die zweitwichtigste. Was würde er machen, wenn er ein Goblin wäre?​
»Wir schlagen erst rechts zu.«​
Anstatt über Goblin Slayers Entscheidung zu diskutieren, bereiteten seine Kameraden sich vor. Die Elfe spannte einen Pfeil in ihren Bogen, der Echsenmensch zückte seine Reißzahnklinge, der Zwerg steckte seine Hand in die Tasche mit Katalysatoren und die Priesterin hielt ihren Stab fest. Gemeinsam folgten alle dem rechten Weg und stießen schließlich auf eine Gruppe Goblins, die Spaten und Spitzhacken in den Händen hielten, um Tunnel für Überfälle zu graben.​
***
»Höchst barmherzige Erdmutter. Schenke uns, die durch die Dunkelheit irren, dein heiliges Licht!«​
Die Priesterin ergriff die Initiative und wirkte ein Wunder.​
Das hatte weniger mit ihrem Können als mit ihrem Würfelglück zu tun. Um die Spitze ihres Stabs herum erstrahlte ein blendendes Licht.​
»GORARAB?!«
»ORRRG?!«​
Geblendet von dem göttlichen Licht versuchten die Goblins verzweifelt, ihre Augen zu bedecken. Da das Wunder hinter den Abenteurern gewirkt wurde und sie so nicht geblendet wurden, nutzte Goblin Slayer die Chance und zählte schnell, wie viele der Biester es waren.​
»Siebzehn. Kein Hob, kein Magier, Bogenschützen. Los geht's!«​
»Dann fang ich mal an!«​
Auf die Anweisung von Goblin Slayer ließ die Elfe drei Pfeile auf einmal von der Sehne schnellen. Jedes der Geschosse fand sein Ziel und so waren von einem Moment auf den anderen nur noch vierzehn Gegner übrig.​
» An die Arbeit, Gnome! Formt die einzelnen Sandkörner und rollt sie zu Steinen!«​
Der Zwerg hatte etwas Sand in die Luft geworfen und ließ nun den Zauber Steinhagel auf die Bestien los.​
»ORGAAA?!
»GROOROB?!«​
Die Klumpen, die herabrasten, sorgten für großes Chaos unter den grünen Monstern. Wilde Schreie gemischt mit den Geräuschen von berstenden Körpern waren zu hören. Der Zwerg hätte sowohl einen Verteidigungszauber als auch einen Angriffszauber wirken können, aber da der Beginn einer Konfrontation immer ein guter Zeitpunkt war, um Flächenangriffe auf den Gegner loszulassen, hatte er sich für Steinhagel entschieden. Es war eine gute Wahl gewesen, denn jetzt standen die Abenteurer nur noch zehn lebendigen Goblins gegenüber. Die Bestien waren außer sich vor Wut und Verzweiflung und stürmten mit Tränen in den Augen auf die Abenteurer zu.​
»Jawohl! Bartschneider! Schuppiger!«​
»Gwah!«
»Ja.«​
Mit einem bestialischen Schrei und einer knappen Antwort positionierten sich Goblin Slayer und der Echsenmensch am Eingang zu dem Hohlraum, in dem sich die Goblins befanden. Bei einem Kampf gegen eine Überzahl von Gegnern war es immer sinnvoll, in einem engeren Raum Stellung zu beziehen, um die Menge der Gegner, die einen gleichzeitig erreichen konnten, zu reduzieren.​
»GORROB!«
»Jaaaah!«/
Als die ersten Goblins vor ihm und dem Krieger standen, begann der Echsenmensch seinen tödlichen Tanz. Seine Krallen, Fangzähne und sein Schwanz wirbelten herum und zertrümmerten einem Goblin den Kopf, während ein anderer in Stücke gerissen wurde. Damit waren nur noch acht Goblins am Leben. Die Wildheit des Echsenmenschen erschreckte die Bestien, die ein wenig zurückwichen. Mit einem »Hmpf« nutzte Goblin Slayer den Moment und stach zu. Er erwischte einen an der Kehle und verletzte ihn tödlich. Er trat den röchelnden Goblin zur Seite, und schleuderte sein Schwert nach einem weiteren.​
»ORAGAGA?!«​
»Zehn, elf.«​
Auch ihn traf er an der Kehle. Goblin Slayer lupfte den Knüppel eines getöteten Goblins in die Luft und schnappte ihn sich. Er fing mit seinem Schild die Axt eines von der Seite angreifenden Gegners ab und zielte mit dem Knüppel auf dessen Bauch.​
»ORARAO?!«​
Aus dem Mund des kleinen Teufels schoss eine dreckige Flüssigkeit hervor, doch der Krieger ließ sich davon nicht beirren und verpasste ihm einen Schlag auf den Kopf, der dem Gegner den Schädel zertrümmerte. Dann machte er sich daran, einen weiteren mit seiner Schlagwaffe brutal niederzustrecken.​
»Dreizehn. Der Überraschungseffekt ist gleich vorbei.«​
»Jawohl!«​
Vier waren noch übrig, aber deswegen durfte man nicht nachlässig werden. Die Priesterin beobachtete angespannt die Situation. Sie hielt den Priesterstab nah an ihre Brust und sprach erneut ein Gebet.​
»Höchst barmherzige Erdmutter. Schenke uns, die durch die Dunkelheit irren, dein heiliges Licht!«​
Die Erdmutter antwortete auf das Gebet ihrer frommen Gläubigen und gewährte das Wunder, doch diesmal wurden nicht alle Goblins von dieser Attacke überrascht. Eine der Bestien hatte verstanden, dass, wenn das Mädchen ihren Stab in die Luft hielt, ein blendendes Licht den Raum erhellte, weshalb sie diesmal schnell ihren Blick abwandte. Unglücklicherweise war gerade dieser Goblin mit Pfeil und Bogen bewaffnet. Während seine restlichen drei Artgenossen niedergemetzelt wurden, wartete er auf seine Gelegenheit und als diese kam, legte er einen Pfeil im Bogen an und feuerte ihn ab.​
»Ah?!«​
Der Elfe entfuhr ein Schmerzensschrei, der zugleich Ausdruck ihrer Überraschung war. Plumpsend fiel sie auf ihren Hintern.​
Der Pfeil des Goblins war perfekt zwischen Goblin Slayer und dem Echsenmenschen hindurchgeflogen und hatte sie erwischt. Es war ein kritischer Treffer.​
»Was war das?!«​
»Hngh!«​
Aus dem Oberschenkel der Bogenschützin ragte ein krummer, kruder Pfeil heraus. Goblin Slayer warf einen kurzen Blick nach hinten, bevor er den Knüppel warf und losstürmte.​
»ORAAG?!«​
Die Schlagwaffe machte in der Luft eine Drehung, bevor sie auf den Schädel des Goblins prallte, der schmerzerfüllt auf kreischte. Doch dies war natürlich nicht genug, um ihn zu töten. Beim Heran sprinten sammelte Goblin Slayer ein Kurzschwert vom Boden auf und sprang in die Luft. Der Goblin versuchte verzweifelt, einen Pfeil auf den heranrasenden Angreifer abzufeuern, doch es war zu spät. Der Abenteurer krachte auf ihn herab und durchstieß dabei sein Herz. Damit war der letzte Goblin erledigt.​
»Siebzehn ...«​
Der Krieger ließ seinen Blick über die Goblin Leichen schweifen und griff sich ein herumliegendes Langschwert.​
»Hey, hey. Alles in Ordnung, Langohr?«​
»A... Aua ... Es tut mir leid ... Ich habe versagt.«​
»Wir versorgen dich sofort! War der Pfeil vergiftet?«​
»Jedenfalls müssen wir ihn erst mal raus ziehen ... «​
Mit blassem Gesicht versuchte die Elfe, sich ihre Schmerzen nicht anmerken zu lassen, und hauchte nur:​
»Bitte.«​
Andere Abenteurer wären wahrscheinlich sofort zu ihrem Kameraden gelaufen, doch Goblin Slayer bewahrte Ruhe. Sie befanden sich schließlich noch im Feindgebiet, was hieß, dass sie jederzeit überfallen werden konnten. Nachdem er die Umgebung untersucht hatte, ging er zur Elfe und untersuchte ihre Wunde. Sie war nicht lebensbedrohlich, aber ... Mit festen Schritten ging Goblin Slayer zurück zu der Leiche des Goblin Bogenschützen. Er verpasste ihr einen Tritt, um sie umzudrehen, und sah eine verheilte Pfeilwunde.​
»Hm ...« Der Krieger erinnerte sich an diesen Goblin.​
»Ah?!«, rief die Priesterin überrascht.​
»Was ist?«​
Goblin Slayer ging zurück zu seinen Kameraden. Die Priesterin saß neben der leidenden Elfe und sagte:​
»Das solltest du dir ansehen.«​
Das Mädchen hielt ihm zitternd den blutverschmierten Schaft des Pfeils entgegen. Die Pfeilspitze fehlte. Es war ein einfacher Pfeil, geschnitzt aus einem Zweig und versehen mit willkürlich ausgewählten Federn, jedoch musste die Spitze locker befestigt worden sein. Ähnlich wie bei dem Pfeil, der den Goblin zuvor bei der Flucht aus dem Dorf getroffen hatte. Der Krieger wusste, dass er dem Goblin diese Technik beigebracht hatte. Er war fahrlässig gewesen. Doch jetzt war nicht die Zeit, um lange darüber nachzudenken. Er kniete sich neben die Elfe.​
»Tut es weh?«​
»A... Alles ist gut ... Mach dir keine Sorgen, Orcbolg ...«​
Sie versuchte, die Starke zu spielen, doch es war klar, dass ihr jede Bewegung wehtat. Außerdem blutete die Wunde stark.​
»Halte die Wunde zugedrückt. Das wird die Blutung etwas aufhalten. Aber nur vorläufig.«​
»J ... Ja. I. .. In Ordnung«, antwortete die Elfe. Sie wollte tapfer klingen, aber ihre Stimme war schwächer als sonst.​
»War der Pfeil vergiftet?«​
»Es sieht nicht danach aus«, antwortete die Priesterin. Beim Sprechen sah sie mitleidig auf die stark blutende Wunde ihrer Kameradin herunter.​
»Aber mit der Spitze im Körper kann ich kein heilendes Wunder wirken. Es würde sie im Körper einschließen.«​
Goblin Slayer schaute zum Echsenmenschen, doch dieser schüttelte auch nur schwerfällig den Kopf.​
»Mit Erfrischung wird auch nur die eigentliche Regenerationskraft des Körpers erhöht.«​
Der Zwerg seufzte und begann, in seiner Tasche zu wühlen.​
Er sagte:​
»Wir können das nicht einfach so lassen. Bartschneider, hilf mir.«​
»Ja.«​
Während die Priesterin bereits begriffen hatte, was die beiden vorhatten, schaute die Elfe noch unsicher drein. Goblin Slayer zog sein eigenes Kurzschwert und untersuchte schnell die Klinge. Dann sagte er:​
»Gut. Ich bitte dich um Feuer.«​
»Alles klar«, sagte der Zwerg und schlug zwei Feuersteine mehrfach aneinander.​
»Tanz, Salamander! Ja, tanz! Teil das Feuer an deinem Schwanz!«​
Direkt darauf erschien eine kleine tanzende Flamme in der Luft, in die Goblin Slayer seine Klinge hielt. Gleichzeitig zog er ein Handtuch aus der Tasche und hielt es der Elfe hin.​
»Beiße fest darauf.«​
» W ... Was habt ihr vor ...?«​
»Ich werde die Pfeilspitze herausholen.«​
Die Ohren der Elfen wackelten wild hin und her.​
»N... Nein! Nicht! Wenn wir zurück sind ... Wir machen das, wenn wir zurück sind!«​
Sie versuchte, sich mit dem gesunden Bein ein wenig wegzuschieben, was der Zwerg mit einem tiefen Seufzer kommentierte.​
»Wehr dich nicht so, Langohr. Wenn wir jetzt nichts tun, kann das schwere Konsequenzen für dich haben. Dein Bein könnte abfaulen.«​
»Ja, und dann kann man dir gar nicht mehr helfen ...«, fügte der Echsenmensch hinzu.​
»Ngh...«​
»Jetzt macht ihr doch nicht noch mehr Angst!«, schimpfte die Priesterin. Sie wusste noch, wie sehr sie sich gefürchtet hatte, als Goblin Slayer damals den Pfeil aus ihr herausgezogen hatte.​
»Passt auf, dass ihr ihr nicht unnötig wehtut.«​
»Ja.«​
Goblin Slayer wartete einen Moment, bis die Klinge genügend abgekühlt war. Er hatte die entgiftende Wirkung von Feuer von einem reisenden Arzt gelernt.​
»Zeig mir die Wunde.«​
»Urgh ... Das wird nicht wehtun, oder?«, fragte die Elfe mit blassem Gesicht, aber nahm trotzdem die Hand von der Wunde.​
Anstatt zu antworten, drehte Goblin Slayer sich dem Schamanen zu. »Alkohol.«​
»Alles klar.« Der Druide nahm etwas Branntwein in den Mund und spuckte ihn dann wie beim Wirken des Zaubers Trunkenheit aus. Als der Alkohol auf die Wunde kam, konnte die Bogenschützin kaum die Tränen zurückhalten.​
»Argh ...!«​
»Beiße auf das Tuch. Aber pass auf deine Zunge auf.«​
»Ich frage noch mal. Das wird nicht wehtun, oder?«​
»Das kann ich dir nicht versichern.«​
Goblin Slayer schüttelte den Kopf.​
»Ich werde mir Mühe geben, dass es nicht schmerzhafter wird als nötig.«​
Verzweifelt biss die Elfe auf das Tuch und kniff fest die Augen zusammen. Die Priesterin hielt ihre Hand. Dann steckte Goblin Slayer die Klinge in den Oberschenkel und zog sie ein wenig hoch, um die Wunde zu öffnen.​
»Hngh ... Argh ... Aaah!«​
Die Elfe zappelte, doch der Echsenmensch hielt sie fest, damit sie sich nicht zu viel bewegte. Goblin Slayer zögerte keine Sekunde und ging mechanisch vor. Für die Elfe fühlte es sich wie Stunden an, doch nach einigen Sekunden war das Ganze vorbei.​
»Jetzt ist gut.«​
»Puh ... Puh!«​
»Oh, Gorgosaurus, der verletzt noch schöner wirkte! Lass deine Heilung in diesen Körper übergehen!«​
Während die Elfe noch erschöpft keuchte, legte der Echsenmensch seine schuppigen Hände auf ihren Oberschenkel und schenkte ihr so den Segen Erfrischung. Die Wunde der Elfe wurde augenblicklich geheilt. Das Fleisch wuchs zusammen und darüber bildete sich Haut. Es war, als wäre nie etwas gewesen.​
»Kannst du dein Bein bewegen?«​
»J ... Ja ...«​
Die Waldläuferin wischte sich die Tränen aus den Augen und testete ihr Bein auf Beweglichkeit. Obwohl alles in Ordnung zu sein schien, hingen ihre Ohren schlapp herunter.​
»Ihr Menschen seid bei solchen Behandlungen ganz schön grob ... «​
»Aber es ist alles in Ordnung?«, fragte die Priesterin aufgeregt.​
»Es sieht so aus ...«, antwortete die Elfe, während sie langsam aufstand.​
»Wirst du weiterkämpfen können?«​
»Ja, kann ich.«​
Die Frage von Goblin Slayer war unsensibel, doch die Waldläuferin hatte sie schmollend, aber ehrlich beantwortet.​
»Eigentlich würde ich gerne für heute kehrtmachen, aber das wird nicht gehen.«​
»Werter Goblintöter, wenn wir jetzt weitermachen, ist es unklar, ob unsere Zauber und Wunder noch ausreichen.«​
»Ja, aber wir müssen den Raum weiter hinten untersuchen.«​
Der Krieger überprüfte seine Ausrüstung und schaute dann seine Kameraden an.​
»Wenn ihr mich nicht begleiten wollt, kann ich auch gern allein zurückbleiben.«​
»Du scherzt wohl«, gab die Elfe zurück.​
»Wir kommen mit.«​
»Ja, natürlich«, stimmte ihr die Priesterin zu.​
Goblin Slayer brummte, woraufhin der Echsenmensch ihm lachend die Hand auf die Schulter legte.​
»Es sieht so aus, als würden wir alle mitkommen.«​
»Das Langohr ist echt egozentrisch. Es könnte wenigstens mal fragen, bevor es eine Entscheidung für uns alle trifft.«​
Der Zwerg zuckte grinsend mit den Schultern.​
»Moment mal! Eigentlich wollte doch Orcbolg ... «​
Wie üblich begannen die beiden, miteinander zu streiten.​
Während Goblin Slayer einfach weghörte, schaute er sich noch mal im Raum um. Obwohl die Goblins so sehr in die Enge gedrängt worden waren, hatten sie keine Anstalten gemacht, von dort zu fliehen, außerdem hatte einer ihn kopiert. Das Ganze gefiel ihm gar nicht.​
»Impf!«​
Durch einen Tritt fiel die Tür mit einem Knirschen aus ihrer Halterung. Die Abenteurer stürmten in den Raum hinein und bildeten mit der Priesterin, die eine Fackel hielt, in der Mitte einen Kreis.​
»Hm ...«​
Der Raum, in dem sie sich befanden, war weder eine Waffenkammer, ein Vorratsraum noch eine Toilette. Es handelte sich um eine Art Saal, in dem sich mehrere Erdhaufen befanden, die wohl als Sitzplätze dienen sollten. Tief im Inneren des Raums lag ein großer rechteckiger Stein, der hereingetragen worden sein musste. Er ähnelte einem Altar, was den Gedanken nahelegte, dass dies so etwas wie eine Gebetshalle sein könnte.​
»Ah ...!«​
Die Priesterin bemerkte etwas und eilte in Richtung des Altars. Auf dem kalten Stein lag eine nackte junge Frau. Sie war verschmutzt, ihre Augenlider waren verschlossen und ihr Gesicht schien ausgemergelt. Ihre Haarfarbe erinnerte an das Gold von Honig.​
»Sie atmet!«, rief die Priesterin freudig und zog die Frau zu sich heran.​
»Heißt das etwa, dass wir den Auftrag abgeschlossen haben?«, murmelte die Elfe skeptisch.​
Wie immer war für sie das Kämpfen gegen Goblins kein besonderes Erfolgserlebnis. Sie verzog ihre Lippen und schaute sich in der Gebetshalle um. Als Hochelfe konnte sie an diesem primitiven Ort in keiner Weise die Existenz eines Gottes spüren.​
»Ist der Priester einer fiesen Sekte etwa ihr Anführer?«​
»Es könnte aber auch sein, dass das hier einfach nur eine Ruine aus alten Zeiten ist.«​
Der Echsenmensch kratzte mit seinen Krallen an der Höhlenwand.​
»Die Halle ist wirklich sehr schlicht. Was für eine Gottheit wurde hier wohl verehrt?«​
Der Zwerg legte eine Hand an die Wand.​
»An dieser Stelle ist die Erde noch frisch. Es wurde hier also erst vor Kurzem gegraben.«​
»Goblins?«, fragte Goblin Slayer.​
»Wahrscheinlich.«​
Es war unklar, woher Goblins kamen, doch da sie unter der Erde lebten, waren ihre Fähigkeiten im Höhlenbau nicht zu unterschätzen. Selbst an schwer erreichbaren Orten gruben die Goblins ihre Löcher, um sich dort einzunisten. Es gehörte zu ihrer Natur und diese nutzten sie, um Abenteurer zu überfallen. Das hatte die Priesterin schon während ihres ersten Abenteuers schmerzhaft lernen müssen.​
»Ähm, seht mal hier ...«​
Die Priesterin hatte erkannt, dass die gefangen gehaltene Abenteurerin im Nacken mit einem Brandzeichen versehen worden war.​
»Wie schrecklich ...«, murmelte die Elfe.​
»Hm ...« Goblin Slayer hob ein Stück Metall vom Boden auf.​
Es sah wie ein Hufeisen mit einem komplizierten Muster an der Spitze aus.​
»Haben sie damit das Brandmal gemacht?«​
» Anscheinend.«​
Die Spitze erinnerte in ihrer Form an ein Auge in einem Kreis.​
Der Krieger prägte sich das Muster ein. Es könnte das Zeichen eines Stammes sein, aber sicher war er sich nicht. Die Lebensart der Goblins warf auch für ihn noch immer viele Fragen auf.​
»Eine Art Totem kann das aber nicht sein, oder?«​
Goblins stellten Dinge eigentlich nur selten selbst her. Es war einfacher für sie, alles zu stehlen. Deshalb war es erstaunlich, dass sie so etwas wie dieses Brandzeichen allein angefertigt haben sollten, selbst wenn es nur aus bereits existierenden Gegenständen zusammengesetzt worden war.​
»Ich glaube, das Zeichen stellt den grünen Mond dar«, sagte die Priesterin mit zitternder Stimme.​
»Es ist das Symbol des äußeren Gottes des Wissens. Der Gott der Erleuchtung ..•​
Zahlreiche Götter waren um das Spielbrett dieser Welt versammelt und wachten darüber. Einer von ihnen war der Gott der Weisheit, der von Wissenschaftlern und Gelehrten verehrt wurde. Er schenkte seinen Gläubigen Geistesblitze, die sie nutzen konnten, um mehr Wissen über diese Welt zu erlangen. Der äußere Gott des Wissens, der Gott der Erleuchtung, ging jedoch anders vor. Er schenkte keine Wegweiser zum Wissen, sondern Wissen selbst. Wie das verschenkte Wissen dabei die Welt beeinflussen konnte, war ihm vollkommen egal. Beispielweise könnte der Gott der Erleuchtung einem Mann, der aufgrund seiner schwierigen Situation gerade die Welt verfluchte, einfach einen Plan schenken, um großes Chaos zu stiften. »​
Mir tut nicht nur das Bein weh, sondern jetzt kriege ich auch noch Kopfschmerzen.«​
Die Elfe setzte einen leidenden Gesichtsausdruck auf.​
»Macht ihr ruhig weiter. Ich halte Wache.«​
»Hey«, schimpfte der Zwerg.​
»Hör aber wenigstens zu, worüber wir gerade reden.«​
»Ja, ja ... «, gab die Elfe desinteressiert zurück und zupfte mit einem Finger an der Sehne des Langbogens. Anscheinend hatte sie doch noch mit Schmerzen zu kämpfen, denn sie verlagerte ihr Gewicht ständig von einem Bein auf das andere.​
Goblin Slayer schaute kurz zu ihr rüber, aber konzentrierte sich dann wieder auf das Brandzeichen.​
»Du hast grüner Mond gesagt, oder?«​
»Ja. Ich habe früher im Tempel ein wenig über ihn gelernt«, erwiderte die Priesterin.​
»Ist damit der Mond gemeint, von dem die Goblins kommen?​
Wenn ja, besteht für mich kein Zweifel daran, dass es sich beim Gegner um Goblins handelt.«​
Der Krieger drehte das Brandeisen in seiner Hand.​
»Es schien, als sei der Goblin Bogenschütze von vorhin von jemandem geheilt worden.«​
Der Echsenmensch schnaufte:​
»Ja, ein Diener der Götter des Chaos würde sich nicht die Mühe machen, einen einzelnen Goblin zu heilen.«​
Die Priesterin konnte das Ganze noch nicht so wirklich glauben. Der Gott der Erleuchtung war eine exzentrische Gottheit, weshalb es möglich war, dass Goblins ihn verehrten, aber dennoch blieben ihr Zweifel.​
»Ist es wirklich kein Dunkelelf oder ein Priester einer finsteren Sekte?«​
»Nein, das glaube ich nicht«, warf die Elfe in die Runde.​
» Hey, Langohr. Was mischst du dich jetzt doch ein? Ich dachte, du willst nur Wache halten.«​
»Du warst es doch, der gesagt hat, ich solle gut zuhören! Wieso sollte ich dann nicht meine Meinung äußern dürfen?«​
»Ja, da hat die werte Waldläuferin recht. Aber wie kommst du darauf?«​
»So jemand würde die Goblins nicht einfach nur dafür nutzen, um Dörfer auszurauben.«​
»Vielleicht sind ja ein Paar Bergdiebe fromm geworden und haben den Goblins ihren Glauben beigebracht.«​
»Das ist dir doch schon selbst komisch vorgekommen, als du es gesagt hast, oder?«​
»Äh ...«​
»Hm ...«​
Der Echsenmensch stieß ein kehliges Brummen aus.​
»Er hat die Intelligenz eines Goblins, aber er führt sie auch an. Er kann Goblins heilen, lässt sie Menschen angreifen und glaubt an eine finstere Gottheit.«​
»Ein Goblin Priester oder ein Kriegskleriker vielleicht?«, vermutete die Priesterin.​
Irgendwie passte das alles nicht zusammen. Hatten sie es mit einem Goblin oder doch mit etwas anderem zu tun? Plötzlich hatte sie einen Geistesblitz. Es war fast, als hätte der Gott der Weisheit sie gesegnet.​
»Nein ... Das kann nicht sein ... «​
Während die Priesterin ängstlich ihren Kopf schüttelte, hörte sie, wie Goblin Slayer das Brandzeichen in seiner zusammengepressten Faust knirschen ließ. Ohne Umschweife sagte er, was er dachte:​
»Es ist ein Goblin Paladin!«


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Edward Teach

Anime-Pirat
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Kapitel 45
Ende und Neuanfang.


