[Biete] Goblin Slayer Lightnovel [Deutsch][Kapitel 128/128][Update 01.03.23][PDF: Gesamtausgabe v_0.11.140 ]

Edward Teach

Anime-Pirat
VIP
Kapitel 60
Jungle Cruise


Das Zwitschern der Vögel. Die kleinen Lichtfetzen, die durchs Fenster hereinschienen. Der Geruch des Waldes. Das alles waren Dinge, die das Bewusstsein der Kuhhirtin aus dem Schlaf hätten wecken können, doch es war keins von denen.​
»Mhm ... Hah ... «​
Das Mädchen streckte sich unter der Decke aus Fell. Die Kühle des Morgens fühlte sich wunderbar auf seiner nackten Haut an, die außer der Decke von nichts bedeckt wurde. Doch etwas störte es. Das Geräusch, das es geweckt hatte. Das Klackern von Metall auf Metall.​
»Gut!«​
Es klatschte sich auf beide Wangen, um sich anzuspornen, und machte sich dann daran, mit seinem üppigen Körper in seine Kleidung schlüpfen. Aufgeregt zog es seine Unterwäsche an, knöpfte das Hemd zu und dann ...​
D ... Die Hose?
Sie hatte nicht wirklich zugenommen, doch sie passte nicht mehr. Vor Panik verknoteten sich die Finger der Kuhhirtin.​
»Ach, Mann ...«​
Eigentlich kümmerten solche Dinge das Mädchen vom Hof nicht besonders, aber es schnalzte trotzdem mit der Zunge. Nur mit einem Hemd über der Unterwäsche zog es mit Schwung den Vorhang auf, der seinen Schlafbereich vom Wohnzimmer trennte.​
»Gu... Guten Morgen!«​
»Hm ...«​
Und dort stand er. Er sah wie immer aus.​
»Ähm ...« Die Kuhhirtin drückte ihre Arme fest an sich.​
»Gehst du etwa schon?«​
»Das Nest der Goblins liegt höchstwahrscheinlich stromaufwärts. Es könnte sein, dass sie Gift ins Wasser tun.«​
»Das ist gar nicht gut ...«​
Ein mehrdeutiges Lachen kam über die Lippen der Kuhhirtin. Ihre Gedanken kreisten um Themen wie das Wetter, die Sonne oder ihren Onkel, aber all das war gerade irgendwie nicht passend.​
»Ahm ... Pass auf dich auf, ja?«​
»Ja.«​
Er nickte und ging emotionslos mit stapfenden Schritten zur Tür. Die Kuhhirtin schaute ihm hinterher und öffnete mehrmals ihren Mund, um noch etwas zu sagen, doch nichts kam heraus.​
»Du auch ... «, sagte der Krieger, als er schon eine Hand an die Tür gelegt hatte. Dann schüttelte er leicht den Kopf.​
»Nein, ihr bitte auch.«​
Er öffnete die Tür und schloss sie nach dem Herausgehen hinter sich. Das Mädchen vom Hof atmete tief aus. Es legte eine Hand auf seinen Kopf und wuschelte sich durch die Haare.​
»Ach, verdammt«, stieß es ein leises Stöhnen aus.​
»Ist er aufgebrochen?«​
»Ja ...«​
Die Kuhhirtin nickte leicht und drehte sich um. Dort stand die Gilden Angestellte in ihren Schlafsachen.​
»Möchten Sie ihn nicht verabschieden?«​
»Nein.«​
Die Beamtin kratzte sich verlegen an der Wange.​
Ich möchte nicht ... dass er mich ungeschminkt sieht.«​
»In gewisser Weise kann ich das nachvollziehen, aber ...«​
Die Kuhhirtin war auch nicht geschminkt und frisiert, doch sie konnte verstehen, worum es der Gilden Angestellten ging. «.. ich will, dass er mich so sehen kann, wie ich immer bin.«​
»Ich bin neidisch auf Ihren Mut.«​
Die Beamtin seufzte traurig, worauf die Kuhhirtin mit einer wedelnden Hand antwortete.​
»Ich versuche einfach, nicht zu sehr daran zu denken ... «​
Keine der beiden sprach aus, woran sie nicht denken wollten.​
Nämlich, dass es die letzte Begegnung sein könnte.​
Die Abenteurer hatten sich im Hafen der Elfen versammelt. Hier diente ein langer und breiter Ast, der sich in den Fluss erstreckte, als Landesteg.​
»Hm ... Mjam ... «​
Wie eine gerade aufgewachte Katze kniff die Elfe die Augen zusammen und gähnte. Sie war noch immer schläfrig. Ihre Kameraden hingegen waren schon eifrig dabei, ein Schiff zu beladen. Es war eines der Elfen und bestand aus einer Weißbirke, deren silberfarbener Stamm sich zu einer Tropfenform verändert hatte.​
»Hepp und hopp. Hier und da.«​
Der Zwerg hatte am Schiffsrand Holzplatten als Schutzwände aufgestellt, um es in ein notdürftiges Kriegsschiff zu verwandeln.​
»Könntest du es nicht etwas eleganter aussehen lassen?«​
»Wir haben gerade keine Zeit, uns um optische Belange zu kümmern.«​
Der Zwerg strich sich durch den Bart und schnaufte den Cousin der Waldläuferin unzufrieden an.​
»Aber nur damit du es weißt, ich mag es eigentlich auch nicht, Gegenstände mit so unnötigen Dingen zu versehen.«​
Wenn sie mehr Zeit gehabt hätten, wären sie es sicher anders angegangen, aber jetzt hatte das Ausbessern von möglichen Gefahrenquellen höchste Priorität. Der Cousin schien dies verstanden zu haben, denn er beschwerte sich nicht weiter, sondern streckte einen Arm in die Luft.​
»Sylphen, Sylphen, gebt mir einen Kuss, damit ihr Schiff sicher segeln kann.«​
Er beschwor einen Wirbelsturm herbei, der das Schiff umschloss.​
»Als Elf bin ich mit den Naturgeistern verbunden, aber eigentlich bin ich Waldläufer und Jäger. Überschätzt den Schutz also nicht.«​
»Alles klar.«​
Mit einem frechen Grinsen schielte der Zwerg zur Waldläuferin hinüber. »Jeder hat wohl seine eigenen Stärken und Schwächen.«​
»Mhm ... «​
Die Abenteurerin rieb sich die Augen und ließ die Ohren hängen. Sie war noch immer nicht richtig wach.​
»Und was ist mit ihrer Schwester?«​
»Die beiden haben sich wohl gestern Nacht lange unterhalten.«​
»Also hat der Sandmann sie noch recht fest im Griff?«​
Der Cousin der Waldläuferin rieb sich seufzend die Schläfen, als müsste er einen Kopfschmerz unterdrücken. Dann meinte er:​
»Menschen sind fleißig ... Meine Schwägerin sollte vielleicht ein. wenig von ihnen lernen.«​
Er schaute zu der Priesterin und dem Mönch, die auf dem Schiff Gebete zu ihren Göttern sprachen.​
»Höchst barmherzige Erdmutter, bitte strecke deine Hand aus, um uns entfernt von dir auf der Erde zu leiten ... «​
»Oh, großes Schaf aus der Kreideära, wir widmen dir unsere Taten, da von deinen kriegerischen Leistungen bis in alle Ewigkeit berichtet werden wird.«​
Das Mädchen zog seinen Stab fest an sich heran, während es für ein sicheres Abenteuer betete. Der Echsenmensch formte immer wieder mysteriöse Handzeichen, um die Wahrscheinlichkeit für einen siegreichen Kampf zu erhöhen. Auch wenn sie keine Wunder wirkten, bestand kein Zweifel daran, dass die Götter auf ihrer Seite waren.​
»Puh ... «​
Nachdem sie ihr Gebet abgeschlossen hatte, richtete die Priesterin sich auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn.​
»Es ist nicht gut, immer nur die Götter um Hilfe zu bitten. Ich werde mich anstrengen, dass meine Taten auch etwas erreichen.«​
»Es ist keine große Sache, lediglich um etwas zu bitten.«​
Der Echsenmensch streckte einen schuppigen Arm aus, um die wankende Priesterin festzuhalten.​
»Man sollte einfach vorsichtig sein, nicht zu einem Gott zu beten, der einen in einer alles entscheidenden Schlacht sitzen lässt.«​
»Es so auszudrücken, ist vielleicht etwas übertrieben.«​
Die eine war eine Priesterin im Dienste der Erdmutter. Der andere war ein Mönch, der seine Vorfahren in Form des fürchterlichen Drachen anbetete. Ihre jeweilige Denkweise war vollkommen unterschiedlich, doch das hieß nicht, dass sie sich als Gegner gegenüberstanden.​
»Wie dem auch sei. Wir müssen uns anstrengen.«​
»Seid ihr fertig?«, fragte Goblin Slayer, der in diesem Moment aus dem Lagerraum des Schiffes hervorkam.​
Er hatte Proviant und Schlafsäcke hineingetragen. Jetzt ließ er seinen Blick über die Schilde an der Reling schweifen.​
»Ja, sind wir. Die Schilde wurden angebracht, wir haben gebetet und außerdem haben wir den Schutz des Windes erhalten.«​
»Ist das so?«, erwiderte Goblin Slayer.​
»Danke.«​
»Nicht doch!«​
Nachdem er seiner Kameradin, die ein großes Lächeln auf den Lippen trug, zugenickt hatte, stieg der Krieger mit stapfenden Schritten auf den Anleger. Durch sein Gewicht schwankte der große Ast ein wenig.​
»Du hilfst uns sehr«, sagte der Krieger zum Cousin der Waldläuferin.​
»Nein, nicht der Rede wert«, antwortete dieser ruhig.​
»Pass als Dank dafür einfach auf meine Schwägerin auf.«​
»In Ordnung.«​
Goblin Slayer schaute in die Richtung der Waldläuferin, die noch immer etwas wackelig auf den Beinen war. Der Zwerg wollte sie in den Fluss werfen, um sie richtig aufzuwecken, aber die Priesterin hielt ihn davon ab.​
»Ich werde mich um sie kümmern.«​
»Ach ja?«​
Kurz entspannte sich das Gesicht des Elfen zu einem Lächeln, bevor er es wieder anspannte. Dann durchwühlte er das Täschchen an seiner Hüfte und zog ein kleines Fläschchen mit einer goldfarbenen Flüssigkeit hervor.​
»Ein Elixier.«​
Es handelte sich um einen Geheimtrank der Elfen, der ebenso wie die Backkunst des Volkes zu ihren geheimen Überlieferungen gehörte. Bei der Herstellung wurden verschiedene Kräuter, Baumextrakte und Fruchtsäfte kombiniert, bevor ein Ritual mit den Naturgeistern abgehalten wurde. Der Behälter war mit einem Blatt Königskraut verschlossen, weswegen man seinen Inhalt in einem Rutsch konsumieren musste. Goblin Slayer nahm das Geschenk wortlos entgegen und steckte es in seine Tasche. Erst dann sagte er:​
»Falls wir nicht zurückkehren sollten, kümmert euch bitte um die zwei.«​
»Das werden wir.«​
»Und natürlich auch um die Goblins.«​
»Selbstverständlich.«​
Der Cousin der Waldläuferin nickte. Er dachte einen Moment darüber nach, wie er seine folgenden Worte formulieren sollte, und fuhr dann in gewichtigem Ton fort:​
»Ich kenne sie schon sehr lange. Sie ist meine kostbare Schwester. Bitte kümmere dich gut um sie.«​
»Ich werde tun, was ich kann.«​
»Du machst keine unüberlegten Versprechen, oder?«, sagte der Elf überrascht.​
Dann begann er zu flüstern, damit niemand mithören konnte: »Die Alten haben Nachrichten aus der Stadt des Wassers erhalten.«​
»Hm?«​
»Aber als Hochelf bin selbst ich noch unerfahren. Ich kann mir nicht vorstellen, für welches Mittel sich die Alten entscheiden werden.«​
Die Elfen dachten bei ihrer Planung stets weit voraus, weshalb selbst der kleinste Handgriff sich bei ihnen in entfernter Zukunft als nützlich erweisen konnte. In diesem Fall würde es sicherlich ähnlich ablaufen. Der Cousin der Waldläuferin biss knirschend die Zähne zusammen. Um was für eine Nachricht es sich handelte, war selbst ihm, dem Anführer der nächsten Generation, nicht verraten worden. Natürlich konnte er einige Vermutungen anstellen, aber sie wären nichts weiter als Mutmaßungen gewesen, weswegen er sich lieber zurückhielt. Schließlich konnte man einen Strom nicht verstehen, ohne zu wissen, in welche Richtung er floss.​
Während er den schweigenden Elfen musterte, stieß Goblin Slayer ein tiefes Brummen aus. Dann sagte er:​
»Seid vorsichtig mit dem Fluss.«​
»Das zählt doch eher für euch. Heute soll es nebelig werden.« Der Elf wackelte mit den Ohren und lauschte kurz dem Wind. Dann schaute er in den noch leicht düsteren Morgenhimmel.​
»In diesem Wald sind nicht nur die Goblins euer Feind. Manchmal kann auch die Natur selbst zum Gegner werden. Macht euch darauf gefasst. Schließlich begebt ihr euch jetzt in die Tiefen der Dunkelheit.«​
Goblin Slayer starrte zusammen mit dem Elfen in den tiefen Wald. Dann brummte er und wiederholte leise:​
»Tiefen der Dunkelheit...«​
Die Abenteurer würden sich weiter stromaufwärts, in die Nähe der Quelle des Flusses, begeben. Doch was würde dort auf sie warten? Ein Windstoß trug klebrig-feuchte Luft herüber. Fast wie in einem Goblin Nest, dachte sich der Krieger und begann sofort damit, einen Plan aufzustellen.​
»Ich hätte noch eine Bitte.«​
»Was denn?«​
»Ich möchte, dass ihr ein weiteres Schiff vorbereitet.«​
»In Ordnung.«​
Der Cousin der Waldläuferin nickte und machte eine Bewegung, die typisch für einen Elfen war, der eine Sache versprach.​
Goblin Slayer schaute seinem Gegenüber dabei zu und fragte dann:​
»Stimmt es eigentlich, dass es bei Elfen das Konzept des Aufräumens nicht gibt?«​
»Doch, das gibt es«, antwortete der Elf mit müder Stimme.​
»Nur eine gewisse Schwester meint, dass es nicht existiere.«​
»Ist das so?«​
Der Nebel war wie ein Geschenk des Himmels. Er hielt das Sonnenlicht ab und ließ die Umgebung in einem weißen Dunst verschwimmen, sodass schon Dinge in der näheren Umgebung nicht mehr richtig zu erkennen waren. Die Goblins allerdings sahen den Nebel als selbstverständlich an. Sie hätten nie in Betracht gezogen, sich für etwas Gutes zu bedanken. Sie fühlten sich immer im Nachteil. Egal, wie viel sie bereits hatten. Am Strom, der durch den tiefen Wald floss, schlief ein Goblin. Er war als Wache abgestellt worden, doch gerade schwänzte er. Zumindest tat er das, bis ein Geräusch ihn erschrocken hochfahren ließ. Der Goblin riss seine dreckigen Augen weit auf, um tief in den Nebel hineinzuschauen. Er spitzte die Ohren, um kein Geräusch zu verpassen.​
Ich hab's.
Die knirschenden Geräusche kamen zweifelsohne aus der Richtung der Elfensiedlung. Es mussten langohrige Waldbewohner sein, die unbedacht flussaufwärts kamen. Er würde sich bei ihnen dafür rächen, dass sie immer so angeekelt auf ihn und seinesgleichen herabschauten.​
»GROORB.«​
Undeutlich konnte der Goblin den langen Schatten des Bootsführers im Nebel erkennen. Er leckte sich über die Lippen. Wenn es ein männlicher Elf wäre, würden sie ihn totschlagen und fressen. Eine weibliche Elfe würden sie als Gebärbeutel missbrauchen.​
Ich habe sie zuerst entdeckt, daher darf ich als Erster meinen Spaß haben, oder?​
»GRORO! GROOBR!!«​
Der Goblin legte zwei Finger zusammen und pfiff mehr​
schlecht als recht.​
»GROB?!«
»GOORBGROOR!«​
Die aus dem Schlaf geweckten Goblins erhoben sich langsam und widerwillig. Als sie aber das Schiff der Elfen sahen, war ihre Müdigkeit sofort wie weggewischt. Elfen! Abenteurer! Opfer! Fressen! Weiber!​
»GORBBR!«
»GOBGOROB!«​
Sie riefen sich gegenseitig zu, was sie mit den Elfen machen würden, bevor sie nach ihren Waffen griffen und auf ihre geliebten Reittiere sprangen. Obwohl »geliebt« wohl nicht das richtige Wort war. Besonders liebevoll gingen sie mit den Wölfen schließlich nicht um.​
»GOROB!«​
Während er und seine Artgenossen den Fluss entlang galoppierten, brüllte der Entdecker des Schiffes Befehle, als wäre er der Anführer. Goblins besaßen nicht den nötigen Körperbau, um auf Pferden zu reiten, doch das störte sie nicht. Schließlich liefen Wölfe leiser und mit einem Knebel im Maul heulten sie nicht. Brutal schlugen die kleinen Teufel ihre Reittiere und verletzten sie dabei, damit diese mit schäumenden Mäulern noch schneller liefen.​
»GROOROGGR!!«​
Zuerst musste der Schiffsführer erledigt werden. Dann der Ruderer. Danach würden sie aufspringen und den Rest beseitigen. Die Goblins stellten sich bereits vor, wie die Elfen in Panik verfielen, und grinsten. Sie würden viel Spaß daran haben, den hochnäsigen Waldbewohnern ihre Gedärme herauszureißen. Während sich die Biester die schrecklichsten Dinge ausdachten, festigte sich ihr Griff um ihre Waffen. Es waren krude Speere und Bögen. Außerdem hatten sie Wurfsteine dabei. Sie waren primitiv, aber mehr als ausreichend, um einem Wesen das Leben zu nehmen.​
»GGRO! GRRB!«​
Die Wache schrie grell auf, worauf seine Artgenossen mit der Zunge schnalzten. Sie würden ihm für sein überhebliches Verhalten später eine Lektion verpassen.​
»GRORB!«
»GGGROORB!«​
Die Gruppe ignorierte die Schreie der Wache und machte sich bereit zum Kampf. Im vollen Galopp gingen sie zum Angriff über.​
»GORB! GBRROR!«​
Als Erstes ließen sie einen Regen aus Pfeilen auf das Elfenboot niederhageln. Die grünen Teufel ließen sich nicht davon beirren, dass die Hälfte ihrer Geschosse dabei platschend im Wasser landete, denn ein paar trafen auch den Bootsführer und den Ruderer.​
Kurz freuten die Bestien sich über ihren Erfolg, doch dann bemerkten sie, dass das Schiff sich einfach weiterbewegte und auch das Geräusch der Ruder nicht aufhörte. War der Angriff zu schwach gewesen? Hatten sie niemanden wirklich verletzen können? Verwundert machten sich die Goblins für den nächsten Angriff bereit, als ...​
»Einer!«​
... ein Krieger in verschmutzter Lederrüstung heran gesprungen kam und die Kehle der Wache mit einem Schwertstich durchbohrte.​
»GBBOOROB?!«​
Die Wache schrie auf, doch Goblin Slayer trat den schwer verwundeten Goblin einfach in den Fluss. Seine Kameraden sahen das spritzende Wasser als Signal.​
»Puhah!«​
Tief durchatmend befreite sich die Elfe von der Decke, unter der sie sich versteckt gehalten hatte. Sie befand sich auf dem Schiffsdeck eines zweiten Schiffes, das von dem ersten gezogen wurde.​
»Ihr miesen Viecher habt es also wirklich gewagt, in die Nähe meiner Heimat zu kommen!«​
Anmutig zog die Waldläuferin die Sehne ihres Bogens zurück und feuerte einen ihrer Pfeile mit Knospenspitze ab. Zwei weitere folgten direkt darauf.​
»GOOB?!«
»GROBO?!«​
Nacheinander bohrten sie sich in die Kehlen und Augenhöhlen dreier Goblin Reiter, die von ihren Wölfen stürzten. Weder das Schwanken des Bootes noch der Nebel konnte den Fähigkeiten der Elfe etwas anhaben. Sie spitzte ihre Ohren, um auch das leiseste Kampfgeräusch wahrnehmen zu können.​
»Orcbolg! Sie kommen von rechts!«​
Als Antwort war nichts weiter als der Schmerzensschrei eines Goblins zu hören, weshalb die Waldläuferin zufrieden nickte. Dann wandte sie sich dem Zwerg zu.​
»Aber ein zweites Schiff vorzubereiten, um sie damit abzulenken, kommt mir ein wenig viel vor ... «​
»Und dafür musste der Mönch sogar Wunder wirken«, antwortete der Schamane seufzend.​
Er blickte zu den zwei Drachenzahnkriegern, die auf dem vorigen Boot standen. Sie waren in Mäntel gehüllt und sorgten, den Angriffen der Goblins trotzend, dafür, dass ihr Boot weiter stromaufwärts schwamm. In ihnen steckten einige Pfeile und Speere, doch das störte sie nicht.​
»Ach, wir müssen langsamer werden!«, warf die Priesterin in die Runde. Sie hatte ihren Körper möglichst klein gemacht und klammerte sich an ihren Stab.​
»Goblin Slayer ist schließlich dahinten.«​
»Ja, ich werde mich ebenfalls ins Kampfgetümmel stürzen. Also sorge dafür, dass sie auf dich hören.«​
Der Echsenkrieger hatte für den Kampf eine Scharfkralle vorbereitet und sprang zu den Goblins ans Ufer.​
»Hajah!«​
Mit einem wilden Schrei wirbelte er den Schwanz herum und brach damit den Hals eines Goblins, auf dessen Leiche er dann landete. Durch den wilden Absprung des Mönchs kam das Boot ins Wanken. Schreiend klammerte sich die Priesterin an einem Schild fest.​
»Geht das nicht vorsichtiger? Willst du uns alle ins Wasser stürzen?!«, rief der Zwerg seinem Kameraden nach und half der Priesterin wieder auf die Beine.​
»I... Ich bin in Ordnung!«, antwortete diese.​
Die beiden waren zusammen mit der Elfe an Bord geblieben, um das Boot zu beschützen.​
»Mach dir keine Sorgen! Ich werde sie nicht nah genug herankommen lassen!«, rief die Waldläuferin und schoss drei Pfeile ab. Direkt darauf ertönten die Schreie dreier Goblins.​
»Neun!«​
»GROOBOO?!«​
Goblin Slayer sprang nach vorne und schwang seinen Schild nach einem Schatten, der sich im Nebel versteckte. Direkt darauf bohrte sich dessen geschärfte Kante in den Schädel eines Goblins. Geleitet von einem Schrei trat der Krieger zu und fügte noch einen Schwertstoß hinzu, der die Bestie in der Kehle traf. Goblin Slayer griff sich das Kurzschwert eines zuvor getöteten Goblins und trat ihn um. Da er hörte, wie sich ein Wolf hechelnd näherte, drehte der Abenteurer das Schwert um und zog währenddessen einen Lederriemen aus der Tasche, an dessen Enden jeweils ein Stein befestigt war.​
»Hmpf!«​
Er warf den Riemen, der im Nebel verschwand. Kurz darauf ertönte das Heulen eines Wolfs, gefolgt von einem „GORB?!“. Der Lederriemen hatte sich um die Beine des Wolfs gewickelt. Ohne zu zögern, sprang Goblin Slayer heran, um dem abgeworfenen Goblin in die Kehle zu schlagen und damit den Kehlkopf zu zertrümmern.​
»Elf.«​
Für den Abenteurer war das nebelige Schlachtfeld von Vorteil. Normalerweise wären die Goblins hier im Freien aufgrund ihrer Überzahl überlegen gewesen, doch wenn sie bei dieser schlechten Sicht mit ihren Waffen wild herumwedelten, liefen sie Gefahr, sich gegenseitig zu verletzen. Goblin Slayer konnte dies nutzen, um Verwirrung in den gegnerischen Reihen zu stiften und seine Feinde gezielt auszuschalten.​
»Eine Patrouille? Ist das etwa eine Zufallsbegegnung?«, rief der Krieger dem Mönch zu, der gerade einen Reiter von seinem Tier geschlagen hatte.​
»Das könnte man vermuten!«​
»GOROOB?! GROBOR?!«​
Während der Reiter schreiend zu Boden fiel, griff sich der Echsenmensch das Maul des Wolfs und riss es mit voller Kraft auf. Er war vollkommen euphorisiert vom Kampf und all dem Blut.​
»Wenn man auflauernde Gegner überrascht«, Goblin Slayer rammte seine Klinge in das Rückenmark des gestürzten Goblins, »ist man als Angreifer im Vorteil.«​
Der Krieger zog das Schwert aus dem toten Goblin und warf es in den Nebel. Ein Schrei ertönte.​
»Wir dürfen keinen von ihnen entkommen lassen.«​
»Ha ha ha! Das hatte ich sowieso nicht vor!«​
Der Echsenmensch schwang seinen Schwanz und erwischte eins der grünen Biester. Es krachte gegen einen Baum und ein Knacken deutete darauf hin, dass sein Rückgrat zertrümmert worden war. Bleiben nicht mehr viele, dachte sich Goblin Slayer und griff nach einem Speer zu seinen Füßen. Mit gehobenem Schild ging er nach vorne und wehrte den Giftdolch eines Goblins ab, der sich im Nebel versteckt hatte. Er rammte seinen Speer in ihn. Da sich das noch nicht ausreichend anfühlte, gab er dem Speer noch einen weiteren Ruck nach vorne und schlug dem Biest mit seinem Schild ins Gesicht. Der Goblin ging mit gespaltener Stirn zu Boden. Zur Sicherheit trat Goblin Slayer ihm noch in die Kehle.​
»Wir müssen es beenden, bevor der Nebel sich lichtet!«, rief der Abenteurer seinen Kameraden zu und so machten sie es.​
»Ich frage mich, ob hier Blumen blühen«, murmelte die Priesterin, nachdem sie mit ihren Kameraden die Goblin Reiter Einheit besiegt hatte.​
Es war nichts weiter als das Wasser, das Knirschen der Ruder und das leichte Atmen der fünf Abenteurer zu hören. Es war fast, als würden die Tiere in den Tiefen des Waldes ihren Atem anhalten und die Abenteurer bei ihrer Reise stromaufwärts gespannt beobachten. Die Sonne stand mittlerweile hoch am Himmel, doch die dichten Baumkronen sorgten dafür, dass nicht allzu viel Licht auf die Abenteurer herabfiel. Da es mit zunehmender Dichte des Waldes immer weniger wurde, erinnerte die Umgebung die Priesterin ein wenig an eine Höhle, was wohl der Auslöser für ihre Frage gewesen war. Die Elfe schüttelte ihren Kopf und antwortete:​
»Keine Ahnung ... Zumindest kenne ich keine Blume, die so riecht ...«​
»Wir nähern uns ihrem Gebiet«, entgegnete Goblin Slayer emotionslos. Er trug einen Knüppel am Gürtel, der wahrscheinlich aus Holz geschnitzt worden war. Auf ihm konnte man mehrere dunkelrote Flecken erkennen. Sicherlich waren damit nicht nur die Köpfe von Goblins gespalten worden.​
Nachdem der Krieger und seine Kameraden die knapp zwanzig Goblins getötet hatten, hatten sie deren Kadaver zusammen mit denen der Wölfe in den Fluss geworfen. So wollten sie verhindern, dass andere Artgenossen vielleicht auf ihre Überreste stießen. Die Priesterin hätte die getöteten Gegner am liebsten begraben, doch dafür hatten sie keine Zeit gehabt. Stattdessen hatte der Echsenmensch ihr erklärt, dass die Kadaver wahrscheinlich von fleischfressenden Fischen verzehrt werden würden und dass das auf gewisse Art ja auch ein Begräbnis sei.​
»Der Nebel lichtet sich. Wir sollten uns besser vorbereiten«, sagte der Mönch jetzt mit tiefer Stimme.​
Er gab dem rudernden Drachenzahnkrieger auf dem vorausfahrenden Boot ein Zeichen, mit dem Rudern aufzuhören. Dieser setzte sich daraufhin, ließ dabei das hölzerne Ruder aber nicht los. »Es könnte nichts problematischer sein, als wenn das Rudern erneut gehört wird.«​
»Soll ich vielleicht Stille wirken?«, fragte die Priesterin.​
»Noch nicht.«​
Goblin Slayer schüttelte den Kopf.​
»Der Mönch hat bereits drei Wunder verwendet.«​
Der Krieger drehte sich dem Echsenmenschen zu, der bestätigend nickte. Zusammen konnten die Priesterin und der Mönch sieben Wunder wirken, es blieben ihnen also noch vier. Darüber hinaus konnte der Zwerg noch viermal Magie wirken. Das war für eine Abenteurergruppe noch immer viel, doch Wunder und Zauber waren kostbare Ressourcen, die es nicht zu verschwenden galt.​
»Also spare dir deine Wunder auf.«​
»Verstanden.«​
Beim letzten Kampf war sie schon keine große Hilfe gewesen und die Antwort ihres Kameraden betrübte sie ein wenig. Doch dann bemerkte sie etwas. Sie rieb sich die Augen und streckte ihren Kopf zwischen den Schildern an der Reling heraus.​
»Hm?«​
»Hey, das ist gefährlich!«​
Der Zwerg griff sie am Gürtel, um sie festzuhalten.​
»Ja«, antwortete sie und schaute sich um.​
Sie hatte im Nebel einen dünnen, länglichen Schatten gesehen.​
Für Bäume waren sie zu unnatürlich verformt gewesen, weswegen sie genauer hatte nachschauen wollen. Am Ufer erblickte sie etwas Erschreckendes ...​
»Sind das etwa Totems ...?«​
Mitten im Satz musste die Priesterin würgen. Sie hatte die Überreste eines Wesens gesehen, die auf einer langen Stange aufgespießt worden waren. Sie mussten schon länger hier sein, denn die Verwesung hatte sie nahezu unkenntlich gemacht. Die Form der verrosteten Rüstung ließ erahnen, dass es sich einst um eine Frau gehandelt haben musste. Welchem Volk sie jedoch angehört hatte, war nicht mehr zu erkennen. Die Priesterin schluckte herunter, was ihr hochgekommen war. Ihr war klar, warum die Goblin so etwas getan hatten: aus Böswilligkeit. Sie wollten jedem Eindringling damit klarmachen, dass das hier ihr Gebiet war, und ihm damit eine höllische Angst einjagen. Einen weiteren Sinn hatte es nicht.​
»Ob die Goblins sie wohl bei lebendigem Leib aufgespießt haben?«, fragte der Echsenmensch und legte seine Hände mysteriös zusammen.​
»Sie ist wieder dem Kreislauf des Lebens zugeführt worden.«​
Doch während das Schiff weiter den Strom hinaufglitt, wurde klar, dass die Goblins nicht nur ein Totem angefertigt hatten. Die Abenteurer erblickten immer mehr von ihnen. Es war wie ein Wald aus Totems und die Überreste, die auf ihnen aufgespießt waren, befanden sich in den unterschiedlichsten Verwesungszuständen. Wahrend einige von ihnen bereits nur noch aus Knochen bestanden, war bei anderen noch nicht einmal die Haut verfault. Einige Leichen erinnerten an Skelette, während andere an Abenteurer erinnerten. Unzählige waren zum Spielzeug der Goblins geworden.​
»U...«​
Es war der Priesterin nicht zu verdenken, dass sich ihr bei dem Anblick erneut der Magen umdrehte. Sie ließ ihren Priesterstab fallen und beugte sich über die Reling.​
»Uwärgh!«​
Während ihr der süßliche Geruch der verfaulenden Leichen in die Nase stieg, entleerte sie ihren gesamten Magen. Sie hatte gedacht gehabt, dass sie sich so langsam an die Gräueltaten der Biester gewöhnt hatte, doch diesmal war es zu viel gewesen.​
»Hier. Kau darauf herum. Und trink etwas Wasser.«​
»Agh ... E ... Es tut mir leid ...«, antwortete sie dem Zwerg, der ihr über den Rücken strich.​
Sie steckte sich das von ihm gereichte Blatt in den Mund und zerkaute es.​
»Sollten wir verlieren, enden wir also auch so?«, fragte die Elfe. Sie war vollkommen bleich im Gesicht.​
»Das ist alles andere als witzig.«​
»Ja«, entgegnete Goblin Slayer emotionslos.​
»Witzig ist das nicht.«​
Der Krieger blickte flussaufwärts. Dort im Nebel erhob sich ein schwarzer Schatten in den Himmel. Plötzlich wehte ein feuchter Wind vorbei und wischte den Dunst weg.​
»Ach so ...«, sagte die Elfe mit abwesender Stimme.​
»Deswegen nennt man sie also die, die den Fluss im Zaum hält ·.«​
Das Gebäude, das sich vor den Abenteurern erhob, war schwer zu beschreiben. Aus weißem Kreidestein war eine Art Festung gebaut worden, die auch als Damm diente. Seit der Zeit der Götter war das Gebäude den Elementen ausgesetzt gewesen und daher mit Moos bewachsen und von Ranken umhüllt. Es war der ideale Ort für ein Goblin Nest.​
»Obwohl es sich so nah an eurer Siedlung befindet, wusstet ihr nichts davon?«, beschwerte sich der Zwerg.​
»Nun ja, das hier war nun mal das Gebiet von Mokele Mbembe«, antwortete die Elfe schmollend.​
»Es mag sein, dass die Ältesten davon wissen ... und vielleicht auch meine Schwester ... «​
»Und du hast mal wieder nicht zugehört, als andere darüber geredet haben?«​
Wie so häufig brach ein Streit zwischen der Elfe und dem Zwerg aus. Wahrscheinlich hatte der Schamane es darauf angelegt, um die gedrückte Stimmung etwas aufzulockern.​
»Jetzt gehört dieses Gebiet aber den Goblins«, unterbrach Goblin Slayer die beiden Streithähne.​
»Wir machen das Boot fest. Der Nebel hat sich gelichtet.«​
»Verstanden. Verstanden.«​
Mit einer schnellen Handbewegung gab der Echsenmensch den Drachenzahnkriegern ein Zeichen, die sich sofort daranmachten, das Boot ans Ufer zu bringen. Goblin Slayer legte seine Hand auf den Knüppel und kniete sich neben die Priesterin.​
»Wie ist es?«​
»Urgh ... Wir ...«​
Sie schüttelte kraftlos den Kopf.​
»Wir müssen etwas gegen sie unternehmen.«​
»Ja.«​
»Wir können sie nicht ... so weitermachen lassen ... «​
»Ja. Wir lassen sie nicht damit durchkommen.«​
Die Priesterin nickte und der Krieger griff nach ihrem Stab und reichte ihn ihr. Sie umarmte ihn wie einen alten Freund und stand auf. Bevor sie zu ihm aufsah, atmete sie noch einmal tief durch.​
»Es sind schließlich Goblins, oder?«​
»Ja«, erwiderte der Krieger, »Es sind Goblins.«​
Während die Elfe leichtfüßig an Land sprang, geschah das Ganze beim Zwerg etwas ungeschickter. Er griff sich ein Tau und befestigte das Schiff damit an einem Baum. Dann sagte er:​
»Bartschneider, jetzt wo der Nebel weg ist und es auch bald Nacht wird, werden wir uns nur schwer in das Nest schleichen können.«​
»Wenn das so ist ...«​
Die Elfe legte ihre Finger zusammen und versuchte zu schnipsen, aber weil dabei nur ein erbärmliches Geräusch herumkam, schnalzte sie mit der Zunge.​
»Wenn das so ist, habe ich eine gute Idee!«​
Die Monde standen schon am Himmel. Die Gruppe bewegte sich vorsichtig durch die Schatten. Gebeugt kämpften die Abenteurer sich durch Gebüsch und Gestrüpp.​
»Höchst barmherzige Erdmutter. Umgebe uns allgegenwärtig und schenke uns Ruhe ...«​
Die Priesterin hatte mit ihrem Wunder dafür gesorgt, dass ihre Bewegungen keine Geräusche erzeugten. Angestrengt stellte das Mädchen sicher, dass das Wunder nicht seine Wirkung verlor. Je näher sie ihr kamen, umso höher kam den Abenteurern die Festung vor. Ihre Bauart deutete darauf hin, dass Zwerge sie errichtet hatten. Allerdings waren hier und dort auch Bäume und Zweige verwendet worden, was vermuten ließ, dass auch die Elfen etwas mit diesem Gebäude zu tun gehabt hatten. Da sie außerdem wirkte, als würde sie einige Schlachten überstehen können, hatten die Bauherren des Projektes sich sicher von Gebäuden der Menschen oder Echsenmenschen inspirieren lassen. Mittlerweile hatten die Goblins jedoch an mehreren Stellen Steine entfernt und überall ihren Dreck hinterlassen. Was war wohl der Zweck dieses Gebäudes?, fragte sich die Priesterin. Wunder der Erdmutter allein würden nicht ausreichen, um es einzunehmen. Aus diesem Grund brauchten die Abenteurer noch weiteren Schutz.​
»Tanz, Salamander. Ja, tanz. Teil das Feuer an deinem Schwanz.«​
Deshalb erhitzte der Schamane mit einem Zauber einen Stein, den er in seinen grobschlächtigen Händen trug und mit dem er weißen Dampf erzeugte, der der Gruppe Deckung gab. Dies hatte zur Konsequenz, dass den Abenteurern sehr heiß wurde. Die durch das Wasser durchnässte Robe der Priesterin lag lästig eng an und obwohl es sich nicht gehörte, hatte das Mädchen die Ärmel hochgekrempelt. Der Zwerg, die Elfe und der Echsenmensch hingegen kamen gut mit der Hitze klar und ihre Bewegungen wirkten aufgeweckter als sonst. Wie es in der Hitze um Goblin Slayer stand, war allerdings in seinem Helm nicht zu erkennen. Der Mönch erblickte einen Wachturm des Gebäudes vor ihnen und erkannte, dass in ihm ein Goblin gelangweilt mit einem Speer im Arm döste. Der Echsenmensch bewertete dies jedoch nicht als Problem und nickte Goblin Slayer zu, der darauf sein Lauftempo beschleunigte. Kurz darauf stand die Gruppe vor dem Eingang der Festung. Sie wurde durch ein dickes und festes Holztor gesichert. Man konnte keinerlei Metall oder Ähnliches erkennen, aber das änderte nichts an der anzunehmenden Härte des Tores. Auf den ersten Blick sah es aus, als bestände es aus einem Stück, doch in ihm war eine kleinere Tür eingelassen.​
Goblin Slayer befahl seinen Kameraden per Handzeichen, sich im Dickicht zu verstecken, und zog den Knüppel vom Gürtel. Die Elfe nutzte die Möglichkeit und sprang geschickt einen Baum hinauf. Dabei fiel kein einziges Blatt herunter. Auf einem passenden Ast angekommen, legte sie einen Pfeil in ihren Bogen und spannte die Sehne. Unter ihr fasste der Echsenmensch seine Waffe fester, während der Zwerg und die Elfe sich auf das Aufrechterhalten ihres Zaubers und Wunders konzentrierten. Als Goblin Slayers Blick auf die Priesterin fiel, formte sie mit ihrem Mund die Worte:​
Sei vorsichtig.​
Der Krieger nickte. Als er aus dem Bereich des Wunders heraustrat, konnte Goblin Slayer sofort wieder die Geräusche des tiefen Waldes hören. Das Rascheln der Gräser, das Wehen des Windes und das Flüstern des Flusses.​
»Hmpf!«​
Nachdem der Krieger eine Weile vor dem Tor verweilt hatte, trat er brutal dagegen. Dann griff er nach einem Loch im Holz des Tors und zog sich daran hoch. Nur einen kurzen Moment später öffnete sich die Tür.​
»GROB?«​
Ein Goblin, der wahrscheinlich Wachdienst hatte, steckte den Kopf heraus. Die Elfe wollte bereits ihren Pfeil abschießen, doch hielt sich zurück, weil Goblin Slayer sich nicht bewegte. Zusammen mit zwei anderen Goblins trat der wachhabende Goblin dann vor die Tür. Die Elfe schnalzte mit der Zunge, doch wegen Stille gab es keinen Laut. Ein vierter Goblin folgte, doch es dauerte noch fünf weitere Sekunden, bis Goblin Slayer aktiv wurde. Er ließ sich auf den letzten der Goblins fallen und warf ihn damit zu Boden. Bevor das Biest schreien konnte, hatte der Krieger ihm bereits den Schädel eingeschlagen. Mit einem dumpfen Geräusch verdrehte sich der Kopf des Goblins in eine unmögliche Richtung. Geschwind griff der Abenteurer sich das Schwert vom Gürtel des Monsters und verstaute es.​
»Eins.«​
»GBBR?«​
Der wachhabende Goblin drehte sich aufgrund des plötzlichen Krachs hastig um.​
»GORB?!«​
Wie eine Marionette, deren Fäden durchgeschnitten wurden, brach der grüne Teufel zusammen. Ein Pfeil der Elfe hatte seinen Schädel durchbohrt. Die beiden übrigen wollten schreien, doch die Abenteurer waren schneller. Der eine Goblin bekam den Knüppel heftig ins Gesicht geschlagen. Er fiel zu Boden und der Krieger stürzte sich mit dem gerade erst geraubten Schwert auf ihn. Während er mit seiner linken Hand fest das Maul des Goblins zuhielt, zerschnitt er ihm die Kehle.​
»Drei.«​
»GRRB...Z!«​
»Bleibt einer.«​
Goblin Slayer schaute hoch und sah, wie der letzte Goblin mit einem Pfeil in der Kehle zusammenbrach.​
»Vier.«​
Der Krieger eilte zur Tür im Tor und warf einen Blick hindurch. Es war düster, aber das Licht der zwei Monde reichte, um zu erkennen, dass hinter dem Tor ein Platz lag, welcher aktuell verlassen war. Goblin Slayer steckte einen Keil unter die Tür und winkte seinen Kameraden zu.​
»Alles in Ordnung? Bist du ...«, fragte die Priesterin, während sie mit trappelnden Schritten herangeeilt kam.​
»Ich bin unversehrt«, antwortete der Krieger.​
Auf die Priesterin folgte der Echsenmensch, der auf allen Vieren lief, und dann der Zwerg. Zuletzt sprang die Elfe aus dem Baum und flitzte mühelos auf die Tür zu.​
»Von wegen Späher. Das eben war eher das Werk eines Meuchelmörders. Und was machen wir nun?«​
»Es gefällt mir nicht, aber wir müssen wohl durch die Tür.«​
Goblin Slayer zog ein Schwert vom Gürtel eines Goblins und steckte es in die Scheide an seinem Gürtel. Dann schnappte er sich das Beil eines weiteren toten Goblins. Auch diese Waffe verstaute er an seinem Gürtel.​
»Wir dürfen hier nicht allzu lang verharren. Mönch, unterstütze mich bitte im Nahkampf.«​
»Sehr wohl. Als Echsenmensch gehöre ich in die erste Reihe.«​
Dem Mönch blieb nur noch ein Wunder. Die Drachenzahnkrieger hatte er bei den Schiffen als Wache zurückgelassen. Somit konnte er sich nur auf Scharfkralle und seine eigene Körperkraft verlassen, was ihm jedoch völlig genügte.​
»Ich kann noch dreimal etwas einsetzen«, erklärte der Zwerg und strich sich durch den Bart.​
»Ich, ähm ...«, die Priesterin dachte nach, »... noch zweimal.«​
»Verstanden.«​
Insgesamt standen der Gruppe nur noch sechs ihrer elf Wunder und Zauber zur Verfügung. Sie hatten also fast die Hälfte verbraucht. Würde es ihnen damit gelingen, dieses gewaltige Gebäude einzunehmen? Ungewollt schossen der Priesterin schlimme Gedanken durch den Sinn. Sie dachte an ihr allererstes Abenteuer, an das, was sie auf dem Weg hierher gesehen hatte, und viele weitere schreckliche Dinge. Schnell schüttelte sie ihren Kopf und fragte:​
»Ähm, was machen wir wegen Licht?«​
»Erst einmal gehen wir rein.«​
Goblins konnten im Dunkeln sehen und benötigten von daher keine Lichtquellen. Wenn man die Festung also mit bereits entzündeten Fackeln betrat, zog man nur unnötig Aufmerksamkeit auf sich.​
»Sobald wir aber wirklich drinnen sind, ist es nicht anders als in einer Höhle.«​
»Dann werde ich für später eine Fackel bereithalten.«​
»Bitte.«​
Goblin Slayer zückte einen Dolch. Die Priesterin sah dies und wusste direkt, was jetzt anstand. Ihr Gesicht verzog sich und sie musste resignierend seufzen.​
»Etwa das?«​
»Selbstverständlich.«​
Der Krieger drehte den Dolch in seiner Hand und ging mit entschiedenen Schritten auf eine der Goblin Leichen zu. Als die Elfe dies bemerkte, klopfte sie aufgeregt über ihre Kleidung und überprüfte ihre Ausrüstung. Dann wurde sie blass im Gesicht und ließ ihre Ohren hängen.​
»Muss das sein?«​
»Wenn du einen Duftbeutel dabeihast, nicht.«​
»A... Aber ich habe doch nicht gedacht, dass ich in meiner Heimat Goblins vertreiben müsste!«​
»Dann musst du da wohl durch.«​
Goblin Slayer ignorierte die Beschwerden seiner Kameradin und riss den Bauch des Goblins auf. Er zog die Eingeweide heraus, wickelte sie in ein Tuch und hielt dieses der Priesterin ausdruckslos hin. Angeekelt versuchte die Elfe zurückzuweichen, doch der Zwerg hielt sie fest.​
»Gib einfach auf. Das macht es leichter.«​
»Es sind doch nur ein paar Gedärme«, stimmte der Echsenmensch zu und half dem Schamanen dabei, die Elfe festzuhalten.​
»Wie? H ... Halt! Das geht doch auch ... «​
»Mach nicht so einen Terz.«​
Die Elfe wollte schreien, aber tat es nicht. Schließlich war sie eine erfahrene Abenteurerin.​
***
Mit der Elfe an ihrer Spitze schoben sich die Abenteurer an der Wand des Platzes entlang. Der Platz an sich war heruntergekommen. überall wuchsen Pflanzen, die Schatten warfen und damit als Verstecke genutzt werden konnten. Die Waldläuferin leckte sich über die Lippen. Leichtfüßig setzte sie einen Fuß vor den anderen. Selbstverständlich konnten sie immer noch von einer Patrouille erwischt werden, aber wegen irgendwelcher Geräusche aufzufliegen, wäre auch alles andere als witzig gewesen.​
»Tut mir leid.«​
Überrascht hielt die Waldbewohnerin inne, weil Orcbolg sich bei ihr entschuldigte. Es ging wohl darum, dass sie die Führung übernehmen musste, weil Menschen im Dunkeln nicht sonderlich gut sehen konnten.​
»In solchen Momenten seid ihr Menschen echt nicht zu gebrauchen.«​
»Entschuldigung ... «, sagte die Priesterin.​
Die Elfe wedelte leicht mit ihrer Hand.​
»Schon gut. Kein Problem. Jetzt ...«​
Die Ohren der Waldläuferin zuckten und stellten sich auf. Direkt darauf tauchte in ihrer Sichtlinie ein gelangweilter Goblin auf, der einen Speer auf der Schulter trug. Er war noch ein ganzes Stück von den Abenteurern entfernt und hatte sie nicht bemerkt. Vermutlich war er auf Patrouille. Die Elfe legte einen Pfeil in ihren Bogen und fragte:​
»Was machen wir?«​
»Erschieß ihn.«​
Noch bevor Goblin Slayer seinen Satz beendet hatte, flog das Geschoss von der Sehne des Bogens und durchbohrte die Kehle des Goblins. Dieser wedelte kurz mit seinen Armen und starb, ohne zu wissen, wie ihm geschah. Die anderen Wachen schienen nichts bemerkt zu haben. Die Waldläuferin atmete langsam aus, bevor sie sich wieder in Bewegung setzte. Bei der Leiche des Goblins angekommen, zog sie den Pfeil aus ihr heraus.​
»Urgh ...«​
Angewidert schüttelte sie das dunkle Blut des erledigten Biestes vom Geschoss.​
»Ich will nicht noch dreckiger werden, als ich es schon bin.«​
»Das stimmt allerdings ... «, antwortete die Priesterin ihrer Kameradin und schaute an sich herunter.​
Sie beide waren junge Frauen, aber von oben bis unten mit allen möglichen Körperflüssigkeiten von Goblins besudelt. Es stank nicht nur höllisch, sondern klebte auch, was es unheimlich schwer machte, sich daran zu gewöhnen.​
»Ach, verdammt. Die Pfeilspitze ist abgefallen ... So ein Mist ... «​
»Immer mit der Ruhe. Wenn das schon das Schlimmste ist, dann werden wir vielleicht beim Eindringen in das Gebäude nicht entdeckt werden.«​
Der Echsenmensch kroch auf allen Vieren umher.​
»Erst danach wird es wirklich kräftezehrend werden.«​
Der Mönch richtete seine Augen auf ein Holztor, das wohl als inneres Tor der Festung diente. Es sah äußerst stabil aus, doch das war nicht das Problem. Das Problem war, dass es von dieser Art Tor mehrere gab, welche nebeneinander in die Mauer eingelassen waren.​
»Ich habe gehört, dass königliche Grabstätten zum Teil solche Torsysteme besitzen. Viele davon sollen sogenannte falsche Eingänge sein.«​
»Die Tore da sollen alle falsch sein?«​
Neugierig beugte die Priesterin sich nach vorne und machte die Augen weit auf, um etwas mehr zu erkennen. Obwohl die Tore schon uralt waren, sahen sie majestätisch aus.​
»So wirken sie aber nicht auf mich ... «​
»Vielleicht sind sie nur eine Art Verzierung. Wenn es Fallen sind, kann ich sie nicht unterscheiden.«​
Die Priesterin starrte weiter auf die Tore und hatte das Gefühl, das bei einem etwas anders war. Sie wusste nur nicht genau, was. Es dauerte noch einige Momente, bis sie es bemerkte.​
»Vielleicht müssen wir uns doch nicht so viele Gedanken über das Thema machen. Nur bei einem der Tore ist das Buschwerk zertrampelt.«​
»Hoppla! In der Tat!«​
Die Vorfahren der Elfe mochten sich dieses ausgeklügelte Torsystem ausgedacht haben, doch die Dummheit der Goblins hatte es sinnlos gemacht. Gedankenlos hatten sie die ganze Zeit das wahre Tor genutzt und dabei das Dickicht drum herum zertreten. Die Waldläuferin zeigte auf zwei genervt dreinschauende Goblins, die Wache schoben, und sagte:​
»Dann sind nur noch diese beiden Goblins ein Problem, was? Wir sollten sie töten und ihnen den Schlüssel abnehmen.«​
»Vorausgesetzt, dass die Biester überhaupt wissen, wie man etwas abschließt.«​
Der Zwerg wischte sich ein Blatt aus dem Bart, das dort hängen geblieben war.​
»Wir sollten sie gleichzeitig ausschalten, damit sie niemanden alarmieren können.«​
»Kein Problem«, antwortete Goblin Slayer.​
»Mir sind sofort acht verschiedene Arten eingefallen, wie ich die beiden leise beseitigen kann.«​
»Wirklich?«​
»Das war ein Scherz«, erwiderte der Krieger der Priesterin, die die Augen weit aufgerissen hatte.​
»Ich habe eigentlich noch viel mehr Ideen.«​
Weil die Elfe keine weiteren Pfeile verschwenden wollte, bestand sie darauf, dass sich jemand anderes um die Wachen kümmerte, weshalb Goblin Slayer und der Zwerg den Angriff übernahmen. Beide hatten Schleudern in ihren Händen. Sie schlichen sich näher an die Gegner heran und feuerten fast zeitgleich ihre Steine ab. Zielsicher trafen sie die Kehle und den Kopf der Goblins.​
»GRORB?!«
»GBBO?!«​
Während der eine der beiden mit aufgeplatztem Hals zusammenbrach, hielt der andere sich die Stirn und schwankte. Doch bevor der Überlebende etwas tun konnte, sprang der Echsenmensch heran und erledigte ihn mit seiner Scharfklinge. Es herrschte noch immer Stille auf dem Hof.​
»Ich habe den Umgang mit der Schlinge auch geübt, aber ich bin noch nicht so gut wie sie ...«, murmelte die Priesterin niedergeschlagen.​
»Mach dir keinen Kopf. Jeder hat bei uns seine Aufgaben«, erwiderte die Elfe und klopfte ihrer Kameradin auf die Schulter.​
»Jeder sollte das tun, worin er gut ist«, erklärte der Mönch und schüttelte das Blut von seiner Waffe. Dann versteckte er die Kadaver der Goblins in einem Gebüsch.​
Die Elfe überprüfte, ob sie sicher nicht zu sehen waren, während der Zwerg sich einen Goblin Speer griff. Er schaute sich die Spitze an und sagte:​
»Für einfache Goblins sind das gute Waffen. Sie sind aus Eisen und nicht verrostet. Haben sie die von Abenteurern?«​
»Vielleicht lagen sie aber auch in den Ruinen oder sie haben einen Waffenhändler erwischt«, mutmaßte der Krieger.​
Der Zwerg brummte und entgegnete:​
»Sie wirken alt auf mich, aber manchmal werden ja auch Fundstücke aus Ruinen verkauft.«​
»Wie stehen die Chancen, dass an diesem Ort Dinge geschmiedet wurden?«​
»Das glaube ich nicht. Das hier ist kein Ort für Feuer. Ohne irgendwelche Zaubertricks der Elfen wird hier niemand irgendetwas geschmiedet haben.«​
»Hmpf ...«, grummelte Goblin Slayer.​
»Auf jeden Fall sind die Goblins gut ausgerüstet. Gab es einen Schlüssel?«​
»Ja, hier.«​
Die Elfe warf Goblin Slayer einen Schlüssel an einer Hanfschnur zu. Außerdem hing an ihm ein Schild mit eingeritzten Ziffern.​
»Gut.«​
Der Krieger studierte den Schlüssel und ballte dann eine Faust um ihn.​
»Wir gehen hinein und an den tiefsten Ort.«​
»Ähm ... Und das ist unsere Strategie?«​
»So ist es.«​
Die Priesterin musste wegen seiner typischen kurz angebundenen Art leicht lächeln. Dann kniete sie sich hin und zog den Priesterstab nah an sich heran.​
»Höchst barmherzige Erdmutter. Bitte führe mit deinen Händen die Seelen derer, die diese Erde verlassen haben.«​
Sie bat um Frieden für all die Goblins, die auf dem Weg gestorben waren, und für alle Personen, die jene zuvor getötet hatten. Ihre Kameraden warteten, bis sie fertig war, bevor sie weitergingen.​
Goblin Slayer schob den Schlüssel ins Schlüsselloch und versuchte, ihn zu drehen.​
»Passt nicht«, sagte der Krieger und schnalzte mit der Zunge.​
»Ach, dann bewahre ich ihn auf«, entgegnete die Priesterin und steckte den Schlüssel in ihre Tasche.​
»Bitte.«​
»Dann bin ich wohl dran!« Voller Tatendrang stellte sich die Elfe vor das Tor. Sie hatte aus Spaß an der Sache das Schlösser knacken gelernt. Nie hätte sie gedacht, dass diese Fähigkeit sie einmal zu einem wertvolleren Gruppenmitglied machen würde. Sie schob einen Dietrich ins Schlüsselloch und lauschte genau, was für Geräusche das Schloss machte, während sie darin herumstocherte. Kurze Zeit später gab es ein Klacken. Stolz streckte die Waldläuferin ihre schmale Brust heraus.​
»Gut. Es ist offen.«​
»Hey, bevor du aufmachst ...«​
Der Zwerg wühlte in seiner Tasche mit Katalysatoren und zog ein Tuch hervor.​
»Was hast du vor?«, fragte die Priesterin verwundert.​
»Wir sollten die Scharniere des Tors ölen.«​
Der Schamane kniff eins seiner Augen zu.​
»Es wäre nicht gut, wenn sie beim Öffnen quietscht.«​
»Ich werde dir dabei helfen!«​
»Na gut. Dann übernehme ich die linke Seite und du nimmst die rechte.«​
Nachdem die junge Abenteurerin von ihrem Kameraden einen in Öl getränkten Lappen erhalten hatte, machte sie sich gleich ans Werk. Flink rieb sie alle Scharniere mit Öl ein. Nachdem die beiden fertig waren, ließ sich das Tor nahezu lautlos öffnen. Die Abenteurer schlüpften ins Innere des Gebäudes. Das Tor schlossen sie selbstverständlich hinter sich. Noch hatten die Goblins nicht bemerkt, dass bereits einige ihrer Kameraden getötet worden waren. Doch selbst wenn sie es gewusst hätten, hätten sie nicht getrauert, sondern nur darüber nachgedacht, wie sie die Abenteurer quälen könnten.​


Nach Oben
 

Edward Teach

Anime-Pirat
VIP
Kapitel 61
In den Tiefen der Dunkelheit.


»Argh ... Es stinkt nach Schimmel ...«, schimpfte die Elfe.​
»E... Es ist nun mal ein altes Gebäude ... Ich mache sofort eine Fackel an.«​
Die Priesterin holte eine Fackel hervor und mit einem niedlichen „Und los“ schlug sie Feuersteine aneinander.​
Die Fackel wurde dadurch entzündet, ihr Licht blieb wegen eines Segens der Elfen gegen Feuer, der dieses Gebäude schützte, jedoch schwach. Das Mädchen schaute in die Gesichter seiner Kameraden und atmete erleichtert auf. Vor der Gruppe lag ein enger Gang. Seine Decke war nicht so niedrig, dass die Abenteurer kriechen mussten, doch viel Raum zum Bewegen blieb ihnen nicht. Für Goblins hingegen schien seine Größe genau richtig.​
»Eine Speerfalle könnte uns auf einen Schlag auslöschen«, murmelte die Elfe.​
»Das gefällt mir gar nicht.«​
»Ich mache mir mehr Sorgen, dass ich stecken bleiben könnte«, erwiderte der Echsenmensch.​
»Das würde eher dem Zwerg passieren.«​
»Wie bitte?«, protestierte der Schamane, doch beließ es dabei.​
»Wir gehen weiter«, sagte Goblin Slayer mit tiefer Stimme und die Gruppe nahm Formation ein.​
Die Vorhut übernahm die Elfe, gefolgt von Goblin Slayer und dem Echsenmenschen. Auf die drei folgte die Priesterin, während der Zwerg die Nachhut übernahm. Während die Gruppe dem Gang folgte, merkte sie, dass er sich immer wieder nach links und rechts schlängelte. Das Rauschen des Wassers, das hier gestaut wurde, war laut zu hören.​
Ich mag keine Wege ohne Abzweigungen, dachte die Priesterin.​
Wenn Goblins uns von hinten und vorne in die Zange nehmen, sitzen wir in der Klemme. In der feuchten und kühlen Luft lag ein Geruch, den die junge Abenteurerin irgendwo schon einmal gerochen hatte. Ihre Gedanken schweiften ab und sie wusste kaum noch, wo sie sich gerade befand. Sie schüttelte ihren Kopf, um sich zu sortieren.​
»Wenigstens müssen wir uns wegen dem Rauschen des Wassers keine Sorgen um unsere Schrittgeräusche machen«, murmelte die Elfe scherzhaft, woraufhin die anderen etwas entspannt ausatmeten.​
»Außerdem werden die Goblins hier nicht plötzlich durch die Wand brechen können.«​
»Sofern es keine Geheimtüren gibt«, gab Goblin Slayer zurück.​
»Wir sollten außerdem hoffen, dass sie die Leichen draußen nicht finden«, fügte der Echsenmensch hinzu.​
»Wir sollten«, die Priesterin schluckte nervös, »vorsichtig weitergehen.«​
»Ja ... Besonders wegen dieser ... Wie heißt sie noch?«​
»Meinst du Mokele Mbembe?«, fragte die Elfe.​
»Ja, richtig.«​
Goblin Slayer nickte.​
»Hier ist jemand, der es geschafft hat, sie zu kontrollieren. Wir müssen wachsam bleiben.«​
Der Echsenmensch festigte den Griff um seine Waffe.​
»War es einer der kleinen Teufel?«​
»Würde irgendjemand, der kein Goblin ist, ihnen einen Drachen überlassen?«​
»Diese Biester sind großartig darin, den Wert von Dingen nicht zu erkennen.«​
Der Zwerg strich über die Wände des engen Gangs. Resigniert schüttelte er den Kopf.​
»Seht her. Die Wand war mal mit Verzierungen geschmückt, aber diese Idioten ... «​
Es konnte die Geschichte der Ruine gewesen sein oder einfach nur eine Warnung an Eindringlinge, aber die auf die Mauer aufgetragenen Bilder waren nun nicht mehr ordentlich zu erkennen. Die Goblins hatten die Schäden nicht aus Hass oder Gotteslästerung angerichtet, denn wenn sie dem Chaos gedient hätten, wären sie gründlicher vorgegangen. Nein, sie hatten einfach nur hier und da willkürlich etwas übermalt, abgekratzt und Steine herausgebrochen.​
»Wie gelangweilte Kinder ... «, sagte die Priesterin mit angewidertem Gesichtsausdruck.​
Goblins zerstörten aus Jux und Tollerei und das Mädchen wusste nur zu gut, was passierte, wenn sie ihre Langeweile an Lebewesen ausließen.​
Die junge Abenteurerin begann zu zittern, weswegen sie ihren Griff um Stab und Fackel festigte. Sie begann ein Gebet an die Erdmutter, welches sie immer wieder wiederholte. Doch plötzlich bemerkte sie ein neues Geräusch, das neben dem Rauschen des Wassers in ihr Ohr drang.​
»Eine Stimme?«, murmelte das Mädchen und blieb stehen.​
»Was ist?«, fragte Goblin Slayer sofort.​
Die Priesterin freute sich, dass der Krieger und der Rest der Kameraden so auf sie aufpassten. Sie gehörte zu ihnen ... Sie war wie sie ... Weil sie bemerkte, dass sie sich unterbewusst mit ihnen auf eine Stufe gestellt hatte, senkte sie beschämt ihren Blick.​
»Nein, da ist eine Stimme ... «​
»Du hast eine Stimme gehört?«​
»Ich meine, sie kommt von weiter vorne ... «​
»Hmpf«, brummte Goblin Slayer und wandte sich der Waldläuferin zu.​
»Was denkst du?«​
»Warte kurz. Ich habe mich zu sehr auf den Boden konzentriert ...«​
Schnell stellte die Elfe ihre Ohren auf. Sie konnte schwach etwas vernehmen.​
»Ja, ich höre eine Stimme. Ich weiß aber nicht, ob es ein Mann oder eine Frau ist.«​
»Die Goblins haben also jemanden am Leben gelassen?«​
Der Zwerg setzte einen komplizierten Gesichtsausdruck auf.​
»Eigentlich ist das ein Grund zur Freude, aber wenn ich daran denke, wie wir diese Person retten sollen ... «​
»Es kann auch sein, dass es sich gar nicht um Gefangene handelt.«​
Der Echsenmensch verdrehte die Augen und leckte sich über die Nasenspitze.​
»Aber wenn hier jemand eingesperrt ist«, die Priesterin hielt die Fackel so hoch sie konnte und versuchte, so mutig wie möglich zu klingen, »dann müssen wir ihn retten!«​
»Ja«, stimmte Goblin Slayer sofort zu.​
Er kontrollierte den Schild am linken Arm und bewegte das rechte Handgelenk kurz im Kreis, um das Schwert neu zu fassen.​
»Es ändert aber nichts daran, was wir zu tun haben. Wir gehen weiter.«​
Kurze Zeit später erreichten die Abenteurer einen Schacht in der Ruine, der sowohl in die Höhe als auch in die Tiefe führte. An dessen Wänden wand sich spiralförmig eine Treppe, die zu verschiedenen Ausgängen führte. Aus der Tiefe hallte eine Stimme empor. Sie klang, als käme sie direkt aus der Hölle.​
***
»Das ist der Geruch eines Goblin Nests, oder?«​
Der Nase der Elfe folgend, entschied sich die Gruppe, die Treppe in die Tiefe hinabzusteigen. Ihre Stufen waren schmal und es gab kein Geländer. Während sie sich an der Außenwand des Schachtes festhielten, bewegten sich die Abenteurer immer weiter ·abwärts.​
»Dieser Ort ist wie ein Ameisenhaufen.«​
»Die sind keine schlechten Festungen.«​
Während sie tiefer in das Gebäude eindrangen, konnten der Echsenmensch und der Zwerg sich ein paar Worte nicht verkneifen. Die Festung, die gleichzeitig als Staudamm diente, hatte bereits so einigen Angreifern standgehalten und dass sie hier mit nur fünf Mann eindrangen, war nicht gerade ermutigend.​
»Huch?!«, rief die Priesterin' erschrocken, als plötzlich ein Windstoß aus der Tiefe den Schacht hinaufschoss.​
Er brachte einen fauligen Geruch mit sich, der die Fantasie des Mädchens wild spielen ließ.​
»W ... Wir sollten vielleicht eine Sicherheitsleine ... «​
»Nein«, lehnte Goblin Slayer ihren Vorschlag ab.​
»Wir wissen nicht, ob die Goblins von vorne oder hinten kommen werden.«​
»Außerdem wäre es gefährlich, unsere Beweglichkeit noch weiter einzuschränken.«​
Der Echsenmensch verdrehte die Augen und klopfte mit dem Schwanz auf den Boden.​
»Falls du fallen solltest, werde ich dich mit meinem Schwanz auffangen.«​
»Wenn möglich möchte ich aber nicht fallen ... Aber ja, ich werde mein Bestes geben.«​
Die Priesterin nickte und konzentrierte sich darauf, weder ihren Stab noch die Fackel fallen zu lassen. Plötzlich zitterten die Ohren der Elfe.​
»Goblins?«​
»Was denn sonst? Es ist aber nur einer.«​
Die Elfe griff nach ihrem Bogen und die anderen machten sich ebenfalls kampfbereit.​
»Wenn wir uns ihm weiter nähern, wird er uns wegen der Fackel bemerken.«​
»Das sollten wir verhindern«, meinte der Zwerg.​
»Was sollen wir tun, Goblin Slayer?«, fragte die Priesterin.​
»Mögliche Gefangene hin oder her, wir müssen nach unten«,​
erklärte der Krieger mit verärgerter Stimme.​
»Danach müssen wir aber auch wieder hoch.«​
»Der Hinweg lief sehr fein, aber zurück bricht man sich ein Bein. Das ist wohl eine Grundregel der Erkundung von Labyrinthen.«​
Als Antwort auf den Reim des Zwergs brummte der Echsenmensch nachdenklich und sagte:​
»Einem Kampf werden wir wohl nicht entgehen können, aber wenn wir dadurch seine Artgenossen alarmieren ... «​
Bei dem Gedanken, was dann passieren könnte, wurde der Priesterin schwindelig. Sie begann zu zittern. Zerrissene Kleidung. Die Schmerzensschreie der Faustkämpferin. Gebrüll. Der verunstaltete Körper der gefangenen Elfe. Die aufgespießten Leichen. Der Atem des Mädchens wurde durch all diese an die Oberfläche drängenden Erinnerungen schwer. Mit all seiner Kraft versuchte es, sein Schlottern zu unterdrücken, und sagte:​
»Ich werde erneut um Stille bitten.«​
Da es ein kostbares Wunder war, zögerte Goblin Slayer, doch bevor er seine Stimme erheben konnte, sagte der Schamane: »Wenn wir Glück haben, können wir uns unten vielleicht ausruhen. Das gesagt, für diese kleinen Biester ist das hier eine wirklich gewaltige Anlage.«​
»Ausgehend von der Größe des Baus werden wir es mit einigen Gegnern zu tun haben.«​
»Wir dürfen die Wölfe nicht vergessen«, erwiderte Goblin Slayer dem Echsenmenschen.​
»Und ja, das hier ist zweifelsohne ein großer Bau.«​
»Es werden aber nicht genügend Goblins sein, um diese Ruine komplett besetzen zu können, oder?«​
»So ist es.«​
»Gut, dann wissen wir jetzt, wie wir vorgehen.«​
Die Elfe lächelte und klopfte der Priesterin auf die Schulter.​
»Leg los.«​
»Jawohl«, antwortete diese und biss sich auf die Unterlippe.​
Sie musste es schaffen, denn sonst erwartete sie und ihre Kameraden ein schreckliches Schicksal. Das wusste sie. Sie atmete tief durch, zog ihren Stab an sich heran und verband ihre Seele mit der Erdmutter.​
»Was machen wir mit der Leiche?«, fragte der Echsenmensch.​
»Wir werfen sie runter«, antwortete Goblin Slayer emotionslos.​
»Hier stürzen sicherlich immer wieder welche von ihnen ab.«​
»Ich werde jetzt beten!«​
Die Priesterin hielt den Stab zusammen mit der Fackel in die Luft. Das Licht schenkte ihr Mut.​
»Höchst barmherzige Erdmutter. Umgebe uns allgegenwärtig und schenke uns Ruhe!«​
Plötzlich war nichts mehr zu hören. Der Goblin, der gerade durch einen der Ausgänge die Treppe betrat, riss beim Anblick der Abenteurer erschrocken die Augen auf, aber er konnte weder nach seinen Kameraden rufen noch schmerzhaft aufschreien, als der Pfeil der Elfe ihn durchbohrte. Rudernd versucht die Bestie, ihr Gleichgewicht zu behalten, doch Goblin Slayer verpasste ihr einen Tritt und ließ sie damit den Schacht herunterfallen. Die Dunkelheit verschluckte sie. Die Gruppe setzte sich erneut in Bewegung und weil ihre Ohren wegen des Wunders der Priesterin gerade nutzlos waren, verließ die Elfe sich auf ihre Augen. Sie erkannte einen weiteren Goblin. Blitzschnell zog die Waldläuferin einen Pfeil aus dem Köcher und ließ ihn durch die Luft sausen. Er bohrte sich in die Augenhöhle des Goblins. In diesem Moment kamen weitere der grünen Teufel ins Sichtfeld der Elfe, doch sie bemerkten sie nicht. Stattdessen zeigten sie auf ihren verstorbenen Kameraden, der zusammenbrach und den Schacht herunterstürzte. Sie wollten lachen, aber wunderten sich, warum es nicht zu hören war. Die Abenteurer nutzten die Verwunderung der Biester, um auf sie zu zustürmen. Goblin Slayer schlug mit einem Beil dem ersten Goblin den Schädel ein und trat dem zweiten einfach den Schacht hinab. Der dritte Goblin versuchte indes panisch, die Priesterin mit seinem Speer anzugreifen, doch der Zwerg hinderte ihn daran. Er warf ihm etwas Sand ins Gesicht, was den kleinen Teufel ins Schwanken brachte, und der Echsenmensch riss ihm mit seinem Schwanz den Boden unter den Füßen weg, weshalb er seinem Kameraden den Schacht hinunter folgte.​
Nach diesem lautlosen Kampf schaute die Priesterin den Schacht hinab und sah, dass noch kein Boden in Sicht war. Erschöpft geriet das Mädchen kurz ins Schwanken und plötzlich hatte es keinen Boden mehr unter den Füßen. Glücklicherweise spürte die Klerikerin sofort, wie sich der Schwanz des Echsenmensch um sie wickelte. Aufgeregt drehte sie sich um, aber der Mönch verdrehte nur die Augen und leckte sich über die Nasenspitze.​
Er will mir wohl sagen, dass ich mir deswegen keine Gedanken machen soll. Nachdem der Echsenmensch sie auf der Treppe abgesetzt hatte, schüttelte die Priesterin ihren Kopf. Fest umgriff sie Stab und Fackel und wandte sich ihren Kameraden zu. Der Zwerg sah entspannt aus, aber Goblin Slayer und die Elfe waren noch immer äußerst wachsam. Ich muss weiter beten ... Keuchend machte sie sich wieder daran, das Wunder aufrechtzuerhalten. Kurz zweifelte sie, ob sie überhaupt nützlich für ihre Kameraden war, doch verfolgte den Gedanken nicht weiter. Zweifel konnten tödlich sein, das wusste das Mädchen bereits. Sie sind für mich da und ich für sie. Ich werde beschützt und beschütze sie.
Es atmete tief durch. Seine Seele war mit der Erdmutter verbunden und es hatte seine Kameraden an seiner Seite. Es gab keinen Grund, sich zu fürchten. Auf der Wasseroberfläche trieben Goblin Leichen. Die Gruppe hatte den Boden des Schachts erreicht und hier einen Wasserweg gefunden. Es schien, dass der Großteil des Wassers an diesem Ort in Lager umgeleitet wurde und nur ein kleiner Teil weiter stromabwärts floss. Dass der Aufprall der Goblins auf dem Wasser keine Geräusche erzeugt hatte, zeugte von der beeindruckenden Reichweite von Stille. Mittlerweile hatte die Priesterin das Wunder jedoch aufgehoben.​
»Vielleicht haben die kleinen Teufel erwogen, Gift in den Strom zu tun«, murmelte der Echsenmensch.​
»Wenn man bedenkt, dass stromabwärts die Siedlung der Elfen und die Stadt des Wassers liegen, wäre das eine denkbare Vorgehensweise.«​
»Die Goblins werden sicher nicht so weit gedacht haben. Ihr Anführer vielleicht«, gab der Zwerg zurück.​
»Es bringt doch nichts, über jeden einzelnen Gedankengang der Goblins nachzudenken«, sagte die Elfe und verzog das Gesicht.​
Sie klopfte auf Goblin Slayers Helm.​
»Ansonsten werdet ihr noch wie er.«​
»Du solltest dir vielleicht ein paar mehr Gedanken machen. Es geht schließlich um deine Heimat«, entgegnete der Schamane.​
»Was zum ...?«​
Die Elfe wollte auf den Zwerg losgehen, doch der Echsenmensch ging dazwischen und verhinderte so, dass die beiden ein großes Theater veranstalteten. Goblin Slayer ignorierte die drei und holte seinen Wasserbeutel hervor. Er zog den Stöpsel heraus und kippte sich etwas davon durch das Visier. Dann gab er den Beutel der Priesterin. Vollkommen erschöpft nahm sie diesen an.​
»Trink was.«​
»Ach, t. .. tut mir leid.«​
»Nein.«​
Goblin Slayer schüttelte den Kopf.​
»Du warst eine große Hilfe.«​
Froh über das Lob hob das Mädchen den Wasserbeutel an seine Lippen und entspannte sich ein wenig. Nachdem es ein paar Schlucke getrunken hatte, verschloss es den Beutel und gab ihn dem Krieger zurück.​
»Vielen Dank«, sagte es, während er den Behälter wortlos in seine Tasche stopfte.​
Goblin Slayer zog mit einem Messer eine in der Nähe treibende Goblin Leiche heran, tauschte das Schwert an ihrem Gürtel mit seinem Messer und trat sie wieder weg.​
»Die Stimme ist verklungen.«​
»Ja, Orcbolg. Ich kann sie auch nicht mehr hören.«​
»Dann sind wir wohl zu spät.«​
Natürlich wusste die Waldläuferin, was der Krieger damit sagen wollte, und verzog ihr Gesicht. Sie überprüfte kurz die Verfassung der Sehne ihres Bogens und spannte sie neu. Dann schaute sie in ihren Köcher und stand auf.​
»Das soll jetzt aber nicht heißen, dass wir uns nicht beeilen müssen, oder?«​
»In der Tat. In der Tat.«​
Der Echsenmensch nickte. Er schwang das Knochenschwert herum, um sich in Stimmung zu bringen.​
»Unsere Gegner sind gerade unvorsichtig. Das sollten wir ausnutzen.« »Nein, danke«, sagte die Priesterin zum Mönch, der ihr eine schuppige Hand reichte, um ihr aufzuhelfen.​
Stattdessen rappelte sie sich selbst mithilfe des Stabs wieder auf die Beine.​
»Ach, die Fackel ... «​
»Hmpf ... Das überlasse ich dir.«​
Stapfend nahm der Krieger seine Position in der Formation ein. Die Priesterin musste kurz wegen seiner rauen Antwort seufzen und bat dann den Zwerg, die nur noch ganz schwach lodernde Fackel zu halten. Sie holte eine Laterne aus ihrer Tasche hervor und entzündete sie mit der Fackel.​
»Oho. Du bist gut vorbereitet.«​
»Bei einem Abenteuer darf man so was nicht vergessen.«​
Ein wenig stolz streckte die Priesterin ihre Brust heraus. Die Laterne stammte aus ihrem Abenteurerset, das sich manchmal als praktisch, aber manchmal auch als überflüssig erwies. Sie schloss die Tür der Laterne, damit das Licht nicht ausgeblasen werden konnte, und warf die Fackel ins Wasser. Mit einem Zischen erlosch sie.​
»Dann lasst uns gehen.«​
Die Abenteurer nickten sich gegenseitig zu und setzten sich schleichend in Bewegung. Die wenigen Geräusche, die sie machten, wurden zum Glück vom Rauschen des Wassers übertönt.​
»Wie sieht es vor uns aus?«, fragte der Krieger die Elfe.​
»Da sind welche.«​
Die Waldbewohnerin war in die Hocke gegangen, aber bewegte sich dennoch flink.​
»Dort ist etwas, das aussieht wie ein großer Mörser. Drum herum stehen fünf oder sechs von ihnen. Sie scheinen ihren Spaß zu haben.«​
»Verwendet keine Zauber.«​
Goblin Slayer griff das Schwert fester.​
»Wir erledigen sie.«​
»Aber ... «​
Der Echsenmensch leckte sich über die Nasenspitze.​
»Wie wollen wir das anstellen?«​
»Verwenden wir wieder Stille? Für mich wäre das in Ordnung«, sagte die Elfe und zog einen Pfeil aus dem Köcher.​
Der Krieger musterte kurz die blasse Priesterin und schüttelte den Kopf. »Nein.«​
»I... Ich könnte aber ... «​
»Ich möchte nicht erneut das gleiche Mittel nutzen«, unterbrach der Krieger das Mädchen. Er durchwühlte seine Tasche.​
»Hast du Tierleim?«​
»Klar. Jede Menge sogar«, antwortete der Zwerg und kramte in seiner Tasche.​
»Warte eben.«​
Kurz darauf zog er mit einem Nicken mehrere versiegelte Fläschchen heraus und hielt sie Goblin Slayer hin.​
»Gut. Gebt mir eure Socken.«​
Die Priesterin wurde mit einem Schlag rot und griff sich an die Schenkel. Die Elfe legte verwundert den Kopf schief.​
»Wofür willst du die?«​
»Ich verwende sie.«​
Der Echsenmensch nickte schwerfällig.​
»Möchtest du auch welche von mir?«​
»Nur, wenn du welche hast.«​
***
Nachdem der Goblin seine Aufgabe erledigt hatte, war er bester Laune. Er war zwar noch nie richtig betrunken gewesen, doch irgendwie fühlte er sich jetzt so. Der Grund dafür, dass er noch nie wirklich betrunken gewesen war, war ein ganz simpler: Hier unten kam nie was von dem geraubten Alkohol an.​
Seine Artgenossen auf den oberen Ebenen soffen meistens direkt alles aus. Sie dachten nicht an ihre Kameraden, doch jetzt gerade störte das den Goblin nicht. Er sah großzügig über die Gier der anderen hinweg, denn er hatte eine äußerst unterhaltsame Aufgabe erhalten. Mit einer übertriebenen Geste richtete er den Schmuck, der an einer Kette um seinen Hals hing. Dann setzte er sich zu seinen Kameraden und nahm sich etwas von dem Essen. Er brach einen Finger von der angefaulten Hand ab und steckte ihn in seinen Mund. Während er darauf herumkaute, sagte er in der Sprache der Goblins:​
»Die Arbeit hier unten ist echt hart.«​
Diese Aussage war selbstverständlich übertrieben, doch seine Artgenossen stimmten ihm zu. Einer von ihnen brach brutal ein ganzes Bein von ihrer Mahlzeit ab. Ein anderer wollte das nicht durchgehen lassen und zog an dem Bein und sorgte so dafür, dass es am Knie auseinanderriss.​
»Unsere Bosse verstehen es einfach nicht«, beschwerte sich einer von ihnen.​
»Ganz genau«, stimmte ein weiterer dem Vorredner zu und quetschte ein silberfarbenes Auge aus dem Essen heraus.​
Er verspeiste es in einem Rutsch. Die Goblins beschwerten sich lautstark weiter, wohl wissend, dass ihre Arbeit alles andere als hart war. Es störte sie einfach der Gedanke, dass jemand in diesem Moment mehr Spaß haben könnte als sie. Nach dem Essen standen sie auf und redeten darüber, dass Elfen nahrhafter waren als Rhea und Menschen nahrhafter als Elfen. Da ihre Bäuche jetzt voll waren, dachte einer der Goblins daran, ein Nickerchen zu machen, als ...​
»...??«​
Das kleine Biest schaute zu seinen Füßen und erkannte, dass dort eine gelöschte Fackel lag. Wie war sie dort hingekommen? Der Goblin setzte einen idiotischen Gesichtsausdruck auf.​
»?! «​
Plötzlich flog etwas Feuchtes und Schweres in sein Gesicht.​
Er wollte seinen Mund aufreißen und schreien, doch ein weiteres Objekt kam heran geflogen und verklebte ihm den Mund. Er fasste es an, um es abzuziehen, aber dann merkte er, dass seine Hände daran festklebten.​
»GROBB!!«
»GRB! GBBOROB!!«​
Wie er plötzlich die Haltung verlor und umfiel, brachte einen seiner Kameraden zum Lachen - und zwar noch stärker als über die Kameraden, die von oben herabgestürzt waren.​
»GBOROB?!«​
Doch er hatte nicht lange zu lachen, denn kurz darauf klatschte auch diesem Goblin etwas ins Gesicht. Erst als auch dem dritten Goblin etwas im Gesicht klebte, wurde den anderen beiden bewusst, dass sie sich vielleicht nicht darüber lustig machen sollten. Einer von ihnen ließ sein Schwert fallen und griff zu einer Pfeife, um Alarm zu schlagen, doch ...​
»Einer.«​
Ein Dolch kam aus der Dunkelheit heran geflogen und durchbohrte die Kehle des Goblins. Pfeifend spritzte das dunkle Blut der Bestie heraus.​
»GOBBRB!«​
Als wäre dieses Geräusch sein Einsatz, kam ein Abenteurer in verschmutzter Rüstung aus Richtung des Wasserlaufs herbei gestürmt. In einer Hand hatte er ein Schwert. Am linken Arm war ein Schild. Der letzte stehende Goblin riss die Augen weit auf. Ein Abenteurer!​
»GBRO! GGBORROB!!«​
Der Goblin vergaß, dass er eigentlich Hilfe rufen wollte, und schmiss sich mit seiner frisch geraubten Waffe auf den Angreifer.​
»Hmpf!«​
Brummend fing Goblin Slayer das Schwert des Goblins mit seinem Schild ab. Bewusst ließ er die Klinge in das Schild eindringen und schlug den Angreifer dann gezielt nach hinten weg.​
»GOBBR?!«​
Schmerzvoll schlug der Goblin auf und wollte sich aufrichten, doch dann gab es ein dumpfes Geräusch und die kleine Bestie hauchte ihr Leben aus, ohne zu begreifen, was passiert war. In dem Hinterkopf des getöteten Goblins steckte ein Pfeil und seine toten Augen waren auf seine Kameraden gerichtet, die es gerade erst geschafft hatten, die klebrigen Objekte aus ihren Gesichtern zu pulen.​
»GOBB ... GRB?!«
»GROBBR?!«​
Im nächsten Augenblick zerteilte der Echsenmensch mit seiner Waffe zwei der Goblins, während der letzte von Goblin Slayer das Schwert in die Kehle gerammt bekam. Damit hatten die Abenteurer insgesamt fünf Goblins in noch nicht einmal zehn Sekunden getötet.​
»Drei, vier und fünf«, zählte Goblin Slayer die Leichen der Goblins und drehte sich um.​
»Das hast du gut gemacht.«​
»Ich habe schließlich geübt«, antwortete die Priesterin und kam trappelnd aus der Dunkelheit herangeeilt. Obwohl Goblin Slayers Lob vollkommen emotionslos gewesen war, lächelte sie leicht verschämt. Schließlich hatte sie etwas aus eigener Leistung geschafft. Das Mädchen griff sich eine der geworfenen Socken. Sie war voller Tierleim, Blut, Spucke und Schnodder. Selbst gewaschen würde es die nicht mehr anziehen wollen.​
»Die sind nicht mehr zu gebrauchen ... «​
»Ein Stein in einer Socke, die dann mit Leim beschmiert und geworfen wird?«​
Die Elfe ließ ihre Ohren hängen, während sie sich ihren Pfeil zurückholte.​
»Du hast echt mehr Einfälle als ein Junge, der nur Streiche im Kopf hat.«​
»Aber es ist effektiv«, erwiderte Goblin Slayer und schaute zur angefressenen Leiche.​
Anhand des Fleischhaufens war nichts mehr zu erkennen, aber ein blaues Abzeichen ließ darauf schließen, dass es sich bei ihr einst um einen Mann gehandelt hatte.​
»Ob er wohl eine Familie hatte?«​
Der Zwerg kam von der Seite heran und hielt die verschmierte Platte aus Saphir hoch.​
»Oder vielleicht eine Gruppe, mit der er unterwegs war ... Er war sicher nicht allein.«​
»Wahrscheinlich nicht.«​
Der Krieger wandte seinen Blick ab und schaute zum Arbeitswerkzeug der Goblins.​
»Was ist das denn?«, fragte die Elfe und wich sofort zurück, als sie es erkannte.​
»Argh?!«​
Es war ein Steinmörser, den man auch als Presse bezeichnen konnte. An seiner Seite befanden sich Räder, mit dessen Hilfe man das Innere der Apparatur langsam verengen konnte, um Objekte zusammenzudrücken oder zu zerquetschen. Aus Oliven konnte man damit Öl und aus Trauben Saft gewinnen. Doch was hatten die Goblins mit dem Objekt gemacht? Ein Blick ins Innere verriet es.​
»Ah ...!«​
Der Priesterin rutschte ein kurzer Schrei über die Lippen und beinahe fiel ihr der Priesterstab aus der Hand. In der Apparatur zuckten die Überreste einer Frau. Ihre Augen starrten aufgerissen an die Decke und die Zunge hing ihr aus dem Mund heraus. Die junge Abenteurerin schaute sich um und sah die Reste einer zerrissenen Lederrüstung auf dem Boden liegen. Goblin Slayer ging währenddessen zu einer Goblin Leiche und nahm ihr ein fein poliertes Kurzschwert und ein Smaragd-Abzeichen ab, das ihr um den Hals hing. Die beiden Gegenstände mussten die Waffe und das Abzeichen der Frau gewesen sein. Sie war eine Abenteurerin gewesen. Kein Mitglied der Gruppe fragte sich, warum die Goblins der Frau so etwas angetan hatten. Der Grund war ihnen klar: Es hatte den Biestern Spaß gemacht. Obwohl die Überreste der Frau ein schrecklicher Anblick gewesen waren, schaffte die Priesterin es, sich zusammenzureißen. Mit der Frage im Hinterkopf, ob sie sich jemals an so etwas gewöhnen würde und ob sie sich daran überhaupt gewöhnen sollte, begann sie, ein Gebet zur Erdmutter zu sprechen. Dabei trat sie in das Rinnsal tiefroter Flüssigkeit, das von der Presse in den Wasserweg floss.​
»Hmpf ...« Der Echsenmensch verdrehte die Augen.​
»Also vergiften sie nicht den Fluss.«​
»Doch, in gewisser Weise schon.«​
Goblin Slayer beugte sich vor und tippte einen Finger in das Rinnsal. Dann zerrieb er ein wenig von der Flüssigkeit zwischen seinen Fingern und drehte sich der Elfe zu.​
»In dem Wasser, das ihr getrunken, in dem ihr gebadet und mit dem ihr gelebt habt, waren die Ausscheidungen und das Blut eurer Kameraden.«​
»Ürgh ...«​
Reflexartig musste die Elfe würgen. Die Priesterin hielt ihr einen Wasserbeutel hin, doch sie lehnte ab.​
»Schon gut.«​
»Sollten wir es vielleicht als eine Art Fluch sehen?«, fragte der Mönch.​
»Dann lag ich wohl richtig«, murmelte Goblin Slayer.​
»Es ist wie mit dieser, ähm ... «​
»Meinst du Mokele Mbembe?«, hakte die Elfe nach.​
»Ja«, antwortete der Krieger.​
»Ein Magiewirker hat sie mit einem Fluch beherrscht.«​
»Also ist unter ihnen ... «​
Die Stimme der Priesterin zitterte.​
Eine düstere Höhle. Frauen lagen auf dem Boden. Und auf dem Thron ein Goblin Schamane. Erinnerungen, die sich unwiderruflich in ihr Gedächtnis gebrannt hatten. Fest umklammerte sie den Priesterstab in ihren Händen.​
»... ein Schamane?«​
»Was auch immer er ist. Er scheint sehr fähig zu sein«, entgegnete der Krieger.​
Der Zwerg schaute Goblin Slayer und den Echsenmenschen an und sagte:​
»Dass ihr so ruhig bleiben könnt ... «​
»Wir verspeisen keine Wesen, die noch am Leben sind, aber das Töten gehört zu unserem Gewerbe.«​
Der Echsenmensch setzte ein ernstes Gesicht auf und schüttelte den Kopf.​
»Es gehört sich lediglich, das Herz eines herausragenden Kriegers zu essen, den Rest aber nicht.«​
»Ich hingegen werde heute und morgen lieber kein Fleisch essen.«​
»Ihr Zwerge seid echt ...«, antwortete die Elfe und lachte tapfer.​
Goblin Slayer wandte sich dem Zwerg zu und nickte. Dann stapfte er zur Priesterin.​
»Goblin Slayer, ähm ... «​
»Wir werden uns hier erholen«, sagte der Krieger kurz.​
»Aber zuerst werden wir sie begraben.«​
Die Überreste der zerquetschten Abenteurerin bekamen schließlich eine Wasserbestattung. Die Abenteurer wickelten sie in ein Tuch und legten sie in den Wasserstrom.​
»Höchst barmherzige Erdmutter. Bitte führe mit deinen Händen die Seelen derer, die diese Erde verlassen haben.«​
Durch das Gebet der Priesterin würden die Seelen der Verstorbenen in den Himmel auffahren und durch das des Echsenmenschen würden sie in den Kreislauf des Himmels und der Erde zurückkehren. Da die Abenteurer annahmen, dass die Goblins nicht an dem tiefsten Punkt der Festung patrouillierten - schließlich waren die Bestien nicht sonderlich fleißig, suchten sie sich einen Ort, der nicht übermäßig verdreckt war, und wickelten sich dort in ihre Decken ein. Vermutlich würde ihr Aufenthalt nicht erholsam sein, doch es war von außerordentlicher Wichtigkeit, dass die erschöpften Magiewirker sich zumindest ein wenig regenerieren konnten. Goblin Slayer lehnte sich an die Wand des Raums mit der Presse. Dabei hielt er das eingesammelte Schwert stets bereit. Er hatte sich wegen des Feuerschutzes der Elfen und des Rauches entschlossen, kein Feuer zu machen. Einzig die Laterne schenkte der Gruppe etwas Licht. Im Lotossitz legte der Echsenmensch seine Finger zu Symbolen zusammen und meditierte. Der Zwerg hingegen hatte sich ein paar ordentliche Schlucke Schnaps gegönnt, bevor er eingeschlafen war. In seiner Nähe lag die Priesterin, deren Brustkorb sich langsam hob und senkte. Die Erschöpfung stand ihr ins Gesicht geschrieben.​
»Warum schläfst du nicht?«, fragte die Elfe, die die erste Wachschicht übernommen hatte und sich jetzt unzufrieden vor dem Krieger aufbaute.​
»Ich ruhe mich aus.«​
Goblin Slayer hob seinen Helm, um der Waldläuferin ins Gesicht schauen zu können.​
»Mit einem geschlossenen Auge.«​
»Das kann man aber nicht erkennen, wenn du deinen Helm aufhast.«​
Resigniert schnaufte die Elfe aus und setzte sich plumpsend neben den Krieger, der gerade zur Priesterin schaute.​
»Sie ist ziemlich erledigt, oder?«​
»Das ist doch klar«, antwortete die Waldläuferin und lockerte die Sehne ihres Bogens.​
»Wir sind wie die Goblins vorgegangen«, sagte Goblin Slayer.​
Damit bezog er sich darauf, dass sie den Fluss die Leiche der Abenteurerin hatten wegspülen lassen. Sie waren zu spät gekommen. Seien es jetzt Minuten, Stunden oder Tage. Wenn sie schneller da gewesen wären, hätten sie vielleicht noch einige der gefangenen Abenteurer retten können.​
»Wir haben ihre Leiche einfach in den Fluss geworfen.«​
»Das stimmt nicht«, antwortete die Waldläuferin und biss sich auf die Lippen.​
»Hmpf ...«​
»Wir sind anders als Goblins und solltest du noch mal etwas Ähnliches sagen, werde ich sauer, ja?«​
Die Elfe kniff ihre Augen zusammen und starrte den Menschen an.​
»Oder ich verpasse dir einen Tritt!«​
Goblin Slayer erinnerte sich noch genau daran, dass sie ihn einst in der Ruine mit voller Wucht getreten hatte. Das war jetzt schon ein Jahr her und die Erinnerung weckte in ihm fast schon ein wenig Nostalgie. Doch wie war es wohl für die Elfe?​
»Ach so«, erwiderte der Krieger.​
Er nickte und atmete tief aus.​
»So ist das also.«​
»Ja, so ist es.«​
Danach schwiegen die beiden. Es war nichts weiter als das Rauschen des Wassers zu hören. Nur ab und zu schallte das grausame Lachen eines Goblins die Gänge entlang, weswegen es unmöglich war, den Ernst der Lage zu vergessen. Als ein wenig später die Ohren der Elfe zuckten, schaute Goblin Slayer sie sofort an, doch sie schüttelte den Kopf, um ihm zu sagen, dass nichts war.​
»Ach so ...«​
Der Krieger atmete tief aus, was dazu führte, dass die Elfe ihren Kopf leicht neigte.​
»Hm?«​
»Entschuldige.«​
Es war nur ein leise gemurmeltes Wort, doch es sorgte dafür, dass die Waldläuferin ihn verwundert anschaute. Sie verstand nicht, wofür er sich entschuldigte, aber sie spürte, wie sich ihre Wangen entspannten.​
»Wieso denn?«, fragte sie etwas grob.​
»Am Ende ... sind es doch wieder Goblins.«​
»Du Dummkopf.«​
Die Elfe musste lachen. Wie schon das freudige Rauschen des Flusses war das Geräusch viel zu heiter für diesen Ort.​
»Hat dich das etwa beschäftigt?«​
Der Krieger antwortete nicht. Die beiden kannten sich zwar erst ein Jahr, aber für die Elfe war das genug, um zu verstehen, dass sie ins Schwarze getroffen hatte. Sie stellte ihren Bogen neben sich ab, umklammerte ihre Beine und legte ihren Kopf auf Goblin Slayers Schulter.​
»Es stimmt, dass ich die Jagd auf Goblins nicht mag, aber ·.«​
Bevor sie auf Orcbolg getroffen war, hatte sie natürlich schon einmal Goblins vertrieben, aber seitdem sie mit ihm unterwegs war, machte sie fast nichts anderes mehr. Sie hatte nichts gegen das Erkunden von Ruinen, das Bekämpfen von Monstern und das Retten entführter Personen, doch so etwas mit Goblin Slayer zu machen, war anders als mit anderen Abenteurern.​
»Und dennoch «.​
»Es geht hier schließlich um meine Heimat.«​
Die Elfe spürte an ihren Haaren, wie sich Goblin Slayers Helm bewegte, und sie schloss nur einen Augenblick die Augen. Der schreckliche Gestank von Öl und Blut stieg ihr in die Nase.​
»Wenn sich Goblins in der Gegend herumtreiben, während meine Schwester heiratet, wäre das echt ein Problem.«​
»Ist das so?«​
»Sonst würde ich mich gerade viel mehr beschweren ... Nicht, dass ich mich wirklich ärgere oder so, aber ... «​
»Schon gut.«​
Der Krieger schüttelte leicht den Kopf.​
»Mich stört es nicht, wenn du dich beschwerst.«​
»Wirklich?«​
Die Elfe wackelte überrascht mit den Ohren.​
»Ja, schließlich weiß ich nicht, wie man richtig auf ein Abenteuer geht.«​
»Ach ja?«​
»Ja.«​
»Na dann«, sagte die Waldbewohnerin in singendem Ton und ließ den Zeigefinger durch die Luft kreiseln.​
»Dann lass uns einfach sagen, dass wir quitt sind.«​
»Ich ...«, setzte Goblin Slayer an, aber fand nicht die Worte, nach denen er suchte.​
Deshalb antwortete er einfach:​
»Mich würde es nicht stören.«​
»Gut.«​
Die Elfe sprang plötzlich auf und streckte sich.​
Dann fragte sie:​
»Und was machen wir nun?«​
»Wir bereiten etwas vor und gehen nach oben.«​
»Etwas vorbereiten?«​
Die Waldläuferin wackelte neugierig mit ihren Ohren.​
»Du wirst es gleich verstehen«, erwiderte der Krieger leicht gereizt. Seine Kameradin schnaufte, doch gab sich mit der Antwort zufrieden.​
»Aber ... Wieso gehen wir jetzt hoch?«​
»Ich kann mir ungefähr vorstellen, was die Goblins hier vorhaben.«​
»...??«​
»Ihr Anführer kann nur am tiefsten oder höchsten Punkt sein.«​
»Ach ... «​
Die Elfe verstand, worauf der Krieger hinauswollte. Komischerweise mochten böse Wesen hohe Orte.​
»Das Problem ist diese ... «​
»Mokele Mbembe.«​
Die Bogenschützin seufzte.​
»Kannst du dir das nicht endlich mal merken?«​
»Der Kerl, der sie kontrolliert hat, kann wahrscheinlich Flüche wirken.«​
»Ein Magiewirker ... Hm ...«​
Die Waldläuferin nickte zustimmend und verschränkte die Arme. Allerdings versuchte sie jetzt gar nicht erst, einen Plan aufzustellen. Das würde erst einen Sinn ergeben, wenn sie wüssten, womit sie es zu tun hatten. Sowieso, um was auch immer es sich handelte, die Elfe ging davon aus, dass man es erschießen können würde.​
»Wir kümmern uns einfach um ihn, wenn er auftaucht, oder?«​
»Nein, das geht nicht.«​
Auf das heftige Kopfschütteln Goblin Slayers antwortete die Elfe mit der gleichen Bewegung.​
»Es muss aber gehen. Du solltest jetzt schlafen, Orcbolg. Schließlich bist du der Einzige von uns, der immer vorne kämpft.«​
»Ja ...«​
»Und mach beide Augen zu.«​
»Ich werde mich bemühen.«​
»Ich wecke dich später.«​
»Tut mir leid.«​
»Sonst kann ich nämlich nicht schlafen.«​
»Bitte.«​
Mit einer Handbewegung sagte die Waldläuferin, dass er sich keine Gedanken machen sollte, und hob ihren Bogen auf. Mit leisen Schritten ging sie um alle herum und nahm ihre Position am Rand des Raums ein. Sie legte kurz ihre Hand auf die Priesterin, die neben ihr schlief. Sie zitterte ein wenig unter ihrer Decke, doch die Berührung ihrer Kameradin schien sie etwas zu beruhigen. So eng man sich auch in eine Decke wickelte, den Sinnen einer Elfe entging nichts.​
***
»Warum haben die Leute hier keinen Fahrstuhl eingebaut?« Mehrere Stunden später war die Gruppe wieder auf den Beinen und hatte ihre Vorbereitungen abgeschlossen. Gerade waren die Abenteurer dabei, die Stufen langsam wieder hochzusteigen, und weil der Aufstieg relativ anstrengend war, gefiel er der Elfe natürlich gar nicht. Dass sie dabei eine andere Richtung eingeschlagen hatten, interessierte sie nicht.​
»N... Nicht so laut ...!«, sagte die Priesterin vor lauter Angst, entdeckt zu werden.​
Schließlich wäre es ihr Ende, wenn sie von vorne angegriffen würden. Die Gruppe bewegte sich in der gleichen Formation wie am vorigen Tag. Zumindest glaubten die Abenteurer, dass bereits der nächste Tag angebrochen war, doch ihr Zeitgefühl war etwas durcheinander.​
»Tja, diese Festung ist nun mal groß. Wenn man danach sucht, findet man vielleicht einen Fahrstuhl ... «, gab der Zwerg keuchend von sich.​
Mit seinen kurzen Beinen war der Aufstieg für ihn wohl am schwersten. Er gönnte sich einen Schluck Schnaps und wischte sich ein paar Tropfen aus dem Bart.​
»Aber nach getaner Arbeit hätte ich keine Lust, noch nach einem zu suchen.«​
»Und vielleicht bräuchten wir einen Schlüssel, um ihn zu aktivieren. Einen mit einem blauen Anhänger oder so«, fügte der Echsenmensch hinzu.​
»Ach, verdammt! Orcbolg, sag doch auch mal was!«, meckerte die Elfe genervt darüber, dass ihre Kameraden sich gegen sie stellten.​
»Wenn es einen gäbe, würde ich ihn nutzen, aber die Suche ist Zeitverschwendung«, antwortete der Krieger.​
»Hrmpf!«​
Die Elfe schmollte, doch blieb dabei weiterhin auf der Hut, während sie die Gruppe anführte.​
Die Priesterin schaute immer wieder ängstlich hinter sich. Der Grund dafür waren die unschönen Erinnerungen an ihr erstes Abenteuer. Könnten die Goblins vielleicht durch eine Geheimtür hinter ihnen kommen? Hatten sie etwas übersehen?​
»Huch ...«​
Der überraschte Ausruf der Elfe ließ die Priesterin zusammenzucken.​
»Wa... Was ist denn?«​
»Die Treppe ist dort eingebrochen.«​
»Oh ...«​
Jetzt, wo die Waldläuferin darauf hinwies, erkannte sie es. In der spiralförmig nach oben führenden Treppe fehlte ein Stück. Das dadurch entstandene Loch sollte mit einem Sprung zu überwinden sein, doch bei dem Gedanken daran, in die Tiefe zu stürzen, lief es dem Mädchen kalt den Rücken runter. Wenn man eine Etage tiefer auf die Treppe fallen und sich festhalten würde, könnte man den Sturz überleben, aber ansonsten wäre er das sichere Ende. Mit Glück wäre man sofort tot, aber mit Pech würde man sich das Rückgrat brechen und über lange Zeit hinweg verhungern. Wie überwanden die Goblins wohl dieses Hindernis?​
»Wir sind auf keine Patrouillen gestoßen«, sagte Goblin Slayer.​
»Wenn es bereits Mittag wäre, könnte ich das verstehen, aber so gefällt mir das nicht.«​
»Was hat das denn jetzt bitte mit dem Problem vor uns zu tun?«, gab die Elfe zurück und stellte ihren Daumen auf, um die Distanz abschätzen zu können. »Ich könnte locker darüber springen, aber einige hier kriegen das sicher nicht hin. Zum Beispiel der Zwerg oder auch der Zwerg.«​
»Hey!«​
Der Zwerg beließ es bei dem kurzen Protest. Die Elfe verschränkte die Arme und brummte.​
»Wir könnten es mit einem Seil versuchen. Wir haben doch keine Zeit, einen Umweg zu suchen, oder?«​
»Das stimmt! Ich bereite es sofort vor!«​
Die Priesterin nickte mehrfach und zog ein Seil mit Haken aus ihrem Gepäck hervor. Es war auch Bestandteil des Abenteurersets und das Mädchen war über froh, es gekauft zu haben, weil es sich als so nützlich erwies.​
»Sollte das reichen?«​
»Wir probieren es.«​
Der Krieger reichte der Elfe das Ende des Seils mit dem Haken, woraufhin diese „Jawohl“ sagte und über das Loch sprang. Was Geschicklichkeit anging, konnte außer einigen Padfoots und Dunkelelfen niemand den Elfen das Wasser reichen. Die Waldläuferin landete auf der anderen Seite und gab nichts weiter als ein „Hoppla“ von sich, während sie ihr Schwanken ausglich.​
»Ich muss es nur befestigen, oder?«​
»Ja.«​
Goblin Slayer nickte.​
»Wir binden es um die Hüfte und springen, oder?«​
»Sollte ich stürzen, werde ich einen Zauber einsetzen müssen.«​
Der Zwerg machte ein besorgtes Gesicht und warf einen Blick in die Tiefe. »Wenn ich an den Plan denke, würde ich aber lieber darauf verzichten ... Wie machst du es, Schuppiger?«​
»Solang es an der Wand Halt für Hände und Füße gibt, sollte ich es irgendwie schaffen.«​
Der Echsenmensch zeigte seine scharfen Krallen an Händen und Füßen und wackelte mit ihnen.​
»Aber ich halte es für gefährlich, dass die werte Priesterin springt. Soll ich sie herüberdringen? «​
»Dann hilf dem Zwerg bitte auch«, entgegnete Goblin Slayer und wandte sich der Priesterin zu.​
»Kriegst du das hin?«​
»Äh, ja!«​
Das Mädchen griff das Seil und band es um seine schmale Hüfte. Damit es seinen Stab nicht fallen ließ, steckte es ihn zwischen Seil und Rücken.​
»D... Dann bitte ich darum!«​
»Ah, du bist aber leicht. Mal sehen ·.«​
Mit der Priesterin auf dem Rücken bohrte der Echsenmensch seine Krallen fest in die Spalten in der Steinwand und zog sich hoch.​
»Was?!«​
»Halt dich bitte gut fest. Oh, Velociraptor, achte genau auf meine Technik!«​
Was dann geschah, war wahrlich beeindruckend. Wie eine Echse bewegte sich der Mönch an der Wand entlang. Dabei war er allerdings nicht sonderlich schnell, weshalb ein Bogenschütze ihm sicherlich gefährlich geworden wäre. Doch da die Elfe Ausschau hielt, konnte der Echsenmensch sich beruhigt Zeit lassen.​
»E... Entschuldigung und vielen, vielen Dank ... «, bedankte sich die Priesterin, als sie auf der anderen Seite des Lochs angekommen waren.​
»Das war doch keine große Sache. Du solltest aber vielleicht etwas mehr Fleisch an deinem Körper haben.«​
»I... Ich werde mich bemühen.«​
Der Echsenmensch nickte dem leicht beschämt dreinschauenden Mädchen zu, nahm ihm das Seil ab und machte sich auf den Rückweg. Als Nächstes trug er den Zwerg hinüber und nachdem er das Seil zugeworfen bekommen hatte, sprang Goblin Slayer. Mit seiner Rüstung hatte er die schwerste Ausstattung, aber sein Sprung reichte aus. Da er bei seiner Landung allerdings etwas schwankte, griff die Priesterin aufgeregt seinen Arm und fragte:​
»A... Alles in Ordnung?«​
»Ja, kein Problem.«​
»Ich hätte mich auch zu gern tragen lassen«, sagte die Elfe.​
»Ha ha ha, bei der nächsten Gelegenheit, werte Waldläuferin.« »Abgemacht!«​
Die Elfe wollte sich in Bewegung setzen, doch blieb dann plötzlich wieder stehen. Sie wackelte mit den Ohren und zeigte auf etwas.​
»Oh, schaut! Dort! Ein Fahrstuhl!«​
»Oho«, staunte Goblin Slayer und näherte sich der Apparatur.​
In die Wand war eine Tür eingelassen, die sich in beide Richtungen öffnete, und direkt daneben befand sich etwas, das wie ein Steuerfeld aussah. Es war ein Aufzug, wie man ihn häufig in Ruinen fand.​
»Haben die Goblins ihn etwa verwendet?«​
»Wer weiß? Dazu kann ich nichts sagen ... «​
»Ob er funktionsfähig ist? Aber ... Hm. Was ist das?«​
Der Echsenmensch zeigte mit einem Finger auf ein Armaturenbrett. Es war in Kästchen aufgeteilt, in die Ziffern eingeritzt waren. Es sah aus, als müsste man etwas eingeben.​
»Ach, wie schade. Es gibt zwar keinen Schlüssel, aber eine Geheimnummer.«​
»Ach!«​
Die Priesterin begann, in ihrer Tasche zu wühlen.​
Sie zog den Schlüssel heraus, den sie den Goblins am Innentor abgenommen hatten. An ihm war mit einem Band eine mit Zahlen beschriftete Tafel befestigt.​
»Was wäre hiermit? Ich dachte eigentlich, dass die Zahlen nichts weiter als eine Beschriftung seien, aber ... «​
»So etwas würden Goblins aber nie machen, oder?«​
Der Krieger nickte der Elfe zu. Er sah die Sache auch so. Dann wandte er sich der Priesterin zu und sagte:​
»Probier es aus.«​
»Ja.« Mit ernstem Gesicht tippte das Mädchen die drei Ziffern von der Tafel ein und direkt darauf war ein leichtes Brummen zu hören. Dann öffneten sich die Türen des Aufzugs nahezu lautlos.​
»Puh... Anscheinend lag ich richtig.«​
Der kastenförmige Fahrstuhl war aus Stein gefertigt und groß genug, dass die ganze Gruppe in ihm mitfahren konnte. Auch wenn es dann ein wenig eng werden würde.​
»Glaubst du, es könnte eine Falle sein?«​
Der Krieger steckte sein Schwert in den Fahrstuhl und wedelte damit herum. Dann antwortete er:​
»Eigentlich ist er nicht so simpel gebaut, dass die Goblins an ihm herumspielen könnten. Ich habe aber mal gesehen, wie sie bei einem Brunnen etwas mit dem Seil eines Schöpfeimers gemacht haben.«​
»Jetzt jage mir damit keine Angst ein!«​
Die Elfe wedelte mit den Händen. Sie wollte sich lieber nicht ausmalen, wie die Goblins Apparaturen herausrissen und die Gruppe damit in die Tiefe stürzten.​
»Lasst uns gehen ...«, sagte die Priesterin entschlossen, doch zitterte dabei ein bisschen.​
»Wir müssen ... die Goblins erledigen ... «​
»Ja«, antwortete Goblin Slayer, ohne zu zögern.​
Dann ließ er seinen Blick über die anderen Gruppenmitglieder schweifen. Die Elfe streckte stolz ihre Brust heraus, der Zwerg wühlte durch seine Tasche mit Katalysatoren und der Echsenmensch legte seine Hände mysteriös zusammen und verdrehte die Augen. Nachdem er allen ins Gesicht geschaut hatte, kontrollierte er seine Ausrüstung. Alles war in Ordnung.​
»Dann lasst uns die Goblins umbringen.«​
Die Abenteurer nickten sich zu und stiegen in den Aufzug.​
»Oben angekommen wird es sicher wild, oder?«, fragte die Elfe.​
»Bestimmt«, gab der Krieger kurzerhand zurück.​
Die Mundwinkel der Waldläuferin zogen sich nach oben.​
»Die Hölle. Es geht in die Hölle, oder?«​
Die Türen des Aufzugs glitten zu.​

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Edward Teach

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Kapitel 62
Das Auswaschen des Blutes.