»Dort ist also ihr Nest.«​
Selbst im beißend kalten Schneetreiben büßte das schöne Gesicht der jungen Frau nichts von seiner Anmut. ein. Wer sie sah, würde sich wahrscheinlich wundern, was sie hier in den Bergen im hohen Norden machte, anstatt auf irgendeinem feinen Abendball zu sein. Ihr honigfarbenes Haar war zu zwei Zöpfen gebunden und ihre geraden Gesichtszüge unterstrichen ihre erhabene Aura. Sie trug ein hochwertiges Schwert an ihrer Hüfte, das seiner Besitzerin in seiner Eleganz in nichts nachstand. Um ihren Hals hing ein Abenteurerabzeichen aus Porzellan. Zusammen mit vier anderen Abenteurern war sie jetzt schon seit mehreren Tagen wegen eines Auftrags unterwegs. Vor ihnen lag eine Höhle, die so aussah, als hätte eine Made sie in die Mitte des Berges gefressen. Der Unrat, der ihrem Eingang aufgetürmt war, machte klar, dass sich darin Goblins eingenistet hatten. Allein der Gedanke an die Existenz dieser Wesen ließ den Kampfgeist der Fechterin auflodern. Hier ging es nicht um ihre Familie und die Reichtümer, die sie besaß, sondern einzig allein um das Können von ihr und ihren Kameraden. Dies war ein richtiges Abenteuer und sie würden das Dorf von der Goblin Plage befreien.​
»Gut, seid ihr bereit?«​
Sie zog ihre Waffe und richtete es auf die Höhle.​
»Wir werden die Goblins jetzt aushungern!«​
Sie versperrten den Stollen der Goblins mit einer Barrikade und errichteten einen Verteidigungswall. Sie spannten eine Plane auf, unter der sie sich versammelten, und wärmten sich am Feuer. Die ersten Tage verliefen problemlos und die Adlige sagte voller Überzeugung:​
»Sie haben das Dorf überfallen, weil es ihnen an Nahrung fehlte, und so langsam sollten ihnen ihre geplünderten Vorräte ausgehen. Wenn sie geschwächt herauskommen, werden wir sie erschlagen.«​
Doch der Plan lief nicht wie vorhergesehen. Nur einige wenige Goblins kamen heraus, aber das konnte nur ein Bruchteil der gesamten Horde gewesen sein. So verging ein Tag nach dem anderen und nichts tat sich. Die Gruppe befand sich in der Nähe eines Gletschers, daher war es äußerst kalt. Beim Ausatmen entstanden weiße Wolken, die zu Eis gefroren, und die Kälte brannte auf der Haut. Die eingefrorenen Augenbrauen knackten bei jedem Blinzeln und mit jedem Tag verloren die Abenteurer weiter an Energie. Um dem entgegenzuwirken, aßen sie viel, jedoch hatten sie aufgrund des benötigten Bauholzes nicht allzu viel Proviant mitnehmen können. So langsam wurden ihre Vorräte knapp. Einer der Abenteurer wusste zwar, wie man jagte, doch auch er würde in dieser harschen Gegend nicht genügend Beute finden können, um die ganze Gruppe zu ernähren. Zudem müsste er dafür Pfeile verwenden, die ihnen dann vielleicht beim Kampf gegen die Goblins fehlen würden. Zuerst ging ihnen das Wasser aus, weshalb sie begannen, Eis und Schnee über dem Feuer zu schmelzen. Dies führte jedoch dazu, dass sie mehr Brennstoffe verbrauchten als vorher, die ihnen dann als Nächstes ausgingen. Der Plan der Adligen begann auseinanderzufallen. Die Gruppe war jedoch zu stolz, um ihren Angriff abzubrechen. Ihre Gegner waren schließlich Goblins, die schwächsten aller Monster, und sie würden nicht akzeptieren, als die Abenteurer abgestempelt zu werden, die den Schwanz vor den Biestern eingezogen hatten. Diese Entscheidung hatte zur Konsequenz, dass einer von ihnen den Berg hinuntersteigen musste, um Nachschub zu besorgen. Vier der fünf Abenteurer schienen schon entschieden zu haben, wer diese Aufgabe übernehmen sollte, und sie alle starrten die Fechterin an.​
»Geh du«, sagte die Rhea-Späherin in abfälligem Ton.​
Die Fechterin erwiderte ihren kalten Blick und fragte sich, wie es so weit gekommen war. Es stimmte, dass sie den Plan vorgeschlagen hatte, aber die Rhea war sofort dafür gewesen.​
»Sowieso muss ich hier sonst die ganze Arbeit machen!«​
»Ich stimme ihr zu. Ehrlich gesagt war ich von Anfang an gegen diesen Plan. Ich habe gar keine Chance, meine Magie einzusetzen«, fügte der Magier hinzu.​
»Die beiden haben recht. Ich habe auch so langsam die Schnauze voll«, schloss sich die Halbelfen-Kriegerin an.​
Die Fechterin konnte sich daran erinnern, dass die Halbelfe und der Magier am Anfang skeptisch auf den Plan reagiert hatten, aber nichtsdestotrotz hatten sie ihn am Ende auch abgenickt. Sie fühlte sich betrogen und schnaufte durch die Nase. Vor allem von der Halbelfe, die sie mittlerweile als Freundin betrachtete, hätte sie solch ein Verhalten nicht erwartet. Sie wandte sich dem Mönch zu und fragte:​
» Ich denke, das würde den Aufwand nicht lohnen, aber wie siehst du das?«​
»Ich denke schon, dass jemand gehen sollte. Rhea und Zwerge haben aber kurze Beine und kommen deshalb im Schnee nicht so gut voran. Halbelfen hingegen sind gebrechlich. Ich schlage also vor, dass ein Mensch gehen sollte.«​
Die Fechterin wusste, was der Zwerg ihr damit sagen wollte.​
Wenn die Frage im Raum stand, ob ein Magiewirker oder ein Krieger allein gehen sollte, dann war die logische Wahl ganz klar der Krieger.​
»In Ordnung. Dann werde ich gehen«, sagte die Adlige.​
»Das wäre jetzt das vernünftigste, oder?«​
Genau, sie musste gehen, weil es vernünftig war, nicht, weil ihre Taktik falsch war. Zumindest redete sie sich das ein, während sie mit dem Abstieg begann. Sie verwendete ihre Waffe, die eigentlich ein Familienschatz war, als Gehstock und ihren Brustpanzer, der zu schwer und zu kalt war, hatte sie in ihrem Rucksack verstaut. Ein wenig fühlte sie sich gedemütigt, dass sie ihre Ausrüstung so behandeln musste, aber es ging nun mal nicht anders. Als sie schließlich im Dorf ankam, wurde sie freudig empfangen.​
»Oh, werte Abenteurerin, sind Sie zurück? Ist alles erledigt?«​
»Also ...«​
»Wurde irgendjemand aus Ihrer Gruppe verletzt?«​
»Nein, noch ... haben wir kaum gekämpft.«​
»Wie bitte?«​
»Könnten wir vielleicht noch etwas mehr Proviant bekommen?«​
Die Antwort fiel negativ aus. Es war nicht schwer, die Enttäuschung des Dorfältesten und der restlichen Dorfbewohner zu verstehen. Sie hatten um die Unterstützung der Abenteurer gebeten, damit ein Problem möglichst schnell und effizient beseitigt wurde, doch mittlerweile waren Wochen vergangen und sie hatten überhaupt nichts erreicht. Trotzdem verlangten die Abenteurer jetzt von ihnen, dass sie sie mit noch mehr Nahrung und Brennstoff versorgen sollten. Die Dorfbewohner hatten selbst mit dem harten Winter zu kämpfen und konnten deshalb nicht noch weitere Ressourcen verschenken. Die Fechterin musste geradezu betteln, um wenigstens noch ein paar Dinge auftreiben zu können. Schließlich machte sie sich daran, den Rückweg zu ihren Kameraden anzutreten, doch das schwere Gepäck verlangsamte ihren Aufstieg. Zwischendurch trat sie sogar noch in eine durch den Schnee versteckte Schlammgrube, was sie weitere Zeit verlieren ließ. Zweifel, ob sie genügend vorbereitet war und ob sie die richtigen Kameraden ausgesucht hatte, nagten an ihr. Vielleicht hätten sie wirklich ihren Plan abbrechen und erst einmal umkehren sollen.​
»Das kann nicht wahr sein! Es sind doch nur Goblins!«​
Mit diesen Worten machte sie ihrem Ärger Luft. Sie war allein im Dunkeln und der Schnee war ihr einziger Begleiter.​
»Es sind doch nur Goblins ... «​
Erschöpft von dem bisherigen Aufstieg entschloss sie sich, eine Pause einzulegen. Zuerst pustete sie in ihre Hände und rieb sie aneinander, um sie ein wenig aufzuwärmen, bevor sie ein kleines Zelt aufschlug. Da dessen dünne Stoffwand aber nicht sonderlich viel Schutz vor der Kälte bot, stapelte sie zusätzlich ungeschickt einige Holzscheite auf.​
»Tonitrus.«​
Ein kleiner lilafarbener Blitz sprang von ihrem Finger auf das Holz über und entfachte es. Sie beherrschte Blitzmagie, welche in ihrer Familie von Generation zu Generation weitergegeben wurde, aber sie konnte sie am Tag nur einmal oder maximal zweimal einsetzen. Eigentlich war es fast eine Verschwendung, sie für das Anzünden eines so kleinen Holzstapels zu verwenden. Sie zog ihre Knie fester an sich heran und versuchte, sich so gut wie möglich zu wärmen.​
Sie würde noch mehrere Stunden brauchen, um ihre Kameraden zu erreichen, aber auch wenn sie wusste, dass sie auf sie warteten, fehlte ihr die Kraft, um weiterzugehen.​
Ich bin so müde. Nachdem ihr dieser Gedanke durch den Kopf gegangen war, löste sie die Scharniere ihres Gürtels und ihrer Ausrüstung, um mehr von der Wärme abzubekommen. Sie hatte davon geträumt, in atemberaubender Geschwindigkeit in den Abenteurerrängen aufzusteigen und den Gold- oder Platin Rang zu erreichen. Und das alles nicht mit der Macht ihrer Eltern, sondern aus eigenem Können. Jetzt merkte sie, dass das naiv gewesen war. Ihre Familie hatte Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte gebraucht, um zu dem zu werden, was sie heute war. Wie hatte sie nur annehmen können, dass sie von heute auf morgen ganz allein etwas erreichen konnte, das dem ähnelte?Sie wusste nicht, ob sie sich eher bei ihrer Familie oder bei ihren Kameraden entschuldigen sollte. Mit dieser Unsicherheit im Magen wollte sie nur kurz die Augen schließen, doch ihr Körper schrie nach Schlaf, um sich von den Strapazen der vergangenen Wochen zu erholen. Die Abenteurerin erwachte, als sie von etwas Nassem getroffen wurde. Sie krabbelte in die Nähe des Lagerfeuers, um zu erkennen, was es gewesen war.​
»W... Was?! Ah!«​
Es waren Ohren. Genauer gesagt, die Ohren einer Halbelfe. Während die Fechterin schrie, brach um das Zelt herum höhnisches Gelächter aus, und bevor sie wusste, was sie tun sollte, wurden die Befestigungshaken herausgezogen und das ganze Zelt kippte um.​
»Ah, Ne ... Nein?! Was?! Warum?!​
Halb wahnsinnig vor Aufregung versuchte die Adlige, sich an irgendetwas festzuhalten. Die Flammen des Lagerfeuers griffen auf das Zelt über und der entstehende Rauch trieb der jungen Frau Tränen in die Augen. Als sie es endlich schaffte, sich aus dem Zelt zu befreien, war sie kaum wiederzuerkennen. Ihr Haar war zerzaust und ihr Gesicht dreckig von einer Mischung aus Ruß, Rotz und Tränen.​
»Hi... Hilfe?! Goblins?!«​
Die kleinen Teufel hatten sie komplett umzingelt. Sie waren mit Knüppeln und Waffen aus Stein ausgerüstet und trugen die schmutzigen Felle irgendwelcher Tiere. Doch das war es nicht, was der Fechterin am meisten Angst machte. Es waren die Köpfe eines Magiers, eines Zwerges und einer Rhea, die sie in ihren Händen trugen. In der Ferne konnte sie erkennen, wie einige Goblins den schlaffen Körper der Halbelfe durch den Schnee zogen und dabei eine rote Spur hinterließen.​
»Ah ... nein ...«​
Die Fechterin schüttelte ungläubig den Kopf.​
Sie wirkte wie ein verzogenes Kind. Ihre Haare wackelten. Die Bestien hatten genau dann angegriffen, als sie nicht dort war. Oder wurde die Gruppe etwa erledigt, als sie in ihrer Abwesenheit versucht hatte, sich am Ausrotten des Nests zu versuchen? Die Adlige zog mit zitternden Fingern ihre Waffe zu sich heran. Sie versuchte, sie aus der Scheide zu ziehen, aber ...​
»W... Was?! Ich kann sie nicht ziehen! Wieso?!«​
Die Abenteurerin hatte einen fatalen Fehler begangen. Sie hatte die vereiste Waffe in der Nacht neben das Feuer gelegt, weshalb das Eis auf der Klinge in der Scheide geschmolzen war. Nachdem die Goblins sie so unfreundlich geweckt hatten und sie das Zelt hatte verlassen müssen, war das Wasser innerhalb der Scheide dann aber sofort wieder gefroren. Somit steckte die Klinge jetzt fest. Während der Fechterin Tränen in die Augen stiegen, kamen die Goblins immer näher. Sie biss sich fest auf die Lippen und begann, Worte der Macht zu sprechen.​
»Tonitrus ... Oriens ... «​
»GRORRA!!«
»Hngah?!«​
Die Goblins warfen der Adligen rücksichtslos einen Stein ins Gesicht. Sie fiel getroffen zu Boden. Ihre wohlgeformte Nase war gebrochen und Blut lief über ihr Antlitz.​
»GROOOOUR!«​
»Ne... Nein! Aufhören! Ah?! Hilfe! H ... Hört auf! Nein!«​
Goblins kannten nur Gnade, wenn sie ihrem Opfer dadurch noch mehr Pein zufügen konnten. Die Fechterin heulte auf, als sie am Haar gepackt wurde und die grünen Biester ihr ihre Klinge abnahmen. Das Letzte, was sie sah, waren ihre Beine, die wie wild durch die Luft strampelten, bevor sie unter einer Masse von Goblins begraben wurde. Es muss wohl nicht im Detail beschrieben werden, was im Anschluss mit ihr geschah. Es war töricht von den Abenteurern gewesen, sich mit diesem Gegner auf seinem eigenen Territorium zu messen. An diesem Tag wurde eine weitere Gruppe von Abenteurern so gut wie ausgelöscht.​
***
Die junge Adlige öffnete ihre Augen und blickte auf ein knisterndes Feuer. Ihr Körper fühlte sich wohlig warm an, aber der Schmerz in ihrem Nacken erinnerte sie daran, was passiert war. Wortlos zog sie die Wolldecke zur Seite. Als sie sich von ihrem Bett aus umsah, erkannte sie, dass sie sich in einem Gebäude aus Holz befand. Sie schnupperte und konnte Alkohol und noch etwas anderes riechen. Sie musste sich in einem Gästezimmer einer Schenke oder etwas Ähnlichem befinden. Das Zimmer verfügte außer einem Kamin über keine Lichtquelle, doch in einer Ecke konnte sie einen humanoiden Schatten erkennen. Er saß auf einem Stuhl, trug einen billigen Eisenhelm und eine dreckige Lederrüstung und sah bis auf das silberne Abzeichen um seinen Hals sehr schäbig aus.​
»Goblins ... «, murmelte sie.​
Ihre Worte waren so leise gewesen, dass sie eigentlich niemand hätte hören können, doch der Mann antwortete mit rauer und tiefer Stimme:​
»Ja, Goblins.«​
»Ach so ...«, sagte die Fechterin und richtete sich im Bett auf.​
Sie machte die Augen zu. Nachdem sie sich eine Weile der Dunkelheit hingegeben hatte, öffnete sie sie wieder und fragte:​
»Und die anderen?«​
»Sie sind tot«, antwortete der Mann nüchtern.​
»Ach so ...«​
Die Fechterin dachte eine Weile nach. Sie war selbst darüber erschrocken, wie ruhig sie blieb, obwohl sie eigentlich weinen sollte.​
»Ihr habt mich gerettet ... Obwohl, ist es vorbei?«​
»Nein.« Das Holz des Stuhls knirschte, als der Mann sich erhob. Er band sich einen kleinen Schild um seinen linken Arm und kontrollierte seinen Helm. Dann kam er mit stapfenden Schritten näher.​
»Ich möchte dich einige Dinge fragen.«​
» ... «​
»Du musst mir nur beantworten, was du beantworten kannst.«​
» ... «​
»Ist das in Ordnung?«​
»...​
Vielleicht hatte er ihr Schweigen als Zustimmung aufgefasst, denn der seltsame Mann fuhr einfach fort:​
»Wie viele Goblins sind es? Wie groß ist das Nest? Welche Arten gibt es? Wo gab es Aufeinandertreffen zwischen deiner Gruppe und ihnen? In welcher Richtung?«​
Sie antwortete:​
»Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht. Sie sahen alle gleich aus. In der Nähe der Höhle und im Norden.«​
Der Mann reagierte mit nichts weiter als einem Brummen, doch er stellte keine weiteren Fragen. Für kurze Zeit war nur das Knistern des Feuers zu hören. Dann stand der Mann auf, nahm sich den Schürhaken und stocherte ohne ersichtlichen Grund im Brennholz herum. Schließlich machte er, während er weiterhin dem Kamin zugewandt war, wieder den Mund auf:​
» Was habt ihr getan?«​
» Wir haben sie ausgehungert ...«​
Die Fechterin versuchte zu lächeln, doch ihre Mundwinkel zuckten nur kurz. »Oder zumindest haben wir es versucht.«​
»Ist das so?«​
Sie nickte.​
»Ich habe wirklich gedacht, dass es funktionieren würde ... «​
»Ist das so?«, sagte er erneut.​
Er stocherte ein letztes Mal mit dem Schürhaken im Kamin herum, bevor er ihn zur Seite warf. Das Metall schepperte auf dem Boden. Er richtete sich auf und der Boden unter ihm knarrte.​
»Solche Dinge passieren nun mal.«​
Die Adlige schaute verwirrt zu ihm hoch. Aufgrund des Eisenhelms konnte sie seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen, doch diese Worte klangen, als wolle er ihr irgendeine Art von Trost schenken. Ohne auf eine Antwort von ihr zu warten, ging der Mann in Richtung Tür.​
»Hey, warte«, rief die Fechterin ihm hinterher.​
»Was denn?«, brummte der Mann.​
Die Adlige begann, sich an ein Lied zu erinnern, das sie irgendwo einmal gehört hatte. Eine dreckige Lederrüstung. Ein billiger Eisenhelm. Ein mittellanges Schwert. Um den Arm ein kleiner Rundschild. Eine verschrobene Persönlichkeit und gleichzeitig ein Silber-Rang. Ein fähiger Abenteurer, stets auf Goblin Jagd.​
»Bist du etwa Goblin Slayer?«​
»So werde ich genannt«, sagte er, ohne sich umzudrehen, und verließ den Raum.​
Die adlige Fechterin schaute verträumt zur Decke. Jemand hatte sie gewaschen und ihr neue Kleidung angezogen. War es etwa dieser Mann gewesen? Sie schüttelte ihren Kopf. Eigentlich war es egal. Alles war egal. Sie hatte ihr Zuhause aufgegeben, nur um dann ihre Kameraden zu verlieren und ihre Keuschheit an diese Bestien zu verlieren. Sie hatte gar nichts mehr. Wobei, so ganz stimmte das nicht. In der Ecke, in der Goblin Slayer gesessen hatte, lagen ihre zerfetzte Lederrüstung und ihre dreckige Tasche. Wieder verspürte sie den Schmerz im Nacken.​
»Goblin Slayer.«​
Tief in ihrer Tasche gab es ein verstecktes Fach, das die Goblins nicht entdeckt hatten. Darin war ein Dolch aus Aluminium, der mit einem Donnerhammer geschmiedet und mit roten Juwelen verziert worden war. Er war ein weiteres Familienerbstück, das sie auf ihre Reise mitgenommen hatte.​
***
» Wie geht es ihr?«​
»Sie ist aufgewacht«, antwortete Goblin Slayer emotionslos auf die besorgte Frage der Priesterin, während er die Treppe hinunterstieg.​
Sie befanden sich in der Schänke, in der sie genächtigt hatten, bevor sie zum ersten Mal aufgebrochen waren. Als Goblin Slayer mit seiner Gruppe zurückgekehrt war, hatte sich die Nacht bereits über die Welt gelegt gehabt. Nichtsdestotrotz empfing der Dorfälteste sie, als sie das Dorf betraten. Ohne Umschweife hatte Goblin Slayer ihm die schlechte Botschaft überbracht, dass es noch weitere Goblin Nester in der Gegend geben musste. Man konnte dem alten Mann nicht verdenken, dass er überrascht dagestanden hatte. Eigentlich war der Auftrag für Goblin Slayers Gruppe erledigt, was hieß, dass das Dorf erneut die Gilde um Hilfe" bitten musste, wenn es weiterhin bestehen wollte. Deswegen war er umso erleichterter, als Goblin Slayer ihm eröffnete, dass sie sich auch um den Rest der Goblins kümmern würden. Weil sich das Nahrungsproblem im Dorf noch nicht geklärt hatte, gab es auch diesmal in der Schenke nur einfache Mahlzeiten für die Abenteurer. Eingelegtes Gemüse und Ähnliches befand sich auf dem Tisch, auf dem auch die Karte ausgebreitet war, die Goblins Slayer mit dem Jäger angefertigt hatte. Der Krieger drehte sie jetzt so, dass sie von ihm aus gesehen nach Norden zeigte.​
»Sag mal«, sagte die Elfe in beißendem Tonfall.​
»Sollten wir sie so allein lassen?«​
»Ich weiß nicht.«​
»Du weißt es nicht?«​
»Woher soll ich es denn bitte wissen?«, fuhr Goblin Slayer die Elfe genervt an.​
Diese runzelte überrascht die Stirn. Normalerweise sprach er immer in einem direkten, aber auch emotionslosen Tonfall, nicht so wie jetzt.​
»Deine Kameraden sind leider tot, aber du lebst noch, also freut dich.«​
» Meinst du, ich sollte sie jetzt mit solchen Worten aufmuntern?«​
»Nein ...«​
Für einen kurzen Moment wusste die Waldläuferin nicht, was sie sagen sollte.​
»Aber man kann so etwas doch auch anders sagen.«​
»Aber das ändert nichts am Kern der Botschaft.«​
Die Priesterin biss sich leicht auf die Lippen. Als er sie gerettet hatte, hatte Goblin Slayer ihr auch keine tröstenden Worte geschenkt, und auch, als sie die Elfe aus den Ruinen gerettet hatten, war es das Gleiche gewesen. Sie biss so hart zu, dass sie etwas Blut schmeckte. Es ist immer so mit ihm ... Ihr stiegen die Tränen in die Augen. Der Krieger schaute kurz zu ihr rüber, schien ihre Tränen jedoch nicht zu bemerken. Dann wandte er sich wieder der Elfe zu und sagte:​
»Was ist mit deiner Verletzung? Ist alles gut?«​
Schmollend verzog die Bogenschützin ihre Lippen. Er hatte ungeschickt das Thema gewechselt. Sie wusste nicht, ob er nachfragte, weil er sich wirklich sorgte, oder ob er wissen wollte, ob sie auch weiterhin bei der Goblin Jagd behilflich sein konnte.​
»Sie tut noch etwas weh, aber sonst scheint alles in Ordnung zu sein.«​
»Na dann.«​
Er nickte.​
»Wie sieht es mit der Ausrüstung aus?«​
»Hm ...«​
Der Echsenmensch nickte schwerfällig und klopfte leicht auf den Leinensack, der neben ihm stand. Der Stuhl, auf den er sich noch gerade so hatte quetschen können, knirschte.​
»Zuerst der Proviant. Da dieser aus der Notfallversorgung des Dorfs kam, mussten wir dafür teuer bezahlen.«​
»Und wie immer wird unser Gewinn außer Acht gelassen«, kommentierte die Elfe resigniert.​
Sie hatte sich im Laufe ihres gemeinsamen Jahres bereits an die Gruppe gewöhnt, doch die Hoffnung auf ein richtiges Abenteuer mit entsprechender Bezahlung hatte sie noch nicht aufgegeben.​
»Oho, das Langohr sorgt sich also um Geld? Das ist aber ungewöhnlich.«​
Der Zwerg war gerade dabei, sich an dem Alkohol gütlich zu tun, den er sich für die Besprechung bestellt hatte. Es war eine geschmacks- und geruchslose Spirituose, die in den Schnee eingegraben wurde, um sie zu einer Art Sirup zu machen. Er hatte auch gleich seine Flaschen damit füllen lassen, um sie später als Katalysator verwenden zu können. Der Elfe genügte es schon, dem Zwerg dabei zuzuschauen, wie er sich ein Glas nach dem anderen hinter die Binde schüttete, um einen Kater zu bekommen.​
»Du solltest mittlerweile selbst nur allzu gut wissen, dass das Vertreiben von Goblins schlecht bezahlt wird.«​
» Aber diesmal ging es doch auch um die Rettung der Abenteurerin.«​
»Es würde ja auch keiner vermuten, dass fünf Abenteurer auf Silber-Rang ständig Goblin Aufträge annehmen.«​
»Ich bin doch erst auf Obsidian-Rang«, sagte die Priesterin verlegen.​
Wie die Fechterin war sie die einzige Überlebende einer Abenteurer-Gruppe gewesen, doch sie wollte gar nicht darüber nachdenken, was der Unterschied zwischen ihren Erlebnissen war. Sie wusste nicht, ob es Schicksal oder Zufall war, dass sie ständig auf solche Fälle stieß, doch wenn sie an die Würfel der Götter und deren Ergebnisse dachte, fühlte sie sich, als würde sich etwas in ihr anstauen.​
»Wie dem auch sei, ich habe etwas Medizin auftreiben können«, erklärte der Zwerg.​
»Etwa von der Kräutermischerin? Ich hatte gehört, sie wäre unerfahren«, fragte Goblin Slayer.​
»Ja, aber auch wenn sie keine Tränke mischen kann, hatte sie einige Heilkräuter da, die sie mir freundlicherweise mitgegeben hat. Wie wäre es, wenn du sie gleich zur Frau nimmst? Sie würde dir sicherlich guttun.«​
»Kein Interesse.«​
»Ähm ... «​
Die Priesterin war instinktiv hochgeschnellt und hatte ihre Stimme gehoben, ohne zu wissen, was sie sagen wollte. Jetzt starrten sie alle an, weshalb sie nervös versuchte, sich irgendetwas auszudenken.​
»W... Wie gehen wir jetzt vor?«​
»Natürlich kümmern wir uns um die Goblins.«​
Die Antwort des Kriegers war wie immer ruhig. Er stützte sich auf den Tisch und warf dann einen Blick auf die Krüge und Teller, die um die Karte herum verteilt waren.​
»Räumt die Teller weg.«​
»Ja, das wäre besser«, stimmte der Zwerg zu und schnappte sich schnell die letzte Kartoffel.​
Die Elfe, die sie sich eigentlich hatte nehmen wollen, warf dem Zwerg einen bösen Blick zu und begann, das Geschirr wegzuräumen. Um sich zu rächen, wollte sie auch das Glas und die Flasche des Zwergs abräumen, doch dieser nahm beides in Windeseile an sich. Der Echsenmensch beobachtete die beiden und schnappte sich dann die Flasche aus den Händen des Zwergs, um sich selbst etwas Alkohol einzuschenken.​
»So ein Spaß. So eine Freude.«​
Nachdem alles abgeräumt war, wischte die Priesterin noch den Tisch sauber.​
»Gut.«​
Goblin Slayer nickte und breitete erneut die Karte auf dem Tisch aus. Dann holte er ein Schreibutensil hervor, das aus einem kleinen Stück Holz und einem daran befestigten Stück Kohle bestand. Er markierte die Höhle, in der sie bereits gewesen waren, mit einem X.​
»Wir sind uns alle einig, dass diese Höhle nicht das Hauptnest dieser Biester war.«​
»Ja, auch wenn ich es unglaublich finde, dass sie so etwas wie eine Gebetshalle haben«, sagte die Elfe und nippte an ihrem Traubenwein.​
» Aber es scheint die Wahrheit zu sein.«​
Die Zunge des Echsenmenschen zischte heraus, bevor er tief ausatmete und die Augen schloss. Dann machte er eins davon wieder auf und schaute zur Priesterin herüber. Als sich ihre Blicke trafen, zitterte das Mädchen leicht. »Was denkst du denn?«​
»Nun ja ...«​
Die Priesterin richtete sich auf und umklammerte fest ihren Stab. Sie war sich sicher, dass man ihr ihre Unsicherheit ansehen konnte. Sie trank einen Schluck Traubenwein und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.​
»Ich muss Goblin Slayer zustimmen. Ahm ... vierzig Goblins waren dort?«​
»Es waren achtunddreißig«, korrigierte Goblin Slayer sie.​
»So viele haben wir erledigt.«​
»Ich glaube nicht, dass dort achtunddreißig hätten schlafen können ... «​
»Stimmt, es gab weder Nahrung noch andere Dinge, die die Bestien mögen.«​
Ein typisches Goblin Nest besaß Lagerräume und Müllräume für die Gegenstände, die sie stahlen, und den Unrat, den sie produzierten, aber all das hatten sie dort nicht gefunden.​
»Ja, und deswegen werden sie noch ein anderes Nest haben.«​
Goblin Slayer kreiste auf der Karte einen Ort ein.​
»Nach Aussagen der Dorfbewohner soll es hier eine Ruine aus alten Zeiten geben.«​
»Dort werden sie sich sicherlich eingenistet haben.«​
Der Echsenmensch nickte schwerfällig.​
»Aber wie sieht sie aus?«​
»Es soll eine alte Zwergenfestung sein.«​
Der Zwerg brummte kurz und trank einen Schluck, bevor er sich zu Wort meldete.​
»Eine Festung aus dem Zeitalter der Götter? Die werden wir nicht so einfach angreifen können, Bartschneider. Wollen wir sie anzünden?«​
»Ich hätte zwar etwas Benzin«, erklärte Goblin Slayer, während er aus seiner Tasche ein Fläschchen mit einer schwarzen Flüssigkeit herausholte.​
»Aber wie du dir schon denken kannst, ist die Festung aus Stein. Ihre Außenmauern werden wir nicht niederbrennen können.«​
»Wenn es von außen nicht geht ...«, die Elfe legte einen dünnen Finger an die Lippen und dachte nach, »... dann vielleicht von innen?«​
»Das klingt nach einer guten Idee.« Der Echsenmensch fuhr mit seiner Kralle über die Karte und überprüfte die Marschroute.​
»Alle Geschichten von Burgen und Schlössern, in die sich der Feind eingenistet hat, enden mit der Niederlage der Feinde.«​
»Aber wie sollen wir hineinkommen? Direkt durch das Haupttor wird es schwierig sein«, fragte die Priesterin nachdenklich.​
Die langen Ohren der Elfe stellten sich plötzlich auf und sie rief freudig:​
»Eine Infiltration! Das Ganze entwickelt sich so langsam zu einem Abenteuer nach meinem Geschmack!«​
»E... Ein Abenteuer?«​
»Ja, genau!«​
Es war nicht klar, ob die Elfe sich gerade wirklich freute oder ob sie nur so tat, denn eigentlich wirkte die Lage auf den Rest der Gruppe mehr als kompliziert.​
»Tief in den felsigen Bergen auf einer hervorstehenden Ebene ragt eine Festung hoch in die Luft! Dort wartet der Anführer der Gegner! Wir schleichen uns hinein und töten ihn! Wenn das kein Abenteuer ist, dann weiß ich auch nicht!«​
Goblin Slayer schaute zu der Waldläuferin, die freudig ihre Faust Richtung Himmel streckte, und seufzte.​
»So einfach wird es nicht sein, sich in die Festung hineinzuschleichen. Der Gegner weiß, dass Abenteurer in der Gegend sind.«​
»Hast du denn eine Idee?«, fragte der Zwerg.​
»Ja, schon.«​
Der Krieger drehte sich den beiden Klerikern zu. »Widerspricht es euren Religionen, sich zu verkleiden?«​
»Nun ja. Ich bin mir da nicht so sicher«, meinte der Echsenmensch und verdrehte die Augen in Richtung der Priesterin.​
Als sie dies bemerkte, verstand sie den Sinn dahinter und lächelte ein wenig. Immer nahmen alle Rücksicht auf sie.​
»Das hängt von der Situation ab.«​
»Gut.«​
Goblin Slayer steckte seine Hände in die Tasche und zog etwas heraus. Polternd ließ er es auf den Tisch fallen. Es war das Brandzeichen aus der Höhle. »Sie haben uns diesen Hinweis hinterlassen. Wir sollten ihn nutzen.«​
»Ha ha, ich verstehe!« Der Echsenmensch klatschte in die Hände. »Wir sollen Diener einer finsteren Sekte werden!«​
»So ist es.«​
»Ich bin ein Drachenmensch im Dienste einer finsteren Gottheit. Der Krieger ist mein Kammerdiener und der Zwerg ein Söldner.«​
»Dann bin ich eine Dunkelelfe! Ich werde mir meinen Körper anmalen!«​
Grinsend wandte sich die Elfe der Priesterin zu.​
»Hey! Wenn du dir Ohren ansteckst, könntest du auch als Dunkelelfe durchgehen.«​
»Was? Also soll ich auch meinen Körper anmalen?«​
»Immer noch besser, als sich mit Goblin Eingeweiden zu besudeln, oder?«​
»Das ist ja wohl ein komischer Vergleich!«​
Die beiden begannen zu diskutieren. Goblin Slayer schaute kurz zu ihnen rüber.​
»Sie sind nette Mädchen, oder?«, sprach der Echsenmensch ihn an.​
»Ja, das sind sie«, erwiderte Goblin Slayer.​
Wenn sie für einen Sieg alles geben mussten, taten sie es. Wenn sie in entscheidenden Momenten über sich hinauswachsen mussten, taten sie auch das. Aber Momente wie dieser, in denen sie glücklich waren und lachten, waren wichtig, damit sie alle als Gruppe ihr Bestes geben konnten.​
»Wir sollten uns überlegen, wie wir uns verkleiden.«​
»Ja, wir müssen unsere Kleidung sorgfältig auswählen, damit wir nicht als Abenteurer auffallen.«​
Der Zwerg stieß einen versoffenen Rülpser aus und lachte schallend.​
»Wenn sie ein wenig ausgefranst sein dürfen, hätte ich da ein paar Kleidungsstücke.«​
»Oho, sieh an. Der werte Schamane ist gut vorbereitet.«​
»Leckeres Essen und Alkohol. Gute Musik, Gesang und schöne Kleidung. Wenn man dann noch eine Frau hat, ist das Leben perfekt.«​
Der Zwerg schenkte sich noch etwas von dem Getränk ein und machte die Augen zu.,​
»Ich kann kochen, musizieren und nähen. Nur für die Frauen muss ich gewisse Etablissements besuchen.«​
»Na so was. Hast du etwa keine Frau?«​
»Nein, ich möchte lieber noch hundert Jahre ledig sein und mein Leben in vollen Zügen genießen.«​
»Ha ha ha!« Der Echsenmensch streckte die Zunge raus und gönnte sich noch einen Schluck von der Spirituose.​
»Du bist noch jung. Da werde ich glatt neidisch.«​
»Aber ich bin dennoch älter als ihr«, merkte der Zwerg an und hielt seine Flasche einladend in Richtung seiner Kameraden.​
Goblin Slayer und der Echsenmensch nahmen beide an, woraufhin der Schamane ihre Krüge bis zum Rand füllte.​
»Ihr beiden solltet eure Leben auch ein wenig genießen. Es gibt nicht nur Goblins und Götter!«​
Er hielt inne und gönnte sich einen tiefen Schluck. Dann schaute er zu den beiden Frauen der Gruppe hinüber und sagte:​
»Lachen, weinen, wütend werden und Spaß haben. Was das angeht, ist das Langohr voll dabei.«​
Goblin Slayer schaute schweigend in seinen Krug. Durch das orangefarbene Licht der Lampe spiegelte sich sein billiger Helm im klaren Getränk. Er goss es sich durch sein Visier in den Mund und schluckte es runter. Es brannte in seinem Hals.​
»So einfach geht das alles leider nicht.«​
»Ja, da hast du recht.«​
»Wieso das denn nicht?«​
Der entspannte Plausch unter den drei Männern sorgte bei der Elfe und der Priesterin für Verwirrung.​
»Was ist denn mit euch?«, fragte die Bogenschützin neugierig.​
Der Schamane schüttelte die Hand, als wäre nichts gewesen, doch Goblin Slayer nutzte die Chance, um die Aufmerksamkeit aller wieder auf das eigentliche Thema zurück zu lenken:​
»Wegen der Goblins ... «​
»Ach so, ja. Ich wollte dich da auch noch etwas fragen.«​
Der Zwerg wischte sich einige Tropfen Alkohol aus dem Bart und setzte sich aufrecht hin. »Was ist dieser Paladin eigentlich?«​
»Gute Frage.«​
Der Krieger nickte.​
»Ich bin noch nie einem begegnet.«​
»Es wird interessant zu sehen, wie intelligent er wirklich ist.«​
»Zumindest hat er meinen Trick imitiert.«​
Goblin Slayer zog die Pfeilspitze, die sie aus der Elfe entfernt hatten, aus seiner Tasche.​
» Außerdem scheint er zahlreiche Goblins zu befehligen.«​
» Aber sie sind doch häufig in großen Gruppen unterwegs.«​
Beim Erntefest hatte der Feind seine Truppen aufgeteilt und damit seinen Vorteil verspielt. Diesmal war es jedoch anders. Ihre Truppe musste einer großen Gruppe von Gegnern in deren Territorium gegenübertreten. Der Echsenmensch meinte:​
»Wir haben noch ein weiteres Problem.«​
Er schlug mit dem Schwanz auf den Boden und zeigte auf die Markierung auf der Karte, wo sich die Festung befinden sollte.​
»Was machen wir eigentlich, wenn wir uns in die Festung geschlichen haben?«​
»Also ...«​
Goblin Slayer setzte zu einer Antwort an, doch dann war plötzlich ein Knirschen zu hören. Sofort standen die Abenteurer auf und griffen zu ihren Waffen. Während sie den Atem anhielten, zog sich der Schänken Besitzer schnell zurück. Als ein leiser Schritt auf das Knirschen folgte, atmeten alle erleichtert auf.​
»Goblins?«​
Die Stimme klang wie ein gepresstes Keuchen. Die Fechterin kam die Treppe hinunter, wobei sie sich an das Geländer klammerte. Über ihrem dünnen Bettgewand trug sie ihre kaputte Rüstung und in ihrer Hand glänzte ein silberfarbener Dolch.​
Mithril ... Nein, dafür ist die Färbung zu schwach. Ist es vielleicht eine magische Waffe?
Der Zwerg musterte die Klinge und obwohl er sich mit Metall gut auskannte, hatte er dieses Material noch nie gesehen.​
»Ich werde euch begleiten«, sagte die Fechterin.​
»Nein«, widersprach ihr die Elfe sofort.​
»Unser Auftrag war, dich zu retten. Nicht, dich noch mehr in Gefahr zu bringen. Bevor du noch einmal dein Leben riskierst, solltest du heimkehren und mit deinen Eltern reden, nicht wahr?«​
Die Waldläuferin schaute ihr direkt in die Augen. Sie kamen ihr dunkel und tief wie ein ausgetrockneter Brunnen vor. Obwohl sie die Eltern der Adligen erwähnt hatte, zeigten deren Augen überhaupt keine Regung. Die Fechterin atmete tief ein.​
»Das geht nicht.«​
Sie schüttelte den Kopf.​
»Ich muss es zurückholen.«​
Der Echsenmensch legte seine Hände in einer seltsamen Form zusammen und ließ dann seinen langen Kiefer darauf ruhen. Er schloss die Augen und fragte gelassen:​
»Was denn?«​
»Alles«, gab die adlige Fechterin zurück.​
»Alles, was ich verloren habe.«​
Ihren Traum. Ihre Hoffnung. Ihre Zukunft. Ihre Keuschheit. Ihre Freunde. Ihre Kameraden. Ihre Ausrüstung. Ihr Schwert. Die Goblins hatten ihr alles genommen und es in ihr Nest verschleppt.​
»Ich verstehe.«​
Der Echsenmensch hob seinen Kopf und legte seine Hände in einer anderen Form zusammen.​
»Ein Drache muss seinen Ruf als Drache verteidigen. Ein Drache ohne Ehre ist kein Drache.«​
»Mo... Moment mal!«, rief die Elfe aufgeregt.​
Sie konnte nicht glauben, was der Mönch gerade von sich gegeben hatte. »Zwerg! Sag doch was!«​
»Lass sie doch machen.«​
»Hä?!«​
Der Schamane leerte sein Glas, bevor er fortfuhr:​
»Es war unser Auftrag, sie zu retten. Was sie danach macht, muss sie selbst wissen.«​
» Aber was, wenn sie stirbt?!«​
»Du oder ich könnten doch genauso gut sterben! Auf uns alle wartet irgendwann das Ende! Das solltest du als Elfe besser als alle anderen wissen!«​
»Das stimmt, aber ...«​
Die Ohren der Waldläuferin hingen schlaff herunter. Sie wusste nicht, was sie dem entgegnen sollte. Der Priesterin brannten Worte auf der Zunge, doch sie wusste nicht, ob sie sie wirklich aussprechen sollte. Sie schaute nach unten, biss sich auf die Lippe und trank den Rest ihres Traubenweins. Dann fasste sie sich ein Herz.​
»Wir sollten sie mitnehmen Ansonsten wird sie nie frei sein.«​
Sie wusste, wovon sie redete. Ihr war es auch so ergangen und ihm damals wahrscheinlich auch.​
»Ich«, Goblin Slayer wählte seine Worte sorgfältig, »gehöre weder zu deiner Familie noch bin ich dein Freund.«​
»...«​
»Wenn du uns begleiten willst, dann solltest du wissen, was auf dich wartet.«​
»Ich weiß es ... Und den Preis zahle ich im Voraus.«​
»Ah!«​
Bevor die Elfe sie stoppen konnte, hatte die Fechterin begonnen, ihre zwei Zöpfe mit dem Dolch abzuschneiden. Sie schmiss die beiden Bündel auf den Schenkentisch.​
»Ich komme mit ... «​
Ihre Haare waren nun kurz. Entschlossen blickte sie den Krieger an, der unter seinem Helm leise stöhnte.​
»Goblin Slayer?«, sprach die Priesterin ihn besorgt an.​
Der Krieger ignorierte die Frage und wandte seinen Blick keine Sekunde von der Adligen ab.​
»Was kannst du?«​
»Ich kann mit dem Schwert kämpfen und beherrsche ein wenig Magie. Der Zauber nennt sich Blitzschlag.«​
Goblin Slayer drehte sich dem Zwerg zu.​
»Damit wird ein Blitz beschworen. Er hat die Durchschlagskraft einer großen Kanone«, erwiderte dieser gelangweilt.​
»In Ordnung«, sagte Goblin Slayer ruhig. Dann fragte er in die Runde:​
»Habt ihr Einwände?«​
Zuerst schaute er zur Elfe, die verkrampft ihren Krug in beiden Händen hielt und zu Boden schaute. Nach einigen Sekunden hob sie ihren Kopf und wischte sich über die Augen. Dann antwortete sie niedergeschlagen:​
»Wenn du es so willst, Orcbolg ... «​
»Gut.«​
Ohne auf die Antworten der anderen zu warten, rollte Goblin Slayer die Karte zusammen und stand auf.​
»Dann gehen wir jetzt die Goblins abschlachten.«​

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Edward Teach

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Intermission XVI
Über die Wartenden


»Puh! Ist das kalt!«​
Mit diesen Worten stieß die Kuhhirtin die Tür zur Gilde auf. Sie war froh, endlich im Warmen zu sein.​
»Es schneit sogar schon.«​
Sie schüttelte den Schnee von ihrer Kleidung und ließ ihren Blick durch die Eingangshalle wandern. Auf einer langen Bank saßen Abenteurer um einen Ofen herum und wärmten sich auf. Es waren weniger von ihrer Sorte anwesend als sonst. Das lag wohl an der Jahreszeit. Nur die wenigsten begaben sich im Winter auf Abenteuer. Durch die Kälte war es nahezu unmöglich, draußen zu übernachten, und außerdem waren die Nächte länger und dunkler. Es hieß zwar, dass die Barbaren im Norden sich überhaupt nicht an der Kälte störten, doch die Abenteurer hier interessierte das nicht die Bohne. Die meisten Abenteurer schufteten von Frühling bis Herbst, um Geld anzuhäufen, sodass sie im Winter nicht arbeiten mussten. Doch das sollte nicht heißen, dass alle Abenteurer, die heute in der Gilde anwesend waren, so drauf waren. Die Mächte des Chaos waren natürlich auch im Winter aktiv und einige Ruinen waren sogar nur im Winter zugänglich. Hinzu kam, dass einigen Völkern die Kälte überhaupt nichts ausmachte. Gerade diese Jahreszeit konnte also für Abenteurer besonders lukrativ sein.​
»Ach Mensch, der Winter ...«, murmelte die Gilden Angestellte hinter dem Tresen, als die Kuhhirtin vor sie trat.​
Sie hatte ihren Kopf schwermütig auf ihren Händen abgestützt und schaute aus dem Fenster.​
»Oje? Ist etwas?«, fragte das Mädchen vom Bauernhof und stellte die bestellten Nahrungsmittel ab.​
»Nein.«​
Die Anmeldedame lächelte mehrdeutig.​
»Jetzt schneit es sogar schon .•​
»Ja ...«​
Die Kuhhirtin schaute ebenfalls aus dem Fenster.​
Wenn man draußen stand, konnte man die Schönheit der tanzenden Schneeflocken nicht erkennen, doch von hier sahen sie ganz wunderbar aus. Der Schnee wirkte so weich wie Daunen und bedeckte langsam die Straße.​
»Ob alles gut gehen wird?«, sagte die Gilden Angestellte, ohne ihren Blick von den Schneeflocken zu nehmen.​
»Es wird alles gut gehen«, antwortete die Kuhhirtin.​
»Er war wohl schon einmal in verschneiten Bergregionen unterwegs.«​
»Ach, wirklich? Davon wusste ich nichts ... «​
»Es ist schwer aus ihm herauszubekommen, was er alles schon erlebt hat, nicht wahr?«​
Er war sehr wortkarg und auch wenn diese Charaktereigenschaft das Mädchen vom Bauernhof ab und an störte, fand sie es insgesamt eigentlich nicht schlecht. Es gab ja auch immer noch Dinge über sie, die sie ihm nicht gesagt hatte. Jeder hat wohl einige Geheimnisse, die er nicht verraten möchte.​
»Uwah! So kalt! Außerdem tut mir alles weh! Dabei hat er doch nur seine Fäuste benutzt?!«​
»Es war ... der Nachfahre ... eines Frostriesen ... oder?«​
»Ein echt langer und beschwerlicher Kampf.«​
Zwei bekannte Gesichter kamen durch die Eingangstür der Gilde gestapft. Es waren der Speerkämpfer und die Hexe. Sie schüttelten sich, um den Schnee aus ihrer Kleidung zu kriegen, und kamen zur Anmeldung.​
»Manno Irgendwie kommt er immer früher zurück als Goblin Slayer. Nun ja, Hauptsache, er ist unversehrt.«​
Wahrend die Gilden Angestellte sie angrinste, stand die Kuhhirtin auf.​
»Dann wünsche ich viel Erfolg bei der Arbeit.«​
»Ja, keine Angst, aber sind Sie sich sicher, dass alles gut gehen wird?«​
»Ja. Er wird sicher zur Feier der Jahreswende zurück sein.«​
»Ganz sicher.«​


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Edward Teach

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Kapitel 46
Eroberung des Kerkers