Mit einem leichten Brummen trug der Fahrstuhl die Abenteurer immer weiter nach oben. Für sie war nicht zu erkennen, wie schnell oder langsam er sich bewegte, aber zumindest fühlten sie sich, als würden sie leicht in den Boden gedrückt werden. Eng beieinander hielten sie ihre Ausrüstung fest in den Händen. In den Gesichtern war ihre Aufregung zu erkennen, denn selbst hier im Aufzug konnte es passieren, dass die kleinen Teufel sie plötzlich überfielen.​
»Hm?«​
Plötzlich begann die Elfe, mit einem Brummen ihre Ohren unruhig hin und her zu bewegen.​
»Was ist los? Kannst du etwa die Schritte der Biester hören?«​
»Nein ... Das ist es nicht ... Ach, verdammt ·.«​
Die Waldläuferin schüttelte wütend ihren Kopf.​
»Schluck einfach«, murmelte Goblin Slayer.​
»Ich soll schlucken?«, fragte die Elfe misstrauisch.​
»Dann kannst du wieder normal hören.«​
Ungläubig schluckte die Elfe einmal schnell lautstark und rief:​
»Oh ... Es hat funktioniert!«​
Sofort löste sich der Druck in ihren Ohren und ihre Wangen entspannten sich. Freudig wackelte sie mit ihren Lauschern. Von dem Erfolg der Methode überzeugt, versuchte sich auch die Priesterin an ihr und schluckte.​
»Oh.«​
Sie blinzelte.​
»Ja, jetzt höre ich auch wieder besser!«​
»Diese Festung sah von außen sehr hoch aus.«​
Der Echsenmensch legte eine Hand an die Innenwand des Aufzugs. Dadurch erfuhr er nicht, wie hoch sie bereits gefahren waren, doch dass die Abenteurer Probleme mit ihren Ohren hatten, konnte nur eines bedeuten.​
»Das muss ein Beweis dafür sein, dass wir ein ganzes Stück in die Höhe fahren.«​
»Aber«, sagte die Priesterin und legte eine Fingerspitze an die Lippen, »was machen wir, wenn er stehen bleibt?«​
»Dann werden wir die Tür aufstemmen und den Schacht hochklettern«, entschied Goblin Slayer direkt. Er hielt das für kein Problem, da sie bereits ein gutes Stück der Strecke mit dem Aufzug zurückgelegt hatten. Die Priesterin und die Elfe grinsten sich gegenseitig an.​
»Ich leih mir dann dein Seil.«​
»Äh, ja.«​
Das Mädchen nickte mehrfach.​
»Ich habe das Gefühl, dass mein Abenteurerset diesmal groß im Einsatz sein wird.« »​
Es ist ein goldener Lehrsatz, dass man es bei einem Abenteuer nie vergessen soll«, entgegnete der Zwerg und lachte laut auf.​
»Genau«, antwortete die Priesterin lächelnd.​
Für kurze Zeit waren nur das Brummen des Aufzugs und immer wieder mal das Geräusch des fließenden Wassers von unten zu hören. Für die Abenteurer zogen sich die wenigen Sekunden aber in die Länge, denn sie alle dachten daran, was oben auf sie warten würde.​
»Tut mir leid ...«, murmelte die Elfe.​
Als sich die Blicke ihrer Kameraden auf sie legten, zappelte sie unbehaglich.​
»Und natürlich danke ... ähm ... meine Freunde. Eigentlich hatte ich euch auf die Hochzeitsfeier meiner Schwester mitgenommen, aber irgendwie ist dies daraus geworden.«​
»Was denn? So schlimm ist das doch nicht«, erwiderte der Zwerg.​
Er wühlte gerade in der Tasche und schaute nicht zu seiner Kameradin herüber. Dann fuhr er sich durch den Bart.​
»Es fühlt sich gut an, dass die Elfen mir jetzt etwas schuldig sind, und außerdem ... Nun ja ... Wir sind doch Freunde.«​
»Oh...!«​
Als er sah, wie die Elfe ihre Augen aufriss, machte der Echsenmensch ein glucksendes Geräusch und nickte. Dann verdrehte er humorvoll die Augen.​
»Die werte Waldläuferin kümmert sich doch immer so gut um uns. Das hier ist also nur eine Kleinigkeit. Eine Kleinigkeit.«​
»Außerdem ... «​
Die Priesterin faltete ihre Hände und lächelte leicht.​
»Wenn Goblin Slayer von Goblins hört, kommt er doch sofort angeflogen.«​
»Hmpf«, brummte der Krieger.​
»Die Goblins müssen schließlich alle getötet werden.«​
»Meine Güte ... «​
Die Waldläuferin ließ ihre Schultern hängen.​
Sie seufzte, doch konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.​
»Eigentlich kennen wir uns erst seit kaum mehr als einem Jahr, aber ihr steht mir alle schon so nahe.«​
»Pass auf, dass du uns in 100 Jahren nicht schon wieder vergessen hast.«​
»Du dummer Zwerg.«​
Die Elfe kicherte. Sie begann, mit einem Finger Kreise in die Luft zu malen. »Ich werde euch nie vergessen.«​
Nachdem sie dies gesagt hatte, klatschte sich die Waldläuferin mit beiden Händen auf die Wangen, um sich wieder konzentrieren zu können. Sie kontrollierte die Sehne des Bogens und zog einen Pfeil aus dem Köcher. Dann schaute sie an die Decke des Fahrstuhls, wackelte mit den Ohren und sagte:​
»Das Wehen des Winds. Schritte. Lärm. Wahrscheinlich kommen wir an einem nicht überdachten Ort raus. Es klingt nach vielen von ihnen.«​
»Ich möchte mich sofort auf sie stürzen.« Goblin Slayer zog seine Waffe. »Was denkst du?«​
»Wir sollten wohl auf eine altbewährte Formation zurückgreifen.«​
Der Echsenmensch schloss für einen Moment die Augen. Dann nickte er und verkündete:​
»Hört her. Goblintöter geht nach vorne. Der Magiewirker und ich nehmen die Flanken. Die Priesterin bleibt hinter der Waldläuferin.«​
»J ... Ja ... «​
Das Ende der Formation ... Goblins, die einen von hinten überraschten . . . Zerrissene Kleidung . . . Aufgeschlitzte Bäuche ... Um die Bilder, die dem Mädchen in den Kopf schossen, wieder abzuwerfen, schüttelte es den Kopf. »...!«​
»Werte Priesterin, auf dieser Position wirst du vor den Angriffen des Gegners am besten geschützt sein, also hab keine Angst.«​
»Meine Aufgabe ist, den Überblick zu behalten und Unterstützung zu geben, richtig?«, hakte die Elfe nach.​
»Ganz genau.«​
»Alles klar.«​
»Meine Güte, eigentlich ist mein Spezialgebiet die Magie«, meckerte der Zwerg, während er seine Axt zog.​
Als Schamane trug er keine Rüstung, aber er sah dennoch wie ein stattlicher Krieger aus. Goblin Slayer schielte kurz ihn seine Richtung und murmelte: »Trotzdem können wir uns auf dich verlassen.«​
»Schon gut! Ich werde euch zeigen, aus was für Holz wir Zwerge geschnitzt sind!«​
»Ha ha ha, wir Echsenmenschen sind alle Krieger!«​
Während der Zwerg und der Echsenmensch sich anlachten, tauschten die Frauen ein paar verzweifelte Blicke aus. Schließlich blieb der Aufzug mit einem rumpelnden Geräusch stehen.​
»Bist du okay?«, fragte Goblin Slayer die Priesterin.​
Sein Blick ruhte auf seiner jungen Kameradin. Er wirkte weder nervös noch aufgeregt. Langsam atmete das Mädchen aus und wieder ein und legte eine Hand auf seine Brust.​
»Ja, es kann losgehen.«​
»Sobald die Tür aufgeht, laufen wir. Macht euch bereit«, wies der Krieger seine Kameraden an. Auch ohne sie anzuschauen, wusste er, dass sie nickten.​
»Was ist mit dem feindlichen Magiewirker?«, fragte die Elfe flüsternd. »Bestimmt ist er dort.«​
»Wenn wir ihn entdecken, hat er höchste Priorität. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.«​
»Ihr könnt es euch sicher schon denken, aber der ist bestimmt ein lästiger Gegner«, murmelte der Zwerg.​
»Er könnte Techniken beherrschen, die zu Statusveränderungen führen, aber solange einer von uns unbeschadet bleibt, werden wir uns erholen können«, gab der Krieger gleichgültig darauf zurück.​
»Solange wir nicht ausgelöscht werden, gibt es immer einen Weg.«​
»Und wenn wir ausgelöscht werden ... ? «, fragte die Priesterin mit zitternder Stimme.​
»Dann lass es nicht zu.«​
Überrascht riss die Priesterin die Augen auf, doch kicherte dann. Vielleicht zwang sie sich auch ein wenig dazu.​
»Du bist unverbesserlich, aber ja, ich werde nicht zulassen, dass es so weit kommt.«​
»Ja.«​
Goblin Slayer nickte. »Nutzt Wunder, aber Zwerg, keine​
Zauber.«​
»Hm.«​
»Jawohl!«​
Der Mönch und die Priesterin formten Symbole ihres Glaubens und begannen, zu ihren Göttern zu beten.​
»Sichelschwinge des Velociraptors, flieg messerscharf empor und begib dich auf die Jagd!«​
»Höchst barmherzige Erdmutter. Bitte beschütze uns Schwache​
mit deiner Erde.«​
Die Tür öffnete sich ...​
»Los geht's!«​
... und die Gruppe rannte los.​
***
Der Goblin Schamane schaute seine Untergebenen an, die sich müde auf dem Dach versammelt hatten. Er nickte zufrieden. Jeder einzelne von ihnen war mit einem glänzenden Brustpanzer, einem Speer oder einem Schwert ausgerüstet.​
Er konnte sich glücklich schätzen. Zufällig hatte er die Kraft der Magie erhalten, war zum Anführer einer ganzen Horde geworden und hatte diese Festung erobert. Durch Magie hatte er einen Drachen verwirrt und so sogar die Elfen angreifen können. Das alles waren Erfolge, die er aus eigener Kraft errungen hatte. Oder zu - mindestens glaubte er das.​
»GORBB! GOBROBBRBOGB!!«​
Seine Untergebenen waren dumm, aber es fühlte sich dennoch gut an, wie sie sich vor ihm auf den Boden warfen. Während er ihnen predigte, dass er sie in ein neues Land führen würde, kam er sich ungeheuer überlegen vor und unterlag dem (Irr-)Glauben, dass das Wasser, das tief unter seinen Flüssen floss, ihm Kraft verlieh.​
»GORROB! GOROOROOB!«​
Im schwachen Dunkel der Finsternis konnte man erkennen, wie sich der Himmel am Horizont langsam violett färbte. Die feuchtwarme Luft, die aus dem Meer aus Bäumen heran wehte, war für die Goblins äußerst angenehm.​
»GBBORB!!«​
Der Goblin Schamane brüllte, dass die Vorbereitungen abgeschlossen seien. Sie würden es den hochmütigen Insektenfressern, die immer auf sie herabschauten, ordentlich heimzahlen. Dabei ignorierte er natürlich, dass sie selber oft Insekten fraßen.​
»GORB!«
»GBBRO!!«​
Während er seinen Stab in die Höhe hielt, schaute der Goblin Schamane auf seine trotteligen Untertanen herab. Weil er mit genau diesem Stab einer Abenteurerin ihren schönen Schädel eingeschlagen hatte, gefiel er ihm besonders gut.​
»GOOBRGGOG!«​
Der Fluch, von dem er glaubte, dass er ihn sich ausgedacht hatte, war bereit, eingesetzt zu werden. Die Elfen und auch die Menschen weiter stromabwärts tranken längst von dem Blut und den Ausscheidungen ihrer Artgenossen. Wenn sie jetzt scheiterten, wäre das nicht die Schuld seines Fluches, sondern die seiner Untergebenen. Da war sich der Anführer sicher. Doch von der Möglichkeit zu scheitern ließ sich der Schamane nicht beirren. Die Elfen und auch die Jungfrau des Schwertes hatten sich über ihre Vorfahren lustig gemacht und den Dämonenfürsten besiegt. Dafür würden sie bezahlen. Natürlich hatte der Goblin Anführer all das nicht selbst miterlebt, aber er hatte davon gehört und das reichte ihm. Wie für Goblins typisch, vergaß er die eigenen Gräueltaten und fokussierte sich darauf, dass er und seine Artgenossen ungerecht behandelt wurden. Er würde die Elfen mit Füßen treten und sie abschlachten. Die hübsche Prinzessin würde er vor dem abgeschlagenen Kopf ihres Gatten als Gebärbeutel missbrauchen. Er würde die Stadt des Wassers in Brand setzen und sich an der Jungfrau des Schwertes vergehen, damit sie nie wieder aufstehen konnte. Das alles waren die Begierden des Schamanen, doch was besaßen Goblins außer ihren gierigen Wünschen? Nichts weiter als Hass.​
»GOROBOOGOBOR!!«​
Er riss den Stab in die Höhe und schrie. Es war der Befehl, auszurücken. Doch anstatt der zustimmenden Schreie seiner Kameraden vernahm der Anführer nur ein unpassendes Ploppen. Im nächsten Moment öffnete sich eine Tür, die eigentlich nicht zu öffnen war.​
»Eins.«​
***
Goblin Slayer sprang aus dem Fahrstuhl und schlug einem Goblin den Schild ins Gesicht. Auf dem kreisrunden Dach der Festung schienen sich nahezu hundert oder wenigstens einige Dutzend Goblins zu befinden. Und in die Menge der Biester stürzten sich jetzt die Abenteurer.​
»GOROB?!«​
Der getroffene Teufel schrie, während er zur Seite geschmissen wurde und zuschauen musste, wie einem seiner Artgenossen ein Schwert in die Kehle gerammt wurde.​
»GOROBOOBGR?!«​
Dieser spuckte blutigen Schaum aus und wurde ohnmächtig, bevor er an seinem eigenen Blut ertrank. Der Krieger befreite sein Schwert von dem gegnerischen Kadaver und trat diesen um. Dann drehte er die Waffe in der Hand um und warf sie auf einen Goblin, der eine Schlinge kampfbereit hielt.​
»GROOB?!«​
»Zwei.«​
Er schenkte dem umstürzenden Gegner keinen weiteren Blick, sondern griff zum Gürtel des Kadavers, auf dem er stand. Er schnappte sich ein Beil und testete es in der Luft. Es war nicht schlecht.​
»Oh, großes Schaf aus der Kreideära, wir widmen dir unsere Taten, da von deinen kriegerischen Leistungen bis in alle Ewigkeit berichtet werden wird.«​
Kreischend wie ein Raubvogel schwang der Echsenmensch seine Waffe, seine Krallen und seinen Schwanz. Er verließ sich wegen der Überzahl von Gegnern auf seine Instinkte und schnappte sich den Goblin, den sein Kamerad zuvor umgestoßen hatte.​
»Hejaaah!«​
»Der Schuppige scheint Spaß zu haben, aber ich habe das Gefühl, dass ich heute genug Goblins für den Rest meines Lebens gesehen habe ...« meckerte der Zwerg und schlug immer wieder gezielt mit seiner Axt zu, während er sich tänzelnd durch die Menge bewegte.​
Obwohl er zuvor betont hatte, dass er eigentlich kein Kämpfer war, wusste er genau, was zu tun war. Außerdem war er dankbar dafür, dass Goblin Slayers rasches Vorgehen und das Gebet der Priesterin ihm etwas Schutz boten.​
»Dahinten!«, rief die Waldläuferin ihren Kameraden zu und schoss drei Pfeile auf einmal ab, die präzise ihr Ziel fanden.​
»Da ist einer mit einem Stab! Ein abartiger!«​
»Ein Schamane?«, fragte Goblin Slayer und rammte einem Goblin das Beil in den Schädel.​
Er griff sich ein Schwert aus dem Gürtel des getöteten Gegners und erledigte in einer fließenden Bewegung einen weiteren Goblin.​
»Acht. Kannst du ihn treffen?«​
»Schwierig!«, rief die Elfe.​
»Aber ich werde es probieren!«​
Die Priesterin lief währenddessen verzweifelt umher. Es waren so viele Gegner und nur ein paar Abenteurer. Wie sollten sie den Kampf gegen so eine Horde bestehen? So etwas hatte sie noch nie erlebt. Das Mädchen keuchte und hechelte, während es versuchte, mit seinen Kameraden mitzuhalten. Bei der Schlacht gegen den Goblin Lord hatte es mit Goblin Slayer zu zweit den Heeresführer angegriffen und während des Erntefests hatte die Gruppe es nur mit kleineren Trupps von Goblins zu tun gehabt. In den Bergen waren sie vor den Goblins weggelaufen und das machte den Kampf jetzt zur ersten Auseinandersetzung, bei der sie solch einer großen Gruppe von Goblins gegenüberstanden. Goblins vertreiben!! Lauft weg.​
To... te ...
Erneut begannen Erinnerungen aus der Vergangenheit, die Priesterin zu plagen. Ihre Zähne klapperten. Sie hatte schon viele Male gegen diese dunklen Gedanken gekämpft, doch diesmal wurden ihre Knie weich und ihr Atem geriet ins Stocken.​
»Ur... Ah...z!«​
In diesem Moment flog ein kleiner Stein an ihrem Gesicht vorbei und kratzte ihre Wange auf. Ein brennender Schmerz breitete sich in ihrem Gesicht aus und sie spürte, wie die Wunde zu bluten begann. Das Mädchen realisierte, dass es zu beten aufgehört hatte und dass Schutzwall deshalb schwächer geworden war.​
»...!«​
Eine warme Feuchtigkeit lief seine Beine herunter. Warum war es am Ende der Gruppe? Was genau wurde von ihm erwartet? Das Mädchen wusste die Antworten auf diese Fragen. Es war nicht mehr so unerfahren wie damals. Fest zog es den Priesterstab an sich heran, bevor es ihn in die Luft streckte und aus tiefstem Herzen ein Gebet zu sprechen begann.​
»Höchst barmherzige Erdmutter. Schenke uns, die durch die Dunkelheit irren, dein heiliges Licht.«​
Es folgte eine Explosion des Lichts.​
»GOBOGBO?!«
»GOOBR?! GOBOGR?!«​
Geblendet verzogen die kleinen Teufel ihre dreckigen Fratzen und schrien wild auf. Einige wichen taumelnd zurück und fielen vom Dach, während andere brutal von ihren Kameraden totgetrampelt wurden. Die Priesterin musste bei diesem schrecklichen Anblick schlucken, doch sie hielt das Wunder tapfer aufrecht. Da das Licht von hinten auf die anderen Abenteurer schien, wurden diese davon nicht beeinträchtigt.​
»Hab ich dich!«​
»GOBBRG?!«​
Die Elfe nutzte die Chance und feuerte einen Pfeil auf den Anführer der Goblins ab, der ihn in seiner Schulter traf, doch der Schamane hatte ebenfalls bereits eine Attacke vorbereitet.​
»GORBBBR ... !! ODUUUAAAARUKKKKUPIRUUUUS«​
Er wirkte einen Fluch, der in einer hellviolette Wolke Gestalt annahm und über das Dach schwebte.​
»Ngh! Mis ... ?!«​
Zusammen mit der Elfe fiel auch ein Goblin nach dem anderen um.​
»Das ist eine Schlafwolke!«​
»Hmpf ... Bleibt bei Sinnen!«​
Die Bewegungen des Zwergs, der sich die Hände vor den Mund hielt, und des Echsenmenschen, der der Elfe aufhelfen wollte, wurde augenblicklich träge.​
Es ist, als wären wir unter Wasser, dachte die Priesterin, während ihre Augenlider schwer wurden. Sie klammerte sich an ihren Stab, um nicht umzufallen. Sie erinnerte sich, wie sie mit den anderen Frauen im Wasser gespielt hatte. Es hatte ihr Spaß gemacht. Die Welt begann sich vor ihren Augen zu drehen und sie konnte sich nicht länger auf den Beinen halten. Ihr Bewusstsein riss für einen Augenblick ab und Schutzwall löste sich auf. Die Goblins, die nicht von dem Fluch ihres Anführers getroffen worden waren, kamen herangestürmt.​
»Ah...«​
Als Erstes wurde die Elfe umgeworfen. Die kleinen Teufel zerrissen ihre Kleider, doch sie winkte nur kraftlos mit einem Arm. Anschließend wurde der Zwerg von einem Knüppel an der Schulter getroffen, was zur Konsequenz hatte, dass er die Axt fallen ließ. Dann sprangen einige Goblins auf den Echsenmenschen und begannen, ihre Dolche in den Zwischenräumen seiner Schuppen zu versenken.​
»Ur...«​
Ein Dolch steckte in Goblin Slayers Schulter.​
»Goblin Slayer ...«, murmelte die Priesterin und sammelte all ihr Kraft. Sie atmete tief ein und wieder aus. Sie sog ihre Lungen voll mit Luft und spie sie wieder aus.​
»Uwaaaaaaaaaaaah!«​
Das Mädchen war selbst überrascht, dass es so laut schreien​
konnte, doch das Geräusch war wirklich von ihm gekommen.​
»Ihr alle! Goblin Slayer!«​
Es gab keine Antwort.​
Die Klerikerin riss den Stab in die Höhe.​
»Goblin Slayer!«​
Er antwortete noch immer nicht.​
»...!«​
Die Priesterin knirschte mit den Zähnen und konzentrierte sich, so gut sie konnte. Am Rande ihres Sichtfelds konnte sie einen herumschleichenden Goblin erkennen. Er hielt einen Stab und grinste hämisch. Aus einer Wunde in seiner Schulter tropfte sein schmutziges Blut.​
Es ist unrein, dachte sich die Priesterin. Dabei handelte es sich um keine Offenbarung der Erdmutter, sondern um etwas, auf das sie aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen als Abenteurerin gekommen war. Doch was sollte sie jetzt tun? Sie kannte die Antwort.​
»Höchst barmherzige Erdmutter, reinige uns mit deinen Händen!«​
»GORB?!«​
Die Erdmutter gewährte ihrer Dienerin ein Wunder und als der Schamane verstand, was vor sich ging, war es bereits zu spät. Sein schmutziges Blut verwandelte sich in reines Wasser.​
»GOBOGGBOGOBOOGOGOBOGOOG?!!?!«​
Der Anführer schrie, als würde er von innen heraus zerrissen werden, und die Priesterin gewann mit einem Schlag die Kontrolle über ihre Sinne zurück.​
»Hä ... Ah ...!«​
Gleichzeitig verlor sie aber jegliche Verbindung in den Himmel. In ihrem Inneren hörte sie eine Stimme: Nie wieder darfst du mein Wunder der Reinigung auf diese Art einsetzen.​
»W... Wah?!«​
Dem Mädchen war, als hätte jemand seiner Seele einen Schlag versetzt. Sein Geist war zutiefst erschüttert. Es hatte etwas Unerhörtes getan und war dafür von der Erdmutter gescholten worden.​
»Aaah ...!«​
Die Priesterin ließ ihren Stab fallen und fiel kreidebleich auf die Knie. Erst als sie sich gedankenverloren auf die Brust drückte, merkte sie, dass sie weinte.​
»U... Uwäh!«​
»Gut gemacht.«​
Gerade als sie wie ein kleines Kind zu wimmern begann, drang ein Lob an ihr Ohr.​
»Ah ...«​
Die zwei einfachen Worte halfen der Priesterin, sich wieder zu sammeln.​
»J... Ja!«​
»Okay.«​
Goblin Slayer war verletzt. Ein Dolch steckte in seiner Schulter und er hatte mehrere Schlagwunden. Er zog den Dolch heraus und als er erkannte, dass dessen Klinge mit einer zähen Flüssigkeit eingerieben war, schnalzte er mit der Zunge. Er holte aus seiner Tasche ein Gegengift und das Elfenelixier heraus. Nachdem er die beiden Tränke zu sich genommen hatte, warf er die leeren Behältnisse einem Goblin an den Kopf.​
»GOOBOG?!«​
Dieser kauerte gerade über der Elfe und drehte sich verwundert um, als er auch schon den Schild des Kriegers ins Gesicht bekam. Der Abenteurer schlug einige weitere Male zu, bis das Biest tot war.​
»Einundzwanzig. Steh auf!«​
»Argh ... 0 ... Orcbolg?«​
Schwankend erhob sich die Elfe. Sie war verletzt und von oben bis unten mit Goblin Blut besudelt. Außerdem war ihre Kleidung zerrissen.​
»Trink das.«​
Goblin Slayer reichte ihr einen Heiltrank und warf im selben Moment dem Zwerg ein Schwert zu.​
»Oh!«​
Der Schamane fing es und nutzte es direkt, um einem Goblin​
den Bauch aufzuschneiden.​
»GOBOGOOBOG?!«​
»Mir geht es so weit gut, Bartschneider!«​
Er trat das Monster, aus dem gerade die Eingeweide herausquollen, zur Seite und stieß die Klinge in den nächsten Goblin. Sein rechter Arm hing kraftlos herunter, doch das hinderte ihn nicht daran, mit dem Schwert in seiner linken Hand einem weiteren Gegner das Leben zu nehmen.​
»Hrrmpf ...!«​
Wieder bei Sinnen schoss der Echsenmensch hoch. Er schnappte sich den Kopf eines Goblins, der ihm gerade eine Klinge in den Hals rammen wollte, und prügelte ihn auf den Boden.​
»GOBORO?!«​
Mit einem knackenden Geräusch drehte sich der Hals des Monsters in eine unnatürliche Richtung und nach einigen Zuckungen regte es sich nicht mehr. Der Mönch war währenddessen längst dabei, mit seinen Krallen einige weitere Goblins durch die Gegend zu werfen.
»Meine Güte, sie haben uns an der Nase herumgeführt ...«
Mit dem Ärmel wischte der Echsenmensch sich etwas Goblin Blut vom Maul. »Werter Goblintöter, ich bin wieder kampfbereit!«
»Dann leg los.«
Goblin Slayer griff den Arm der zusammengesackten Priesterin.
»Ah... Goblin ... Slayer ... «
Verträumt schaute sie in seine Richtung. Ihr war, als könnte sie
seine Augen rot aus dem Helm heraus blitzen sehen.
»Du hast das gut gemacht.«
»J ... Ja ...!«
Der Krieger lobte sie erneut und sie rieb sich die Tränen aus den Augen. Sie hob ihren Hut und ihren Stab auf, die in den Wirren des Kampfes zu Boden gefallen waren. Es war noch nicht vorbei. Es waren noch immer einige Goblins am Leben.
»Oh, Gorgosaurus, der verletzt noch schöner wirkte! Lass deine Heilung in diesen Körper übergehen!«
Das Gebet des Echsenmenschen sorgte dafür, dass ein warmes Licht auftauchte, das den Abenteurern ihre Kraft zurückgab. Es war ein Segen des fürchterlichen Drachen, das Wunder Erfrischung.
Goblin Slayer prüfte kurz, ob all seine Wunden geheilt waren, und schlug dann mit einem Schwert nach einem Goblin in der Nähe.[/JUSTIFY]
»GOROBORO?!«​
»Fünfundzwanzig. Wir müssen weiter nach vorne. Kannst du laufen?«​
»Alles gut ... Aber der Trank war wirklich bitter«, antwortete die Elfe Goblin Slayer, der einen Goblin mit blutigem Schaum vorm Mund zur Seite trat. Sie schnalzte mit der Zunge, zog die Reste ihrer Kleidung über ihre entblößte Brust und zwinkerte dann der Priesterin zu. »Komm! Wir gehen!«​
»Ja! Ich komme!«, rief die Klerikerin tapfer, während sie immer wieder ihren Stab nach Goblins schwang, um sie auf Distanz zu halten.​
»Werter Magiewirker, wärst du so weit?«, fragte der Echsenmensch.​
»Klar doch. Deswegen habe ich es doch aufgespart und wir mussten diesen ganzen Ärger durchmachen«, gab der Zwerg zurück.​
Die Gruppe rückte weiter vor. Nein ...​
»GOROB!!«
»GRO! GRB!«​
Sie wurden auf dem Dach der Ruine in die Enge getrieben.​
Die Gegner der Abenteurer hatten sich von der durch Reinigung entstandenen Verwirrung erholt und grinsten dreckig, während sie sich ihren Feinden immer weiter näherten. Die Elfe hatte sich freigekämpft, doch schon bald würden sie sie erneut umwerfen und ihren Spaß mit ihr haben. Auch die Priesterin würden sie für ihr Verhalten bestrafen. Tötet die Männer. Vergewaltigt die Frauen. Die gestorbenen Brüder waren alle Idioten, aber wir werden sie trotzdem rächen. Bei dem Gedanken daran, was für einen Spaß sie mit den Gefangenen haben würden, wurde etwas zwischen den Beinen​
der Goblins hart. Ihre Augen leuchteten gierig. Plötzlich rief der menschliche Krieger jedoch etwas völlig Unerwartetes:​
»Springt!«​
Einer nach dem anderen hüpften die Abenteurer vom Dach der Festung. Der Wind, der beim Sturz in die Tiefe an ihnen vorbeirauschte, kühlte ihre Körper ab und in der Ferne tauchte die aufgehende Morgensonne langsam über den hohen Baumwipfeln auf.​
»GBBRB!«
»GROGGB! GORRBGROB!«​
Die Goblins machten sich kreischend darüber lustig, dass ihre Feinde in den Tod stürzten, und bemerkten dabei nicht das verwegene Grinsen des Zwergs. Er war gerade dabei, seine dicken Finger zu komplizierten Zeichen zu formen. Dabei rief er:​
»Gnome, Gnome! Dreht den Eimer! Wirbelt ihn herum! Schleudert ihn fort!«​
Augenblicklich wurde der Fall der Abenteurer gebremst. Der Schamane hatte den Zauber Sturzkontrolle gewirkt. Langsam, wie von einer unsichtbaren Hand getragen, glitt die Gruppe in Richtung Boden.​
»Ah... Nein ... «​
Der leichte Wind begann, den Saum der Kleidung der Priesterin hochzukrempeln, weswegen sie ihn aufgeregt festhielt. Die Elfe musste bei dem Anblick grinsen. Schließlich gefiel ihr ihre Kameradin so viel besser als mit dem sonst so typischen bitterernsten Gesichtsausdruck. Die Waldläuferin streckte ihre Hand aus und umschloss die der Priesterin.​
»Ah...«, rief diese überrascht.​
»Alles gut?«​
»J ... Ja ... Es tut mir leid ... «​
»Schon gut.«​
Die Elfe wandte sich dem Schamanen zu.​
»Du hast es geschafft, Zwerg.«​
»Selbstverständlich!«, erwiderte er und streckte für einen kurzen Moment stolz seine Nase in die Höhe. Dann griff er zu seiner Flasche und gönnte sich einen Schluck Schnaps. Die aufgehende Sonne, der Wald und ein kühlender Wind. Der Zwerg konnte sich keinen besseren Moment für einen Schluck Alkohol vorstellen.​
»Es ist alles gut gegangen«, murmelte der Echsenmensch, während er sich streckte.​
Dabei ließ er die Goblins auf dem Dach nicht aus den Augen. Sie schrien und tobten.​
»Kurz habe ich mir allerdings Sorgen gemacht.«​
»Ja«, sagte Goblin Slayer und schaute nach oben.​
»Aber sie in Panik zu versetzen, ist der beste Weg, um sie zu besiegen.«​
***
»G... B ·.«​
Der Goblin Schamane kam wieder zu Bewusstsein. Sein Kopf brummte und er hatte Probleme zu atmen. Auch seine Sicht war eingeschränkt. Nur unter Keuchen schaffte er es, sich aufzurichten. Er wusste es natürlich nicht, aber der Grund, warum es ihm so schlecht ging, war, dass ein Teil seines Blutes zu Wasser geworden war und deswegen der Sauerstoff nicht ordentlich durch seinen Körper hatte kreisen können. Er sah, dass seine Untergebenen am Rand des Dachs standen und schrien.​
»GOBOOGB ...!«​
Der Anführer der Goblins fluchte über sie. Anstatt sich um ihn zu kümmern, veranstalteten sie irgendein Theater. Dass er bis gerade seine Leute als lebende Schutzschilde missbraucht hatte, ließ er natürlich bei seinen Gedanken außen vor. Und wo waren die Abenteurer? Waren sie etwa entkommen?

»GORB! GROBOOGOBOGR!!«
»GBBGROB?!«​
Der Magiewirker der Goblins schwenkte seinen Stab und brüllte, worauf sich einige seiner Leute zu ihm umdrehten. Er ärgerte sich, dass nicht alle sofort reagierten. Er entschloss sich, seine komplette Horde neu aufzubauen, wenn er erst die Waldläuferin, die Priesterin oder die Prinzessin der Elfen in seine Finger kriegte.

»GROROB …?«​
Doch was war dieses rauschende Wassergeräusch, das immer lauter wurde?

»GROROBOROGBOROz!?!z!«​
Unmittelbar darauf wurde er von schlammigen Fluten fortgeschleudert, die aus dem Auszug herausschossen. Er starb, ohne zu wissen, was passiert war. Der Zwerg hatte mit dem Zauber Tunnel ein Loch in die Mauer des Staudamms gegraben und der Wasserdruck im Inneren der Festung hatte das Wasser immer weiter in die Höhe gedrückt. Für die Goblins war es unvorstellbar, dass Wasser einfach hochsteigen konnte, und gerade deswegen wurden sie von den Wassermassen vollkommen überrascht. Hätten die Erbauer dieses Bauwerks gewusst, dass es von bösen Kreaturen in Beschlag genommen werden würde, hätten sie sich jetzt sicherlich über das Verenden ebenjener gefreut. Zusammen mit seinen Untergebenen zappelte und krümmte sich der Schamane, während er in die Tiefe fiel, aber der Aufprall zertrümmerte seinen Schädel. Es war ein grausamer Anblick, den die Wassermassen aber zum Glück direkt fort wuschen. Das herabfallende Wasser glitzerte im Licht der aufgehenden Sonne, während immer mehr Goblins ihren Tod fanden.​
»Ä... Ähm ... Ist das eigentlich in Ordnung?«, fragte die Elfe zweifelnd.​
Immer wieder schüttelte sie ihr nasses Haar, um es etwas zu trocknen.​
Goblin Slayer seufzte und antwortete:​
»Sobald Tunnel nicht mehr wirkt, wird sich das Loch schließen. Das Gebäude wird nicht einstürzen.«​
»Und was passiert dann mit all dem Wasser, das bereits im Gebäude ist?«​
»Um die Sache wird sich jemand aus der Siedlung der Elfen kümmern müssen.«​
»Hrmpf«, schnaufte die Waldläuferin und schwieg.​
»Wir gehen jetzt erst mal zurück und dann wird geheiratet«, sagte der Zwerg und lachte. Die Gruppe schwebte noch immer in der Luft und der Zwerg schien den Moment weiterhin zu genießen. Immer wieder trank er etwas Schnaps und kümmerte sich darum, dass der Zauber nicht seine Wirkung verlor.​
»Denkst du nicht daran, irgendwann zu heiraten?«​
»Darüber mache ich mir in 1.000 Jahren Gedanken, Zwerg.«​
»Dann kriegst du sicher keinen mehr ab.«​
»Wie bitte?!«​
Wie gewöhnlich fingen die Elfe und der Zwerg einen Streit an.​
Während er dem typischen Hin und Her zuhörte, verdrehte der Echsenmensch vergnügt die Augen.​
»Sollte ich irgendwann ein Drache werden, würde ich dich als Drachenbraut bei mir begrüßen.«​
»Was soll das denn heißen?«​
Die Waldläuferin kniff ihre Augen zusammen und grinste.​
»War das eine Liebeserklärung? Meinst du das ernst?«​
»Wer weiß? Wie es wirklich ist, werden wir wohl erst in 1.000 Jahren erfahren.«​
Die Priesterin, deren Hand bis gerade noch von der der Elfe umschlossen gewesen war, hörte den dreien geistesabwesend zu. Dabei passte sie auf, dass weder ihre Kleidung hoch rutschte noch ihr Hut wegflog. Ihr entglitt ein Seufzer.​
»Bist du müde?«, fragte der Krieger sie.​
»Äh, nein! Nicht doch ...«​
Zuerst wedelte sie mit der Hand, um es abzustreiten, doch ließ sie dann schlaff herunterhängen.​
»Nun ja ... ein wenig ... vielleicht ... «​
»Ist das so?«​
Sie wunderte sich, ob es wirklich unrecht gewesen war, Reinigung so anzuwenden. Es war eigentlich ein Wunder zur Reinigung des Wassers und nicht dazu gedacht, einem Wesen das Leben zu nehmen. Die Erdmutter war ihrer Bitte nur nachgekommen, weil sie es benutzt hatte, um andere Leben zu retten, aber gleichzeitig hatte sie sie gescholten. Doch was hieß das alles jetzt für sie? Vor einem Jahr noch hatte die Priesterin nichts weiter gewusst, als dass sie weiterhin Abenteurerin bleiben wollte und dass Goblin Slayer so lange Goblins jagen würde, bis sie alle ausgelöscht waren, doch jetzt war sie in ihren Grundfesten erschüttert. Konnte sie weiterhin an die Erdmutter glauben? Würde die Erdmutter ihr weiterhin Wunder gewähren? Was war in diesem einen Jahr aus ihr geworden?​
»Guck, da.«​
»Wie?«​
Die Priesterin schaute aufgeregt hoch. Sie blinzelte mehrmals mit ihren tränennassen Augen. Sie sah einen weißen Himmel und sich ewig weit erstreckendes Grün. Außerdem sah sie ...​
»Ein Regenbogen.«​
 

Edward Teach

Anime-Pirat
VIP
Intermission XXII
Von der Verdammnis in den Tiefen der Hölle.


»Hah!«​
Mit dem Schrei, den das Mädchen nach einem Sprung ausstieß, leuchtete eine Sonne in der abgrundtiefen Dunkelheit der Hölle auf. Der Boden war pechschwarz und mit dunkelroten Dämonen übersät. Über ihm fraßen sich Felsenfresser, die an gewaltige Tausendfüßler erinnerten, durch die Welt des Spielbretts, doch das Mädchen lächelte nur verwegen.​
»Schlag der Morgendämmerung!«​
Das heilige Schwert in seinen Händen strahlte ein smaragdfarbenes Licht aus, das sich durch die Felsenfresser bohrte und sie augenblicklich in tausend Stücke zerriss. Die Körperflüssigkeiten der Bestien verteilten sich im Raum, doch die von dem Schwert ausgehende Hitze sorgte dafür, dass sie einfach verpufften. Das Mädchen war keinen einzigen Schritt vor den Dämonen zurückgewichen, seitdem es die Hölle betreten hatte.​
»Doom! Das ist euer Untergang, ihr Höllenbiester!«​
Bei dem Mädchen handelte es sich um die Heldin und sie wirbelte durch die Luft, bevor sie mit ausgestrecktem Arm auf einem Felsen landete. Sie richtete ihre Waffe auf die Dämonen, die auf sie zu gekrochen kamen. Mit der linken Hand formte sie magische Symbole.​
»Carbunculus ... Crescunt ... Iacta!«​
Donnernd formten sich Feuerkugeln in ihren Händen, von denen sie insgesamt drei schleuderte. Während das verbrannte Fleisch ihrer Feinde durch die Luft flog, rief die Heldin ihren Kameradinnen zu:
»Ich kann noch lange weitermachen, aber wie ist die Lage?«​
»Es dauert wohl ... noch ein wenig!«, antwortete die Schwert Heilige, die mit ihrem Langschwert jeden Dämon niederschlug, der sich ihr näherte. Als erfahrene Schwertmeisterin ließ sie sich keine Chance auf einen Angriff entgehen. Gekonnt ließ sie Kopf für Kopf ihrer Feinde fliegen, ohne dabei zu viel Kraft aufzuwenden. Es war keine spektakuläre, aber eine äußerst effektive Kampftechnik. Die Weise unterstützte die beiden mit ihrer Magie und schwang ihren Stab mit großen Bewegungen, wobei sie vollends konzentriert war. Deshalb fiel ihr Blick auch auf eine Felsplatte über ihr.​
»Der Fluss des Wassers über uns hat sich geändert ... Der magische Zirkel des Gegners wurde zerbrochen.«​
»Hm? Waren das etwa andere Abenteurer?«​
Die Helden öffnete mit einer Salve von Zaubern ein Loch in den gegnerischen Reihen und positionierten sich darin.​
»Die Tore der Hölle öffnen sich.«​
Diese Worte waren von Magiern kurz nach dem Zeitalter der Götter auf Lehmplatten hinterlassen worden. Sie hatten damals Teleportations Zauber erforscht und dabei war ihnen ein Fehler unterlaufen, denn sie hatten ein Portal in die Hölle geöffnet. Unter höchsten Anstrengungen hatten sie es geschafft, es zu versiegeln, doch nicht für ewig.​
Ich bin mir nicht sicher, ob wir mit diesem Timing nun Glück oder Pech hatten!, dachte sich die Heldin und rannte in gerader Linie los. Sie hatte erst gerade davon erfahren, doch sie verstand die Regeln der Welt nicht wirklich. Schließlich bekam sie immer Kopfschmerzen, wenn sie versuchte, ein Buch über das Thema zu lesen. Deswegen überließ sie der Weisen die Sache mit dem Portal und kümmerte sich selbst einfach nur um das Kämpfen.​
»Vielleicht waren es Elfen?«​
»Ja, wer weiß. Aber sie sind eigentlich eher träge in ihrem Verhalten und würden nicht so ungestüm vorgehen, oder?«​
»Ihr Handeln kann manchmal ganz überraschend eine Schwachstelle treffen.«​
»Ich verstehe die Elfen nicht«, murmelte die Weise und wenn sie es nicht verstand, wer dann.​
Die Heldin liebte die Welt der Vier Himmelsrichtungen von ganzem Herzen und das lag nicht daran, dass sie stark oder die Heldin war. So etwas würde ganz sicher nicht ihren Blick auf die Welt verändern. Es ging ihr um ihre Freunde, ihre Heimat und all die anderen Dinge, die sie mochte. Den Himmel und Regenbögen zum Beispiel. Und deswegen würde sie den Kräften des Chaos auch nicht die Welt überlassen.​
»Na ja, egal. Wir machen alle hier platt und dann ist die Sache erledigt!«, rief die Heldin.​
In diesem Moment kam hinter all den schwächeren Dämonen ein gruseliges spinnenartiges Etwas ins Sichtfeld. Es musste ein Anführer der Dämonen sein. Mit seinen metallenen Beinen konnte es sicher so einige leicht zerstampfen, doch zum Glück war die Heldin den Kampf gegen solche Wesen gewöhnt. Einige würden wahrscheinlich sogar sagen, dass es die Aufgabe der Heldin war, gegen solche Bestien zu kämpfen.​
Ach, von wegen! Das Mädchen fletschte die Zähne und setzte ein wildes Grinsen auf. Wie ein Haifisch, der sich auf seine Beute warf, ging es zum Angriff über. Es blieb nur noch wenig Zeit, bis die Weise das Portal schließen würde, und es wollte keinen einzigen der Dämonen am Leben lassen.​
»Los geeeht's!«, brüllte die Heldin und verpasste ihrem Gegner einen kritischen Treffer.​


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Edward Teach

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Kapitel 63
Ein Sommernachtstraum.


»Dann bitte ich die zwei jetzt um ihr Gelübde.«​
Die Ältesten der Elfen, die trotz ihres hohen Alters noch immer jung aussahen, wandten sich den erhöhten Sitzplätzen zu und senkten dann respektvoll ihren Kopf. Der Platz, auf dem sich die Elfen und die Abenteurer versammelt hatten, erstrahlte im Licht der Leuchtkäfer und anderer leuchtender Insekten. Vor den Gästen der Hochzeit standen Teller aus Blättern und Becher aus gewaltigen Früchten, die mit verschiedensten Speisen und alkoholischen Getränken gefüllt waren. Die erhöhten Plätze, von denen man auf die versammelten Gäste schauen konnte, befanden sich auf einer großen emporragenden Baumwurzel. Hier saßen die Braut und der Bräutigam, deren Plätze mit Seidenfäden, Blumen, farbigen Flügeln von Schmetterlingen und Libellen geschmückt waren. Die beiden schauten sich verschämt an, bevor der Cousin der Waldläuferin begann, sein Gelübde zu sprechen:​
»Usamja Kithow Thok. Rino Notschin Neie. Inojul Nahow Tshichi Onokach Satawa.«
»Usamja Kithow Thok. Oshiroj Inavto. Iso Thotow. Chiho Onokach Satawa«, sprach darauf die Schwester der elfischen Abenteurerin.​
In der Hoffnung, ihre geröteten Wangen zu verstecken, senkte sie dabei leicht ihren Kopf.​
Als Antwort auf die singend gesprochenen Worte des Brautpaars streckten die Bäume ihre Äste und wackelten leicht mit ihnen. Raschelnd lachte der Wald, raschelnd sang er. Er segnete die gemeinsame Zukunft der beiden.​
»Habt ihr die heiligen Worte des Waldes vernommen?«, fragte der langsam hervortretende Zeremonienmeister die beiden, die darauf glücklich nickten.​
»Ja.«​
»Das haben wir.«​
»Dann antwortet.«​
Der Zeremonienmeister hielt dem Paar einen extra für diesen Tag vorbereiteten Pfeil und Bogen hin. Der Gatte nahm sich den Bogen, während die Braut nach dem Pfeil griff. Mit einer Verbeugung zog sich der Zeremonienmeister zurück und das künftige Ehepaar spannte gemeinsam den Bogen. Sie zielten dabei in den Himmel. Die Äste und Blätter hatten den beiden dafür einen Weg freigegeben und der Nachthimmel glitzerte wie eine mit Juwelen gefüllte Schatzkiste. Wenn die Sterne die Augen der Götter waren, dann war dies der größte Segen, den die Welt der Vier Himmelsrichtungen zu bieten hatte. Die Sehne des Bogens klang wie die Saite einer Harfe, als der Pfeil abgeschossen wurde. Er flog hoch in den Nachthimmel und fiel ungesehen an einem anderen Ort herab. Dort, wo er aufschlug, würde ein neuer Baum entstehen. Er würde wachsen und zu einem neuen Bewohner des Waldes werden.​
»Damit ist das Gelübde vollzogen!«, verkündete der Zeremonienmeister.​
Das Heiratsversprechen wurde von den Elfen, dem Wald und den Göttern anerkannt und von ihnen gesegnet.​
»Von dem jetzigen Moment wird noch in langer Zeit als „Die Nacht des Mondes und des Regenbogens“ gesprochen werden.«​
Gemeinsam hoben die anwesenden Elfen ihre Stimme:​
»Die Liebe ist der Plan. Der Plan ist der Tod. Auch wenn die Maid auf den Ritter wartet, stürzt er irgendwann in die Schlucht des Todes. Selbst ein Prinz, der mit einem Drachen befreundet ist, findet irgendwann den Tod und lässt seine Geliebte zurück. Auch ein Söldner, der die Heilige in seinen Träumen begehrt, wird den Tod auf dem Schlachtfeld finden. Sogar ein König, der sich in die Dienerin eines Schreins verliebt, wird sich irgendwann von ihr verabschieden müssen. Doch der Vorhang der Geschichte eines Helden fällt nicht mit seinem Tod, nur sein Leben findet dort ein Ende. Zuneigung, Liebe, Leben und Tod -- vor all diesen Dingen kann man nicht fliehen. Doch sollte man sich vor ihnen fürchten? Die Liebe ist der Plan. Der Plan ist der Tod.«​
Begleitet von Harfen und Trommeln sangen die Waldbewohner nun Lieder. Elfen waren für ihre Freude an der Musik und anderen unterhaltenden Künsten bekannt. Schließlich wäre ihr langes Leben ohne ebenjene viel zu eintönig. Wenn der Verstand älter und man selbst einsichtiger wurde, gab es umso mehr Gründe, um Jubiläen zu feiern. Selbst die Hochzeit einiger junger Leute war deswegen ein großes Fest, um die Anzahl der ereignislosen Tage zu verringern. Doch die heutige Nacht war für alle Elfen besonders. Sie war es jetzt und sie würde es auch in 100 Jahren noch sein.​
»Und was habt ihr getan, als ihr in die Falle der Goblins getappt seid?«​
»Hm ... Ich und das Langohr ... nein, ich meine natürlich die junge Prinzessin ... Wir haben die Löcher, aus denen Gift kam ... «​
»Das Augenmonster, von dem ihr erzählt habt, muss wirklich grässlich gewesen sein.«​
»Hm, nein ... Wie soll ich es sagen? Nun ja ... Es hatte einen seltsamen, verstörenden Schrei.«​
»Es tut mir leid, dass unsere Prinzessin euch so viel Ärger macht ... «​
»A... Ach ... Wer hätte gedacht, dass ihr das versteht ... «​
Selbst der Zwerg war von jungen Elfen, die selbstverständlich viel älter als er waren, umzingelt. Sie wussten natürlich, dass ihre Vorfahren nicht gut auf sein Volk zu sprechen waren, aber da sie noch nie einen von ihnen gesehen hatten, waren sie neugierig. Zudem war er auch noch ein Abenteurer! Der Schamane erzählte den Jünglingen von den Abenteuern, auf denen er gewesen war, aber er kam dabei immer wieder ins Stottern. Da der Wein der Elfen aber viel zu schwach war, konnte es nicht an ihm liegen. Nach einer Weile hob der Zwerg deshalb die Hand und rief dem Echsenmenschen zu:​
»Hey, Schuppiger! Könntest du mir mal kurz helfen?«​
Der Mönch ignorierte jedoch den Ruf seines Kameraden und fraß stattdessen lieber weiter. Mit einem Happs verspeiste er einen Teller gekochter Insekten und spülte sie mit einem ordentlichen Schluck Traubenwein herunter. Anschließend fiel er über ein paar Früchte her. Mehrere Hausfrauen bewunderten den Echsenmenschen dabei, wie er fröhlich vor sich hin fraß.​
»Was denn? Ich bin kein Pflanzenfresser, sondern verschlinge alles ...«​
Nachdem er seinem Publikum dies mitgeteilt hatte, wandte er sich schlussendlich doch seinem Kameraden zu.​
»Was ist denn los, werter Magiewirker?«​
»Ich kann mich um die hier unmöglich allein kümmern!«​
»Mal sehen.«​
Schwerfällig erhob sich der Echsenmensch und ging hinüber zum Zwerg und den jungen Elfen. Mit einem Poltern setzte er sich in ihren Kreis.​
»Nun gut, soll ich euch werten Elfen vielleicht die Geschichte eines mächtigen Artgenossen erzählen? Die der Schwarzen Schuppe?«​
»Oh, ich kenne ihn! Ich habe ihn schon mal getroffen.«​
Eine etwas ältere Elfe hob ihren Arm, worauf der Mönch übertrieben die Augen verdrehte.​
»Ha ha ha, dann können wir uns ja einen Spaß aus den Unterschieden zwischen der Realität und den Legenden machen! Es war an dem Tag, als der erste Tropfen vom Blatt fiel. Er kündigte die Regenzeit an und es war zu diesem Zeitpunkt, dass der König der roten Wolken, Jigagei Urogilv, und Mahka Wahta, der weiße Wind, sich trafen. Nachdem das Ei des Prinzen bereits gelegt war, legte die Konkubine Hehaka Saba, das schwarze Reh, ein weiteres und obwohl es zerschlagen werden sollte, entkam es diesem Schicksal. Mit schattigen Schuppen spuckte das daraus geborene Kind blaues Feuer und tötete seine Drachenbrüder, nur um später die Kehle des Dämonenfürsten zu zerbeißen. Sein Name lautete Ehena Unor, der Rufer des Sturms.«​
Der kehlige Gesang, in dem der Echsenmensch die Geschichte erzählte, ließ die Elfen freudig ihre Ohren aufstellen. Selbst das frisch verheiratete Ehepaar lauschte den Worten des Mönchs, wobei der Gatte die Hand seiner Braut fest umschlossen hielt. Die Schwester der Waldläuferin war deshalb auch ganz rot im Gesicht.​
»Meine Schwester scheint sich deswegen wirklich zu schämen<<, sagte die Abenteurerin und lachte laut.​
Ihr zarter Körper war in ein glänzend weißes und leicht transparentes Kleid gehüllt. Wahrscheinlich war es aus Seide, denn die Elfen waren Experten im Umgang mit Insekten. Während sie immer wieder an ihrem Traubenwein nippte, sah die Waldläuferin aus, als wäre sie bester Laune. Bei ihrem Anblick dachte Goblin Slayer an das Wort „Mauerblümchen“ und dass man seine Kameradin gerade wohl nicht mit diesem Begriff beschreiben konnte.​
»Möchtest du nicht lieber zu ihnen gehen?«, fragte er sie.​
»Hm?«​
Nachdem die Gruppe von der Festung zurückgekehrt war, war die Elfe meckernd auf die Ältesten losgegangen - schließlich hatten sie ihnen nie etwas von dem Gebäude erzählt - doch jetzt war ihre Wut vollkommen verflogen. Ihr Kopf war bereits von dem ganzen Traubenwein gerötet.​
»Das hier ist doch deine Heimat ... «​
»Ach, schon gut. Mach dir keinen Kopf.« Ob die Waldläuferin wohl verstanden hatte, worauf der Krieger hinauswollte? Sie gönnte sich noch einen Schluck Wein, bevor sie mit der Hand winkte.​
»Um es im Zeitgefühl von euch Menschen zu sagen: Für sie wird es sein, als ob ich nach zwei, drei Tagen wieder zurückkomme.«​
»Ist das so?«​
»Meine Schwester meinte auch, dass sie mir einen Brief schreiben wird, wenn alles wieder etwas ruhiger ist. Jetzt will ich die beiden erst mal nicht stören.«​
In diesem Moment erinnerte sich die Elfe, dass sie auch schon einmal mitbekommen hatte, wie Goblin Slayer einen Brief geschrieben hatte. »Willst du nicht auch mal wieder einen Brief schreiben? Du bist noch nicht in deine Heimat zurückgekehrt, oder?«​
»Ich glaube nicht, dass ihn jemand dort lesen würde.«​
Seine Worte klangen fast, als würde er lachen.​
»Ich war nichts weiter als ein missratener kleiner Bruder ... «​
»Meinst du?«​
Die Waldläuferin zog eine Augenbraue hoch.​
Dann begann sie, mit einem Finger Kreise in die Luft zu malen. +»Schlägst du dich nicht ganz gut? Du bist doch sogar schon auf dem Silber-Rang.«​
»Ach so ...«​
Goblin Slayer nickte.​
»So ist das also ·.«​
»Mensch, Orcbolg. Kannst du nicht auch mal was anderes als​
»Ach so, Ist das so?und so sagen?«​
Mit einem Kichern entfernte sich die Elfe von Goblin Slayer.​
»Gehst du?«​
»Mädchen haben eben auch ihre ganz eigene Art, wie sie Spaß haben können.«​
»Du...«, murmelte Goblin Slayer leise mit tiefer Stimme. Die Elfe wollte eigentlich an Goblin Slayers Seite zurückkehren, doch entschied sich, sich vorher anzuhören, was er zu sagen hatte. Nach einer Weile hatte der Krieger endlich die passenden Worte gefunden:​
»Ich bin froh, dass deine Schwester heiraten konnte.«​
Auch wenn es eine komische Aussage war, wusste die Elfe, wie sie sie zu verstehen hatte. Es war eine ehrlich gemeinte Gratulation.​
»Danke ...«​
Doch aus irgendeinem Grund war sie der Elfe peinlich. Mit schnellem Schritt gesellte sie sich zurück zu den anderen Feiernden. Niemals hätte sie gedacht, dass Orcbolg so etwas sagen würde. Schnurstracks ging sie zum anderen weiblichen Mitglied ihrer Abenteurergruppe und klammerte sich an einen ihrer dünnen Arme.​
»Oh ...«, rief die Priesterin, die sich geistesabwesend an eine Wand gelehnt hatte.​
Die Elfen hatten ihr auch ein Kleid angeboten, aber sie hatte sich entschieden, in ihrer Priesterkleidung zu bleiben.​
»Mensch, was ist denn mit dir los? Bist du nicht gut drauf?«​
»Nein ...«​
Die Priesterin schaute kurz zu Boden.​
»So ist es nicht.«​
»Jetzt lüge doch nicht.«​
»Ah!«​
Die Elfe schnipste der Priesterin vor die Nase.​
»Komm schon! Versuch mal, über etwas mit mir zu reden! Vielleicht muntert es dich auf!«​
»Ähm ...«​
Die junge Abenteurerin griff sich an die schmerzende Nase und blinzelte mehrfach.​
»Dann verrate mir bitte, was die Gelübde bedeuteten.«​
»Ach, nichts Besonderes. Sie haben sich einfach nur versprochen, dass sie für immer zusammenbleiben werden.​
»Ich schwöre, dass ich als Ehefrau dieser Person für immer bei ihr bleiben werde.< >Ich schwöre, dass ich als Gatte dieser Person ewig in ihrer Nähe bleiben werde. Das immer darin ist natürlich wortwörtlich zu verstehen.«​
Die Waldläuferin zog am Ärmel ihrer Kameradin.​
»Willst du nicht ein Gebet für sie sprechen?«​
»Ein Gebet?«​
»Ja. Wir Elfen haben keine wirkliche Verbindung zu deiner Gottheit, aber ... «​
Der Elfe war sich dessen nicht bewusst, aber mit dieser Bitte hatte sie voll ins Schwarze getroffen, denn die Verbindung der Priesterin zu ihrer Göttin war der Grund, warum sie so niedergeschlagen war.​
Hatte sie überhaupt noch ein Recht, zur Erdmutter zu beten?​
Seit ihrer Kindheit hatte sie pausenlos gebetet und beim Kampf gegen die Goblins hatte sie immer an ihrem Glauben festgehalten. Doch beim Kampf auf der Festung hatte sie ihn missbraucht, um ein Wesen direkt zu verletzen. Die Erdmutter hatte sie dafür gescholten, doch auch jetzt bereute die Priesterin ihre Tat nicht. Es war unfair, dass sie dafür Ärger bekommen hatte.​
»Verstanden ... «​
Die Priesterin biss sich so fest auf die Lippen, dass sie etwas Blut schmeckte. Sie zog den Stab fest an sich heran und kniete sich hin. Selbst wenn ich es jetzt vielleicht nicht mehr wert bin, von ihr geliebt zu werden, will ich, dass die Schwester meiner Freundin und ihr Gatte glücklich werden. Das Mädchen wusste, dass es eine selbstsüchtige Bitte war, nichtsdestotrotz begann es zu beten. »Höchst barmherzige Erdmutter, bitte strecke deine Arme aus und schenke uns eine großzügige Ernte ... «​
Die Priesterin spürte überrascht, wie sich ihre Seele erneut mit den Göttern im Himmel verband und sie von einer großen warmen Hand umschlossen wurde. Es war nur ein flüchtiger Moment, aber sie wusste, dass es keine Einbildung war. Sie lächelte und sagte:​
»Das Gebet wurde von der Erdmutter erhört!«​
»Gut. Dann ist für meine Schwester alles geregelt.«​
Die Priesterin wischte sich Tränen aus den Augen.​
»Ja.«​
»Dann komm mit.«​
»Wie? Äh? Was ...«​
Die Elfe schnappte sich den Arm ihrer Kameradin und zog sie mit.​
»W ... Was ist denn los?«​
»Du wirst es gleich verstehen ... Ach, da sind sie ja. Hey, ihr beiden. Hier drüben!«​
Die Priesterin fragte sich, wie die Waldläuferin die beiden in all dem Treiben gefunden hatte, doch ihr Blick fiel auf die Gilden Angestellte und die Kuhhirtin. Beide hatten sich für diesen Abend hübsch gemacht. Sie waren in dünne Kleider gehüllt, die dem der elfischen Abenteurerin ähnelten, allerdings füllten ihre kurvigen Körper diese ganz anders aus. Die Elfe hoffte darauf, dass sie in ein paar 100 Jahren einen Körper wie ihre Schwester haben würde. Nein, sie setzte darauf.​
»Ich war noch nie auf so einer Feier. Ich bin ganz aufgeregt ·.«​
»Man muss sich einfach nur würdevoll verhalten.«​
Während die Kuhhirtin sich verlegen an der Wange kratzte, war die Gilden Angestellte ganz ruhig. Als würde sie sagen wollen, dass das Mädchen vom Hof sich nicht für seinen Körper schämen musste, hob sie ihren Becher zum Anstoßen.​
»Huch. Du scheinst ja an so was gewöhnt zu sein«, meinte die Elfe überrascht zur Beamtin.​
»Ha ha ha, ich habe das alles von meiner Familie gelernt. Und als Beamtin muss ich wissen, wie man sich in jeglicher Situation zu verhalten hat.«​
»Hmpf«, brummte die Waldläuferin und griff nach den Händen der Gilden Angestellten und der Kuhhirtin.​
»Wie dem auch sei, lasst uns nach vorne gehen.«​
Sie zerrte die beiden mit der Priesterin in Richtung der erhöhten Plätze.​
»Was passiert jetzt?«​
»Mit den Männern hat das nichts ... doch, irgendwie hat es etwas mit ihnen zu tun, aber das werdet ihr schon gleich merken ... «​
Verwirrt schaute die Kuhhirtin sich um und erkannte, dass die anderen jungen, weiblichen Elfen auch nach vorne strömten. Als Mensch konnte sie natürlich nicht einschätzen, wie alt diese waren, aber sie wirkten nicht älter als die Waldläuferin.​
»Ach«, rief die Gilden Angestellte .​
»Kommt jetzt etwa das Geschenk der Braut?«​
»Davon habe ich schon einmal gehört«, sagte die Priesterin, während sie ihre Kleidung richtete, die vom Ziehen ganz durcheinander war.​
»Es heißt, die Person, die es fängt, heiratet als Nächstes, nicht wahr? Ich habe bereits einmal bei einer Zeremonie ausgeholfen.«​
»Solche Gebräuche gibt es wohl überall, was?«, entgegnete die Elfe und wackelte mit den Ohren.​
»Wenn man die Chance hat, es zu fangen, sollte man sie sich nicht entgehen lassen, oder?«​
»Ach ...«​
Die Kuhhirtin kniff ihre Augen beim Anblick der glücklichen Braut ein wenig zusammen. Um sie herum standen die Elfenmädchen, die mit glitzerndem Blick darauf warteten, dass es losging. Eine Hochzeit ... So fern und doch so nah ... Der Blick des Mädchens vom Hof fiel auf seinen Kindheitsfreund, der dem Treiben aus einiger Entfernung zuschaute. Es musste kichern und spürte, wie sein Herz schneller schlug. Dann blickte es zu der Gilden Angestellten, der es anscheinend gerade ähnlich wie ihm ging.​
Weil die Priesterin neugierig wirkte, aber sich zurückhielt, verpasste die Kuhhirtin ihr einen Schubs. Das hatte zur Folge, dass sie nach vorne tapste und dann auch Goblin Slayer erblickte. Sie winkte ihm zu.​
»In solchen Momenten muss man sich nicht zurückhalten«, ermahnte die Kindheitsfreundin des Kriegers sie.​
»Äh, j ... ja ... «, gab sie zurück.​
In diesem Moment stand die Waldprinzessin ... nein, die Frau auf, die zur Herrscherin des Waldes geworden war.​
»Die Liebe ist der Plan. Der Plan ist der Tod«, rief sie in leicht singendem Ton.​
Während ihr Gatte ihr die Hand hielt, nahm sie langsam die Blumenkrone aus ihrem Haar. Sie hielt sie an ihre üppige Brust und küsste sie im Anschluss.​
»Und somit gehen die Liebe und die Zuneigung zur nächsten Maid über, deren Schicksal wiederum der Tod ist!«​
Sie warf die Krone, die, getragen vom nächtlichen Wind, weit flog und dann herabsank. Ein Mädchen fing sie und jubelte auf.​
***
Nachdem sie sich drei Tage und drei Nächte lang vergnügt hatten, kehrten sie in die Stadt im Grenzland zurück. Da die Elfe auch bis lange danach kein Brief erreichte, wurde wohl noch immer gefeiert.​


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Edward Teach

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Prelude VII
Einst blühte dort die Jugend, aber nun bleib nur noch Asche.




Auf der neunten Ebene des Labyrinths lebten zwei Dämonen, die eine Kälte beschworen, welche den Raum in eine Eiskammer verwandelte. Sie waren riesig, hatten dunkelblaue Haut und waren dazu imstande, mächtige Magie zu wirken. Die junge Bischöfin biss sich auf die Lippen, um einen Schmerzensschrei zu unterdrücken. Der Schneesturm schnitt in ihre Haut und während ihre Zähne wegen der Kälte klapperten, kämpfte sie darum, auf den Beinen zu bleiben.​
»Hah!«​
»OUURGGGRERRR?!«​
Mit einem niedlichen Schrei ließ sie ihr Waagenschwert durch die Luft sausen und schlug damit dem Nachtpirscher, der ihr durch das Schneetreiben gefolgt war, den Schädel ein. Das Wesen, ein Vampir mit Bewusstsein, fiel tot zu Boden. Die Bischöfin, deren Augen verbunden waren, schüttelte sich, um einige seiner Knochensplitter und Hirnfetzen von ihrer Kleidung zu entfernen. Die Kriegerin drehte sich zu ihr um und sagte:​
»Tut mir leid. Ich habe wohl einen durchkommen lassen!«​
»Alles in Ordnung!«, antwortete die Bischöfin.​
Solche einfachen Gegner stellten keine Gefahr für sie dar. Sie ließ ihren Blick über ihre Kameraden schweifen. Die Kriegerin hatte gerade einen schwarzen Schatten, der an einen schleichenden Dieb erinnerte, durchbohrt. Der Schwertkämpfer mit seiner fernöstlichen Waffe stand den beiden Dämonen gegenüber und wurde dabei von dem Halbelf Späher und dem Myrmidon Mönch flankiert. An der Seite der Bischöfin stand die Magierin, die auf den richtigen Zeitpunkt für einen Zauber zu warten schien. Sie alle waren dem Schnee und dem Hagel ausgesetzt und nahmen durchgängig Schaden. Dies musste unterbunden werden.​
»Meister des Schwertes, beschütze uns, um zu sehen, was erblickt werden muss, und zu sagen, was berichtet werden muss!«​
Ausgehend vom Waagenschwert erschien ein Insigne aus Licht. Daraus entstand ein Schutzwall, der zwar vor dem Schnee und dem Hagel zu schützen vermochte, aber nichts gegen die klirrende Kälte tat.​
»Meine Freunde, ich werde euch heilen...«​
»Nein, vorher müssen wir die Magie der Gegner versiegeln!«​
Ein weiterer Angriff von ihnen wäre äußerst gefährlich!«, rief die zitternde Magierin laut. Sie beobachtete aufmerksam das Kampfgeschehen und gab wie immer Befehle. Schon mehrmals hatte sie mit diesem Verhalten die Haut der Gruppe gerettet.​
»Ja!«​
Während die Bischöfin das Waagenschwert in die Höhe hielt, begann der Mönch damit, die Symbole eines Fluches mit seinen Händen zu formen.​
»Dann lass es uns gemeinsam tun! Auch wenn es Dämonen sind, werden wir ihre Zauber versiegeln!«​
»Jawohl!«​
Der Mönch war der erfahrenste Abenteurer der Gruppe und zu so etwas wie dem Lehrmeister der Bischöfin geworden. Sie ließ ihren Schmerz und ihre Anspannung tief in ihrem Herzen verschwinden und begann - so wie auch der Mönch - ein Gebet zu ihren Göttern zu sprechen.​
»Oh, mein Gott des umherwandernden Windes! Sorge bitte dafür, dass unsere Unterhaltung auf dem Weg geheim bleibt!«​
»Schenke uns das Licht der Verschwiegenheit!«​
Die beiden hatten Stille gewirkt und so dafür gesorgt, dass eine unsichtbare Kraft den Raum erfüllte.​
Die beiden Dämonen setzten ein dreckiges Grinsen auf. Diese Abenteurer waren nicht anders als alle anderen. Sie dachten, dass sie die beiden mit einfachen Zaubern daran hindern könnten, Magie zu wirken. Dabei vergaßen sie aber, dass sie mit dem Bösen im Bunde und durch teuflische Magie miteinander verbunden waren. Sie würden die Verzweiflung der Abenteurer genießen, wenn sie noch mehr Schnee und Hagel auf sie herabfallen ließen. Die Männer würden wahrscheinlich gerade so überleben und eine gute Mahlzeit abgeben. Die Kriegerin vielleicht auch. Die beiden Magiewirkerinnen würden das Zeitliche segnen, doch auch für totes Fleisch hatten sie Verwendung.​
»... ?!«​
Die beiden Dämonen rissen ihre Mäuler auf und bemerkten, dass sie nicht sprechen konnten. Unsere Magie wurde versiegelt?! Was haben dieses Insekt und der Mensch getan?!​
»Jetzt haben wir euch!!«​
Als er das Zögern der Dämonen bemerkte, ergriff der Späher die Chance. Mit gezücktem Kurzschwert schoss er zwischen den Beinen der beiden hindurch und stieß immer wieder zu. So sorgte er dafür, dass die beiden riesigen Gestalten schwerfällig umfielen. Er hatte ihre Sehnen durchtrennt.​
»Ihr seid zu langsam!«, schrie die Kriegerin und ging ebenfalls in die Offensive.​
Mit ihrem Speer durchbohrte sie das Herz eines Dämons.​
»...?! …?!«​
»Ha ha ha! Versteht ihr etwa nicht, was ich gesagt habe?«​
Lachend machte die Kriegerin einen Satz nach hinten und verhinderte so, dass sie von dem dunkelblauen Blut des Gegners getroffen wurde. Um den anderen Dämon kümmerte sich ihr Anführer. Blitzschnell verkürzte er die Distanz zwischen sich und dem verbliebenen Gegner. In einer fließenden Bewegung führte er erst einen Aufwärts- und dann einen Abwärtshieb aus. So flog erst der eine, dann der andere Arm des Dämons durch die Luft.​
»...?!«​
Blutverschmiert riss der Dämon sein Maul auf, doch noch immer kam kein Laut über seine Lippen. Zumindest schien es so, doch mit ihrem ausgezeichneten Gehör verstand die Bischöfin, was ihr Gegner sagen wollte.​
»Er will Kameraden rufen!«​
Der Insektenmensch-Mönch klackte mit seinen Maulscheren und fragte:​
»Was machen wir? Eigentlich wollen wir sie doch alle erledigen. Sollen wir sie einfach kommen lassen?«​
»Wir sollten erst einmal den hier erledigen!«, antwortete der Halbelf.​
Der Anführer gab ein kurzes Zeichen und stimmte damit dem Späher zu. Alle wussten sofort, was sie zu tun hatten.​
»Dann unterstütze mich bitte!«​
»Jawohl!«​
Die Magierin schwang ihren Zauberstab, während die Bischöfin weiterhin das Waagenschwert in die Luft hielt. Der Anführer setzte dazu an, Symbole mit einer Hand zu formen.​
»Ventus!« »Lumen!« »Libero!«​
Ein Wirbelsturm begleitet von Licht und Hitze tobte durch den Raum und sorgte dafür, dass der Schnee verschwand. Gegen diese Attacke konnte kein Lebewesen - bis auf einen Drachen vielleicht - etwas ausrichten. Der Dämon, der sie direkt abbekam, verschwand im Nichts. Im Raum blieb bis auf die Abenteurer nur eine Schatztruhe übrig. Der Schwertkämpfer, der die Gruppe anführte, schüttelte das Blut von seiner Waffe und steckte sie in ihre Scheide.​
»Das waren also Dämonen ..., sagte der Späher und wandte sich der Schatztruhe zu.​
»Wenn sie keine Magie wirken können, sind sie wirklich nichts Besonderes«, gab die Kriegerin zurück.​
Auch wenn die Gruppe die Kammer von Feinden befreit hatte, hieß das nicht, dass alle Gegner aus dem Labyrinth verschwunden waren. Deshalb war der Anführer noch immer auf der Hut.​
»Wie weit sind wir denn gekommen? Ich würde gerne mal die Karte sehen«, fragte die Magierin.​
»Ähm, ja. Meine Karte ist erst halb fertig ... Einen Moment bitte ...«, antwortete die Bischöfin und wühlte in ihrer Tasche. Sie holte ein Bündel aus Pergamentpapier mit Kästchen Muster hervor. Mit einem Stift begann sie, Kästchen miteinander zu verbinden, und fügte so einen neuen Raum zu ihrer Karte hinzu. Sie liebte es, solche Dinge zu zeichnen, auch wenn sie nicht behaupten konnte, sonderlich gut darin zu sein.​
»Zwei breit und zwei lang ...«​
»Vielleicht gibt es Geheimtüren. Wir sollten später nachschauen«, murmelte der Mönch.​
»Ja. Ich bereite Heiliges Licht vor ...«, gab die Bischöfin zurück und hielt dann der Magierin die Karte hin.​
»Bitte. Ich glaube, wir sind bis zur Mitte der neunten Ebene vorgedrungen.« »Danke.«​
Die Magierin nahm die Karte mit einem Lächeln entgegen und ging zum Anführer, der gerade die Klinge seines Schwertes untersuchte. Als die Magierin ihm wie ein kleines Mädchen die Karte zeigte, seufzte er, was sie wiederum schmollen und die Bischöfin lächeln ließ. Sie alle waren im Hack and Slash erfahrene Abenteurer, die es bis zur neunten Ebene geschafft hatten.​
»Dennoch ...«​
Die Bischöfin schaute sich vorsichtig um und stieß dann einen tiefen Seufzer aus. Sie strich sich über ihren Busen, der damals noch nicht so üppig war.​
»... bin ich froh, dass es keine Goblins waren.«​
Ihre Worte waren nichts weiter als ein leises Flüstern. Sie versanken ungehört in den Tiefen des Labyrinths.​

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Kapitel 64

Bartschneider begibt sich zum Meer im Süden


»Uwah ... Prft?!«​
Rauschend schoss Wasser in die Höhe und durchnässte die Priesterin auf dem Bootsdeck. Das Salzwasser brannte in ihren Augen und sie kniete sich hinter das Schanzkleid, um nicht von einer Welle erwischt zu werden. Dabei rutschte sie aus und drohte hart auf Deck dem Deck des Bootes aufzuschlagen.​
»Alles in Ordnung?«, fragte ein Mann mit groben Lederhandschuhen, der sie auffing.​
Seine Stiefel knirschten dabei auf dem nassen Holz.​
»Äh, ja ...«​
»Du trägst doch ein Kettenhemd, oder?«​
Ein billiger Eisenhelm und eine dreckige Lederrüstung. Um den Arm war ein kleiner Rundschild gebunden und an der Hüfte hing ein mittellanges Schwert. »Wenn du stürzt, könntest du wegen ihm ertrinken. Sorge dafür, dass du stehen bleibst.«​
»Ja ...«​
Als Antwort auf Goblin Slayers Worte nickte die Priesterin und hielt sich an einem Tau fest, das an dem Schanzkleid befestigt war. Es stürmte und das Meer griff das Boot mit seinen wilden Wellen an. Regentropfen hagelten auf die Abenteurer herab und der Wind schnitt ihnen scharf in die Haut. Inmitten des Sturms bewegte sich ein großes Wesen im Wasser vor dem Boot.​
»MMUUUUUANNDDDAAAAA!!«​
Es hatte goldene Schuppen und scharfe Reißzähne. Es war eine Meeresschlange. Ein Wesen des Chaos, ein ungläubiger Charakter.​
»Hey, Orcbolg! Was jetzt?!«​
Für die Hochelfe war das schwankende Boot nicht viel mehr Herausforderung als ein im Wind wankender Baum. Mit übermenschlicher Beweglichkeit und Geschick sprang sie auf dem Deck hin und her und feuerte dabei Pfeile ab. Fast schon magisch flogen ihre Geschosse mit Spitzen aus Knospen auf die Meeresbestie zu, allerdings rutschten sie immer wieder von ihrer schleimigen Haut ab.​
»Ich hab echt kein Glück! Wären Pfeile mit Eisenspitzen vielleicht besser?«​
»Was ist mit deinem Stolz als Elfe? Hör auf zu meckern und schieß einfach!«​
»Du hast gut reden! Mach doch auch mal was!«​
»Halt die Klappe! Ich denke gerade nach!«​
In der Nähe der Bogenschützin, die wütend ihre langen Ohren aufstellte, stand der Zwerg und klammerte sich an das Schanzkleid. Mit seiner kleinen und stämmigen Figur war er dem Schwanken des Bootes hilflos ausgesetzt. Und überhaupt, was könnte er hier schon mit Zaubern wie Steinhagel oder Furcht anrichten?​
Mit einem „Hmpf“ trat Goblin Slayer eine Harpune, die zu seinen Füßen lag, zum Echsenmenschen herüber und griff sich selbst eine, um sie zu werfen. Sie zischte durch die Luft und bohrte sich durch die Haut der Schlange. Auch wenn Pfeile von ihr abrutschten, war sie nicht dick genug, um stärkere Geschosse abzuwehren. Eine dreckige gelbe Körperflüssigkeit schoss aus der Wunde heraus und vermischte sich mit den Wogen des Meeres, während der Krieger die Bestie fest im Blick behielt. Diese eine Harpune würde sicherlich nicht genug sein, um dieses Wesen des Chaos zu töten.​
»MUUUUUNNND!!«​
Nach einem grellen Schrei biss die Bestie mit ihrem riesigen Maul in den Bug des Bootes und es wurde langsam unter Wasser gezogen. Sollte es in diesem wilden Sturm im Meer versinken, dann würden die Abenteurer sich zu den anderen Toten auf dem Grund gesellen.​
»Wah! Hah! Ah!«​
Während die Priesterin wegen einer Welle wankte, dachte sie verzweifelt nach, was sie machen könnte, und erkannte, dass ihr nichts anderes übrig blieb, als zu beten. Sie fasste fest ihren Stab, beruhigte ihren Geist und sprach:​
»Höchst barmherzige Erdmutter. Bitte beschütze uns Schwache mit deiner Erde.«​
Sie hatte ein Wunder gewirkt und ein heiliges Kraftfeld spannte sich lautlos über das Boot. Die Meeresschlange wich erschrocken zurück.​
»J... Jetzt!«​
»Oh, Mosasaurus, der durch den Strom reiste, schaue mir genau zu!«​
Der Echsenmensch entfesselte seine Kraft. Er stützte sich mit dem Schwanz ab und versenkte seine Krallen in den Planken des Bootes, um dann mit voller Kraft die Harpune zu werfen. Es war kein geschickter Wurf, sondern einer voller roher Kraft. Tief bohrte sich das Geschoss in das Wesen des Chaos.​
»MUANNDDAA ADA?!!«​
Die Meeresschlange brüllte und bäumte sich auf. Dann verschwand sie platschend im Meer und sorgte so dafür, dass eine große Welle über das Boot der Abenteurer schwappte.​
»Mann!«​
Die Elfe schüttelte sich wie ein nasser Hund. Natürlich durften die Abenteurer jetzt nicht unaufmerksam werden, aber sie hatten dafür gesorgt, dass der Gegner sie für eine kurze Zeit in Ruhe lassen würde. Sie mussten sich schnellstens einen Plan überlegen, denn der Biss der Bestie hatte das Boot so beschädigt, dass immer mehr Wasser eindrang.​
»Seid ihr in Ordnung?«, fragte Goblin Slayer und drehte sich der Priesterin und dem Zwerg zu.​
»Irgendwie konnte ich mich festhalten!«, gab das Mädchen zurück.​
»Wenn es so weitergeht, gehen wir aber irgendwann unter!«, antwortete der Zwerg.​
Die Elfe protestierte:​
»Was ist mit mir?«​
»Wie sieht es aus?«​
Der Krieger ignorierte die Bogenschützin und wandte sich dem Mönch zu.​
»Ha ha ha! Uns bleibt so gut wie keine Zeit!« Der Echsenmensch war trotz der misslichen Lage die Ruhe in Person.​
»Selbst eine Ameise kann mit ausreichend Bissen töten. Ich dachte, es wäre ein kritischer Treffer gewesen.«​
»Was machen wir mit der ... Wie nennt man die?«​
»Meeresschlange.«​
»Ach so. Ist das ein Fisch oder eine Schlange?«​
»Es wäre unangenehm, wenn ein Lebewesen, das mit meiner Art entfernt verwandt ist, Arger macht.«​
Der Echsenmensch stützte sich mit seinem Schwanz ab und beugte sich über das Schanzkleid, um sich die Schäden am Schiff genauer anzuschauen. »Die Bissstellen zeigen keinerlei Spuren von Gift. Es wird sich also wohl eher um einen Fisch handeln.«​
»Wenn die Meeresschlange kein Gift verwendet, können wir sie doch auch mit Magie angreifen.«​
Goblin Slayer dachte kurz nach, bevor er sich rutschend und gleitend über das mittlerweile schiefe Schiffsdeck zur Priesterin und zum Zwerg begab.​
»Wie viele Zauber und Wunder habt ihr noch übrig?«​
»Ich habe noch reichlich«, erklärte der Zwerg.​
»Ich habe ... noch ein oder zwei ..., gab die Priesterin zurück.​
»Gut.«​
Goblin Slayer nickte.​
»Wir legen los, wenn der Gegner sich wieder zeigt.«​
Er erklärte kurz seinen Plan, worauf die Priesterin sagte:​
»Ja, überlass das mir!«​
Der Zwerg musterte das durchnässte Mädchen und musste schmunzeln. Dann fügte er hinzu:​
»Ja, wenn ihr euch jetzt nicht auf mich verlassen könntet, wäre das eine große Schande für mich.«​
»Ja, bitte.«​
»Und ich?!«, mischte sich die Elfe ein, die sich ausgeschlossen fühlte.​
»Schieß einen Signalpfeil ab und locke das Viech heraus«, wies der Krieger sie grob an.​
»Mann!«, schimpfte die Elfe, zuckte dann aber mit den Schultern.​
Sie rannte zu dem Echsenmenschen und erklomm geschickt den Mast. Dort wickelte sie ihren Arm in ein Tau, um ihren Halt zu sichern. Sie zog einen Pfeil aus ihrem Köcher und biss fest in die Knospenspitze, um sie zu beschädigen. Dann schoss sie den Pfeil ab, der bei seinem Flug ein Pfeifen erzeugte.​
»Wenn sie auftaucht, wirf die Harpune«, befahl Goblin Slayer.​
»Verstanden. Verstanden. Meine Hände sind schließlich zum Kämpfen da«, antwortete der Echsenmensch mit großer Freude.​
Kurz darauf griff die Meeresschlange erneut an. Sie tauchte so nahe neben dem Boot auf, dass man das Gefühl bekam, sie wolle den Bootsboden zertrümmern.​
»Ah... Mann ...« Weil ihr Hut fast von einer großen Welle, die über das Deck schwappte, fortgespült wurde, hielt die Priesterin ihn mit einer Hand fest. In der anderen befand sich noch immer ihr Stab, den sie direkt darauf in die Höhe riss. Sie rief:​
»Höchst barmherzige Erdmutter. Schenke uns, die durch die Dunkelheit irren, dein heiliges Licht.«​
Das Mädchen wirkte damit sein zweites Wunder und ein grelles Licht ging von seinem Stab aus, welches das Wesen vom Meeresboden schmerzhaft blendete. Es schrie vor Schmerzen laut auf.​
»Hajah! Anscheinend ist das Biest doch nichts weiter als ein großer Aal!«​
Der Echsenmensch warf noch eine Harpune und fügte der Bestie so eine weitere schwere Wunde zu.​
»Los!«, rief Goblin Slayer.​
Mit einem „Ich mach schon!“ zog der Zwerg ein weißes Pulver aus seiner Tasche und warf es nach der Meeresschlange. Sobald das Pulver mit Wasser in Berührung kam, entstanden Blasen und es roch nach Seife.​
»Tanzt, tanzt, Nymphen und Sylphen! Vertauscht Land mit Meer, aber passt auf, dass ihr nicht umkippt!«​
Etwas Seltsames geschah. Die Meeresschlange versuchte abzutauchen, doch sie wurde von der Wasseroberfläche zurückgeschleudert und der Teil ihres Körpers, der bisher unter Wasser gewesen war, hob sich aus diesem heraus.​
»MUAAANNADA?!?!«​
Immer wieder klappte sie ihr Maul auf und zu. Sie schien nicht mehr atmen zu können. Dann begann sie, sich wie wild zu bewegen und zu krümmen. Sie erstickte, denn der Zwerg hatte den Zauber „Begehbares Wasser“ gewirkt.​
»Oje ...«​
Während die Priesterin in Richtung Himmel schaute, zögerte Goblin Slayer nicht, einen weiteren Befehl zu geben.​
»Dem Biest geht gleich die Luft aus! Wenn es aber auf uns zukommt, schieß mit Pfeilen auf seine Augen!«​
»Jaja.«​
Seufzend spannte die Elfe ihren Bogen. Auch wenn sie kein Mitleid mit der Bestie hatte, wollte sie sie nicht unnötig quälen. Als die Sehne bis zum Anschlag gespannt war, ließ sie los und der Pfeil bohrte sich nach kurzem Flug mit voller Wucht durch das Auge in das Hirn der Meeresschlange. Dies war der Todesstoß. Langsam sackte die Bestie auf der Wasseroberfläche zusammen und als die Wirkung des Zaubers nachließ, versank ihre Leiche in den Tiefen des Wassers.​
»Und? Wie war das?«, fragte Goblin Slayer, nachdem er sichergestellt hatte, dass ihr Gegner tot war.​
»Das war weder Feuer noch Wasser noch eine Explosion.«​
»Hmpf ...«​
Die Elfe schnaubte unzufrieden. Für sie war dies kein ordentliches Abenteuer gewesen. Nichtsdestotrotz war nichts explodiert, überschwemmt oder zum Einsturz gebracht worden. Sie wackelte mit den Ohren und fuhr sich dann durch die durchnässten Haare.​
»S... Sechzig Punkte ...«​
»Ist das so?«​
Er nickte.​
»Ach so ...«​
»Was denn? Bist du damit unzufrieden?«​
»Nein.«​
Goblin Slayer schüttelte den Kopf.​
»Ich habe nur gedacht, wie schön es wäre, wenn Goblins so einfach zu besiegen wären.«​
Die Priesterin musste über ihren Kameraden kichern. Er war wie immer ein komischer Kauz. Dann begann sie damit, ihre durchnässte Kleidung ein wenig auszuwringen. Es muss wohl sein Einfluss sein, aber auch ich habe mir gedacht, dass es einfacher als gegen Goblins war. Sie fragte sich kurz, ob sie sich deshalb Gedanken machen müsste, doch schüttelte dann ihren Kopf. Sie alle lebten und der Auftrag war abgeschlossen. Das war es, was jetzt wichtig war.​
»Nun gut. Wir müssen schnell das Boot flicken. Es ist zwar nicht besonders weit bis zum Land, aber nicht dass wir noch schwimmen müssen, oder?«, warf der Zwerg in die Runde.​
»Das ist eine Aufgabe für einen Zwerg, gab die Elfe zurück.​
»Du kannst ruhig mithelfen. Ein Amboss wie du versinkt doch sofort.«​
Vor Wut kreischend stellte die Waldläuferin ihre Ohren auf, doch der Zwerg ignorierte das. Er setzte stattdessen das Segel des Bootes und griff sich eine Ecke des Materials. Dann befeuchtete er mit seiner Zunge einen Finger und hielt ihn in den Wind.​
»Sylphen, Sylphen, gebt mir einen Kuss, damit unser Schiff sicher segeln kann.«​
Der gewirkte Zauber blähte das Segel auf und die Priesterin musste erneut ihren Hut festhalten, damit er nicht weggeweht wurde. Während das Boot der Abenteurer in Richtung Küste segelte, verzog sich der Sturm und der Himmel klarte auf. Es war Herbst.​
Die Priesterin atmete erleichtert auf. Sie war es gewesen, die ihre Kameraden vor einigen Stunden dazu aufgefordert hatte, in diesen Kampf zu ziehen, aber in einigen Momenten war sie sich nicht sicher gewesen, wie er ausgehen würde.​
***

»Ein Goblin?«​
»Nein! Das ist Diskrimination!«​
Die Frau vom Volk der Innsmouth schüttelte wütend ihre Hand, die die Form einer Flosse hatte. Weil ihr Mund halb unter Wasser war, wurde ihre schrille Stimme von einem blubbernden Geräusch begleitet.​
»Es ist gemein, dass ihr Menschen uns immer als Halbfische bezeichnet! Was soll das überhaupt sein?!«, rief ein männlicher Innsmouth.​
»Wir sind überhaupt nichts Halbes! Wir sind perfekt, wie wir sind!«, fügte die Frau wütend hinzu.​
Goblin Slayer hörte den beiden zu und dachte dabei darüber nach, warum diese Wesen Innsmouth genannt wurden. Er hatte gehört, dass sie mit den Wesen der Tiefe in Kontakt standen, aber er wusste nicht, ob das stimmte. Eigentlich war es ihm auch egal. Sie waren schließlich keine Goblins.​
»Wir haben gehört, dass Meeres Goblins Fischgebiete angegriffen hätten«, sagte er.​
»Wie gesagt, das ist Diskrimination!«​
»Ist das so?«​
Die Abenteurer befanden sich tief in einer Höhle. Dort streckten die beiden Innsmouth ihre Köpfe aus einem Flecken Wasser heraus, der mit dem Meer verbunden war. Mit ihren aufgeblähten runden Augen und ihren sich ständig öffnenden und schließenden Mündern sahen sie tatsächlich etwas unheimlich aus. Es war schwer zu erkennen, was sie dachten, aber sie hatten Waffen dabei. Ihre Dreizacke lugten wie ihre Köpfe aus dem Wasser hervor.​
S ... Sind wir etwa in Gefahr?, fragte sich die Priesterin, die die Unterhaltung aus sicherer Distanz verfolgte.​
Es war vollkommen nachvollziehbar, warum das Mädchen so dachte. Die Gruppe der Abenteurer war in eine Höhle eingedrungen, um Goblins zu vertreiben, aber dann an ihrem tiefsten Punkt diesen Wesen begegnet. Und jetzt bezichtigte eins von ihnen sie der Diskriminierung. Die Priesterin hatte bereits einmal davon gehört, dass es menschliche Fürsten gab, die höhere Steuern von Elfen oder Zwergen verlangten, weil sie diese hassten, aber persönlich hatte sie so etwas noch nie mitbekommen. Nun ja ... Die meisten Priesterinnen haben aber auch nichts mit dem Vertreiben von Goblins zu tun ... Plötzlich bemerkte das Mädchen, dass sich seine Kameraden schützend um es herum positionierten.​
»M... Moment mal, Orcbolg! Bitte provoziere sie nicht noch!«​
»So ist es, Bartschneider! Die Elfe macht sich noch ins Hemd! Sie hat nämlich genauso wenig Mumm wie Vorbau!«​
»...!«​
Die Elfe wollte dem Zwerg eigentlich etwas erwidern, doch riss sich dann am Riemen und beließ es bei einem Stoß in seine Seite. Sie hatte verstanden, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt zum Streiten war.​
»Nennt uns zumindest Homo Pisces!«​
»Oho, Piscezianer!«, rief der Echsenmensch.​
»Ihr habt als Fische also Lungen entwickelt und seid so ans Land gekommen?«​
»Was für ein Barbar!«​
»Wir sind Nachfahren des großen Oktopus Gottes, der aus dem Sternenmeer herabgestiegen kam!«​
Nachdem die beiden Innsmouth geantwortet hatten, flüsterten die Abenteurer kurz miteinander.​
»Eines Oktopusses?«​
»Vielleicht war es auch ein Tintenfisch.«​
»Wer weiß? Sie werden schlau genug sein, um einen getrockneten Tintenfisch von einer Leiche ihrer Vorfahren unterscheiden zu können ...«​
Der Echsenmensch nickte und wandte sich dann wieder den Innsmouth zu. Er sagte:​
»Dann lasst mich eine Frage stellen. Seid ihr der Grund, warum die Fische verschwunden sind?«​
»Natürlich nicht! Wieso sollten wir so etwas tun?!«, rief die Innsmouth Frau und schlug mehrfach mit ihrer flossen artigen Hand auf die Wasseroberfläche.​
Die Priesterin bekam einige Wasserspritzer ab, doch störte sich nicht daran. Stattdessen entgegnete sie:​
»Wissen Sie denn vielleicht, was der Grund dafür sein könnte?«​
»Das liegt doch auf der Hand! Mann, ich kann euch Landeier wirklich nicht leiden!«​
»Hm ...«​
Mit einem Finger an den Lippen dachte die Priesterin nach. Auch wenn die Innsmouth nicht schuld an dem Verschwinden der Fische waren, konnten sie das Problem nicht ungeklärt lassen. Schließlich könnten die Dorfbewohner und die Innsmouth sich sonst irgendwann bekämpfen.​
»Wir würden gerne dabei helfen, das Missverständnis aus der Welt zu schaffen.«​
»Wirklich? Du bist aber ein liebes Mädchen«, antwortete die Innsmouth Frau.​
»Der Grund für das Verschwinden der Fische ist eine Meeresschlange.«​
»Eine Meeresschlange?«, rief der Zwerg instinktiv.​
»Ich dachte, dass es die Biester in dieser Gegend nicht gibt!«​
»Wieso das?«, fragte die Elfe neugierig.​
»Nun ja ... Man begegnet ihnen normalerweise nur auf hoher See, wo sie Schiffe angreifen und versenken. Allerdings hört man nur selten von ihnen, weil die wenigsten eine Begegnung mit einer solchen Bestie überleben.«​
»Jemand muss sie hierher beordert haben. Es ist schrecklich, wie sehr die Bewegungen der Sterne in Unordnung geraten sind.«​
»Ach was ...«, sagte Goblin Slayer und nickte.​
»Es geht nicht um Goblins. Wollen wir also zurück?«​
Die Frage des Kriegers wurde mit einem kollektiven Seufzen seiner Kameraden beantwortet. Die Elfe und die Priesterin tauschten einen verzweifelten Blick aus und dachten sich: Der Typ ist echt unverbesserlich.​
»Wir können sie nicht im Stich lassen . . . Dann werden wir eben allein gehen ...«​
»Ja, aber ohne jemanden, der vorne verteidigt, könnte es sehr gefährlich werden ...«​
»Hrmpf ...«​
Tief brummend verschränkte Goblin Slayer die Arme.​
»Reg dich nicht auf, Bartschneider. Kümmer dich nicht darum, was das Langohr so von sich gibt.«​
»Ha ha! Als ob der werte Goblintöter so etwas tun würde!«​
***

»Wie verlief der Auftrag mit den Meeres Goblins?«​
»Es waren keine Goblins.«​
»Sie wussten es wohl nicht ...«​
»Es waren keine Goblins.«​
»Ähm, der Auftrag ...«​
»Es waren keine Goblins.«​
»In Ordnung. Dann wird er hiermit aufgehoben.«​
»Weil es keine Goblins waren.«​
Auch heute war die Gilde voller Leben und die Gilden Angestellte wusste nicht so recht, was sie Goblin Slayer antworten sollte. Sie hatte nicht gewusst, dass es sich nicht um einen Goblin Auftrag handelte, denn manchmal kam es vor, dass andere Regionen und Völker andere Wörter für Wesen verwendeten als sie. Sie warf einer Kollegin hilfesuchende Blicke zu, welche von dieser aber schlichtweg ignoriert wurden.​
»U... Und konnten Sie das Problem mit den Meeresgo ... Ich meine, mit den Fischmenschen lösen?«​
Der Gilden Angestellten blieb nichts anderes übrig, als einfach ordentlich ihre Arbeit zu erledigen. Ihr war ein Fehler unterlaufen, doch sie würde ihn wiedergutmachen.​
»Ja.«​
Goblin Slayer nickte kurz.​
»Aber dafür mussten wir irgendeine Meeresbestie besiegen.«​
»Dürfte ich mehr darüber erfahren?«​
»Sie war lang, sagte er und fügte nach einer Denkpause „Ein Fisch“ hinzu.​
Die Gilden Angestellte öffnete das Monsterhandbuch und blätterte es durch. Goblin Slayer sorgte mit seinen ungenauen Beschreibungen immer für mehr Arbeit, doch sie machte sie gern. Die Priesterin, die die beiden aus der Ferne beobachtete, wusste, dass es so war. Sie hob den Ärmel ihres Gewandes und roch an ihm.​
»Ich glaube, ich rieche immer noch nach Salzwasser ...«​
»Du wirst es nicht glauben, aber wir alle stinken danach«, gab die Elfe genervt zurück. Wegen ihrer guten Nase war der Geruch für sie besonders widerlich.​
»Ist es so schlimm für dich?«, erkundigte sich die Priesterin und schnüffelte dann an ihren Haaren.​
»Dabei habe ich mich gewaschen und die Kleidung gewechselt«​
»Den Geruch wird man nicht so einfach los ... Das Ding hier macht es aber auch nicht einfacher ...«​
Die Elfe zeigte auf einen großen Beutel, der auf dem Tisch lag.​
Einzig der Zwerg schien sich nicht an dem Gestank, der davon ausging, zu stören und grinste zufrieden.​
»Diese Fischmenschen waren ganz schön großzügig!«​
In dem Beutel befanden sich schwarze und weiße Perlen, purpurrote Korallen, transparente Schildkrötenpanzer, scharlachrote Spiralmuscheln und ein weißes gedrehtes Horn. Es war die Belohnung, die die Fischmenschen den Abenteurern für den erfolgreich ausgeführten Auftrag überreicht hatten. Es war kein Reichtum, aber eine Weile gut gehen lassen konnte man es sich damit schon.​
»Oh Mann ... Deshalb nennt man euch Zwerge unersättlich ...«​
»Jetzt sei ruhig ... Du Langohr verstehst einfach nicht, was gut ist. Oder, Schuppiger?«​
»Ha ha ha, um als Drache Schätze anhäufen zu können, darf man nicht zu wählerisch sein.«​
Der Echsenmensch hatte seinen Schwanz leicht in die Höhe gehoben, um die Padfoot Kellnerin zu rufen und bei ihr Alkohol und Käse zu bestellen. Dann rollte er vergnügt mit den Augen und zog mit Schwung etwas aus dem Beutel hervor.​
»Für mich wäre das hier der größte Fang.«​
»Wow...«​
Die Priesterin blinzelte überrascht, nachdem ihr Blick auf das Objekt in den Händen des Mönchs gewandert war. Der Gegenstand in Form eines Tierkopfes trug ein schönes Streifenmuster auf der Oberfläche. Vorsichtig berührte das Mädchen ihn mit einem Finger.​
»Ist das etwa ein Edelstein ... ?«​
»Ja, in der Tat. Das ist der Kiefer eines fürchterlichen Drachen, der sich über viele Jahre in einen Achat verwandelt hat.«​
Während er das Objekt bewunderte, wirkte der Echsenmensch wie ein kleiner Junge.​
»Wie kindisch ...«, sagte die Elfe abwartend und stützte ihren Kopf auf ihrer Handfläche ab.​
»Hi hi hi ... Jungs mögen ... so was nun mal ... nicht wahr?«​
»Ist doch gut, wenn man ein wenig was verdient. Was beschwerst du dich denn?«​
Plötzlich gesellten sich die Hexe und der Panzerkrieger zu der Gruppe.​
»Huch, das ist aber komisch ...«, sagte die Elfe.​
»Habt ihr vorläufig eine Gruppe gebildet?«, fragte die Priesterin. Der Panzerkrieger guckte kurz überrascht drein und antwortete dann:​
»Nein. Ich warte nur.«​
Die Priesterin schaute zur Tafel mit den Aufträgen und sah dort die Ritterin stehen.​
»Nehme ich den Minotaurus oder lieber eine Hydra ... Nein, das ist ein Mantikor ...«, murmelte sie vor sich hin.​
Um sie herum standen der junge Späher und die anderen Mitglieder ihrer Gruppe und hibbelten nervös herum.​
»Und er ... ist dort«, sagte die Hexe und zeigte mit ihrer langen Pfeife in Richtung Anmeldung.​
Der Speerkämpfer hatte die übrigen offenen Schalter ignoriert und stand wie immer bei der altbekannten Gilden Angestellten an. Er wirkte genervt. Der Grund dafür war wahrscheinlich, dass er gerade darauf wartete, dass Goblin Slayer sein Gespräch mit der Gilden Angestellten beendete. Auf Kontaktaufnahmen durch andere Abenteurer und Angestellte reagierte er jedoch mit einem freundlichen Lächeln.​
»Er ist ganz schön beliebt.«​
»Das ... mag ... sein.«​
Ngh!​
Als die Hexe die Priesterin mit ihren großen Augen anschaute, machte das Herz des Mädchens einen kleinen Sprung. Sie fragte sich, ob sie irgendwann vielleicht auch wie die Frau vor ihr sein würde. Aber selbst wenn, das würde noch sehr lange dauern ...​
»Bartschneider könnte von dem Speerkämpfer echt mal lernen, wie man freundlich mit anderen umgeht«, sagte der Zwerg, während er die Schätze zurück in den Beutel packte.​
»Hä? Nicht doch! Stellt euch mal vor, wie Orcbolg andere ständig mit einem Lächeln begrüßt«, rief die Elfe überrascht und die Priesterin musste bei dem Gedanken kichern.​
»Das wäre in der Tat ungewohnt ... oder?«, warf die Hexe ein.​
»Ganz genau. Orcbolg muss ...«​
»Was muss ich?«​
»... so bleiben, wie er ist.«​
Goblin Slayer hatte sein Gespräch mit der Gilden Angestellten beendet und gesellte sich jetzt zu den Mitgliedern seiner Gruppe. Dann schaute er zum Panzerkrieger und der Hexe und fragte:​
»Ist was?«​
Goblin Slayer war mal wieder ganz er selbst und während der Panzerkrieger etwas verlegen zu lächeln begann, zog die Hexe ein paar Mal genüsslich an ihrer Pfeife.​
»Wir wollten nur kurz Hallo sagen«, antwortete der Panzerkrieger zuerst.​
»Ich geh gleich ... auf ein Date ...«, schob die Hexe hinterher.​
»Ist das so?«, erwiderte Goblin Slayer brummend.​
»Passt auf euch auf.«​
»Nun ja, wenn das alles ist, dann reicht mir das vollkommen aus.«​
Das Gesicht des Panzerkriegers entspannte sich und er klopfte Goblin Slayer auf die Schulter. Dann ging er zu seinen Kameraden.​
»Bis ... denn ...«​
Mit diesen Worten erhob sich die Hexe elegant von ihrem Stuhl und ging davon. Der süßliche Geruch ihres Tabaks hing noch einige Momente in der Luft. Die Priesterin schaute ihr hinterher und wünschte sich, sowohl als Frau als auch als Abenteurerin irgendwann so wie sie sein zu können. Goblin Slayer dachte hingegen darüber nach, was der Panzerkrieger ihm hatte sagen wollen. Er kam allerdings nicht dahinter, weshalb er sich mit einem innerlichen Na egal einem anderen Thema zuwandte.​
»Wir teilen die Belohnung auf«, sagte der Krieger und setzte sich rumpelnd auf einen Stuhl.​
»Jeder nimmt sich das, was er haben möchte. Den Rest machen wir zu Geld und teilen es. In Ordnung?«​
»Ich wäre damit einverstanden«, gab der Echsenmensch mit einem schwerfälligen Nicken zurück.​
»Wenn selbst Piraten sich nicht um Beute streiten, wieso sollten wir es dann tun?«​
»Du möchtest diesen Schädel, oder? Dann nehme ich das hier!«​
»Hey! Nicht so schnell, Langohr!«​
Die Waldbewohnerin krallte sich ein leicht goldenes, transparentes Etwas. Es war eine besondere Art von Schildpatt. Der Zwerg versuchte sie aufzuhalten, doch war nicht schnell genug.​
»Ha ha ha! Der frühe Vogel fängt den Wurm! Will sonst noch jemand etwas haben?«​
»Ahm ...«​
Der Schamane schwenkte den Blick über seine Kameradin und fragte dann:​
»Was willst du damit?«​
»Ich werde es meiner Schwester schicken. Dinge aus dem Meer gibt es in meiner Heimat nur sehr selten.«​
»Sie wird sich sicherlich freuen«, sagte die Priesterin und die Elfe antwortete mit wackelnden Ohren:​
»Danke.«​
Die Erinnerungen an die Hochzeitszeremonie der Schwester der Waldläuferin waren noch frisch. Während die Priesterin an das Ereignis zurückdachte, überkam sie eine seltsame Art der Reue. Zögerlich streckte sie ihre Hand aus und murmelte:​
»Ich werde eine Perle nehmen und sie der Erdmutter opfern.«​
Sie war sich nicht sicher, wie man Buße beging, aber auch wenn sie bereits Worte der Vergebung erhalten hatte, plagte sie das Gefühl, etwas tun zu müssen. Der Zwerg schaute seine Kameradin an und schnaufte amüsiert durch die Nase.​
»Du könntest dir ruhig etwas aussuchen, was mehr nach deinem Geschmack ist ... Na egal ... Ich werde mir dieses Horn nehmen. Das könnte ein guter Katalysator sein. Was ist mit dir, Bartschneider?«​
»Mir?«​
Der Krieger wirkte überrascht, aber musterte dann die übrigen Gegenstände. Während die Priesterin ihm zuschaute, musste sie lächeln. Man ging auf Abenteuer, besiegte Monster, erhielt eine Belohnung und teilte sie dann auf. Es gab unterschiedliche Arten, dies zu tun. Manche Gruppen hatten auch so etwas wie einen Schatzwart.Wie dem auch sei, der Grund, weshalb sich die Priesterin gerade freute, war, dass dies bestimmt ein Abenteuer gewesen war, wie Goblin Slayer es sich insgeheim schon lange gewünscht hatte.​
***

Die Sonne hatte bereits ihren Zenit überschritten und die Schweine auf dem Bauernhof fraßen schmatzend Eicheln, während sie unzufrieden grunzten. Ahnten sie vielleicht bereits, dass ihre prallen Körper zu Fleischprodukten verarbeitet werden würden, oder reichte ihnen einfach das Futter nicht?​
»Schon gut. Hier, haut rein.«​
Der Hofbesitzer war davon überzeugt, dass Letzteres der Fall sein musste, und entschied sich, den Schweinen etwas mehr zu fressen zu geben. Das Erntefest war nicht mehr weit entfernt und dann würde auch schon der Winter kommen, weshalb es nicht schaden konnte, wenn die Tiere noch etwas dicker wurden.​
»Meine Güte ...«​
Der Hofbesitzer wischte sich mit einem Tuch über die Wangen und seufzte erleichtert. Er wurde alt und auch wenn er bis jetzt mit seiner Nichte den gesamten Hof allein bewirtschaftet hatte, war nicht klar, wie lange es noch so weitergehen konnte. Vielleicht würde er doch bald Feldarbeiter anstellen müssen.​
»Jedoch ...«​
Dies mochte ein Bauernhof sein, aber hier im Grenzland trieben sich viele Taugenichtse herum. Er würde sicher nicht erlauben, dass sie hier zusammen mit seiner Ziehtochter wohnten. Hochrangige Abenteurer, denen die Gilde ihr Vertrauen aussprach, waren da noch etwas anderes ...​
»Hach...«​
Der Hofbesitzer seufzte noch tiefer. In diesem Moment näherte sich eine Person, die ihm auch immer wieder Sorgen bereitete.​
»Bist du zurück?«​
»Ja. Seit gerade.«​
Ein billiger Eisenhelm und eine dreckige Lederrüstung. Goblin Slayer, so wurde dieser Mann genannt.​
»Wieder Goblins?«​
»Ja ... Nein, es war ein Goblin Auftrag, aber am Ende war es ein anderes Monster.«​
Der Hofbesitzer fragte sich schon lange nicht mehr, was für ein Gesicht der Abenteurer wohl hinter seinem Helm versteckte. Vermutlich durfte seine Nichte es sehen.​
»Ist sie ...«​
»Sie ist im Haus.«​
Der Hofbesitzer schluckte seine Emotionen herunter. »Lass sie nicht zu lange warten.«​
»Jawohl. Morgen werde ich auf dem Hof helfen können.«​
»Ach ja?«​
Der Hofbesitzer schaute zu den Schweinen und seufzte ein drittes Mal. Er hörte, wie sich die Schritte des Abenteurers langsam entfernten. Was hätte ich schon davon, wenn ich sein Gesicht sehen könnte?​
»Oh, willkommen zurück!«​
Eine helle Stimme schallte Goblin Slayer entgegen, als er das Haus betrat. Gleichzeitig stieg ihm der süßliche Geruch von Milcheintopf in die Nase. Der Tisch war bereits gedeckt. Seine Kindheitsfreundin kam auf ihn zu. Sie hatte eine Schürze um.​
»Ich habe gehört, du wärst im Süden gewesen, aber diesmal bist du schnell zurück. Hast du schon zu Mittag gegessen?«​
»Noch nicht.«​
Goblin Slayer schüttelte seinen Kopf. Er zog einen der Stühle im Esszimmer zurück und ließ sich auf ihm nieder. Er knirschte ein wenig unter dem Gewicht des Mannes und seiner Ausrüstung.​
»In Ordnung. Das Essen ist gleich fertig. Willst du dazu etwas Brot und Käse?«​
»Bitte.«​
Die Kuhhirtin erzählte ihm, dass sich der Käse in letzter Zeit gut verkaufte, und fragte, ob das wohl an dem Echsenmenschen läge. Der Krieger beobachtete sie schweigend. Auf dem Herd blubberte der Eintopf und sie rührte ihn um.​
»Du weißt, dass du ruhig gelegentlich auch mit anderen essen kannst, oder? Das wäre völlig in Ordnung.«​
Goblin Slayer antwortete brummend:​
»Störe ich etwa?«​
»Hm...«, gab die Kuhhirtin zurück.​
Der Abenteurer konnte ihr Gesicht nicht sehen, weil sie sich dem Herd zugewandt hatte. Nach einer Weile murmelte sie leise:​
»Nein ... tust du nicht ...«​
»Ist das so?«​
Der Krieger atmete leise erleichtert aus und das Mädchen begann, den Eintopf aufzutischen.​
»Ich helfe dir«, sagte der Abenteurer, doch die Kuhhirtin lehnte sein Angebot mit einem „Ist schon gut“ ab.​
Nachdem alles auf dem Tisch stand, sprachen die beiden Kindheitsfreunde ein Gebet zu den Göttern und fingen an zu essen. Die Kuhhirtin schaute dabei immer wieder zu, wie der Krieger sich Löffel für Löffel ihres Eintopfs zu Gemüte führte. Er war zurück und aß mit ihr. Das reichte, um ihr ein Lächeln auf das Gesicht zu zaubern.​
»Ich habe dir was mitgebracht«, sagte der Krieger plötzlich.​
»Etwas mitgebracht? Wie? Das ist nicht wahr! Wirklich?«​
»Wirklich«, antwortete er und holte etwas aus seiner Tasche hervor.​
Dabei ging er sehr grob vor, was sich eigentlich nicht gehörte, wenn man jemandem ein Geschenk überreichte, doch die Kuhhirtin störte sich nicht daran.​
Tja, das passt zu ihm, dachte sie und kicherte leicht.​
»Hier«, brummelte der Abenteurer auf komische Weise.​
Das Mädchen musste sich zurückhalten, um nicht laut zu lachen, und fragte: »Was ist es denn?«​
»Eine Muschel.«​
In der behandschuhten Hand des Kriegers lag eine spiralförmige rote Muschel. Im Licht leuchtete sie in den Farben eines Regenbogens und war so schön wie ein Edelstein.​
»Wow! Und die darf ich haben? Hat dich deine Arbeit etwa ans Meer geführt?«​
»Ja.«​
Der Krieger verlor wie gewohnt keine großen Worte, aber die Kuhhirtin störte sich nicht daran. Äußerst vorsichtig nahm sie die Muschel an sich, um sie nicht zu beschädigen. Sie hielt sie gegen das Licht, das von draußen hineinfiel, und konnte durch sie auch Goblin Slayer sehen. Dieser sagte nach einer Denkpause:​
»Da war ein Fisch ... Ein sehr langer ...«​
Die Kuhhirtin hätte gern mehr über das Abenteuer erfahren, doch ihre Neugier wurde von ihrer Freude über das Geschenk besiegt. Sie konnte nicht anders, als freudig zu grinsen.​
»Danke! Ich werde gut darauf aufpassen!«​
Der Krieger nickte und das Mädchen stand auf, ging zu einem Regal und entnahm daraus eine kleine Holzschachtel. Dabei drückte sie die Muschel vorsichtig an ihre Brust. Sie öffnete die Schachtel, in der allerlei Kleinkram verstaut war, und legte sie hinein.​
»Hier ist sie gut aufbewahrt. So werde ich sie nicht verlieren.«​
»Ist das so?«​
Die Kuhhirtin streckte sich und verstaute die Schachtel ganz oben auf dem Regal. Dann wischte sie sich den Schweiß von der Stirn, als hätte sie gerade harte Arbeit verrichtet. Sie ging zurück zum Tisch und goss Goblin Slayer auf dem Weg einen Becher Traubenwein ein. Sie wusste, dass es sich eigentlich nicht gehörte, bereits nachmittags zu trinken, doch heute war ein besonderer Tag.​
»Was ist mit morgen?«​
»Da mache ich Pause.«​
Sie stellte den Becher vor ihrem Kindheitsfreund ab, der ihn in einem Zug leerte. Auch sein Teller war bereits leer.​
»Willst du Nachschlag?«​
»Bitte.«​
Goblin Slayer sah dem Mädchen dabei zu, wie es zum Herd eilte, und sagte dann:​
»Ich werde morgen auf dem Hof helfen.«​
Die Kuhhirtin hatte gehofft, dass er das sagen würde, und begann sofort, alle möglichen Pläne mit ihm zu schmieden. Dies und das müsste am nächsten Tag getan werden und die beiden unterhielten sich, bis der Hofbesitzer heimkehrte und sie zu Abend aßen. Sie saßen in der gewohnten befremdlichen Atmosphäre beieinander und gingen dann schlafen.​
Es war ein normaler Tag der Heimkehr. Der nächste Tag sollte aber ganz anders werden als geplant.
 

Edward Teach

Anime-Pirat
VIP
Kapitel 65

Goblin Slayer geht in die Hautstadt


»Hier bin ich«, sagte sie.​
Ihre Stimme war voller Leidenschaft und besaß einen Klang, der wohl so ziemlich jeden Mann zum Schmelzen bringen würde. Das Sonnenlicht, das durch das Fenster hereinschien, umhüllte ihre Gestalt, und als sie die Kapuze ihres Umhangs zurückschlug, wallte goldenes Haar hervor. Ihr üppiger Körper erinnerte an die sinnlichen Statuen der Erdmutter und ihre wunderschöne weiße Haut lugte an einigen Stellen aus ihrer Kleidung hervor. Eine gewisse Röte, die sicherlich nicht davon kam, dass sie zu lange in der Sonne gewesen war, lag auf ihrem Gesicht. Es wäre nicht verwunderlich gewesen, wenn jemand sie für ein Freudenmädchen gehalten hätte - schließlich gab es durchaus auch einige von ihnen, die ihre Dienste in Tempeln anboten - denn sie hätte vermutlich mit nur einem Blick jeden Mann umgarnen können, doch ihre Augen waren von einer schwarzen Binde umhüllt. In ihrer Hand hielt sie etwas, das aussah wie eine Mischung aus einem Schwert und einer Waage.​
»Komme ich etwa ungelegen?«, fragte die Frau, jetzt etwas schüchterner im Ton.​
»Nein«, antwortete Goblin Slayer der Jungfrau des Schwertes.​
»Geht es um Goblins?«​
***

Es war frühmorgens und noch bevor die Sonne aufgegangen war, hatte sich Goblin Slayer darangemacht, seine Ausrüstung zu überprüfen. Helm, Rüstung, Schild und Schwert. Keine Schäden und in gutem Zustand. Er griff nach seiner Tasche und kontrollierte ihren Inhalt. Neben Tränken, die er zur Identifikation mit Bändern versehen hatte, befanden sich darin Blendemittel, Schriftrollen und andere Utensilien. Da alles in Ordnung zu sein schien, packte er die Tasche beiseite. Um die anderen beiden, die noch schliefen, nicht zu wecken, schlich er sich leise aus dem Zimmer und aus dem Haus. Vor der Tür warteten die kühle Herbstluft und Nebel auf ihn. Es war, als würde er in einem Meer aus Wolken stehen, während er sich umschaute.​
»Hmpf ...«​
Die Sicht war schlecht und das gefiel ihm nicht. Schnaufend machte er sich auf den Weg. Er war mit dem Bauernhof wohlvertraut, aber das hieß nicht, dass er unaufmerksam werden durfte. Er begann mit der Überprüfung des Zaunes, der den Hof umgab. Dabei schaute er nicht nur nach kaputten Stellen, sondern auch nach Fußspuren. Diese wären bei diesem feuchten Wetter besonders gut zu sehen gewesen, wenn da nicht der Nebel gewesen wäre. Goblin Slayer hätte sich jedoch nie darüber beschwert. Gewissenhaft ging er seiner Arbeit nach. In Höhlen war die Sicht auch schlecht, von daher war es ein gutes Training für ihn. Oder zumindest sah er es so. Nachdem er mit dem Zaun fertig war, holte er Messer und Ziele aus dem Schuppen und stellte Letztere auf. Dann begann er, die Klingen durch die Luft sausen zu lassen. Während manche Ziele umfielen, blieben andere einfach stehen, nachdem die Messer sich in sie hineingebohrt hatten.​
»Hmpf.«​
Der Krieger brachte die Ziele und die Messer zurück in den Schuppen, als er in den ersten Sonnenstrahlen der aufgehenden Sonne eine Gestalt auf den Bauernhof zukommen sah.​
Goblins?
Der Abenteurer umfasste den Griff seines Schwertes und näherte sich vorsichtig dem unbekannten Wesen. Als er jedoch erkannte, dass es sich nicht um einen Goblin handeln konnte, ließ er die Waffe los und fragte:​
»Wer ist da?«​
»Uwaaah?!«, rief das Wesen und begann zu zittern.​
Es war ein Junge, dem Goblin Slayer irgendwo schon einmal begegnet war. Er trug die Uniform der Gilde. Arbeitete er also für sie?​
»Von der Gilde? Was ist?«​
»Ä... Ähm, ich habe schon so einiges über Sie gehört ... Ah ... Nein ...«​
Der junge Angestellte räusperte sich.​
»Sie haben einen Gast bei uns in der Gilde. Es scheint dringend zu sein.«​
»Ist das so?« Goblin Slayer legte leicht den Kopf schief.​
»Goblins?«​
»I... Ich weiß nicht.«​
»Warte kurz«, sagte er in einem Ton, der keine Widerrede zuließ.​
Der junge Gilden Angestellte ließ die Schultern hängen, aber der Abenteurer schenkte dem keine Beachtung. Er betrat das Haus und ging direkt auf eine Tür zu.​
»Ich komm rein.«​
»Was? Uwah!«

Die Kuhhirtin kreischte laut auf und verdeckte ihren nackten Körper mit einem Laken. Sie war gerade dabei gewesen, sich umzuziehen. Goblin Slayer reagierte jedoch auf das Geschehen vollkommen ruhig. Er wandte den Blick ab und sagte:​
»Ich brauche kein Frühstück. Ich gehe.«​
Es war nicht so, dass sie sich ihm nicht ansprechend präsentieren wollte, aber so wollte sie dann auch nicht von ihm gesehen werden. Sie wedelte wild mit den Armen.​
»K... Klopfen! Du musst vorher klopfen!«​
»Ist das so? Tut mir leid.«​
»N... Nein ... Ist schon okay ...«​
Während sie das Laken fest an ihren prallen Busen drückte, stieß die Kuhhirtin einen tiefen Seufzer aus. Sie wusste selbst nicht, ob ihr Gesicht vor Scham oder Überraschung rot angelaufen war. Zumindest hatte er sich entschuldigt und daher sollte sie ihm vergeben.​
»W. . . Was ist denn los?«​
»Ich weiß es nicht, aber die Gilde ruft mich.«​
»Ach so ...«​
Die Kuhhirtin dachte, dass er heute dann wohl auch kein Abendessen brauchen würde. Ihr tat das Herz weh. Der Krieger unterstrich ihren Gedanken mit der darauffolgenden Aussage.​
»Wenn es um Goblins geht, werde ich dir hier heute nicht helfen können.«​
»Viel Erfolg«, antwortete sie und nachdem er sie allein gelassen hatte, setzte sie sich auf das Bett und umklammerte ihre Beine.

***
»Ach, Goblin Slayer!«​
Als er die Gilde betrat, erkannte die Gilden Angestellte ihn sofort. Mit einem Lächeln begrüßte sie ihn. Es war früh am Morgen, aber dennoch waren bereits einige Abenteurer aufgestanden und frühstückten in der Schenke. Insgesamt war es aber noch relativ ruhig, da noch ein wenig Zeit war, bis die neuen Aufträge ausgehängt werden würden. Das bedeutete aber nicht, dass es nichts zu tun gab. Die Angestellten der Gilde flitzten bereits fleißig hinter der Anmeldung hin und her. Sie sortierten Schriften, kontrollierten den Tresor, bereiteten die Aushänge vor und taten noch viele weitere Dinge.​
»Der Gast erwartet Sie bereits!«​
»Ist das so? Im Obergeschoss?«​
»Ja. Ahm, nun ja ...«​
Obwohl die Gilden Angestellte den Krieger freudig begrüßt hatte, verdüsterte sich ihr Gesichtsausdruck plötzlich ... Man könnte sagen, das Lächeln rutschte ihr von den Lippen.​
»Was ist?«, fragte Goblin Slayer.​
»Ich muss mich bei Ihnen wegen des letzten Auftrags entschuldigen.«​
»Des letzten?«​
»Sie wissen schon ... Der mit den Meeres Goblins ...«, sagte sie, als könnte sie die Worte kaum aussprechen.​
Goblin Slayer dachte einige Momente verwundert nach, bevor ihm klar wurde, warum sie sich bei ihm entschuldigte.​
»Ach, das hat mich nicht gestört.«​
Der Krieger ging zur Treppe und bemerkte dabei nicht, wie die Gilden Angestellte erleichtert ausatmete. Sein Ziel war das Besprechungszimmer, in dem er damals auch seine Gruppenmitglieder kennengelernt hatte. Während er daran zurückdachte, öffnete er die Tür. Im hinteren Teil des Zimmers stand beim Fenster eine Frau, die ihren Kopf hob und in seine Richtung schaute.​
»Hier bin ich«, sagte sie.​
Ihre Stimme war voller Leidenschaft und besaß einen Klang, der wohl so ziemlich jeden Mann zum Schmelzen bringen würde. Das Sonnenlicht, das durch das Fenster hereinschien, umhüllte ihre Gestalt, und als sie die Kapuze ihres Umhangs zurückschlug, wallte goldenes Haar hervor. Ihr üppiger Körper erinnerte an die sinnlichen Statuen der Erdmutter und ihre wunderschöne weiße Haut lugte an einigen Stellen aus ihrer Kleidung hervor. Eine gewisse Röte, die sicherlich nicht davon kam, dass sie zu lange in der Sonne gewesen war, lag auf ihrem Gesicht.​
Es wäre nicht verwunderlich gewesen, wenn jemand sie für ein Freudenmädchen gehalten hätte - schließlich gab es durchaus auch einige von ihnen, die ihre Dienste in Tempeln anboten - denn sie hätte vermutlich mit nur einem Blick jeden Mann umgarnen können, doch ihre Augen waren von einer schwarzen Binde umhüllt. In ihrer Hand hielt sie etwas, das aussah wie eine Mischung aus einem Schwert und einer Waage.​
»Komme ich etwa ungelegen?«, fragte die Frau, jetzt etwas schüchterner im Ton.​
»Nein«, antwortete Goblin Slayer der Jungfrau des Schwertes.​
»Geht es um Goblins?«​
»Ja ... Könntest du mir helfen? ... Nein ...«, sagte sie mit verführerischer Stimme und schüttelte den Kopf.​
»Könntest du sie bitte töten?«​
»Natürlich.«​
Dem Mund der Erzbischöfin entströmte ein heißer Atem, während ihre Haare über ihren üppigen Busen tanzten.​
»Wo sind sie? Wie groß ist das Nest?«​
»Es gibt einige Umstände.«​
»Erzähl mir von ihnen.«​
Obwohl sie der Gast war, forderte sie Goblin Slayer auf, sich zu setzen. Dieser zog grob einen Stuhl zurück und nahm auf ihm Platz. Die Jungfrau des Schwertes setzte sich ihm gegenüber auf einen Stuhl.​
»Der Ort, an dem immer wieder Goblins auftauchen ...«​
Die Erzbischöfin wandte sich einer etwas älteren Klerikerin zu.​
»Ach, könntest du uns eine Karte bringen?«​
»Ja, sofort. Ich habe bereits eine vorbereitet.«​
Goblin Slayer wunderte sich, seit wann die Klerikerin bereits dort war. Sie hatte in einer dunklen Ecke des Zimmers bereitgestanden und obwohl sie ein Gewand mit langen Ärmeln trug, verursachten ihre Bewegungen keinerlei Geräusche.​
Sie ist wahrscheinlich eine Kampfnonne, dachte der Abenteurer und richtete seinen Blick auf die vor ihm ausgebreitete Karte. Die Jungfrau des Schwertes musste bemerkt haben, dass Goblin Slayer kurz von ihrer Dienerin abgelenkt worden war, und kicherte.​
Dann sagte sie:​
»Sie kümmert sich um mich und ist auch für meine Sicherheit verantwortlich. Dabei bin ich selbst nicht der Überzeugung, dass ich ihre Dienste benötige.«​
»Ihr mögt äußerst fähig sein, aber allein als Erzbischöfin zu reisen wäre dennoch gefährlich. Es lässt sich also nicht ändern.«​
»Mann ...«​
Die Jungfrau des Schwertes setzte kurz einen schmollenden Gesichtsausdruck auf, aber fing sich dann mit einem Räuspern.​
»Die Goblins erscheinen ...«​
Fast liebkosend begann sie, mit ihrem Finger über die Karte zu streichen. Obwohl ihre Augen verbunden waren, schaffte sie es, haargenau einer Straße zu folgen.​
»... hier. Auf dieser Straße, die von der Stadt des Wassers bis zur Hauptstadt führt.«​
»Auf der Straße?«​
»Ja, es ist fürchterlich ... Einfach fürchterlich ... Sie ist derzeit nahezu unpassierbar ...«​
Goblin Slayer musterte die zitternde Erzbischöfin und fragte sich, was normale Bürger wohl denken würden, wenn sie sie so sähen.​
»Hmpf ... Ist etwas darüber bekannt, wie viele es sind und wo sie herkommen?«​
»Zeugen zufolge sollen es ungefähr zwanzig sein. Ihnen allen wurde die gleiche Markierung mit Farbe unter die Haut gestochen. Wo sie herkommen, ist nicht bekannt, aber ...«, die Erzbischöfin beugte sich nach vorne und flüsterte wie bei einer Gruselgeschichte, »... sie reiten auf Wölfen.«​
»Verstehe.«​
Goblin Slayer und seine Kameraden waren bei ihrer Reise in den Wald der Elfen von einer Gruppe Goblin Reiter angegriffen worden. Sie hatten nicht alle von ihnen erledigen können.​
»Die Erzbischöfin muss jedoch an einer Sitzung in der Hauptstadt teilnehmen«, sagte die Klerikerin seufzend.​
»Deswegen geht es nicht primär darum, die Goblins zu beseitigen, sondern darum, uns zu beschützen.«​
Die Erzbischöfin benötigte also doch Hilfe. Sogar mehr als die, die die Klerikerin ihr bieten konnte. Außerdem ging es darum, ihre Nerven mit der Anwesenheit Goblin Slayers zu beruhigen, denn es durfte nicht bekannt werden, dass eine Autoritätsperson wie sie sich vor Goblins fürchtete.​
»Gibt es noch andere Leibwächter?«, fragte der Krieger in rauem Ton.​
»Nein. Die Sitzung wird bald stattfinden. Wir haben keine Zeit mehr, jemand anderen anzuheuern.«​
Warum keine Soldaten? Warum kein Militär? Da andere Abenteurer viel mehr Fragen stellen würden als Goblin Slayer, wollte die Klerikerin ihre Herrin nicht nur körperlich, sondern auch seelisch schützen.​
»In Ordnung. Es wird sich um eine umherwandernde Gruppe ohne Nest handeln. Einen wandernden Stamm.« Der Abenteurer starrte die Karte genau an, um sich die Strecke einzuprägen. Er war noch nie in der Hauptstadt gewesen, aber das war kein Problem.​
»Ich muss sie einfach nur alle bei einem Aufeinandertreffen töten.«​
»Es gibt auch Goblins, die sich so verhalten?«​
»Ja, bisweilen werden sie auch als Gras Goblins bezeichnet.«​
Goblin Slayer dachte kurz nach, bevor er bedeutungsschwer sagte:​
»Aber im Gegenzug zu Meeres Goblins handelt es sich bei ihnen tatsächlich um Goblins.«​
»Oje ...!«​
Während die Jungfrau des Schwertes die Hände vor ihren vor Erstaunen aufgerissenen Mund schlug, fragte sich die Klerikerin, was der Abenteurer damit sagen wollte.​
»Ich hatte gedacht, dass gegen ein paar Goblins auch andere Abenteurer helfen könnten«, sagte sie und drückte damit ihr Misstrauen aus. Dieser Abenteurer hatte bereits in der Stadt des Wassers bewiesen, dass er fähig war, aber war diese Aufgabe nicht unter seinem Niveau?​
»Die Erzbischöfin hat jedoch darauf bestanden, dass Sie es sind.«​
»Schließlich ist er der Vertrauenswürdigste unter ihnen« ·.., gab die Erzbischöfin, nun wieder schmollend, zurück.​
»Es lässt sich wohl nicht ändern.«​
Die Worte der Klerikerin klangen wie die einer älteren Schwester, die dem Nörgeln einer jüngeren nachgab. Goblin Slayer brummte tief:​
»Ich werde meine Kameraden rufen. Wartet ein wenig.«​
Während er kaum glauben konnte, dass er mittlerweile so etwas sagte, verließ er den Raum.