»Ich bin damit nicht einverstanden!«​
»Ha ha ha ha ...«​
Der nächste Tag war angebrochen und die Gruppe befand sich auf dem Weg in die Berge. Die Elfe, die gemeinsam mit der Priesterin und der Fechterin in einem Holzkäfig zusammengekauert war, beschwerte sich lautstark, während der Zwerg nur herzlich darüber lachte. Die Waldläuferin wackelte genervt mit den Ohren und rüttelte an den Gitterstäben. Eine lange Stange war oben durch den Käfig geschoben worden, damit man ihn tragen konnte.​
»Warum müssen wir hier die Kriegstrophäen spielen?!«​
»Die anderen und ich können doch schlecht als Opfergaben dienen«, antwortete Goblin Slayer.​
Seine Rüstung war mit etwas Schwarzem eingerieben, was ihn noch sonderbarer als sonst aussehen ließ - fast wie einen untoten Krieger.​
»Oh, die Abenteurerinnen machen schon wieder Alarm, Mönch. Vielleicht sollten wir sie bestrafen.«​
»Ja, sie werden gute Opfer für unseren Gott abgeben.«​
Der Zwerg und der Echsenmensch schienen die Schauspielerei zu genießen und stellten ihre Verkleidung übertrieben zur Schau.​
»Hng!«​
Die Elfe biss die Zähne fest zusammen und wandte sich ihren Zellengenossinnen zu.​
»Hey, warum nehmt ihr das einfach so hin?!«​
»Ich bin eben erschöpft ...«, entgegnete die Priesterin, die in einer Ecke des Käfigs saß und ihre Knie umarmte.​
Sie trug ein resigniertes Lächeln auf den Lippen.​
Die Fechterin schwieg jedoch nur. Sie saß in einer anderen Ecke und starrte regungslos in den Himmel. Ihre weiße Haut wirkte blutleer und ihre ehemals rosigen Lippen hatten sich violett verfärbt.​
Die Priesterin kroch vorsichtig auf allen Vieren an sie heran.​
»Ähm, ist dir etwa kalt?«​
»Nein ...«​
Die Priesterin musste leicht kichern. Sie war bereits durch Goblin Slayer an kurze und knappe Antworten gewöhnt, weshalb sie sich von ihnen jetzt nicht mehr abschrecken ließ.​
»Mir ist aber kalt, deshalb schmiege ich mich an, ja?«​
»Mach, wie du willst ...«​
Der Weg zur Festung war lang und es war anstrengend, den schaukelnden Käfig durch den tiefen Schnee zu tragen. Die Frauen hätten die gesamte Strecke wahrscheinlich nicht zu Fuß bewältigen können, weshalb die Priesterin dachte: Hat er uns eventuell aus Rücksicht die Rolle der Gefangenen gegeben? Mit gerötetem Gesicht ließ sie ein lautes, aber niedliches „Hatschi“ verlauten und sagte anschließend:​
»E... Es tut mir leid, aber es ist nun mal so kalt ...«​
»Ja, das stimmt wohl«, sagte die Fechterin, während ihr angespannter Gesichtsausdruck ein wenig weicher wurde.​
Die Priesterin freute sich, dass ihre neue Begleiterin sich etwas entspannte, auch wenn es nur wegen eines peinlichen Zwischenfalls von ihrer Seite passiert war.​
»Diese Kostüme sind einfach zu kalt.«​
Die Elfe spielte dabei auf die billige und dünne Kleidung an, die sie und ihre Zellengenossinnen hatten anziehen müssen, um als Gefangene durchzugehen.​
»Mir fallen noch die Ohren ab.«​
»Wir sind halt auf einem verschneiten Berg unterwegs«, gab Goblin Slayer emotionslos zurück, griff dann allerdings in seine Tasche, um eine Decke hervorzuholen und sie in den Käfig zu reichen.​
»Der Wind ist stark. Was machen wir, Schup ... Hoppla, ich meine, fürchterlicher Mönch.«​
»Für mich wäre diese Kälte ohne dicke Kleidung unerträglich. Zum Glück habe ich jetzt diesen Umhang. Es muss sicherlich eine solche Kälte gewesen sein, die meine Vorfahren ausgerottet hat.«​
Der Echsenmensch kniff seine Augen leicht zusammen.​
»Warte, ich mache ein paar heiße Steine, damit wir uns an ihnen aufwärmen können.«​
Der Zwerg zog einige Steine aus seiner Tasche hervor und sprach Worte der Macht.​
»Tanz, Salamander! Ja, tanz! Teil das Feuer an deinem Schwanz!«​
Die Steine fingen von innen heraus zu leuchten an und auch wenn der Schamane mit diesem Vorgehen einen seiner Zauber verbraucht hatte, beschwerte sich niemand.​
»Die Steine verbrennen nicht, sondern werden nur warm, ab ... Oh, heiß! Die sind gut.«​
»Ich habe eine ganz schreckliche Erinnerung an diesen Zauber.«​
Fast reflexartig versteckte die Elfe ihr Bein.​
»Es zwingt dich ja keiner, einen zu nehmen.«​
Der Schamane wickelte einen der Steine mit geübten Handgriffen in ein Tuch ein und warf ihn in den Käfig.​
Die Waldläuferin nahm ihn trotz ihres Gemeckers sofort an sich und sagte: »Ach, vielen Dank. Obwohl du ein Zwerg bist, kannst du ganz schön rücksichtsvoll sein.«​
Er wickelte zwei weitere Steine in Tücher und reichte sie den anderen beiden Frauen im Käfig. Während die Priesterin sich bedankte, sagte die Fechterin gar nichts.​
Nachdem das erledigt war, schlug der Zwerg sich auf seinen Bauch und wandte sich Goblin Slayer zu:​
»Und, Bartschneider? Wie sieht's aus?«​
»Eigentlich wollte ich damit bis zur Festung warten ...«​
Der Krieger holte drei Ringe aus seiner Tasche hervor und warf sie in den Käfig. Die Priesterin nahm sie sofort an sich.​
»Mit diesen Ringen kann man auch unter Wasser atmen.«​
Das Mädchen schaute sich die Ringe kurz an. Sie waren mit blauen Steinen verziert.​
»Wofür brauchen wir denn Ringe, die uns unter Wasser atmen lassen?«​
»Angeblich sollen sie auch ein wenig dabei helfen, mit der Kälte klarzukommen.«​
»Juhu! Warum sagst du uns erst jetzt, dass du so etwas dabeihast?«​
Die Bogenschützin schlug die Hände zusammen und wackelte freudig mit den Ohren. Sie schnappte sich einen der Ringe und steckte ihn an. Der Gesichtsausdruck, den sie danach aufsetzte, ließ erkennen, dass der Ring die Kälte tatsächlich etwas minderte.​
»Zusammen mit dem Stein des Zwergs wird mir tatsächlich wärmer.«​
»Ähm, dann probiere ich es auch ...« Die Priesterin steckte sich auch einen Ring an und sie fühlte, wie sich eine Schicht um ihren Körper bildete, die die Kälte ein wenig abschwächte.​
»Oh! Das ist klasse!«​
»Nicht wahr?«, rief die Elfe vollkommen begeistert, was prompt ein höhnisches Lachen von Seiten des Zwergs hervorrief.​
Wie so häufig begannen die beiden, sich zu zoffen.​
»Also wirklich ...«​
Die Priesterin seufzte und wandte sich der Fechterin zu. Sie blickte in ihre eiskalten Augen und sagte:​
»Hier. Du solltest auch einen Ring tragen.«​
»Ich brauch den nicht.«​
Die Adlige schüttelte ihren Kopf.​
»Mir ist nicht kalt.«​
»Das kann doch gar nicht sein.«​
Die Priesterin musste an die jungen Mädchen denken, die mit ihr im Tempel gelebt hatten. Sie hatten sich auch immer wieder so dickköpfig verhalten. Vorsichtig nahm sie die durchgefrorene Hand der jungen Frau.​
»Probier ihn wenigstens einmal kurz aus.«​
»Mir ist ni... Hatschi!«​
Die Fechterin nieste und schaute beschämt zur Seite.​
»Mir ist nicht kalt ...«​
»Ja, okay.«​
Die Priesterin musste sich zurückhalten, um nicht zu kichern.​
»Aber probier ihn einfach mal aus.«​
»Hmpf ...«​
Die Adlige realisierte, dass ihr Gegenüber keine Widerrede duldete, weshalb sie sich den Ring anstecken ließ.​
»Ha ha! Sei ehrlich, so ist es besser, nicht wahr?«, meinte die Elfe und kicherte.​
Die Fechterin schaute schmollend in die andere Richtung, aber ließ den Ring an ihrem Finger.​
Der Zwerg schlug gegen die Gitterstäbe.​
»Hey, Mädels. Seid jetzt ruhig und tut ein wenig angespannt!«​
»Warum musst du die Stimmung vermiesen?«​
»Willst du etwa, dass unsere Verkleidung gleich zu Anfang auffliegt, Langohr? Wo bitte gibt es Geiseln, die einer Gottheit geopfert werden sollen und sich vorher freudig amüsieren?«​
Weil die Bogenschützin nicht wusste, was sie erwidern sollte, schmollte sie einfach.​
»Übernimm bitte die Führung«, sagte Goblin Slayer zum Echsenmenschen. »Ich kann nachts nicht sehen.«​
»Aber sicher, mein werter herumreisender Ritter.«​
Da es unnatürlich für Diener des Chaos wäre, Fackeln zu benutzen, übernahm der Mönch die Führung der Gruppe und Goblin Slayer trug gemeinsam mit dem Zwerg den Käfig. Nachdem sie noch ein ganzes Stück weitergewandert waren, kam langsam ein schwarzes Festungstor ins Sichtfeld der Abenteurer.​
»Macht auf!«​
Die laute Stimme des Echsenmenschen schaffte es, selbst das laute Wehen des Schneegestöbers übertönen. Sein Gebrüll war dem eines Drachens würdig.​
»Ich bin ein Mönch des Gottes der Erleuchtung! Öffnet das Tor!«​
Auch wenn er eigentlich einem anderen Gott diente, spielte der Echsenmensch seine Rolle überaus glaubwürdig. Der Zwerg stieß Goblin Slayer mit seinem Ellenbogen in die Seite und sagte:​
»Das macht er gut, was? Für das Mädchen wäre das wohl ein bisschen zu viel gewesen.«​
»Ja.«​
»Nichtsdestotrotz hätte ich sie gern mal in der Kleidung einer finsteren Tempeldienerin gesehen. Die ist sehr luftig und zeigt wirklich viel Haut.«​
»Ist das so?«​
»Du hast sie doch letztens erst für ihre Kleidung beim Fest gelobt. Würdest du sie nicht gerne mal noch in etwas anderem sehen?«​
»Kein Interesse.«​
Die beiden wandten sich wieder dem Tor zu, doch alles blieb still.​
»Ob dieser Goblin Paladin wohl stark ist, Bartschneider?«​
»Ich weiß es nicht. Aber nimm lieber an, dass er mehr Kraft hat als wir.«​
»Wahrscheinlich ist es sicherer, wenn wir davon ausgehen ...«​
»Das stimmt.«​
»Ja, wenn wir auf sie herabschauen und sie uns dann reinlegen, dann würden wir uns wirklich töricht fühlen.«​
Es hatte sich immer noch nichts getan. Nur das Heulen des eisigen Windes war zu hören. Der Echsenmensch steckte seine Hände in seine Robe und zog einen hölzernen Mond hervor, den der Zwerg als Abbild des Brandzeichens aus der Höhle hergestellt hatte.​
»Im Namen der blauen Augen des äußeren Gottes des Wissens! Macht das Tor auf!«​
Endlich tat sich etwas. Das Klappern von Ketten war zu hören und das Tor begann sich langsam zu öffnen. Goblin Slayer starrte gespannt auf den Spalt, der immer größer wurde. Er war sich sicher, dass mehrere Goblins für das Öffnen dieses Tores abgestellt waren. Die Streitmacht des Gegners musste wirklich groß sein.​
»Ähm, ist das wirklich ... in Ordnung?«​
Der Krieger drehte sich zu der zarten Stimme um, die hinter ihm leise diese zweifelnden Worte gesprochen hatte. Sie gehörte der Priesterin.​
»Werden wir etwa sofort in ihren Kerker gesperrt werden?«​
»Das ist gut möglich.«​
Goblin Slayer nickte nur ganz leicht, denn die Goblins beobachteten sie wahrscheinlich.​
»Aber das ist besser, als geopfert zu werden.«​
»Ährn ... Okay ·..​
»Ja.«​
»Du wirst uns aber retten kommen, oder?«​
»Das habe ich vor.«​
»Dann ist ja gut.«​
Die Priesterin öffnete den Mund, um noch etwas zu sagen, aber schloss ihn sofort wieder. In ihrem Gesicht konnte man Resignation erkennen. Sie seufzte und obwohl der magische Ring sie schützte, wurde ihr Atem sofort zu einer weißen Wolke. Er hätte andere Dinge wie​
»Es wird alles gut. überlass das mir. Die Goblins werden euch kein Haar krümmen.« sagen können, aber natürlich tat er das nicht.​
Schließlich war er Goblin Slayer.​
Er ist wirklich unverbesserlich, dachte sich die Priesterin und entspannte sich ein wenig. Dann drehte sie sich der Fechterin zu, die hinter ihr vor Aufregung und Furcht zitterte.​
»Es ist alles gut ... Goblin Slayer und die anderen sind bei uns.«​
Doch bevor die Adlige etwas sagen konnte, zuckten die Ohren der Elfe und sie sagte:​
»Sie kommen.«​
»GROOOBR!«​
Ein Goblin, dessen Gestalt im Vergleich zu dem großen Tor lächerlich klein wirkte, kam auf die Abenteurer zu. Er trug ein lumpenartiges Mönchsgewand mit langen Ärmeln, die über den Boden schleiften. In dem Versuch, würdevoll zu gehen, schritt er wackelig voran.​
»GORARO! GORB!«​
Der Goblin blieb schließlich vor dem Echsenmenschen stehen und schrie herum, während er mit seinen Händen wild in der Luft herumfuchtelte.​
Der Echsenmensch nickte mehrfach, während er weiterhin das Symbol in den Händen hielt. Goblin Slayer und der Zwerg schauten zu Boden und blieben still.​
»Was sagt er?«, fragte die Elfe flüsternd.​
»Ich weiß es nicht«, antwortete die Priesterin und schüttelte den Kopf.​
»Ist das etwa der Goblin Paladin?«​
»Er sieht weniger wie ein Ritter und eher wie ein Kleriker aus, oder?«​
»Nein«, mischte sich plötzlich die Fechterin in das Gemurmel der beiden ein, »er ist es nicht.«​
Die Priesterin sah, wie Zorn in ihren Augen aufflammte. Sie konnte sich denken, wie der Goblin an die Mönchskleidung gekommen war. Das Mädchen drückte die Fechterin an sich. Sie wusste nicht, ob ihre Worte sie erreichen würden, doch sie sagte:​
»Es wird alles gut.«​
»Wir würden gerne um eine Audienz beim Herrscher dieser Festung, dem werten Paladin, bitten«, bat der Echsenmensch den Goblin Kleriker.​
»GORA! GORARARU!«​
»Ja, die zwei sind meine treuen Diener. Und die hier sind ein Tribut.« Mit einer ausholenden Armbewegung zeigte der Mönch auf den Käfig. »Wir haben ein paar freche Abenteurerinnen gefangen. Eine davon trug bereits das Zeichen einer Opfergabe.«​
»ORRRG! GAROOM!«​
»Ja, das stimmt. Werft sie lieber in den Kerker und schneidet ihnen Arme und Beine ab, damit sie nicht fliehen können.«​
Der Goblin versuchte sich an einer ausschweifenden Armbewegung, wie sie sein Gegenüber gerade gemacht hatte, und führte die Gruppe ins Innere der Festung. Natürlich war der Echsenmensch der Sprache der Goblins nicht mächtig, aber mithilfe des Wunders „Telepathie“ hatte er es geschafft, mit ihm zu kommunizieren.​
»Oh, Mapusaurus, Herrscher der Erde. Lass uns Teil dieses Stammes werden, wenn auch nur flüchtig.«​
Mithilfe der Kraft seiner Ahnen hatte er ihn überzeugen können. Am Vorabend hatte der Mönch gesagt:​
»Es ist ein hilfreiches Mittel, um Missionsarbeit zu erledigen.«​
Goblin Slayer hatte darauf nichts weiter geantwortet als:​
»Irgendwann werde ich wohl doch noch die Sprache der Goblins lernen müssen ...«​
»Puh, irgendwie hat das geklappt ...«, murmelte der Zwerg jetzt in seinen Bart.​
»Wir haben nur das Tor überwunden. Entspann dich noch nicht«, rügte Goblin Slayer ihn.​
»Ich weiß, Bartschneider. Ich weiß.«​
Der Krieger schaute sich vorsichtig um, nachdem sie das Tor zur Festung passiert hatten. Sie befanden sich im Innenhof einer alten Anlage, wo einst Wasser aus der Quelle geschöpft worden war. Der Platz mit den kreideweißen Wänden war sicherlich auch für Festmahle verwendet worden. Aber die Quelle war versiegt, der Schnee hatte alles bedeckt, die Gräser am Boden waren verschwunden und schon lange waren hier keine Ritter mehr gesehen worden. Nun war dieser Ort zu einem Spielplatz der Goblins geworden. Und der war blutverschmiert, schmutzig und voller Unrat.​
»Zu Zeiten der Götter war dies ein Bauwerk der Zwerge, doch jetzt ..., sagte die Elfe seufzend.​
Sie liebte Abenteuer und das Unbekannte, weshalb der Anblick sie wirklich bedrückte.​
»Diese Viecher wissen wirklich nichts wertzuschätzen, was?«​
»Das sind wirklich viele von ihnen ...«​
Die Priesterin biss sich auf die Lippen.​
»Wir müssen etwas unternehmen ...«​
Die Goblins sahen die Frauen als nichts weiter als Opfergaben, die sie zum Schreien und Kreischen bringen wollten, und das war gut so. So erkannten sie nicht die Gefahr, die sie für sie darstellten. Die Zahl der Biester überstieg bei weitem mehrere Dutzend. Sie standen auf den Festungsmauern, auf den Türmen und auch im Hof. Für Goblins waren sie vergleichsweise gut ausgerüstet. Ihre Blicke waren auf die Abenteurer gerichtet und die Gier darin war für die Frauen der Gruppe unerträglich. Unbewusst drückte die Priesterin die Fechterin an sich. Sie wusste, dass dieses Verhalten die Lust der Goblins nur weiter anstacheln würde, doch sie konnte einfach nicht anders. Währenddessen prägte Goblin Slayer sich so gut er konnte die Umgebung und die Positionen ihrer Feinde ein. Ihr Leben hing davon ab, wie gut sie sich während des Kampfes hier zurechtfinden würden, und auch wenn er den Tod nicht fürchtete, sorgte er sich darum, was die Goblins anrichten könnten, wenn sie länger am Leben bleiben würden als seine Gruppe.​
»GORARA.«​
»Gut, dann hier entlang.«​
»In Ordnung. Lass uns gehen, Gepanzerter.«​
Unter Anleitung des Goblins gab der Echsenmensch Anweisungen, denen der Zwerg und Goblin Slayer Folge leisteten. Sie durchquerten einen Korridor und gingen dann eine Treppe hinunter. Alles war voller Dreck und Unrat und es wimmelte nur so vor Goblins. Schließlich erreichten sie einen unterirdischen Raum, in dem ihre Schritte unangenehm widerhallten. Es herrschte eine beklemmende Dunkelheit, die nur noch von dem unbeschreiblichen Geruch in dem Raum übertroffen wurde. Die Gruppe befand sich jetzt in einem unterirdischen Kerker. Einst war dieser Ort von den Zwergen errichtet worden, um Diener des Chaos und andere bösartige Gestalten gefangen zu halten, doch jetzt benutzten Letztere ihn, um hier jungen Frauen unaussprechliche Dinge anzutun. Neben einigen Überlebenden, die gerade noch so atmen konnten, gab es hier auch mehrere Leichen, die vor sich hin faulten. Die Fechterin biss knirschend die Zähne zusammen und stieß ein Stöhnen aus. Die Priesterin spürte, wie die Frau in ihren Armen immer mehr verkrampfte.​
»ORAGARR.«​
Der Goblin spielte an einem verrosteten Schloss und öffnete schließlich das Gitter zu einer Zelle, deren Boden mit mehreren Schichten von Dreck überzogen war. Auch wenn es hier längst nicht so kalt war wie über der Erde, konnte man nicht sagen, dass die Temperatur angenehm warm war. Das Loch, in dem man seine Notdurft erledigen konnte, war bereits voll mit Unrat und zu allem Überfluss schaute auch noch der Arm eines Menschen heraus. Die Elfe mit ihrem äußerst empfindlichen Geruchssinn schaffte es gerade so, sich nicht zu übergeben. Die Priesterin hingegen blieb wesentlich ruhiger als ihre erfahrenere Kollegin. Sie hatte durch die gemeinsamen Abenteuer mit Goblin Slayer schon genügend Orte wie diesen gesehen. Zumindest versuchte sie, sich das einzureden. Unwillkürlich musste sie an ihr erstes Abenteuer zurückdenken. Der Schwertkämpfer, der vor ihren Augen niedergemetzelt worden war. Die vergiftete Magierin, die von Goblin Slayer erlöst werden musste, und die Faustkämpferin, an der die Goblins sich vergangen hatten. Sie war das einzige Mitglied der Gruppe, das nahezu unbeschadet davongekommen war, aber wie lange würde das wohl noch gut gehen? Irgendwann musste es sie doch auch erwischen?​
Keine Angst. Alles ist gut ... Alles wird gut. Sie redete sich selbst in ihren Gedanken zu, um zu verhindern, dass sie vor lauter Angst mit den Zähnen klapperte. Sie sprach ein Gebet zur Erdmutter.​
»GAROU!«​
»Ngah?!«, schrie die Priesterin, als sie plötzlich an den Haaren gepackt wurde.​
Es war der Goblin Kleriker. Er hatte seinen Arm in den Käfig gesteckt und verlangte, dass er geöffnet wurde.​
»ORAGARAO!«​
Er wollte, dass die Priesterin als Erstes geopfert wurde. Der Zwerg und Goblin Slayer warfen sich einen kurzen Blick zu und nickten. Dann machten sie sich daran, den Käfig abzustellen. Der Echsenmensch sprach mit tiefer Stimme:​
»Bevor ihr euch amüsieren könnt, würden wir gern dem werten Paladin entgegentr ...«​
Plötzlich öffnete sich der Metallverschluss des Käfigs ...​
»Waaaaaaah!«​
Brüllend sprang die Fechterin aus ihm hervor.​
»OGA ... ?!«​
Der Goblin zog blitzschnell ein steinernes Messer von seinem Gürtel und schwang es nach der Fechterin, streifte dabei jedoch die Wange der Priesterin. Eine feine Wunde wurde sichtbar und als sie zu bluten begann, sackte die Priesterin in sich zusammen.​
»Aaaaah!«​
Die Fechterin nutzte die Energie ihres Körpers und rammte den Goblin aus dem Weg. Dabei schlug sie ihm das Messer aus der Hand.​
»ORAGAGAGA?!!«
»Goblin! Goblin! Goblin!«​
Die Adlige setzte sich auf das kleine Biest und schlug immer wieder mit ihren blanken Fäusten auf es ein. Es zappelte und wand sich, während jeder Schlag die Hände des Mädchens immer blauer anlaufen ließ.​
»Ah! Stirb! Stirb endlich!«​
Die Nase des Goblins brach, dann zerplatzten seine Augen und einige Zähne fielen ihm aus.​
»GARAO?!«​
Ein anderer Goblin, der der Gruppe hinterher geschlichen war, um als Nächster seinen Spaß mit den Frauen haben zu können, bemerkte, was passierte, und stieß einen lauten Schrei aus. Anstatt zu versuchen, seinen Kameraden zu retten, rannte er eine Treppe hinauf, um Verstärkung zu holen.​
»Ts!«​
Goblin Slayer schnalzte mit der Zunge. Er zog sein Schwert und warf es, ohne zu zögern, nach dem Treppensteigenden Goblin. Die Klinge traf ihn im Nacken.​
»ORAG?!«​
Bevor es begreifen konnte, was gerade passiert war, war das grüne Biest schon die Treppe heruntergefallen und der Krieger eilte heran. Er drehte das immer noch im Goblin steckende Schwert herum, um seine Wirbelsäule zu zertrümmern, und trat die Leiche dann zur Seite. Sie landete in einer Pfütze aus Unrat, in der sie nicht weiter auffallen würde. Um sicherzugehen, dass die anderen Bewohner der Festung nichts bemerkt hatten, erklomm Goblin Slayer die Treppe und schaute sich um. Er sah einen patrouillierenden Goblin heraneilen, welcher die Geräusche gehört haben musste. Goblin Slayer festigte seinen Griff um das Schwert und rief seinen Kameraden zu:​
»Wir wurden bemerkt. Es kommt noch einer.«​
»Aaaaah! Ngh! Aaaah!«​
Die Fechterin schlug weiter auf den Goblin Kleriker ein, obwohl er längst tot war. Ihre Hände waren aufgerissen und voller Blut.​
»Hör bitte auf! Wir müssen jetzt ... Ah?!«​
Die Priesterin versuchte, die Fechterin mit einer Umarmung zu beruhigen, doch sie wurde von ihr abgeworfen und landete schmerzhaft auf ihrem Hintern. Sie drehte sich ihren Kameraden zu und fragte:​
»Soll ich Stille wirken?«​
»Nein, es wäre verdächtig, wenn plötzlich gar keine Geräusche mehr von hier zu hören wären.«​
Der Zwerg wühlte in seiner Tasche herum und dachte laut darüber nach, was eine andere Möglichkeit wäre.​
»Wir haben wohl keine Wahl ...«, stöhnte Goblin Slayer.​
Er hatte nicht vorgehabt, jetzt schon die direkte Auseinandersetzung mit den Biestern zu suchen, dafür standen die Chancen zu schlecht.​
»Waldläuferin, schreie, so laut du kannst!« Mit diesen Worten unterbrach der Echsenmensch den Krieger in seinen Überlegungen.​
»Was?! Ich soll ... ?«​
Die Waldläuferin hatte eigentlich versuchen wollen, die Fechterin aufzuhalten.​
Der Mönch schlug genervt mit seinem Schwanz auf den Boden.​
»Mach einfach! Wir haben keine Zeit!«​
»J ... Ja, okay ... Ein Schrei ...«​
Die Elfe atmete tief ein und riss ihre Augen auf.​
»Neiiiin! Aufhööööören!«​
Der Schrei der Waldläuferin war so laut, dass sogar die Goblins, die sich auf dem Platz der Festung befanden, ihn hören könnten.​
»GORARA.«​
Auch der patrouillierende Goblin, der gerade auf Goblin Slayer zusteuerte, hörte ihn. Er schaute den Krieger an und grinste dreckig​
.