***
»Du hast einfach angenommen, ohne zu wissen, wie viel wir dafür kriegen?«​
»Die Belohnung ...«​
»Du Idiot hast es ganz sicher vergessen, Orcbolg! Du Vollidiot!«, rief die Elfe, die auf dem Fahrersitz neben dem Echsenmenschen saß und unglücklich mit den Ohren wackelte.​
Polternd bewegten sich die Räder, während der Pferdewagen mit zwei Zugtieren die Stadt durch ihre Tore verließ. Ein kühler frühherbstlicher Wind bewegte die Wolken über den Himmel, aber das Wetter war ansonsten klar und die Luft warm. Eigentlich hatte die Elfe heute faulenzen und bis mittags schlafen wollen, doch der Krieger hatte sie plötzlich aus ihrem tiefen Schlummer gerissen. Der Grund: Arbeit. Goblins, genauer gesagt. Was auch sonst?​
»G... Ganz ruhig ...«, versuchte die Priesterin ihre Kameradin zu beruhigen. Die Waldläuferin liebte richtige Abenteuer, doch jetzt ging es schon wieder um die kleinen grünen Biester. Das junge Mädchen konnte ihren Unmut verstehen. Deshalb stellte sie ihren Zeigefinger mahnend auf und sagte: »Auch wenn ich dabei bin, musst du so etwas vorher überprüfen und mit uns besprechen, okay, Goblin Slayer?«​
»Ist das so?«​
Die Priesterin hatte mit dem Krieger gesprochen, als wäre er ein kleines Kind im Tempel, doch ihn schien das nicht im Geringsten zu stören.​
»Zumindest die Belohnung sollte das nächste Mal besprochen werden. In Ordnung?«​
»Keine Sorge, wir haben eine entsprechende Bezahlung vorbereitet«, sagte eine Frau, die hinten im Pferdewagen Platz genommen hatte.​
Es war die wunderschöne Erzbischöfin, die von der Akolythin begleitet wurde. Immer wieder schaute sie aus dem Pferdewagen heraus und zog damit die Blicke der vorbeiziehenden Leute auf sich.​
»Einen Beutel mit Goldstücken als Vorauszahlung und einen weiteren, wenn wir angekommen sind.«​
»Also zwei Beutel für jeden von uns?«​
»So ist es.«​
Der Zwerg strich sich erfreut durch den Bart. Schließlich waren zwei Goldbeutel pro Person eine äußerst großzügige Bezahlung für solch eine Arbeit.​
»Nicht übel. Außerdem kriegen wir so auch mal die Hauptstadt zu sehen.«​
»Hmpf ... Die Hauptstadt, was? Die wollte ich schon immer mal sehen ...«, entgegnete die Elfe auf die Aussage des Zwergs.​
Sie war noch immer sauer, aber sie versuchte sich, so gut es ging, am Riemen zu reißen. Sie wusste, dass es ihr nichts bringen würde, jetzt einen Aufstand zu machen. Der Echsenmensch, der mit der Elfe auf der Fahrerbank saß und die Zügel hielt, konnte sein Lachen nicht unterdrücken und sah zu Goblin Slayer. Dieser ging dem Wagen voraus, während der Zwerg und die Elfe den Wagen links und rechts beschützten. Niemand hatte etwas gesagt, diese Formation hatte sich einfach von selbst ergeben. Keiner hat sich wegen der Belohnung erkundigt, sondern wir sind alle einfach Goblintöter gefolgt. Von daher kann sich eigentlich niemand beschweren. Das bedeutete jedoch nicht, dass die Gruppe unvorbereitet war. Sie hatten alle nötigen Vorbereitungen getroffen, bevor sie losgezogen waren. Der Echsenmensch war in diesem Moment froh, dass seine Kameraden seine Mimik nicht immer verstanden, denn er grinste fröhlich vor sich hin.​
»Halt an.«​
»Okay. Verstanden.«​
Der Echsenmensch kam Goblin Slayers Befehl sofort nach. Er zog an den Zügeln und sorgte dafür, dass die Pferde stehen blieben.​
»Wartet kurz«, sagte der Krieger und ging los.​
Keiner seiner Kameraden fragte, was er vorhatte, denn es war ihnen klar. Schließlich stand etwas weiter die Straße herab eine junge rothaarige Frau hinter einem Zaun.​
»Bartschneider ist ganz schön treu. Nicht wahr, Schuppiger?«, fragte der Zwerg und lehnte sich an den gestoppten Wagen. Er holte seine Flasche hervor und nahm einen Schluck.​
»Bande verbinden Wesen miteinander, aber wenn man jemanden ignoriert, dann lockern sich die Bande«, antwortete der Echsenmensch.​
»Schon mittags Alkohol?!«, warf die Elfe dem Zwerg an den Kopf.​
»Du Idiotin! Das ist mein Brennstoff! Meine Antriebskraft! Wenn meine Zunge nicht gelockert ist, kann ich keine Zauber sprechen!«​
Die Priesterin musste verlegen darüber lächeln, dass der Zwerg diese Aussage in vollem Ernst getätigt hatte, aber stand ihm dann bei, indem sie sagte:​
»Man wird natürlich auch durstig. Es mag Herbst sein, aber beim Gehen gerät man dennoch ins Schwitzen.«​
Obwohl es wusste, dass es sich nicht gehörte, zog das Mädchen an seinem Kragen und wedelte leicht damit. Die sommerliche Hitze war verflogen, aber die Sonne schien noch immer stark auf die Reisegruppe herab. Sie ist wirklich beeindruckend, dachte die Priesterin und beobachtete die Kuhhirtin dabei, wie sie sich mit Goblin Slayer unterhielt. Sie war immer gut gelaunt und lächelte, obwohl sie mit der Arbeit auf dem Hof sicherlich alle Hände voll zu tun hatte. Jetzt gerade wedelte sie mit einer Hand in der Luft. Wahrscheinlich wollte sie damit sagen, dass er sich keine Sorgen um sie machen musste. Wie würde ich mich wohl in ihrer Lage verhalten? Könnte ich einfach akzeptieren, dass er plötzlich aufbrechen muss, um Goblins zu bekämpfen?​
»Hallo?«, ertönte eine leise Stimme aus dem Wagen.​
Die Priesterin warf einen Blick hinein und sah, wie die Jungfrau des Schwertes sich unruhig auf ihrem Platz hin und herbewegte. Dann lehnte sie sich in Richtung der Priesterin. Das Mädchen spürte, wie sein Herz einen Sprung machte, als diese hohe Person sich ihm näherte.​
»Ahm? Mit wem redet er denn dort?«​
Die Priesterin wunderte sich einige Momente, bis sie verstand, dass die Erzbischöfin Goblin Slayer meinte.​
»Ähm, Goblin Slayer wohnt hier auf dem Hof. Sie ist die Tochter des Besitzers.«​
»Ach so ..., gab die Jungfrau des Schwertes seufzend zurück.​
»Wieso fragt Ihr?«​
»Nein ... Schon gut.«​
»Ach, wirklich?«​
Obwohl die Priesterin sich Sorgen um die Erzbischöfin machte, die gerade ihren Kopf schüttelte, wandte sie erst einmal ihren Blick ab. Sie machte sich Gedanken darüber, was für ein Gefühl sie wohl für diese hochrangige Person empfand. Bewunderung war es nicht, denn weil sie die Hexe bewunderte, kannte sie das Gefühl genau.​
Verehrung ist es aber irgendwie auch nicht. Als sie an die Unterhaltung im Bad in der Stadt des Wassers und die Zeremonie der Auferstehung zurückdachte, wurde ihr Körper und vor allem ihr Schoß ganz heiß. Hm ... Damit sie nicht komplett rot anlief, schüttelte sie fest den Kopf.​
»Er ist fertig.«​
»Äh, ja!«​
Schnell festigte die Priesterin den Griff um ihren Stab, kontrollierte ihr Gepäck und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Sie war abmarschbereit.​
»Okay, lasst uns gehen.«​
Der Echsenmensch ließ die Zügel knallen und die Gruppe setzte sich wieder in Bewegung. Beim Gehen holte der Zwergeinen Apfel aus seiner Tasche und aß ihn.​
Die Priesterin sah das, kicherte und sagte:​
»Dann brauchst du wohl kein Mittagessen, oder?«​
»Für Zwerge zählt so was nicht als Essen.«​
»Oh, gib mir auch einen!«, rief die Elfe und ihr Kamerad warf ihr wortlos einen Apfel zu. Sie wischte das Obst an ihrem Ärmel ab und wollte hinein beißen, als ...​
»Uwaaah ...«​
... sie ausgiebig gähnen musste. Dann wischte sie sich ein paar Tränen aus den Augen.​
»Wie schön wäre es, wenn einfach keine Goblins auftauchen würden?«​
Die Wahrscheinlichkeit, dass ihr Wunsch erfüllt werden würde, war allerdings sehr gering. Während das Feuer rhythmisch knisterte, tanzten Funken durch die Luft und die Jungfrau des Schwertes erwachte. Langsam erhob sie sich und achtete dabei darauf, nicht die Akolythin zu wecken. Sie zog sich etwas über und griff nach ihrem Waagenschwert. Dann stieg sie leise vom Pferdewagen herab. Die Gruppe hatte ein Nachtlager aufgeschlagen. Die beiden Monde standen hoch am Himmel und die Sterne glitzerten auf die Erde herab. Sie befanden sich an einer Stelle neben der Straße, wo das Gras gemäht worden war, damit man dort übernachten konnte. Ob hier zuerst Reisende genächtigt hatten und dann aus diesem Ort eine Stelle für Lager geworden war oder andersherum war unklar, aber da sich wegen der Monster hier gerade keine anderen Reisenden aufhielten, konnte die Gruppe auch niemanden fragen. Während der Stoff ihrer Kleidung leicht raschelte, näherte sich die Erzbischöfin dem Lagerfeuer, das von niemand anderem bewacht wurde als dem Mann, den sie sogar in ihren Träumen gesehen hatte.​
»Guten Abend ...«, sprach die Jungfrau des Schwertes den Abenteurer an und ließ sich neben ihm nieder.​
Sie achtete dabei darauf, dass genügend Abstand zwischen ihnen beiden blieb.​
Der Krieger wandte sich der Erzbischöfin zu und diese erinnerte sich daran, dass die Akolythin seinen Helm als »dreckig« bezeichnet hatte. So hatte er sich auch angefühlt, als sie ihm diesen damals ausgezogen hatte.​
»Schläfst du nicht?«, fragte der Abenteurer.​
Er klang kalt und emotionslos, aber brachte das Herz der Erzbischöfin dennoch dazu, so schnell zu schlagen, dass sie sich eine Hand über die Brust halten musste, weil sie Angst hatte, dass es heraussprang. Sie hatte sich einige Worte zurechtgelegt, doch diese hatte sie sofort wieder vergessen. Sie kam sich wie beim Schreiben eines Briefes vor, den sie wegen eines Schreibfehlers zerknüllen und wegwerfen musste.​
»Seitdem du die Goblins aus der Stadt des Wassers vertrieben hast, kann ich gut schlafen. Daher möchte ich mich erneut bedanken ...«​
»Bist du nicht gerade wach?«​
Sie hatte ihm ihre wahren Gefühle offenbart, doch er hatte sie kurzerhand mit seiner kühlen Art abgeschmettert.​
»Das ist ...«​
Die Jungfrau des Schwertes blies beleidigt die Backen auf und verzog die Lippen.​
»Ach Mann, du bist wirklich gemein.«​
»Ist das so?«​
»Ja, so ist es.«​
Obwohl die Erzbischöfin so tat, als würde sie sich abwenden, schielte sie in Goblin Slayers Richtung und dachte: Er merkt gar nicht, wie ich mich fühle. Die schwarzen Umrisse seiner Gestalt schienen regungslos, während er ins Feuer hineinschaute. Er kam ihr wie ein Schwert vor, das darauf wartete, gezogen zu werden. Er scheint sich nicht im Geringsten dafür zu interessieren, um was für eine Sitzung es sich in der Hauptstadt handelt. In der Umgebung des Kriegers lagen seine schlafenden Kameraden, die es sich mit Schlafsäcken und Wolldecken gemütlich gemacht hatten. Die Jungfrau des Schwertes seufzte leicht. Ihr fiel kein anderes Gesprächsthema als das eine ein.​
»Es haben sich noch keine Goblins gezeigt ...«​
»Das wird noch passieren«, erwiderte der Krieger schnell, während er mit einem langen Stock im Feuer herumstocherte.​
Das aufgestapelte Brennholz brach in sich zusammen und es wurde eine Menge Asche aufgewirbelt.​
»Ein Pferdewagen, der von Abenteurern beschützt wird. So ein Ziel greift man nicht einfach an.«​
»...«​
»Heute Nacht oder morgen.«​
Die Jungfrau des Schwertes schwieg. Sie spürte, wie eine Kälte in ihr hochstieg und sie erzittern ließ. Sie festigte den Griff um das Waagenschwert und blickte in die Finsternis. Irgendwo dort versteckten sich die kleinen Teufel. Rechts das Geräusch eines schwankenden Astes, links das im Wind raschelnde Gras. Das Rauschen des Windes. Der Schrei eines Tiers. Der Geruch von Erde. Das Knistern des Feuers. Ein dreckiges Lachen hallte im Kopf der Erzbischöfin wider. Finger zeigten auf sie und sie meinte, eine Stimme zu vernehmen. Feuer, direkt vor ihren Augen. Sie begann zu betteln.​
Eine Zunge leckte über ihr Gesicht und ihre Sicht färbte sich weiß. Ein Schrei, dann Schmerz. Feuerstäbe, die sich in ihren Unterleib bohrten. Ein Heulen. Todesqualen, noch mehr Schreie. Die Seele zerschmettert, die Keuschheit verloren ...​
»Schlaf.«​
Eine Stimme, so kalt und hart wie Eisen, riss die Jungfrau des Schwertes aus ihren Gedanken.​
»Schließe die Augen. Wenn du sie öffnest, ist wieder Morgen.«​
»Das sagst«, die Erzbischöfin versuchte, ihre Atmung unter Kontrolle zu bringen, »du so einfach.«​
»Ich weiß, dass es schwer ist. Als Kind habe ich häufig genug damit gekämpft.«​
Es waren nur einige wenige Worte, aber sie reichten aus, um ein kleines Lächeln auf die Lippen der Erzbischöfin zu zaubern. So wie sie einst ein unbeflecktes Mädchen gewesen war, war er nichts weiter als ein normaler Junge gewesen. Die Jungfrau des Schwertes verfiel in Schweigen. Sie schaffte es nicht, zu fragen, was sie eigentlich fragen wollte. Dabei wollte sie so vieles wissen. Über ihn, über die junge Frau vom Bauernhof und über die Priesterin. Aber direkt neben ihr saß er. Er, der stumm über das Feuer wachte und sie dabei beschützte. Hoffentlich ist bald Morgen ... Nein ... Ich wünschte mir, diese Nacht würde noch ewig andauern ...
Der Erzbischöfin war, als hätte sie etwas wiedergefunden, das sie vor über zehn Jahren verloren hatte. Sie stützte ihren Ellenbogen auf einem angezogenen Oberschenkel ab, um ihren Kopf auf diesen zu legen. Sie seufzte und setzte zu einer Aussage an, als etwas passierte.​
»Mhm... Oh ...«​
Die Priesterin regte sich unter ihrer Wolldecke und setzte sich dann langsam auf. Sie rieb sich verträumt die Augen, gähnte und murmelte ein paar unverständliche Worte. Die Jungfrau des Schwertes spürte, wie sie ein Gefühl der Enttäuschung überkam. Damit war ihre Unterhaltung mit dem Abenteurer wohl beendet, obwohl das Morgengrauen noch so weit entfernt war. Schwankend ging die Priesterin zu ihrem Gepäck und wühlte darin herum, als sie überrascht erkannte, dass Goblin Slayer mit jemandem am Feuer saß.​
»Erzbischöfin?«​
Das Mädchen blinzelte verwirrt und legte den Kopf schief. Immer wieder wanderte ihr Blick zwischen den beiden hin und her.​
»Ahm, ist irgendwas vorgefallen?«​
»Hm ...«​
Goblin Slayer brummte und schaute zu der Erzbischöfin.​
»Sie konnte nicht schlafen.«​
»Könntest du bitte nicht über mich reden, als wäre ich ein kleines Kind?«​
Die Erzbischöfin blies kurz beleidigt ihre Backen auf, doch noch bevor die Priesterin darauf reagieren konnte, setzte sie wieder ihren typischen Gesichtsausdruck auf. Sie war kein Mädchen und auch keine junge Frau mehr. Da konnte sie in Anwesenheit anderer nicht einfach einen Mann anschmachten. Für die junge Priesterin, die vor ihr stand, war es jedoch anders und auch wenn dieser Umstand der Erzbischöfin einen Stich ins Herz versetzte, ließ sie es sich nicht anmerken.​
»Ich hatte Schwierigkeiten beim Einschlafen. Wie ist es denn mit dir?«​
»Äh . . . Also ...«​
Die Priesterin wedelte auf geregt mit der Hand.​
»Ich wollte nur etwas Wasser trinken ...«​
»Ist das so?«​
Goblin Slayer warf seiner Kameradin mit einer groben Bewegung einen Wasserbeutel zu.​
»Uwah!«​
Überrascht fing diese den Beutel mit beiden Händen auf. Sie bedankte sich, zog den Stöpsel aus dem Gefäß und goss sich dessen Inhalt langsam in den Mund. Die Jungfrau schaute dem Mädchen kurz dabei zu, bevor sie ihren Blick plötzlich in die Ferne richtete. Goblin Slayer fragte gar nicht erst, warum. Er kontrollierte schnell seine Rüstung und seine Waffe und schaute dann zur Priesterin, die sofort wusste, was zu tun war.​
»Ich werde die anderen aufwecken!«​
»Aber nicht zu auffällig.«​
»Jawohl.«​
Die Priesterin nahm sich ihren Stab und ging damit unschuldig durchs Lager. Die Ringe am Stab erzeugten ein leichtes Klingeln, das dafür sorgte, dass die anderen Kameraden aus ihrem Schlummer erwachten. Den Anfang machte der Echsenmensch. Er wickelte sich aus seinen Wolldecken, streckte seinen verspannten Körper und stand auf.​
»Sie kommen, oder?«​
»Scheint so. Los, steh auf«, antwortete der Zwerg und verpasste der Elfe einen Stups.​
»Uhm ... Ah ...«, gab die Waldläuferin unverständliche Laute von sich, während sie sich aufrichtete.​
»Es ist doch noch mitten in der Nacht.«​
»Beeilung bitte. Ich gehe mir mein Kettenhemd anziehen.«​
Während die Priesterin davoneilte, murmelte die Elfe:​
»Die wird auch immer verantwortungsbewusster ...«​
Dann griff die Waldläuferin nach ihrem Bogen und verpasste ihm mithilfe einer in der Nähe befindlichen Spinne eine neue Sehne.​
Als Goblin Slayer sich sicher war, dass alle kampfbereit waren, stand er auf und befahl:​
»Zurück zum Pferdewagen.«​
»Wie?«, fragte die Jungfrau des Schwertes verwundert.​
Noch bevor sie verstand, was der Abenteurer vorhatte, hatte er sie schon am Arm gepackt und zog sie mit sich.​
»Es ist gefährlich.«​
Der Krieger ließ keinerlei Widerrede zu und ging stapfend mit ihr zum Pferdewagen. Dabei war sie der Überzeugung, problemlos an dem Kampf teilnehmen zu können. Nichtsdestotrotz freute sie sich insgeheim darüber, dass Goblin Slayer sie beschützte. Erst als er sie grob in den Pferdewagen stieß, gab sie ein unzufriedenes „Ach“ von sich.​
»Verschließ die Tür und warte.«​
Mit einem Scheppern schloss sich die Tür des Aufbaus des Pferdewagens. Die Jungfrau des Schwertes sackte auf ihre Knie und strich sich über den Arm, den Goblin Slayer bis gerade noch so fest im Griff gehabt hatte.​
»Ja ... Ich warte auf dich ..., sagte sie leise. Weil sie diesen Satz danach noch einmal wiederholte, klang es wie ein Gebet.​
»Mhm ... Was ist denn los ... ?«, fragte die Akolythin verschlafen und öffnete die Augen.​
Die Erzbischöfin biss sich auf die Unterlippe. Dabei zog sie das Waagenschwert näher an sich heran. Ihre Lippen bebten. Sie antwortete: »Die Goblins sind hier ...«​
Sie sagte nur diesen einen Satz und sprach dann ein stilles Gebet. Dies war die einzige Art, wie sie den Abenteurern jetzt noch zur Seite stehen konnte.​
Bitte lasst die Goblins auf keinen Fall lebend entkommen!​
»GOOROBOROGB!!«​
Das war das Angriffssignal der Goblin Reiter. Einer von ihnen schoss auf seinem Wolf aus einem Gebüsch hervor und schmiss sich auf Goblin Slayer. Der Krieger wehrte den Angriff ab, indem er das Biest inklusive Reiter auf seinen Schild fallen ließ und sie dann zur Seite schlug.​
»GYAN?!«​
Der Wolf fiel heulend neben dem Lagerfeuer zu Boden. Der Abenteurer ging sofort in die Offensive und zertrat der Bestie die Kehle, um dann den Hals des Reiters mit seiner Klinge zu durchbohren. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass beide tot waren, wandte sich Goblin Slayer dem nächsten Gegner zu, der aus dem Dickicht herausgeschossen kam.​
»Ts...«​
Der Krieger schnalzte mit der Zunge, als er merkte, dass seine Waffe in der Leiche des ersten Goblins feststeckte. Deshalb griff er nach dem Knüppel, den ebenjener noch festhielt, und schlug damit seitwärts zu.​
»GGBORORB?!«​
Er traf das Reittier des angreifenden Goblins so hart am Rücken, dass sein Rückgrat brach und der Reiter abgeworfen wurde. Goblin Slayer hechtete zu ihm und zertrümmerte ihm den Schädel.​
»GORGB?!«​
»Zwei.«​
Ein Auge und Teile des Hirns platzten aus dem Kopf des Goblins hervor, doch der Krieger kümmerte sich nicht darum. Er warf den Knüppel nach einem dritten Reiter und riss sein Schwert aus der Leiche des ersten getöteten Goblins.​
»Lasst sie nicht entkommen. Wir bringen sie alle um.«​
»Die Goblins haben sicher den gleichen Befehl erhalten«, meinte die Elfe, die in der Nähe des Pferdewagens Stellung bezogen hatte. Sie hatte längst bemerkt, dass die Angreifer ihr Lager umstellt hatten. Doch dies entmutigte sie nicht. Mit einem „Ha ha“ zog sie zwei Pfeile aus dem Köcher und ließ sie so schnell von ihrer Sehne fliegen, dass es nahezu unmöglich erschien, dass sie auch noch gezielt hatte. Die Geschosse beendeten das Leben des Goblins und des Wolfes, nach denen Goblin Slayer den Knüppel geworfen hatte.​
»GOROR?!«​
»Und noch einer!«, rief die Waldläuferin und schoss einen Pfeil nach einem Gegner, der sich noch gar nicht gezeigt hatte.​
Das Geschoss flog in einem unmöglichen Bogen über den Pferdewagen und durchbohrte die Brust eines Goblin Fußsoldaten.​
»GROBORB?!«​
Schwankend und schreiend fiel der Goblin um. Damit hatte die Elfe bereits zwei der grünen Teufel erledigt.​
»Von hier unten ist es schwer, alles im Blick zu behalten!​
Zwerg, hilf mir!«​
»Oho?«​
Noch bevor der Zwerg begriff, was seine Kameradin von ihm wollte, hatte sie ihn als Trittbett benutzt, um auf den Aufbau des Pferdewagens zu klettern.​
»Ich gebe von hier oben Deckung!«​
»Langohr! Wie kannst du es wagen?! Verdammt noch mal!«​
Während der Zwerg meckerte, schwang er seine Axt und spaltete einen Goblin in zwei Teile, dessen Eingeweide sich danach auf dem Boden verteilten.​
»GBORROB?!«​
Nach den Reitern griffen jetzt auch immer mehr Goblins zu Fuß an. Es mussten auch noch mal mehr als zehn oder sogar zwanzig sein. Sie konnten es sich wohl nicht nehmen lassen, diesen Pferdewagen anzugreifen ..., dachte sich der Zwerg. Zu viele ihrer Gegner waren schon in das Lager der Abenteurer eingedrungen, weshalb er keine Zeit hatte, um sich auf Zauber zu konzentrieren. Er schüttelte das Blut von seiner Axt und wandte sich dann der Priesterin zu.​
»Hey! Komm her! Schnell!«​
»Ja! Tut mir leid!«​
Das Mädchen hatte allein auf einer Freifläche gestanden, was viel zu gefährlich war. Schnell eilte sie an die Seite des Schamanen. Dabei schwang sie immer wieder ihren Stab, um sich einige Goblins vom Leib zu halten.​
»Uwah?!«​
Plötzlich schnappte jedoch ein Wolf nach ihr, dessen Maul sie nur knapp entgehen konnte. Der Zwerg ließ seine Axt durch die Luft sausen und beendete kurzerhand das Leben der Bestie.​
»GYAN?!«​
»Bist du verletzt?!«, fragte der Zwerg seine Kameradin.​
»Ne... Nein! Es tut mir leid.«​
»Schon gut! Du musst dich nicht entschuldigen!«​
Der Reiter des Wolfs war von seinem Reittier gefallen und hatte sich dabei das Genick gebrochen, weshalb der Zwerg seine Leiche einfach wegtrat und sich auf den nächsten Gegner konzentrierte. Die Priesterin ließ ihren Blick über den Platz wandern. Als sie Goblin Slayer sah, atmete sie erleichtert auf. Das Licht des Feuers spiegelte sich in seiner Waffe wider.​
»Statt um ein Wunder zu bitten, wäre die Schlinge hier sinnvoller, oder?«​
»Wahrscheinlich schon. Heiliges Licht würde sie bestimmt nur verscheuchen ...«​
Die Priesterin nickte dem Schamanen zu. Dann lehnte sie ihren Stab gegen den Wagen und holte ihre Schleuder hervor. Sie begann, Steine vom Boden auf ihre Gegner zu feuern. Da es relativ dunkel war, fiel ihr das Zielen schwer, aber schließlich traf sie das Bein eines Goblins und ...​
»GROB!«​
»Hab ich dich!«​
Der kleine Teufel blieb stehen und direkt schoss ein Pfeil der Elfe herbei und traf ihn in der Brust. Er sackte tot in sich zusammen.​
»Ha ha ha! Ein wenig Feuerschutz macht alles einfacher!«​
Der Echsenmensch war bester Laune und um seinen Körper aufzuwärmen, schmiss er sich gleich auf die Gegner. Er begann damit, zwei Goblins mit seinen Krallen zu zerfetzen und biss einen dritten mit seinen Reißzähnen zu Tode. Noch bevor die durch die Luft geschleuderte Leiche des zerbissenen Goblins auf dem Boden aufprallte, wurde eine weitere dieser finsteren Gestalten von seinem Schwanz zertrümmert. Obwohl er gerade vier Gegner in einem Rutsch vernichtet hatte, war der Mönch noch völlig entspannt.​
»Aber die Offensive liegt mir im Blut!«​
»Elf ... Ganz deiner Meinung.«​
Die Abenteurer mussten bereits die Hälfte aller Goblins vernichtet haben, doch sie durften nicht unachtsam werden. Goblin Slayer zog einen Speer aus der Kehle eines Goblins und warf ihn auf einen Goblin Reiter hinter dem Lagerfeuer.​
»GBORRO?!«​
»Das heißt also ...«​
Der Speer traf ihn in seinem Bauch und er fiel vom Wolf herunter und ins Feuer. Asche wirbelte durch die Luft und der Goblin schrie fürchterlich, während er bei lebendigem Leib verbrannte, doch seine Kameraden lachten ihn nur gackernd aus. Goblin Slayer nutzte die Zeit und nahm einer Goblin Leiche einen Dolch ab.​
»Zwölf ... Kannst du außen herum?«​
»In der Sprache meines Volkes lässt sich nicht ausdrücken, dass man etwas nicht kann«, erklärte der Echsenmensch fröhlich und leckte sich mit der Zunge über die Nasenspitze. Er legte seine Hände auf mysteriöse Art zusammen.​
»Dann werde ich mich mal etwas vergnügen.«​
Nahezu geräuschlos sprang der Mönch über das Feuer hinweg und war dann hinter dem Rauch nicht mehr zu sehen. Goblin Slayer zog währenddessen eine Fackel aus seiner Tasche. Er warf sie ins Lagerfeuer, damit es nicht komplett ausging.​
»GRRO?!«​
Ein Goblin wollte die Chance nutzen und griff den Krieger an, der die Attacke aber mit seinem Schild abwehrte und seinem Gegner das Leben nahm, indem er ihm den Dolch ins Rückenmark rammte. Dann rannte er los, um zu seinen Kameraden am Pferdewagen zu stoßen. Einer der kleinen Teufel wollte sich dem Abenteurer in den Weg stellen, doch er erledigte ihn mit zwei kräftigen Tritten.​
»Vierzehn!«​
Als er seine Kameraden erreichte, erkannte er, dass sie alle wohlauf waren. Goblin Slayer atmete erleichtert durch.​
»Goblin Slayer!«, rief die Priesterin freudig.​
Der Krieger nickte ihr kurz zu und befahl dann:​
»Wir erzeugen einen Amboss.«​
»Hä?«, entgegnete die Priesterin verwundert.​
»Orcbolg, fang du jetzt nicht auch noch an ...!«, rief die Elfe vom Wagen herab.​
»Wir verstärken die Verteidigung!« Goblin Slayer ignorierte die Einwände der Frauen komplett.​
»Schutzwall! Beeilung!«​
»Äh, j... ja!«​
Während die Priesterin nach ihrem Stab griff, wehrte Goblin Slayer den Angriff eines Goblins mit seinem Schild ab und trieb ihm den Dolch in die Magengrube.​
»GOROB!«​
»Fünfzehn. Damit sind es noch acht. Drei davon sind Reiter.«​
Nachdem der Krieger die Klinge aus dem Goblin gezogen hatte, sackte der Leichnam direkt zusammen. Der Abenteurer wischte das dickflüssige Blut des gerade erledigten Gegners von der Waffe und nahm wieder Kampfhaltung ein.​
»Beschützt die andere Seite. Die hier erledige ich.«​
»Ich kümmer mich drum! Auch wenn ich kein Nahkämpfer bin!«, antwortete der Zwerg sofort und lief dann mit einem Grinsen los.​
Er trug nur eine dünne Rüstung, aber er war durch und durch ein Mitglied seines Volkes. Wenn er seine Axt mit voller Wucht schwang, würde ein Goblin dem nichts entgegenzusetzen haben.​
»Hmpf. Das gefällt mir gar nicht!«, beschwerte sich die Elfe.​
»Später entschuldigst du dich dafür!«​
»Ich weiß nicht, was du meinst«, erwiderte Goblin Slayer vollkommen gelassen.​
Er versteht es sicherlich nicht ... , dachte die Priesterin und lächelte. Dann riss sie ihren Stab in die Höhe und sprach ein Gebet.​
»Höchst barmherzige Erdmutter. Bitte beschütze uns Schwache mit deiner Erde.«​
Ein unsichtbares Kraftfeld legte sich über den Wagen und die Gruppe.​
»GOROROB!«
»GROBG! GROORBBGRB!!«​
Die Goblins machten sich über die Abenteurer lustig. Einer von ihnen hatte sich verdrückt und das Mädchen hatte versucht, irgendeine Art von Magie zu wirken, und war daran gescheitert. Was für ein Haufen Idioten! Zuerst würden sie die Männer töten und dann die Frauen. Die Weibchen in dem Wagen würden sie dann für andere Zwecke benutzen. Zumindest bis sie nicht mehr zu gebrauchen waren. Einer der Goblins fuhr sich gierig mit der Zunge über die Lippen. Wie würde die stolze Elfe wohl reagieren, wenn sie ihr die Beine ausrissen? Die Bestie hielt es vor Vorfreude schon nicht mehr aus und vergaß dabei vollkommen, dass der Kampf noch lange nicht vorbei war.​
»GOBRRRR...?«​
Zuerst bekam ein Goblin Reiter, der in den hinteren Reihen auf eine günstige Möglichkeit wartete, um zuzuschlagen, etwas mit. Er hörte Schritte, die sich im Dickicht näherten, und ging davon aus, dass sie von einem verspäteten Kameraden stammten. Er drehte sich zu ihm um, um sich zu beschweren ...​
»GOROBBGB?!«​
. . . doch brach direkt darauf Blut spuckend auf dem Rücken seines Wolfs zusammen.​
»GYAN?!«​
Der Wolf begann zu heulen und ließ die anderen Goblins so wissen, dass etwas nicht stimmte.​
»GOOR! GOBG!«​
Aus der Dunkelheit der Nacht schossen weiße Schatten auf sie zu. Es waren Gestalten, die aus nichts weiter als Knochen bestanden. »Zerschneidende Klaue meines Vorfahren Iguanodon lvana. Vier Glieder. Zwei Beine. Erhebe dich aus dem Boden.«​
Der Echsenmensch ließ seine Drachenzahnkrieger mit lautlosem Gebrüll auf seine Gegner los. Sie hatten gedacht, dass der Abenteurer geflohen war, und nicht in Betracht gezogen, dass er die Chance nutzen könnte, um sie aus dem Hinterhalt zu überfallen.​
»Oho, mit dieser Tat kann ich angeben, bis wir in der Hauptstadt sind, werter Goblintöter!«​
Von den Drachenzahnkriegern bedrängt rückten die Goblins immer näher an den Schutzwall heran, hinter dem die Abenteurer bereits mit gezückten Waffen warteten.​
»Sie sitzen in der Falle, nicht wahr?«, fragte die Priesterin, während sie sich darauf konzentrierte, das Wunder aufrechtzuerhalten.​
»Ganz genau«, sagte Goblin Slayer ruhig.​
»Jetzt werden wir sie alle umbringen.«​
Als die Nacht sich ihrem Ende näherte, waren alle Goblins längst erledigt.​
Blut, Fleisch und Knochen von Goblins und Wölfen waren überall auf der Wiese verteilt und färbten diese gemeinsam mit dem morgendlichen Sonnenlicht rot ein. Die Priesterin kniete sich inmitten der Überreste hin und sprach ein Gebet an die Erdmutter, in dem sie darum bat, die Seelen der Toten zur Ruhe kommen zu lassen. Egal, ob Goblin oder nicht, das Mädchen war der Überzeugung, dass alle Wesen nach dem Tod ein Recht darauf hatten, in Frieden zu ruhen.​
»Bist du fertig?«​
»Äh, ja ...«​
Die Priesterin stand auf und merkte erst jetzt, dass Goblin Slayer begonnen hatte, die Leichen auf einen Stapel zu häufen. Der Gestank, der von diesem ausging, war widerlich und obwohl das Mädchen ihn auf so ziemlich jedem Abenteuer roch, auf das es mit Goblin Slayer ging, hatte es sich noch immer nicht daran gewöhnt.​
»Was hast du vor?«​
»Wie viele waren es?«, fragte Goblin Slayer, ohne auf die Frage der Priesterin zu antworten.​
»Wie viele sind ihnen zum Opfer gefallen?«​
»Ahm ...«​
Die Priesterin schaute sich verwundert um. Ihr Blick traf den der Erzbischöfin, die mit leiser Stimme auf Goblin Slayers Frage​
antwortete:​
»Ich habe gehört, dass ihnen mindestens eine Gruppe von fünf oder sechs zum Opfer gefallen sein soll ...«​
»Ist das so?«​
Goblin Slayer zog einen Dolch aus seinem Gürtel.​
»W... Was hast du jetzt vor?«​
»Mach die Tür zu.«​
Goblin Slayers Aussage machte klar, dass er keine Widerrede zuließ, weshalb die Priesterin mit einer leisen Entschuldigung alle Türen und Fenster des Aufbaus des Pferdewagens schloss. Sie erkannte dabei, dass die Erzbischöfin, die im Inneren des Aufbaus saß, vollkommen bleich war. Sie wusste sicherlich, was der Krieger plante.​
Nachdem die Priesterin fertig war, rammte Goblin Slayer den Dolch in den Bauch einer Goblin Leiche und riss ihn auf.​
»Uargh ...« Eine Blutfontäne spritzte hervor, weswegen die Elfe, die auf dem Wagen Ausschau hielt, angewidert ihr Gesicht verzog. Sie war daran gewöhnt, dass man Tiere ausnahm, ausbluten ließ und ihnen die Haut abzog, aber das hier war etwas anderes.​
»Was machst du denn da, Orcbolg?«​
»Ich überprüfe etwas.«​
Besudelt von Goblin Blut gab Goblin Slayer eine Antwort, die sein Verhalten nicht im Geringsten erklärte.​
»Ach, Mann. Mach, was du willst ...«​
»Oje, ich werde erst mal wohl kein Fleisch mehr essen können ...«, sagte der Zwerg, aber wirkte dabei relativ gelassen.​
Er strich sich über den Bauch und behielt die Umgebung im Blick.​
Die Priesterin hingegen beobachtete Goblin Slayer und biss sich dabei auf die Unterlippe. Nur der Echsenmensch bot dem Krieger seine Unterstützung an.​
»Werter Goblintöter, soll ich dir helfen?«​
»Bitte.«​
Mit schleifendem Schritt begab sich der Mönch neben seinen Kameraden und machte sich mit seinem Reißzahnschwert ans Werk.​
»Hmpf ...«​
Nachdem Goblin Slayer den Mageninhalt einer Goblin Leiche untersucht hatte, machte er sich daran, auch den einer Wolfs-Leiche zu untersuchen. Er verteilte alles auf dem Grasboden.​
»U... Örgs ...«​
Das, was die Priesterin zu sehen bekam, sorgte dafür, dass sie sich übergab. Es waren halb verdaute Arme, Beine und andere menschliche Körperteile.​
»Das ist nicht genug, sagte der Krieger und warf der Priesterin einen Wasserbeutel zu. Dankbar spülte sie sich den Geschmack des Erbrochenen aus ihrem Mund.​
»Wie siehst du es?«, fragte Goblin Slayer den Mönch.​
»Wer weiß?« Der Echsenmensch kniete sich zwischen die verschiedenen Körperteile und pikste mit seiner Waffe in ihnen herum. »Es könnte sein, dass sie neben dem Futter für die Wölfe noch mehr aufbewahrt haben ... Aber sehr wahrscheinlich ist das nicht ...«​
»Als wandernder Stamm sollten sie all ihren Proviant eigentlich dabeihaben.«​
»Aber sie hatten kein Gepäck.«​
Die Elfe saß auf dem Wagen und begann meckernd damit, die Gegend abzusuchen, um zu dem Schluss zu kommen, dass auch nirgendwo in der Nähe etwas abgestellt worden war, das das Gepäck der Goblins hätte darstellen können.​
»Das heißt ...«​
Der Zwerg verzog angewidert das Gesicht, als er die Überreste der Menschen sah. Es waren nicht genug für fünf oder sechs Personen.​
»Es gibt noch mehr von ihnen, oder?«, murmelte die Priesterin mit schwacher Stimme.​
Da die Antwort auf der Hand lag, antwortete ihr keiner.

***
»W... Wow ·.•​
Bei dem Anblick, der sich ihr bot, konnte die Priesterin ihr Staunen nicht verbergen. Seitdem sie das Grenzland verlassen hatten, waren einige Tage vergangen, und jetzt näherten sie sich endlich der Hauptstadt. Sie befanden sich auf einer von weiten Feldern flankierten Straße, über die ein frischer Wind wehte, und in der Ferne war bereits die aus weißen Marmorblöcken errichtete Stadtmauer zu sehen. Sie ist so hoch, dass man beim Hochschauen Gefahr läuft, einen steifen Nacken zu bekommen. Ob sie im Sommer wohl der ganzen Straße Schatten spendet?​
Die Mauer war nicht nur das Produkt hervorragender Handwerkskunst, sondern auch das von mächtiger Magie. Sie hatte bereits so manche Katastrophen und Kriege überstanden und trotz wechselnder Herrscher beschützte sie schon seit Tausenden von Jahren zuverlässig deren Bewohner. Die Priesterin hatte bereits in Erzählungen von ihr gehört, aber sie selbst noch nie gesehen. Sie war vollkommen überwältigt.​
»Es ist wirklich beeindruckend, oder?«, fragte die Priesterin aufgeregt ihre Kameraden.​
Es war, als hätte sie den Vorfall mit den Goblins vollkommen vergessen.​
»Wahrscheinlich sind diese Mauern noch älter als ich«, antwortete die Elfe vom Dach des Wagens herab. Dass ihre grünen Augen zu funkeln schienen, war ein Ausdruck ihrer Neugier und der Beweis dafür, dass sie es ungeheuer genoss, Orte zu besuchen, die sie vorher noch nie gesehen hatte.​
»Sag mal. Warum treiben sich in der Nähe der Mauer Leute herum?«​
»Eine Stadtmauer«, erklärte der Zwerg bedeutungsschwer, »ist das beste und wichtigste Mittel, um eine Stadt ordentlich zu schützen.​
Gleichzeitig ist sie auch der ganze Stolz einer Stadt. Deshalb muss sie immer wieder gereinigt werden. Verstehst du? Aber sag mal, dir scheint es da oben echt zu gefallen, was?«​
»Nun ja, ich muss ja auch alle Himmelsrichtungen im Blick behalten. Nicht wahr, Orcbolg?«​
»Ja«, antwortete Goblin Slayer beiläufig und breitete einen Fetzen Haut aus, den er aus einem Goblin herausgeschnitten hatte.​
»Urgh... Was willst du mit dem Fetzen?«​
»Es könnte sein, dass es überlebende dieses Stamms gibt. Vielleicht existiert sogar jemand, der sie anführt.«​
»»Wenn es um diese Markierung in deren Haut geht, hättest du sie doch abzeichnen können.«​
»Ich wollte Fehler vermeiden.«​
Goblin Slayer strich über den Hautfetzen und folgte mit einem Finger den Linien der Zeichnung, die dem Goblin unter die Haut gestochen worden war. Schließlich nickte er und steckte den Hautfetzen wieder weg.​
»Diese Markierung erinnert mich an eine Hand, aber ich bin mir nicht sicher ... Es ist seltsam ...«​
»Äh ... Ja ...«, antwortete die Priesterin und kam dann auf das eigentliche Thema zurück.​
»Aber es sind wirklich viele Leute hier!«​
Das Mädchen schaute sich aufgeregt um und lief dabei immer langsamer.​
»Pass auf, wir verlieren dich sonst«, mahnte Goblin Slayer.​
»I... Ich weiß doch. Ich weiß das doch ...«, antwortete die Priesterin und schämte sich ein wenig dafür, wie ein kleines Kind gescholten worden zu sein.​
Sie schaute nach unten und merkte, dass der Boden unter ihren Stiefeln plötzlich gepflastert war. Je näher die Gruppe der Stadtmauer kam, desto mehr Leute waren auf der Straße und schließlich waren sie komplett umringt. Obwohl das Stadttor alles andere als klein war, hatten die Abenteurer das Gefühl, dass sie sich mit dem Wagen nahezu hindurch quetschen mussten. Wesen unterschiedlicher Völker, unterschiedlichen Geschlechtes und unterschiedlichen Standes trieben sich herum und es war unmöglich, sie alle auseinanderzuhalten. Händler versuchten, Reiseproviant zu verkaufen, und mischten sich dabei unter die Wesen, die die Stadt betraten oder verließen. Das Treiben musste aus der Ferne wie ein sich ständig bewegendes Mosaik wirken und es überwältigte die Priesterin vollkommen.​
»Findet ein Fest oder Ähnliches statt?«​
»Nein, hier ist es immer so«, antwortete die Erzbischöfin kichernd aus dem Wagen heraus.​
»In so einer Hauptstadt versammeln sich nun einmal viele Leute ...«​
»Wo so viele Wesen an einem Ort zusammenkommen, da entsteht auch viel Streit. Als Abenteurer hätten wir hier sicherlich viel zu tun«, warf der Echsenmensch ein und verdrehte dabei fröhlich die Augen.​
Es war beeindruckend, wie gelassen er den Pferdewagen durch die Menschenmassen lenkte.​
»Meine Art ist allerdings vorzüglich dafür geeignet, um in einer Stadt als Schattenläufer zu arbeiten.«​
»Du könntest aber auch ein großartiger Leibwächter sein, Schuppiger!«, rief der Zwerg und lachte schallend. Wegen seiner Körpergröße hatte man das Gefühl, dass er in der Menschenmenge förmlich weggeschwemmt werden müsste, doch er hielt stand.​
»Bartschneider hingegen würde sich hier langweilen. So ganz ohne Goblins.«​
»Woher willst du wissen, dass es hier keine gibt?«, gab der Krieger zurück.​
»Ach, red keinen Quatsch!«​
Der Zwerg schaute nach vorne. Anders als in der Stadt im Grenzland wurde das Tor von Soldaten bewacht, die jeden, der die Stadt betreten wollte, kontrollierten. Und das erforderte Zeit.​
»Das wird wohl noch eine Weile dauern.«​
Der Schamane zuckte mit den Schultern, holte ein paar Münzen aus seinem Geldbeutel hervor und verschwand in der Menge. Kurz darauf kam er mit ein paar Flaschen in den Händen zurück, von denen er eine der Elfe zuwarf.​
»Ist doch langweilig, einfach nur zu warten, oder?«​
»Huch? Danke ... Was ist das?«​
In der Flasche befand sich eine dickflüssige hellviolette Flüssigkeit. Die Elfe zog den Stöpsel und erkannte, dass sie süßlich roch.​
»Es nennt sich Sapa. Es besteht aus Trauben, die lange in einem Topf aus Blei und Bronze gekocht wurden.«​
»Hmpf ...«​
Die Elfe roch erneut an der Flasche und schüttelte dann ihren Kopf.​
»Ich kann das Metall förmlich riechen. Ich trink das lieber nicht.«​
»So wählerisch ... Kein Wunder, dass du so flach bist, Ambossmädchen.«​
Mit einem „Hrmpf!“ warf die Elfe die Flasche zurück zum Zwerg. Weil sie diese nicht erneut verschlossen hatte, hätte der Inhalt leicht auslaufen können, doch der Zwerg fing das Behältnis geschickt auf und trank es in zwei großen Schlucken leer.​
»Dein Pech, es ist nämlich verdammt lecker!«​
»Ä... Ähm ... Ist Blei denn nicht gefährlich für den Körper?«, fragte die Priesterin besorgt.​
»Keine Angst, Zwerge haben einen so groben Körper, dass ihnen so etwas nichts ausmacht.«​
»Nenn uns lieber robust!«​
Nach einem genüsslichen Rülpser fuhr der Zwerg sich durch den Bart. Der Echsenmensch verdrehte die Augen und fragte:​
»Hast du sonst noch etwas besorgt?«​
»Ach ...«​
Der Schamane musterte die Flaschen, die er gekauft hatte.​
»Willst du etwas Posca?«​
»Was ist das?«​
»Oh!«, rief die Jungfrau des Schwertes.​
»Das ist eine Art von Essig, oder?«​
»Oho, Ihr kennt Posca?«​
»Ich war früher eben auch eine Abenteurerin.«​
Posca bestand aus Traubenwein, der über die Zeit sauer und zu Essig geworden war und dann mit Wasser verdünnt wurde. Zusammen mit etwas Honig wurde er zu einem süßsauren Erfrischungsgetränk, das viele Abenteurer aufgrund seiner langen Haltbarkeit wertschätzten.​
»Kann ich Euch für eine Flasche begeistern?«​
»Darf ich wirklich?«​
»Aber natürlich.«​
Der Zwerg reichte der Erzbischöfin eine Flasche Posca durch ein Fenster im Wagenaufbau. Sie strich zärtlich über den Stöpsel, zog ihn heraus und leerte die Flasche dann in einigen Zügen.​
»Meine Güte ... Das gehört sich doch nicht!«, beschwerte sich die Akolythin.​
»Wieso denn nicht?«, fragte die Jungfrau des Schwertes und leckte sich über die Lippen.​
Dann schenkte sie dem Zwerg ein Lächeln und verbeugte sich.​
»Vielen Dank. Es war vorzüglich.«​
»Na, das ist doch die Hauptsache«, antwortete der Zwerg und warf seinen Kameraden grinsend auch jeweils eine Flasche zu.​
»Wow, ist das süß!«​
»Am Ende ist das doch auch nur Traubensaft, oder?«​
Nachdem die Priesterin und die Elfe einen Schluck genommen hatten, verzogen sie ihre Gesichter. Als Nächstes öffnete Goblin Slayer seine Flasche und kippte sich deren Inhalt in den Hals. Egal, ob Alkohol oder Essen, er schaufelte und goss eigentlich alles immer kommentarlos in sich hinein, weshalb die Priesterin sein Verhalten auch nur lächelnd mit einem „Er ist wirklich unverbesserlich“ kommentierte.​
Der Echsenmensch fing seine Flasche, winkte aber ab und sagte:​
»Nein, danke. Ich verzichte. Ich bin nicht durstig, sondern hungrig.«​
»Hungrig also ...«​
Der Zwerg strich sich nachdenklich durch den Bart und musterte die Schlange vor ihnen. Es war längst Mittagszeit und er könnte eine der Essensboxen der Verkäuferinnen hier am Tor kaufen, doch wenn sie sich geduldeten, wartete innerhalb der Stadt eine riesige Auswahl an Restaurants auf sie.​
»In der Stadt soll sich auch Käse gerade gut verkaufen ...«​
»Hm ...«, meldete sich jetzt auch Goblin Slayer zu Wort.​
»Das ist interessant.«​
Da er dies mit todernster Stimme sagte, begann die Gruppe zu lachen. Selbst die Akolythin im Wagen konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Nur die Jungfrau des Schwertes lachte nicht. Sie festigte ihren Griff um das Waagenschwert.​
»Ist etwas?«​
»Nein ...«, antwortete sie der Akolythin.​
»Es ist nichts.«​
»Na gut.«​
Die Jungfrau des Schwertes blickte zur Decke des Wagenaufbaus und seufzte. Sie hatte gedacht, dass sie von solch mädchenhaften Gefühlen längst befreit war.​
»Es ist wirklich kompliziert ...«​
Plötzlich war das Geräusch eines nahenden Pferdewagens, begleitet von rufenden Soldaten, zu hören. Unter Aufruhr teilte sich die Menge vor dem Tor. Dann kam ein luxuriöser Wagen in Sicht, der von zwei äußerst prächtigen Pferden gezogen wurde. Er war mit Gold verziert und trug das Symbol eines Löwen - das Siegel der königlichen Familie. Der Wagen wurde von Rittern in glänzenden Rüstungen eskortiert. Ihre Ausrüstung ließ sie so heldenhaft erscheinen, dass ihnen die Bewunderung eines jeden Betrachters sicher war. Auch der Priesterin fiel die Kinnlade herunter, als sie sie erblickte.​
»Wow ...«​
»Du kommst wohl gar nicht mehr aus dem Staunen raus, was?«​
Die Elfe musste laut kichern, aber setzte dann einen genervten Gesichtsausdruck auf.​
»Wegen denen werden wir jetzt wohl noch länger hier vor dem Tor warten müssen. Vielleicht sollte ich ein paar Pfeile auf sie herabregnen lassen«​
Die Priesterin wedelte aufgeregt mit ihrem Stab.​
»H... Hör auf! Wenn du das machst ...!«​
»Ja, ich weiß!«​
Die Waldläuferin schnaufte laut aus.​
»Die sind sicher durch starke Zauber geschützt.«​
Das Gesicht der Priesterin verkrampfte sich, während sie dachte:​
Würde sie also schießen, wenn sie nicht durch Zauber geschützt wären?!
»Aber warum hat der König wohl überhaupt die Stadt verlassen? Hat das einen besonderen Grund?«, fragte die Elfe neugierig.​
»Steuern«, antwortete Goblin Slayer.​
»Es ist Erntezeit und an Orten, wo er keine Vertreter hat oder wo es leicht zu Aufständen kommen könnte, geht der König sie lieber selbst eintreiben.«​
»Hm ... Du kennst dich aber gut aus.«​
»Ich komme aus einem Bauerndorf.«​
»Wie?«​
Es war unklar, ob der Ausruf von der Priesterin oder der Jungfrau des Schwertes gekommen war, aber beide stellten sich gerade vor, wie der Mann mit dreckigem Eisenhelm und billiger Lederrüstung auf einem Feld arbeitete. Dann fiel ihnen ein, dass er bestimmt auch auf dem Bauernhof aushalf.​
»Hm ...«​
Die Priesterin nickte leicht und sagte dann:​
»Keine Angst, ich finde, dass es zu dir passen würde.«​
»Ist das so?«​
Nachdem der Wagen des Königs das Tor passiert hatte und in der Stadt verschwunden war, entspannten sich die Gesichter der Soldaten deutlich. Anscheinend war die Alarmbereitschaft aufgelöst worden, denn die Schlange bewegte sich viel schneller als zuvor.​
»Aber ich muss sagen«, die Priesterin kniff die Augen zu, »das war ein äußerst luxuriöser Wagen.​
Und dann wird er noch von so stolzen Soldaten beschützt.«​
»Natürlich muss der König beschützt werden und darf nicht allein aufbrechen«, sagte der Schamane. Weil er aber viel von Verzierungen verstand, fügte er hinzu: »Der Wagen an sich ist aber kein Luxus, sondern eine nötige Ausgabe.«​
»Ach, wirklich?«​
»Was würdest du davon halten, wenn dein Stammesoberhaupt auf einem verdorrten Baum wohnen und nur Lumpen tragen würde?«​
»Äh ...«​
Die Elfe ließ die Ohren hängen.​
»Das würde mir gar nicht gefallen.«​
»Und wenn er allein umherwandern und die Steuern von allen verlangen würde?«​
»Dann würden sie ihn umhauen.«​
»Ganz genau. Es ist Teil seiner Arbeit, stattlich auszusehen.«​
Die Priesterin seufzte und sagte:​
»Erhabene Personen haben es nicht einfach, oder?«​
Sie hatte lange Jahre die Oberpriesterin im Tempel bei ihrer Arbeit beobachtet und auch einmal den göttlichen Tanz aufgeführt, aber wie schwer es für einen König sein musste, konnte sie sich nicht ausmalen. Sie schielte zum Wagen, der neben ihr fuhr, und sah die Jungfrau des Schwertes leicht lächeln. Doch war das ein echtes Lächeln? Sie konnte es nicht sagen. Aber ich verstehe sie immer noch besser als Goblin Slayer.​
»König zu sein ist bestimmt nervig«, seufzte die Elfe.​
»Dabei bist du doch selbst eine Prinzessin ...«, stöhnte der Zwerg.​
Der Schamane und die Waldläuferin verhielten sich wie immer, selbst hier vor den Toren der Hauptstadt. Die Priesterin kicherte amüsiert und der Echsenmensch verdrehte vergnügt die Augen.​
»Die Gilde wird auch mit Steuern unterstützt und ohne die Gilde wären wir nichts weiter als Halunken«, sagte er und drückte damit seine Dankbarkeit aus.​
Der Echsenmensch sah in der Tat bedrohlich aus und es gab einige Stämme seines Volkes, die sich sogar dem Chaos verschrieben hatten. Da sein Volk also den ungläubigen Charakteren nahestand, war es für ihn bestimmt schwer gewesen, sich als würdig zu erweisen.​
»Hoffentlich nehmen sie uns keine Steuern für lange Ohren ab ...«, schnaufte die Elfe und versicherte den anderen aber anschließend, dass Steuern ja generell in Ordnung seien. Dann kniff sie mit einem Grinsen die Augen zusammen, schaute zum Zwerg und sagte:​
»Oder wie wäre es mit einer Steuer für fassrunde Körper?«​
»Hah! Wenn sie das machen, gibt es einen Aufstand! Einen Aufstand, sage ich euch!«​
»Seid ruhig«, unterbrach Goblin Slayer die beiden.​
»Wir erreichen das Tor.«​
Die Priesterin legte verwundert ihren Kopf schief. Es war selten, dass Goblin Slayer sich bei so etwas zu Wort meldete. Dann erkannte sie, dass die Schlossmauer von einem breiten und tiefen Graben umringt war. Dieser war wahrscheinlich errichtet worden, um Verteidiger abschießen zu können, während sie mit der Überquerung des Wassers kämpften. Die Abenteurer konnten die Stadt jedoch über eine Brücke betreten, an der Ketten befestigt waren.​
»Stehen geblieben! Zeigt eure Papiere!«, rief ein Soldat der Gruppe zu.​
Der Echsenmensch stoppte den Wagen und stieg von der Fahrerbank herab. Dann musterte er die polierte Ausrüstung des Wachpostens. Er war besser ausgerüstet als sie. Da er aber für alle Eventualitäten gewappnet sein musste, war das kein Wunder. Die Priesterin zog an ihrem Kragen und holte das um ihren Hals hängende Abenteurerabzeichen hervor. Dann fragte sie: »Reicht das hier?«​
Normale Reisende hatten Passierscheine und Händler Abzeichen der Händlergilde. Abenteurer hingegen besaßen ihre eigenen Abzeichen.​
»Kannst du schreiben?«, fragte der Soldat, nachdem er sich kurz das des Mädchens angeschaut hatte.​
Die Priesterin nickte. Da es das erste Mal war, dass sie auf diese Weise kontrolliert wurde, war sie sehr nervös. Als der Soldat dann aber auf ein Buch auf einem Pult zeigte, wich die Nervosität der Neugier.​
»Schreibt bitte eure Namen und den Grund eures Besuchs auf.«​
»Äh ... Reicht es, wenn ich schreibe, dass wir jemanden beschützen?«​
»Solange ihr alle Abenteurer seid, ja.«​
Zögernd tunkte die Priesterin eine Schreibfeder in ein Tintenfass, bevor sie etwas unbeholfen, aber dennoch ordentlich ihren Namen notierte. Hier in der Hauptstadt mussten so viele Leute ein- und ausgehen, dass sie es sich kaum vorstellen konnte, dass diese Angaben alle verwaltet wurden. Das musste sicherlich sehr viel Geld kosten.​
»Gut, dann bitte noch der Zwerg, die Elfe und der Echsenmensch«, sagte der Soldat.​
»Sehr wohl.«​
Der Mönch legte seine Hände seltsam zusammen.​
»Mein Name ist ein wenig kompliziert, aber das geht in Ordnung?«​
»Ja, kein Problem. Wesen fremder Völker sind hier nicht gerade selten.«​
»Na dann.«​
Der Mönch streckte seine schuppige Hand etwas unbeholfen aus und nahm die Feder von der Priesterin entgegen. Die Elfe beobachtete ihren Kameraden dabei, wie er seinen Namen aufschrieb, und rief mit wackelnden Ohren:​
»Ich will als Nächste! Ich trag dann auch den Zwerg ein!«​
»Wie kindisch ...«, schnaubte dieser genervt und beobachtete die Waldläuferin dann genau dabei, wie sie elegant ihren und seinen Namen aufschrieb.​
Der Soldat schaute den Abenteurern seelenruhig bei ihrem Treiben zu und bewies damit, dass er wirklich an das Verhalten anderer Völker gewöhnt war. Als sein Blick jedoch auf den verschmutzten Abenteurer fiel, fragte er verwundert:​
»Und was ist mit dir?«​
»Ich bin Abenteurer«, antwortete Goblin Slayer knapp und warf der Wache sein Abzeichen zu. Er wollte wohl gar nicht erst versuchen, sich zu erklären.​
Der Soldat fing das Abzeichen und betrachtete es mit misstrauischem Blick. Während er es überprüfte, sagte die Priesterin: »Wenn es aus Gold wäre, könnten Sie drauf beißen, um es zu überprüfen.«​
»Das ist kein Trick, oder?«​
»Die Gilde hat mich anerkannt«, erwiderte Goblin Slayer kurz angebunden.​
Der Soldat holte einen Kollegen heran und beriet sich kurz mit ihm. Dann fragte er:​
»Du bist kein Dunkelelf, oder?«​
»Nein.« Der Krieger hob das Visier seines Helms. »Ich werde doch von einer Elfe begleitet.«​
»Das stimmt wohl. Sie wird sich sicherlich nicht das Gesicht weiß gepudert haben.«​
Die Priesterin seufzte und die Elfe zuckte mit den Schultern.​
Dies taten die beiden nicht, weil sie sich über die Soldaten ärgerten, sondern weil sie sich fragten, ob Goblin Slayer sich nicht freundlicher verhalten konnte. Sollten sie ihn dazu auffordern? Aber dann würden sie sich vielleicht unnötig einmischen.​
Ach, egal ... , dachte sich die Elfe und machte einen Schritt nach vorne, als ...​
»Im Namen Gottes«, ertönte auf einmal eine warme und charmante Stimme aus dem Wagen, »bestätige ich, dass er wahrlich ein Abenteurer des Silber-Rangs ist.«​
»D... Die Erzbischöfin!«, riefen die Soldaten erschrocken, als sie erkannten, wer sich da aus dem Fenster lehnte, und nahmen Haltung an.​
»W. ... Wir bitten vielmals um Entschuldigung! Bitte fahrt weiter!«​
Die Erzbischöfin lächelte, aber die Priesterin erkannte, dass sie leicht seufzte. Autorität bedeutet gleichzeitig Macht. Man muss dabei aber vorsichtig sein, sie nicht auszunutzen.​
»Vielen Dank für das Angebot, aber Formalitäten sind nun mal Formalitäten. Es wäre nett, wenn mir jemand das Buch reichen könnte.«​
»J ... Ja! Sofort!« Hastig wandte sich der Soldat Goblin Slayer zu.​
»Los! Schreib schnell deinen Namen rein!«​
Goblin Slayer schnappte sich die Feder und ließ sie über das Papier huschen. Die Priesterin verzog ihre Lippen, als sie die kritzelige Schrift ihres Kameraden sah. Gleichzeitig fühlte sie eine gewisse Art von Stolz darüber, dass sie dazu imstande war, sie zu lesen.​
»Reicht das?«​
»J... Ja!«​
Der Soldat griff sich das Buch und trug es zum Wagen. Die Jungfrau des Schwertes nahm es entgegen und strich unbeholfen über die Seiten, woraufhin die Akolythin ihr zu Hilfe kam.​
Die Priesterin beobachtete währenddessen Goblin Slayer.​
Dieser schaute die Schlossmauer hoch. Er schien dabei verträumt und das Mädchen konnte seinen Augen nicht glauben.​
»Ist irgendwas?«, fragte sie.​
»Nein.«​
Goblin Slayer schüttelte langsam den Kopf.​
»Das ist also die Hauptstadt.«​
»Ja ...«​
Die junge Abenteurerin richtete ihren Blick jetzt auch auf das obere Ende der Mauer.​
»Ich war noch nie hier. Du aber auch nicht, oder?«​
»So ist es. Eigentlich wollte ich irgendwann meine Schwester herbringen.«​
Die Priesterin spürte, wie sich ein warmes Gefühl in ihrer Brust ausbreitete, was dazu führte, dass sie lächeln musste.​
»Vielleicht wirst du das irgendwann doch noch können ...«​
Goblin Slayer schwieg kurz und nickte dann.​
»Das wäre schön.«​
Wenig später waren die Formalitäten abgeschlossen und die Gruppe betrat die Hauptstadt.​