»GORARURU?«​
Goblin Slayer zuckte mit den Schultern, worauf der Goblin dreckig lachte und eine drehende Bewegung mit seiner Hand machte.​
»Er will also später noch einmal vorbeischauen, was?«, murmelte der Krieger, während das grüne Biest sich umdrehte und davonging.​
Die Gruppe hatte sich ein wenig Zeit verschafft, die sie nicht verschwenden durfte. Der eigentlich Plan hatte darin bestanden, den Meister der Festung unter dem Vorwand, dass er die Frauen kontrollieren solle, in den Kerker zu locken, denn hier hätten sie den Goblin Paladin - wenn es ihn überhaupt gab - sicher erledigen können. Dieser Plan war allerdings jetzt nicht mehr realisierbar.​
»Nun ja ... Das war zu erwarten ...«, murmelte Goblin Slayer emotionslos.​
Er schloss die Tür und sicherte sie mit einem Keil, bevor er die Treppe wieder hinunterstieg und die Gruppe anwies:​
»Bringt mir die andere. Goblin Leiche. Es wird uns nicht viel Zeit verschaffen, aber wir verstecken sie zusammen mit der ersten.«​
Als er sich seinen Kameraden zuwandte, erkannte er, dass die Fechterin immer noch auf den Goblin einprügelte. Aus dem dumpfen Geräusch der Schläge war nur noch ein Platschen geworden.​
»Hey, du. Jetzt reicht es aber langsam mal!« Die Elfe packte sich die Fechterin und zog sie von dem Kadaver herunter. Obwohl sie von zarter Gestalt war, war sie als Silber-Rang-Abenteurerin kräftig genug, um so etwas zu tun.​
»Was soll das denn? Wir haben dir doch den Plan erklärt!«​
Die Fechterin erhob sich vom dreckigen Boden und starrte die Waldläuferin mit trüben Augen an.​
»Die Goblins müssen getötet werden.«​
»Ach, Mann ...«​
Die Bogenschützin wusste, dass es sinnlos war, jetzt mit ihr zu diskutieren, weshalb sie sich einfach nur auf die Lippe biss. Eigentlich mochte sie an Menschen, dass sie so unberechenbar waren, weshalb selbst Orcbolgs Verhalten sie nicht sonderlich störte - auch wenn sie das niemals zugeben würde. Doch die Aktion der Fechterin war nicht akzeptabel.​
»Deshalb war ich dagegen, dass sie mitkommt!«​
»Nun ja, zum Glück hat sie keinen Zauber gewirkt ...«​
Der Zwerg seufzte und holte eine seiner Flaschen hervor. Er schüttelte sie kurz und zog dann den Stöpsel heraus, um sich einen oder zwei Schlucke vom Inhalt zu gönnen.​
»Unser Plan mag durcheinander gekommen sein, aber wir müssen nun mal mit dem Blatt spielen, das uns ausgeteilt wurde.«​
»Uns wird wohl nichts anderes übrig bleiben, als sie von nun an genau im Auge zu behalten.«​
Als Antwort auf die Aussage des Echsenmenschen verdrehte die Elfe die Augen und sagte:​
»Ja, aber was, wenn sie uns noch mehr Arger einhandelt?«​
Sie stemmte die Arme in die Hüfte und starrte die Fechterin an. Deren gleichgültige Haltung machte sie noch wütender.​
»Be... Beruhige dich. Beruhige dich bitte! Jetzt ist nicht der richtige Moment, um sich aufzuregen«, versuchte die Priesterin ihre Kameradin zu beschwichtigen.​
»Ich frage mich eher, warum du noch nicht wütend bist ...«​
»Was?«​
Die Elfe strich der Priesterin über ihre Wange. Das Mädchen kniff aufgrund des plötzlichen Schmerzes ihre Augen zu. Sie spürte, wie ein wenig Blut aus ihrer Wunde lief.​
»Wegen ihres unverantwortlichen Verhaltens wurdest du verletzt.«​
»Ja, aber mir geht es doch gut.«​
Die Priesterin versuchte, ihre Aussage mit einem Lächeln zu unterstreichen, doch das brachte die Elfe nur noch mehr in Rage.​
»Du hältst dich doch nur zurück! Gar nichts ist in Ordnung!«​
Die Waldläuferin streckte ihren Arm aus, um die Fechterin zu packen und sie dazu zu bringen, sich zu entschuldigen, aber ...​
»Beruhige dich.«​
Goblin Slayer stellte sich ihr in den Weg. Wütend starrte die Bogenschützin ihn an. Es war klar, dass sie sich nicht so einfach beruhigen lassen würde.​
»Orcbolg! Sie wollte uns begleiten, um uns zu helfen! Nicht, um ...«​
»Ich habe gesagt, du sollst dich beruhigen.«​
Kopfschüttelnd schnappte der Krieger sich die Leiche des Goblin Klerikers und warf sie zu dem Kadaver des anderen Goblins.​
»Du.«​
»J... Ja!«​
Die Priesterin fuhr erschrocken hoch, als sie bemerkte, dass Goblin Slayer sie angesprochen hatte.​
Der Krieger klopfte an die Seite seines Helms.​
»Verarzte erst dich selbst und dann versorge sie bitte. Wer weiß, was sonst mit ihren Händen passiert.«​
»Mit einem Heiltrank?«​
»Versuch es zuerst mit Heilkräutern.«​
»Jawohl.«​
Die Priesterin ging zur Fechterin und begann ihre Arbeit.​
Auch wenn Heilkräuter nicht so wirksam wie Heiltränke waren, war auf sie Verlass.​
Nachdem er dem Mädchen kurz zugeschaut hatte, wandte Goblin Slayer sich seinen anderen Kameraden zu.​
»Es tut mir leid, aber könnte jemand von euch nachschauen, ob es unter den Gefangenen noch Überlebende gibt?«​
»Alles klar«, erwiderte der Zwerg.​
»Schuppiger, komm mit.​
Ich kann deine Hilfe sicher gebrauchen.«​
»Ha ha ha, ihr Magiewirker seid schließlich nicht für eure Muskelkraft bekannt. Ich helfe dir gern.«​
Dieser Versuch eines Scherzes zeigte, dass der Echsenmensch nicht verstanden hatte, dass Humor in der aktuellen Lage nicht angebracht war. »Dürfen wir Verletzte heilen, wenn wir welche finden?«​
»Spart euch eure Zauber auf«, antwortete Goblin Slayer.​
»Die überlebenden werden uns im kommenden Kampf sicher keine Hilfe sein.«​
»Verstanden.«​
Der Mönch legte seine Hände auf seltsame Art zusammen und wandte sich der Waldläuferin zu.​
»Ich verstehe, wie du dich fühlst, aber jetzt ist nicht die Zeit, um sich solchen Gefühlen hinzugeben.«​
»Trotzdem glaube ich nicht, dass wir ihr vergeben sollten, nur weil wir gerade keine andere Wahl haben ...«, antwortete die Elfe darauf und blies schmollend ihre Wangen auf.​
Goblin Slayer entschied sich, nicht weiter auf dieses Thema einzugehen, und dachte über die andere wichtige Frage nach, die ihn quälte: Wenn die Goblins keine Frauen aus dem Dorf entführt hatten, das seine Gruppe mit der Goblin Jagd beauftragt hatte, woher kamen diese Frauen dann? Der Krieger stöhnte. Die Antwort war offensichtlich: Sie hatten auch andere Gebiete angegriffen.​
»Das gefällt mir gar nicht ...«​
»Mir auch nicht«, antwortete die Elfe auf die Aussage ihres Kameraden. »Warum haben wir dieses Mädchen mitgenommen?«​
»Weil es nötig war«, gab Goblin Slayer emotionslos zurück.​
»Nötig? Das Einzige, was gerade nötig ist, ist, dass jemand ihr den Hintern versohlt.«​
»Jetzt können wir nichts mehr daran ändern. Wir sind in der Festung und müssen die Goblins besiegen. Entweder siegen wir oder wir verlieren.«​
»Ja, das weiß ich, aber ...«​
»Ich versteh schon ... Oder ich versuche es ...«​
Goblin Slayers Stimme klang seltsam erschöpft.​
Die Bogenschützin wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Sie wollte irgendetwas sagen, weshalb ihre Lippen sich leicht bewegten, doch es kamen keine Worte heraus. Da sie still blieb, erhob der Krieger wieder seine Stimme:​
»Ich halte Wache. Nachdem die Gefangenen kontrolliert und verarztet sind, rüstet ihr euch aus.«​
»Hier?«​
»Genau. In eurer derzeitigen Kleidung werdet ihr nicht kämpfen können.«​
Die Waldläuferin stöhnte. »Ich frage noch mal ... Wirklich hier?«​
»Genau.«​
»Wir sollen uns umziehen?«​
»Genau.«​
Hach. Unfassbar, der Kerl, dachte sich die Elfe.​
»Also ... Elfen besitzen ein gewisses Maß an Eleganz und...«​
»Wenn es dich stört, spann halt eine Decke auf.«​
»Wa... Was?! Ach, Mensch!«​
Goblin Slayer nahm sich die Decke, die er zuvor den Frauen in den Käfig gereicht hatte, und warf sie der Elfe über den Kopf. Diese merkte, wie sich die Wut in ihrem Bauch auflöste. Weil der Krieger sich längst abgewandt hatte, hüllte sie sich in die Decke und befestigte sie um ihren Hals. Dann begann sie, sich darunter umzuziehen. Sie empfand es ein wenig erniedrigend und beeilte sich, ihre typische Jagdkleidung anzuziehen. Als sie fertig war, verstand sie nicht mehr, warum sie überhaupt so wütend auf die Fechterin gewesen war. Wenn Goblin Slayer sich ihr gegenüber komisch verhielt, regte sie sich doch auch nicht auf.​
»Hm ...«​
Sie dachte darüber nach, doch konnte es sich nicht erklären. Goblin Slayer und die Fechterin waren halt jeder etwas anderes für sie. Doch inwiefern? Woran war das festzumachen? Die Gedanken der Waldläuferin begannen zu kreiseln und erzeugten einen Strudel. Doch anstatt sie zu einer Antwort zu führen, brachte dieser sie nur zu einem Wort: Goblins. Goblins, Goblins, Goblins, Goblins. Plötzlich war ihr Kopf voll von Goblins.​
»Ach, verdammt. Das ist nicht gut!«​
Sie klatschte sich auf die Wangen. Sie hatte keine Antworten auf ihre Fragen gefunden, doch sie wusste, dass sie etwas tun musste. Sie schaute zu Goblin Slayer, der die Tür zum Kerker im Blick behielt, während er seine Ausrüstung überprüfte.​
»Tut mir leid, Orcbolg. Das Ganze ist mir zu Kopf gestiegen.«​
»Das passiert schon mal«, antwortete der Krieger kurz angebunden.​
Seine Worte waren wie immer emotionslos und die Elfe konnte ein Grinsen nicht unterdrücken.​
»Dir etwa auch, Orcbolg?«​
»Ja.«​
»Den Eindruck erweckst du aber nicht.«​
»Ist das so?«​
»Ja.«​
»Ach so.«​
Goblin Slayer ließ seinen Blick durch den Raum wandern.​
»Soll ich den anderen sagen, dass es dir leidtut?«​
Die Bogenschützin streckte einen Arm unter der Decke heraus und machte mit der Hand ein Zeichen, dass es okay sei,​
»Hm, ich werde es ihnen selbst sagen ... Aber danke, du bist überraschend rücksichtsvoll, Orcbolg.«​
Sie machte sich daran, sich aus der Decke zu befreien und während ihr Kopf verdeckt war, ließ sie ein Grinsen über ihr Gesicht huschen.​
»Ist das so?«, brummte Goblin Slayer.​
»Wie dem auch sei, beeil dich. Die anderen müssen sich auch umziehen.«​
»Ja, ja.«​
Sie konnte sein Gesicht unter dem Helm nicht erkennen, aber sie konnte es sich vorstellen und das reichte ihr.​
»Niemand da.«​
»Gut.«​
Die Waldläuferin hatte ihren Kopf aus der Tür gesteckt und den Gang inspiziert. Nachdem sie grünes Licht gegeben hatte, verließ die Gruppe das Verlies. Auch wenn die Luft hier immer noch nicht wirklich angenehm war, war sie um einiges besser als im Kerker, weshalb die Priesterin erst einmal tief durchatmete und dann murmelte:​
»Ist es wirklich in Ordnung, dass wir sie dort zurücklassen?«​
»Es ist sicherer für sie, als sie mitzuschleppen«, antwortete der Echsenmensch, der am Ende der Kampfformation ging.​
Sie hatten herausgefunden, dass einige der Frauen im Kerker noch am Leben waren. Nachdem die Abenteurer sie notdürftig versorgt hatten, hatten sie sie mit dem Versprechen zurückgelassen, dass sie zurückkommen würden.​
»Wir müssen möglichst schnell zurückgehen und sie von hier wegschaffen.«​
»Ja, aber jetzt haben wir erst einmal ein anderes Problem, um das wir uns kümmern müssen«, gab der Zwerg leise zurück, während er die Steinwände untersuchte.​
Da es sich um eine Zwergenfestung handelte, hatte er die Führung übernommen.​
»Hey, Bartschneider. Wo wollen wir als Erstes hin? Zum zentralen Burgturm?«​
»Nein.«​
Goblin Slayer schüttelte den Kopf. »Es ist noch zu früh, um den gegnerischen Anführer anzugreifen.«​
Die nüchternen Worte des Kriegers sorgten dafür, dass die Fechterin am ganzen Körper zitterte. Damit es keine Wiederholung des Zwischenfalls im Kerker gab, ging sie an der Seite der Priesterin. Sie sprach kein Wort und reagierte selbst dann nicht, als die Elfe sich bei ihr entschuldigte. Erst als der Zwerg sie nach ihrem Dolch frage, antwortete sie:​
»Er ist aus Aluminium. Er ist mit roten Juwelen verziert und wurde mit einem Donnerhammer geschmiedet.«​
»Aluminium? Noch nie davon gehört. Willst du ihn mir nicht mal zeigen?«​
Anstatt dem Zwerg zu antworten, warf sie ihm nur einen abweisenden Blick zu, woraufhin er mit den Schultern zuckte.​
Goblin Slayer brummte:​
»Zuerst sollten wir uns zum Lager begeben.«​
»Zur Waffenkammer oder zur Speisekammer?«​
»Zuerst zu den Waffen, dann zu ihrer Nahrung.«​
»Dann müssen wir hier entlang.«​
Die Gruppe bewegte sich nahezu lautlos durch die Gänge der Festung. Da keiner von ihnen schwere Rüstung trug, waren nur ihre leisen Schritte zu hören. Während sie weitergingen, suchten sie fleißig die Umgebung nach Fallen ab und behielten alles im Blick, um nicht plötzlich von Goblins überfallen zu werden.​
»Es kommt jemand«, sagte die Elfe mit wackelnden Ohren.​
Sie blieb stehen, ging in die Hocke und spannte einen Pfeil in ihren Bogen. Sie zielte auf die Ecke direkt vor ihnen. Goblin Slayer zog nahezu geräuschlos sein Schwert und positionierte sich vor dem Zwerg, der in seiner Tasche nach Katalysatoren kramte. Die Priesterin festigte ihren Griff um ihren Stab und die Fechterin knirschte mit den Zähnen, während der Echsenmensch darauf achtete, dass sich ihnen niemand von hinten näherte. Sofort als zwei nichtsahnende Goblins ihr Sichtfeld betraten, ließ die Waldläuferin den ersten Pfeil von ihrer Sehne schnellen. Das Geschoss bohrte sich durch die Augenhöhle einer der Bestien und nagelte sie förmlich an die Wand.​
»GROOAB?!«, schrie der andere Goblin.​
Direkt darauf bohrte sich Goblins Slayers Klinge durch seine Kehle.​
»Wir müssen die Leichen verstecken.«​
»Wäre es dann nicht besser gewesen, wenn wir uns versteckt und sie nicht getötet hätten? Dann müssten wir uns jetzt kein Versteck für die Leichen überlegen.«​
»Das ist immer noch besser, als wenn sie uns bemerkt hätten und es Kampflärm gegeben hätte.«​
Ohne weiter darüber zu diskutieren, ging Goblin Slayer an die toten Goblins heran und zog sein Schwert und den Pfeil aus ihnen heraus. Den Pfeil warf er der Elfe zu, die ihn angewidert schüttelte, um das Blut von ihm zu entfernen. Tierblut hätte sie nicht gestört, doch das von Goblins empfand sie als widerlich.​
»Wie viele Zauber und Wunder habt ihr übrig?«, fragte Goblin Slayer und schaute die Magiewirker der Gruppe an.​
»Ähm ...«​
Die Priesterin dachte nach.​
»Ich habe noch keins verwendet, daher habe ich noch drei. Die anderen beiden haben jeweils einmal etwas gewirkt, also haben sie auch beide noch drei übrig. Insgesamt sind es also neun.«​
»Vergiss nicht unseren Gast«, sagte der Zwerg und zeigte auf die Fechterin.​
»Zwei«, murmelte diese geistesabwesend.​
Die Priesterin wusste nicht, was sie darauf antworten sollte.​
Das Verhalten der Fechterin erinnerte sie an das der unerzogenen Kinder im Tempel, doch natürlich würde sie mit ihr nicht so umspringen können wie mit ihnen.​
»Insgesamt haben wir dann also noch elf.«​
»Da wir noch so viele zur Verfügung haben, können wir ruhig einige einsetzen, nicht wahr, werter Goblintöter?«​
»Nein, lasst uns lieber von neun ausgehen«, entgegnete der Krieger dem Echsenmenschen.​
»Was? Wieso das?«​
»Die zwei Blitzschläge sollten wir uns aufheben.«​
Die Fechterin zuckte und richtete ihren bisher leeren Blick auf Goblin Slayer. »Ich darf also Goblins töten?«​
»Wenn es gut läuft, ja.«​
»Aber vorher müssen wir irgendwas wegen denen hier unternehmen, oder?«​
Die Elfe tippte eine der zwei Goblin Leichen mit einem Pfeil an. Trotz der Kälte trugen sie nur Felle um ihre Hüften und ihre Beine. Als Waffen hatten sie krude Kurzspeere bei sich.​
»Weißt du, wie?«, fragte Goblin Slayer, während er seine Tasche durchwühlte, um seine Hilfsmittel zu überprüfen.​
»Du meinst, ob ich eine Idee habe? Hm ... Ah!«​
Die Ohren der Elfe stellten sich auf.​
»Zwerg, gib mir deinen Alkohol.«​
»Oho.« Der Zwerg begann zu grinsen.​
»Was denn, Langohr? Ist dir was eingefallen?«​
»Gib einfach her.«​
»Ja ja, aber trink nicht alles aus.«​
»Ich werde gar nichts trinken.«​
Mit einem Plopp zog sie den Stöpsel aus der Flasche, die der Zwerg ihr gereicht hatte. Der brennende Geruch, der ihr daraufhin in die Nase stieg, sorgte dafür, dass sie ihr Gesicht verzog. Dann begann sie, den Inhalt des Gefäßes auf dem Boden zu verteilen.​
»Ah?!«, hauchte der Zwerg, doch seinem Gesicht war anzusehen, dass er eigentlich schreien wollte.​
Er hastete zur Elfe und sprang hoch, als wolle er sie am Kragen packen. »Was machst du da, Amboss-Weib?!«​
»Ich brauche ihn halt. Reg dich nicht auf.«​
»Wie bitte?! Mein Alkohol ...!«​
»Ich verstehe.«​
Goblin Slayer setzte sich in Bewegung. Mit einem Lumpen wischte er die Blutflecke weg und setzte die Goblin Leichen auf, um sie an die Wand zu lehnen. Dann sorgte er dafür, dass ihre Wunden nicht sofort zu sehen waren. Zum Abschluss verpasste er den beiden Speeren einen Tritt, damit sie neben die Kadaver rollten.​
»Ngh!«​
»Entspann dich, Zwerg. Ich gebe dir später einen aus.«​
Die Elfe schien zufrieden mit ihrer Idee zu sein. Sie kniff kurz ihre Augen zusammen und stellte dann die leere Flasche neben die Goblins.​
Die Priesterin nickte verständnisvoll.​
»Stimmt, sich während der Arbeit zu betrinken, passt zu Goblins.«​
»Genau so ist es«, stimmte die Waldläuferin ihr zu.​
Die Goblins sahen auf den ersten Blick so aus, als wären sie einfach nur betrunken zusammengebrochen, und der Blutgeruch wurde von dem stechenden Geruch des Alkohols überdeckt.​
»Wenn man sie nicht verstecken kann, dann muss man sie eben eins mit ihrem Umfeld werden lassen.«​
»Aber mein guter Alkohol ...«​
Der Zwerg schaute vollkommen niedergeschlagen auf die Pfütze zu seinen Füßen. Der Echsenmensch klopfte ihm aufmunternd auf den Rücken und sagte:​
»Komm schon. Auch ich werde dir später einen ausgeben. Auf den Geistesblitz der werten Waldläuferin sollten wir anstoßen. Nicht wahr, werter Goblintöter?«​
»Ja«, antwortete Goblin Slayer auf den Zuruf.​
»Auch ich werde einen ausgeben.«​
Bei so vielen Angeboten zum Picheln konnte der Zwerg nicht länger grummelig bleiben.​
»Na gut, wenn das so ist.«​
»Aber jetzt müssen wir uns um die Goblins kümmern. Wo ist das Waffenlager?«​
»Hier entlang«s entgegnete der Schamane und winkte seinen Kameraden zu.​
»Hi hi hi ...«​
Die Elfe kicherte leise, was dem Zwerg nicht entging.​
»Langohr, wenn wir erst wieder in einer Schenke sitzen, werde ich so viel saufen, dass dein Geldbeutel Magersucht bekommt«​
»Schon gut, ich werde dafür sorgen, dass du genügend zu trinken kriegst.«​
Die Priesterin beobachtete die beiden vergnügt dabei, wie sie sich leise zankten. Im Kerker war die Elfe noch völlig außer sich gewesen, doch jetzt war sie wieder die Alte.​
Was für ein Glück, dachte die Priesterin und ging in die Knie.​
Sie festigte den Griff um ihren Stab und schloss ihre Augen.​
»Was machst du da?« Die leise Stimme der Fechterin unterbrach sie in ihrem Gebet.​
»Also ... Nun ja ...«, erwiderte sie verlegen. »Ich spreche ein einfaches Gebet für die Toten.«​
Die Adlige umschloss mit ihren Händen einen Arm der Priesterin, als wollte sie sie auf die Beine ziehen. »Das ist nicht nötig ...«​
»Wie? Aber ...«​
Die Priesterin wollte protestieren, dass alle Wesen nach dem Tod gleich waren, doch noch bevor sie diese Worte aussprechen konnte, hatte die Adlige der einen Goblin Leiche schon einen äußerst groben Tritt verpasst. Diese kippte langsam zur Seite um.​
»Für diese elendigen Biester sollte man ...«​
»Wir gehen.«​
Die Adlige wurde von einer festen Stimme unterbrochen. Die Priesterin neben ihr sah, dass der Rest der Gruppe im Begriff war weiterzugehen. Sie hatten alle nur darauf gewartet, dass sie ihr Gebet beendete.​
»Ja ... Wir kommen sofort.«​
Schnell machte sich das Mädchen daran, ein Gebet für das Seelenheil der verstorbenen Wesen zu sprechen. Dann stand sie auf, klopfte sich den Dreck von ihren Knien und wandte sich mit einem Lächeln der Fechterin zu.​
»Komm, lass uns weitergehen.«​
Ohne etwas zu erwidern, drehte die Adlige sich um und folgte den anderen Abenteurern. Die Priesterin richtete ihren Blick auf Goblin Slayer.​
»Ob sie mich wohl hasst?«​
»Keine Ahnung.«​
Goblin Slayer schüttelte seinen Kopf.​
»Möchtest du denn mit ihr befreundet sein?«​
»Hm ...«​
Nachdenklich legte das Mädchen ihren Zeigefinger an ihre Lippen. Sie war sich sicher, dass sie die Fechterin nicht im Stich lassen wollte. Es war ähnlich wie mit dem Mann vor ihr. Sie musste grinsen.​
»Ja, vielleicht schon.«​
»Ach so. Dann solltest du das machen.«​
Nach dieser kurzen Aussage drehte Goblin Slayer sich um und ging los.​
»Ja«, antwortete die Priesterin und folgte ihm.​
Weiter hinten im Korridor wartete der Rest der Gruppe auf die beiden und dort befand sich auch die Waffenkammer.​
***
Selbst Goblins waren intelligent genug, Türen abzuschließen, weshalb die Abenteurer sich nun vor einer verriegelten Tür wiederfanden. Da die Goblins zu klein waren, um die schwere Eisentür zu öffnen, befand sich ein kleiner Tritt in Griffweite.​
»Gut, dann bist du jetzt dran.«​
»Ja, ich werde es versuchen, aber ich kann nichts versprechen.«​
Die Elfe ging zu der Tür und strich mit ihrem Pfeil darüber.​
Nachdem sie so festgestellt hatte, dass es nicht gefährlich war, noch näher an sie heranzugehen, legte sie ihr Ohr an eben jene, um nach Geräuschen zu lauschen. Sie hörte nichts, noch nicht einmal Ratten - was sie bei dem ganzen Dreck wirklich wunderte. Vielleicht waren sie ein willkommener Snack für die Goblins, doch darüber wollte sie lieber nicht weiter nachdenken.​
»Ich glaube, es ist niemand in dem Raum.«​
»Dann mach die Tür auf«, antwortete Goblin Slayer.​
»Zerstör sie, wenn nötig.«​
Der Echsenmensch nickte schwerfällig. Er hatte die Hände auf seltsame Weise zusammengelegt und hielt einen Drachenzahn zwischen den Fingern, den er wohl als Katalysator verwendete.​
»Aber wirklich nur im Notfall, werte Waldläuferin. Es wäre problematisch, wenn wir hier von Goblins bedrängt werden würden.«​
Goblin Slayer, der Zwerg und der Echsenmensch bildeten einen schützenden Halbkreis um die Priesterin, die Fechterin und die Elfe, die einen kleinen nadelartigen Zweig aus ihrer Tasche zog. Sie steckte ihn in das Schlüsselloch und begann, feine Handbewegungen zu machen, die auf ein geübtes Auge wahrscheinlich ungeschickt gewirkt hätten. Schließlich war sie eine Waldläuferin und keine Diebin oder Späherin. Sie hatte sich aus Langeweile von Abenteurern aus der Stadt beibringen lassen, wie man leichte Fallen entschärfen oder Schlösser knacken konnte, aber wirklich erfahren war sie darin nicht.​
»Das hier ist nicht ganz ohne. Das wisst ihr, oder?«​
Sie fuhr sich mit ihrer Zunge über die Lippen und schielte kurz zur Seite. »Wenn ihr so direkt neben mir steht, könntet ihr in Mitleidenschaft gezogen werden, falls ich eine Falle auslöse.«​
»Aber wenn ich an deiner Seite bin, kann ich dich auch sofort versorgen.«​
Mit einem breiten Grinsen kniete sich die Priesterin neben ihre Kameradin. Sie hielt ihren Stab bereit, um jederzeit ein Gebet sprechen zu können.​
»Leider beherrsche ich noch nicht die Wunder Vorhersehung oder Glück.«​
Einerseits machte die Priesterin sich Sorgen um die Elfe und andererseits ärgerte sie sich ein wenig über ihre eigene Machtlosigkeit.​
»Daran kann man nichts ändern. Wunder werden einem doch von den Göttern gewährt. Allerdings könnten wir einen richtigen Späher gebrauchen ...«​
»Aber du findest doch immer alle Fallen für uns und knackst auch die Schlösser.«​
Diese Worte gaben der Elfe das Gefühl, dass der Rest der Gruppe sich auf sie verließ, was ihre Ohren vor Freude wackeln ließ. Dann konzentrierte sie sich wieder sich auf die Aufgabe vor ihr. Zwar waren die Goblins nicht intelligent genug, um sich extravagante Fallen auszudenken, aber die Zwerge, die diese Festung errichtet hatten, waren es definitiv gewesen. Säure, die aus dem Schlüsselloch schoss, oder ein plötzlich brennender Türknauf waren dabei noch ungefährlichere Varianten. Im schlimmsten Falle könnte die Waldläuferin mit einem schrecklichen Fluch belegt werden und all ihre Erinnerungen verlieren. Die Elfe warf der Fechterin, die geistesabwesend in die Gegend starrte, einen kurzen Blick zu. Sie fragte sich, ob sie in Ordnung war, auch wenn sie die Antwort eigentlich wusste. Sie konnte sich gar nicht vorstellen, was sie in der Gefangenschaft der Goblins für fürchterliche Erfahrungen gemacht haben musste. Allein, dass sie noch einigermaßen bei Verstand war, war ein Geschenk des Himmels, doch ... Ach, verdammt. Nein, nein. Konzentration. Konzentration. Die Elfe biss sich fest auf die Unterlippe und richtete ihre Aufmerksamkeit auf den Zweig und das Schloss. Nach einer Weile gab es ein Pling, als wäre etwas aus der Haltung gesprungen, und mit einem Klacken öffnete sich das Schloss.​
»Puh ... Es ist offen.«​
»Gut gemacht«, lobte Goblin Slayer sie und gab der Tür einen Tritt.​
Sie flog krachend auf, doch sonst passierte nichts. Der Echsenmensch betrat als Erster den Raum und sagte:​
»Er scheint in Ordnung zu sein, oder?«​
»Ja, ich hab euch doch gesagt, dass dahinter nichts ist.«​
»Langohr, du hast aber gerade auch noch gesagt, dass du nichts versprechen kannst.«​
Direkt nach der Elfe betrat der Zwerg den Raum. Während Goblin Slayer weiter den Korridor im Auge behielt, gingen auch die Priesterin und die Fechterin hinein.​
»Ach, Licht. Ich mache eine Fackel an.«​
»Bitte.«​
Die Priesterin zog eine Fackel aus ihrem Gepäck und entzündete sie geschickt. Seitdem die Gruppe die Festung betreten hatte, war einige Zeit vergangen und mittlerweile war es dunkel geworden. Eisiger Wind peitschte an die gewaltigen Mauern des Steinbaus und aufgrund des starken Schneefalls konnte das Licht der Sterne nicht zu der Festung durchdringen. Goblins störte das nicht, weil sie im Dunkeln sehen konnten, doch den Menschen der Abenteurergruppe machte dieser Umstand zu schaffen. Nachdem die Priesterin die Fackel entzündet hatte, seufzte sie kurz und sagte:​
»Gut. Ich bin fertig ...«​
Dann drehte sie sich zur Fechterin um und fragte:​
»Dürfte ich dich darum bitten?«​
»U... Um was denn?«​
»Könntest du vielleicht die Fackel halten?«​
Anstatt auf eine Antwort zu warten, drückte das Mädchen der Fechterin einfach die Fackel in die Hand. Beim Anblick der tanzenden Flamme schaute die Adlige ein wenig beschämt. Nachdem sie sich kurz gesammelt hatte, sagte sie nur:​
»In Ordnung ...«​
Goblin Slayer, der als Letzter den Raum betrat, stellte sich neben die Priesterin und fragte sie:​
»Warum lässt du sie die Fackel tragen?«​
»Ich dachte, dass es vielleicht eine gute Idee sei.« S​
eine Frage hätte auf viele wahrscheinlich harsch gewirkt, doch das Mädchen beantwortete sie in lockerem Ton. Sie wusste, dass er nicht sauer war. »Glaubst du nicht, dass es besser ist, wenn sie etwas zu tun hat?«​
»Das mag sein.«​
Wenn man plötzlich in ein neues Umfeld geworfen wurde und alle außer einem selbst eine Aufgabe hatten, dann tendierte man dazu, einfach nur wie gelähmt dazustehen. Das wusste die Priesterin selbst nur zu gut, denn so war es ihr damals ergangen, als sie neu im Tempel gewesen war. Sie war dort als Findelkind groß geworden.​
»Goblin Slayer, hast du es nicht bemerkt?«​
»Was denn?«​
»Als sie die Fackel bekam, wirkte sie etwas beschämt.«​
»Ist das so?«, sagte der Krieger.​
Er schloss die Tür und ging tiefer in den Raum hinein. Der Zwerg kam sofort herbeigeeilt und hämmerte mit einem kleinen Hammer geschickt Keile hinter die Scharniere der Tür.​
»Normalerweise würde man die Tür offen stehen lassen, aber​
wir befinden uns nun mal direkt unter Goblins.«​
»In der Tat. Wenn der Feind uns in diesem Raum umzingeln würde, wäre das unser Ende.«​
»Ha ha ha ha ha«, folgte ein trockenes Lachen, das sowohl vom Echsenmenschen als auch vom Zwerg kommen konnte.​
»Jetzt hört schon auf«, beschwerte sich die Elfe, während die Priesterin sich verlegen an der Wange kratzte.​
Goblin Slayer und die Fechterin hingegen schwiegen. Sie hielt die Fackel in die Höhe und der Krieger untersuchte die Gegenstände, die im Raum gelagert wurden.​
»Das hier mag eine Waffenkammer sein, aber ich hatte etwas anderes erwartet.«​
Der Krieger zog aus einem Fass eine krude Spitzhacke hervor, die erhebliche Gebrauchsspuren zeigte. Auch jede Menge weitere Werkzeuge, die zum Graben benötigt wurden, lagen in dem Raum herum.​
»Ja, aber es ist doch normal, dass Goblins Löcher graben, oder nicht?«, fragte die Elfe skeptisch, während sie aufmerksam lauschte, ob sich jemand der Waffenkammer näherte.​
»Haben sie vielleicht versucht, irgendetwas auszugraben?«, mutmaßte der Echsenmensch und griff sich einen der herumstehenden kleinen Speere.​
»Es kann aber auch sein, dass sie ihr Nest erweitern wollten.«​
»Nun ja ... Dies war eine Festung der Zwerge. Von daher ist es gut möglich, dass es in der Nähe Erzvorkommen gibt«, gab der Zwerg seine Meinung dazu.​
Goblin Slayer stieß ein Brummen aus.​
»Aber können Goblins Schwerter schmieden?«​
Seine Frage war berechtigt. Eigentlich konnten Goblins solche Aufgaben nicht erledigen, ohne dass es ihnen jemand beigebracht hatte, aber da selbst Goblin Slayer nicht wusste, wozu ein Goblin Paladin fähig war, konnte er seine eigene Frage nicht beantworten. Und wenn er es nicht konnte, wer dann?​
»Auf jeden Fall ...«​
Die Priesterin unterbrach die nachdenkliche Stille.​
»Auf jeden Fall planen die Goblins irgendetwas und deswegen müssen wir uns um sie kümmern.«​
Auf die entschlossenen Worte der Priesterin nickte sich der Rest der Gruppe zu.​
»Wir müssen irgendetwas wegen dieses Werkzeugs und der Waffen machen ...«​
»Überlasst das ruhig mir. Ich habe eine Idee.« Der Echsenmensch verstreute die Fangzähne auf dem Boden, formte ein mysteriöses Symbol mit den Fingern und legte die Hände zusammen. Der Zwerg wandte sich währenddessen an die Fechterin und sagte:​
»Hey, Mädchen.«​
Die Adlige zitterte kurz, weil sie so direkt angesprochen worden war, doch starrte dann unbeeindruckt in das Gesicht des Zwergs. Dieser fuhr sich kurz durch seinen Bart und brummte kurz. Dann nickte er in Richtung einiger Waffen.​
»Hilf mir. Wir werden ein paar von den Waffen mitnehmen. Bartschneider verschwendet mit seinem Kampfstil so einiges an Utensilien und du hast nur diesen Dolch dabei.«​
»Hmpf, ich versuche, sie angemessen einzusetzen«, grummelte Goblin Slayer.​
Weil seine Antwort geklungen hatte, als würde er schmollen, musste die Priesterin kichern.​
Die Fechterin befolgte die Anweisung des Zwerges und sammelte alle möglichen Arten von Waffen ein: Schwerter, Speere, Knüppel ... Als sie sich jedoch zu einem Goblin Brustpanzer herabbeugte, sagte der Schamane zu ihr:​
»Ich glaube nicht, dass der dir passen wird.«​
Die Elfe musterte den Vorbau der Adligen und schnaufte.​
»Vielleicht muss sie die Dinger einfach nur rein pressen. Dann geht das schon.«​
»Was für einen Schwachsinn redest du denn da, Langohr?! Natürlich verstehst du das mit deiner Amboss-Brust nicht, aber eine schlecht sitzende Rüstung ist eigentlich schlimmer als überhaupt keine Rüstung.«​
»Was soll das mit dem Amboss denn jetzt schon wieder?!«​
Der Zwerg ignorierte die Einwände der Elfe und musterte die Fechterin von oben bis unten. Sie konnte sowohl Magie wirken als auch mit Waffen umgehen. Sie trug leichte Kleidung, die sie in ihrer Beweglichkeit nicht behinderte, allerdings war sie nur mit einem Dolch bewaffnet.​
»Wie wäre es, wenn du dir erst einmal ein Schwert nimmst?«​
Fast als hätte der Zwerg sie beleidigt, nahm die Adlige einen Schritt Abstand. Leise antwortete sie:​
»Nein ... Waffen ... Waffen brauche ich nicht ·..​
Es schwang ein gewisser Zorn in ihren Worten mit, der sich in ihrem Gesichtsausdruck widerspiegelte. Der Zwerg reagierte zuerst verwundert, um dann ein breites Grinsen aufzusetzen - so als hätte er gerade eine wohlschmeckende Mahlzeit zu sich genommen.​
»Ach so! Du magst also keine Ausrüstung! In Ordnung! Das ist der Beginn einer langen Freundschaft!« Plötzlich war es die Fechterin, die überrascht war. Der Zwerg redete einfach weiter. »Du solltest mir aber schon immer ganz direkt sagen, was du mitteilen möchtest. Willst du nicht wenigstens einen Mantel oder so umlegen?«​
Der Schamane wühlte sich durch alle möglichen Haufen von Ausrüstung, die die Goblins gestohlen hatten. Lederne Mäntel, mit Eisenplatten verstärkte Handschuhe ... Nein, er wollte zumindest, dass sie einen dünnen Kopfschutz trug ... Die Adlige beobachtete den Zwerg bei seinem Treiben und ließ ihn einfach machen. Nach und nach probierte er alle möglichen Ausrüstungsstücke an ihr aus.​
»Ähm, übertreibst du es nicht ein wenig?«, mischte sich die Priesterin in das Geschehen ein.​
Sie verhielt sich ähnlich wie eine große Schwester ... Eigentlich genau so. Sie stützte einen Arm in die Hüfte und wedelte mit dem Zeigefinger.​
»So geht das nicht. Merkst du nicht, dass du sie in Verlegenheit bringst?«​
»Hm«, brummte der Zwerg und wandte sich der Adligen zu.​
»Mach ich dich etwa verlegen?«​
»Ein wenig ...«, antwortete sie mit abgewandtem Blick.​
»Siehst du?«, versuchte die Priesterin in schimpfendem Ton zu sagen, doch ihr Grinsen stahl der Aussage ihren Nachdruck.​
»Oh, tut mir leid! Entschuldige bitte!«, entgegnete der Zwerg, doch auch er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.​
»Nichtsdestotrotz musst du sagen, was du willst und was nicht. Es reicht schon, dass Bartschneider so kurz angebunden ist.«​
»Anscheinend ist er doch nicht so ein großer Sonderling wie wir dachten, was?«​
Die Elfe kicherte.​
»>Ist das so?> >Ach so.< >Goblins>.«​
Goblin Slayer stand in einer Ecke an die Wand gelehnt und warf der Waldläuferin einen Blick zu, den sie nur beantwortete, indem sie leicht ihre Augen zusammenkniff.​
»Nun ja, Goblin Slayer ist nun einmal Goblin Slayer«, meinte die Priesterin.​
»Ist das so?«​
Die Gruppe begann lautstark zu lachen. Es war keine schlechte Sache, dass sie dazu noch fähig waren, obwohl sie sich gerade auf einem äußerst gefährlichen Abenteuer befanden. Auch wenn Goblin Slayer das normalerweise nicht zugeben würde, war das seine Sicht der Dinge. Wenn es nötig war, ernst zu sein, um einen Sieg zu erringen, dann würde er das sein. Wenn es aber auch in Ordnung war, das Ganze ein wenig entspannter anzugehen, dann hatte er auch nichts dagegen.​
»Nun gut.« ,​
Der Echsenmensch beendete die scherzhafte Unterhaltung und schlug mit dem Schwanz auf den Boden.​
»Darf ich nun?«​
»Ja, es kann losgehen, Schuppiger.«​
»Hm.«​
Mit einer schweren, würdevollen Bewegung legte dieser daraufhin seine Hände mysteriös zusammen.​
»Oh, Ahnen, die ihr in der Kreideschicht schlummert. Nehmt mit der Zeit, die auf euch lastet, diese Dinge auf eurem Weg mit.«​
Augenblicklich begannen die Zähne, die als Katalysator auf dem Boden lagen, blubbernd zu verdampfen und die Waffen und Ausrüstungstücke, die mit dem Dampf in Berührung kamen, rosteten und zerfielen.​
»Wow ...«​
Die Priesterin hatte schon einmal von diesem Wunder gehört.​
»Ist das Rost?«​
»Oho, du kennst dieses Wunder also?« Der Echsenmensch nickte anerkennend.​
»Da Verwitterung zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde, habe ich mich für diesen Weg entschieden.«​
»Hat es denn irgendeine Wirkung auf uns?«​
»Nein, keine Sorge. Generell ist dies auch kein Wunder, dass sinnvoll während des Kampfes eingesetzt werden kann.«​
Beruhigt fuhr sich die Priesterin über ihre Kleidung, unter der sie ihr Kettenhemd trug. Es war ihr sehr wichtig und obwohl sie wusste, dass es ein Verbrauchsgegenstand war, wollte sie es nur ungern verlieren.​
»Sowieso muss das Wunder gut vorbereitet werden, um seine wahre Wirkung zu entfalten«, erklärte der Mönch weiter, während er stolz mit seinem Schwanz wedelte.​
»Nun gut. Wir haben die Gefangenen im Kerker befreit und die Ausrüstung der Goblins vernichtet. Bis jetzt läuft alles gut, nicht wahr, werter Goblintöter?«​
»Ja ...«​
Goblin Slayer nickte langsam und holte einen Wasserbeutel aus seiner Tasche hervor. Er zog den Stöpsel heraus und nahm einen ordentlichen Schluck durch seinen Helm.​
»Aber lasst euch das nicht zu Kopf steigen. Wir wissen nicht, was noch passieren kann.«​
Natürlich waren seine Kameraden sich dieser Tatsache bewusst. Das Schicksal aller wurde durch die Würfel der Götter bestimmt und gerade weil so viele unvorhergesehene Dinge passieren konnten, war es ein Abenteuer.​


Nach Oben
 

Edward Teach

Anime-Pirat
VIP
Kapitel 47
Die Krone der Goblins


Der Klang von Hörnern schallte in ohrenbetäubender Lautstärke durch die Festung. Da sie von Goblins geblasen wurden, klang es für die meisten Lebewesen nach nichts weiter als Krach, aber für die Biester selbst war dies wahrscheinlich triumphale Musik. Die Hörner wurden begleitet von Trommeln, die aus Knochen und Fellen gefertigt waren. Die musizierenden Goblins trugen farbige Lumpen, die aus den Fetzen von Kleidungsstücken ihrer Opfer bestanden. Nach und nach versammelten sich die Bewohner der Festung​
im Innenhof.​
»ORARG!« »GORRB!!« »GROOOB!!«​
Sie schrien aus vollem Halse, während ihnen der Speichel aus den Mäulern tropfte. Sie waren voller Spott, Hass, Zorn, Neid und Gier. Sie hassten die sprechenden Völker für all das, was sie besaßen, und sie wollten ihnen alles nehmen, um sich selbst damit zu vergnügen. Natürlich wollten sie dabei aber nicht sterben, weshalb jeder von ihnen beim Kämpfen immer lieber andere Kameraden vorschickte. Allerdings regten sie sich dann trotzdem darüber auf, wenn diese ihr Leben ließen. Das mag für andere vielleicht einen Widerspruch dargestellt haben, aber für die Biester war es vollkommen selbstverständlich.​
»GORARARARAUB!!!!«​
Ein besonders lauter Schrei sorgte für Ruhe und ein speziell aussehender Goblin betrat den Hof. Er trug einen dreckigen Eisenhelm und eine geflickte Eisenrüstung. Als Umhang nutzte er einen purpurroten Vorhang und an seiner Hüfte hing ein silbern glänzendes Schwert. Es war der Goblin Paladin.​
»ORARAG! ORRUG!«​
Als seine Artgenossen sein Gebrüll vernahmen, bildeten sie eine Gasse und fielen auf die Knie. Durch diese Gasse schritt der Paladin und gab sich dabei so elegant, wie er konnte. Dass sein Umhang dabei über den Boden schleifte und sein Schwert immer wieder auf den Boden aufstieß, schien ihn dabei nicht zu stören. Er begab sich zu einer Anhäufung von Gerümpel und Leichen, die eine Art Thron bildete. Während er sich setzte, verzog er sein Gesicht zu einer fürchterlichen Fratze. Er war stolz auf das, was er erreicht hatte, und es gierte ihn nach mehr. Dass er dabei fast wie ein Mensch wirkte, machte den Anblick nur umso furchteinflößender.​
***
»Wir haben es verpfuscht«, sagte Goblin Slayer und schnalzte mit der Zunge.​
Er hatte die Waffenkammer zusammen mit dem Rest seiner Gruppe verlassen und sofort das Schauspiel auf dem Innenhof bemerkt.​
»Wieso denn? Wenn das ihr Anführer ist, dann kann ich ihn doch von hier aus ganz einfach mit einem Pfeil erledigen.«​
»Nein, das würde seine vielen Untergebenen in den Wahnsinn treiben und wer weiß, was sie dann anstellen würden.«​
Die Elfe hatte schon einen Pfeil in den Bogen gespannt, als der Echsenmensch sie aufhielt. »Aber irgendetwas sollten wir tun. Nicht wahr, Goblintöter?«​
»Ihr seht sie doch auch.«​
»Meinst du die Goblins?«​
»Ja.«​
Die Elfe ließ verwundert ihre langen Ohren hängen und bewegte nachdenklich den Kopf hin und her. Sie verstand nicht, warum Goblin Slayer fand, dass sie es verpfuscht hatten. Nach dem Zwischenfall mit der Fechterin war doch alles gut verlaufen.​
»Das ist eine Ordensverleihung der Goblins.«​
Die Priesterin stieß ein überraschtes​
»Ach!« aus und eilte zu einer der Schießscharten, von der sie in den Innenhof schauen konnte.​
Zum Glück schienen die Goblins noch nicht bemerkt zu haben, dass sie sich in die Festung geschlichen hatten.​
»Für so eine Zeremonie benötigt man doch einen Kleriker ...«​
Jetzt verstand auch der Rest der Gruppe, warum sie es vermasselt hatten. Selbst der Fechterin entglitt ein leises​
»Ah ...«.​
Sie begann zu zittern und ihre verbundenen Hände verkrampften sich.​
»Nun ja, ihr Kleriker liegt tot im Keller.«​
Die Antwort des Zwergs war angesichts der Lage unerwartet ruhig. Er strich sich durch den Bart und begann, seine Tasche mit Katalysatoren zu durchwühlen.​
»Das ist gar nicht gut.«​
Während der Rest der Gruppe schwieg, zählte Goblin Slayer die Goblins im Innenhof und kam auf ungefähr fünfzig. Dass die Viecher in der Überzahl waren, war kein neues Problem für den Krieger. Er wusste, dass es wichtig war, einen passenden Plan zu haben. Vor allem in Situationen wie dieser, wenn man sich in den Tiefen eines ihrer Nester befand. Die Priesterin hatte das bereits im Laufe ihrer Zeit mit dem Krieger gelernt, weshalb sie sich nicht aus der Fassung bringen lassen wollte, doch plötzlich stieß die Fechterin ein gequältes Geräusch aus.​
»A... Au ...«​
»Was hast du?«​
Besorgt trat die Priesterin an sie heran, um nach dem Rechten zu sehen, doch es war keine Verletzung zu erkennen.​
»Ngh! Ah ...!«​
»He... Heiß?!«​
Die Priesterin berührte den Körper der Adligen und stellte fest, dass er brennend heiß war.​
»Was ist los?«, fragte Goblin Slayer.​
»I... Ich weiß es nicht. Aber sie ...«​
Verzweifelt durchsuchte die Priesterin ihre Erinnerungen. Es war keine Verletzung und auch kein Gift, aber warum war der Körper des Mädchens dann so unglaublich heiß? Es war fast, als hätte jemand einen Zauber auf sie gewirkt ... Nein, das war kein einfacher Zauber, es war eine göttliche Bestrafung: ein Fluch.​
»Ach!«​
Genau in dem Moment, in dem sie dies erkannt hatte, fiel der Blick der Priesterin auf das Brandmal im Nacken der Fechterin. Es leuchtete.​
»Hier!«​
»U... Urgh ... Hngh!«​
Um nicht vor Schmerz aufzuschreien, biss die Adlige sich in den Arm, während ihr Körper sich immer stärker verkrampfte. Die Priesterin hielt ihre Kameradin umklammert und warf dem Echsenmenschen, dem erfahreneren Kleriker der Gruppe, einen hilfesuchenden Blick zu.​
»Solch einen Fluch muss man eigentlich brechen, doch dafür haben wir keine Zeit ...«, sagte er.​
Es war fahrlässig von den Abenteurern gewesen, anzunehmen, dass es sich bei dem Brandmal um nichts weiter als eine Folter der Bestien gehandelt hatte.​
»Höchst barmherzige Erdmutter. Bitte lege deine Hände auf die Wunden dieser Person!«​
Ohne zu zögern, bat die Priesterin die Erdmutter um ein heilendes Wunder, das diese auch gewährte. Die barmherzige Göttin strich mit ihrer Energie über den Hals der Fechterin, um gegen den Fluch anzuwirken, als ...​
»GORUB?!«
»ORARARAGU?!«​
Die Goblins im Innenhof begannen lauter zu werden. Bis jetzt war die Ordensverleihung reibungslos abgelaufen, doch nun warteten sie auf ihren Kleriker und die Opfergaben, die nicht kamen.