Nach Oben
 

Edward Teach

Anime-Pirat
VIP
Kapitel 66

Abenteuer in der blühenden Stadt


Nachdem sie unter den drei großen Fallgittern der Stadtmauer hindurchgegangen waren, öffnete sich der Blick der Gruppe auf eine eher ländlich wirkende Landschaft. Lange Aquädukte transportierten Wasser zu einem großen Gebäude, aus dem Rauch aufstieg. Die Straße, auf der die Abenteurer ins Stadtinnere reisten, war jedoch alles andere als ländlich. Sie war voller Wesen, die aufgeregt miteinander redeten, diskutierten und sogar musizierten.​
»F... Findet hier wirklich gerade kein Fest statt?«, fragte die Priesterin überrascht.​
Die Elfe kicherte und antwortete:​
»Die Städte der Menschen sind doch immer so belebt, oder? Ich habe mich an solch eine Stimmung eigentlich schon gewöhnt, aber hier wirkt alles noch einmal ein wenig enger.«​
Den Eindruck bekam die Waldläuferin durch den ewig lang wirkenden Strom von Passanten, der sich die Straße entlang schob, begleitet von den Gebäuden, die ebenjene links und rechts flankierten. Obwohl es hier keine Decke gab, fühlte die Elfe sich ein wenig wie in einem beengten Labyrinth.​
»Dürfte ich den Herrschaften vielleicht den Weg weisen?«​
Ein buckeliger Greis trat an die Gruppe heran. Er schien ein Fremdenführer zu sein. Mittlerweile wurde es dunkel und auch wenn die meisten Straßen der Stadt von Laternen erhellt wurden, die die Magieschüler entzündeten, konnte man sich leicht verlaufen.​
»Wir haben mehr als genug Gruppenmitglieder, die im Dunkeln sehen können«, gab Goblin Slayer schroff zurück.​
Der Greis blinzelte und schaute zur Elfe und zum Echsenmenschen.​
»Ach ja, es tut mir leid. Falls meine Dienste dennoch benötigt werden sollten, sprechen Sie mich jederzeit an.«​
Dann verschwand er mit unsicheren Schritten in der Menge.​
»Ihr Menschen habt es echt schwer, oder? Ihr könnt im Dunkeln gar nicht sehen«, murmelte die Elfe, während sie ihm nachsah.​
»Wie will er denn da Geld verdienen?«​
»Im Notfall kann er einfach anfangen, Touristen die Sehenswürdigkeiten zu zeigen«, erklärte der Zwerg, der dem Ganzen interessiert zugesehen hatte, scharfsinnig.​
»Und außerdem ... Auch wenn wir im Dunkeln sehen können, können wir uns trotzdem noch auf unbekannten Straßen verlaufen.«​
»Werte Erzbischöfin, wie soll es jetzt weitergehen?«, fragte der Echsenmensch, während er weiterhin den Wagen lenkte.​
»Ja ...«​
Die Jungfrau des Schwertes legte ihren Kopf leicht schief.​
»Es wäre großartig, wenn ihr mich zum Tempel bringen könntet, aber ihr wart noch nie in der Hauptstadt, nicht wahr?«​
»Es ist mir etwas peinlich, aber ich bin zum ersten Mal hier.«​
Der Echsenmensch verdrehte die Augen.​
»Dem Rest meiner Gruppe geht es wohl auch so.«​
»Würdest du dann bitte meinen Anweisungen folgen?«, fragte die Erzbischöfin, woraufhin die Akolythin sich beschwerte.​
»Ihr müsst das doch nicht selbst machen!«​
»Es gibt hier so viele Straßen und die meisten von ihnen sind noch nicht einmal beschildert. Ist es nicht gut, dass ich uns den Weg weisen kann?«​
Der Wagen rumpelte weiter die Straße entlang, während die Abenteurer ihn dabei flankierten. Abends waren die Straßen der Hauptstadt besonders voll und wenn die Gruppe um Goblin Slayer nicht mit einem Wagen unterwegs gewesen wäre, hätten sie alle Hände voll damit zu tun gehabt, den rücksichtslosen Fußgängern auszuweichen. Da jene aber nicht von dem Wagen zerquetscht werden wollten, machten sie den Weg frei. Es mochte an den Schlossmauern gelegen haben, aber die Luft war stickig und kein Licht schien bis tief in die Wege hinein. Es war wie in einem Labyrinth, in dem man für immer verloren war, wenn man einmal vom Weg abkam.​
Jedoch ...​
Rauch stieg aus den Schornsteinen der vielen Häuser auf und mit ihm verbreitete sich der Geruch leckerer Mahlzeiten in der Luft. Wenn man genauer hinschaute, erkannte man, dass unter den vielen Fußgängern eine Menge Männer unterwegs waren, die nach ihrer Arbeit etwas trinken gehen wollten, und man erblickte Frauen, die versuchten, eben jene in verschiedene Läden zu locken. Hin und wieder sah man unter den Vordächern einiger Häuser Personen sitzen, die bereits angeheitert dabei waren, Spiele zu spielen. Eines davon bestand darin, Zinnfiguren mithilfe von Karten über ein Spielbrett zu bewegen. In der Nähe hatten Kinder ihr Spielbrett in den Boden eingeritzt und statt Figuren nutzten sie Steine. Wie in dem vorigen Spiel bewegten sie ihre Figuren mithilfe von Karten, doch es gab anscheinend eine Regel, dass man in jeder Runde irgendwann​
»Lang lebe der König!« rufen musste.​
Das Spiel der Kinder wurde unterbrochen, als ihre Mutter kam, um sie abzuholen. Wahrscheinlich war es an der Zeit fürs Abendessen, aber die Kinder schien das nicht zu stören, denn sie liefen jubelnd auf ihre Mutter zu. Einige Alte, die sich von den Kindern hatten ablenken lassen, widmeten sich jetzt wieder ihrem eigenen Spiel. Schließlich hatten sie abgemacht, dass die Person, die die ersten fünf Runden gewann, heute nicht für ihre Getränke würde bezahlen müssen. Neben all dem Trubel gab es auch jede Menge Verkäufer, die ihre Waren aus fernen Ländern anboten und Kristalle in vielen Formen anpriesen. Während Goblin Slayer das Treiben um die Gruppe herum skeptisch betrachtete, kniff die Priesterin fröhlich grinsend die Augen zusammen. Sie genoss die Atmosphäre und die vielen verschiedenen Düfte, die in der Luft lagen. Diese Tageszeit um den Sonnenuntergang herum liebte sie. Egal, ob sie in einer Stadt war oder in einem Dorf. Zwar wusste sie nicht, was sie hier in der königlichen Hauptstadt alles erwartete, aber hassen würde sie es sicher nicht. Sie ließ ihren Blick umherwandern, der schließlich an einer Stelle hängen blieb.​
Magieschüler in schwarzen Mänteln, die ihre Zauberstäbe ausstreckten und die Straßenlaternen entzündeten. Sie biss sich kurz auf ihre Unterlippe und beschleunigte ihre Schritte.​
***

Der Tempel huldigte dem Gott des Rechts und der Ordnung und auch wenn er größer war als der Tempel der Erdmutter im Grenzland, stellte der in der Stadt des Wassers ihn in den Schatten. Er war mit relativ wenigen Verzierungen versehen und insgesamt sehr schlicht gehalten: weiße Marmorsäulen mit einem Dach, auf dem das Symbol eines Waagenschwerts befestigt war.​
»Er ist ja auch nur einer von vielen Tempeln in dieser Stadt«, sagte die Jungfrau.​
Die Elfe entgegnete darauf:​
»Ich war ehrlich gesagt davon ausgegangen, dass der Gott einer Heldin etwas pompöser gefeiert wird.«​
»Ja, das wird er ja auch, und zwar in der Stadt des Wassers.«​
Die Erzbischöfin öffnete die Tür des Pferdewagenaufbaus und die Akolythin half ihr beim Aussteigen. Auch wenn sie sich dabei mit dem Waagenschwert aufstützte, war es dennoch beeindruckend, dass sie in ihren Bewegungen nicht einmal minimal schwankte.​
»Erzbischöfin!«​
»Ihr müsst erschöpft sein! Vielen Dank, dass Ihr den Weg auf Euch genommen habt!«​
Tempeldiener kamen herangeeilt, um die Jungfrau des Schwertes zu begrüßen. Ihre Augen leuchteten voller Freude. Die Erzbischöfin schenkte ihnen ein Lächeln und bedankte sich bei ihnen für die Begrüßung. Der Echsenmensch drückte währenddessen einem der Tempeldiener die Zügel des Wagens in die Hand und sprang von der Fahrerbank herunter.​
»Nun gut ... Dann wollen wir das Gepäck abladen. Wo wollen wir denn übernachten, werte Kameraden?«, fragte der Mönch.​
»Übernachtet doch bitte hier im Tempel«, antwortete eine Tempeldienerin, die sich bereits daran versuchte, ein Gepäckstück abzuladen, und unter seinem Gewicht stöhnte.​
Der Echsenmensch kam ihr schnell zu Hilfe und stellte dabei seine Kräfte zur Schau.​
»Meine Güte ...«, sagte die Tempeldienerin erstaunt.​
»Vielen Dank. Wir haben mehrere freie Zimmer, also könnt ihr gerne hier übernachten.«​
»Hm... Ein freundliches Angebot sollte man in der Regel annehmen.«​
Die Priesterin begrüßte die Tempeldienerin, während die Elfe geschickt vom Wagen heruntersprang.​
»Ich stimme zu. Ich glaube aber nicht, dass das eine königliche Suite sein wird«, erwiderte die Waldläuferin dann auf den Hinweis des Mönchs.​
»Wir sollten es als Teil der Belohnung sehen.«​
Der Zwerg strich sich durch seinen Bart und schaute zur Sonne, die kaum noch am Horizont zu sehen war.​
»Wenn wir Pech haben, sind die Gasthäuser eh schon alle voll. Wie siehst du das, Bartschneider?«​
»Mir soll es recht sein.«​
Der Krieger wartete kurz und ergänzte dann:​
»Ich habe keinen Grund, um abzulehnen.«​
Die Jungfrau des Schwertes festigte ihren Griff um das Waagenschwert und die Priesterin merkte, dass sie gleichzeitig erleichtert, aber auch irgendwie enttäuscht seufzte.​
»Es gibt allerdings etwas, das ich untersuchen möchte. Gibt es hier ein Schriftenlager?«, fragte Goblin Slayer.​
»Ja, selbstverständlich«, antwortete die Erzbischöfin direkt.​
»Ich werde dich sofort hinführen.«​
»Aber vorher laden wir die Sachen ab und dann gibt's Essen!«, warf der Zwerg mit erhobenem Zeigefinger in die Runde.​
»Moment mal. Du hast doch eben erst getrunken und gegessen«, entgegnete die Elfe.​
»Ach komm! Ich bin nicht so schlimm wie ein Rhea!«​
Der Schamane ließ den Einwurf der Waldläuferin mit einem Schulterzucken an sich abprallen.​
»Was ist mit dir, Schuppiger?«​
»Ich sehne mich nach einem schönen saftigen Stück Fleisch.«​
Der Mönch strich sich mit seiner schuppigen Hand über den Bauch.​
»Und das am besten mit etwas Käse.«​
»Dann werde ich dir das Schriftenlager nach eurer Rückkehr zeigen. So machen wir es? Ja.«​
Die Erzbischöfin beantwortete sich selbst ihre Frage, so als wolle sie sich selbst gut zureden. Goblin Slayer nickte nur kurz in ihre Richtung und wandte sich dann der Priesterin zu.​
»Bist du mit dem Vorgehen einverstanden?«​
»Äh ... Ja ... Ahm ...«​
Sie hatte gerade ihre Unterhaltung mit der Tempeldienerin beendet und ihr Blick wanderte hin und her.​
»I... Ich würde gern einen Ort besuchen gehen ...«​
»Oho ... Das ist aber ungewöhnlich ...«, gab der Zwerg überrascht zurück.​
Auch wenn man es an ihrem Verhalten in der Regel nicht merkte, war die Priesterin noch recht jung und äußerte selten ihre eigenen Wünsche.​
»Weißt du, wie du dahin kommst?«​
»Ja, die Adresse und den Weg dorthin habe ich eben erfragt.«​
Die Priesterin schaute der Tempeldienerin hinterher, die auf dem Weg zurück in den Tempel war, und fügte leise hinzu:​
»Wenn es nicht geht, dann muss es auch nicht sein.«​
Sie blickte zu Goblin Slayers Helm, doch sie konnte seinen Gesichtsausdruck dahinter nicht erkennen.​
Der Krieger stieß ein tiefes Brummen aus und sagte:​
»Allein unterwegs zu sein ist gefährlich.«​
Weil er so redete, als würde die Priesterin gleich ein düsteres Labyrinth untersuchen, stöhnte die Elfe und entgegnete:​
»Ich werde sie begleiten. Dann ist es okay, oder?«​
Der Echsenmensch nickte seiner mit den Ohren wackelnden Kameradin zu und sagte dann:​
»Wir teilen uns in eine Dreier und eine Zweiergruppe auf.«​
»Abgemacht. Bist du damit einverstanden, Bartschneider?«​
Goblin Slayer ließ seinen Blick zwischen der Elfe und der Priesterin hin und herwandern.​
»Mir soll es recht sein.« Der Krieger wartete kurz und ergänzte dann:​
»Ich habe keinen Grund, um abzulehnen.«​
»Wie oft willst du das noch sagen?«, schimpfte der Zwerg, aber wandte sich dann einem anderen Thema zu. Er rieb sich erfreut die Hände und fragte: »Sehr geehrte Erzbischöfin. Könntet Ihr uns leckere Gaststätten empfehlen?«​
Die Jungfrau des Schwertes festigte ihren Griff um das Waagenschwert.​
***

Das Gasthaus Zum Goldenen Ritter war eine alte Schenke, die bereits zum Zeitpunkt der Gründung der Abenteurergilde existiert hatte. Zwar wurden viele Orte als Schenken bezeichnet, doch in dieser Stadt gab es zahlreiche Varianten davon: Tavernen, Gaststätten, Restaurants und so weiter, doch diese hier gehörte zu den beliebtesten der Stadt. Wenn man das Etablissement betrat, schlug einem direkt eine Welle aus Krach und zotenhaften Unterhaltungen entgegen. Eine Waldläuferin war gerade dabei, sich mit einem schwer gepanzerten Krieger zu streiten, und ein fernöstlich wirkender Schwertkämpfer und eine Diebin schauten ihnen dabei zu. An anderer Stelle becherte ein junger Magier, was das Zeug hielt, während seine Kameraden ihn umringten. Eine weitere Gruppe, bestehend aus einem Mönch, einem Padfoot Krieger, einem Rhea Magier und einer wunderschönen Freibeuterin, saß in einer Ecke des Raums. In einer anderen saß eine Magiewirkerin mit ihren Schülern und an einen Tisch mit einer pummeligen Magierin und einer Heilerin gesellten sich ein Krieger mit Eisenhelm und eine Schwertkämpferin. Es war ein Anblick, den es in dieser Welt häufiger zu sehen gab, seitdem die Gilde der Abenteurer existierte. Diese Schenke hatte sich über die lange Zeit ihrer Existenz zu einem Zufluchtsort für Abenteurer entwickelt und auch heute war sie für jene ein Ort der Begegnungen und Abschiede. Einem jungen Abenteurer, der allein an einem Tisch saß, stand die Freude auf zukünftige Abenteuer ins Gesicht geschrieben und wahrscheinlich hoffte er gerade darauf, hier eine schicksalhafte Begegnung zu erleben. Doch seine Hoffnung würde sicherlich unerfüllt bleiben. Seine nigelnagelneue Rüstung und der fehlende Helm verrieten, dass er ein Frischling war, und da er anscheinend auch keine Magie beherrschte, würde niemand ihn ansprechen. Ihm würde nur die Option bleiben, selbst Kontakte zu suchen oder allein loszuziehen. Ein Abenteurer musste von selbst zur Tat schreiten, denn wer das nicht konnte, der würde im Feld nicht sehr lange überleben. In einer weiteren Ecke des Raums stand ein Tisch, auf dem ein paar wilde Kerle amüsiert würfelten. Ihr Spiel war jedoch ganz anders als das der Alten oder Kinder, denn sie spielten um Geld. Neben dem Tisch waren an die Wand Würfel genagelt, als wären sie die aufgespießten Köpfe besiegter Feinde. Der Grund dafür war, dass es sich um gezinkte Würfel handelte und sie abschreckend auf Schummler wirken sollten.​
»Hach ... Diese Würfel sind von Amateuren gemacht worden«, sagte der Zwerg, nachdem er sie mit leicht zugekniffen Augen gemustert hatte.​
Dann setzte er sich an einen gemütlichen Platz bei der Feuerstelle.​
»Profis verwenden welche mit Quecksilber. Mit denen kann man frei bestimmen, was für eine Zahl als Nächstes geworfen wird.«​
Er rieb sich seine dicken Hände und schnupperte genüsslich an den Speisen, die vor ihm abgestellt wurden. Es gab Eier, die in der Asche des Ofens gegart und dann mit einer öligen Soße aus Eigelb und Zitronen übergossen worden waren, sowie einen Eintopf, der aus Sahne, Kohl und Schinken zubereitet worden war. Des Weiteren hatten sie einen Reisbrei, der mit Meerbrassen Fleisch und Eingeweiden serviert wurde, und einen Gänsebraten, der mit derselben Soße wie die Eier übergossen worden war, bestellt. Als Nachtisch wurden mit Honig übergossene Trauben, Pfirsiche und Äpfel serviert.​
»Aber gut zu wissen, dass hier Schummler unterwegs sind. Wobei ich mich frage, wer außer ein paar Rhea extra hierher reisen würde, um zu würfeln.«​
»Diener des Gottes des Handels können die Augenzahl der Würfel doch auch einfach mit dem Wunder Glück bestimmen, oder?«, fragte der Echsenmensch und leckte sich mit der Zunge über seine Schnauze.​
»Nun ja, ein Wurf ist ein Wurf. Egal, ob Schicksal oder Zufall, an einem gefallenen Ergebnis kann man nichts mehr ändern.«​
Als ein Stück Käse aus Ziegenmilch gebracht wurde und der Mönch es anzustarren begann, musste der Zwerg laut lachen.​
»Sobald das Würfelergebnis entschieden ist, können selbst die Götter nichts mehr tun!« Der Zwerg hob seinen Krug und prostete einem Heiler, einem Magier, einem Paladin und einem Dieb zu, die gerade ihren Sieg über einen Dämon feierten. Dann trank er das Gefäß in einem Zug leer.​
»Aber ich bin überrascht, dass die Erzbischöfin uns solch einen Laden empfohlen hat.«​
»Sie war doch früher auch Abenteurerin«, sagte der Echsenmensch gewichtig, während er das Stück Käse hochhob und es wie ein Ausstellungsstück begutachtete.​
»Aber damals soll dieser Laden noch in einer Stadt im Norden existiert haben.«​
»Oho.«​
Der Schamane strich sich durch den Bart.​
»Das heißt also, dass es vor ungefähr zehn Jahren war.«​
»Genau.«​
Der Mönch nickte und wackelte dabei mit dem Schwanz.​
Der Zwerg fragte sich, wie alt sein schuppiger Kollege wohl sein mochte. Wenn er so redete, musste er die Ereignisse damals im Norden mitbekommen haben.​
»Hallo, die Herrschaften! Dürfte ich fragen, woher Sie kommen?«, sprach die Abenteurer plötzlich ein freundlich lächelnder Barde an. Erstaunlicherweise schien er sich nicht im Geringsten vor dem Echsenmenschen zu fürchten, der ihn freundlich grüßte und dabei die Hände auf mysteriöse Weise zusammenlegte.​
»Aus dem Grenzland im Westen.«​
»Interessant. Aus dem Westen? Ich verstehe.«​
Der Barde nickte und begab sich tiefer in die Schenke, wo er zu singen begann:​
»Selbst in der Ferne wird sie verehrt.
Geliebt vom Erhabenen:
Die Jungfrau des Schwertes.
Unter den sechs Goldenen war sie die ehrwürdige Heilige.
Die Waage der Gerechtigkeit
und das tapfere Schwert trug sie wie wenige.
Sie liebt alle sprechenden Völker
und erzeugt mit ihren Gebeten göttliche Wunder.
Sie kämpfte mit den sechs Goldenen,
um den Dämonenfürsten zu besiegen.
Und auch jetzt dient sie dem Recht und beschützt die Hiesigen.
Bis in alle Ewigkeit wird sie verehrt.
Geliebt vom Erhabenen:
Die Jungfrau des Schwerts.
«​
Er zupfte die Saiten seines Instruments und sang über die Taten von einigen Abenteurern, die vor ungefähr zehn Jahren gegen den Strom des Todes gekämpft hatten, der aus dem Norden herbei geweht war. Viele Abenteurer hatten sich in der Festung im Norden versammelt und sich an dem Labyrinth des Todes versucht, doch waren von ihm verschluckt worden, bis sechs Abenteurer dem Schrecken ein Ende bereitet hatten. Diese sechs waren damit zu Helden geworden.​
»Ich verstehe. Er singt Reisenden Lieder über die Gegend und verdient so Geld. Ein cleverer Einfall«, sagte der Echsenmensch und legte ein paar Münzen für den Musiker auf den Tisch.​
»Als die Sache im Norden erledigt war, ist der Besitzer mit dem Laden also hierher zurückgekommen?«​
Während der Zwerg darüber nachdachte, ob der Besitzer des Ladens vielleicht ein Bekannter der Erzbischöfin war, stieß er einen herzhaften Rülpser aus.​
»Und worüber zerbrichst du dir gerade den Kopf, Bartschneider?«​
Bevor Goblin Slayer antwortete, nahm er sich etwas von dem Eintopf und schob sich einen Löffel durch den Helm zum Mund. Weil das Gericht anders schmeckte, als er es aus dem Grenzland gewohnt war, legte er den Kopf schräg.​
»Hast du es etwa gemerkt?«​
»Natürlich!«​
Der Zwerg schnaufte und füllte seinen Krug mit Wein.​
»Wir sind schon über ein Jahr zusammen in einer Gruppe. Wenn Menschen fünfzig Jahre werden, dann haben wir bereits ein Fünfzigstel deines Lebens miteinander verbracht. Das ist ziemlich lang.«​
Goblin Slayer beobachtete seinen Kameraden genau dabei, wie er sich den Becher Wein zu Gemüte führte, bevor er einen Schenkel der Gans abriss und darauf herumkaute.​
»Hier kann ich keine Goblins jagen.«​
»Erst das Abenteuer am Meer und jetzt der Schutz der Frau ... Nun ja, auf dem Weg haben wir ein paar erledigt, aber du hast schon recht«, entgegnete der Echsenmensch und biss in den Käse.​
Er schlug mehrfach mit dem Schwanz auf den Boden und rief:​
»Ein Festschmaus!«​
Nachdem er den Knochen abgenagt hatte, leckte sich der Schamane über die Finger und wischte sich das Fett aus dem Bart. Er wollte sich gerade noch mehr Fleisch nehmen, als Goblin Slayer sagte:​
»Aber es hat Spaß gemacht.«​
Der Zwerg und der Echsenmensch hörten mit dem Essen auf und warfen sich erst einen überraschten Blick zu, bevor sie zu dem Krieger schauten.​
»Dennoch gab es in letzter Zeit Schatten von Goblins«, sagte der Krieger und griff zum Krug. Er leerte ihn in einem Zug und sagte dann:​
»Es ist meine Bestimmung.«​
»Bestimmung?«​
»Ja.«​
Goblin Slayer nickte dem Zwerg zu.​
»Ich bin Goblin Slayer.«​
Trotz des Lärms kam es dem Zwerg und dem Echsenmenschen so vor, als würden sie nichts weiter als das Knistern des Feuers hören. Es war, als wären sie in einem anderen Raum als all die anderen Besucher des Etablissements. Ironischerweise hatte der Barde vor Kurzem begonnen, ein Lied über den Goblintöter zu singen, der eine junge Adlige aus den Fängen von Goblins rettete.​
»Hmpf ...«​
Der Zwerg schaute hoch zur Decke des Gasthauses. Die Zeit hatte ihre Spuren an ihr hinterlassen und das Muster, das dort zu erkennen war, erzählte die Geschichten, die hier vorgefallen waren. Nach einer Weile grinste der Schamane und fragte:​
»Weißt du, wie man Schwerter schmiedet?«​
»Nein ...«​
Goblin Slayer schüttelte den Kopf.​
»Ich weiß es nicht.«​
»Na gut. Ich werde es dir verraten.«​
Der Zwerg breitete seine stämmigen Arme aus.​
»Erhitzen, schlagen, abkühlen. Dann erneut erhitzen.«​
»Erhitzen, schlagen, abkühlen. Dann erneut erhitzen«, wiederholte der Krieger wie bei einem Gebet.​
»Man darf sich keinem der Schritte zu ausgiebig oder zu nachlässig widmen.«​
»Das scheint viel Arbeit zu sein«, warf der Echsenmensch ein.​
»Nicht wahr?«​
Der Zwerg grinste breit.​
»Weiche Schwerter halten keinen Schlägen stand und harte Schwerter schneiden gut, aber zerbrechen leicht. Was ist also ein gutes Schwert?«​
Die Worte des Schamanen klangen wie ein Zauberspruch. Er befeuchtete seine Lippen und fuhr fort.​
»Wenn man mit einer Klinge kämpft, wird sie schartig, und beim Schleifen wird Metall abgetragen. Irgendwann ist von der Klinge dann nichts mehr übrig. Was ist also ein gutes Schwert?«​
Goblin Slayer horchte den Worten seines Kameraden wie ein kleines Kind denen seines Großvaters, bevor er antwortete:​
»Ich weiß es nicht.«​
»Wie auch? Man sollte sein Leben einfach leben, ohne sich den Kopf über solche Dinge zu zerbrechen.«​
Der Zwerg formte eine Faust über seinem runden Bauch.​
»Stahl hat viele Geheimnisse. Es ist eine schwierige Angelegenheit.«​
Mit einem lauten Knistern fielen einige aufgeschichtete Holzscheite im Feuer zusammen und ein Angestellter der Schenke kam herangeeilt. Er stocherte mit einem Schürhaken im Feuer herum. Der Echsenmensch schaute dem Menschen dabei zu, bis er wieder ging. Dann fing er lauthals an zu lachen und sagte:​
»Ha ha ha! Werter Magiewirker, du redest wie ein Mönch!«​
»Was würdest du als wahrer Mönch denn jetzt Bartschneider sagen?«​
»Hm ... Das ist wirklich nicht so einfach.«​
Der Echsenmensch verdrehte die Augen und nahm sich einen Metallspieß. Er riss ein Stück Käse ab und steckte es auf den Spieß, dann hielt er ihn über das Feuer.​
»Es gibt nicht viele Regeln, an die sich alle halten müssen.«​
Der Mönch drehte den Spieß mehrfach, aber der Käse behielt seine Form.​
»Man lebt mit ganzer Kraft und dann stirbt man, aber das ist alles andere als einfach.«​
Der Käse fing langsam an zu schmelzen.​
»Selbst die Tiere dieser Welt können nicht einfach leben, wie sie es wollen.«​
Der Käse hatte die ideale Weichheit erreicht.​
»Sorgen sind Teil des Lebens. Sie gehören dazu.«​
Der Echsenmensch verschlang den Käse.​
»Oh, welch Nektar!«​
»Hmpf ...«​
Der Zwerg streckte seine Hand erneut nach dem Gänsebraten aus.​
»Du hast doch fast das Gleiche gesagt wie ich.«​
»Das bedeutet dann wohl, dass wir beide der Wahrheit nahe sind.«​
Goblin Slayer erinnerte sich, dass er vor langer Zeit schon einmal etwas Ähnliches gehört hatte. Er war mit verbundenen Händen in die Fluten eines eiskalten Baches geworfen worden.​
»Tauche runter und stoß dich vom Boden ab!«, hatte der Rhea Greis damals geschrien, während er einen Dolch herum schwang.​
»Nur so kannst du zum Luftholen hochkommen! Du musst es immer wieder machen! Sonst stirbst du!«​
Und genau so hatte der Krieger es gemacht. Ansonsten wäre er jetzt nicht mehr hier.​
»Ach so ...«​
Er war der Wahrheit also nahe.​
»Ja«, antwortete der Echsenmensch.​
»So ist es«, stimmte der Zwerg zu.​
»So ist das also«, sagte Goblin Slayer und aß noch einen Löffel vom Eintopf.​
Er schmeckte ihm nicht schlecht.​
***

Ein Ort, an dem Steinplatten in langen Reihen standen. Sie stachen wie kleine Inseln aus einem Meer aus Laubblättern hervor, das nahezu unendlich erschien. Nur Zahlen, die in einige Steine geritzt waren, halfen einem hier bei der Orientierung. Dieser Ort war ein Friedhof und die Priesterin und die Elfe standen vor einem relativ neuen Grabstein, der hier erst seit etwas länger als einem Jahr stand. Die jüngere der beiden Abenteurerinnen wurde wehmütig, als sie den Namen auf dem Stein, der genau dieselbe Form wie alle anderen Grabsteine hier hatte, las. Sie hatte ihn nur einmal gehört, doch ihr war, als würde sie vor ihrer ehemaligen Kameradin stehen. Sie schloss ihre Augen und versuchte, sich an ihr Aussehen zu erinnern.​
»Es hat lange gedauert ...«​
Die Priesterin kniete sich hin und legte eine Hand auf den Grabstein.​
»Es tut mir leid ...«​
Es war das Grab der Magierin. Einer der ersten Kameraden der Priesterin und einer der Gründe, warum das Mädchen immer wieder darüber nachdachte, wie es damals hätte anders laufen können. Was wäre passiert, wenn sie nur einen Auftrag zum Vertreiben von Goblins angenommen hätten? Würden sie dann noch alle leben? Würde sie dann noch mit ihnen auf Abenteuer gehen? Wären sie gute Freunde geworden? Hätte sie die Vorlieben und Abneigungen der anderen kennengelernt? Sie würde die Antworten auf diese Fragen niemals erfahren. Sie waren ihr genommen worden. Doch dafür waren ihr andere Möglichkeiten gegeben worden. Sie ging jetzt mit der Elfe, dem Zwerg, dem Echsenmenschen und Goblin Slayer auf Abenteuer, aber natürlich machte sie das nicht glücklich. Glück und Unglück waren untrennbar miteinander verbunden, das wusste sie.​
»Ich gehe noch immer auf Goblin Jagd«, sagte die Priesterin und lächelte leicht.​
»Und auch wenn du damals schon deswegen mit mir geschimpft hast, zittere ich noch immer dabei.«​
Ja, so war es. Sie musste auf die Magierin damals wie ein Klotz am Bein gewirkt haben. Die Priesterin erinnerte sich daran, wie ihre Kameradin sie mit aufgerissenen Augen angeschrien hatte. Wahrscheinlich hatte sie noch so viele andere Gesichtsausdrücke gehabt, aber am Ende hatte sie keinen davon sehen können.​
»Ich bin deinem Bruder begegnet. Ich habe ihm einige Dinge beigebracht«, erzählte die Priesterin.​
»Ich bin zwar unerfahren, aber ich wusste einige Sachen, die ihm neu waren. Ich hoffe, du bist nicht sauer auf mich.«​
Weil sie nicht sicher war, was die Magierin gerne gemocht hatte, hatte sie ihr nichts mitgebracht, denn eine der wenigen Sachen, die sie über sie wusste, war, dass sie sauer geworden wäre, wenn sie willkürlich irgendetwas auf ihrem Grab abgelegt hätte.​
»Ich werde wiederkommen ..., sagte die Priesterin und stand auf.​
»Wessen Grab ist dies?«, fragte die Elfe.​
Sie stand etwas entfernt mit verschränkten Armen an einen Baum gelehnt.​
»Eine alte ... Ähm ...«, die Priesterin hielt kurz inne, bevor sie sagte:​
»... Kameradin.«​
»Ach so«, meinte die Elfe und näherte sich der Priesterin.​
»Was für eine Person war sie?«​
»Was für eine wohl?« Das Mädchen setzte einen undefinierbaren Gesichtsausdruck auf, als es diese Worte sprach. Ein kalter Windstoß ließ Blätter durch die Luft tanzen, weswegen sie ihren Hut festhalten musste.​
»Wir hatten leider nicht genügend Zeit miteinander, um solche Sachen herauszufinden.«​
»So etwas kann schon mal passieren ...«​
Die Elfe kniff ihre Augen leicht zusammen, als der kühle Wind ihr über die Wange strich. Sie hob ihren Kopf, als wolle sie die Düfte in der Luft erschnuppern.​
»Bekanntschaften sind schon etwas Seltsames. Egal, ob kurz oder lang.«​
»Ja ...«​
»Ist der Rest der Gruppe auch ...?«​
Die Priesterin schien die Frage zuerst nicht zu verstehen und legte den Kopf schief. Dann lächelte sie mit einem schlechten Gewissen und sagte:​
»Nein. Eine lebt noch. Jedoch ·.•​
»Jedoch?«​
»... fehlt es mir an Mut, sie zu treffen.«​
Die Stimme der Priesterin war sehr leise und ging im Rascheln der Blätter unter. Die Elfe mit ihren hervorragenden Ohren verstand jedoch, was das Mädchen gesagt hatte.​
»Ich glaube nicht, dass du dir allzu sehr darüber den Kopf zerbrechen solltest«, antwortete sie, »es ist ja nicht allein deine Schuld.«​
»Ich kann aber nicht einfach sagen, dass sie alle schuld sind.«​
»Du bist echt zu ernst ...«​
Die Elfe schnaubte, aber hatte das Gefühl, dass sie jetzt ein bisschen besser verstand, warum das Mädchen Goblin Slayer so sehr respektierte. Sie wusste nicht, ob das gut oder schlecht war, aber sie wollte sich damit jetzt auch nicht beschäftigen.​
»Na gut ... Dann lass uns zur Abwechselung mal etwas Unterhaltsames machen!«​
Als die Elfe plötzlich am Arm der Priesterin zog, schaute ihre Kameradin sie überrascht an.​
***

»W... Wow ...«​
Die Priesterin war in der Hauptstadt schon von vielen Dingen überrascht worden, aber es gab ja auch so viel zu entdecken. Gerade befand sie sich mit der Elfe in einer Lobby, die durch die hohe Decke ein Gefühl der Befreiung und Reinlichkeit ausstrahlte. Durch die Deckenfenster schien das Licht der Sterne und Zwillingsmonde herein und Kerzen erleuchteten den Raum. Dieser war voller Leute, die sich auf verschiedene Arten zu entspannen schienen. Einige von ihnen saßen mit aufgeschlagenen Büchern auf Bänken, während andere mit schweren Steinen in den Händen Sport betrieben. An einem Tisch saßen einige Personen und spielten ein Kartenspiel, in dem es darum ging, den Schwarzen Tod an seiner Ausbreitung zu hindern. Weitere Leute betrachteten Wandmalereien von Kriegern in Rüstungen, unter denen »Spelljammer« stand. Neben den Wandmalereien befand sich ein Aushang, auf dem bekannt gegeben wurde, wann auf dem Theaterplatz die Vorführungen stattfanden. Weil es angenehm warm im Raum war, schaute die Priesterin sich um, doch sie konnte keine Feuerstellen sehen. Eine Frau bemerkte den suchenden Blick des Mädchens und erklärte ihm mit einem Kichern:​
»In die Wände sind Rohre eingelassen, durch die warme Luft strömt.«​
Die Priesterin verbeugte sich vor der Frau, die in nichts weiter als ein sauberes weißes Tuch gekleidet war.​
»E... Entschuldigt ... Es war nur so sonderbar ...«​
»Ich habe gehört, dass das hier ein Badehaus wäre, aber es ist weitaus mehr als das, oder?«, fragte die Elfe mit wackelnden Ohren.​
Es scheint ihr hier zu gefallen, dachte die Priesterin und grinste. Eigentlich badeten Elfen nur in kaltem Wasser und kannten den Brauch des heißen Badens nicht, doch die Waldläuferin hatte seit ihrem Bad in der heißen Quelle Gefallen daran gefunden. Deshalb hatte sie auch unbedingt das Gebäude besuchen wollen, in das all die Aquädukte geführt hatten.​
»Ja, wir haben auch einen Sportbereich und bieten Massagen, kleine Mahlzeiten und Getränke an.«​
»Ach, aber was kostet ...«, setzte die Priesterin zur Frage an, denn sie wollte kein Geld verschwenden.​
»Das ist alles in der Eintrittsgebühr inbegriffen. Bitte entspannen Sie sich«, antwortete die Angestellte mit einem freundlichen Grinsen.​
Die Hauptstadt ist wirklich ein beeindruckender Ort ... Die Priesterin und die Elfe zahlten jeweils ein paar Bronzetaler und schauten sich weiter um. Sie kamen zu einer Götterstatue mit einem weiblichen und einem männlichen Gesicht, die eine Art Wasserkrug hochhielt. An einer Stelle auf der Statue stand​
»Opfergaben an die Gottheit des Bads« und direkt daneben befand sich ein Schlitz. Einige Kinder kamen aufgeregt heran gelaufen und warfen Kleingeld in die Statue, woraufhin automatisch Wasser aus dem Wasserkrug herauskam.​
»Wow!« ,​
Ein aufgeregtes Glänzen erschien in den Augen der Elfe.​
»Wie funktioniert das denn?«​
»Das weißt du nicht?!«, entgegnete ein Junge, der um die zehn Jahre alt sein musste.​
»Wenn man Geld rein tut, passiert drinnen etwas, damit sich der Deckel öffnet und Wasser herauskommt!«​
»Ach ...«​
Die hochnäsigen Worte des Jungen erklärten so gut wie gar nichts, doch die Elfe störte sich nicht daran und holte ihren Geldbeutel hervor. Als sie das Klimpern der Münzen hörte, spürte die Priesterin, wie der Druck, der bis eben noch auf ihrer Brust gelegen hatte, verschwand. Ich habe gehört, dass Menschen nur eine Stunde lang dasselbe Gefühl aufrechterhalten können, dachte sie. War es etwa wirklich so? Sie war ein wenig traurig, aber gleichzeitig auch beruhigt. Könnte sie all dies fühlen, wenn sie ihre Kameraden nicht hätte? Wahrscheinlich nicht. Sie musste leise lachen und beschloss, sich gelassen weiter umzusehen. Sie erkannte, dass man von der Lobby in Umkleiden gehen konnte, und vermutete, dass man die Bäder über diese erreichte. Für Spiele oder Ähnliches würden sie sicher keine Zeit haben schließlich wollte sie die anderen nicht warten lassen - aber zumindest ein Bad und ein Getränk würden sie sich doch gönnen können, oder?​
Hm? Nachdenklich legte die Priesterin einen Finger ans Kinn, als sie plötzlich ein seltsames Gefühl überkam. Werde ich beobachtet?
Vor einem Jahr hätte das Mädchen so etwas sicherlich nicht bemerkt, aber jetzt spürte es, dass etwas komisch war. Sie schaute sich im Raum um und fixierte schließlich eine Gestalt. Ist es diese Soldatin? Sie sah eine verschmutzte Kämpferin, die wahrscheinlich ihre Schicht beendet hatte und deshalb ins Badehaus gekommen war. Aber was hat sie denn? Obwohl sie nichts getan hatte, wofür ein Soldat sie rügen könnte, fühlte die Priesterin sich unwohl. Sie ging schnell zur Elfe und zog diese am Arm.​
»Hm? Warte kurz. Nur noch einmal.«​
»Nein, lass uns gehen, ja?«​
Sie dachte kurz, dass ihre Kameradin unverbesserlich war, aber nicht so wie Goblin Slayer.​
»Wir haben sonst keine Zeit fürs Baden ... Und dir geht noch das Geld aus.«​
Trotz der Aussage der Priesterin ließ die Elfe noch dreimal Wasser aus dem Krug fließen, bevor sie zusammen mit dem Mädchen in die Umkleide ging. Die der Frauen lag in Richtung des Frauengesichts der zweigeschlechtlichen Statue. In der Mitte der Umkleide gab es ein Kaltwasserbad. An ihren Wänden befanden sich Bänke und Abstellplätze für Gepäck. Da es Abend war, war das Badehaus gut besucht und es gab neben einigen Menschen auch Zwerginnen und Rheas, die sich auszogen, um ein erfrischendes Bad zu nehmen. Die Priesterin tat es ihnen gleich und legte ihre Priesterkleidung ab. So kam ihr schmaler Körper zum Vorschein, der zwar im vergangenen Jahr ein wenig an Muskeln gewonnen hatte, aber noch immer sehr zart war. Während die Priesterin ihre Kleidung ordentlich faltete, riss sich die Elfe ihre förmlich vom Leib und warf sie einfach in einen Korb hinein.​
»Wenn du deine Sachen nicht zusammenlegst, kriegen sie noch Falten«, sagte ihre junge Kameradin.​
»Ach, schon gut. Nicht so schlimm.«​
Die Elfe wedelte gleichzeitig mit ihren Armen und Ohren.​
»Hast du das Duftöl mitgebracht?«​
»Ja, ich habe mir eins von der Angestellten empfehlen lassen, aber es war teuer ...«​
»Das wird schon in Ordnung sein. Du verwendest es ja nicht, um danach ausgiebig auf den Putz zu hauen. Die Götter werden sich daran schon nicht stören.«​
»Ich finde, dass du ein wenig vorsichtiger bei so etwas sein solltest.«​
»Wow, jetzt beschwerst du dich über mein Verhalten? Dabei bin ich älter als du! Du solltest mich mehr respektieren!«​
»Was? Moment mal! Nicht!«​
Die Elfe streckte ihre Finger nach dem Körper der Priesterin aus und fing an, sie zu kitzeln. Die beiden kreischten kurz herum, als sich der Blick der Elfe auf den Umkleidekorb der Priesterin legte.​
»Du trägst das noch immer?«​
»Wie?«​
Die Frage der Waldläuferin bezog sich auf das Kettenhemd, das die Priesterin immer trug. Auch wenn das Mädchen sich gut um es kümmerte, war es bereits an einer Stelle geflickt worden und man konnte genau erkennen, welche Teile älter und welche neuer waren.​
»Äh, ja ... Es ist mir sehr wichtig.«​
»Dabei ist es kein legendäres Ausrüstungsstück oder so.«​
Die Priesterin kratzte sich verlegen an der Wange, während die Elfe sich dachte, dass ihre Kameradin sich zu sehr von Orcbolg beeinflussen ließ. Unter Elfen galt solch ein sentimentales Verhalten als äußerst schlecht, aber anstatt die Priesterin zu belehren, entschied sie sich, dass es jetzt eh zu spät war. Was sollte sie jemandem, der unter seinem Einfluss stand, schon beibringen?​
»Was denn?«, fragte das Mädchen neugierig.​
»Ach, nichts. Es ist gar nichts«, antwortete die Waldläuferin und wedelte mit ihrer Hand in der Luft.​
»Wollen wir uns gegenseitig den Rücken waschen?«​
»Ja, gern.«​
***

Nach dem Waschen rieben die beiden sich mit Duftöl ein und gingen in den Badebereich. Wie schon die Lobby und die Umkleide war auch der Baderaum angenehm warm und neben dem Becken mit warmem Wasser gab es auch ein großes Kaltwasserbad. Weiter hinten erblickten sie sogar ein Dampfbad.​
Mit einem „Ich bin kurz weg!“ rannte die Elfe los und ließ die Priesterin allein zurück, die sich ins Warmwasserbad setzte und die Beine ausstreckte. Sie stieß einen Seufzer aus, der sich mit der heißen Luft vermischte und zur Decke stieg.​
Irgendwie könnte ich jetzt auf der Stelle einschlafen ...​
Die Wärme drang in ihren Körper ein und gab ihr das Gefühl zu schmelzen. Sie streckte ihre Arme aus und musterte sie. Es war leicht zu erkennen, dass sie jetzt mehr Muskeln hatte als zuvor, aber mittlerweile besaß sie auch so einige Narben. Sie dachte an die als Abenteurerin gesammelten Erfahrungen zurück und bemerkte, dass sie seit fast zwei Jahren ununterbrochen unterwegs gewesen war. Doch das hieß nicht, dass sie die Erlebnisse ihres ersten Abenteuers bereits verarbeitet hatte. Noch immer plagten sie die Erinnerungen daran ... Die Priesterin schüttelte ihren Kopf und suchte kurz nach der Elfe, welche sie schließlich im Dampfbad erblickte. Dann spritzte sie sich etwas Wasser ins Gesicht und dachte: Ich muss mich wirklich bei ihnen bedanken ...
»Sag mal ...«​
»Hä?!«​
Plötzlich wurde die Priesterin von einer fremden Stimme angesprochen, weswegen sie im Wasser aufsprang und schützend die Arme vor ihrer Brust verschränkte. Als sie jedoch erkannte, dass es sich um ein ungefähr sechzehnjähriges Mädchen mit schulterlangem blondem Haar und blauen Augen handelte, beruhigte sie sich. Ein seltsames Gefühl stieg in ihr auf. Dieses Mädchen vor ihr sah ganz anders aus als sie, doch irgendwie spürte sie, dass sie beide sich ähnlich waren. Es hatte sinnlichere Haare, eine hübschere Haut, etwas mehr Fleisch auf den Knochen, war von größerer Statur, aber dennoch ... Die Priesterin schämte sich ein wenig und setzte sich wieder ins Wasser. Sie hatte das Gefühl, dass sie einer edleren, besseren Variante von sich selbst begegnet war.​
»Um was geht es denn?«, fragte die Priesterin.​
»Du bist Abenteurerin, oder?«, entgegnete das Mädchen in leicht arrogantem Ton.​
»Ja«, antwortete die Klerikerin.​
»Also doch ...«​
Das Mädchen setzte sich energisch neben die Priesterin. Dabei wackelte ihr Busen, der größer als der der Priesterin war. Die Götter waren wirklich ungerecht.​
»Und was für einen Beruf übst du aus?«​
»Ich diene der Erdmutter.«​
»Du bist also eine Klerikerin ... Nicht schlecht«, murmelte das Mädchen.​
»Ähm ... Wenn du Mitglieder für eine Gruppe suchst, muss ich dich enttäuschen. Ich habe schon Kameraden, also ...«​
»Wa... Ach, nein! So meinte ich das nicht!«​
Wie denn dann?
Das Mädchen sorgte für ein gewisses Unbehagen bei der Priesterin. Sie war sich sicher, dass ihr hier niemand etwas antun würde, aber nichtsdestotrotz fühlte sie sich wehrlos.​
»Sag mal, ich brauch deinen Rat. Was für Ausrüstung trägst du? Und auf welchem Rang bist du überhaupt?«​
»Ahm, ich bin auf dem Stahl-Rang ... Und meine Ausrüstung ...«​
Die Priesterin musterte das Mädchen erneut. Sie selbst besaß einen äußerst zarten Körper, aber das Mädchen neben ihr wirkte nicht, als hätte es irgendwann einmal trainiert.​
Eine Magierin? Nein, eine Klerikerin? Oder eine Abenteurer-Anwärterin?
Letzteres scheint am wahrscheinlichsten. Aber sollte ich ihr überhaupt Ratschläge geben? Die Priesterin begann nachzudenken. Ihr erstes Abenteuer war ein fürchterlicher Albtraum gewesen, aber alles danach hatte sie viel gelehrt. Die Abenteuer selbst hatten sie stärker gemacht. Nichtsdestotrotz war das kein Grund, dem Mädchen ihre Hilfe zu verwehren.​
»Ich habe die Kleidung und den Stab eines Priesters. Außerdem trage ich immer ein Kettenhemd.«​
»Hm ... Sind die Gegenstände denn mit irgendeiner Kraft ausgestattet oder wurden sie gesegnet?«​
»Nein, sie sind nichts weiter als einfache Kleidung, ein einfacher Priesterstab und ein normales Kettenhemd.«​
Es waren alles normale Gegenstände, aber dennoch hatten sie ihr bereits mehrmals das Leben gerettet. Vor allem in der Kanalisation hatte sie nur überlebt, weil sie ein Kettenhemd getragen hatte.​
»Nun ja, was kann man von jemandem auf dem Stahl-Rang schon erwarten ...«, sagte das Mädchen.​
Diese unhöfliche Aussage ließ die Priesterin schmollend die Lippen verziehen und sie fragte:​
»Was ist daran bitte falsch?«​
»Hä? Was? Wieso?«​
Weil das Mädchen überrascht und unverständig schaute, ließ die junge Abenteurerin davon ab, weitere Fragen zu stellen, und schwieg, was kurz darauf zur Konsequenz hatte, dass das Mädchen mit einem Platschen aufstand.​
»Danke für die Ratschläge.«​
»J... Ja ...«​
Die Priesterin machte sich Gedanken, ob sie dem Mädchen noch irgendetwas sagen sollte. War sie vielleicht einfach übertrieben nachdenklich oder konnte dies eventuell eine Weisung der Götter sein? Sie wusste es nicht, aber sie wurde das Gefühl nicht los, dass sie ihr noch etwas mit auf den Weg geben musste. Aber was? Weder die Götter noch ihre Würfel halfen der Priesterin, aber sie erhob trotzdem ihre zitternde Stimme.​
»W... Wenn man Abenteurer werden möchte, muss man ordentlich vorbereitet sein. Achte immer darauf, die richtige Ausrüstung zu kaufen, ja?«​
»Wie?«​
Das Mädchen guckte kurz verwundert, aber nickte dann.​
»Ja, du hast recht. Es ist wichtig, die richtigen Dinge zu kaufen.«​
Nachdem es dies gesagt hatte, sprang das Mädchen regelrecht aus dem Wasser und rannte weg. Die Priesterin schaute ihr kurz hinterher, bevor sie bis zum Mund ins Wasser tauchte und blubbernd Blasen erzeugte.​
»Puh ... Da bekommt man einen ganz heißen Kopf ... Krass ...«​
In diesem Moment kam die Elfe mit trappelnden Schritten zurück zur Priesterin. Die langen Ohren der Waldläuferin zuckten, als sie das weggehende Mädchen bemerkte.​
»Wer war das denn gerade?«​
»Nun ja ... Ich weiß es nicht...«​
Mehr konnte die Priesterin nicht sagen und deswegen schwieg sie. Die Elfe schaute ein wenig verwundert, aber sagte dann gleichgültig:​
»Na egal! Ich werde mich jetzt hier ein wenig ausruhen. Willst du mal das Dampfbad ausprobieren?«​
»Nein ...«​
Die Priesterin schüttelte den Kopf.​
»Lass uns lieber gehen.«​
Als die Priesterin und die Elfe in die Umkleide zurückkehrten, war diese wahrscheinlich noch genauso klimatisiert wie vorher, aber für die beiden fühlte sie sich angenehm kühl an. Nachdem sie sich mit einem Handtuch abgetrocknet hatten, rieben sie sich erneut mit Duftöl ein.​
»Wir hätten frische Kleidung mitbringen sollen.«​
»Nun ja, die Idee mit dem Bad ist mir erst gekommen, als wir bereits unterwegs waren. Wir ziehen uns um, wenn wir zurück im Tempel sind.«​
Die Priesterin wollte sich wieder anziehen, als sie bemerkte,​
dass etwas nicht stimmte.​
»Huch?«, rief sie und konnte ihren Augen nicht glauben.​
Der Korb mit ihrer Kleidung war weg.​
»Das ist aber seltsam. Hat ihn vielleicht jemand woanders hingestellt?«, fragte die Elfe, deren Korb noch da war.​
»Wie? Aber er war doch genau hier ...«​
Statt dem der Priesterin stand dort jetzt ein Korb mit der Kleidung einer Soldatin. Weil sie sich sicher war, dass hier ein Missverständnis vorliegen musste, schaute sie sich aufgeregt um, aber sie konnte ihren Korb nirgends finden. Die Priesterin gab immer höher werdende Klagelaute von sich, während ihr die Tränen kamen. Ihr war, als würde sie vor einem Abgrund stehen.​
»Beruhige dich. Du hast deine Sachen sicher hier abgestellt, oder?«​
»Ja ...«​
»Hm ... Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand die aus Versehen mitnehmen würde ...«​
Während die Priesterin weiter verzweifelt nach ihrer Kleidung suchte, dachte sie panisch darüber nach, was sie tun sollte.​
»Was ist passiert?«, rief eine Angestellte des Badehauses und kam herangeeilt.​
Die Priesterin schaffte es nicht, einen ganzen Satz zu formulieren, und sagte nichts weiter als:​
»Ä... Ähm, m ... meine Sachen ...!«​
»Wie bitte?«​
Die Elfe erklärte für ihre Kameradin:​
»Wir können ihre Sachen nicht finden. Sie ist eine Priesterin der Erdmutter und deshalb ist es sehr unwahrscheinlich, dass jemand ihre Sachen aus Versehen mitgenommen hat.«​
»Einen Moment bitte. Ich werde mit der Wache reden.«​
Die Angestellte rannte los und ließ die beiden Abenteurerinnen allein. Die Elfe umarmte die Priesterin fest und sagte:​
»Keine Angst. Sie werden die Sachen gleich finden.«​
»Ja... Aber ·.•​
Kurz darauf kam die Angestellte zurück und erklärte in äußerst ernstem Ton: »Eine Person in der Kleidung einer Priesterin der Erdmutter hat gerade das Gebäude verlassen. Es könnte also sein ...«​
»Ein Diebstahl?!«, rief die Elfe fassungslos.​
»E... Entschuldige!«, sagte die Priesterin plötzlich und befreite sich aus den Armen der Waldläuferin. Dann begann sie, die Soldatenkleidung zu untersuchen. Die Soldatin in der Lobby, das Mädchen im Bad ... Es war nur eine Vermutung, die sich aber sofort festigte, als sie ihren eigenen Geldbeutel und einige perfekt geschliffene Edelsteine in der Kleidung versteckt fand. Das Mädchen musste sie als Entschuldigung dagelassen haben.​
»M... Mei ... Mein Ke ...«​
Der Hut, die Kleidung, das Abzeichen und sogar der Stab waren ihr egal. Sie hatte Wechselkleidung dabei und einen neuen Stab würde sie sich auch besorgen können, aber das Kettenhemd war unersetzlich für sie. Sie hatte es von ihren ersten Ersparnissen als Abenteurerin gekauft. Es hatte sie im Kampf gegen den Oger, in der Kanalisation, in den Bergen und im Wald beschützt. Sie hatte es immer kostbar behandelt, denn ...​
»W... Wegen ihm ... hat er mich das erste Mal ... gelobt ...«​
Die Priesterin spürte, wie die Kraft aus ihren Beinen verschwand, und sie sackte zusammen.​
»Mei... Mei. .. Mein ... Es wurde ... mir genommen!«​
»Es tut mir leid. Ich hätte nicht fragen sollen, ob wir hierherkommen wollen«, entschuldigte die Elfe sich bei der weinenden Priesterin, von der danach nichts weiter als Schluchzen zu hören war. Die Waldläuferin streichelte ihrer Kameradin über den Rücken.​
»Keine Angst, wir werden es ganz sicher wiederbekommen.«​

***

In einem Raum, der nur vom Licht einiger Kerzen erhellt wurde, war das Knirschen von Metall auf Stein zu hören. Ein schäbig aussehender Mann saß auf einem Bett beim Fenster und war damit beschäftigt, ein Schwert zu schleifen. Dieser Mann war Goblin Slayer und er drückte die Klinge so fest an den Schleifstein, dass man den Eindruck gewann, er wolle die Klinge komplett wegschleifen. Der Grund dafür war nicht, dass es sich um ein billiges Schwert handelte, denn der Krieger wäre sicherlich auch mit einem teuren Schwert genauso umgegangen. Nachdem er eine Weile geschliffen hatte, hob Goblin Slayer die Klinge ins Licht und untersuchte sie. Wer Heldengeschichten über Abenteurer gehört hatte, der würde glauben, dass Schwerter zum Zuschlagen da waren, aber sie konnten so viel mehr. Haut aufreißen, Fleisch zerschneiden, Knochen zerschlagen. Ihr Zweck war genauso vielfältig, wie es Arten von ihnen gab. Doch das interessierte Goblin Slayer nicht. Er verlangte von seinen Waffen, dass sie nur eine Aufgabe erfüllten: Goblins töten. Nicht mehr und nicht weniger. Die Priesterin war vor knapp einer Stunde weinend mit der Elfe zurückgekehrt. Anstatt ihrer normalen Priesterkleidung hatte sie eine zu große und dreckige Soldatenuniform getragen. Die Elfe hatte mit hängenden Ohren erklärt, dass ihre normale Ausrüstung gestohlen worden war. Auch wenn Diebstahl in solch einer gigantischen Stadt nichts Besonderes war, wurde der Echsenmensch äußerst zornig und auch der Zwerg hatte finster drein geschaut.​
»Wir sollten den Vorfall morgen im Schloss melden«, hatte der Schamane gesagt, doch die Priesterin hatte wortlos den Kopf geschüttelt.​
Goblin Slayer war daraufhin aufgestanden und auf sein Zimmer gegangen, wo er sich die Zeit mit seiner Ausrüstung vertrieben hatte. Jetzt fuhr er mit der Fingerspitze die Klinge entlang und nickte. Dann steckte er die Waffe weg und zog stattdessen ein kreuzförmiges Wurfmesser aus seiner Tasche.​
»Solltest du jetzt nicht bei ihr sein?«, fragte plötzlich eine Person, die lautlos in sein Zimmer geschlüpft war.​
»Nein.«​
Goblin Slayer musste gar nicht erst nachschauen, um zu bemerken, dass es sich um die Jungfrau des Schwertes handelte.​
»Ach, wirklich?«, entgegnete die Erzbischöfin.​
Sie begab sich mit geschmeidigen Bewegungen zum Bett und ließ sich darauf nieder.​
»Aber du weißt, dass weinende Mädchen getröstet werden wollen, oder?«​
»Ist das so?«​
»Ja, so ist es.«​
Die Jungfrau des Schwertes schaute kurz zu Boden und rieb ihre Schenkel aneinander.​
»Zumindest wäre es bei mir so.«​
»Ist das so?«​
Goblin Slayer begann, mit groben Bewegungen die Klingen des Wurfmessers zu schleifen. Die Erzbischöfin beobachtete ihn dabei und ließ dabei ein leichtes Stöhnen über ihre Lippen huschen. Der Schatten des Helms des Kriegers tanzte dabei über ihr Gesicht.​
»Man darf Frauen nicht zum Weinen bringen ...«​
»Das weiß ich.«​
Die grobe Antwort des Abenteurers überraschte die Jungfrau des Schwertes ein wenig, doch das störte ihn nicht. Er ging einfach weiter seiner Arbeit nach.​
»Das habe ich schon vor langer Zeit gelernt.«​
»Ach, wirklich?«​
Die Erzbischöfin wusste nicht genau, was sie darauf sagen sollte.​
»Weil es nun zu spät ist, um ins Schriftenlager zu gehen, habe ich dir das Buch mitgebracht.«​
Vorsichtig legte die Erzbischöfin das Buch über den Glauben der Anhänger des Dämonenfürsten und seine Symbolik auf den Tisch. Sie hatte es als Ausrede benutzt, um ihn heute noch einmal zu sehen.​
»Ist das so?«​
Weil Goblin Slayer keine Anstalten machte, mehr als das zu sagen, wollte die Jungfrau des Schwertes das Zimmer verlassen, doch als sie sich schnaufend umdrehte, murmelte er:​
»Dinge gehen nun mal verloren ...«​
Auf die Worte des Mannes, der ohnehin selten laut redete, antwortete die Frau:​
»Ja.«​
»Als Kind wurde mir versprochen, dass ich als Erwachsener den Dolch meines Vaters erhalten würde.«​
Goblin Slayer hielt das Wurfmesser ins Licht und kontrollierte seine Arbeit. Dann ließ er den Schleifstein auf den Boden fallen.​
»Er hatte einen Griff, der aussah wie ein Adlerkopf, und war ein sehr guter Dolch. Ich weiß aber nicht, wo er sich jetzt befindet.«​
Während der Krieger das Wurfmesser wegsteckte, fragte die Erzbischöfin: »So ist das also?«​
Sie fing an, eine ihrer Fingerspitzen liebevoll über einen seiner Schenkel tanzen zu lassen.​
»Ich werde morgen ins Schloss gehen, um dort an einer Sitzung mit dem König teilzunehmen. Ich werde ihm dann davon erzählen. Ich kenne ihn gut, weißt du?«​
Die Jungfrau des Schwertes kicherte leise und Goblin Slayer schaute zum ersten Mal in ihre Richtung. Er schien Probleme zu haben, die richtigen Worte zu finden, weshalb er nach einer Weile nichts weiter sagte als „Ist das so?“ und „Bitte.“​
Die Erzbischöfin grinste erfreut und stand auf. Sie half sich dabei mit ihrem Waagen Schwert, dessen Waagen schalen leicht klingelten.​
»Ja, überlass das ruhig mir. Ich werde alles in meinen Kräften Stehende tun.«​
»Tut mir leid, dass ich darum bitten muss.«​
Ohne ein weiteres Wort zu sprechen, ging die Jungfrau des Schwertes zur Tür und verließ den Raum. Wenige Sekunden später öffnete sie die Tür jedoch erneut und sagte verschüchtert:​
»Ä... Ähm ... Ich wünsche eine gute Nacht ... und angenehme Träume ...«​
»Ja«, antwortete Goblin Slayer.​
»Dir auch.«​
Die Erzbischöfin schloss erneut die Tür und sackte vor ihr zusammen. Sie war hochrot im Gesicht, doch von alldem wusste der Krieger nichts. Er hob den Schleifstein vom Boden auf und ließ ihn in seinen Händen tanzen. Im Anschluss schliff er seinen Dolch und überprüfte den Rest seiner Ausrüstung.​
Erst dann öffnete er das Buch, das die Erzbischöfin ihm mitgebracht hatte. Er zog den Hautfetzen des Goblins aus seiner Tasche und verglich die eingestochene Markierung mit den Aufzeichnungen. Es war ein seltsames Symbol. Es ähnelte einer roten Hand, doch darüber konnte er nichts in dem Buch finden. Der Dieb war wie ein Goblin ... Vielleicht war er sogar ein Goblin ... Ich muss bereit sein. Der Krieger setzte seine Vorbereitungen fort und erst als die Morgensonne aufzugehen begann, schlummerte er ein wenig. Er war nicht auf dem Bauernhof. Er musste nicht auf Kontrollgang gehen. Er musste nur alle Goblins töten, die auftauchten. Und es gab keinen Ort auf dieser Welt, an dem sich keine Goblins versteckten.​


Nach Oben
 

Edward Teach

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Intermission XXIV

Wie Reue keinen Vorrang haben darf.


Das ist gut gelaufen.​
Das Mädchen trug nun die Kleidung einer Dienerin der Erdmutter- auch wenn sie an der Brust etwas eng war. Sie lief kichernd durch die dunklen Straßen der Stadt. Dazu trug sie einen Priesterhut, einen Priesterstab und darunter ein billiges Kettenhemd. Bestimmt sah sie jetzt wie eine ordentliche Klerikerin aus. Als ihr ein Passant mit einer Laterne entgegenkam, setzte sie ein arrogantes Gesicht auf und streckte ihre Brust heraus, was dazu führte, dass der Passant sich überrascht verbeugte und vorbeiging. Das Mädchen hatte einen gewaltigen Spaß. Die Leute sahen sicher nicht sie selbst, sondern nur ihre Kleidung. So war es auch schon gewesen, als sie sich als Soldat verkleidet aus dem Schloss geschlichen hatte. Sie hätte ohne den Schweißgeruch und den Dreck, den sie beim Durchqueren des Kellers abbekommen hatte, leben können, doch nach dem Bad ging es ihr jetzt viel besser.​
»Aber die Kleidung ist wirklich etwas eng«, beschwerte sich das Mädchen und zog am Kragen der Priesterkluft.​
Nicht nur die Kleidung erschwerte ihr das Atmen, vor allem das Kettenhemd engte sie ein. Sie müsste doch eigentlich nicht so ein billiges Stück tragen ...​
»Ich habe etwas Böses getan ...« Bei genauerem Hinsehen hatte das Mädchen erkannt, dass das Kettenhemd bereits geflickt worden war und sich schon lange in Benutzung befand. Sie vermutete, dass die Priesterin sehr daran hing und es deshalb noch immer trug. Sie würde es ihr irgendwann zurückgeben, aber jetzt hatte sie andere Ziele. Sie würde Abenteuer erleben und daran wachsen und am Ende würde das ganze Land von ihrer Erfahrung profitieren. »Wenn alles erledigt ist, werde ich mich entschuldigen und ihr dann alles zurückgeben. Ja, genau.«​
Das Mädchen würde sein Bestes geben, um seine Ziele zu erreichen, und der Priesterin so schnell wie möglich ihre Sachen zurückgeben und falls es nicht klappen sollte, hatte es ihr ja eine großzügige Entschädigung hinterlassen. Natürlich wollte das Mädchen erfolgreich sein, doch in dieser Welt wurde nun mal alles durch die Würfel bestimmt.​
»Hoffentlich kauft sich die Priesterin in der Zwischenzeit eine bessere Ausrüstung. Gut, es ist schon spät und die Stadttore werden von daher geschlossen sein.«​
Das Mädchen schaute sich seine Umgebung an. Sie war noch nie selbst hier gewesen und hatte die Gegend bisher nur aus dem Fenster sehen können. Sie entschloss sich, zuerst zu dem Ort zu gehen, an dem sich alle Abenteurer versammelten: dem Gasthaus Zum Goldenen Ritter. Weil es den Laden bereits vor der Entstehung der Gilde gegeben hatte, war er ein äußerst traditionsreiches Etablissement, und das Mädchen war ein bisschen aufgeregt, ihn zu betreten.​
Sie drückte die quietschende Tür auf und ging hinein. Eine Welle fast erdrückenden Lärms schwappte ihr entgegen. Weil sich so einige Blicke auf das Mädchen legten, zuckte es kurz zusammen und machte sich dann auf den Weg zum Tresen. Da sich damit die meisten Blicke von ihr abwendeten, war sie erleichtert, und den starrenden Blick eines Jungen ignorierte sie einfach.​
»Ähm, gibt es ein freies Zimmer in der Herberge?«​
»Hä?« Der Besitzer hinter dem Tresen starrte das Mädchen für einige Momente an und fragte dann: »Eine königliche Suite, eine Suite, was für Geschäftsreisende, ein einfaches Bettlager oder ...«​
»Der Pferdestall!«, rief das Mädchen und unterbrach den Besitzer.​
Dieser seufzte und entgegnete:​
»Der ist hinter dem Haus.​
Wenn du willst, kannst du da schlafen.«​
»V... Vielen Dank.«​
Das Mädchen verbeugte sich leicht und huschte dann aus dem Laden heraus. Ihr Gesicht war äußerst heiß. Ein Abenteurer gehörte in den Pferdestall. So war es ihr erzählt worden. Außerdem war es kostenlos, was umso besser war. Schließlich würde ihr Bruder sie relativ schnell finden, wenn sie in der Stadt mit Edelsteinen um sich warf.​
»Zumindest diese eine Nacht darf ich nicht auffallen ...« Wenn sie bis morgen durchhielt, würde sie die Stadt verlassen können und dann wäre sie frei. Das Mädchen ging auf die Rückseite des Ladens und schaute sich in der Umgebung nach Leuten um. Dann zog sie das Kettenhemd und die enge Priesterkleidung aus und stürzte sich mit dem Priesterstab und einem Beutel voller Edelsteine in einen Haufen aus Stroh.​
Erst jetzt bemerkte das Mädchen, dass der Pferdestall fürchterlich stank und das Stroh kratzte. So würde sie sicherlich nicht schlafen können. Aber vielleicht spielte dabei auch ihr schlechtes Gewissen wegen des Diebstahls an der Priesterin eine nicht unerhebliche Rolle.​


Nach Oben
 

Edward Teach

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Intermission XXIII

Wie ein Wildfang überlegt, auf ein Abenteuer zu gehen.


»Mann, mein Bruder ist echt gemein!« Das Mädchen tanzte über das Bett und schlug energisch mit einer Wolldecke um sich.​
»Er ist hier und dort unterwegs, aber ich darf nicht rausgehen!«​
»Das lässt sich nicht ändern. Es ist nun mal seine Arbeit.«​
»Aber ein Feuerstein ist auf den Berg gestürzt!«​
»Hatte er Euch nicht gesagt, dass Ihr nicht darüber sprechen sollt?«​
Die Bedienstete, die sich um das Wohlergehen des Mädchens kümmerte und gleichzeitig seine Freundin war, setzte einen bekümmerten Gesichtsausdruck auf. Sie schaute immer so, wenn das Mädchen sich über seinen Bruder beschwerte. Nun ja, der Bruder des Mädchens hatte sie eingestellt und deshalb war ihr Verhalten nachvollziehbar, doch das Mädchen wollte es nicht verstehen.​
»Mein Bruder war früher, selbst Abenteurer, aber er ist dagegen, dass ich Abenteurerin werde.«​
»Er kennt die guten und die schlechten Seiten und er weiß ganz genau, wie hart es sein kann.«​
Dabei hatte ihn sicher nie auch nur ein Pfeil am Knie erwischt.​
Beleidigt schaute das Mädchen aus dem Fenster. Die Hauptstadt war wie immer voller Besucher und schon zur Mittagszeit sehr belebt. Wesen vieler verschiedener Völker ließen sich durch die Straßen treiben und das Mädchen konnte es nicht ertragen, hier eingesperrt zu sein.​
»Hach, wie schön es doch wäre.«​
»Möchtet Ihr so gerne rausgehen?«​
»Ja ...«​
»Aber dort draußen ist nicht alles schön ...«​
Das Mädchen rollte auf dem Bett herum. So ziemlich jedes Kind riss doch mal von zu Hause aus. Könnte sie das nicht auch tun und dann einfach Abenteurerin werden? Irgendwann werde ich hier einfach mal die Wand eintreten! Wahrscheinlich hatte jeder in seinem Leben mal solche Fantasien, aber nur die wenigsten davon wurden wahr. Viele scheiterten daran, sie wahr werden zu lassen, und manche starben sogar bei dem Versuch. Die Würfel fielen am Ende, wie sie fielen, und dagegen konnte man nichts tun. Aber dafür musste man sie erst einmal werfen und das war ihr nicht erlaubt. Ich will nicht, dass er alles für mich entscheidet! Irgendwann würde das Mädchen verlobt werden und dann heiraten müssen und seine Rolle im Königreich würde nicht zulassen, dass es sich dagegen auflehnte. Dabei habe ich noch nichts von dieser Welt gesehen! Dem Mädchen war bereits zu Ohren gekommen, dass es viel Leid in dieser Welt gab und dass Goblins eine der Ursachen dafür waren. Außerdem hatte sie ein Lied über einen Helden aus dem Grenzland gehört, der sich auf einen schneebedeckten Berg begeben hatte, um eine junge Frau aus einer Goblin Festung zu befreien. Er musste zur Tat schreiten, weil die Autoritäten, obwohl sie davon wussten, nichts getan hatten. Bestimmt weil sie nichts über die Angelegenheiten da draußen wissen. Der Bruder des Mädchens war früher Abenteurer gewesen, aber er erzählte ihm kaum etwas aus dieser Zeit. Das Mädchen glaubte, dass der Grund dafür war, dass die anderen Abenteurer ihn ständig hatten beschützen müssen und ihm das peinlich war.​
»Hm ...«​
Wenn man über etwas nicht Bescheid wusste, dann konnte man auch keine Wahl treffen. Sie musste eigene Erfahrungen machen, um Dinge entscheiden zu können. Die Götter warfen die Würfel, doch man selbst musste es angehen.​
»Sag mal. Dein Bruder ist Händler, oder?«​
»Ihr meint meinen Cousin. Er handelt vor dem Tor mit Waren«, erklärte die Bedienstete.​
»Ach so.«​
Das Mädchen verschränkte die Arme und dachte angestrengt nach. Die Bedienstete störte sie allerdings dabei, indem sie rief:​
»Seht!«​
»Was ist denn?«​
»Er ist heimgekehrt.«​
»Wirklich?!«​
»Ja, der Wagen hält gerade an.«​
Das Mädchen sprang auf und flitzte aus dem Zimmer. Dabei ignorierte sie vollkommen die Rufe der Bediensteten, dass sie sich umziehen solle. Die anderen Diener, an denen sie vorbeischoss, schauten ihr überrascht nach. Sie rannte bis in die Eingangshalle, wo sie vor Freude einen Sprung machte.​
»Willkommen zurück, Bruder!«​
Wenn ich mich so verhalte, wird er niemals erwarten, dass ich mich heute Nacht raus schleichen könnte!​


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Edward Teach

Anime-Pirat
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Kapitel 67

Die Schauspieler hinter der Bühne.


»Nun gut. Habt ihr neue Informationen über den Feuerstein, der vom Himmel auf den Heiligen Berg gestürzt ist?«​
Er war so erschöpft, dass er sich kaum auf dem Thron halten konnte. Aber er war der König und damit eine Figur von Autorität und deshalb durfte er sich hier nicht so durchhängen lassen. Trotzdem dachte er sich in diesem Moment:​
Wenn ich den nächsten Thron anfertigen lasse, werde ich dafür sorgen, dass die Sitzkissen weicher sind.
Der junge König war erst gestern Nacht von seiner Rundreise zurückgekehrt und hatte trotzdem gleich früh am Morgen eine Sitzung. Die steinerne Halle, in der er sich gerade befand, war mit Wandteppichen geschmückt und das Licht der Herbstsonne schien durch die farbigen Glasfenster auf den steinernen Tisch, an dem sich die leitenden Personen des Königreichs versammelt hatten. Darunter befanden sich Adlige, Magier, Gelehrte, Geistliche und Händler. Als König eines Landes gab es einiges zu beachten. Zum Beispiel, dass seit Beginn der Zeit das Chaos immer wieder unter der Führung eines Dämonenfürsten über die Welt herfiel. Wenn das geschah, versammelten sich die Anführer der sprechenden Völker, um gemeinsam Pläne zu schmieden. Auch Abenteurer und freie Ritter konnten an dieser Art von Besprechungen teilnehmen, was immer wieder zu Scherzen vom König der Zwerge führte, dass es angeblich keinerlei Hierarchie an dem Tisch gab. Schließlich war er rund, denn er war eben so bei den Zwergen in Auftrag gegeben worden. Der junge König dachte darüber nach und grinste. Wer jemals auf einem richtigen Abenteuer gewesen war, der wusste, dass solch ein Unterfangen nicht nur von einer einzigen Person angeführt werden konnte, und wer das nicht verstand, der würde eh sterben. Ein Veteran der Leibgarde musste bemerkt haben, dass der König grinste, denn er selbst lächelte ebenfalls.​
»Also, erstattet bitte der Reihe nach Bericht«, befahl der König.​
Ein sehr groß gewachsener Hofmagier meldete sich zuerst zu Wort:​
»Die Astrologen sagen, dass es ein finsterer Stern sei, der unerwartet aufs Spielbrett gefallen ist.«​
»Oho, unerwartet also?«​
»Ja. Derzeit werden die antiken Schriften untersucht, aber bisher haben wir keine passende Prophezeiung gefunden.«​
Der König nickte dem Mann mit dunkelbrauner Haut zu und befahl ihm mit einer Handbewegung, sich zu setzen.​
»Dann ist es wohl nicht das Werk von Schicksal, sondern eher das von Zufall?«​
Der König legte seine Arme auf den Armlehnen des Throns ab.​
»Wie sieht es mit dem Heiligen Berg aus? Hat der Feuerstein dort etwas verändert?«​
»Wie zuvor ist es noch immer nicht ohne Weiteres möglich, den Heiligen Berg zu erklimmen, Majestät«, antwortete ein Mann, der aus den Anwesenden herausstach. Er war ein Padfoot mit dem Gesicht eines Hundes und neben einem abgenutzten Kettenhemd trug er eigentlich einen Helm mit Hörnern, der jetzt aber auf dem Tisch lag. Um seinen Hals hing ein goldenes Abzeichen. Er aß einen der bereitgestellten Kekse und fuhr dann mit seinem Bericht fort.​
»Es gibt keinen anderen Weg, als seine Hänge zu erklimmen, und das ist bisher noch keinem gelungen.«​
Der eben schon erwähnte Leibgardist hob seinen gepanzerten Arm. Sein durchtrainierter Körper wurde von einem silbernen Harnisch geschützt. Auf ein Nicken des Königs machte er einen Schritt nach vorne, der sein in der Bewegung wallendes Haar wie Wellen wirken ließ.​
»Majestät, ich muss dem zustimmen. Es ist nahezu unmöglich, den Heiligen Berg zu erklimmen. Vor allem mit größeren Truppenverbänden.«​
»Also doch.«​
»Die Verluste wären außergewöhnlich hoch. Besonders unter den jungen Adligen, die in Eurem Dienst stehen«, erklärte der Leibgardist.​
Er war als einfacher Bürger aufgewachsen und hatte eine eher kritische Einstellung gegenüber dem Großteil des Adels im Land. Der König nickte seinem treuen Diener nachdenklich zu. Der Heilige Berg war der höchste und gleichzeitig auch steilste Berg im gesamten Königreich. Er war nicht besiedelt und die Verluste wären äußerst hoch, wenn man auf Zwang versuchen würde, ihn zu erklimmen.​
»Wenn ich noch etwas ergänzen dürfte, Majestät. Falls jedoch etwas vom Berg herunterkommen sollte, wäre es möglich, es zu umstellen und zu besiegen«, fügte der Leibgardist seinem Bericht hinzu.​
»Wir werden nicht zulassen, dass irgendein unbekanntes Monster in die uns bekannte Welt eindringt!«​
Wenn Abenteurer wie ein Pfeil waren, der auf ein Ziel abgeschossen wurde, dann war das Militär eines Landes wie ein Schild. Eine Armee konnte nicht einfach in Feindesland eindringen und einen Dämonenfürsten erledigen, denn Soldaten trugen nur einfache Rüstungen und Waffen, die mit wenigen Hieben von Schmieden hergestellt wurden. Ihre Erfahrung bestand lediglich aus dem alltäglichen mühsamen Training. Aber eine Armee war hervorragend darin, die Horden eines Dämonenfürsten zurückzuschlagen. Gegen heranrückende Monster konnte sie Formationen einnehmen und großflächig manövrieren, was Abenteurern wiederum nicht möglich war.​
»Eine Gruppe aus wenigen Personen hätte vielleicht eine Chance«, meinte der Padfoot Abenteurer auf Gold-Rang.​
»Aber man sollte vorsichtig sein. Späher, die wir zum Fuß des Berges geschickt haben, konnten dort eine unheimliche und unerklärliche Präsenz wahrnehmen.«​
»Unerklärlich?«, fragte ein rothaariger Kardinal.​
»Ein Wesen, über das nichts im Monsterhandbuch steht.«​
»Verstehe ...«​
Der König seufzte. Anscheinend trieben die Überreste der Armee des Dämonenfürsten noch immer ihr Unheil.​
»Wäre das dann nicht wieder eine ideale Aufgabe für das Mädchen?«​
Die Anwesenden warfen sich kurz prüfende Blicke zu und nickten dann. Wenn man einen Trumpf hat, dann sollte man auch nicht davor zurückschrecken, ihn auszuspielen. Es ist wirklich ein großes Glück, dass das Mädchen so rechtschaffen ist, dachte der König, aber war dennoch jedes Mal zögerlich, wenn es darum ging, das Mädchen um seine Hilfe zu bitten. Schließlich war sie in dem Alter seiner Schwester. Aber es musste sich nun mal jemand um diese Angelegenheit kümmern und keiner war dafür besser geeignet als ebenjenes Mädchen.​
»Gut. Sollte es in irgendeiner Form Unterstützung benötigen, werden wir dafür sorgen, dass es diese erhält.«​
»Verstanden«, antwortete ein alter Minister und verneigte sich demütig.​
Der König würde ihm die Details überlassen können, denn als Herrscher war er zwar in der Pflicht, die Richtung vorzugeben, nicht aber dafür, sich um Fragen zu Kleinigkeiten und die Ausführung zu kümmern. Allerdings blieb er auf der Hut, um nicht zu einer Marionette zu verkommen.​
»Wie ist es meinen Untertanen ergangen, während ich fort war?«​
»Noch immer treiben sich Anhänger einer finsteren Sekte in der Hauptstadt herum«, antwortete der Kardinal. Er hatte sich in Abwesenheit des Königs um die Hauptstadt gekümmert.​
»Aber während Ihr unterwegs wart, hat sich im Süden der Stadt eine weitere zwielichtige Glaubensgemeinschaft ausgebreitet. Die Anhänger verehren den Gott der Erleuchtung.«​
»Ist davon auszugehen, dass sie die in ihren Augen Ungläubigen mit schrecklichen Flüchen belegen?«​
»Die genauen Umstände kennen wir nicht.«​
»Dann werde ich ihnen wohl das Handwerk legen müssen«, sagte der junge König mit einem wilden Grinsen.​
»Majestät ...«, seufzte der Kardinal.​
»Jaja, ich weiß ...«, gab der König zurück und schaute sich einige Schriftstücke an.​
»Der Gott der Erleuchtung unterscheidet sich vom Gott der Weisheit, oder?«, fragte der Hofmagier.​
Der Kardinal nickte schwerfällig und antwortete:​
»Der Gott der Weisheit wandert selbst durch die Dunkelheit und schenkt Gelehrten dort Licht.«​
»Und das unterscheidet ihn vom Gott der Erleuchtung?«​
»Der Gott der Erleuchtung weist niemandem den Weg. Er tut nichts weiter als plötzlich mit der Flamme des Wissens um sich zu werfen.«​
»Dann sind sie sich ähnlich, aber unterschiedlich.«​
Der Hofmagier stieß einen tiefen Seufzer aus.​
»So ist das also mit den finsteren Gottheiten.«​
Der König hatte der Unterhaltung der beiden konzentriert zugehört, bevor er als Nächstes fragte:​
»Wie sieht es im Rest der Welt aus?«​
»Derzeit scheint die Ordnung in der Welt der Vier Himmelsrichtungen nicht aus den Fugen geraten zu sein«, erwiderte nun eine Frau, die von unvergleichlicher Schönheit war. Ihr kurviger Körper war von einem Gewand aus weißem Stoff umhüllt und ihre Augen waren von einer Binde bedeckt. »Durch die letzten Kämpfe gibt es einige Flüchtlinge und Waisenkinder, aber zum Glück keinen Mangel an Arbeit. Es ist sogar so viel, dass wir nicht genügend Arbeiter haben.«​
Es war die Erzbischöfin im Dienste des Erhabenen Gottes: die Jungfrau des Schwertes. Ihre Worte waren wie Musik in den Ohren der Anwesenden und sie trug ein strahlendes Lächeln auf den Lippen. Ihre Ausstrahlung hat sich sehr verändert, dachte der König, während er ihr zuhörte. Er kannte sie bereits seit über zehn Jahren und auch früher war sie schon wunderschön gewesen.​
Damals war sie wie eine Rose gewesen, deren Blätter kurz davor waren, abzufallen, doch jetzt strahlte sie wie ein Exemplar in voller Blüte. Als ein alter Freund von ihr freute er sich über die Wandlung.​
»Ach, aber ...«​
Ein trauriger Gesichtsausdruck legte sich auf das Antlitz der Erzbischöfin.​
»Was ist? Nun sag schon.«​
»Einer werten Freundin von mir wurden gestern im Badehaus die Priesterkleidung und ein Kettenhemd gestohlen.«​
»Was?«​
»Die Diebin trug anscheinend die Uniform eines Soldaten.«​
Der König hob misstrauisch eine Augenbraue. Es mochte nur eine Bagatelle sein, aber eine Diebin in Uniform durfte nicht ignoriert werden. Bevor er jedoch etwas sagen konnte, erhob die Erzbischöfin erneut ihre Stimme.​
»Im Übrigen bin ich der Meinung, dass alle Goblins vernichtet werden müssen.«​
Die anderen Sitzungsmitglieder schauten sich gegenseitig an, als wäre es nicht das erste Mal, dass die Jungfrau des Schwertes diese Forderung gestellt hatte. Der König entschied sich deshalb, diese zu ignorieren.​
»Gut, ich werde die Sache mit dem Diebstahl untersuchen lassen. Kommen wir zum nächsten Thema. Wie sieht es mit den Trainingsplätzen für die Abenteurer aus?«​
Alle Blicke legten sich auf eine junge Händlerin. Von ihr war damals der Vorschlag mit den Trainingsplätzen gekommen. Sie verneigte sich kurz vor der Erzbischöfin und sagte dann:​
»Ja. Ich habe einen Bericht angefertigt. Bitte werft einen Blick darauf.«​
Die Händlerin war zwar noch jung, aber ihr Auftreten war sehr gefasst und nicht von blindem Idealismus geprägt, wie es bei jungen Leuten sonst häufig der Fall war. Deswegen war sie aber keine Pessimistin. Sie hatte klare Vorstellungen von dem, was sie wollte, und trug ihre Informationen präzise vor. Ihre Akkuratheit spiegelte sich auch in ihrem handgeschriebenen Bericht wider, dessen Schrift klar zu lesen und der sehr genau verfasst war. Sie war die Tochter einer Adelsfamilie und hatte erst vor Kurzem mit ihrer Tätigkeit als Händlerin begonnen. Vorher war sie wegen einer Krankheit in Behandlung gewesen. In der Hauptstadt war sie erst seit einigen Monaten aktiv, aber was hatte sie wohl vorher für Erfahrungen in der Welt gemacht? Es gibt wirklich viele fähige Frauen in dieser Welt ... Während der König sein Gesicht hinter dem Bericht versteckte, grinste er. Er wusste, dass er seine Gefühle nicht so offen in der Öffentlichkeit zeigen sollte und dass er dies irgendwann ändern musste, doch jetzt konnte er sich nicht zurückhalten.​
»Die Anlagen nähern sich in mehreren Städten der Fertigstellung, aber ...« Die Händlerin hielt kurz inne, weil sie es nicht aussprechen wollte. Dann sagte sie dennoch: »​
Aber viele Anfänger tun sich damit schwer, dass sie zwar Abenteurer geworden sein sollen, aber erst noch lernen müssen.«​
»Das war zu erwarten.«​
Der König nickte.​
»Als ich früher Abenteurer war, gab es mehr als genug, die noch nicht einmal lernen wollten, wie ihr Name zu schreiben ist.«​
Aber solche Typen haben es nie weit gebracht. Sie besoffen sich einfach immer nur in der Schenke und mir nichts, dir nichts waren sie ihren Abenteurerstatus los. Dann beschwerten sie sich darüber, dass sie so viel Pech hatten und mit den falschen Fähigkeiten geboren worden waren ... Ironisch an der Aussage und den Gedanken des Königs war, dass auch ein paar Abenteurer Anfänger im Raum anwesend waren. Sie gehörten allerdings nicht zu der Sorte, an die der König gedacht hatte. Sie verdienten sich ein wenig Geld dazu, indem sie Gepäck für Adlige und Minister umhertrugen, und in ihrer Freizeit trainierten sie fleißig ihre Fähigkeiten.​
»Die Ansichten werden sich mit der Zeit ändern. Wir müssen dafür nur die nötige Aufklärungsarbeit leisten.«​
»Ja, deswegen schlage ich vor, dass bei den Trainingsplätzen Essen zur Verfügung gestellt wird, um die Anfänger anzulocken, die sogar zu wenig Geld haben, um sich zu ernähren.«​
»Also eine Art Kantine?«​
Es kam nicht selten vor, dass die jüngeren Kinder von Bauernfamilien oder Pachtbauern aus ihrer Heimat flohen, um Abenteurer zu werden. Diese litten oft an akutem Geldmangel. Mit Essen würde man sie sicherlich dazu bewegen können, an dem Ausbildungsregime der Trainingsplätze teilzunehmen.​
»Diese Ausrichtung wäre nicht schlecht, aber reicht dafür das Geld?«​
Die Händlerin runzelte auf die Frage des Königs die Stirn.​
Dann antwortete sie unverblümt:​
»Die Kosten würden den Plan ins Minus rutschen lassen, aber wenn wir wiederum Gebühren für den Unterricht nähmen, wäre das ganze Unterfangen sinnlos.«​
»Unsere Staatskasse ist nicht voll genug, um unverschämte Halunken durchzufüttern«, gab der König darauf zurück und zuckte mit den Schultern. Weizen konnte man anbauen, Geld aber nicht. Vielleicht sollte ich einen Drachen bezwingen gehen und damit ein wenig die Taschen des Landes füllen.​
»Majestät«, ermahnte der Kardinal den König von der Seite, als könnte er seine Gedanken lesen.​
»HImpf!«​
Die Händlerin ließ sich nicht beirren und machte stattdessen einen Vorschlag: »Wie wäre es denn, wenn wir dafür sorgen, dass die Anfänger sich im Austausch um das Vertreiben von Ratten und Schaben kümmern?«​
Derzeit zahlten die Städte für Aufträge dieser Art, aber so könnte man die Kosten verlagern und mit dem gesparten Geld das Essen der Anfänger finanzieren.​
»Diese Aufgaben wären für die Anfänger dann so etwas wie Trainingsaufträge.«​
Der König blickte erstaunt drein und auf den Lippen der Händlerin war ein leichtes Grinsen zu erkennen. Verglichen mit ihrem sonst so ernsten Gesichtsausdruck wirkte sie auf einmal bezaubernd.​
»Vielleicht sollten sie dann auch Goblins vertreiben?«, warf ein Minister ein und sorgte damit sofort dafür, dass das Grinsen​
der Händlerin verschwand.​
»Das würde doch auch dem Herzenswunsch der Erzbischöfin entgegenkom ...«​
Der Minister hielt mitten im Satz inne, weil er bemerkte, wie die kalten Blicke der Jungfrau des Schwertes und der Händlerin ihn durchbohrten.​
Mit einem „Es war nur ein Vorschlag“ entschuldigte er sich kleinlaut und verfiel wieder in Schweigen.​
Der König musste sich zusammenreißen, um nicht laut loszulachen, und befahl dann mit einer Armbewegung:​
»Eine gute Idee. Belassen wir es bei der Befreiung der Kanalisation von Ungeziefer. Fahr damit fort.«​
»Vielen Dank.«​
Die Händlerin verbeugte sich, doch plötzlich waren vor der Tür des Saals laute Schritte zu hören. Als Nächstes ertönte eine dumpfe Stimme und dann wurde die Tür schwungvoll geöffnet.​
»Was ist los? Wir befinden uns mitten in einer Sitzung!«​
»Es ist schrecklich! Es ist fürchterlich, Majestät! Es tut mir zutiefst leid, aber es geht nicht anders!«​
Es war die Dienerin, die sich um seine Schwester kümmerte.​
Sie hatte großen Gefallen an dem Mädchen gefunden und sie waren schon fast so etwas wie Freundinnen geworden.​
Die Dienerin war kreidebleich und neben ihr stand ein weiterer Mann. Seine Kleidung war zerzaust und er wirkte so, als sei er gerade von einem Schlachtfeld geflüchtet.​
»Es geht ... u ... um die Prinzessin!«​
So erfuhr der König, dass seine Schwester von Goblins entführt worden war.​
***
Sie war vor ihm erschienen, als er am Morgen seine Fracht auf den Wagen geladen hatte.​
»Ähm, Entschuldigung.«​
Sie hatte eine niedliche, leicht nasale Stimme. Es war eine Priesterin der Erdmutter, die ein Gewand in falscher Größe trug und einen Priesterstab in der Hand hielt. Ihr Gewand schien etwas zu klein zu sein und ihre Augen waren rot unterlaufen, was darauf hindeutete, dass sie nicht hatte schlafen können. Und sah er hier und dort Stroh unter ihrem Hut herausgucken? War sie eine Abenteurer-Anfängerin?​
»Ja, um was geht es denn?«​
»Ich würde gerne die Stadt verlassen. Könntest du mich mitnehmen?«, fragte die Priesterin und sagte dem Händler dann, dass seine Cousine vom Königshof sie zu ihm geschickt hatte.​
»In Ordnung, aber ich fahre in den Norden. Bist du dafür nicht zu dünn angezogen?«​
»Nein, nein. Das passt perfekt, ich möchte in den Norden.«​
Das Mädchen kletterte lachend auf den Wagen. Sie war motiviert, doch ihre Bewegungen verrieten, dass sie derartige Aktivitäten nicht gewohnt war. Der Händler machte sich Sorgen, ob sie überhaupt für die Reise bereit war.​
»Ach, hier. Ein Dankeschön«, sagte die Priesterin und reichte dem Händler einen kleinen Rubin.​
Dieser riss seine Augen weit auf. In letzter Zeit war viel Falschgeld unterwegs. In Zeiten wie diesen waren Edelsteine ... Ist sie wirklich eine Anfängerin?​
Der Händler begann, an der Identität des Mädchens zu zweifeln. Eine Dienerin der Erdmutter würde normalerweise nie mit einem Edelstein bezahlen, denn ihr Glaube war von Enthaltsamkeit und einem Leben in Armut geprägt. Doch was sollte er jetzt mit seinem Zweifel machen? Nachdem er das Gepäck aufgeladen hatte, stieg der Händler auf die Fahrerbank und setzte den Wagen in Bewegung. Die Hauptstadt schlief nie. Während noch ein milchiger Tau über der Landschaft lag, stachen die ersten Strahlen der Morgensonne am Horizont hervor. Einige Säufer schwankten über die Straßen, während Sklaven mit Eimern herumliefen, um Wasser zu holen. Diener erwachten vor ihren Meistern und öffneten die Fensterläden, um frische Luft hereinzulassen, und der Rauch, der aus den Häusern aufstieg, duftete nicht nach Essen, sondern nach Räucherstäbchen, die den verschiedenen Göttern gewidmet waren. Nachdem er an einigen Läden vorbeigefahren war, die sich auf die Öffnung vorbereiteten, erreichte der Wagen schon bald das Nordtor.​
Hier lagen verschiedene Stadien und Sportplätze und es hatten sich bereits Schlangen von Leuten gebildet, die sich die heutigen Veranstaltungen anschauen wollten. Auch auf die Öffnung des Tores warteten bereits eine Menge Leute.​
»Heute ist hier aber viel los ..., sagte der Händler.​
»Wir werden etwas warten müssen, Abenteurerin.«​
»Äh ...«, gab die Priesterin unzufrieden zurück und blies beleidigt ihre Backen auf.​
»Das lässt sich wohl nicht ändern ... Aber menno ...«​
Der Händler lächelte gequält und wandte seinen Blick wieder nach vorne auf die Schlange. Abenteurer, Händler, Pilger und Reisende waren versammelt und es ging wirklich lebendig zu. Die Stadt war mittlerweile komplett zum Leben erwacht und Leute verließen ihre Häuser. Der Händler schaute dem Treiben zu, bis schließlich er an der Reihe war, die Stadt zu verlassen.​
»Ich wünsche einen schönen Morgen!«​
»Hey, Händler. Dir scheint es ja gut zu gehen. Was hast du dabei und wohin geht es?«​
»Stoffe und es geht in Richtung des Heiligen Berges.«​
»Ach so.«​
Der Soldat, den der Händler bereits kannte, gab ihm wie jeden Morgen einen Passierschein.​
»Übrigens, es gibt Gerüchte, dass ein Feuerstein auf den Heiligen Berg gefallen ist. Pass also auf dich auf.«​
»Ja, vielen Dank!«​
Der Händler wollte schon losfahren, als ihm noch etwas einfiel.​
»Ach so, ich habe heute eine Passagierin dabei.«​
»Oje.« Der Soldat hatte ein freches Grinsen auf den Lippen. »Handelst du jetzt auch mit Sklaven?«​
Der Händler zuckte mit den Schultern und der Soldat ging zu dem Mädchen und sagte:​
»Zeig mir deinen Ausweis.«​
»Ja.« Das Mädchen tastete am Kragen der Kleidung herum und zog den Ausweis eines Abenteurers hervor. »Stahl-Rang, blondes Haar, blaue Augen, fünfzehn ... nein, sechzehn Jahre alt. Gehst du auf ein Abenteuer?«​
»Ja«, antwortete das Mädchen und streckte stolz seine Brust heraus.​
»Ich gehe eine Besonderheit beim Heiligen Berg untersuchen.«​
Der Händler konnte nicht erkennen, was für einen Gesichtsausdruck der Soldat unter seinem Helm machte, während er auf den Wagen klopfte und entgegnete:​
»Ach, ja? Viel Erfolg. Ihr könnt fahren.«​
»Vielen Dank.«​
Der Händler trieb die Pferde an und der Wagen schob sich durch das Tor. Gerüchte, dass etwas auf den Heiligen Berg gestürzt war, was? Er hatte sie auch schon gehört. Sie erklärten auch, warum gerade weniger auf der Straße los war als sonst. Der Händler konnte nur das Säuseln des Windes, das Keuchen des Pferds, das Poltern der Wagenräder und den Gesang kleiner Vögel hören. Im Osten ging die Sonne auf und die kühle, frische Herbstluft fühlte sich angenehm auf der Haut an.​
»Hach, es ist wirklich schönes Wetter.«​
»Das stimmt. Hier draußen fühlt es sich toll an«, entgegnete das Mädchen und kniff leicht seine Augen zusammen.​
»Du redest, als wärst du eine Gefangene gewesen.«​
»So ähnlich war es auch vielleicht«, murmelte das Mädchen leise.​
»Egal, ob Kerker, Tempel oder Schloss ...«​
»Ja ...«​
Der Händler nickte. Seine Cousine hatte ihm erzählt, dass die Prinzessin sich oft eingeengt fühlte.​
»Nun ja, aber wirklich einfach hat man es eigentlich nirgendwo.«​
»Ach, wirklich? Ich denke ...«​
Während das Mädchen noch sprach, bemerkte der Händler eine Bewegung im Dickicht. Schnell legte er eine Hand an sein Schwert. Dieses war nicht zum Kämpfen da, sondern um sich überhaupt eine Chance auf eine Flucht zu ermöglichen.​
»Was ist los?«​
»Nein, irgendwie ...«​
Bevor der Händler seinen Satz beenden konnte, heulte auch schon ein Wolf auf, weshalb ersterer sofort die Zügel anzog.​
»GORRBG!!«
»GORROB! GRROOBOR!!«​
»Goblins?!«​
Streunende Hunde und Wölfe waren dem Händler bekannt, aber dies war etwas anderes. Goblins saßen auf den Rücken von Wölfen und schwangen ihre Speere umher. Eine Horde Goblin- Reiter? Wo kam die her?
»Ts! Zieh den Kopf ein!«​
»Wa... Ah?!«​
Die Schreie des Mädchens ignorierend riss der Händler die Zügel herum und trieb das Pferd an, um den Wagen und damit ihn und das Mädchen zurück zur Hauptstadt zu bringen. Die Goblins waren währenddessen wohl aufgrund des Geschreis auf das Mädchen aufmerksam geworden und ein dreckiges Grinsen legte sich auf ihre Gesichter.​
»GGBBGRBBG!!«
»GBOOR! GBBGROB!«​
Unter schallendem Gelächter begannen sie wild ihre Speere nach den beiden zu werfen.​
»Ein kritischer Treffer und wir sind tot!«​
Der Händler zog beim Steuern des Wagens sein Schwert. Die Klinge leuchtete im Schein der Morgensonne. Er hatte es bisher noch nie einsetzen müssen, aber jetzt war der Zeitpunkt gekommen.​
»W... Wir kämpfen, oder? Sehr gut! Ich helfe!«, rief das Mädchen und hielt ungeschickt seinen Priesterstab hoch.​
»Ganz sicher nicht«, schrie der Händler.​
»Wir fliehen!«​
Er sprang geschickt von der Fahrerbank auf den Rücken des Pferds. Es war ein treues Tier.​
»Wir lassen den Wagen hier! Komm schnell her!«​
»Du willst deine Fracht aufgeben?! Nein! Wir kämpfen! Das sind doch nur Goblins!«​
In diesem Moment flog ein Speer herbei und bohrte sich in das Gepäck direkt neben dem Mädchen. Sie schrie laut auf.​
»Mir ist egal, was du sagst! Ich lass den Wagen hier! Komm rüber!«​
»Ts! Jaja ... Ich hab verstanden!«​
Es war ein unansehnlicher Anblick, wie das Mädchen verzweifelt versuchte, auf dem rumpelnden Wagen über das Gepäck zu klettern. Die Goblins lachten sie dabei aus und der Händler konnte erkennen, dass ihr dies Tränen in die Augen trieb. Er streckte ihr seine Hand entgegen.​
»Los! Komm her!«​
»J ... Ja ... Ichkommjasch ... Ah?!«​
In diesem Moment fuhr der Wagen über einen Stein und machte einen Sprung. Das Mädchen hatte nicht gepatzt, doch ihm fehlte es an dem nötigen Training, weshalb es vom Wagen geschleudert wurde und auf dem Boden aufschlug, wo es sich abrollte.​
»A... Ur ... Autsch ...«​
Der Händler zögerte kurz, doch begann dann, mit groben Handbewegungen das Pferd vom Wagen frei zu machen.​
»GOOBRR!!«
»GROBOG!«​
»Hilfe! Ah?!«​
Als er dies endlich geschafft hatte, drehte er sich noch einmal zu dem schreienden Mädchen um, das gerade von den Goblin Reitern umzingelt wurde. Schmerzenden Herzens musste er beobachten, wie ein Goblin von seinem Reittier abstieg und sich quälend langsam seinem Opfer näherte. Das Mädchen schwang seinen Priesterstab herum wie ein kleines Kind einen Stock.​
»Moment mal?! Au ... Aufhören ... Wer glaubt ihr, dass ich bin ... Argh?!«​
Der Händler konnte noch sehen, dass dem Mädchen brutal ins Gesicht geschlagen wurde. Es gab ein dumpfes Geräusch und etwas Rotes schoss aus ihrer Nase hervor. Sie musste gebrochen sein. Der kleine Teufel zog das Mädchen an seinem Haar hoch und hielt ihm etwas gegen die Stirn.​
»GOOBOBOB!«
»GROB! GGBORBG!«​
[/JUSTIFY]Es sah aus wie eine Hand ... nein, eine getrocknete Baumwurzel in der Form einer Hand? Das Mädchen wehrte sich nicht mehr. Selbst nicht, als die „Finger“ der „Hand“ kurz aufleuchteten. Der Händler konnte dem Ganzen nicht mehr zuschauen. Er drehte sich um und trieb sein Pferd an, ihn zurück zur Hauptstadt zu tragen. Hätte er kämpfen sollen? Nein, dann wäre er gestorben und niemand hätte erfahren, dass das Mädchen entführt worden war. Der Händler war ein Feigling und fürchtete den Tod, aber das war nicht der Grund für seine Flucht. Nichtsdestotrotz bereute er, dass er es getan hatte. Und er bereute noch viel mehr, dass er das Mädchen überhaupt auf seinem Wagen mitgenommen hatte. Als er das Tor der Hauptstadt erreichte, wartete dort schon seine aufgelöste Cousine auf ihn.
Nachdem er gehört hatte, was passiert war, ließ der König sich kraftlos auf den Thron sinken. Er hatte in diesem Moment das Gefühl, um mehrere Jahre gealtert zu sein.
»Majestät, wir müssen sofort einen Rettungstrupp ..., schlug ein Beamter vor.
»Ich soll das Militär aussenden, weil meine Schwester, die aus dem Schloss ausgerissen ist und eine Priesterin beklaut hat, sich von Goblins gefangen nehmen lassen hat?«, gab der König verzweifelt zurück.
»Wenn ich unser Heer aus persönlichen Gründen ausrücken lasse, werden mich alle für unfähig halten.«
Goblins gab es überall und auch wenn diesmal seine Schwester erwischt worden war, waren Entführungen durch sie etwas, das alltäglich passierte. Im Vergleich zu den Monstern und Barbaren im Norden, dem Chaos im Süden und auch den benachbarten Ländern waren sie ein kleines Problem und wegen ihnen das Militär zu entsenden war einfach nicht drin.
»Majestät ...«, meldete sich der Kardinal zu Wort.
»Ich weiß, aber wenn die Soldaten von diesem Vorfall erfahren, wird es nicht lange dauern, bis sich die Geschichte auch in anderen Ländern herumspricht und das hätte tatsächlich Einfluss auf den Fortbestand unseres Königreichs.«
Öffentliches Ansehen war für ein Reich meistens eine bessere Verteidigung als jede Schutzmauer. Je größer und mächtiger ein Land erschien, desto seltener wurde es von fremden Reichen angegriffen. Wenn aber beides nicht der Fall war, fingen selbst die Bürger sich zu fragen an, warum sie Steuern zahlten.
»Keine Adelsfamilie würde eine Frau in ihren Kreis aufnehmen, mit der die Goblins ihr Spiel getrieben haben ...«, murmelte die Leibwache.
Die Erzbischöfin und die Händlerin warfen ihm als Antwort kalte Blicke zu, doch das schien ihn nicht zu beeindrucken.
»Mich allerdings würde es nicht stören«, fügte er dennoch seiner Aussage hinzu.
»Vertrauenswürdige Abenteurer, etwas anderes bleibt uns wohl nicht übrig ..., sagte der König mit leiser Stimme.
»Wahrscheinlich«, sagte der Gold- Rang-Abenteurer und nickte. Aufgaben wie diese waren wie gemacht für ihn.
»Das Problem ist aber ihr Aufenthaltsort. Wo wurdet ihr angegriffen?«, wandte er sich an den Händler.
»Im Norden. Auf dem Weg zum Heiligen Berg ...«, antwortete dieser und zeigte mit dem Finger auf einen Ort auf der Karte.
»Ungefähr in dieser Gegend ...«
Der Kardinal, der Hofmagier und einige Mitglieder des Studienkreises sahen sich an.
»Mag der Feuerstein, der vom Himmel gefallen sein soll, vielleicht doch etwas damit zu tun haben?«
»Ich weiß nicht. Aber ...«
Sie diskutierten. War der Feuerstein vielleicht eine unheilvolle Prophezeiung? Und war das Verhalten der Prinzessin vielleicht schon ein Spross des Chaos?
»Gibt es in der Gegend einen Ort, der als Goblin Nest missbraucht werden könnte?«
»Diese Biester können sich ja leider überall einnisten ...«
Der Abenteurer und die Leibwache untersuchten die Karte und tauschten sich dabei aus.
»Ach, und Wölfe ... Sie ritten auf Wölfen ...«, warf der Händler noch ein.
»Jaja, schon gut. Das ist jetzt nicht entscheidend. Wir müssen wissen, wo ihr Nest ...«, wollte der Abenteurer antworten, doch wurde von der Jungfrau des Schwertes unterbrochen.
»Das Labyrinth des Todes.«
Ihre Worte waren wie ein kleiner Stein, der auf eine ruhige Wasseroberfläche geworfen wurde. Wellen der Stille breiteten sich im Raum aus und alle Anwesenden richteten ihren Blick auf einen Punkt auf der Karte. Die Erzbischöfin hatte währenddessen ein leeres Lächeln auf ihren Lippen und ihre Haltung erinnerte an eine Frau, die unter der Bettdecke auf ihren Gatten wartete. Zumindest würde ein Wesen mit schmutzigen Gedanken so denken.
»Hast du eine Eingebung erhalten?«, fragte der König.
»Ich würde es viel eher eine Offenbarung nennen.«
»Es ist lange her, dass ich diesen Namen gehört habe.«
Das Labyrinth des Todes befand sich weit im Norden in der Nähe des Heiligen Berges. Es war der Ort, an dem vor mehr als zehn Jahren zahllose Abenteurer mit einem Dämonenfürsten gerungen hatten. Um den Tod, der aus ihm herausströmte, zu versiegeln, war davor eine Festungsstadt errichtet worden, aus der Expeditionen entsandt worden waren, bis der Dämonenfürst schließlich besiegt worden war.
Der Kardinal und der Leibgardist verzogen die Gesichter. Der Abenteurer schluckte. Selbst heute noch galt das Labyrinth als unbezwingbarer Dungeon und Symbol des Schreckens.
»Ich denke, dass es in dieser Gegend nur diesen Ort gibt, an dem sich die Goblins verstecken könnten ...«
Die Erzbischöfin fragte sich, ob irgendjemand der Anwesenden das Zittern in ihrer Stimme bemerkt oder mitbekommen hatte, wie ihre Augen ängstlich unter der Augenbinde gezuckt hatten. Ein Labyrinth, Goblins, eine entführte Frau und das Schicksal, welches dort auf sie warten würde.
»Wenn es doch nur einen Abenteurer gäbe, der verschwiegen, zuverlässig, vertrauenswürdig und in der Lage ist, die tiefste Ebene des Labyrinths zu erreichen«, meldete sich ein alter Minister zu Wort.
»Sollten wir vielleicht Euch, verehrte Jungfrau des Schwertes, darum bitten, noch einmal in das Labyrinth einzudringen?«
Einige der Anwesenden nickten zustimmend. Selbst unter den Gold-Rang-Abenteurern genoss sie eine besondere Stellung. Schließlich war sie Teil der Gruppe gewesen, die damals dem Dämonenfürsten das Handwerk gelegt hatte.
»Ah ...«, machte sie den Mund auf, um etwas zu sagen, aber bekam kein Wort heraus.
Sie begann zu zittern und umschlang sich selbst mit ihren Armen. Ich kann nicht gehen. Ich habe Angst. Es tut mir leid. So rette mich doch jemand.
All diese Dinge wollte sie rufen, doch sie durfte es nicht. Sie war die höchste Priesterin des Königreichs. Wie würde sie dastehen, wenn herauskam, dass sie Angst vor Goblins hatte?
»Jenes Mädchen können wir nicht darum bitten ...«
Der König dachte mit ernster Miene nach. Wahrscheinlich hatte das Mädchen keine Zeit. Nur noch wenige Sekunden, dann würde er sicher die Erzbischöfin fragen. Er würde nicht verstehen, warum sie die Aufgabe nicht annehmen wollte, und das käme für sie einem Todesurteil gleich. Nervös begann sie, auf ihrem Stuhl hin und her zu rutschen.
»Wie schaut es aus, Erzbischöfin?«
»Ähm ...«
Während die Erzbischöfin noch mit den Worten rang, meldete sich jemand anderes zu Wort. Es war jemand, der den Raum verlassen hatte und nun plötzlich zurückgekehrt war. Die Händlerin. Die Erzbischöfin legte überrascht ihren verdeckten Blick auf die Frau.
»Eine Unverschämtheit«, beschwerte sich lautstark ein alter Minister darüber, dass sie einfach das Wort ergriffen hatte, aber der König winkte mit einer Hand ab.
»Schon gut.«
Der König hatte Gefallen an der Händlerin gefunden und war neugierig, was sie als Nächstes sagen würde.
»Was ist?«
»Die Begleitung der Erzbischöfin bittet darum, an dieser Sitzung teilnehmen zu dürfen.«
»Wir befinden uns in einer Besprechung.«
»Es ist ein Abenteurer auf Silber-Rang.« Der Minister beschwerte sich erneut, aber die Händlerin ließ nicht locker. Ohne auf die Antwort des Königs zu warten, zog sie die Tür zum Nebenzimmer auf. Eine Dienerin bei der Tür schüttelte ihren Kopf.
»Ich habe alles gehört«, sagte ein Mensch mit einer tiefen, emotionslosen Stimme.
Er war in Begleitung einer Hochelfe, die stolz mit ihren Ohren wackelte, eines jungen Mädchens, das resigniert lächelte, eines Zwergs, der nur halb so groß wie seine Kameraden war, und eines hünenhaften Echsenmenschen. Es war eine äußerst eigentümliche Gruppe. Ein zusammengewürfelter Haufen mit unterschiedlicher Ausrüstung. Doch besonders überraschend war das Aussehen des Kriegers.
Eine verschmutzte Lederrüstung und ein billiger Eisenhelm.
An der Hüfte hing ein mittellanges Schwert und um den Arm war ein kleiner Rundschild gebunden. Selbst ein frischgebackener Abenteurer hatte meist schon bessere Ausrüstung, doch das Abzeichen um seinen Hals bewies, dass er wirklich auf dem Silber-Rang war. Es war der höchste Abenteurer-Rang, den man erreichen konnte, wenn man kein öffentliches Amt innehatte.
»Also doch Goblins?«
Die Jungfrau des Schwertes sprang reflexartig auf. Sie ließ das Waagenschwert fallen, ohne es zu bemerken.
»Ja«, antwortete die Händlerin leise.
Sie war, als sie noch Abenteurerin gewesen war, von Goblin Slayer aus den Fängen eines Goblin - Paladins gerettet worden. Ihre Haare waren mittlerweile wieder länger geworden.
»Ich werde gehen. Wo sind sie? Wie viele sind es?«
Die Jungfrau des Schwertes war kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren, aber sie nickte. Sie nickte immer und immer wieder.[/JUSTIFY]


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Edward Teach

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Kapitel 68

Die Leiden der Prinzessin.