»ORG!«​
Der Goblin Paladin befahl seinen Untergebenen auszuschwärmen und nachzuschauen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie raus finden würden, was passiert war.

»ORARARAGAGA!!«​
Wütend trat der Anführer gegen seinen Thron und brüllte ein Gebet an seinen Gott.

»IRAGARAU!«​
Die Worte verstärkten den Fluch, der auf der Fechterin lag, und nun konnte sie sich vor Schmerz nicht mehr zurückhalten. Lautstark schrie sie:​
»Aaaaah!«
][/B]​
Der Blick des Paladins schnellte in Richtung der bisher unbemerkten Abenteurer und traf auf den Goblin Slayers. Der Krieger sah tief in die goldgelben Augen seines Gegners.​
»ORAGARAGARAGARA!!!!«​
»In Deckung!'«​
Während der Anführer der Goblins seinen Leuten befahl, das Feuer auf die Abenteurer zu eröffnen, sprang Goblin Slayer zur Seite und warf dabei die Priesterin und die Fechterin um. Er ignorierte die verwunderten Ausrufe der beiden und hielt seinen Schild schützend, von dem auch gleich ein Pfeil abprallte, über sie. Der Krieger nahm ihn in seine Hand und erkannte, dass die Spitze gelockert worden war, weswegen er murmelte:​
»Eine schlechte Imitation ...«​
Mit einem amüsierten Schnaufen zerbrach er das krude Geschoss. Er hielt weiterhin seinen Schild schützend über die Frauen und fragte sie:​
»Alles in Ordnung?«​
»J... Ja, Entschuldigung.«​
»Kein Problem.«​
Die Fechterin nickte nur zur Antwort, doch das reichte dem Krieger. Er richtete seine Aufmerksamkeit auf seine anderen Kameraden.​
»Wie sieht es bei euch aus?«​
»Wir sind in Ordnung, werter Goblintöter.«​
»Allerdings mache ich mir ein wenig Sorgen, dass ich zerquetscht werde«, stöhnte die Elfe, die zusammen mit dem Zwerg unter dem Echsenmenschen begraben worden war.​
Der Mönch hatte sich über die beiden geworfen und schützte sie jetzt mit seinem schuppigen Körper. Er grinste und sagte:​
»Meine Güte. Das ist jetzt aber wild geworden.«​
»Wir sollten uns aufteilen.«​
»Verstanden, werter Goblintöter. Wie wäre es mit zwei Gruppen? Du nimmst die Fechterin und die Priesterin mit, ich den Schamanen und die Waldläuferin.«​
»Das soll mir recht sein.«​
»Wer spielt die Rolle des Lockvogels?«​
»Das werden wir übernehmen«, sagte Goblin Slayer.​
»Mit meinen Verteidigungsfähigkeiten bin ich am ehesten dafür geeignet.« »In der Tat. Dann werde ich meine Körperkraft zum Tragen der Gefangenen einsetzen.«​
»Alles klar.«​
Damit hatten die beiden Abenteurer sich über die weitere Vorgehensweise geeinigt. Es gab niemanden, der Goblin Slayer im Bekämpfen von Goblins etwas vormachen konnte, und kein Volk war besser für Schlachten geeignet als die Echsenmenschen.​
»Dann lasst uns gehen. Werte Waldläuferin und werter Schamane: Könnt ihr euch bewegen?«​
»Ja, mir geht es gut, aber diese Pfeile fangen an, mir auf den Keks zu gehen!«​
»Hör auf zu meckern, Langohr!«​
Mit den Schuppen des Echsenmenschen als Schildersatz eilten die drei den Korridor entlang und waren kurz darauf nicht mehr zu sehen.​
Goblin Slayer nickte. Jetzt mussten sie nur noch die Aufmerksamkeit der Goblins auf sich ziehen.​
»Gut. Wir legen los.«​
»Ah ... ! «​
»Ja! «​
Während Goblin Slayer und die Priesterin sich aufrichteten, konnte die Fechterin sich vor Schmerzen nicht bewegen. Ihre Hände waren so verkrampft, dass die Fingernägel sich durch den Verband und die Haut gebohrt hatten. Blut tropfte auf den Boden.​
»Das geht doch nicht.«​
Die Priesterin kniete neben ihr nieder und nahm ihre Hände sanft zwischen ihre eigenen. Ein leichtes Zittern ging durch den Körper der Adligen.​
»I...« Unter Aufbringung all ihrer Kräfte zwang sie sich zu reden.​
»Ich weiß ... Das ... weiß ich doch ...« Sie pausierte kurz und schüttelte ihren Kopf.​
»Aber... Aber ...!«​
Tränen stiegen ihr in die Augen. Frustration. Bedauern. Leid. Trauer. Eine Welle von Emotionen überkam sie und riss sie mit. Worte begannen nur so aus ihr herauszusprudeln. Sie hatten es einfach gemacht, ohne weiter darüber nachzudenken. Sie hatten sich über den Feind lustig gemacht. Sie alle hatten ein armseliges Ende gefunden. Dabei hätte es anders sein sollen. Es war alles ihre Schuld. Sie hatten nichts erreicht. Und auch das Schwert war weg. Aber sie brauchte es zurück. Sie wollte nach Hause. Zu ihrem Vater. Zu ihrer Mutter. Sie wollte nicht mehr. Goblin Slayer hörte ihrem scheinbar zusammenhanglosen Gestotter genau zu. Er schaute ihr ins tränenüberströmte Gesicht und dachte sich: Was kann man sich überhaupt noch zurückholen, nachdem die Goblins es einem geraubt haben?​
»Ist das so? Verstanden.«​
Die Fechterin hob ihren Kopf und sah den Krieger vor ihr verwirrt an. »Was...?«

»Also wirklich. Er ist ein unverbesserlicher Kerl.«​
Die Priesterin stieß einen tiefen Seufzer aus.​
»Goblin Slayer, wenn man um etwas gebeten wird, sollte man mit etwas mehr als einfach nur „Ist das so?“ antworten.«​
»Ist das so?«​
»Hey!«​
»Hm ... Ach so ...«​
Der Krieger nickte der Fechterin zu.​
»Ich werde dein Schwert zurückholen. Außerdem werde ich die Goblins töten.«​
Als wolle er damit seine Aussage unterstreichen, zog Goblin Slayer sein Schwert aus der Scheide.​
»Damit meine ich nicht nur den Paladin und seine Untergebenen. Nein, ich werde alle Goblins auslöschen. Alle.«​
Dies war seine Art, die Fechterin zu trösten, und sie verstand es. Sie wischte sich die Tränen und den Rotz aus dem Gesicht und nickte leicht.​
***
»Höchst barmherzige Erdmutter. Schenke uns, die durch die Dunkelheit irren, dein heiliges Licht!«​
Das Wunder der Priesterin schien mit seinem grellen Licht auf die Goblins herab und auch wenn es auf die Entfernung nicht reichte, um sie zu blenden, war es genug, um die Aufmerksamkeit der Bestien auf Goblin Slayer und die beiden Frauen zu lenken.​
»ORARAGA!«, befahl der Goblin Paladin brüllend.​
Mit einem „GROAAB!!“ bestätigten seine Untergebenen seine Aufforderung. Während die Bogenschützen weiter die drei Abenteurer unter Druck setzten, rückte eine Einheit von Goblins aus, um sie im Nahkampf zu erledigen.​
»Zum Glück haben wir ihre Opfergaben in Gewahrsam. So können sie nicht allzu wild vorgehen«, sagte Goblin Slayer, der noch immer seinen kleinen Schild benutzte, um die Fechterin und die Priesterin vor den Pfeilen des Gegners zu schützen.​
»Ausnahmsweise ist es gar nicht mal so schlecht, dass sie Leute verschleppt haben. Los geht's. Bewegt euch geduckt.«​
»Ja. Soll ich Schutzwa ...«​
»Nein, spare ihn dir auf.«​
Obwohl der Krieger sie grob im Satz unterbrochen hatte, grinste die Priesterin frech.​
»Verstanden. Aber ich werde ihn einsetzen, wenn es gefährlich wird.«​
»Ich überlasse dir die Entscheidung.«​
Bei diesen Worten machte das Herz des Mädchens einen Satz. Mit großem Eifer erwiderte sie:​
»Ja!«​
»Kannst du laufen?«, fragte Goblin Slayer die Fechterin. »Wahrscheinlich ...«, antwortete diese und wischte sich die Tränen aus den Augen.​
Nachdem sie ihre lang aufgestauten Emotionen herausgelassen hatte, hatte sich ihre Laune ein wenig verbessert. Ihr Gesichtsausdruck war immer noch emotionslos und abwesend, aber in ihren Augen war ein Leuchten zu erkennen.​
»Gut.«​
Ohne weiter nachzufragen, zog der Krieger eine Fackel aus der Tasche und entzündete sie. Dann reichte er sie der Adligen, die sie direkt an sich nahm. »Du übernimmst die Nachhut. Sei aufmerksam.«​
»Verstanden.«​
Die Fechterin nickte entschlossen und spürte, wie jemand ihre freie Hand griff.​
»Es wird alles gut.«​
Es war die Priesterin, die ihr Mut zusprechen wollte.​
»Wir haben es bis hierher geschafft. Wir werden uns jetzt sicher nicht geschlagen geben.«​
»Ja ...«​
Die drei begannen den Gang hinunter zurennen, während die Goblins weiter ihre Pfeile auf sie abfeuerten. Zum Glück der Abenteurer waren ihre Gegner noch immer nicht auf andere Pfeile umgestiegen. Sie hatten sich den Trick mit der losen Spitze von den Abenteurern abgeschaut, ohne wirklich darüber nachzudenken, was sie damit bewirkten. Die Geschosse flogen dadurch ungenauer und verloren an Kraft, was auf größere Distanzen - so wie es gerade der Fall war - überhaupt keinen Sinn ergab. Das Ziel von Goblin Slayers Gruppe war, der anderen Gruppe Zeit zu verschaffen, und mit der Aufmerksamkeit eines jeden Goblins, die sie auf sich zogen, kamen sie ihrem Sieg einen Schritt näher.​
»Es gibt immer mehr Dinge, die ich nicht allein erledigen kann ...«, murmelte Goblin Slayer.​
»Sie kommen! Sechs ... Nein, sieben!«, ertönte die Stimme der Priesterin.​
Der Krieger konnte bereits die Augen der Bestien vor sich in der Dunkelheit glitzern sehen. Er und seine Begleiterinnen waren den Gängen entflohen und befanden sich mittlerweile auf der Festungsmauer. Die Gegner waren mit Knüppeln, Speeren und Äxten bewaffnet.​
»Hmpf...«​
Noch im Rennen wirbelte Goblin Slayer sein Schwert herum und warf es nach vorne, wo es sich in die Kehle eines Goblins bohrte.​
»GAROAB?!«​
Das Biest wurde von der Wucht des Aufpralls nach hinten geschleudert und fiel mit wild rudernden Armen von der Mauer in die Tiefe. Leider reichte diese Aktion aber nicht, um den restlichen Goblins Angst einzujagen. Sie freuten sich eher, dass der Abenteurer seine Waffe weggeworfen hatte, und glaubten, jetzt ein leichtes Spiel mit ihm zu haben. Doch sie unterschätzten ihren Gegner.​
»Eins.«​
»GARARA?!«​
Der Krieger rammte einem heranstürmenden Goblin die scharfe Kante seines Schildes in den Schädel. Während eine schwarze Blutfontäne aus dem kleinen Teufel herausschoss, schnappte Goblin Slayer sich dessen Steinaxt. Jene wurde sofort in den Schädel eines weiteren Goblins gerammt.​
»ORAG?!«​
»Zwei und drei.«​
Goblin Slayer bediente sich der Waffen seiner Gegner und erledigte auch Nummer vier, fünf und sechs. Die Schmerzensschreie der sterbenden Goblins hallten durch die Dunkelheit. Auf der engen Festungsmauer war es den Biestern nicht möglich, ihre Überzahl effektiv zu nutzen, weshalb es ein Leichtes für den erfahrenen Goblin Jäger war, sich seiner Widersacher zu entledigen.​
Ein Goblin schaffte es jedoch, an dem kämpfenden Krieger vorbeizuschlüpfen, um sich auf die Frauen hinter ihm zu stürzen.​
»GRARAB!«​
»Hahja!«​
»GARO?!«​
Die Priesterin schwang ihren Priesterstab und verhinderte den Plan der kleinen Bestie. Sie schreckte zurück und gab der Fechterin damit genügend Zeit, zur Tat zu schreiten.​
»Nimm das!«​
»ORARAG?!«​
Sie nutzte die Fackel wie eine Art Knüppel und schlug damit das Monster von der Festungsmauer. Sie keuchte vor Erschöpfung, als sie die Schatten hinter sich erkannte.​
»Sie kommen auch von hinten!«​
»Wie viele?«​
»Ich weiß es nicht! Auf jeden Fall viele!«​
»In Ordnung.«​
Goblin Slayer zog mit einer mechanischen Bewegung ein Fläschchen aus seiner Tasche und warf es nach hinten. Es flog über die Priesterin und die Adlige hinweg und landete vor den Goblins, wo es zersprang. Eine dunkle Flüssigkeit verteilte sich auf dem Boden: Medea-Öl oder Benzin.​
»GARARARA?!«
»ORAG?!«​
Um Gegner zu besiegen, war es nicht immer nötig, sie mit einer Waffe zu verletzen. Einige der von hinten angreifenden Goblins rutschten aus und brachten mit ihren zappelnden Bewegungen.ihre Artgenossen zum Fallen. Doch das störte die nachfolgenden, von Gier getriebenen Biester nicht. In der Hoffnung, der Goblin zu sein, der die Abenteurer niederstrecken würde, trampelten sie über ihre Kameraden hinweg.​
»GRARAM!«
»Nein! Ah!«​
Die Fechterin gab ihr Bestes, die heranstürmenden Goblins mit ihrer Fackel auf Abstand zu halten. Sie schwang sie und es sah aus, als ob sie mit einem großen Pinsel feurige Striche in die Luft malen würde. Sie schaffte es, einen Goblin die Mauer hinunterzustoßen, doch direkt darauf folgte der nächste. Sie erwischte ihn mit einem weiten Streich und beförderte ihn zu seinen Artgenossen auf den Boden, doch dann sprang schon der dritte heran.​
»Überlass ihn mir!«, rief die Priesterin, doch die Adlige konnte nicht antworten, weil bereits der nächste Goblin sich auf sie warf. Sie schaffte es irgendwie, ihn zu erledigen, aber Nummer fünf und sechs ließen ihr keine Zeit zum Luftholen. Ich komme nicht mit!, dachte sie verzweifelt. Der Arm, mit dem sie die Fackel schwang, fühlte sich bereits schwer an und ihr ging die Puste aus. Ihr war, als könne sie ihr Blut in den Ohren rauschen hören, und sie hoffte, dass der Krieger sie bald retten würde. Sie warf einen kurzen Blick nach hinten, um zu schauen, was er tat, und erkannte, dass er selbst alle Hände voll zu tun hatte.​
»Oh, nein! Es sind immer noch so viele!«, rief die Priesterin und schwang ihren Stab, um die Goblins so gut es ging auf Abstand zu halten.​
»Ah ...«​
Der Adligen war, als könne sie bereits den fauligen Atem der Goblins auf ihrer Haut spüren. Ihre Gedanken begannen sich um das zu drehen, was die Biester ihr in der Berghöhle angetan hatten. Demütigung und Verzweiflung überkamen sie. Ihr abartiger Gestank. Ihre vulgären Hände und die grausamen Taten, die sie mit ihnen begangen ... Ein belebender Schock durchfuhr ihren Körper und sie sammelte all ihre Kraft in einem Arm. Sie erinnerte sich daran, wie Goblin Slayer seine Waffe nach Goblins geworfen hatte, und ohne weiter darüber nachzudenken, tat sie es ihm gleich. Sie schleuderte die Fackel einem Goblin entgegen und sie hatte Glück, dass gerade dieser eines der Exemplare war, die in das Öl gefallen waren.​
»GAROARARA?!«​
Innerhalb kürzester Zeit wurde der gesamte Körper der Bestie von Flammen verschlungen und er stürzte von der Festungsmauer.​
»GROOOB!! GRAAB!!«​
Die restlichen Goblins ließen sich von dem grausamen Tod ihres Artgenossen nicht beirren. Ein weiteres der Biester machte einen Satz nach vorne, um sich auf die Fechterin zu stürzen, aber diese hatte bereits ihren Aluminiumdolch gezogen und stieß mit ihm zu.​
»Nein!«​
»GAROARAO?!«​
»Du verdammter ...!«​
Sie erwischte den Angreifer an der Schulter, riss mit voller Kraft an der Klinge und durchtrennte so seine Kehle. Dann verpasste sie der Leiche des Gegners einen Tritt und schleuderte sie damit nach hinten. Die Adlige atmete tief durch und merkte in dem Moment, dass die erste Angriffswelle vorbei war. Es würde nicht lange dauern, bis die Goblins erneut zum Angriff ansetzen würden, doch für einen kurzen Moment würden sie Ruhe haben. Wenn die Angriffe weitergegangen wären, hätte die Fechterin sich wahrscheinlich einfach auf die Gegner geworfen, und ...​
»Hah... Puh ... Hah ...«​
Die Priesterin stand neben der Fechterin und hielt die Hand ihrer Kameradin. Sie war äußerst warm. Die Adlige merkte, wie sich die Wellen der Wut in ihr beruhigten. Sowohl Goblin Slayer als auch die Priesterin hatten sie unterstützt und sich auf sie verlassen.​
»Dreizehn ... Gut gemacht«, murmelte der Krieger.​
Er warf ihr eine neue Fackel zu, die sie aufgeregt fing. Sie zündete sie an und nahm sie fest in die Hand. Dann schaute sie zur Priesterin. Ihr Gesicht war schweißnass und vor Aufregung verspannt, doch sie gab sich Mühe, ihrer Kameradin ein Lächeln zu schenken. Die Fechterin fragte sich, ob sie wohl gerade einen ähnlichen Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte. Sie hatte gelernt, dass Menschen sich von einem Moment auf den anderen drastisch zum Guten oder Schlechten verändern konnten.​
***
»Ob oben wohl alles gut läuft?«, fragte die Elfe und schoss fast beiläufig einen weiteren Gegner ab.​
Die Gänge der Festung waren voller Goblins und auch wenn es nicht so viele waren wie auf der Festungsmauer, hatte die Gruppe es nicht geschafft, Kämpfen vollkommen aus dem Weg zu gehen. Die Kampfgeräusche, die die Elfe bisher mit ihrem scharfen Gehör wahrgenommen hatte, waren zwar immer lauter und heftiger geworden, doch noch hatte sie keine menschlichen Schmerzensschreie gehört. Nichtsdestotrotz blieb sie aufmerksam.​
»Ha ha ha, Langohr! Machst du dir etwa Sorgen um unseren Bartschneider?«​
Der Zwerg lachte und gönnte sich einen Schluck Alkohol. Dann grinste er frech.​
»Eigentlich wärst du lieber oben bei ihm geblieben, was?«​
»Ich mache mir überhaupt keine Sorgen um Orcbolg!«​
Die Elfe schnaufte durch die Nase und spannte einen neuen Pfeil in ihren Bogen.​
»Ich sorge mich um die anderen zwei.«​
»Bist du dir sicher, dass du nicht einfach nur Angst hast, dass die Neue dir den Freund stiehlt?«​
»Was soll denn der Quatsch?!«, fuhr die Elfe den Zwerg an, nur um dann ein wenig beschämt zu sagen:​
»Die zwei sind meine Freunde ... Ist es da falsch, sich Sorgen zu machen?«​
»Nein, überhaupt nicht.«​
»Wie?«​
Die Elfe blinzelte verwundert. Sie konnte nicht glauben, dass der Zwerg ihr einfach zugestimmt hatte.​
»Du bist schließlich eine Elfe. Für euch ist so was wie Freundschaft doch wichtig.«​
Sie wusste nicht wirklich, wie sie diese Aussage einordnen sollte. Wollte er sich damit etwa über sie lustig machen? Sie schnaufte laut durch ihre Nase, doch der Zwerg ignorierte sie und gönnte sich noch einen Schluck aus seiner Flasche.​
»Ha ha ha ... Der werte Goblintöter begleitet die beiden. Es besteht also kein Grund zur Sorge«, sagte der Echsenmensch und stieß ein vergnügtes Zischen aus.​
Unter den dreien war er mit Abstand der Jüngste, doch er konnte nicht genug davon bekommen, wenn die Elfe sich wie ein Kind aufführte.​
»Wir sollten aber trotzdem nicht trödeln. Wie weit ist es denn noch, werter Schamane?«​
»Nicht mehr allzu weit.«​
Der Zwerg verschloss seine Alkoholflasche mit dem Stöpsel und klopfte gegen die Wand.​
»Wenn wir im Kerker sind, geht unsere Arbeit erst richtig los.«​
»Oje ...«​
Die Elfe ließ sich diese Gelegenheit zur Besorgnis nicht entgehen. »Ich dachte, die Nerven von Zwergen wären genauso dick wie ihre Bäuche, doch dem scheint nicht so.«​
»Hey.«​
Der Zwerg machte eine übertriebene Geste und schüttelte den Kopf.​
»Nur meinetwegen bleibt uns hier viel erspart. Außerdem hast du doch so zittrige Knie, dass du kaum noch stehen kannst!«​
»Du verdammter Zwerg! Was soll das, du dickes Fass?!«​
»Das würde ich dich genauso gern fragen, Amboss.«​
»Ha ha ha ha.«​
Die drei Abenteurer verhielten sich unterschiedlich, doch jeder von ihnen war auf seine eigene Art aufmerksam. Dass ihnen weniger Feinde gegenüberstanden, hieß, dass die andere Gruppe es mit umso mehr zu tun hatte. Es galt, entschlossen zu handeln, und auch wenn sie den einen oder anderen lockeren Spruch abließen, wussten sie das. Sie hatten keinen der Goblins, denen sie bisher begegnet waren, entkommen lassen. Die Pfeile der Elfe und die Krallen des Echsenmenschen hatten leichtes Spiel mit ihnen gehabt. Der Zwerg war währenddessen damit beschäftigt, sie zu ihrem Ziel zu führen.​
»Hier müsste es sein.«​
Die drei Abenteurer hatten eine schwere Tür nach Bauart der Zwerge erreicht. Der Schamane drehte sich der Elfe zu.​
»Gut. Du bist dran.«​
»Ja, verlasst euch auf mich.«​
Die Waldläuferin schmiegte sich an die Tür und zog ihr nadelartiges Ästchen hervor. Sie prüfte das Schlüsselloch kurz auf Fallen und begann dann mit ihrem Versuch, es zu knacken. Der Zwerg und der Echsenmensch positionierten sich hinter ihr und hielten Ausschau nach Feinden. Der Mönch hielt eine Scharfkralle in der Hand, während der Schamane eine Schleuder bereithielt. Zum Glück ließ sich keine der grünen Bestien blicken. Die Würfel der Götter waren günstig für die drei Abenteurer gefallen.​
»Glaubt ihr, dass alles gut gehen wird?«​
Die langen Ohren der Elfe machten eine zuckende Bewegung, als sich das Schloss mit einem klickenden Geräusch öffnete.​
»Ich möchte nicht daran zweifeln, aber wenn etwas passiert ...«​
»Ja, das beschäftigt mich auch. Was denkst du, Schuppiger?«​
»Nur weil einmal etwas schiefgegangen ist, sollte man es nicht für immer aufgeben.«​
Der Echsenmensch nahm die Position der Elfe ein.​
»Natürlich kann man versuchen, eine Festung mit Wasser zu fluten, aber es gibt noch einen anderen Weg.«​
Mit einem Tritt öffnete er die Tür und schaute ins Innere des Raums. Sofort verzog sich seine Fratze zu einem freudigen Grinsen. Er sah Fässer, in denen Fleischklumpen mit zermatschen Ameisen gelagert wurden. »Und zwar die Aushungerungsstrategie.«​
***
Goblin Slayer, die Fechterin und die Priesterin kämpften gegen die dritte Angriffswelle der Goblins, als in einer anderen Ecke der Festung plötzlich ein Feuer aufflammte.​
»ORARAGA?!«
»GROAB!!«​
Die Goblins, die, von ihrer Gier getrieben, erbarmungslos über die Leichen ihrer Artgenossen kletterten, hielten für einen Moment inne und kreischten überrascht darüber, dass ihr Proviant in Flammen aufging, laut auf.​
»Gut.«​
Goblin Slayer ließ sich diese Gelegenheit nicht entgehen.​
»Die Fackel! Wirf sie!«​
»...!«​
Die Fechterin warf ihren Arm nach hinten und schmiss die Lichtquelle, die gleichzeitig ihre Waffe war, nach vorn. Sie wusste genau, was der Krieger von ihr wollte. Die Fackel malte einen farbigen Bogen durch die Luft und landete in einer Pfütze des zuvor verteilten Benzins. Eine Wand aus Flammen entstand, die die Goblins von den Abenteurern fernhielt.​
»GROAA?!«​
Einen der kleinen Teufel erwischte das Feuer und innerhalb von kürzester Zeit verwandelte er sich in einen herumtanzenden Feuerball, der schließlich regungslos umfiel. Seine Artgenossen begannen panisch zu schreien und wichen ängstlich vom Feuer weg.​
»Neunundzwanzig ... Es wird Zeit.«​
Goblin Slayer warf einen mit Resten von Goblin Hirn verschmierten Knüppel von sich und entriss einer vor ihm liegenden Leiche ein Schwert. Er schwang es einmal durch die Luft und nickte.​
»Wir ziehen uns zurück. Macht euchbe ...«​
»Goblin Slayer!«​
Die Priesterin schrie eine Warnung und der Abenteurer wirbelte auf der Stelle herum und hielt seine neue Waffe nach oben, die unter der Wucht einer Attacke zerbrach. Eine weiße Linie verlief nun über Goblin Slayers Helm und seinen Brustpanzer. Ohne die Warnung seiner Kameradin wäre das Leben des Kriegers sicherlich vorbei gewesen. Er machte einen Sprung nach hinten und entkam damit der Aluminiumklinge, die erneut nach ihm geschwungen wurde. Es war kein magisches oder heiliges Schwert, aber dennoch eine akzeptable Waffe, die es würdig war, von einem Helden geführt zu werden.​
»GRAAORRRN ...!«​
Der Goblin, der vor Goblin Slayer stand, dampfte am ganzen Körper und seine Augen loderten voller Hass. Es war der Goblin Paladin und er war durch die Flammenwand gesprungen, um die Abenteurer zu vernichten. In der rechten Hand hielt er seine Waffe und in der linken einen tropfenförmigen Schild.​
»Du bist spät«, erwiderte Goblin Slayer ruhig.​
Er festigte seinen Griff um das Schwert mit der gebrochenen Klinge. Obwohl es nur noch die Länge eines Dolches besaß, schien der Krieger damit kämpfen zu wollen. Er senkte seine Hüfte, hielt seinen Schild vor sich und drehte sein Handgelenk so, dass die Spitze seiner Waffe auf seinen Gegner zeigte.​
»Ich dachte mir schon, dass du kommen würdest.«​
»GAROAROB...!«​
Der Goblin Paladin begann, mit der Ausrüstung in seinen Händen Symbole zu formen. Symbole des äußeren Gottes des Wissens.​
»Argh!«​
Die Fechterin fing an zu schreien. Das Mal in ihrem Nacken begann wieder zu brennen und damit kam der unbeschreibliche Schmerz. Sie hatte das Gefühl, dass etwas aus ihr herausplatzen würde. Nichtsdestotrotz wandte die Adlige für keine Sekunde ihren Blick von der Waffe in der Hand des Goblins ab. Sie gehört mir! Er hat sie mir geraubt! Und jetzt richtet er sie auf meine Kameraden! Die Adlige wunderte sich für einen kurzen Moment, dass sie die anderen beiden Abenteurer als Kameraden bezeichnet hatte, doch für solche Gedanken war jetzt keine Zeit. Schritte näherten sich. Ermutigt vom Auftauchen ihres Anführers umzingelten die Goblins die Abenteurer. Auf der einen Seite standen sie und auf der anderen der Paladin mit der Feuermauer hinter sich.​
Was soll ich machen? Was soll ich tun? Die Fechterin war verzweifelt. Sie hatte für einen kurzen Moment geglaubt, dass sie den Anführer der Goblins in die Ecke gedrängt hatten, doch jetzt sah die Situation schon wieder ganz anders aus.​
»Beeilung!«​
Mit seinem harschen Ton riss Goblin Slayer die Adlige aus ihren Gedanken.​
»Ich verschaffe euch Zeit.«​
»Verstanden!«, antwortete die Priesterin prompt.​
Die Fechterin hingegen biss sich fest auf die Unterlippe. Sie merkte, dass das Brandmal in ihrem Nacken blutete, weil das Blut ihr den Rücken herunterlief. Sie musste sich selbst Mut zureden, bevor sie ein „Verstanden ...“ über die Lippen bekam. Anschließend verfuhr jede der beiden Frauen auf ihre eigene Art.​
»Tonitrus ... Oriens!«
»Höchst barmherzige Erdmutter. Bitte beschütze uns ...«​
Während die Fechterin einen Zauber wirkte, sprach die Priesterin ein Gebet. Goblin Slayer hatte ihr überlassen, wann sie ihr letztes Wunder einsetzen sollte, und sie hatte sich entschlossen, noch zu warten.​
»IRARAGARU!!«​
Der Paladin machte sich seinerseits daran, ein Gebet an seinen Gott zu sprechen, doch Goblin Slayer hatte nicht vor, ihm die Zeit dafür zu geben. Der Krieger sprang heran und mit einem Krachen knallte die Ausrüstung der beiden Kontrahenten aufeinander. Der Goblin schaffte es, mit seiner Waffe ein Stück aus Goblin Slayers Schild herauszureißen. Eigentlich wäre ein schwacher Goblin zu so etwas nicht fähig gewesen, doch die besondere Waffe machte den Paladin zu einem mehr als gefährlichen Gegner. Kombiniert mit den Wundern des äußeren Gottes war er so stark, dass normale Rüstungen gegen ihn kaum noch einen Sinn hatten. Magische Rüstungen wären ein anderes Thema gewesen, aber Goblin Slayer verabscheute solche Gegenstände.​
»Hmpf!«​
Der Krieger achtete darauf, dass seine Waffe nicht auf die des Paladins traf, denn das würde ihn wehrlos dastehen lassen. Er wich einem nach unten zielenden Stoß seines Gegners aus und nutzte die Lücke in der Verteidigung des Goblins, um selbst zuzustoßen. Der Goblin Paladin mochte die Kampftechniken der Abenteurer studiert haben, doch da dieser Angriff eher dem eines Schlägers ähnelte, konnte er nicht darauf reagieren. Ohne seinem Gegner jedoch nennenswerten Schaden zufügen zu können, musste Goblin Slayer wieder einen Sprung nach hinten machen, um nicht von einem Hieb des Paladins erwischt zu werden. Die beiden Kämpfer unterschieden sich wesentlich im Körperbau, in Körperkraft, in Ausrüstung, in Kampftechnik und in Erfahrung, doch alles zusammengenommen waren sie sich ebenbürtig und nur ein dritter würde die Situation zu einer Entscheidung führen können. Während die beiden kämpften, rückten die Goblins immer näher heran. Die Priesterin zählte fünfzehn und die Gier stand ihnen in ihre schrecklichen Fratzen geschrieben.​
»Ha ha ...«​
Trotz alledem trug die Priesterin ein Lächeln auf den Lippen.​
Goblin Slayer hatte ihnen den Rücken freigehalten und sie ihm. Er hatte nicht frei kämpfen können, genauso wenig wie sie. Deshalb wusste die Priesterin, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war, um ihr verbleibendes Wunder zu wirken. Stattdessen griff sie in ihr Gepäck und holte einen Gegenstand hervor.​
»lacta!«
Im selben Moment wirkte die Fechterin Blitzschlag. Der Zauber schoss in einer geraden Linie in Richtung der Gruppe heran drängender Goblins.​
»AGARARABA?!«
»GORRRBB?!«​
Wie eine lilafarbene Peitsche aus Elektrizität schlug die magische Attacke in die Goblins ein und verbrannte ihr Fleisch. Rauch stieg von den verkohlten Leichen der Bestien auf und vermischte sich mit dem des Feuers. Es war ein Bild wie aus der Hölle. Anders konnte die Fechterin den Anblick nicht beschreiben. Auf ihrem Gesicht zeigte sich ein angespanntes Grinsen. Zweifellos tat sie dies, um ihre Nervosität zu überspielen, doch es war ein Zeichen, dass sie sich mittlerweile besser unter Kontrolle hatte. Das Gesicht der Priesterin war schweißnass und rußverschmiert. Sie wischte sich über die Stirn und rief:​
»Goblin Slayer! Ich bin so weit!«​
Ohne zu zögern, drehte der Krieger seine Klinge um und schleuderte sie in Richtung des Goblin Paladins.​
»GARARAI!!«​
Der Anführer der Biester hielt diesen Angriff für einen schlechten Scherz. Er hob seinen Schild hoch und nahm sich damit für einen Moment selbst die Sicht. Darauf hatte Goblin Slayer es abgesehen.​
»Hah?!«​
»Ah?!«​
Die Priesterin und die Fechterin schrien erschrocken, als Goblin Slayer sich die beiden schnappte und mit ihnen von der Festungsmauer sprang​
Sie flogen für einen kurzen Moment durch die klirrend kalte Nachtluft, doch ihr Fall endete ruckartig. Da bemerkten sie das Seil in seiner Hand.​
»Das Abenteurerset.«​
Man konnte hören, wie der Krieger aufatmete.​
»Man sollte es nie vergessen.«​
Auch wenn die Priesterin mittlerweile auf Obsidian-Rang war, trug sie noch immer brav das Abenteurerset bei sich und dies hatte den Abenteurern ermöglicht, aus einer nahezu ausweglosen Situation zu fliehen.​
»IGARARAROB!!«​
Die drei schauten nach oben und sahen, wie sich der Goblin Paladin über die Mauer lehnte und einen wilden Schrei ausstieß. Er und seine Art lebten eigentlich unter der Erde, weshalb er zweifelsohne zum ersten Mal gesehen hatte, dass jemand von einem so hohen Ort heruntergesprungen war. Da sie die Abenteurer nicht verfolgen konnten, machten die Goblins sich sofort daran, den Haken zu lösen. Um dieser Tücke nicht zum Opfer zu fallen, begann Goblin Slayer schnell, den Rest der Mauer herabzuklettern. Immer wieder stieß er sich mit beiden Beinen von der Wand ab und rutschte währenddessen weiter am Seil herab. Seine Bewegungen waren gezielt und es war klar, dass er das ausgiebig trainiert hatte.​
»Si... Sind wir schwer?«, fragte die Priesterin, ohne weiter nachzudenken.​
»Ein wenig«, antwortete der Krieger nüchtern.​
Die Priesterin wurde rot im Gesicht und auch ein wenig wütend. Sie setzte einen schmollenden Gesichtsausdruck auf und antwortete:​
»So etwas sagt man nicht zu Frauen!«​
»Ist das so?«​
»Ja, das ist so.«​
»Ach so.«​
Wahrscheinlich hatte er es nicht wirklich verstanden, aber er nickte trotzdem. Im selben Moment landeten die Füße des Kriegers auf dem Boden. Direkt darauf plumpste der Haken neben ihnen in den Schnee. Goblin Slayer rollte das Seil auf und warf es sich über die Schulter.​
»Ich werde dir später Geld dafür geben.«​
Die Fechterin musste verwundert über das seltsame Pflichtbewusstsein des Kriegers grinsen. Obwohl der Kampf noch nicht vorbei war, hatte er jenen Satz schon mal sagen müssen.​
»IGURARARABORR!!«​
Der Goblin Paladin auf der Festungsmauer tobte und warf Schnee auf die Abenteurer herab. Gleichzeitig begann das schwere Tor der Festung sich langsam quietschend zu öffnen. Wenn die Abenteurer fliehen wollten, dann mussten sie sich jetzt in Bewegung setzen.​
»Was ist mit den anderen?«​
»Sie werden gleich hier sein.«​
Als hätte er es mit seinen Worten heraufbeschworen, wölbte sich der schneebedeckte Boden mehrfach und fiel dann in sich zusammen.​
»Puuuh! Die Löcher der Biester können mir echt gestohlen bleiben.«​
Wie ein Maulwurf kam der Zwerg aus dem entstandenen Loch hervorgeschossen und streckte seinen Arm nach unten, um der Elfe beim Aufstehen zu helfen.​
»Das stimmt.« Die Waldläuferin klopfte sich den Dreck von der Kleidung. »Wie könnt ihr Zwerge nur unter der Erde leben? Seid ihr etwa doch mit Goblins verwandt?«​
»Pass bloß auf, Langohr. Es gibt Dinge, die man sagen darf, und Dinge, die man nicht sagen darf, du alte Bügelbrettbrust.«​
»Was?! Wenn du das noch mal sagt, gibt es Krieg zwischen uns, Zwerg!«​
Wie so oft brach ein Streit zwischen den beiden aus, doch die Adlige verstand nicht wirklich, was hier vor sich ging.​
»A... Ahm ...«, murmelte sie verwirrt.​
»Es lief wie geplant«, sagte Goblin Slayer.​
»In der Tat. In der Tat«, entgegnete der Echsenmensch, der sich als Letzter aus dem Loch quetschte.​
»Wie man wahrscheinlich schon am Verhalten der beiden erkennen kann, gab es keine Verletzten.«​
Der Mönch trug jeweils zwei der der geschwächten Gefangenen unter einem Arm. Eine Aktion, die für Menschen unmöglich war, aber für jemanden wie ihn kein Problem.​
»Da bin ich aber beruhigt ...«​
Die Priesterin stieß einen Seufzer aus und wischte sich die plötzlich heraus kullernden Tränen weg.​
»Ich hatte mir Sorgen gemacht. Was ist mit den Verletzungen der Gefangenen?«​
»Alles gut! Wir haben sie versorgt.«​
Die Elfe streckte stolz die Brust raus.​
»Wie ist es bei euch? Ihr habt wegen Orcbolg sicher wieder schreckliche Dinge durchgemacht.«​
»Ha ha ha ... Ja, alles gut ...«​
»Ach so.« Die Elfe nickte und akzeptierte das tapfere Lächeln der Priesterin. Dann schaute sie zu der Fechterin. Sie war voller Blut und Ruß, aber ihre Augen leuchteten, als sie den Blick ihrer Kameradin erwiderte.​
»Du hast es geschafft.«​
Die Waldläuferin wackelte leicht mit ihren Ohren und klopfte der Frau freundschaftlich grinsend auf die Schulter.​
»Ja«, antwortete diese und senkte für einen kurzen Moment ihren Blick.​
»Ha ha ha, wie du bemerkt hast, sind wir mit solchen Dingen im Handumdrehen fertig«, warf der Zwerg ein und fuhr sich durch den Bart.​
Goblin Slayer nickte. Er konnte sich nicht vorstellen, wie lange er allein für dieses Unterfangen gebraucht hätte. Der Schamane hatte mit dem Zauber »Tunnel« einen Fluchtweg für die Gefangenen geschaffen, die der Echsenmensch getragen hatte, und die Sinne der Elfe hatten dafür gesorgt, dass die anderen beiden die Aktion ungestört durchführen konnten.​
»Und was nun, Bartschneider? Wo ist dein Schwert?«​
»Ich habe es geworfen.«​
»Das hätte ich mir denken können. Hier, nimm eins von denen, die wir den Goblins gemopst haben.«​
»Danke ... Aber es kann gut sein, dass ich es wieder werfe.«​
»Ja, das ist schon okay. Ich habe die ja nur aufgesammelt.«​
Der Schamane hielt ihm das Bündel Waffen hin, das sie aus der Waffenkammer der Goblins gestohlen hatten. Ohne lange zu zögern, griff sich Goblin Slayer ein Schwert und steckte es in die Scheide an seiner Hüfte. Er hatte sich ohne eine Waffe tatsächlich nicht allzu wohl gefühlt.​
»Jetzt müssen wir nur noch das Schwert für das Mädchen zurückholen, oder?«​
»Ja.«​
Goblin Slayer holte ein kleines Fläschchen aus seiner Tasche hervor, zog den Stöpsel heraus und kippte sich den Inhalt in einem Zug in den Hals. Es war ein Ausdauertrank. Er hatte ihn von der Gilden Angestellten erhalten und bis jetzt aufgehoben. Der Krieger ließ im Anschluss seinen Blick über seine Begleiter wandern. Dort war die Priesterin, die immer fest an ihn glaubte. Die Elfe, die mit ihm durch dick und dünn gehen würde. Der Schamane, der ihm immer tatkräftig zur Hand ging, und der Echsenmensch, auf dessen Kampffähigkeiten immer Verlass war. Als Letztes fiel sein Blick auf die Fechterin, die sich nach allem wieder gefangen und ihr Bestes gegeben hatte. Der Krieger richtete seinen Blick in den Himmel und dachte an die Stadt im Grenzland, in der die Gilden Angestellte und die Kuhhirtin auf ihre Rückkehr warteten. Goblin Slayer war nicht mehr allein und er wusste, dass es so gut war. Er konnte sich auf andere verlassen und genau deswegen wusste er, was zu tun war.​
»Wir werden die ganzen Goblins töten.«​
***
Die Goblins der Festung hatten ein Problem. Sie hatten im Kampf mit den Abenteurern nicht nur Dutzend ihrer Art verloren, sondern auch ihre Waffen und ihren Proviant. Eigentlich sind wir es, die stehlen, doch jetzt wurden wir beraubt! Das kann doch nicht sein! Wenn ich so etwas zulasse, bin ich dann nichts weiter als nur ein einfacher Goblin?​
»GOURRR...«​
Der Goblin Paladin war für seine Art außerordentlich klug und er verstand die Schwere der Lage, in der er sich befand. Dass die Abenteurer mit ihrem Überfall erfolgreich gewesen waren, ließ sein Ansehen bei seinen Artgenossen sinken, was außerordentlich gefährlich für ihn werden konnte. Goblins wurden durch Gier zusammengehalten und wer ihnen nicht gefiel, der wurde getötet oder für abartige Spielchen missbraucht. Der Paladin wusste, was zu tun war: Die männlichen Abenteurer töten, die weiblichen in den Kerker stecken und sie so lange mit dem Fleisch ihrer Kameraden füttern, bis ihr Herz gebrochen war. Anschließend waren sie als Gebärsäcke zu nutzen, um die Ränge seiner Horde wieder zu füllen.​
»IRAGARARARARARA!!«​
Er musste schnell handeln, bevor er dem Zorn seiner Artgenossen zum Opfer fiel.​
***
Das Licht der Morgendämmerung erhob sich über der brennenden Festung und erhellte den Berg, auf dem die Abenteurer gerade rannten. Sie konzentrierten sich voll und ganz darauf, nicht im Schnee auszurutschen oder zu stürzen, denn das würde ihr Ende bedeuten. Schließlich waren die Goblins ihnen ganz dicht auf den Fersen.​
»IGARARARARAU! GROAAAB!!«​
Der Goblin Paladin riss das Aluminiumschwert in die Höhe und brüllte ein Gebet, das seine Untergebenen mit ihrem eigenen Geschrei untermalten. In ihren Augen war nichts weiter als unbändiger Zorn zu erkennen und aus ihren Mäulern tropfte der Speichel. Die Gier hatte ihnen jegliche Art von Verstand geraubt. Es war „Wahnsinn“, ein Kampfwunder des äußeren Gottes des Wissens, das der Paladin auf seine Artgenossen gewirkt hatte. Nichts hielt sie auf und selbst das Sterben ihrer Kameraden, die immer wieder von lautlos heran sausenden Pfeilen niedergerissen wurden, störte sie nicht im Geringsten.​
»Wieso müssen es immer so viele von diesen Biestern sein? Ich kann sie so langsam wirklich nicht mehr sehen ...«​
Meckernd zog die Elfe immer wieder Pfeile aus ihrem Köcher und schoss sie zielgenau auf die Verfolger der Gruppe ab.​
»Na ja, wenigstens kann ich sie jetzt nach Lust und Laune abschießen. In Gebäuden geht das nicht so einfach.«​
»Hör auf, so viel Schwachsinn zu reden, Langohr!«​
»Wenn du Zeit zum Beschweren hast, dann leg lieber mal einen Zahn zu, du Fettwanst!«​
»Wie denn?!«​
Der Schamane rannte, so schnell er konnte.​
»Wie geht es denn deinem Bein?«​
»Ehrlich gesagt tut es noch ein wenig weh.«​
Die Elfe feuerte wieder einen Pfeil auf die willenlose Goblin Horde ab, die sie verfolgte.​
»Leute, so geht es nicht! Sie werden uns noch einholen!«​
Dem Echsenmenschen, der noch zwei der verletzten Gefangenen trug, setzte die Kälte nach wie vor zu, weshalb er sich langsamer bewegte als sonst. Er hatte einen Drachenzahnkrieger beschworen, um die anderen zwei Gefangenen zu tragen, aber er war dennoch langsam. Nichtsdestotrotz bot er an:​
»Die Reihen der Gegner sind sehr dünn. Ich könnte mich ihnen allein entgegenstellen.«​
»Nein! Manchmal ist es notwendig, es für einen Sieg zu übertreiben, doch jetzt wird es nicht funktionieren!«, widersprach die Priesterin dem Mönch.​
Sie wusste, dass er erschöpft war. Erschöpfung lähmte den Verstand, ein gelähmter Verstand verursachte Fehler und diese konnten tödlich sein.​
»Meine Güte ... Wenn mir doch nur ein wenig wärmer wäre ...«​
»Ach!«​
Der Priesterin fiel etwas ein und sie griff in ihre Tasche.​
»Nimm diesen Ring der Atmung, den Goblin Slayer mir vorhin gegeben hat. Er hilft zumindest ein wenig.«​
»Eins ist immer noch mehr als Null. Vielen Dank.«​
Im Laufen steckte die Priesterin den Ring über den schuppigen Finger ihres Kameraden, der daraufhin erleichtert aufatmete. Dennoch hatte sich die Lage dadurch kaum geändert. Da die Fechterin starke Offensivmagie beherrschte, wandte sich die Priesterin an sie.​
»Mit Blitzschlag ...«​
»Nein«, unterbrach Goblin Slayer sie.​
»Sie braucht ihn noch für später.«​
Die Fechterin schaute den Krieger fragend an, doch da sein Gesicht von dem Helm verdeckt war, konnte sie nicht erahnen, was er vorhatte. Er zog seine Handschuhe aus, um seine Fingerspitzen zu kneten, und zog sie dann wieder an.​
»Ich werde gegen den Anführer kämpfen. Unterstützt mich.«​
»Geht klar!«, antwortete der Zwerg sofort.​
»Schnee ist schließlich auch nur Wasser. Ich kann ihn gut mit Erde vermischen!«​
Er blieb ruckartig stehen und drehte sich den Verfolgern zu. Dann rammte er beide Hände, in denen er jeweils Lehmklumpen als Katalysator hielt, in den tiefen Schnee.​
»Gnome, Undine, erzeugt für mich ein wunderbares Kissen!«​
Der Schnee verwandelte sich in Wasser und vermischte sich mit dem Lehm, um eine breite Schlammschicht zu bilden, auf der die ersten Goblins kreischend ausrutschten und zu Boden fielen.​
»GAROBA?!«
»ORAG?!«​
Allerdings machte der Goblin Paladin einen Strich durch die Rechnung der Abenteurer.​
»ORAGARARAU!!«​
Er sprach ein Gebet und plötzlich waren seine Untergebenen von einem Licht umhüllt und konnten ohne Probleme den Schlamm überwinden.​
»Wa ... Was?!«​
Der Zwerg konnte seinen Augen nicht glauben. Niemals hätte er gedacht, dass sein Gegner das Wunder „Gegenmagie“ beherrschte.​
»Diese unverschämten Biester!«​
»Dann muss ich ihnen wohl mit Pfeil und Bogen Einhalt gebieten!« Die Waldläuferin ließ einen Pfeil von ihrem Bogen schnellen, der zielsicher auf den Goblin Paladin zuraste.​
»GAROARO?!«​
»Ah!«​
Die Elfe rief erschrocken auf, als sie erkannte, dass in letzter Sekunde einer der Untergebenen vor den Paladin gesprungen war und sich geopfert hatte.​
»Ach, verdammt! Dabei hatte ich ihn so schön im Visier!«​
»Ihre Zahl ist gesunken. Wir tauschen«, sagte Goblin Slayer.​
Einer der Goblins, der schon nah herangekommen war, wurde von einem fast schon mechanischen Schwertstreich erledigt. Dann warf der Krieger seine Waffe, um einen weiteren niederzustrecken. Geschickt trat er dann einen auf dem Boden liegenden Speer in die Luft und fing ihn auf. Er schwang die Waffe zur Kontrolle und nahm dann wieder die Flucht auf.​
»Acht, neun. So können wir nicht zurück zum Dorf laufen. Auf dem Weg gab es ein Tal, oder?«​
»Wenn ich mich richtig erinnere, sollte es nicht weit entfernt sein«, meinte der Echsenmensch.​
»Gut, dann dort.«​
Goblin Slayer drehte sich um und warf den​
Speer. Er traf den vordersten Gegner an der Brust.​
»Hier, Bartschneider.«​
»Danke.«​
Der Zwerg zog ein Schwert aus dem Bündel Waffen, das er auf dem Rücken trug, und warf es dem Krieger zu. Dieser fing es aus der Luft und schlug damit zwei Gegner nieder. Da die Klinge dann schon wieder von dem Blut und Fett der gegnerischen Körper stumpf geworden war, drehte Goblin Slayer sie um und nutzte den Knauf und Parier der Waffe, um einem Goblin den Kopf einzuschlagen. Dann schüttelte er die Waffe kurz, um Gehirnreste zu entfernen, und schwang sie erneut. Der Parier bohrte sich durch die seltsam verzierte Rüstung eines weiteren Goblins und riss ihm den Bauch auf. Goblin Slayer ließ die Waffe los und murmelte:​
»Vierzehn!«​
»Hier, die nächste! Möchtest du lieber eine Spitzhacke oder einen Spaten?!«​
»Das ist doch egal. Gib ihm einfach irgendwas!«​
Die Elfe hielt dem Krieger den Rücken frei, während er die Waffen wechselte. In unglaublicher Geschwindigkeit zog sie drei Pfeile aus ihrem Köcher und feuerte sie auf die nächsten Verfolger ab, die mit durchbohrten Schädeln zu Boden fielen. Damit waren es siebzehn.​
»Gib mir eine lange Waffe.«​
»Also den Spaten!«​
Sobald der Krieger ihn in der Hand hatte, ließ er ihn mit voller Wucht durch die Luft sausen. Die Spitze rammte sich in den Körper eines Goblins und tötete ihn. Um die wertvolle Zeit zu nutzen, begannen die beiden weiblichen Abenteurer, den Echsenmenschen bei der Flucht zu unterstützen. Sie positionierten sich jeweils seitwärts hinter ihm und gaben ihm Anschub.​
»Ich bin euch zutiefst verbunden!«, bedankte sich der Mönch, während die Priesterin und die Fechterin ihre ganze Körperkraft aufwendeten, um ihn zu unterstützen.​
Goblin Slayer hatte in der Zwischenzeit den Spaten als Wurfspeer genutzt und einen weiteren Gegner getötet.​
»Neunzehn!«​
Die Abenteurer setzten ihren Rückzugskampf verzweifelt fort und jeder tat, was er konnte. Auch wenn das Atmen und die Körper immer schwerer wurden, gaben sie nicht auf. Nummer zwanzig mit dem Schwert. Dann wurden es vierundzwanzig durch die Pfeile der Elfe. Fünfundzwanzig mit einer Axt. Siebenundzwanzig mit einem Hackbeil und dann wieder einer mit einem Pfeil. Seitdem die Sonne ihren Aufstieg zum Horizont begonnen hatte, waren schon nahezu dreißig Goblins gestorben, doch es war noch immer nicht vorbei. Das morgendliche Licht und das Blut der kleinen Bestien hatten im weißen Schnee ein brutales Gemälde hinterlassen. Abenteurer oder Goblins: Dieser Kampf würde nicht enden, bis eine Seite komplett aufgerieben war.​
»Rennt weiter«, rief Goblin Slayer, als sie endlich das Tal erreicht hatten.​
»Ich werde sie hier erledigen.«​
»Kannst du das denn allein?«, fragte der Echsenmensch.​
Er hielt die beiden Gefangenen nun direkt vor sich und nutzte seinen Körper als Schild.​
»Ich muss es tun. Wir können sie nicht bis ins Dorf führen.«​
»Bartschneider, mir sind aber eben die Waffen ausgegangen«, warf der Zwerg von der Seite ein und zuckte mit den Schultern.​
»Dann nimm diese Waffe, werter Goblintöter.«​
»Danke.«​
Der Echsenmensch hatte eine Scharfkralle beschworen und warf sie dem Krieger zu. Damit hatte der Mönch seine Wunder verbraucht.​
»Ich würde dich gerne unterstützen, Orcbolg, aber ich habe keine Pfeile mehr.«​
Die Elfe seufzte tief. Sie hatte all ihre Geschosse auf der Flucht verschossen und auch wenn sie nichts weiter als Äste und Stöcke​
brauchte, um neue Pfeile anzufertigen, war in dieser weißen Einöde nichts dergleichen zu sehen.​
»Verwende meine Schleuder.« Goblin Slayer griff in seine Tasche und reichte seiner Kameradin die Schleuder zusammen mit einem Beutel voller Steine.​
»Ich mag aber keine Steine schleudern ...«​
Die Elfe verzog das Gesicht und ließ traurig die langen Ohren hängen. Doch obwohl sie sich beschwerte, wickelte sie einen Stein in die Schleuder.​
»Das sagst du doch nur, weil du damit nicht umgehen kannst, Langohr. Ich glaube, ich könnte auch meine Zauber aufbrauchen. Was denkst du, Bartschneider?«​
»Ich sehe keinen Grund, warum du sie länger aufsparen solltest.« Der Schamane wirkt erneut Fessel und erzeugte damit ein Feld aus Schlamm, weshalb der Goblin Paladin noch einmal Gegenmagie einsetzte. Nichtsdestotrotz gewannen die Abenteurer so ein wenig mehr Zeit. Die Priesterin eilte an die Seite Goblin Slayers, der erschöpft schnaufte.​
»Goblin Slayer, ein Trank ...«​
»Danke ... Spare dir dein Wunder auf, okay?«​
»Ja, verlass dich auf mich.«​
Der Krieger zog den Stöpsel aus dem kleinen Fläschchen, das ihm gereicht wurde, und kippte sich die Flüssigkeit in den Hals. Die Priesterin überprüfte währenddessen die Schnallen seiner Rüstung, entfernte Schnee und Dreck von ihr und sprach für ihn und den Rest der Gruppe ein Gebet.​
»Höchst barmherzige Erdmutter, bitte schenke uns deinen Segen ...«​
Es war kein Wunder, doch Goblin Slayer würde nie so weit gehen und sagen, dass es unnötig war. Jemand tat etwas für ihn und dafür war er dankbar. Während der Heiltrank seine Wirkung entfaltete, warf er das Fläschchen in den Schnee. Er schaute in die Ferne zu den ins Tal drängenden Goblins.​
»Ich habe einen Plan.«​
»Ja?«, nahm die Priesterin seine Worte ehrlich an.​
»Ich überlasse dir, wann du Schutzwall einsetzt. Außerdem ·.«​
Goblin Slayer richtete seinen Blick auf die adlige Fechterin, die einmal tief ein- und ausatmete.​
»Wenn ich dir das Zeichen gebe, schießt du.«​
Das honigfarbene Haar der Adligen wippte nach vorne, als sie kräftig nickte. »Verstanden.«​
Goblin Slayer schaute einmal kurz in den Himmel, wo die Götter gerade ihre Würfel warfen, und sagte:​
»Lasst uns anfangen.«​
Er stürmte auf die sie verfolgenden Goblins los, während die Elfe begann, Steine nach ihnen zu schleudern. Sie war unerfahren darin, doch sie schaffte es, die kleinen grünen Biester zu treffen.​
»IGARURUARARA!!«​
Der Goblin Paladin war außer sich vor Wut und stürzte sich höchstpersönlich auf den Krieger.​
»IGRUAA!!«​
Als die silberne Klinge und die Scharfkralle aufeinander krachten, flogen Funken über die verschneite Ebene. Der Goblin schaffte es, die Waffe Goblin Slayers herunterzudrücken, weshalb dieser einen Schritt zurückwich. Die Bewegungen der beiden Gegner wirbelten Schneewolken vom Boden auf. Der Goblin schmiss sich auf Goblin Slayer, der es schaffte, den Angriff zu parieren.​
»Du hast dazugelernt.«​
»IGAROU!«​
Der Krieger trat etwas Schnee in die Luft, um den Paladin zu blenden, und schlug mit seinem Schild zu, doch Metall traf auf nichts weiter als Metall. Der Goblin Paladin musste instinktiv seinen eigenen Schild hochgerissen haben.​
»...!«​
»GROOB!!«​
Während die beiden knirschend ihre Schilde aneinander drückten, bewegten sie sich im Kreis, bis der Paladin eine Lücke in der Verteidigung seines Gegners erkannte. Er stieß mit seiner Klinge nach dem Unterschenkel des Menschen, der deswegen einen Satz nach hinten machen musste. Er festigte den Griff um seine Waffe und fixierte den Gegner mit seinem Blick, als plötzlich ...​
»GRARAB!!«​
Mit einem Klack traf ein Pfeil den Helm des Kriegers und prallte von ihm ab. Einige Untergebene des Goblins befanden sich in der Nähe und ein Bogenschütze hatte die Situation nutzen wollen, um den Menschen zu erledigen.​
»So etwas gehört sich nicht!«, schimpfte die Elfe aus der Ferne und schleuderte einen Stein, der jedoch den angepeilten Goblin verfehlte und stattdessen einem anderen den Schädel einschlug. Erst das nächste Geschoss erwischte den Bogenschützen an seiner Schulter und zertrümmerte sie ihm.​
»GRAORURURU...!«​
Die Goblins waren dadurch aber natürlich nicht aufzuhalten. Wahrend einige die restlichen Abenteurer verfolgten, beobachteten andere ihren Anführer beim Kämpfen. Ihnen war eigentlich egal, wer gewann. Hauptsache, der Abenteurer starb. Wenn nicht durch ihren Paladin, dann eben durch sie, wenn sie sich nach seinem Sieg auf ihn stürzen würden. Goblin Slayer konzentrierte sich in diesem Moment nur auf den Gegner vor ihm. Er senkte seine Hüfte, drehte seine Waffe im Handgelenk und hob seinen Schild. Es war die gleiche Kampfhaltung, wie er sie bereits auf der Festungsmauer eingenommen hatte und der Paladin erkannte sie. Ein dreckiges Lächeln legte sich auf sein Gesicht.​
»ORAGARARARA!!«​
Mit einem grässlichen Kampfschrei schmiss sich der Anführer der Bestien auf seinen Gegner. Immer wieder stieß er mit seiner Klinge aus Aluminium auf den Abenteurer ein, der sie mit seinem Schild blockte. Doch ein billiges Schild konnte einer Waffe von solch einem Kaliber nur für kurze Zeit standhalten, weshalb schließlich das Unausweichliche geschah: Das Schwert durchdrang das Schild und seine Spitze bohrte sich durch den Arm des Abenteuers in seine Schulter.​
Der Paladin merkte, wie Fleisch zerrissen wurde, und sah das Blut des Abenteurers die Klinge seiner Waffe herablaufen. Er hörte ein leichtes Stöhnen, was er als unterdrückten Schmerzensschrei seines Gegners bewertete. Siegessicher begann der Anführer der Goblins zu lachen.​
»Du bist drauf reingefallen.«​
Der Paladin hatte es noch nicht bemerkt, doch seine Waffe steckte fest. Er drückte fester zu, um seinen Gegner noch mehr zu verletzen, doch der Parier der Waffe hatte sich im Schild des Kriegers verfangen.​
»ORAGA?!«​
Goblin Slayer nutzte die Verwirrung seines Gegners und zog ihn näher an sich heran. Es lief alles genau so, wie er es geplant hatte. Warum sonst hätte er dem Goblin die Möglichkeit geben sollen, ihn zu verletzen? Der Goblin Paladin schaute in den düsteren Helm seines Gegners. Er erkannte das Leuchten roter Augen.​
»Goblins sind dumm, aber eigentlich nicht töricht. Du hingegen bist ein Tor!«​
»AGARARARARA!!«​
Goblin Slayer schwang die Scharfkralle und rammte sie in die Kehle des Goblin Anführers. Sein dreckiges Blut spritzte heraus und besudelte den Krieger von oben bis unten.​
»GORA, U …?!«
»GROB! GROB?!«​
Die restlichen Goblins waren noch dabei zu begreifen, was gerade passiert war, als Goblin Slayer seinen Blick auf sie richtete. Es würde keinen besseren Moment als diesen geben. Der Krieger brüllte:​
»Schieß!«​
Die Fechterin reagierte sofort.​
»Tonitrus ... Oriens ... Iacta!«
Donnernd schlug ein Blitz ein, doch er traf keinen der Goblins. Stattdessen bohrte er sich in die Spitze des Berges. Es folgte ein Donnern und dann begann die Erde zu beben.​
»Hey, ist das nicht gefährlich?«, fragte die Elfe nervös.​
»Ich habe ein ungutes Gefühl dabei«, gab der Zwerg beunruhigt zurück.​
»Hm.« Der Echsenmensch nickte. »Da kommt sie schon.«​
Mit Geräuschen, die an die Kriegstrommeln einer Armee oder an die einer heranstürmenden Kavallerie erinnerten, rollte eine Lawine auf das Tal, in dem sich die Abenteurer befanden, zu. Auf einen Schrei der weiblichen Abenteurer reagierte die Elfe mit einem nüchternen:​
»Ach, verdammt noch mal!«​
»GARAOROB?!«
»ORARAGURA?!«​
Die Goblins brüllten wie verrückt, als die Schneemassen sie zu überrollen begannen. Die Priesterin hingegen wusste, dass sie jetzt an der Reihe war, und stellte sich vor ihre Kameraden. Sie hielt ihren Stab in die Höhe und fing an zu beten.​
»Höchst barmherzige Erdmutter. Bitte beschütze uns Schwache mit deiner Erde!«​
Die heranrasende weiße Welle wurde von einer unsichtbaren Barriere aufgefangen und in zwei Teile gespalten. Die Erdmutter schenkte ein Wunder, das die Abenteurer rettete. Einer von ihnen jedoch wurde gemeinsam mit den Goblins vom Schnee begraben, weil er zu weit von den anderen weg war. Die Priesterin streckte ihre Hand nach ihm aus und schrie, so laut sie konnte:​
»Goblin Slayer!«​
Im nächsten Moment war nichts mehr von ihm zu sehen.​
***
»Was ist mit ihm?!«​
Die Erste, die sich wieder erhob, war die Fechterin. Trotz Schutzwall hatte die Lawine die Abenteurer umgeworfen, doch sie waren nicht vom Schnee begraben worden. Dort, wo gerade noch der Kampf stattgefunden hatte, war nichts mehr zu sehen.​
»Wo ist er? Wo ist Goblin Slayer?«​
Sie suchte die Umgebung nach dem sonderlichen Krieger ab, doch konnte ihn nicht finden.​
»Bestimmt ist er vom Schnee mitgerissen worden und weiter unten am Berg«, mutmaßte die Priesterin, als sie sich neben die Adlige stellte.​
Sie zeigte hinter sich ins Tal, wo einzelne Goblin Beine und Arme aus dem Schnee herausragten.​
»Das kann gut sein«, erwiderte die Elfe mit zuckenden Ohren.​
»Aber verhaltet euch lieber ruhig. Nicht, dass sich noch weitere Schneemassen lösen.«​
»Dann lasst uns doch nachschauen gehen«, warf der Echsenmensch ein und überprüfte, ob die befreiten Gefangenen in Ordnung waren.​
Dann legte er die Hände zu einer sonderlichen Form zusammen und dankte seinen Vorfahren.​
»Es war keine besonders große Lawine, deswegen sollte er nicht allzu weit weg sein.«​
»Macht ihr euch keine Sorgen?«​
»Natürlich machen wir uns welche. Er ist schließlich unser Kamerad«, erwiderte der Zwerg auf die überraschte Frage der adligen Fechterin und gönnte sich einen Schluck aus seiner Trinkflasche.​
»Aber nun ja ...«​
»Er ist eben Goblin Slayer«, beendete die Priesterin den Satz für den Schamanen und lächelte.​
Die Fechterin wusste nicht, was die anderen damit meinten, und entschloss sich loszugehen. Vorsichtig begann sie, den Berg hinabzusteigen. Sie fühlte sich schuldig für das, was Goblin Slayer passiert war. Wenn sie nicht so egoistisch darum gebeten hätte, das Schwert zurückzuholen, dann hätte der Krieger niemals so vorgehen müssen. Weil alles vorbei war ... Nein, weil sie der gesamten Entwicklung der Dinge beigewohnt hatte, wusste sie endlich, wofür sie alles verantwortlich war. Den Tod ihrer Kameraden. Den Angriff aufs Dorf. Die verspätete Rettung der Gefangenen. Und nun auch Goblin Slayer. Das alles wäre nicht passiert, wenn sie vorsichtiger vorgegangen wäre. Nein, wenn sie gar nicht erst Abenteurerin geworden wäre. Sie hielt inne und schaute auf den Boden vor ihr, wo sich etwas bewegte.​
»Ah ...!«, entwich es ihr lauter als gewollt. Sie hielt sich schnell die Hand vor den Mund, um den Schrei zurückzuhalten, und näherte sich dem Wesen.​
»Das war ein Fehler.«​
Es war Goblin Slayer und er fing an sich aufzurichten. Er sah arg mitgenommen aus.​
»Ich hätte nicht nur ans Atmen, sondern auch an den Aufprall denken müssen.«​
»Go... Goblin ... Slayer?«​
Die Fechterin wollte ihren Augen nicht glauben, als sie den Krieger vor sich stehen sah.​
»Ja, und?«​
»Hast du nichts anderes zu sagen?«, rief die heraneilende Elfe ihm entgegen.​
»Hmpf ... Euch geht es also gut?«​
»Du weißt schon, dass es ein Wunder ist, dass du noch stehst?«​
Die Waldläuferin fasste sich an den Kopf, als hätte sie Kopfschmerzen. »Deshalb hattest du diese ganzen Ringe der Atmung dabei.«​
Die Adlige schaute auf den Ring herab, den der Krieger ihr gegeben hatte. Er hatte schon längst seine Wirkung verloren, doch das war es nicht, worüber sie sich gerade wunderte.​
»War das von Anfang an dein Plan?«​
»In gewisser Weise schon.«​
»Deshalb ist Goblin Slayer halt Goblin Slayer. Wir sind das schon gewöhnt. Trotzdem wünschen wir uns, dass er uns so etwas vorher erklären würde«, sagte die Priesterin in tadelndem Ton.​
»Wir waren wirklich überrascht.«​
»Red keinen Unsinn«, entgegnete der Krieger.​
»Unser Gegner war ein intelligenter Goblin. Was hätten wir gemacht, wenn er von meinem Plan Wind bekommen hätte?«​
»Trotzdem könntest auch du dir ab und an mal Gedanken darüber machen, was du uns mit deinem Verhalten antust, oder?«​
»Hmpf ·.•​
»Könntest du uns das nächste Mal vorher sagen, was du planst?«​
»Ja, okay«, antwortete er kurz. Aufgrund seines Tonfalls konnten sich alle gut vorstellen, dass der Krieger unter seinem Helm einen mürrischen Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte.​
Der Echsenmensch stieß ein freudiges Zischen aus.​
»Meine Güte, werter Goblintöter. Anscheinend zeigen deine Taktiken keine Wirkung bei der Priesterin.«​
»Du solltest dir besser merken, Schuppiger, dass Frauen furchteinflößender sein können als jeder Drache.«​
»Ha ha ha! Das klingt in der Tat nach einer großen Wahrheit!«​
Der Echsenmensch und der Zwerg lachten sich an. Auch wenn sie vollkommen erschöpft waren, ließen sie sich davon nicht runter ziehen. Bei dem Anblick der beiden schüttelte die Elfe ihren Kopf und schaute zur Fechterin, die ihren Blick in den Himmel gerichtet hatte.​
»Ich habe viel zu sagen, aber belassen wir es erst mal dabei, dass das ein ganz schönes Abenteuer war.«​
Ein Abenteuer. Die Fechterin wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Sie hatte eine eigene Vorstellung von Abenteuern gehabt, doch mit der hatte sie falsch gelegen. Die Kameraden, mit denen sie zu ihrem ersten Abenteuer aufgebrochen war, gab es nicht mehr.​
»Hey.«​
Die Fechterin drehte sich zu der brummigen Stimme hinter ihr um.​
»Hier.«​
Es war Goblin Slayer und er hatte gerade etwas aus dem Schnee hervorgeholt. Es glitzerte im Schein der Sonne. Es war die Scheide ihres Schwerts. Brutal zog er die dazugehörige Waffe aus seinem Schild heraus. Er wischte das Blut von der Klinge, steckte das Schwert in die Scheide und reichte es ihr. »Das Schwert hatte ich sichergestellt, aber die Scheide war an der Hüfte des Goblin Paladins und wurde mit ihm fortgerissen.«​
»A... Ah ...«​
»Die Lawine war wirklich ein Fehler.«​
Die Fechterin umklammerte das Schwert. Es fühlte sich schwer an. Sie merkte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen, doch sie konnte nichts dagegen tun. Nach und nach begannen die kleinen Wassertropfen auf das Schwert zu fallen.​
»Du weinst wirklich häufig«, sagte Goblin Slayer emotionslos. Das Schwert umarmend, begann die Adlige laut zu schluchzen.​


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Edward Teach

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Intermission XVII
Wie die Götter erleichtert aufatmeten.


Illusion und Wahrheit schauten kurz vom Spielbrett auf und sich gegenseitig ins Gesicht. Sie mussten beide breit grinsen und gaben sich ein High Five. Illusion strahlte übers ganze Gesicht, während Wahrheit sich zufrieden zurücklehnte. Es war ihnen auch diesmal gelungen, das Abenteuer erfolgreich zu beenden. Die Taten der Abenteurer würden bald in aller Munde sein und der tapfere Kampfesmut der Monster würde dabei auch nicht vergessen werden. Wahrend Illusion und Wahrheit sich freuten, scharrten sich auch die anderen Götter um sie. Chaos, Ordnung, Furcht, Zeit, Tod und selbst Leere waren dort! Es wurde gefeiert und alle freuten sich. Selbst die Götter wussten nicht, ob die Würfel zugunsten von Schicksal oder Zufall fielen. Immer wieder gab es gute und schlechte Würfelergebnisse, über die man sich freute und ärgerte. Die einen führten zum Sieg der Monster, die anderen zum Sieg der Abenteurer. So war es nun mal. Man konnte weinen oder lachen, aber die Würfel interessierte das nicht. Aber was wäre schon ein Abenteuer, bei dem man die Ergebnisse der Würfel vorhersagen konnte?​

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Edward Teach

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Kapitel 48
Ein neuer Morgen.


»Damit haben wir ein weiteres Jahr überlebt, ohne zu sterben!«​
Die fröhliche Stimme der Gilden Angestellten schallte durch die Schenke. »Wir bedanken uns bei den Göttern des Schicksals und des Zufalls, des Chaos und der Ordnung, und werden heute ordentlich auf den Putz hauen!«​
»Ein frohes neues Jahr!«​
Unter wildem Gejubel rissen die Abenteurer ihre Krüge in die Höhe, stießen damit an und fingen an zu trinken. Die Schenke der Gilde war prall gefüllt und die Abenteurer freuten sich, nach einem langen Winter hier das neue Jahr zu begrüßen.​
»Letztes Jahr habe ich immer mein Bestes gegeben!«​
»Das ... stimmt ·..«​
»Ich habe wild meinen Speer herum geschwungen, Monster vertrieben und sogar Erfahrungen mit Magie gesammelt.«​
»Ich weiß ... Ich weiß ...«​
»Deswegen möchte ich nicht, dass man mich mit einem komischen Kerl vergleicht, der nichts weiter macht, als Goblins zu töten.«​
»Ja... das hast du toll gemacht ...«​
Der Speerkämpfer saß neben der Hexe und prahlte mit seinen Heldentaten. An einem anderen Tisch unterhielt sich die Gruppe des Panzerkriegers über die Liebesaussichten ihres Anführers.​
»Du solltest auch bald mal heiraten.«​
»O... Okay ... Nein, redest du etwa von dem Brief, den du neulich von deiner Mutter bekommen hast?«​
»Die Liebe zu den Eltern gebietet es eigentlich, dass man ihnen keine Sorgen macht ...«​
»Ich habe keine Eltern mehr. Das solltest du wissen.«​
»Hey ... Hast du mir zugehört?«​
»Ja, ja, ja. Ich hab es gehört, aber das ist doch nur das Gequatsche eines Betrunkenen.«​
»Sie ist die Braut von deren Anführer. Du solltest also was machen.«​
»Ich muss da zustimmen.«​
»Übernimm endlich mal Verantwortung. Wir können uns darum schließlich nicht kümmern.«​
»Ich werde nicht von meinem Schwur als Heilige Ritterin des Rechts und der Ordnung abweichen!«​
»So ein Mist! Die interessiert doch gar nicht, was wir sagen!«​
Schließlich griff jemand mit einem Geschick für Musikinstrumente voller Leidenschaft in die Saiten. Nach und nach stimmten die Abenteurer mit ein.


»Oh, Abenteurer.
Es ist beschämend, dass du gestorben bist.
Auf deinem Grabstein werden nur vier Zeichen stehen.
Abenteurer, ich kenne deinen Namen nicht.
Du bist gestorben, ohne deinen Namen zu hinterlassen.
Abenteurer, hättest du mich doch einen Kameraden genannt.
Oh, mein Freund.
Es ist beschämend, dass du gestorben bist.«

Viele glaubten, dass alle Abenteurer Hedonisten waren und nicht daran dachten, was am nächsten Tag passieren würde, doch das stimmte nicht ganz. Viele Veteranen hatten in ihrer Zeit Kameraden sterben sehen und wussten nur zu gut, was sie jederzeit erwarten könnte. Allerdings wussten sie auch, dass sie nichts davon haben würden, wenn sie lange trauerten. Wer seine Erfahrungen nicht verarbeiten konnte, um sich weiterzuentwickeln, der würde als Abenteurer nicht lange durchhalten.​
»Menschen lassen es wirklich gerne krachen«, sagte die Elfe, die das rege Treiben in der Schenke beobachtete.​
»Immer wieder finden sie Gelegenheiten, um sich ordentlich zu besaufen. Sie sind fast wie Zwerge.«​
»Obwohl du das sagst, findest du das gar nicht so schlecht, oder, Langohr?«​
Der Zwerg hielt eine geröstete Hähnchenkeule in seiner Hand und grinste vergnügt. Es gab ordentlich zu essen und ordentlich zu bechern, er konnte sich also nicht beschweren.​
»Ach, da Neujahr ist, will ich mal ein Auge zudrücken.«​
Die Waldläuferin blinzelte dem Zwerg mit einem Auge zu und gönnte sich einen großen Schluck von ihrem Traubenwein. Danach schaute sie rüber zur Fechterin, die an einem anderen Tisch saß.​
»Und weißt du, was du jetzt machen willst?«​
»Ja ...«​
Die Adlige nickte leicht. Ihre Haare waren schon wieder ein wenig gewachsen und wenn sie noch etwas länger würden, wäre vom Brandmal nichts mehr zu erkennen.​
»Ich werde mich mit meinen Eltern treffen und mit ihnen reden.«​
Trotz ihres traurigen Gesichtsausdrucks versuchte sie, ein wenig zu lächeln. Sie trug einfache Kleidung und hatte an ihrem Gürtel das Schwert und den Dolch befestigt. Sanft strich sie mit den Fingerspitzen über das Schwert. »Außerdem werde ich Gräber für meine Kameraden anlegen. Was ich dann mache, überlege ich mir hinterher.«​
»Ja, das verstehe ich. Familie und Freunde sind wichtig.«​
»Die Zeiten des Eises sind vergangen und die Ära meiner Vorfahren ferne Vergangenheit, doch ihr Blut ist noch immer hier.«​
Der Echsenmensch sprach ein Gebet, bevor er sein Maul aufriss und in ein Stück Käse biss.​
»Was für ein Festschmaus! Es mögen vielleicht nicht alle von deinem Blut gute Wesen sein, doch diese Bande solltest du wertschätzen.«​
»Ja ... Also ...«​
Die Fechterin wurde rot im Gesicht.​
»Ich werde ... einen Brief schreiben ...«​
»Ja. Uns kannst du auch immer schreiben«, antwortete die Priesterin darauf.​
Sie war bis vor Kurzem noch mit Aufgaben im Tempel beschäftigt gewesen und hatte gebadet, weshalb ihr Körper noch warm war. Sie griff sich die Hand der Fechterin und drückte sie fest.​
»Ich werde dir ganz viele Antworten schreiben.«​
»Ja ... Ich werde dir ... auch schreiben ...«​
»Ach, ich auch! Ich wollte schon immer mal einer Freundin einen Brief schreiben.«​
Und so wurde es immer lebhafter um die Fechterin herum. Die Gilden Angestellte beobachtete das Ganze mit einem Lächeln. Sie saß zusammen mit der Kuhhirtin an einem Tisch nahe den Abenteurern.​
»Ha ha ha, die verstehen sich gut, nicht wahr?«​
»Ja ... Vielleicht sollte ich ihr dann auch einen Brief schreiben ...«​
In der ungezwungenen Gesellschaft hatte die Kuhhirtin sich quer über den Tisch gelegt.​
»Bei der Arbeit auf dem Bauernhof treffe ich kaum wen im gleichen Alter.«​
»Als Angestellte der Gilde ist das aber auch nicht anders«, erwiderte die Gilden Angestellte und pikste ein Stück Wurst mit einem Zahnstocher auf, das sie dann in Senf tunkte und sich in den Mund steckte.​
»Es ist nicht empfehlenswert, sich mit Abenteurern anzufreunden ...«​
Auch wenn sie das sagte, hatte die Beamtin selbst genau das getan. Sie hatte keinen regelmäßigen Kontakt zu der Priesterin und der Elfe, doch sie traf sich immer mal wieder mit ihnen und der Kuhhirtin.​
»Es wäre toll gewesen, wenn der werte Goblintöter auch gekommen wäre ...«, murmelte der Echsenmensch.​
»Das ist wahr. Es kommt nur selten vor, dass man mit Bartschneider einen heben kann.«​
Der Zwerg hatte seinen Kopf auf seinem Arm abgestützt und dachte nach. Kurz darauf richtete er sich ruckartig auf und schnipste mit seinen Fingern.​
»Ich habe ein Ziel fürs nächste Jahr.«​
»Geh es lieber etwas ruhiger an ... Der Typ ist sowieso ein komischer Vogel«, warf die Elfe in die Runde.​
»Orcbolg mag einfach ausgelassene Feiern wie diese hier nicht.«​
»Das liegt aber nicht daran, dass er mit Alkohol nichts anfangen kann. Wo mag er wohl sein?«, fragte die Priesterin.​
»Ach ...«​
»Hm ...«​
Die Kuhhirtin und die Gilden Angestellte gaben verdächtige Laute von sich.​
»Als Kindheitsfreund möchtest du ihn bestimmt nicht abgeben, oder?«​
»Ha ha ha, wenn ich das verneinen würde, wäre das eine Lüge.«​
Die Kuhhirtin nahm einen Schluck von ihrem Getränk.​
»Aber im neuen Jahr könnte ich ihm zumindest ein wenig Freiraum lassen.«​
»Das wäre zu freundlich.«​
Es war ein rätselhafter Wortwechsel, der die Priesterin vollkommen verwirrte. Während sie darüber nachdachte, was das alles bedeuten könnte, holte die Kuhhirtin einen Korb hervor, der neben ihr gestanden hatte, und wandte sich an die Priesterin.​
»Dann könnte ich dich vielleicht um einen kleinen Auftrag bitten?«​
»Einen Auftrag?«​
»Genau.«​
»Ähm, bin ich dafür die Richtige?«​
»Ach, ist das etwa ein Verpflegungspaket?«, fragte die neugierige Elfe und mischte sich in das Gespräch der beiden ein. Sie warf einen Blick in den Korb.​
»Brot und ein Topf ... Soll der irgendwo hingebracht werden? Ich kann gerne mitkommen.«​
»Das ist zu freundlich von Ihnen, aber ich glaube, das schafft die Priesterin allein«, blockte die Gilden Angestellte das Angebot der Waldläuferin ab.​
Bevor diese sich weiter beschweren konnte, schenkte die Beamtin ihr Traubenwein nach, dem sie nicht widerstehen konnte. Da das Thema geklärt war, verbeugte sich die Kuhhirtin leicht vor der Priesterin und sagte:​
»Dann bitte ich dich darum.«​
»Aber wo soll der Korb denn hin?«​
»Wahrscheinlich zum gleichen Ort wie immer ...«​
***
Abseits von der Stadt und weit entfernt vom Bauernhof auf einer weiten Ebene wirbelte ungestört das Schneetreiben. Mitten auf dieser Ebene stand ein kleines Zelt mit einem schwachen Lagerfeuer davor, das auch gleichzeitig die einzige Lichtquelle war. Es war zwar bereits ein neuer Tag angebrochen, doch es würden noch einige Stunden vergehen, bevor die Sonne aufging. Neben dem Feuer saß ein einzelner Mann, der schnell sein Gesicht hob, als er merkte, dass sich jemand näherte.​
»Es gibt hier keine Goblins. Du kannst ruhig herkommen.«​
»Von wegen, du kannst ruhig herkommen ...«​
Auf den Zuruf von Goblin Slayer trat die Priesterin näher. Sie war aus der Stadt fast eine Stunde her marschiert und hauchte sich immer wieder in ihre Hände. Obwohl sie einen Poncho trug, war ihr äußerst kalt.​
»Was machst du hier?«​
»Ich halte Wache. Während ihr mit den Neujahrsfeierlichkeiten beschäftigt seid, wäre es gut möglich, dass Goblins angreifen.«​
Beim Erntefest hatte er das Gleiche gesagt, oder? Als das Mädchen sich daran erinnerte, bekam sie ein ungutes Gefühl.​
»Könnte es sein, dass du das jedes Jahr machst?«​
»Was für eine dumme Frage ...«​
»D... Das mag sein ...«​
»Es gibt doch jedes Jahr ein Neujahr.«​
Der Typ ist wirklich unverbesserlich . . . Da sie ihn bis jetzt schon einige Zeit begleitet hatte, wusste die Priesterin natürlich, dass er das war.​
»Ich mache es jedes Jahr. Es ist gar kein Problem.«​
»Doch, ist es!«​
»Ist das so?«​
Die Kuhhirtin und die Gilden Angestellte konnten nicht hier rauskommen, um bei dem Krieger nach dem Rechten zu schauen, aber es war klar, dass die beiden sich um ihn sorgten. Schließlich genossen alle den Übergang ins neue Jahr, während er allein hier in der Kälte saß.​
»Du hast sogar ein Lager aufgeschlagen, um die ganze Nacht hier sein zu können ...«​
»Die Stadt wurde bereits während des Erntefests überfallen. Es kann genauso gut wieder passieren.«​
Der Priesterin fehlten die Worte. Er redete, als ob er schon einen Goblin beim Kragen gepackt hätte. Während die beiden schwiegen, heulte der Wind erneut auf und wehte etwas Schnee vorbei.​
»Ich habe jetzt schon zehn Jahre meines Lebens mit dem Abschlachten von Goblins verbracht«, murmelte Goblin Slayer.​
Die Priesterin blinzelte. Wenn sie darüber nachdachte ... Sie hatte bisher kaum mit ihm über seine Vergangenheit geredet.
»Nur deswegen bin ich mittlerweile so gut darin, sie zu vernichten ... Allerdings entwickeln sich Goblins auch weiter ...«, erzählte der Krieger leise und stocherte ziellos im Feuer herum.​
»Weißt du, was der Goblin Paladin geplant hatte?«​
»Nein ...«​
»Er wollte Metall schmelzen.«​
»Unmöglich ...«​
Die Stimme der Priesterin zitterte. Sie redete sich ein, dass das wegen der Kälte war. Das war es ganz sicher.​
»Alles andere würde keinen Sinn ergeben ...«​
Der Krieger starrte ins Feuer. Ein komischer Schatten begann auf seinem​
Helm zu tanzen.​
»Eine alte Zwergenfestung ... Ausgrabungswerkzeug ... Das Aluminiumschwert ...«​
Mehr musste der Krieger nicht sagen, damit die Priesterin verstand. Goblins waren nicht dazu fähig, selbst Ideen zu entwickeln, aber sie konnten sie kopieren. Das Mädchen begann, sich eine hochgerüstete Armee der Goblins auszumalen. Es war eine wahnsinnige Vorstellung mit vielen unbekannten Faktoren. Hatte der Paladin eigenmächtig gehandelt? Hatten sie es wirklich auf die Fähigkeiten der Fechterin abgesehen? Hatten sie sich bewusst für die Festung entschieden?​
»Ob diese Welt nun vom Schicksal oder vom Zufall regiert wird, wissen nicht einmal die Götter ...«, murmelte die Priesterin als Antwort.​
Hoch im Himmel schüttelten die Götter die Würfel, doch wie dies die Leben aller beeinflusste, wusste keiner so genau. Deswegen bringt es nichts, darüber nachzudenken. Genauso wenig, wie alle Goblins dieser Welt zählen zu wollen.​
»Egal, wie viele von ihnen ich töte ... Ich darf meine Arbeit nicht schleifen lassen ...«​
Jedoch versuchte dieser Mann, genau dies zu tun. Die Priesterin seufzte kurz.​
»Du bist wirklich unverbesserlich ... Immer nur Goblins dies, Goblins das.«​
»Hmpf...«​
»Wenn du dich nicht mal entspannst, gehst du irgendwann daran kaputt.«​
Sie legte die Hände im Schoß zusammen und drehte ihr Gesicht weg. Dann sagte sie wie ein schmollendes Kind:​
»Anstatt mit uns Spaß zu haben, ist es dir wohl wichtiger, Goblins zu vertreiben, was?«​
»Nein ...«​
»Zumindest zum Neujahr sol. .. Wie bitte?«​
Sie hatte eigentlich mit einer anderen Antwort gerechnet gehabt und daher gleich an - gefangen zu meckern.​
»Ich bin in der Tat nicht gut im Feiern«, sagte der Krieger.​
»Aber ich finde es gut, dass die anderen es tun.«​
Also wirklich .. . Die Priesterin stieß einen tiefen Seufzer aus und ihr Atem wurde zu einem weißen Wölkchen. Dabei haben sie extra dafür gesorgt, dass ich herkommen konnte.​
»Anstatt allein als Krieger herumzuziehen, ist es doch besser, wenn dich jemand unterstützt, oder nicht?«​
»Es ist kalt ...«​
»Ich weiß.«​
»Ach so.«​
Sie hatte ihm geantwortet, wie er ihr normalerweise antwortete, doch Goblin Slayer bewegte seine Hüfte ein wenig zur Seite, um in der Nähe des Feuers Platz für sie zu machen. Sie rutschte nah an ihn heran und breitete ihren Poncho weit auf, damit sie beide gemeinsam hineinpassten.​
»Gut. Lass uns etwas essen und bis morgen früh durchhalten, ja?«​
Auch wenn sie ihm während des Abenteuers noch viel näher gekommen war, schämte die Priesterin sich jetzt ein wenig. Sie wandte den Blick von ihm ab, hängte den Topf über das Feuer und rührte den Inhalt um. Ein warmer, angenehmer Geruch stieg auf, auf den sie sich nun konzentrierte.​
»Es ist anscheinend Eintopf.«​
»Ich habe vergessen, dir eine Sache zu sagen.«​
»Was denn?«​
Goblin Slayer lachte ein wenig.​
»Ich bitte dich auch im neuen Jahr um gute Zusammenarbeit.«​

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Edward Teach

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Prelude V

Los, Abenteurer! Wir brechen auf zu einer Reise! Was wird uns erwarten? Drachen oder Golems? Oder untote Krieger? Vielleicht finden wir auch legendäre Ausrüstung. Mit nur einer Fackel und einem Speer ziehen wir ganz unbeschwert los. Im Westen oder Osten liegt eine Brücke, auf deren anderer Seite vielleicht der Tod wartet, doch das einzig wahre Ziel ist die Liebe. Eine Prinzessin wäre ideal, aber seinen Wunsch bekommt man nur selten erfüllt. Zumindest eine Nacht will man sich jedoch amüsieren. Los, Abenteurer! Wir brechen auf zu einer Reise!​





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Edward Teach

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Kapitel 49
Ein ganz normaler Frühlingstag

Die Jahreszeit war gekommen, in der der Ostwind angenehm wehte. Die Kälte wich langsam der Wärme und die Sonne schien intensiver und länger. Auf einer Ebene, die einen halben Tag Fußmarsch von der Stadt im Grenzland entfernt lag, befand sich ein Abenteurer. Die Ebene hatte außer wild wuchernden Gräsern und verstreuten Büschen nichts von Interesse zu bieten, aber der Abenteurer fiel einem sofort ins Auge. Er trug eine verschmutzte Lederrüstung und einen billigen Eisenhelm. An der Hüfte war ein mittellanges Schwert befestigt und am linken Arm ein runder Schild. Mit stapfenden, emotionslosen Schritten bewegte der Abenteurer sich über die Ebene und steuerte auf ein Ziel zu. Dabei wischte er immer wieder die hohen Gräser beiseite, bis es unter seinem Stiefel knackte. Er kniete nieder und hob ein kleines Stück von etwas sehr Verbranntem auf. Er rieb es zwischen seinen Fingern und es zerfiel zu Staub. Es waren die Überreste von etwas, aber was genau es einst gewesen war, war nicht mehr zu erkennen.​
Idiotisch, dachte sich der Abenteurer und schüttelte seinen Kopf. Knochen würden in dieser Form keine zehn Jahre erhalten bleiben. Und selbst wenn, wessen Knochen sollten das sein?
Ein leichter Windstoß blies über die Gräser hinweg und deutete damit an, dass der Frühling gekommen war. Der Abenteurer hob seinen Blick und schaute der wilden Vegetation in seiner Umgebung dabei zu, wie sie sich im Wind wellenartig bewegte. Als Nächstes richtete er seinen Blick in den Himmel, der blau wie das Meer über ihm thronte.​
»Was soll mir das jetzt sagen ... «​
Der Abenteurer wischte sich die Asche von den Händen. Er wusste, dass dies nicht die letzten Überreste seiner Schwester sein konnten, schließlich war er sich nur allzu bewusst, was mit ihr geschehen war. Einst hatte hier ein Dorf gestanden und bald würde die Ebene einen Trainingsplatz für Abenteurer beherbergen. Auch wenn er selbst einmal ein Bewohner jenes Dorfes gewesen war, würde der Abenteurer nicht mit anderen über diese Pläne reden. Vor allem nicht mit den Zweien vom Bauernhof.​
»Ich sollte wohl zurück ... «​
***
»Hi hi hi ... «​
Die Priesterin strahlte glücklich über das ganze Gesicht. Weil die Monster aus ihrem Winterschlaf erwachten und die im Winter ruhenden Abenteurer ihre Ersparnisse aufgebraucht hatten, war der Frühling eine äußerst geschäftige Zeit für die Gilde, in der es auch viele junge Menschen in die Stadt zog, um Abenteurer zu werden.​
»Okay. Nummer fünf bitte zu Schalter drei!«​
»Ja! Ich würde gerne einen Auftrag aufgeben. In der Kanalisation treibt sich Ungeziefer herum. Kann sich jemand darum kümmern?«​
»Habt ihr eure Ausrüstung kontrolliert? Und was ist mit den Zauberformeln? Den Stab auch? Gut, die Tränke haben wir. Dann mal los.«​
»Entschuldigung. In meinem Dorf sind Bären aufgetaucht. Ja, es sind Grizzlys.«​
Die Angestellten hasteten umher, die Abenteurer riefen laut durch den Saal und Auftraggeber suchten verzweifelt nach Hilfe. Die Stimmung war nicht wirklich mit einem Fest zu vergleichen, aber das Wort lebendig traf es allemal. Die Priesterin, die mitten innerhalb des ganzen Treibens auf einer Bank saß, genoss die Geschäftigkeit und grinste deshalb wie ein Honigkuchenpferd. Die Elfe, die neben ihr saß, langweilte sich jedoch fürchterlich. Sie fragte ihre Kameradin:​
»Wieso hast du eine so gute Laune?«​
»Dass jetzt Frühling ist, heißt, dass ich mein erstes Jahr als Abenteurerin überstanden habe. Glaubst du nicht, dass die Anfänger jetzt zu mir aufschauen werden?«​
»Ach, wirklich? Ist schon so viel Zeit vergangen?«​
»Ja! Es kann sogar gut sein, dass ich bald wieder im Rang aufsteige!«​
Voller Stolz streckte die Priesterin ihre schmale Brust heraus. Die Elfe konnte nur zu gut verstehen, wie sich das Mädchen als jüngstes und auch unerfahrenstes Mitglied ihrer Gruppe fühlen musste, aber sie war nun mal eine Art Mentor für sie und daher musste sie auch dafür sorgen, dass die Priesterin nicht übermütig wurde.​
»Bleib bitte auf dem Boden der Tatsachen. Die Gruppenmitglieder in den hinteren Reihen sind genauso entscheidend wie die vorne.«​
»Ja, das weiß ich doch.«​
Das Mädchen nickte eifrig, was dafür sorgte, dass eine Strähne ihres goldblonden Haares vor dem Gesicht der Waldläuferin umher tanzte. Die Elfe dachte sich, dass die Priesterin wirklich niedlich war, aber behielt das lieber für sich, denn sie wollte nicht, dass der Zwerg etwas mitbekam und das dann nutzte, um sich über sie lustig zu machen. Die Waldläuferin richtete ihren Blick wieder auf das Treiben in der Eingangshalle der Gilde und dachte: Viele von ihnen sind todesmutige Anwärter . . . Nein, ich sollte sie lieber als tapfer bezeichnen …
Eine lange Schlange von Neulingen hatte sich vor der Anmeldung gebildet. Sie setzte sich aus Wesen der verschiedensten Völker zusammen, deren Ausrüstung verriet, dass sie noch nicht auf allzu vielen Abenteuern gewesen sein konnten. Die Rüstungen glitzerten und glänzten genauso wie die Träume ihrer Besitzer in deren Augen.​
»Hm ...«​
Die Elfe wackelte mit ihren Ohren.​
»Vielleicht könnte Orcbolg noch etwas von denen lernen.«​
»Aber Goblin Slayer mag doch nichts, was glänzt«, antwortete die Priesterin und schaute auch zu den Abenteurer-Anfängern herüber, nur um direkt darauf ihr gerötetes Gesicht abzuwenden.​
»Was hast du denn?«, fragte die Waldläuferin verwundert, doch erhielt keine Antwort. Sie schaute mehrmals zwischen den Neulingen und ihrer Kameradin hin und her, bis sie verstand, was Sache war. Die Elfe und die Priesterin waren zwei erfahrene Abenteurerinnen, die dazu auch noch gut aussahen, und wenn die Neulinge eh warten mussten, bis sie dran waren, konnten sie sich auch die Zeit damit vertreiben, die beiden anzuschauen.​
» Wow ... Die sind aber süß...«​
»Es lohnt sich echt, Abenteurer zu werden, wenn man sich dann mit solchen Frauen anfreunden kann ... «​
»Eine Elfe? Nicht schlecht ... «​
Die Waldläuferin atmete schnaufend aus. Wieso achteten sie nur darauf, dass sie eine Elfe war, und nicht darauf, dass sie bereits den Silber-Rang erreicht hatte?​
»Letztes Jahr habe ich mich auch wie sie angestellt ...«​
Während die Elfe ihre Brust herausstreckte, um so den Blick der Anfänger auf ihr Abzeichen zu lenken, umfasste die Priesterin ihres fest. Es war nicht mehr aus Porzellan, sondern aus Obsidian, was bewies, dass sie in ihrem Jahr als Abenteurerin bereits einen Rang aufgestiegen war.​
»So viele wie jetzt waren es da aber noch nicht.«​
Die beiden Abenteurerinnen wussten beide, dass in der Region bald ein neuer Trainingsplatz für Abenteurer entstehen sollte. Der Plan hatte sich aufgrund des Angriffs durch den Goblin Lord und der daraus resultierenden Unruhen verspätet, aber jetzt sollte er so schnell wie möglich in die Tat umgesetzt werden.​
»Hast du deinen Brief gelesen?«​
»Natürlich habe ich das.«​
Um ihre Antwort zu unterstreichen, zog die Waldläuferin einen zusammengefalteten Brief aus ihrer Tasche heraus. Weil er einen schon relativ abgegriffenen Eindruck machte, war die Priesterin sich sicher, dass ihre Kollegin ihn schon viele Male gelesen haben musste.​
»Du trägst ihn mit dir herum?«​
»Aber sicher, schließlich ist er von einer Freundin. Du etwa nicht?«​
»Nein, gerade weil er von einer Freundin ist, habe ich ihn in meinem Zimmer der Erdmutter anvertraut«, antwortete das Mädchen und lächelte.​
Sie beide hatten einen Brief von der adligen Fechterin, mit der sie vor einigen Monaten im Norden eine Goblin Festung ausgehoben hatten, erhalten. Obwohl sie ihre Kameraden verloren hatte und von den Goblins fürchterlich misshandelt worden war, hatte sie es geschafft, sich wieder zusammenzureißen, und gemeinsam hatten sie dem Goblin Paladin das Handwerk gelegt. In den Briefen erzählte sie von ihrer Rückkehr in ihr Zuhause, aus dem sie damals ausgerissen war, um Abenteurerin zu werden.​
»Der Plan mit dem Trainingsplatz kam wohl wegen einer hohen Spende wieder in Schwung.«​
»Ja, es scheint so.«​
Des Weiteren hatte die adlige Fechterin geschrieben, dass sie von nun an nicht mehr als Abenteurerin in erster Reihe kämpfen würde, sondern eher eine unterstützende Rolle einnehmen wolle. Sie hatte es wohl geschafft, sich wieder mit ihrer Familie zu versöhnen.​
»Auch wenn sie ein wenig verändert erscheint, ist sie noch immer fürchterlich rechthaberisch, oder?«​
Obwohl sie so etwas sagte, lag das Wohlergehen der Fechterin der Elfe sehr am Herzen. Vorsichtig steckte sie den Brief zurück in ihre Tasche. Der Priesterin ging es wie ihrer Kameradin. Sie hatten schon allzu häufig erlebt, wie Goblins Schicksale zerstörten, und umso erleichterter waren sie, dass die Adlige ihren Kampfgeist noch nicht verloren hatte. Das Mädchen seufzte kurz und sagte dann:​
»Zum Glück hat die Gilde erkannt, wie wichtig es ist, den Anfängern ordentlich die Grundlagen beizubringen.«​
»Glaubst du wirklich, dass es so ist? Ich bin eher der Meinung, dass es nicht viel bringen wird«, entgegnete die Waldläuferin.​
»Es ist doch weniger eine Frage der Grundlagen, sondern eher eine der Nachlässigkeit von Anfängern, oder nicht?«​
»Aber wie soll jemand wissen, was nachlässig ist und was nicht, wenn ihn das keiner lehrt?«​
Die Priesterin begann, darüber nachzudenken, wie ihr erstes Abenteuer hätte besser laufen können, wenn sie mehr über die Grundlagen der Arbeit eines Abenteurers gewusst hätte. Man sollte stets aufmerksam sein und sich nicht allzu sehr in irgendwelche Unterhaltungen vertiefen. Man sollte unnötige Lücken zwischen Vor- und Nachhut vermeiden. Man sollte nie seinen Gegner unterschätzen, auch wenn es sich nur um Goblins handelte. Man musste immer jemanden haben, der darauf achtete, was hinter der Gruppe passierte.​
»Nein, ich wollte nicht sagen, dass es sinnlos ist, aber es gibt genügend Leute, die einfach nicht zuhören wollen. Nimm dir zum Beispiel den Zwerg.«​
»Ha ha ha, Langohr! Das habe ich gehört!«​
»Hi hi hi!«​
Die Elfe wackelte mit den Ohren.​
»Du kannst also doch hören, wenn du willst!«​
Die Waldläuferin drehte sich um und starrte in das Gesicht des Zwerges, der auf der entgegengesetzten Seite der Bank Platz genommen hatte. Seine leicht geröteten Wangen zeigten, dass er bereits Alkohol getrunken hatte. Er gab einen herzhaften Rülpser von sich und sagte:​
»Du hast gut reden, Langohr. Ihr Elfen seid doch auch nicht gerade dafür bekannt, dass ihr anderen aufmerksam zuhört.«​
»Wir haben ein exzellentes Gehör!«​
»Darum geht es doch gerade nicht, mein kleiner Amboss.«​
»Wann hörst du endlich damit auf, mich so zu nennen?!«​
»Wenn du deine Hand auf deine Brust legst und etwas anderes als Rippen spürst.«​
»Wie bitte?!«​
Wie sonst auch begannen die zwei, sich zu zoffen. Während die Priesterin sich am Anfang noch von solchen Momenten aus der Fassung hatte bringen lassen, waren sie jetzt schon fast beruhigend für sie. Sie zeigten, dass alles in Ordnung war.​
»Hey, ihr! Macht nicht so einen Aufstand! Wir müssen ein Vorbild für die Anfänger sein!«, sagte der Speerkämpfer, der mit der charmant lächelnden Hexe vor den dreien aufgetaucht war.​
»Ich habe dir doch gesagt, dass man in dieser Kombination viel besser kämpfen kann!«​
»Für eine rechtschaffene Ritterin nörgelst du aber wirklich viel!«​
»Tag auch!«​
»Guten Tag, miteinander.«​
»Auch heute viel Glück im Kampf.«​
Der Panzerkrieger war mit seiner Gruppe ebenfalls anwesend. Während er wild mit der Ritterin diskutierte, begrüßten die jüngeren Gruppenmitglieder den Zwerg, die Priesterin und die Elfe.​
»Oh, sind das nicht die Leute von Goblin Slayer? Was geht?!«​
»Mensch, lass das! Kannst du sie nicht ordentlich begrüßen? Du bist echt peinlich!«​
Natürlich durften der Krieger Lehrling und die Heilige in Ausbildung auch nicht fehlen.​
Nach ihnen betrat ein Wesen von beeindruckender Gestalt die Eingangshalle der Gilde. Es ging direkt auf die Bank der drei Abenteurer zu, legte seine Hände zusammen und verdrehte vergnügt die Augen. Es war der Echsenmensch.​
»Ist es nicht schön, dass sich alle hier so gut verstehen? Auch das Wetter wird wieder wärmer und sorgt dafür, dass ich mich ganz lebendig fühle.«​
»Der Winter war wirklich schwer für dich, nicht wahr?«, fragte die Priesterin mitfühlend.​
»In der Tat«, erwiderte der Mönch und nickte.​
»Selbst der fürchterliche Drache kann nichts gegen die grausame Kälte des Winters anrichten. Die Natur ist einfach zu mächtig.«​
Während ihres Abenteuers in den Bergen hatte der Echsenmensch fürchterlich gelitten. Weil er ursprünglich aus den Urwäldern im Süden kam und viele körperliche Eigenschaften eines Reptils besaß, war das allerdings verständlich. Nichtsdestotrotz fragte die Elfe:​
»Aber gibt es nicht auch Eisdrachen, die statt Feuer Eis speien?«​
»Ja, aber nicht in meiner Familie.«​
Der Ton, in dem der Echsenmensch antwortete, ließ keinen Rückschluss darauf zu, ob das gerade ein Scherz gewesen war oder nicht. Er schwenkte seinen Blick durch den Raum.​
»Wo ist denn der werte Goblintöter?«​
»Ach ... Er meinte gestern, dass er etwas zu erledigen hätte und deswegen heute später kommt«, entgegnete die Priesterin.​
»Hm ... So etwas kommt selten vor.«​
»Ja, aber er wird sicher bald da sein.«​
Das Mädchen dachte kurz darüber nach, wie diese Erledigung wohl aussah. Die Kuhhirtin hatte ihr bereits einmal eröffnet, dass der Krieger sich an seinen freien Tagen normalerweise der Pflege seiner Ausrüstung widmete, doch er war auch schon öfter einfach allein losgezogen, um einen Auftrag zu erledigen. Eigentlich hatte die Priesterin ihm bereits mehrmals gesagt, dass er das lassen sollte, aber natürlich hörte er nicht auf sie. Ihr entglitt ein Seufzer, bevor sie murmelte:​
» Also wirklich ... Er ist unverbesserlich ... «​
Ein Raunen ging durch den Raum und alle richteten ihren Blick auf die Tür, durch die gerade ein einzelner Abenteurer getreten war. Seine Ausstattung bestand aus einem billigen Eisenhelm und einer dreckigen Lederrüstung. An seiner Hüfte hing ein mittellanges Schwert und um den linken Arm war ein kleiner Rundschild gebunden. Auch wenn die meisten Neulinge stattlicher aussahen als er, trug er ein silbernes Abzeichen um seinen Hals - der Beweis, dass er ein Silber-Rang-Abenteurer war.​
»Goblin Slayer!«, rief die Priesterin und erntete damit ein Kichern von den Abenteurer- Neulingen.​
Goblin Slayer? Jemand, der Goblins tötete? Auch wenn der Name des Abenteurers aus Liedern und Geschichten bekannt war, konnten sie nicht anders, als darüber zu schmunzeln. Sie waren sich nicht bewusst, was es hieß, wirklich gegen Goblins zu kämpfen, und wussten nur, was man ihnen erzählt hatte: Dass Goblins die schwächsten aller Monster seien. Goblin Slayer interessierte das Geschehen um ihn herum jedoch nicht und so lief er schnurstracks auf seine Kameraden zu.​
»Ihr seid schon alle da.«​
»Du hast dir aber auch echt Zeit gelassen«, erwiderte die Elfe mit erhobenem Zeigefinger.​
Ihre zuckenden Ohren verrieten, dass sie sich über die Rückkehr des Kriegers freute. Trotzdem verschränkte sie abweisend ihre Arme und schnaufte einmal laut aus, bevor sie fragte:​
»Und was willst du heute machen?«​
»Goblins vertreiben.«​
»Ha ha ha! Was auch sonst!«​
Der Zwerg fuhr sich lachend durch den Bart.​
»Eine andere Art von Auftrag würde er eh nicht annehmen.«​
»Hmpf ...«​
Während die Elfe zu schmollen anfing, sagte der Krieger:​
»Wenn ihr Wünsche habt, würde ich darüber nachdenken.«​
Als die Priesterin die Worte ihres Kameraden hörte, wurde sie leicht rot im Gesicht. Er war im Laufe ihres gemeinsamen Jahres sehr viel sanfter geworden, aber was war mit ihr? Hatte sie sich auch weiterentwickelt? War sie durch ihre Erlebnisse und Erfahrungen gewachsen? Sie war sich nicht sicher.​
»Mir ist alles recht, solange wir dadurch eine gute Tat vollbringen.«​
Der Echsenmensch schlug mehrfach seinen Schwanz auf den Boden.​
»Da die Goblins in der jetzigen Jahreszeit sicher wieder zahlreicher werden, können wir uns auch gerne auf ihre Jagd begeben.«​
»Hm ...«, brummte die Elfe, aber hob dann resignierend ihre Arme.​
»Na gut ... Dann eben Goblins. Auch wenn ich keine Lust darauf habe.«​
»Danke«, murmelte Goblin Slayer leise und drehte sich um.​
Mit stapfenden Schritten ging er in Richtung Anmeldung. Während die Anfänger ihn anschauten wie einen Fremdkörper, wurde er von den anderen Abenteurern freundlich begrüßt.​
»Oh, Goblin Slayer! Heute wieder Goblins?«​
»Ja.«​
»Von denen kriegst du nicht genug, was?«​
»Wir gehen heute etwas weiter weg. Wir werden eine Ruine​
erforschen.«​
»Ist das so?«​
»Pass auf dich auf.«​
»Ja.«​
Die Neulinge beobachteten das Ganze und tuschelten dabei wild untereinander. Die Priesterin lehnte sich zu ihrer hellhörigen Elfen-Kameradin und fragte:​
»Worüber reden die Anfänger?«​
»Sei mal lieber froh, dass du das nicht hören kannst.«​
Beleidigt verzog das Mädchen ihr Gesicht und drehte sich dem Zwerg und dem Echsenmenschen zu, die sich ganz unbeschwert unterhielten. Wie konnten sie so ruhig bleiben, während Leute sich über ihren Kameraden lustig machten?​
»Der Nächste bitte.«​
Das Gesicht der Gilden Angestellten hellte sich sofort auf, als sie erkannte, wer nun an der Reihe war.​
»Goblin Slayer!«​
»Gibt es Aufträge mit Goblins?«​
»Ich habe heute genug angenommen, aber leider sind nur noch ein paar übrig.«​
Als hätte sie ihm damit einen Streich gespielt, streckte sie Goblin Slayer hinter ein paar vorgehaltenen Dokumenten die Zunge heraus. Dann ging sie zu einem gut geordneten Regal und griff sich, ohne lange zu suchen, einige Zettel. Wie ordentlich die Schriftstücke sortiert waren, zeugte von der hervorragenden Arbeit, die die Gilden Angestellte leistete. Sie kehrte zur Anmeldung zurück und breitete die Aufträge vor dem Krieger aus.​
»Es sind fünf Aufträge, aber ich würde keinen von ihnen als besonders wichtig einstufen.«​
»Die Anzahl der Aufträge steigt wieder?«​
»So ist es. Es mag am Frühling liegen, aber die Goblins scheinen wieder aktiver zu werden.«​
»Wie immer also.«​
»Die anderen Goblin Aufträge wurden bereits von Anfängern angenommen.«​
»Wirkten sie so, als würden sie sie schaffen?«​
Anstatt einer Antwort erhielt Goblin Slayer ein Schulterzucken von der Gilden Angestellten. Sie konnte nicht sagen, wie die Würfel für die jungen Abenteurer fallen würden. Ihr Schicksal hing vom Würfelglück der Götter ab. Die Beamtin schaute zu der Schlange von Anfängern, die noch darauf warteten, dass sich jemand um sie kümmerte. Was konnte sie ihnen wohl zumuten?​
»Würden Sie sich um diese fünf Aufträge kümmern?«​
» Ja«, antwortete der Krieger.​
»Aber zeig mir bitte auch die Aufträge, die du bereits den Neulingen gegeben hast.«​
»In Ordnung.«​
Als Abenteurer war man für sich selbst verantwortlich und konnte somit selbst entscheiden, welche Aufträge man annahm und welche nicht. Die Gilde konnte einen genauso wenig dazu zwingen, etwas für sie zu erledigen, wie sie einem zur Hilfe kommen würde, wenn man in der Patsche steckte. Die Gilden Angestellte war sich dessen nur allzu bewusst, doch sie konnte nicht anders, als sich immer wieder um die Abenteurer-Anfänger zu sorgen, weshalb sie sehr dankbar für das war, was Goblin Slayer tat.​
»Sobald der Trainingsplatz fertig ist, wird sicherlich alles ein wenig besser.«​
Nachdem er auch die bereits angenommenen Goblin Aufträge bekommen hatte, las der Krieger sie sich schweigend durch. Sie alle waren wirklich nicht außergewöhnlich. Es ging um Dörfer, aus denen Nahrungsmittel gestohlen und zum Teil auch Frauen entführt worden waren. Die Aufträge, in denen bereits Menschen zu Schaden gekommen waren, legte Goblin Slayer auf dem Stapel nach oben und die, die bereits Anfänger-Abenteurer angenommen hatten, sortierte er unten ein. In die Mitte kamen die, bei denen bisher nur materielle Schäden entstanden waren.​
Als er mit dem Priorisieren der insgesamt zehn Aufträge fertig war, sagte er:​
»Ich werde mich in dieser Reihenfolge um sie kümmern.«​
»Jawohl. Passen Sie bitte gut auf sich auf. Benötigen Sie noch Heiltränke?«​
»Ja, ich nehme welche.«​
Der Krieger blickte kurz zu seinen Kameraden und fuhr dann fort: »Heiltränke, Gegengifte und Ausdauertränke. Jeweils sechs Stück.«​
»Sehr gern!«​
Während er achtzehn Goldstücke aus seiner Tasche holte und sie auf den Tresen legte, trug die Beamtin die Waren zusammen. Die Anfänger, die den seltsamen Abenteurer noch immer bei seinem Treiben beobachteten, konnten ihren Augen nicht glauben. Achtzehn Heiltränke, nur um Goblins zu vertreiben? War er einfach nur vorsichtig oder ein Angsthase? Auch wenn sie sich weiterhin über ihn lustig machten, war deutlich, dass sie gleichzeitig neidisch auf ihn sein mussten. Sie hatten mit Mühe und Not etwas Geld zusammengekratzt, um sich ihre Grundausrüstung leisten zu können, und die meisten von ihnen würden sich jetzt nicht einmal mehr einen einzigen Trank kaufen können. Der Krieger hingegen hatte sich, ohne auch nur einen Moment zu zögern, ganze achtzehn Stück gekauft. Die Neulinge fühlten sich ein wenig, als würde er sich vor ihnen aufspielen ...​
»Okay, das müssten achtzehn Stück sein. Bitte überprüfen Sie es noch einmal.«​
»Ja.«​
»Dann passen Sie bitte gut auf sich auf.«​
… aber in Wahrheit kümmerte es ihn nicht im Geringsten, was sie von ihm hielten.​
Die Gilden Angestellte schenkte dem Krieger zum Abschied ein freundliches Lächeln, bevor jener festen Schrittes zurück zu seiner Gruppe ging. Bei ihr angekommen, holte er Hanfbänder aus seiner Tasche hervor und ließ sich auf der Bank nieder. Dann stellte er die achtzehn Tränke vor sich auf den Boden. Er griff sich einen der Heiltränke und knotete ein Hanfband mit einem einzelnen Knoten um die Flasche. Als Nächstes nahm er sich ein Gegengift und befestigte ein Hanfband mit zwei Knoten daran. Darauf griff er sich einen Ausdauertrank und verpasste ihm ein Band mit drei Knoten. Die Elfe wackelte mit ihren Ohren, während sie Goblin Slayer bei seiner Arbeit zuschaute. Neugierig fragte sie:​
»Hey, Orcbolg, was machst du da?«​
»In letzter Zeit kommt es immer häufiger vor, dass wir Heiltränke zu uns nehmen müssen.«​
Dem Krieger stieg der leichte Waldgeruch der Elfe in die Nase, doch seine Hände bewegten sich nahezu mechanisch weiter.​
»Diese Knoten werden in hitzigen Momenten dafür sorgen, dass wir zum richtigen Trank greifen.«​
»Lass mich dir helfen!«​
»Bitte.«​
Goblin Slayer rutschte ein wenig zur Seite, sodass die Elfe sich neben ihn setzen konnte. Die Waldläuferin machte sich gleich an die Arbeit und als sie mit ihren ersten drei Flaschen fertig war, steckte sie sie ein und sagte: »Die sind für mich!«​
» Also wirklich, Langohr!« Der Zwerg seufzte. »Halt dich doch mal zurück!«​
»Ach! Hauptsache, ich werde nicht so ein Geizkragen wie du, Zwerg!«​
Die Waldläuferin holte drei Goldstücke hervor und schnippte sie dem Krieger zu. Mit einem »Hmpf« tat es der Zwerg ihr gleich.​
»Das wäre eigentlich nicht nötig gewesen«, sagte Goblin Slayer und arbeitete seelenruhig weiter.​
»Nein, nein, Bartschneider.«​
Der Schamane schüttelte seinen Kopf.​
»Bei solchen Dingen muss man penibel sein.«​
»Ist das so?«​
»Ja, aber es ist beeindruckend, was du dir wieder alles einfallen lässt.«​
»Diese Tricks sind effektiv.«​
»Ich gebe dir das Geld, wenn ich fertig bin«, warf die Priesterin ein.​
»Dann auch meine Wenigkeit ...«, fügte der Echsenmensch hinzu und wühlte in seiner Tasche nach Geld.​
»Ä... Ähm ... «​
Eine Person näherte sich dem Mönch und sprach ihn an. Es war eine Anfängerin, wahrscheinlich eine Schwertkämpferin. Ihre Ausrüstung war nigelnagelneu und sie war von kleinerer Statur. Ihre spitzen Ohren zeigten, dass sie dem Volk der Wiesen, den Rhea, angehörte. Der Echsenmensch drehte sich ihr zu und erkannte, dass hinter ihr noch weitere Abenteurer-Anfänger standen. Wahrscheinlich bildeten sie eine Gruppe.​
»Ahm, was genau macht ihr da?«​
»Hm ...«​
Das nachdenkliche Zusammenkneifen seiner Augen verlieh dem Echsenmenschen ein furchteinflößendes Aussehen, was die Rhea kurz ängstlich zusammenzucken ließ.​
»Du meinst, was wir mit den Tränken machen? Wir markieren sie, damit man sie im Notfall nicht verwechselt.«​
»Wie bitte?«​
»In Notsituationen hat man keine Zeit, lange in seinen Taschen nach etwas zu kramen.«​
Die Schwertkämpferin nickte mehrfach beeindruckt und antwortete:​
»Ach so. Ich verstehe.«​
»Aber nur, damit ihr es wisst«, mischte sich Goblin Slayer in die Unterhaltung der beiden ein.​
»Wenn ihr alles so markiert, bringt es euch auch nichts. Dann kommt ihr durcheinander.«​
»H... Ha ha ... Ja ... Das stimmt ...«, gab die Rhea nervös kichernd zurück.​
Wahrscheinlich hatte Goblin Slayer ihre Gedanken erraten. Mit hochrotem Kopf schaute sie auf den Boden.​
»Beschränkt es auf die Dinge, die man ganz plötzlich braucht.«​
Der Krieger hatte drei weitere Flaschen fertig markiert und steckte sie in seine Tasche. Er verstaute sie so, dass sie nicht zerbrechen konnten, und fuhr dann fort:​
»Außerdem hütet euch vor Goblins. Beschränkt euch fürs Erste auf das Jagen von Ratten oder Ähnliches.«​


»Äh ... Ja ... Verstanden.«​
Die Rhea verbeugte sich tief und lief dann aufgeregt zu ihren Kameraden zurück. Sofort begannen sie, miteinander zu flüstern, und teilten sich dann auf. Die eine Hälfte der Gruppe markierte die wichtigsten ihrer Gegenstände, während die andere sich zum Empfang begab, um einen passenden Auftrag zu ergattern.​
»Oh, gewaltiges Schaf, das auf der Kreide wandert, führe sie bitte nur zu einem Zipfel von den Kämpfen, von denen seit jeher erzählt wird.«​
Der Echsenmensch legte seine Hände in einer mysteriösen Bewegung zusammen, während er für den Erfolg oder einen ehrenhaften Tod der Anfänger betete. Natürlich gab es Anfänger, die gleich zu Beginn ihrer Karriere mit böser Zunge redeten, aber ebenso gab es Anfänger, die sich darum bemühten, so viel Wissen wie möglich von erfahreneren Kollegen zu erhalten. Letztere waren nicht immer unbedingt erfolgreicher als erstere und keiner der Wege war richtig oder falsch, sie beide existierten einfach. »Hoffentlich überleben sie.«​
»Das weiß man nie ... «​
Goblin Slayers Kameraden meinten, einen gequälten Unterton in der Antwort des Kriegers zu erkennen, doch sie alle wussten, dass er recht hatte. Wenn die Zeit gekommen war, dann starb man. Das änderte sich nicht, egal, ob man Ratten oder Drachen bekämpfte.​
»Ach, Goblin Slayer. Das Geld.«​
»Ja.«​
Der Krieger stand auf, nahm die Goldmünzen der Priesterin entgegen und reichte ihr den Stapel mit den Aufträgen, die er angenommen hatte.​
»Hier.«​
»Uwah ...«​
Sie wusste sofort, dass er mal wieder alle Goblin Aufträge angenommen hatte, die noch übrig gewesen waren. Sie fragte sich, warum er die Gruppe gerade noch vor Goblins gewarnt hatte, wenn es keine entsprechenden Aufträge mehr gab. Wahrscheinlich hatte er gar nicht erst darüber nachgedacht.​
»Was denkst du?«​
Das Mädchen war schon lange genug mit dem Krieger unterwegs, um zu wissen, dass er mit seiner Aussage Folgendes meinte:​
»Was denkst du? Zur Not gehe ich allein.«​
Sie hatte ihn gefühlt schon tausend Mal darauf hingewiesen, dass er mit dieser Marotte aufhören sollte, doch er wollte sie einfach nicht ablegen. Sie seufzte und schüttelte den Kopf.​
»Wieso fragst du überhaupt noch, wenn du dich bereits selbst entschieden hast, zu gehen?«​
»Hmpf ...«​
»Zur Not würdest du auch allein losziehen, oder?«​
»Wo wir schon dabei sind, du kümmerst dich echt zu wenig darum, was dein Umfeld über dich denkt, Orcbolg. Stört es dich nicht, wenn die Leute sich ihr Maul über dich zerreißen?«, mischte sich nun auch die Waldläuferin ein.​
»Nein, wieso auch? Ich hab doch keine Ahnung, was die Leute von mir erwarten.«​
»Bartschneider tötet Goblins. Das weiß doch jeder.«​
»In der Tat!«​
Der Zwerg lachte laut und der Echsenmensch klopfte Goblin Slayer vergnügt mit seinem Schwanz auf den Rücken. Weil die Waldläuferin nicht wusste, was sie darauf noch erwidern sollte, setzte sie einen schmollenden Gesichtsausdruck auf und murmelte:​
»Wenn ihr meint ... «​
Die Priesterin gab noch ein aufmunterndes​
»Es ist schon okay« von sich, bevor sie sich daranmachte, ihre Ausrüstung zu kontrollieren.​
Sie ging alles Nötige in ihrem Kopf durch und sagte dann:​
»Ja, ich glaube, es ist alles in Ordnung.«​
»Dann lasst uns gehen.«​
Ein Menschen- Krieger, eine Elfen-Waldläuferin, ein Zwergen Schamane, eine Menschen-Priesterin und ein Echsenmensch Mönch. Sie gehörten unterschiedlichen Völkern an und beherrschten alle unterschiedliche Fähigkeiten, doch zusammen waren sie eine Gruppe. Eine Gruppe Abenteurer und Reisegefährten. Während die Priesterin darüber nachdachte, beschleunigte sie leicht ihre Schritte, um ihre Kameraden nicht im Gedränge! zu verlieren. Genau in dem Moment ...​
»Vorsicht!«​
»Ah?!«​
Ein Junge mit einem großen Stab war aus einer Menschenmenge hervorgeschossen und beinahe mit der Priesterin zusammengestoßen, aber Goblin Slayer hatte sie schnell genug zur Seite gezogen.​
»E... Entschuldigung«, setzte die Priesterin an, doch der Junge ging einfach weiter.​
Der Zwerg, der das Ganze beobachtet hatte, fand dies alles andere als witzig, weshalb er seinen Arm in die Höhe riss und brüllte:​
»Du solltest besser aufpassen, du Göre!«​
»Nervt nicht! Sie ist selber schuld, dass sie so trödelt! Das nächste Mal werfe ich einfach einen Feuerball!«​
Ohne dass noch einer der Gruppe ihm etwas antworten konnte, verschwand der Junge wieder in der Menge.​
»Mann, die Jugend von heute ... «​
»Wenn du so was sagst, klingst du wie ein alter Sack, Zwerg.«​
»Das möchte ich von jemandem, dessen Brustwachstum direkt nach der Geburt aufgehört hat, nicht hören.«​
»Was zum Teufel?! Du fette Tonne!«​
Die Elfe wurde knallrot im Gesicht und stellte die Ohren auf, bevor sie auf den Zwerg losging. Die Priesterin kniff bei dem Anblick ihrer sich zoffenden Kameraden vergnügt die Augen zusammen und drehte sich dann um. Die Abenteurer hatten mittlerweile das Gebäude der Gilde verlassen.​
»Denk nicht zu viel darüber nach. Solchen Typen begegnet man immer wieder mal. Oder ist es etwas anderes?«, fragte der Echsenmensch.​
»Äh, nein, nein ... Schon gut ... «, erwiderte das Mädchen und wedelte mit ihrer Hand.​
Sie drehte sich um und ging weiter, aber ihre Gedanken waren immer noch bei dem rothaarigen Magier, der sie beinahe angerempelt hatte. Kenne ich ihn von irgendwoher oder bilde ich mir das nur ein?​

***

»ORAGARARA?!«​
»Vor uns sind sieben! Nein, jetzt sind es nur noch sechs!«, rief die Elfe und übertönte dabei die Schmerzensschreie eines Goblins, dem sie einen Pfeil ins Auge verpasst hatte.​
Die Gruppe befand sich in einem schrecklich engen Gang, durch den sie sich immer tiefer in ein Goblin Nest hineinbewegte.​
»Gut«, gab Goblin Slayer kurz zurück und warf, ohne zu zögern, sein Schwert nach vorne.​
»GRAB?!«
»GRROB! GRARB!!«​
Die Klinge traf einen Goblin in seiner Kehle und während einer seiner Artgenossen den törichten Abenteurer auslachte, der sein Schwert geworfen hatte, erstickte der getroffene Goblin elendig an seinem eigenen Blut.​
»GRAARBROOR!!«​
»Hmpf!«​
Einer der Goblins sprang heran und versuchte, sein rostiges Schwert von oben herab in den Krieger zu bohren, doch jener wehrte die Klinge mit seinem Schild ab und holte mit der Fackel aus, um sie als Knüppel zu verwenden.​
»GRAB!«​
Der Goblin schrie qualvoll, als sich sein gebrochenes Nasenbein in sein Hirn bohrte. Schmerz breitete sich wie ein Brand in seinem Gesicht aus, bevor er kurz darauf seinen letzten Atemzug tat.​
»Zwei, drei.«​
Goblin Slayer trat die Goblin Leichen zur Seite, zog sein Schwert aus dem einen Kadaver und ging weiter. Es blieben noch vier.​
»Hejaaaaah!«​
Mit höllischem Gebrüll rauschte der Echsenmensch an dem Krieger vorbei und zerfetzte einen der Gegner mit seinem Krallenschwert.​
»GROAROROB?!«​
»Vier.«​
Genau in dem Moment, als Goblin Slayer dies sagte, erkannte er, dass mehrere kleine, im Licht der Fackel glitzernden Gegenstände auf ihn zuschossen, und riss seinen Schild hoch. So schaffte er es, einen auf sein Gesicht zurasenden Pf eil abzuwehren, doch leider bohrte sich stattdessen ein anderer in seinen rechten Arm.​
»GROB!«
»GRAROROBR!»​
Zwei weitere Pfeile flogen über die Gruppe von Abenteurern hinweg, während einer vom Echsenmenschen abgewehrt wurde.​
»Ts!«​
Goblin Slayer schnalzte mit der Zunge, weil er nicht früh genug erkannt hatte, dass die Goblins einen Bogenschützen unter sich hatten. Er griff sich den Pfeil und riss ihn, ohne zu zögern, aus seinem Arm. Dann untersuchte er die Spitze und erkannte, dass sie mit einer dreckigen Flüssigkeit eingerieben worden war.​
»Gift!«​
»Ich kümmer mich um ihn!«, rief die Elfe und ließ einen Pfeil von ihrem Bogen schnellen, der direkt darauf den feindlichen Bogenschützen im Hals traf.​
»Mutig, dass du dich im Fernkampf mit einer Elfe anlegen wolltest!«​
»Fünf!«, rief der Krieger, der den Moment genutzt hatte, um weiter vorzuschnellen.​
Er stand vor den letzten zwei Goblins und beendete das Leben von einem von ihnen, indem er ihm seine Klinge in den Hals rammte. Im selben Moment schmiss sich der andere Goblin auf den Krieger, doch dieser schaffte es, ihn mit seinem Schild zur Seite zu schlagen.​
»Ooooooh!!»​
Sofort kam der Echsenmensch heran gesprungen, um dem siebten und somit letzten der Goblins ein Ende zu bereiten. Für wenige Momente war nichts weiter als das erschöpfte Keuchen der Abenteurer zu hören, bis schließlich die Priesterin ihre Stimme erhob.​
»W. ... Waren das ... alle ...?«​
»Fürs Erste, ja«, antwortete Goblin Slayer emotionslos, warf seine fast heruntergebrannte Fackel weg und holte eine neue aus seiner Tasche hervor.​
Die Priesterin half ihm, diese mit Feuersteinen zu entzünden.​
»Hier ...«​
»Danke.«​
»Keine Ursache.«​
Da sie nun wieder etwas Licht hatten, begannen die Abenteurer, sich ein wenig umzuschauen. In der engen Höhle lag der für Goblin Nester typische Gestank von Blut und Unrat in der Luft.​
»Örgs ... «​
Die Elfe hielt sich die Nase zu, während sie mit ihren Ohren lauschte, ob sich irgendwo noch etwas bewegte.​
»Wir sind jetzt wirklich tief eingedrungen. Sollten wir uns nicht ein wenig zurückziehen?«​
»Gefühlt werden es immer mehr ...«, antwortete die Priesterin und reichte der Waldläuferin ihren Wasserbeutel.​
Die Gruppe war in eine Höhle in der Nähe eines Flusses eingedrungen, doch diese wurde von viel mehr Goblins bewohnt, als sie es zuerst angenommen hatten.​
»GROORORB!»
»GRAARB! GROB! GRORRB!!»​
Erneut hallten die bellenden Stimmen der Biester durch die Gänge der Höhle, die sich wie ein Labyrinth in die Erde bohrte, und nahmen den Abenteurern die Hoffnung darauf, dass sie endlich alle getötet hatten.​
»Es kommen noch mehr ...«, murmelte die Priesterin mit blassem Gesicht und umklammerte ihren Stab.​
»Kannst du noch?«, fragte Goblin Slayer in gewohnt emotionslosem Ton.​
»J ... Ja ...«​
Das Mädchen nickte. Sie wusste, dass ein Nein nichts an der Lage geändert hätte. Nichtsdestotrotz freute sie sich, dass der Krieger sich auf seine eigene Art um sie sorgte. Kurz lockerte sie ihren Griff um den Stab, nur um ihn dann wieder zu festigen.​
»Zum Glück waren wir es, die diesen Auftrag angenommen haben«, warf der Echsenmensch in die Runde, während er Goblin Blut von seinem Schwert schüttelte.​
Dann schaute er in die Dunkelheit des Gangs vor ihm und fragte:​
»Wie viele von den Biestern kommen jetzt wohl auf uns zu?«​
Das Trappeln der Goblin Schritte kam stetig näher und es klang, als würden sie von allen Seiten heraneilen. Die Elfe, die aufmerksam mit gespitzten Ohren lauschte, antwortete:​
»Es sind weniger als dreißig, aber mehr als zehn.«​
»Dann sollten wir mit zwanzig rechnen. Dies wäre wahrlich kein Auftrag für Anfänger gewesen.«​
Schnaufend schlug der Mönch seinen Schwanz auf den Boden. Er überlegte, ob er besser einen Drachenzahnkrieger beschwören sollte. Schließlich war es wichtig, dass man seine begrenzten Zauber im richtigen Moment einsetzte.​
»Hey, wir müssen uns nicht nur um die Goblins kümmern.​
Hier ist auch noch eine junge Frau«, warf der Zwerg seinen Kameraden zu und legte sein Gepäck ab.​
Er kniete sich neben das junge Ding, das komplett mit Wunden übersät war.​
Wie üblich hatten die Goblins sich ein unvorsichtiges Mädchen aus dem naheliegenden Dorf geschnappt und es in ihren Bau geschleppt. In diesem Fall war es keine Kräutersammlerin oder eine Schafhirtin, sondern eine Fischerin gewesen, die mit ihrem Boot zu nah an den Bau herangekommen war. Weil sie einen relativ trainierten Körper hatte, war es ihr gelungen, die grausamen Misshandlungen der Goblins zu überstehen, doch wie ihr Leben weitergehen würde, wenn die Abenteurer sie erst aus dem Bau gerettet hatten, war eine ganz andere Frage.​
»Wir können ihnen nicht erlauben, sich hier zu vermehren.« Goblin Slayer hatte seine Entscheidung getroffen.​
»Wir müssen sie alle töten.«​
Weil die Gruppe sich schon gedacht hatte, dass es so kommen würde, versuchten sie gar nicht erst, den Krieger umzustimmen. Dieser wandte sich dem Echsenmenschen zu und fragte:​
»Wie schätzt du die Lage ein?«​
»In den engen Gängen wird ihre Überzahl ihnen nicht allzu viel helfen können, aber ...«​
Der Mönch hielt inne, um kurz an der Höhlenwand zu kratzen. Sie schien weich genug, um sich hindurch graben zu können.​
»Wir sollten aufpassen, dass sie uns nicht mithilfe von Tunneln umzingeln. Wir müssen in Bewegung bleiben.«​
»Gut«, sagte Goblin Slayer, während er seine Waffen überprüfte.​
»Ihr habt noch Zauber übrig, oder?«​
»Ah, ja«, antwortete die Priesterin.​
»Ich habe noch alle drei übrig.«​
»Da ich schon Sehartkralle eingesetzt habe, bleiben mir noch drei.«​
Goblin Slayer nickte dem Mönch zu und schaute dann zum Zwerg, der seine Tasche durchwühlte und sagte:​
»Ich habe auch noch drei, aber uns bleiben nach diesem Auftrag noch neun weitere, oder?«​
»Wie sollen wir die denn noch schaffen?!«, warf die Elfe empört ein.​
»Wir können Pausen einlegen«, entgegnete der Krieger.​
»Du weißt schon, dass es nicht darum geht, oder?«​
»Ah!«​
Der Echsenmensch verdrehte die Augen.​
»Es geht um die Katalysatoren, richtig?«​
»So ist es. Ohne sie kann ich die meisten meiner Zauber nicht einsetzen.«​
»Verstehe«, antwortete der Krieger auf die Aussage des Schamanen und wischte sein Schwert an den Lumpen einer Goblin Leiche ab. Es würde höchstens noch für einen oder zwei Goblins reichen, dann würde er eine neue Waffe benötigen.​
»Dann wirke halt Tunnel. Dafür brauchst du keine Katalysatoren, richtig?«​
»Das stimmt, aber wieso sollte ich ...«​
Der Zwerg hielt mitten im Satz inne und strich sich grinsend durch seinen Bart.​
»Ich verstehe. Bartschneider, du bist mir echt einer. Schuppiger, hilf mir mal bitte.«​
»Ja, natürlich. Reicht es, wenn du auf meinen Rücken steigst?«​
Der Echsenmensch bückte sich und der Schamane kletterte auf seinen Kameraden. Dann zog er ein Tintenfass und einen Pinsel aus seiner Tasche und begann, ein Muster an die Decke zu malen. Die Elfe schaute dem Zwerg bei seiner Arbeit zu, doch weil sie nicht begriff, was er da tat, fragte sie die Priesterin:​
» Weißt du, was die da machen?«​
»Nein ... «​
» Willst du uns nicht verraten, was du vorhast, Orcbolg?«​
»Meinetwegen.«​
»Schieß los!«​
»Das wird eine Notevakuierung.«​
»Hä?«​
»Da wir die Geisel mitnehmen werden, wird das, was danach kommt, okay sein.«​
Der Krieger warf der Elfe etwas zu.​
»Ich werde euch zeigen, wie man sie richtig einsetzt.«​
Während die Waldläuferin verwirrt den Kopf neigte, stieß die Priesterin einen tiefen Seufzer aus. Sie hatte erkannt, dass es Ringe waren, mit denen man unter Wasser atmen konnte.​
»Ich dachte mir schon, dass so was kommen würde.«​
Die Goblins freuten sich über den Angriff der Abenteurer. Es waren nur fünf von ihnen und sie hatten ihnen zwei Frauen mitgebracht. Eine davon war sogar eine Elfe. Sie hatten sie von ihrem Geruch her zuerst nicht einordnen können, doch als sie sie sahen, überkam sie die Lust.​
»GRAORB!»
»ORGA!»​
Sie konnten es gar nicht erwarten, sich an den jungen Frauen zu vergehen und somit ihre Horde größer werden zu lassen. Normalerweise galten in dieser Welt Männer als die wertvolleren Kriegsgefangenen, da man sie als Zwangsarbeiter einsetzen konnte, doch für Goblins war es anders. Männer waren gefährlich, weil sie so schnell wütend und brutal wurden. Deshalb schnitten sie ihnen die Arme und Beine ab und verwendeten sie als Futter oder Spielzeug, aber von wirklich viel Nutzen waren sie den Goblins nicht. Frauen hingegen waren anders. Wenn man sie schwängerte, verloren sie schnell jegliche Ambitionen zur Flucht, und selbst wenn man ihnen die Gliedmaße abschlug, konnte man sie noch gebrauchen. Es machte Spaß, mit ihnen zu spielen, und dass am Ende dabei zusätzliche Kameraden entstanden, war ein netter Nebeneffekt. Wenn man die Frauen dann nicht mehr brauchte, konnte man sie essen und sich einfach neue besorgen.​
»GROB! GROAR!»
»GROORB!»​
Mit wildem Gebrüll machten sich die Goblins an die Arbeit und begannen, einen Tunnel in die Höhlenwand zu graben. Sie träumten bereits davon, wie es sein würde, wenn sie sich an den Frauen vergingen. Das dünne Menschenmädchen würde sich vermutlich nach einem oder zwei Stößen ihrem Schicksal hingeben, aber bei der Elfe würde es sicherlich ein wenig komplizierter werden. Vielleicht würden sie ihr ein Bein abschneiden oder die Finger zertrümmern müssen, aber sie würden sie schon kleinkriegen. Was sie mit den männlichen Abenteurern machen würden, hatten sie sich auch schon überlegt. Den fetten Zwerg würden sie natürlich fressen. Dem Echsenmenschen würden sie bei lebendigem Leib die Schuppen ausreißen und sie zusammen mit seinen Klauen und Reißzähnen zu Ausrüstung verarbeiten. Und der Typ in der Rüstung hatte so viele Gegenstände, die sie gebrauchen könnten, es war fantastisch! Die Goblins dachten nicht im Traum daran, dass sie verlieren könnten. Sie verließen sich vollkommen darauf, dass ihre Überzahl sie zum Sieg führen würde. So war es schon immer gewesen und so würde es auch immer sein. Nachdem sie einige Zeit gegraben hatten, fühlte sich die Erde anders an und sie hörten bereits dumpf die Stimmen ihrer Opfer. Die Goblins tauschten ein dreckiges Grinsen aus. Dann nickten sie. Sie festigten ihren Griff um ihr Grabwerkzeug, das sie auch als Waffe verwenden würden. Es war zum Großteil aus Knochen, Steinen und Ästen gefertigt. Nur die wenigsten von ihnen besaßen von Menschen gestohlene Werkzeuge. Ihre Artgenossen aus dem Bau waren gestorben, während sie den Tunnel gegraben hatten, und jetzt würden sie ihren Tod rächen. Sie würden dafür sorgen, dass die Abenteurer bereuten, dass sie in ihren Bau eingedrungen waren. Egal, was sie gerade planten, sie würden sie töten! Sie abschlachten!​
»GOROROB!!»
»GRAB! ORGRAAROB!!»​
Die Goblins brachen mit ihren schrillen Kampfschreien durch die Wand und wollten sich auf die Abenteurer stürzen, als der Abenteurer in der Rüstung sie ansprach:​
»Ihr Narren.«​
Er breitete eine Schriftrolle aus und sofort füllten schlammige Wassermassen den Raum und verschlangen die Goblins.​
***

Ein erderschütterndes Donnern ertönte und eine weiße Fontäne schoss aus dem Loch in der Erde in die Luft. Der Geruch von Meer, der sich mit den umherfliegenden Wassertropfen in der Luft verteilte, bewies, dass es sich bei der Fontäne um Salzwasser handelte. Es war aus unvorstellbaren Meerestiefen herbeigerufen worden. Wer genauer hinschaute, konnte inmitten der Fontäne erkennen, dass auch einige Abenteurer mit dem Wasser in die Luft geschleudert wurden.​
»Nein, nein, nein, nein, nein!«​
»Ha ha ha ha ha!«​
Wahrend die Elfe wie am Spieß schrie, lachte der Echsenmensch vergnügt.​
»Was ist denn mit dir, werte Waldläuferin?«​
»Wie kannst du so gerade so entspannt sein?!«​
»Wir Echsenmenschen sollen entfernte Verwandte der Vögel sein!«​
Die Elfe, die sich unheimlich in ihrer Würde gekränkt fühlte, verstand die Vergnügtheit ihres Kameraden trotzdem nicht. Selbst wenn man diese Situation als spaßig empfand, war sie wirklich gefährlich. Sie waren in die Luft geschossen worden und der Fall zur Erde stand ihnen noch bevor. Sie könnten sich ernsthaft verletzen. Die Priesterin hoffte, dass niemandem etwas passieren würde.​
»W... Wir fallen! W ... Wirk den Zauber!«, rief sie und versuchte, den Saum ihrer Kleidung daran zu hindern, noch höher zu rutschen, als er es eh schon getan hatte.​
Um die Tränen, die ihr in die Augen stiegen, musste sie sich zum Glück keine Sorgen machen, denn sie wurden vom Wind weggeweht.​
»Keine Angst, verlasst euch auf mich«, entgegnete der Zwerg seelenruhig und begann mit dem Sprechen einer Zauberformel.​
»Gnome, Gnome! Dreht den Eimer! Wirbelt ihn herum! Schleudert ihn fort!«​
Der Zauber wirkte sofort und die bis gerade noch in rasender Geschwindigkeit fallenden Abenteurer begannen, langsam und sanft in Richtung Boden zu segeln. Die Priesterin wandte sich der Elfe zu und fragte: »Alles in Ordnung?«​
»Nein! überhaupt nicht! Ich trau mich nicht, die Augen aufzumachen!«​
»Bartschneider, wie hast du solche Dinge eigentlich früher geregelt, als du noch allein unterwegs warst? Du kannst doch keine Magie einsetzen.«​
»Ich habe dafür gesorgt, dass ich nicht weggespült werde, und hab die Höhle dann einfach verlassen, wenn alles vorbei war.«​
»Ist das dein Ernst?«​
»Aber diesmal hatten wir keine Zeit, um uns irgendwo festzumachen. Deshalb mussten wir so vorgehen.«​
Wenig später landeten die Abenteurer auf dem durch das Wasser verschlammten Boden. Das Salz aus dem Salzwasser würde dafür sorgen, dass hier in nächster Zeit kein Ackerbau betrieben werden konnte.​
»Ach, Mann ... Jetzt werde ich mich wohl umziehen müssen ... «​
Die Priesterin zog den Saum ihrer komplett durchnässten Kleidung hoch und wrang ihn aus.​
»Aber nicht herschauen.«​
»Ja«, gab Goblin Slayer emotionslos zurück.​
Er hätte eh nicht versucht, einen Blick zu erhaschen, was das Mädchen fast wieder als beleidigend empfand. Sie zog ihr Oberteil aus, um an ihr Kettenhemd zu kommen, das sie trocknen musste, bevor es zu rosten anfing.​
»A... Ah! Bitte macht so etwas nie wieder! Auf keinen Fall!«​
Die Elfe war nach wie vor vollkommen außer sich und die Priesterin ärgerte sich kurz darüber, dass sie kein Wunder beherrschte, mit dem sie jemanden beruhigen konnte, bevor sie sich selbst mahnte, dass es nicht gut war, sich immer nur auf Wunder zu verlassen. Ihre Kameradin würde sich bald von selbst wieder entspannen und da sie keine metallenen Rüstungsgegenstände besaß, wäre es sicher auch okay, wenn die Waldläuferin ihre Kleidung einfach mithilfe der Frühlingssonne trocknen lassen würde.​
»Nun gut ...«​
Das Mädchen schaute zu Goblin Slayer, der sich bereits wieder gesammelt hatte und überprüfte, ob die Goblins, die mit ihnen in die Luft geschleudert waren, noch lebten.​
»ORGAR?!»​
Eine der Bestien schrie qualvoll auf, als der Krieger ihm sein Schwert in den Rücken rammte. Er drehte die Klinge herum, bis der Körper des Monsters erschlaffte.​
»Oho, er hatte es überlebt?«, fragte der Echsenmensch überrascht.​
»Die Würfel sind günstig für ihn gefallen. Das passiert nun mal«, antwortete Goblin Slayer emotionslos und setzte seine Arbeit fort.​
Er warf seine mittlerweile stumpf gewordene Klinge weg und griff sich den Knüppel eines Goblins, dessen Schädel er zum Dank zertrümmerte. Am Ende stellte sich heraus, dass zwei der Bestien die Sturzflut und den Fall aus dem Himmel überlebt hatten - doch jetzt waren sie natürlich tot.​
»Sobald unsere Waldläuferin sich gesammelt hat, überprüfen wir unsere Ausrüstung und gehen zum nächsten Auftrag.«​
»In Ordnung«, erwiderte der Zwerg und gönnte sich einen Schluck Branntwein aus seiner Trinkflasche.​
»Ich merk schon, heute wird kein guter Tag für die Biester. Hier, Langohr.«​
Der Schamane gab der Elfe einen Schluck des Hochprozentigen, allerdings fing diese direkt darauf an, sich mal wieder mit ihm zu zanken. Der Krieger ignorierte dies und murmelte:​
»Das wird sich noch zeigen.«
 
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