»Wir haben uns einige Zeit nicht gesehen ...«, sagte die Fechterin, während sie mit schnellen Schritten der Abenteurer-Gruppe folgte.​
Goblin Slayer und die anderen hatten keine Zeit für lange Diskussionen und mussten sich auf die Abreise vorbereiten. Der Echsenmensch und die Elfe hatten keine Probleme, mit den schnellen, stapfenden Schritten des Kriegers mitzuhalten, aber der Priesterin und dem Zwerg fiel das nicht so leicht.​
»Ja, das stimmt«, antwortete die Priesterin der Fechterin.​
Seit dem Vorfall am letzten Abend war sie sehr angespannt gewesen, aber jetzt konzentrierte sie sich auf die Aufgabe, die vor ihr lag.​
»Hauptsache, du bist wohlauf. Seitdem ...«​
»... geht es mir wie jetzt«, erklärte die Adlige. Sie hatte ihre Rüstung gegen formelle Kleidung getauscht und ihre Haare waren gewachsen. Ihre Augen und Wangen waren derzeit leicht gerötet.​
Sie scheint erfüllt zu sein ... , dachte die Priesterin und ihre Augen wurden feucht. Sie blinzelte schnell.​
»Aber woher wusstest du, dass wir gerade in der Stadt sind?«​
»Wer hat euch damals den Auftrag für meine Rettung gegeben?«​
Die ansonsten so ausdruckslose Fechterin trug ein etwas freches Grinsen auf dem Gesicht.​
»Ach!«​
Die Priesterin wusste sofort, auf wen die Fechterin anspielte: die Jungfrau des Schwertes. Das ergab in der Tat Sinn. Sie verstand, warum sie auf die Idee gekommen war, die Gruppe anzuheuern.​
»Ist bei dir denn alles in Ordnung?«, fragte die Fechterin.​
Die Priesterin musste kurz nachdenken. Was sie wohl damit meinte? Machte sie sich etwa Sorgen darüber, dass sie nun knapp ein weiteres Jahr damit verbracht hatte, Goblins zu besiegen? Oder wollte sie wissen, ob sie noch immer mit ihm klarkam? Oder zielte sie vielleicht darauf ab, dass ihr kostbares Kettenhemd gestohlen worden war? Sie hatte sich eine Robe ausleihen können, aber dadurch, dass das gewohnte Gewicht auf ihren Schultern fehlte, kam sie innerlich nicht wirklich zur Ruhe. Nachdem sie ein wenig nachgedacht hatte, lächelte sie zweideutig und sagte:​
»Bestimmt wird alles gut gehen.«​
»Aber was machen wir?«, fragte die Elfe und drehte sich beim Laufen um. Ihre Bewegung erinnerte dabei an einen Tanz.​
»Die Prinzessin wurde frühmorgens entführt. Sind wir nicht zu spät dran, um sie zu verfolgen?«​
»Ich habe Pferde vorbereiten lassen. Sie sind schnell.«​
»Aber selbst mit ihnen werden wir sie nicht einholen können, oder?«​
Die Elfe malte mit ihrem Finger Kreise in die Luft.​
»Schließlich sind unsere Gegner Goblin Reiter. Wir sollten die Geschwindigkeit, mit der sie auf ihren Kläffern reiten, nicht unterschätzen.«​
»Dann werde ich einen Zauber wirken müssen.«​
Der Zwerg war schon länger dabei, keuchend in seiner Tasche mit Katalysatoren zu wühlen.​
»Eigentlich sollte man sparsam mit Zaubern sein, aber in wichtigen Momenten sollte man sie dennoch nutzen.«​
»Ich bitte dich«, gab Goblin Slayer darauf kurz und knapp zurück.​
»Hm.«​
Der Zwerg nickte. Magie war in Kämpfen eine entscheidende Waffe, aber wenn sie den Gegner nicht einholen konnten, würde es gar nicht erst zu einem Kampf kommen. Falls sie gezwungen waren, dem Gegner ins Labyrinth zu folgen, würden sie eh eine Nacht ruhen müssen, denn erschöpft in es einzudringen, könnte ihren Tod bedeuten.​
»Ich bin mit der Gunst des Drachen gesegnet!«, rief der Echsenmensch und verdrehte dabei die Augen.​
»Ich darf mit dem werten Goblintöter nicht nur diese kleinen Teufel bekämpfen, sondern mich nun wahrscheinlich auch mit ihm an dem tiefsten aller Labyrinthe versuchen!«​
Der Mönch schlug vor Freude mit seinem Schwanz auf den Boden.​
»Auch der werte Goblintöter scheint irgendwie lebendiger zu sein!«​
»Ist das so?«, fragte Goblin Slayer und rannte, ohne langsamer zu werden, weiter geradeaus.​
Die Priesterin und die Elfe schauten ihn an und lächelten verlegen. Den Blicken der Adligen wichen sie dabei aus. Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass ich keine Angst habe, dachte sich die Priesterin. Sie waren auf dem Weg zu einem Labyrinth, das vor zehn Jahren noch die Basis eines Dämonenfürsten gewesen war. Da das Militär es vorher für seine Zwecke genutzt hatte, wusste man, dass es zehn Ebenen hatte, aber da die Monster, die herausgekommen waren, keine Schätze bei sich getragen hatten, waren die Abenteurer nicht von selbst herbei geströmt gekommen. Man hatte sie beauftragen müssen. Sonst wäre die Welt sicher zu Grunde gegangen. Der Priesterin kam es ironisch vor. Meistens war es kein starkes Gerechtigkeitsgefühl, das die Welt rettete, sondern Habgier. Rang, Namen, Reichtümer, Heldengeschichten und Geld. Vor über einem Jahr, als sie Abenteurerin werden wollte, hatte die Oberpriesterin des Tempels es ihr so erklärt. Da Sehnsüchte aber ein Ausdruck des Lebenswillens waren, war es generell in Ordnung. Allerdings gab es Abenteurer, die wie Wegelagerer anderen Abenteurern die Besitztümer raubten. Sie gingen tief unter die Erde, um dort ihre Kollegen zu bestehlen und nicht um Dämonen und andere Diener des Chaos zu besiegen. So jemand wollte die Priesterin nie werden.​
Die Prinzessin hatte ihr Edelsteine als Wiedergutmachung für ihre Ausrüstung hinterlassen, aber sie trotzdem bestohlen. Sie hatte an niemanden gedacht außer sich selbst und war in diesem Punkt nicht anders als Goblins.​
Puh ... Dass ich solche Dinge denke, zeigt, wie viel Einfluss Goblin Slayer bereits auf mich hat ...
»Das mag jetzt komisch klingen, aber ist das wirklich okay für dich?«, flüsterte die Elfe ihr leise zu.​
Die Priesterin verstand, worauf die Elfe hinauswollte. Sie war bestohlen worden und deshalb konnte es ihr eigentlich egal sein, was mit der Täterin geschah. Ihr war dieser Gedanke auch bereits durch den Kopf geschossen.​
Dennoch ... Die Priesterin ballte ihre Hände zu Fäusten zusammen und flüsterte den Namen der Erdmutter, um ihre Gefühle zu besänftigen.​
»Ja, ich mache mir Sorgen, was ihr angetan werden könnte.«​
Sie war kein Goblin. Sie würde sich nicht darüber freuen, wenn jemand so einem Schicksal verfiel. Sie durfte nie zu solch einem Menschen werden. Sie würde sie retten und dann mit ihr schimpfen und dafür sorgen, dass sie ihre Taten bereute.​
»Hm ...«​
Die Elfe wackelte leicht mit den Ohren und nickte.​
»Dann ist gut. Lass uns gehen!«​
»Ja!«​
Die Priesterin sprach ein kurzes Gebet. So möge es geschehen.​
***
»Wartet kurz«, wurde die Gruppe angesprochen, als sie sich ihre Reittiere ausgesucht hatten.​
Es waren schnelle Schlachtrosse mit starken Körpern, die vielleicht nicht so schnell wie Rennpferde waren, aber sich dafür nicht so leicht die Beine brechen würden. Während der Echsenmensch allein auf einem Pferd saß, teilten sich der Zwerg und die Elfe ein weiteres. Goblin Slayer hatte schon die Hand an den Sattel seines Pferdes gelegt, um aufzusteigen, aber drehte sich dann um.​
»Was ist?«​
»Ich dachte, ihr wärt schon fort.« Die Erzbischöfin kam keuchend angelaufen. Im Versuch, ihren heftigen Herzschlag ein wenig zu verlangsamen, hielt sie eine Hand über ihrer Brust. Nach ein paar Sekunden hatte sie sich gesammelt und verbeugte sich elegant.​
»Ähm ... Ich möchte mich für dieses Mal bei dir bedanken.«​
»Ich brauche keinen Dank«, sagte Goblin Slayer und schüttelte den Kopf. »Es ist meine Arbeit.«​
»Ja ...«​
Die Jungfrau des Schwertes nickte anmutig.​
»Ich habe einige Informationen für dich.«​
Während die Erzbischöfin einen Zettel, den der Krieger mit wilden Schriftzeichen beschrieben hatte, nah an ihr Herz hielt, holte sie einige Blätter Pergamentpapier aus ihrem Gewand, das wegen des Schweißes an ihrem Körper klebte, hervor.​
»Das ist alles, woran ich mich erinnern kann ... Karten vom Labyrinth bis runter zur vierten Ebene.«​
»Zur vierten Ebene?«​
Goblin Slayer schaute sich die Schriftstücke gar nicht erst an und reichte sie an den Echsenmenschen weiter. Dieser breitete sie schnell aus und überprüfte sie.​
»Oho«, entwich ihn ein bewundernder Laut.​
»Auch wenn sie hastig erstellt wurden, werden sie nützlich sein.«​
»Ich war einst unsere Kartenzeichnerin ...«​
»Aber sie gehen nicht bis zur tiefsten Ebene?«​
»Auf der vierten Ebene gibt es einen Strudel aus Magie und Miasma. Er ist das Herz des Dungeons. Solltet ihr tiefer vordringen, werdet ihr nicht zurückkehren.«​
Die Priesterin und die Elfe schauten sich reflexartig an und verzogen das Gesicht.​
»Das klingt nicht sehr ermunternd.«​
»Nun ja, über Tausende von Jahren hinweg sind nicht viele von dort zurückgekehrt«, antwortete der Zwerg. Er verschränkte die Arme.​
»Ich habe von meinem Großvater oft schreckliche Geschichten über diesen Ort gehört.«​
»Sowieso werdet ihr nicht tiefer als bis zur vierten Ebene herabsteigen können ... Zumindest nicht ohne dies hier ...«​
Die Jungfrau des Schwertes zog ein leuchtendes Halsband aus ihrer Kleidung hervor. Die Priesterin riss ihre Augen auf. Bewunderung und Ehrfurcht entflammten in ihr. War das etwa ein Gegenstand aus dem Besitz des Dämonenfürsten?​
»Ist das ein Amulett?«​
»Es ist keine besonders beeindruckende Sache«, verneinte die Erzbischöfin rücksichtsvoll die Nachfrage der Priesterin.​
»Das ist nur eine blaue Schleife. Sie ist ein Schlüssel, um die tiefsten Ebenen zu erreichen.«​
Sie überreichte das Objekt Goblin Slayer.​
»Bitte kehre damit heil zurück.«​
Der Krieger bemerkte, dass die Hand der Jungfrau des Schwertes zitterte. Er schloss das Halsband in seiner Faust ein.​
»Verstanden. Das habe ich vor.«​
Der Abenteurer stopfte das Objekt in seine Tasche, griff zum Sattel und stieg locker aufs Pferd. Dann reichte er der Priesterin seine Hand.​
»Steig auf.«​
»Äh, j... ja!«​
Das Mädchen wurde mit stärkerer Kraft als erwartet auf das Pferd gezogen. Nach einem kurzen Gefühl der Schwerelosigkeit saß sie vor dem Krieger auf dem Ross.​
»Ho... Hoppla ...«​
Ohne Steigbügel festigte sie ihren Halt durch einen Griff in die Mähne des Reittiers und lehnte sich gegen den Krieger hinter sich. Das grobe Leder seiner Rüstung konnte sie aufgrund des fehlenden Kettenhemds deutlich spüren.​
»Pass gut auf, dass du nicht abgeworfen wirst.«​
»J ... Ja. Ich passe auf ...«​
Sie schämte sich ein wenig dafür, dass ihre Stimme sich überschlug, während sie mit ihrem schmalen Hintern Halt suchte. Goblin Slayer interessierte dies aber nicht.​
»Wir reiten los.«​
Der Echsenmensch heulte zustimmend auf und schlug seine Füße in die Seiten des Pferdes, das kraftvoll wieherte und mit klackernden Hufen los trabte.​
»Gut!«, rief die Elfe und machte den Echsenmenschen nach, womit sie allerdings lediglich dafür sorgte, dass das Pferd die Vorderbeine in die Höhe riss.​
»He... Hey, du Amboss! Was machst du denn da?!«​
»Uwah?! Hey, beruhige dich ... Wir müssen los!«​
Der Zwerg wäre fast vom Pferd gefallen, weshalb die Elfe über den Hals des Reittiers streichelte. Sie nutzte eine Technik der Waldbewohner, um sich mit dem Tier zu verständigen, und sofort flitzte das Schlachtross los.​
Goblin Slayer schaute noch einmal kurz zur Fechterin und der Jungfrau des Schwertes, bevor er die Zügel knallen ließ und das Pferd los galoppierte. Die Priesterin schrie erschrocken auf und hielt ihre Mütze fest.​
»Ein Abenteuer ...«, murmelte die adlige Fechterin, als sich der Staub lichtete, den die Pferde hinterlassen hatten, und sie den Abreisenden bewundernd hinterherschaute.​
»Denkst du daran, irgendwann wieder auf ein Abenteuer zu gehen?«​
»Ich weiß nicht so genau«, antwortete die Erzbischöfin und stützte sich auf das Waagenschwert.​
»Ich konnte mich nur erholen, weil ich mit neuen Kameraden auf ein Abenteuer gegangen bin. Und dennoch ...«​
Der verhüllte Blick der Erzbischöfin schaute in die Ferne. Nach Norden. Zum Schauplatz ihres Abenteuers. Zu dem Ort, zu dem er jetzt ging. Und einem Ort voller Erinnerungen von ihr. Sie war bei ihrem ersten Abenteuer von Goblins überfallen worden. Ihre Kameraden hatte sie erst danach kennengelernt, aber der Goblin Überfall würde nie aus ihren Erinnerungen verschwinden. Nicht nur, weil dieses Erlebnis wortwörtlich in ihren Körper eingebrannt worden war. Aber in jenem aschgrauen Labyrinth hatte sie es geschafft, wieder zu sich selbst und Kraft zu finden.​
»Ich habe vielleicht den Mut verloren, mich schrecklichen Dingen zu stellen.«​
Die Hände der Jungfrau des Schwertes begannen erneut zu zittern. Nein, sie zitterten schon die ganze Zeit. Seit der Sitzung.​
Das stimmt nicht.
Nein, sie zitterten, seitdem sie davon gehört hatte, dass sie in die Hauptstadt reisen musste und auf dem Weg von Goblins überfallen werden könnte. Es war wohl nur besser geworden, weil Goblin Slayer in ihrer Nähe gewesen war.​
»Ich bin eine schwache Frau.«​
Die Fechterin schaute in den Himmel. Er war wunderschön. Blau mit schneeweißen Wolken. Doch selbst unter diesem Himmel gab es Goblins. Sie waren einfach überall.​
»Vor fürchterlichen Dingen fürchtet man sich nun mal.«​
Die Erzbischöfin legte verwundert ihren Kopf schief.​
»Denkst du nicht, dass man seine Angst überwinden muss?«​
»Ich denke hin und wieder daran, aber es benötigt bereits meine ganze Kraft, mich dem Ganzen überhaupt zu stellen.«​
»Komm, lass uns gehen«, sagte die Jungfrau des Schwertes.​
Es gab viel zu tun. Im Schloss wurden sicher bereits Pläne aufgestellt, wie mit dem Feuerstein und den finsteren Sekten umzugehen war. Sie hatten keine Zeit, hier lange stehen zu bleiben. Die beiden Frauen drehten sich um und wollten zurück ins Schloss gehen, aber die Erzbischöfin blieb noch einmal kurz in der Tür stehen und wandte sich zurück. Ihre Binde verdeckte und beschützte ihre Augen, aber durch sie konnte sie mit ihren Augen die Welt nur noch in Schatten erblicken. Sein Schatten war schon lange im warmen Sonnenschein verschwunden. Sie fuhr mit ihrem Finger über die Schriftzeichen der Notiz, die er ihr überreicht hatte, und seufzte.​
»Es wäre besser, wenn alle Goblins einfach verschwinden würden.«​
Kein Lebewesen dieser Welt konnte so lange marschieren wie Menschen, doch wenn es um Geschwindigkeit ging, waren Pferde ihnen weit überlegen. Die Abenteurer durchquerten galoppierend das Tor der Stadt und folgten der Straße nach Norden. Sie waren dabei so schnell wie der Wind. Ihre Pferde liefen viel schneller, als sie es eigentlich konnten.​
»Sylphen, Sylphen, gebt mir einen Kuss, damit unsere Pferde Glück haben.«​
Der Grund dafür war der Zauber „Rückenwind“ des Zwergs. Die gerufenen Windgeister umhüllten die Pferde und trieben sie nach vorne.​
»Ich verstehe. So werden wir die Goblins einholen, obwohl sie einen Vorsprung haben«, sagte die Elfe und lachte.​
Sie hatte ihre Sinne aufs Äußerste geschärft.​
»Auf dem Wasser habe ich mir nichts dabei gedacht! aber es ist überraschend, dass ein Zwerg den Wind kontrollieren kann.«​
»Nun ja, ich würde niemals behaupten, dass dies eine meiner Stärken ist.«​
Sollte er sich freuen, dass sie ihn gelobt hatte, oder sich darüber ärgern, dass er ihr die Zügel überlassen hatte?​
»Die Schätze der Erde werden mithilfe von Feuer, Wasser und Wind zu Stahl geschmiedet. Daher besitzen wir sehr wohl Wissen über die vier großen Naturgeister.«​
»Es wäre hervorragend, wenn wir sie vor dem Betreten des Labyrinths einholen würden«, rief der Echsenmensch, während er in die Ferne schaute​
Wie er seinen langen Schwanz nach hinten streckte, um aufrecht auf dem Pferd zu sitzen, war ein beeindruckender Anblick.​
»Natürlich würde ich mich gern am Labyrinth versuchen, aber ...«​
***
Wer hätte gedacht, dass er reiten kann ..., wunderte sich die Priesterin.​
»Hm ...«, brummte Goblin Slayer plötzlich und sie wandte ihren Blick nach vorne. Dort stand ein zerstörter Pferdewagen. Die Gruppe blieb neben ihm stehen.​
Es musste der Tatort sein. Die Goblins hatten die Fracht durchwühlt und überall lagen Stofffetzen herum. Als die Priesterin erkannte, dass die Stofffetzen von ihrer gestohlenen Priesterkleidung kamen, verkrampfte ihr Körper sich schlagartig.​
Urgh ...
Ihr wurde schwindelig. Was wäre damals passiert, wenn er nicht gekommen wäre? Ihre Gedanken verschwanden an einen dunklen Ort. Dennoch sagte sie:​
»Anscheinend ... haben sie sie hier nicht an Ort und Stelle ... geschändet ...«​
Während der Echsenmensch sich misstrauisch umschaute, ekelt die Priesterin sich ein wenig vor sich selbst dafür, dass sie mittlerweile so etwas erkennen konnte. Leicht enttäuscht registriert sie, dass ihr Kettenhemd nicht da war, aber dafür etwas anders.​
»Ah!«, rief sie, stieg vom Pferd und lief los.​
»Was ist?«, fragte Goblin Slayer.​
Die Priesterin antwortete, indem sie einen Priesterstab in die Höhe hielt. Es war ihr eigener.​
»Dann sind wir hier also richtig«, sagte der Krieger nickend. Auf die Nachfrage der Elfe, ob sie darüber glücklich sei, meinte die Priesterin:​
»Ja. Aber sieht einer von euch Blutspuren? Hm?« Keine Leiche, keine Blutspuren. Hieß das etwa ... ?​
»Sie haben sie also direkt verschleppt.«​
»Sie sollen doch etwas mit einem verfluchten Gegenstand gemacht haben«, murmelte die Elfe und ließ angewidert die langen Ohren hängen. Sie erinnerte sich an den Dunkelelfen, den sie bekämpft hatten,​
»Soll sie dann ein Opfer sein?«​
»Wahrscheinlich«, stimmte der Zwerg der Analyse der Bogenschützin zu. »Wenn man eine Prinzessin entführt, möchte man sie heiraten, ein Lösegeld erpressen oder sie als Opfergabe darbieten.«​
»Die Frage ist, ob sie es wirklich auf die Prinzessin abgesehen hatten oder sie nur zufällig erwischt haben.«​
Goblin Slayer wandte sich dem Echsenmenschen zu.​
»Was denkst du?«​
»Die Prinzessin ist zufällig ausgerissen, reiste zufällig auf dieser Straße nach Norden und wurde dann zufällig entführt.«​
Der Mönch schüttelte langsam den Kopf.​
»Es wird Zufall sein.«​
»Das stimmt wohl«, erwiderte Goblin Slayer darauf.​
»Der Angriff der Goblins war viel zu spontan, um es auf eine Prinzessin abgesehen gehabt zu haben.«​
»Dann müssen wir hier keine weitere Zeit verschwenden, oder?«, rief die Elfe, während sie die Zügel herumwirbelte.​
»Lasst uns gehen! Sonst holen wir sie nicht mehr ein!«​
Goblin Slayer zog die Priesterin wieder zu sich aufs Pferd und zusammen ritten die Abenteurer weiter in Richtung Norden. Aber auch wenn die Pferde aufgrund des Zaubers des Zwergs nicht erschöpft waren, galt das nicht für die Reiter auf ihrem Rücken. Sie waren jetzt schon seit den Morgenstunden unterwegs und langsam breitete sich die Erschöpfung in den zarten Körpern der Elfe und der Priesterin aus. Es war bereits Mittag und die herbstliche Sonne brannte mit ihrer verbliebenen Kraft auf die Abenteurer herab. Die Priesterin seufzte und holte ihren Wasserbeutel hervor. Nachdem sie sich selbst einen Schluck gegönnt hatte, fragte sie den Krieger:​
»Willst du auch?«​
»Nein«, erwiderte dieser mit tiefer Stimme.​
»Ich brauche nichts.«​
»Ach, wirklich?«, entgegnete das Mädchen und trank einen weiteren Schluck.​
»Werter Goblintöter«, sagte der Echsenmensch.​
»Wenn wir weiter so schnell reiten, werden wir am Ende keine Kraft mehr haben.«​
»Eine kurze Rast?«​
»Wenn ich es vorschlagen dürfte.«​
»Ich kann aber noch.« Goblin Slayer wandte sich der Elfe zu.​
»Was ist? Kannst du immer noch nichts hören?«​
»Noch nicht ...«​
Sie verzog das Gesicht und wackelte mit den langen Ohren. »Warte kurz ...« Sie kniff die Augen zusammen.​
»Der Wind ... und das Knurren von Wölfen ...«​
»Goblins?«​
Die Elfe sog tief Luft ein.​
»Es riecht auch nach verrottetem Fleisch!«​
»Also Goblins!«​
Goblin Slayer schlug seine Hacken in die Seiten des Pferds und trieb es dazu an, noch schneller zu galoppieren. Die Priesterin schrie kurz erschrocken auf und der Zwerg schlug sich auf die Stirn, als wolle er über das Verhalten des Kriegers schimpfen.​
»Meine Güte. Wenn es um Goblins geht, ist er immer gleich so wild! Langohr, gib mir die Zügel!«​
»Ich verlass mich auf dich!«, antwortete die Elfe, gab die Zügel weiter und machte ihren Bogen bereit. Eigentlich war er viel zu groß, um auf dem Rücken des Pferdes eingesetzt zu werden, weshalb die Elfe sich auf den Sattel stellte und drei Pfeile aus dem Köcher zog. Mit drei Pfeilen gleichzeitig in ihrem Bogen wirkte sie wie eine Statue. Ihre Ohren machten nur winzige Bewegungen, als sie den genauen Standort der Feinde identifizierte. Dann ließ sie die Geschosse losfliegen und gab damit das Signal, dass der Kampf begonnen hatte.​
»GOROBGR?!«
»GBB?!«​
[/JUSTIFY]Nach dem Aufheulen eines Wolfes waren direkt darauf zwei Schreie von Goblins zu hören. Goblin Slayer, der voraus geprescht war, konnte sie mittlerweile mit seinen eigenen Augen sehen. Für die Goblins mit ihrem abweichenden Tagesrhythmus war es gerade Mitternacht und sie waren in den Schatten einiger Bäume geflüchtet, um eine Pause einzulegen. Weil zwei ihrer Kameraden erschossen worden waren, sprangen sie jetzt aber aufgeregt auf. Damit waren noch fünf von ihnen übrig. Sie waren unterschiedlich bewaffnet und trugen seltsame Markierungen unter ihrer Haut.[/JUSTIFY]
»GOROBG! GOORO!!!«
»GROBOGORO!!«​
Sie traten und trampelten über ihre Kameraden hinweg und rannten auf die Wölfe zu. Auf dem Boden lagen Essensreste herum.​
»Das ist ganz sicher nicht die Hauptstreitkraft«, murmelte der Zwerg genervt.​
»Sie haben sich zu sehr dem Plündern hingegeben und wurden von der Vorhut zurückgelassen.«​
»Was soll das denn?«, rief die Elfe überrascht.​
»Wie kann man so blöd sein?«​
»Am Ende verschaffen die anderen Goblins sich so Zeit. Das gefällt mir gar nicht«, stöhnte Goblin Slayer.​
Goblins würden sich niemals für ihre Kameraden opfern, aber die Vorausgeeilten hatten sich wohl erhofft, dass die Zurückgelassenen diese Aufgabe unfreiwillig erfüllen würden. Gleichzeitig dachten sie sich, dass sie nie in so eine Position geraten würden und dass sie, sollte es wider Erwarten doch geschehen, sich schon würden durchschlagen können. Solche Wesen waren Goblins nun mal.​
»Aber wir bringen sie alle um«, entschied Goblin Slayer nüchtern.​
»Ein Verfolgungskampf. Der Feind flieht. Es sind fünf. Es scheint keine Fallen zu geben. Auf geht's.«​
»In Ordnung!«​
Der Echsenmensch zeigte ein wildes Grinsen, das dem seiner Vorfahren ebenbürtig war.​
»Das Abschlagen ihrer Köpfe wird als gute Tat gewertet werden!«​
Der Mönch wickelte sich die Zügel um ein Handgelenk und schlug beide Hände klatschend zusammen.​
»Sichelschwinge des Velociraptors, flieg messerscharf empor und begib dich auf die Jagd!«​
Die Reißzähne in seinen Händen blähten sich auf und verformten sich zu Krallenschwertern.​
»Werter Goblintöter und werte Waldläuferin, unterstützt mich!«​
»Ja.«​
Der Krieger überreichte die Zügel der Priesterin.​
»Ich bitte dich.«​
Mit einem „Wah!“ nahm jene sich die Zügel, obwohl sie keine Ahnung hatte, was sie damit machen sollte. Schließlich wusste sie nicht, wie man mit einem Pferd umging. Sie drehte sich Goblin Slayer zu und fragte:​
»Go ... Goblin Slayer! Ä ... Ähm, was soll ich denn machen?!«​
Während die Priesterin sich darüber freute, dass ihre Stimme nicht allzu weinerlich klang, antwortete der Krieger:​
»Halt die Zügel fest und schau nach vorne.«​
Er holte eine Schleuder und Steine hervor.​
»Es ist gleich vorbei.«​
Und genau so war es. Die Elfe legte den nächsten Pfeil an und Goblin Slayer begann, einen Stein in seiner Schleuder zu wirbeln. Er tat es allerdings nicht wie sonst über seinem Kopf, sondern an der Seite.​
Er macht das, damit der Kopf des Pferdes nicht stört!, stellte die Priesterin überrascht fest. Sie machte sich im Kopf eine Notiz.​
»GBBBOROGB?!«​
Der Stein flog durch die Luft und traf einen der fliehenden Goblins am Kopf. Er fiel von seinem Wolf und brach sich dabei das Genick. Damit waren noch vier übrig. Nein ...​
»Und plopp!«​
Die Elfe ließ einen Pfeil von ihrem Bogen fliegen und dieser segelte unter den Beinen eines Wolfs hindurch in seinen Hals. Es war, als wäre das Geschoss von Magie gesteuert worden.​
»GOORBGRGOB?!«​
Der Wolf schrie einen bellenden Laut heraus und warf den kleinen Teufel ab. Goblin Slayer ritt über ihn hinweg und zertrümmerte mit den Hufen des Pferdes seinen Schädel. Die Hirnbrocken, die auf seine Stiefel spritzten, schüttelte er einfach ab. Damit waren nur noch drei übrig.​
»Ha ha ha!«​
Die Elfe lachte stolz und streckte ihre Brust heraus.​
»Was willst du jetzt damit bewiesen haben?«, murmelte der Zwerg, aber die Elfe überhörte seine Aussage einfach.

»Hiiiiiiijaaaah!«​
Der Echsenmensch schoss voran. Die Zügel seines Pferdes hatte er dabei im Maul und in beiden Händen hielt er jeweils eine Scharfkralle. Für ein Mitglied der Kriegs liebenden Echsenmenschen waren ein paar Goblins keine Herausforderung. Er schlug einmal links und einmal rechts zu und schon flogen die Köpfe der restlichen Goblins durch die Luft. Dann badete er förmlich in den Blutfontänen der getöteten Gegner. Die noch lebenden Wölfe zogen bei diesem Anblick den Schwanz ein und rannten winselnd davon.​
»Verfolgen wir die Wölfe?«​
»Es sind keine Goblins«, erwiderte Goblin Slayer kurz auf die Nachfrage des Echsenmenschen, den es offensichtlich nach noch mehr Blut gelüstete. »Habt ihr ihre Markierungen gesehen?«​
»Ja.«​
Der Echsenmensch nickte.​
»Es sind dieselben Symbole wie bei den vorigen Goblins.«​
»Ja«, antwortete Goblin Slayer und sagte dann ruhig zur Priesterin: »Genug.«​
»Äh, ja...«​
Der Krieger nahm die Zügel erneut an sich. Obwohl das Pferd durch den Zauber des Zwergs unterstützt wurde, hatte der Galopp es an seine Grenzen getrieben. Es hatte leichten Schaum vor dem Mund, weshalb die Priesterin es besorgt streichelte.​
»Goblin Slayer, es geht nicht viel länger ...«​
»Ich weiß ...«, sagte Goblin Slayer widerwillig und verlangsamte das Tempo.​
Das Mädchen wusste, dass es nicht daran schuld war, aber sie würden hier draußen keine Ersatztiere bekommen, weshalb sie pfleglich mit ihren Pferden umgehen mussten. Sie schaute nach Norden und konnte in der Ferne bereits den Heiligen Berg erkennen, der sich in den Himmel hob. Seine Spitze war von Wolken umhüllt . . . Man bekam das Gefühl, dass dies kein Ort war, an dem sich Menschen aufhalten sollten.​
Sie ließ ihren Blick am Berg hinunter wandern und entdeckte einen Eingang, der dort auf die Abenteurer wartete. Dort würde die entführte Prinzessin sein. Und natürlich würden sie auf jede Menge Goblins treffen.​
»Es wird wohl erst morgen etwas werden.«​
Das tiefste aller Labyrinthe war noch weit entfernt.​


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Edward Teach

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Kapitel 69

Das pulsieren des Dämonenherzen.


Sie ist wie ein Klumpen aus Blut ...​
Das war der erste Eindruck, den die Priesterin von der Festung am Heiligen Berg hatte, als sie und der Rest der Gruppe ihr näher gekommen waren. Der Berg ragte hoch in den Himmel hinein, sodass das Licht der Morgensonne an ihm herabzulaufen schien. Und an seinem Fuß lag die Festung, die tatsächlich wie ein Klumpen aus Blut aussah. Sie war einst vom König zum Training seiner Leibgarde errichtet worden, bevor sie dann zu einer Festungsstadt wurde, in der sich die Abenteurer versammelten.​
Doch dies war eine Geschichte aus der Vergangenheit. Der Fürst der Dämonen wurde besiegt, die Abenteurer verließen dieses Labyrinth und die einst so stolze Festungsstadt bestand jetzt nur noch aus leeren Ruinen. Zumindest sollte es so sein. Da man aus der Ferne aufsteigenden Rauch erkennen konnte, musste die Priesterin zittern. Sie lugte zur Seite, wo die verlässliche Elfe mit angespanntem Gesicht mit ihren langen Ohren zuckte.​
Das tiefste Dungeon. Ein bodenloser Abgrund. Das Labyrinth des Todes. Einst hatte hier der Fürst der Dämonen gelebt und aus dem unendlichen Loch Tod und Verderben ausgesandt, doch selbst nach dem Tod des Fürsten hatte dieser Ort noch so scharfe Fänge, dass er noch immer ohne Probleme Abenteurer zerfleischen konnte. Egal, wie stark eine Festung auch sein mochte, man würde nicht alles abhalten können, was aus dem Loch herauskam.
»Es gibt Fußspuren.«​
Goblin Slayers emotionslose Worte rissen die Priesterin aus ihren Gedanken. Der Krieger war gerade dabei, den Boden mit seinen Fingerspitzen abzusuchen.​
»Wölfe und Goblins. Kein Zweifel.«​
»Die Gegend zu untersuchen wird uns Zeit kosten.«​
Der Zwerg hielt sich eine Hand als Sonnenschutz vor die Stirn und prüfte mit zusammengekniffenen Augen die Festung. Er schluckte einen Rülpser herunter, griff zu seiner Flasche und gönnte sich einen ordentlichen Schluck.​
Am Ende hatte die Gruppe sich für einen Gewaltritt entschieden. Sie hatten keine Zeit gehabt, eine Pause einzulegen, und waren deshalb die ganze Nacht weiter geritten. Nicht nur den Pferden, sondern auch den Abenteurern sah man die Erschöpfung deutlich an. Die Gruppe band die Pferde an einigen Bäumen fest und diese begannen zu grasen, wobei sie beinahe genervt wirkten. Die Priesterin schielte zu ihnen herüber. Deswegen haben Abenteurer also keine Pferde. Die Tiere brauchten Futter und Wasser und bevor man in eine Höhle eindrang, musste man einen Ort finden, an dem man sie sicher stehen lassen konnte. Auch viele Ritter waren wohl aus ebendiesem Grund immer wieder zu Fuß unterwegs.
Aber was machen wohl Paladine?
Verschiedene Gedanken kreisten ihr durch den müden Kopf.​
Aber jetzt war keine Zeit für Erschöpfung. Sie schlug sich klatschend die Hände auf die Wangen.​
»Auch wenn man nur bis zur vierten Ebene kommt, gibt es ja noch diese Festung!«​
»Ist dir das zu lästig?«, fragte Goblin Slayer, während er aufstand und sich den Dreck von den Händen schüttelte.​
»Wir haben es mit Goblins zu tun. Sie sind davon überzeugt, klug zu sein.« »Und das heißt?«, fragte der Echsenmensch.​
Er badete in der Sonne, um seinen Körper aufzuwärmen. Die kalten Winternächte näherten sich und schon jetzt war es kalt genug, um den Körper des Sumpfbewohners verkrampfen zu lassen.​
»Sie denken, dass das Wesen am höchsten oder tiefsten Punkt am wichtigsten ist.«​
Goblin Slayer wühlte in seiner Tasche herum und zog ein Ledertuch und zwei runde Kristallscheiben heraus. Er rollte das Tuch zu einer Art Röhre zusammen und steckte in beide Seiten eine der Scheiben hinein, bevor er alles mit einem Band fixierte.​
»Was ist das denn?«​
Die Elfe kam mit wackelnden Ohren angelaufen. Ihre Augen leuchteten vor Neugier.​
»Ein Fernrohr.«​
Während der Krieger das Fernrohr an sein Visier hielt und die Gegend absuchte, streckte die Waldläuferin bereits ihre Arme danach aus. Als Goblin Slayer es ihr dann wortlos hinhielt, probierte sie es sofort aus.​
»Ich verstehe ...«​
Sie stöhnte leicht auf, als sie ein Schild mit kritzeliger Schrift am Eingang der Festung sah. Darauf stand „Unsärä Schtatt“. Selbst Kinder hätten wohl ein deutlicheres Schild geschrieben. Als Verzierung des Schilds hingen die Köpfe zweier Wachen, die sicherlich das Labyrinth bewacht hatten, an beiden Seiten herab.​
Goblins waren nicht stark, doch von Dutzenden auf einmal innerhalb einer engen Festung angegriffen zu werden, war nicht anders als in einer Höhle.​
»Sie sagen, es sei ihre Stadt. Was machen wir nun?«, sagte die Elfe und verzog das Gesicht.​
Goblin Slayer nahm das Fernrohr wieder an sich. Er löste den Faden darum, rollte das Ledertuch wieder zusammen und steckte es zusammen mit den zwei Kristallscheiben zurück in seine Tasche.​
»Lasst mich nachdenken.«​
»Feuer? Wasser? Rauch? Oder vielleicht wieder eine Explosion?«​
»Nein.« Goblin Slayer schüttelte den Kopf.​
»So etwas nicht.«​
»Wieso das?«​
Die Elfe schnaubte missmutig, während der Zwerg resigniert dreinschaute. Der Krieger wandte sich dem Echsenmenschen zu.​
»Was denkst du?«​
»Nun ja ...«​
Der Echsenmensch schüttelte sich wie ein Tier, das sein Sonnenbad beendet hatte. Er schaute zur Festung und nickte langsam.​
»Eine Festung belagert man eigentlich nur, wenn man Verstärkung erwartet oder wenn keine kommt.«​
»Ä... Ähm?«​
Die Priesterin runzelte ihre Stirn. Sie verstand die Aussage des Mönchs nicht. Traf seine Erklärung nicht auf jede Schlacht zu?​
»Es ist eine Taktik, um sich Zeit bis zum Eintreffen der Verstärkung zu verschaffen. Andererseits ist es ein Mittel, wenn einem nichts anderes übrig bleibt. Nun ja, man könnte auch die Proviantversorgung des Feindes ins Visier nehmen.«​
Der Echsenmensch klang, als würde er ein Selbstgespräch führen.​
»Wie dem auch sei, ich glaube nicht, dass die Goblins dies verstehen würden ...«​
»Das kann sein.«​
Die Elfe nickte. Sie unterschätzte die Gegner zwar nicht, aber ..​
.»Es sind schließlich nur Goblins.«​
»Allerdings ...«, fügte der Mönch zögerlich hinzu.​
Die Priesterin schaute ihrem Kameraden ins Gesicht und hatte, wie auch bei Goblin Slayer, Probleme, seine Mimik zu verstehen.​
»Ist irgendwas?«​
»Ich kann nicht sagen, ob sie eventuell Verstärkung aus den Tiefen der Erde erhalten werden.«​
Ein Gefühl von Kälte überkam die Priesterin und sie klammerte sich an ihren Stab.​
»Wollen wir sie nicht doch anzünden?«, fragte sie in die Runde, unsicher, ob es der richtige Vorschlag war oder nicht.​
Die Elfe wollte zustimmen, dass sie wohl keine andere Wahl hätten, aber Goblin Slayer lehnte den Vorschlag ab.​
»Nein. Schließlich ist dies eine Stadt.«​
Dieser Ort war keine uralte Ruine, ein Labyrinth oder einfach nur eine Höhle. Die Elfe wusste nicht, was sie auf die Worte des Kriegers erwidern sollte.​
»Überlege doch mal, Langohr! Wir mögen es eilig haben, aber diese Stadt ist aus Stein! Ihr Elfen habt echt keine Ahnung von Architektur«, meckerte der Zwerg und bildete mit Daumen und Zeigefinger seiner Hände ein Sichtfenster, um so einen besseren Blick auf die Festung werfen zu können.​
»Natürlich könnten wir mit Feuer die Goblins, die sich in der Stadt verstecken, mit einem Schlag ausschalten, aber mit der geringen Menge Öl, die wir dabeihaben, wird das nicht möglich sein.«​
»Und Magie?«, fragte die Elfe plötzlich, doch winkte dann mit der Hand ab.​
»Wobei, nein. Ich weiß ja genau, dass unser Zwerg keine ordentlichen Angriffszauber drauf hat.«​
»Ich habe welche drauf, aber ich würde sie mir lieber aufsparen, bis wir ins Labyrinth eindringen.«​
»Schleichen wir also hinein?«​
Da es keine andere Methode zu geben schien, antworteten die Gruppenmitglieder mit einem Nicken auf die Worte von Goblin Slayer.​
»Also dringen wir ins Labyrinth ein, retten die Prinzessin und töten die Goblins.«​
Die Elfe ließ einen Zeigefinger durch die Luft kreisen.​
»Das klingt doch einfach. So machen wir das.«​
Der Echsenmensch formte mit seinen Händen ein mysteriöses Zeichen und sagte:​
»Es ist wie zum Laden zu gehen, eine Laterne zu kaufen und dann eine Riesenschlange zu erledigen.«​
»Was soll das denn heißen?«​
»Fast jedes Abenteuer hört sich zusammengefasst so an. Es ist so etwas wie eine Redewendung.«​
»Hm ...«, brummte die Elfe und ließ damit offen, ob sie verstanden hatte, was ihr Kamerad ihr hatte sagen wollen.​
Mithilfe einer Spinne befestigte sie eine neue Sehne an ihrem Langbogen und spannte sie mehrfach, um sie zu testen. Sie zog nicht zu stark, um den Bogen nicht unnötig zu belasten. Der Zwerg überprüfte währenddessen seine Katalysatoren.​
»Es ist wie immer, aber es ist wirklich lästig.«​
»Nein«, erwiderte Goblin Slayer, der Ausrüstung überprüfte.​
»Diesmal wissen wir genau, was zu tun ist. Es ist also einfach.«​
»Tja, wenn Bartschneider das sagt ...«, erwiderte der Schamane und schlug dem Krieger locker auf den Rücken, der darauf leicht verwundert den Kopf schief legte.​
»Hi hi...«​
Der Anblick sorgte dafür, dass die Priesterin kurz kichern musste. Da sie nicht sonderlich viel Ausrüstung dabei hatte, sprach sie ein Gebet. Sie bat um ein sicheres Abenteuer und darum, dass die Prinzessin wohlauf war.​
Hätte ich ein Wunder des Gottes des Handels oder des Glücks, dann könnte ich das Unglück in Glück umkehren ...Doch sie beherrschte kein Wunder dieser Art und daran ließ sich nun mal nichts ändern. Außerdem wäre es unhöflich gegenüber der Erdmutter gewesen, wenn sie sich über ihre Fähigkeiten beschwert hätte. Die Priesterin schüttelte ihren Kopf. Sie hatte Probleme, sich auf ihr Gebet zu konzentrieren. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie sich nicht hatte ausruhen können.​
»Wir dürfen die Goblins nicht entkommen lassen ...«​
Die Priesterin legte nachdenklich einen Finger an die Lippen. Sie merkte, dass das Licht der Morgensonne ihren ermatteten Verstand aufweckte. Es bestand die Möglichkeit, dass die Goblins sie beim Eindringen ins Labyrinth bemerken würden.​
»Könnten die Goblins an der Oberfläche dann die im Inneren benachrichtigen? So pflichtbewusste Goblins gibt es aber wohl nicht.«​
»So ist es«, erwiderte der Krieger, der gerade seine Tasche durchwühlte.​
Die Priesterin holte etwas aus ihrer Tasche hervor und reichte es Goblin Slayer.​
»Das Seil mit Haken, oder?«​
Man durfte das Abenteurerset nie vergessen. Nachdem der Haken dreimal durch die Luft gewirbelt worden war, krallte er sich oben in die Festungsmauer. Der Mönch, dessen Krallen wie eigene Kletterhaken waren, erklomm die Mauer bereits, ohne ein Kletterseil zu benötigen. Der Zwerg hielt sich dabei an seinem Rücken fest.​
»Meine Güte, Schuppiger. Manchmal bin ich echt neidisch auf deine Krallen.«​
»Aber ihr hättet doch nicht wie eure Vorfahren, die Affen, bleiben können.«​
Oben auf der Mauer angekommen, legten sich der Echsenmensch und der Zwerg auf den Bauch und schauten sich um. Da kein Goblin zu sehen war, wedelte der Echsenmensch mit seinem Schwanz, der die Wand herunterhing, worauf Goblin Slayer nickte.​
»Wir klettern.«​
»Ich geh zuerst!«​
Während sie noch ihren Satz aussprach, sprang die Elfe an das Seil. Schnell und lautlos hangelte sie sich nach oben, ohne dabei gegen die Mauer zu treten. Ihr Körper wackelte von links nach rechts und in Windeseile war sie oben auf der Mauer. Es war unverkennbar, dass sie als Elfe ein besonderes Talent fürs Klettern hatte.​
»Wahrscheinlich hat der Schuppige mit seiner Aussage recht ...«​
»Hmpf ... Ich hab keine Ahnung, worum es geht, aber ich fühle mich, als würdest du dich über mich lustig machen.«​
Während sie schmollend die Lippen verzog, schnappte die Elfe sich den Langbogen vom Rücken. Langsam legte sie einen Pfeil an und schaute auf Goblin Slayers Seite nach unten. Sie hob einen Arm. Der Krieger zog sein Schwert und machte seinen Rundschild bereit, während er der Wand den Rücken zudrehte.​
»Geh.«​
»Ja, ich klettere.«​
Das Gesicht der Priesterin war vor Aufregung verzerrt, als sie das Seil griff. Als Unterstützungsmitglied der Gruppe war nicht daran zu denken, dass sie als Letzte kletterte. Jetzt hielt Goblin Slayer ihr den Rücken frei, während die Elfe von oben Deckung gab. Obwohl sie wusste, dass er so etwas nicht tun würde, hakte die Priesterin trotzdem nach:​
»Bitte nicht hochschauen, während ich klettere, ja?«​
»Ich behalte die Umgebung im Blick, bis du oben bist.«​
Die Antwort des Kriegers war kurz und grob und die Priesterin gab darauf nur ein​
»Ach so, ja« zurück und machte sich ans· Klettern. Mit dem Priesterstab auf dem Rücken stützte sie ihre Beine an der Wand ab. Die Sonne brannte auf sie herab und sie schwitzte, während sie sich langsam die Wand hochschob.​
»Komm. Nur noch ein Stück!«​
»J... Ja!«​
Verzweifelt streckte die Priesterin eine Hand nach der der Elfe aus. Die schlanke, anmutige Hand der Waldläuferin gab ihr nicht besonders viel Halt, aber sie verlieh ihr dennoch ein Gefühl der Sicherheit. Nach ein paar letzten Zügen war die Priesterin oben auf der Mauer angekommen und ging keuchend in die Knie.​
»Gut, gut. Das hast du toll gemacht! Ach, brauchst du Wasser?«​
»V... Vielen Dank.«​
Das Mädchen trank einige Schlucke aus dem Wasserbeutel und beruhigte dann seinen Atem. Als sie fragen wollte, wo Goblin Slayer blieb, kam ihr der Echsenmensch zuvor und sagte:​
»Ach, um den werten Goblintöter musst du dir keine Sorgen machen.«​
Der Echsenmensch nutzte seine reptilienartigen Augen, um sich in der weiten Umgebung umzuschauen, während er sich mit der Zunge über die Schnauze leckte. Die Priesterin schaute die Wand herunter und sah, wie der Krieger schweigend das Seil hochkletterte. Es sah nicht so mühelos wie bei der Elfe aus, aber er wirkte äußerst geübt darin, wie er auf seine grobe Art die Mauer erklomm. Wenig später war er oben angekommen, löste den Kletterhaken, rollte das Seil zusammen und übergab den Ausrüstungsgegenstand der Priesterin.​
»Vi... Vielen Dank«, sagte diese und steckte ihn weg.​
»Sag mal, Goblin Slayer. Wo hast du das Klettern gelernt?«​
Das Mädchen hatte eigentlich gedacht, dass es eine Fähigkeit war, die man zum Besiegen von Goblins nicht brauchte.​
»Mein Meister hat mich auf einem verschneiten Berg ausgebildet. Außerdem bin ich auch schon häufiger ohne Seil geklettert«, erzählte er vollkommen ruhig.​
»Zum Beispiel auf einen hohen Turm.«​
Die Elfe schielte zu Goblin Slayer und fragte:​
»Nur zur Sicherheit ... Innen, oder?«​
»Nein, außen.«​
Verzweifelt hielt sich die Bogenschützin eine Hand vors Gesicht und schaute hoch in den Himmel, doch die Sonne konnte ihr nicht bei der Suche nach einer Antwort helfen.​
»Oh Mann ... Dafür muss man wirklich mehr Muskeln als Gehirn haben.«​
»Bei mir und einem der anderen trifft das nicht zu. Bei dem dritten bin ich mir nicht so sicher.« Der Krieger kontrollierte schnell seine Ausrüstung.​
»Wie sieht es aus?«​
»Kommt drauf an, ob wir auf der Mauer bleiben wollen oder nicht«, gab der Mönch zurück.​
»Hm... Ich glaube nicht, dass wir sofort von der Mauer runter müssen.«​
»Goblin Wachen gehen ihren Aufgaben nicht besonders pflichtbewusst nach, oder?«​
»Ja.«​
»Dann werden wir uns sicher ungestört auf der Mauer bewegen können.«​
Der Echsenmensch zog eine der Karten der Erzbischöfin hervor. Vorsichtig fuhr er mit seinen Krallen über die Pinselstriche auf dem Pergament.​
»Wir können die Stadt auf der Mauer umrunden und einfach auf der anderen Seite herunterklettern.«​
»Wir haben doch eh keine Zeit, um entspannt durch die Stadt zu schlendern.« Um seine Sinne zu schärfen, gönnte der Zwerg sich einen Schluck Alkohol.​
»Zum Glück habe ich bisher nur einen Zauber verwendet.«​
»Diesmal können wir nicht zwischendurch umdrehen und im Labyrinth können wir uns nicht ausruhen«, sagte die Priesterin. Sie war sich sicher, dass man im Labyrinth nicht zu genügend Ruhe kommen würde, um seine Geisteskraft wiederherzustellen.​
»Wir müssen mit unseren Fähigkeiten gut haushalten.«​
»Verwendet keine Zauber, wenn es zu vermeiden ist.«​
»Ich werde sparsam sein.«​
Die Priesterin nickte mit ernsthaftem Gesicht. Goblin Slayer würde ihr also die Entscheidung überlassen, wann sie ihre Wunder einsetzte. Weil sie wusste, dass dies ein großer Vertrauensbeweis war, machte ihr Herz einen Sprung. Vor dem Betreten des Labyrinths würde es sicher keinen Grund geben, um Wunder zu wirken.​
***
»GOROBG?!«​
Weil es mitten am Tag war und für einen Goblin damit spätnachts, verstand er nicht, was gerade geschehen war. Er hatte gespürt, wie sich etwas Kaltes in seine Kehle gebohrt hatte, was dann einem Gefühl der Hitze gewichen war. Plötzlich war ihm dann so gewesen, als würde er ertrinken. Während er schaumiges Blut spuckte, starb er, ohne zu wissen, dass ihm die Kehle durchbohrt worden war. Das Monster, das gerade wortwörtlich seinen letzten Atemzug getan hatte, wurde dann von Goblin Slayer von der Mauer getreten und fiel vor der Festung in Richtung Boden.​
»Das macht fünf.«​
»Es sind weniger, als ich dachte.«​
Die Elfe hatte gerade drei Wachposten mit Pfeilen erledigt. Weil sie sparsam mit den Pfeilen umgehen musste, hatte sie die Geschosse aus den Leichen herausziehen müssen. Dann trat sie diese wie Goblin Slayer von der Mauer. »Jetzt werde ich schon wie er ...«​
Verbringe ich etwa zu viel Zeit mit Orcbolg?​
Als sie ihn kennengelernt hatte, hatte sie empört zugeschaut, wie er sich verhielt, aber jetzt tat sie es ihm gleich. Sie klopfte ihre Hände ab, wischte das Goblin Blut von ihren Pfeilspitzen und steckte die Geschosse zurück in den Köcher.​
»Vielleicht ist der Großteil von ihnen im Labyrinth?«​
»Das kann sein ...«​
Ein gefährliches Labyrinth voller Goblins ... Dabei sollte solch ein Ort doch normalerweise von einem Drachen beschützt werden. Die Priesterin spürte die Erschöpfung der vielen Stunden, die sie und ihre Kameraden schon wach waren, nur zu gut und schüttelte ihren Kopf.​
»Ist es langsam so weit?«​
»Hm ... Wollen wir loslegen?«​
Der Echsenmensch warf einen Blick auf die Karte und nickte langsam. Weil er bisher noch nicht gekämpft hatte, waren seine Hände noch sauber.​
»Was rennt der Zwerg eigentlich immer weg?«, fragte die Elfe meckernd.​
»Halt die Klappe! Wenn Gegner uns Magiewirkern zu nahekommen, ist das ein Zeichen eurer Unfähigkeit!«​
»Mich stört es nicht, wenn sie mir zu nahekommen«, entgegnete der Echsenmensch und schaute zur Priesterin hinüber.​
Die sagte aber nur: »Sicherheit geht vor.«​
Sie hatte schon mehrmals im Nahkampf gegen Goblins gestanden, doch eine Wiederholung würde sie, wann immer möglich, gern vermeiden. Besonders jetzt, wo sie kein Kettenhemd trug.​
Vermisse ich es etwa?
Die Priesterin musste blinzeln, als sie bemerkte, dass es ihr wirklich fehlte. Sie war dafür gelobt worden und es hatte ihr mehrmals das Leben gerettet. Deshalb hatte sie es auch immer wieder flicken lassen, anstatt ein neues zu kaufen.​
»Ach so ...«​
Irgendwie hatte sie jetzt das Gefühl, dass sie verstand, warum er immer diesen komisch geformten Eisenhelm trug.​
»Was ist?«, fragte Goblin Slayer.​
»Nichts. Es ist nichts.«​
Die Priesterin schloss ihre Augen, zog den Stab an sich heran und sprach ein kurzes Totengebet. Da sie bisher noch keine Zeit für deren Gebet gehabt hatte, schloss sie darin auch die auf dem Weg getöteten Goblin Reiter mit ein. Egal, wie ein Wesen gelebt hatte, im Tod waren sie alle gleich. Nachdem sie damit fertig war, sprach sie erneut ein Gebet, in dem sie darum bat, dass die Prinzessin wohlauf war, und ermutigte sich selbst mit dem Gedanken, dass ihr Kettenhemd sie sicher beschützen würde.​
»Bist du fertig?«​
»Ja. Wir können jederzeit weiter.«​
»Gut.«​
Die Priesterin holte erneut den Haken mit Seil hervor. Goblin Slayer befestigte den Haken an einer Zinne der Mauer und warf das Seil außen herab. Auf sein Zeichen nahm der Echsenmensch dann erneut den Zwerg auf den Rücken und die Elfe machte ihren Bogen bereit.​
Zuerst kletterten der Echsenmensch und der Zwerg herunter. Darauf folgte Goblin Slayer. Nachdem der Krieger unten angekommen war, machte er eine Handbewegung und fragte die Priesterin:​
»Alles in Ordnung? Schaffst du das?«​
»Ich werde mich anstrengen.« Die Priesterin griff das Seil. Sie wusste, dass der Zwerg sie mit einem Zauber retten würde, wenn sie runter fiel, aber …​
»Urgh!«​
Sie schämte sich dafür, dass sie so ungeschickt und ungelenkig herabstieg. Vor allem weil die Elfe nach ihr wieder so eine elegante Figur dabei machte.​
»Der Schuppige hatte wirklich recht«, murmelte der Zwerg darauf.​
»Was meinst du die ganze Zeit damit?«, keifte die Elfe zurück. Die Priesterin war neidisch auf die Elfe . . . Und auch auf so viele andere. Sie bewunderte die Reinlichkeit der Gilden Angestellten, die weiblichen Bewegungen der Hexe und die erwachsene Ausstrahlung der Jungfrau des Schwertes.​
Hach, ich möchte wie sie werden ...​
Egal, wie viele Erfahrungen sie schon gesammelt hatte, sie war noch immer unerfahren, kindlich und schwach. Die letzten Tage hatten ihr das nur allzu bewusst gemacht. Sie musste sich zusammenreißen, denn wenn ihr das Kettenhemd nicht gestohlen worden wäre, wäre das alles nicht passiert. Oder ist das nur egoistisches Wunschdenken? Am Ergebnis der Würfel konnten weder Götter noch Menschen etwas ändern. Von daher war es sinnlos, jetzt über so etwas nachzudenken, aber wenn sie das Kettenhemd dabeigehabt hätte, dann hätte sie sich sicherlich nicht so nackt und wehrlos gefühlt. Da war sie sich sicher. Jetzt aber war ihr wie damals zumute, als sie das erste Mal eine Höhle betreten hatte. Doch das half jetzt nicht. Sie atmete einmal tief ein und aus und sagte:​
»Ich bin bereit.«​
»Ist das so?«​
»Ja.«​
Die Priesterin nickte und ging mit ihren Kameraden auf den Eingang des Labyrinths zu. Dort befand sich ein gewaltiges Eisentor, das einst verschlossen und von Soldaten bewacht das Böse daran gehindert hatte, aus dem Labyrinth in die Welt zu dringen. Doch jetzt war es voller Dreck und Blut und stand halb offen. Aus dem Inneren des Labyrinths strömte kalte Luft heraus, die einen verfaulten Gestank mit sich trug.​
»Nehmt dieselbe Formation ein wie sonst auch.«​
»Ich werde dann erst einmal zur Axt greifen.«​
Der Echsenmensch machte seine Krallen und seinen Schwanz bereit, um sie als Waffen zu verwenden, während der Zwerg seine Handaxt herauszog und sie in den Gürtel steckte. Die Elfe hielt ihren Bogen bereit und die Priesterin festigte den Griff um ihren Stab. An der Spitze der Gruppe befand sich Goblin Slayer mit dembilligen Eisenhelm und der verschmutzten Lederrüstung. Um einen Arm war ein kleiner Rundschild gebunden und in der rechten Hand hielt er ein mittellanges Schwert.​
»Auf geht's.«​
Auf sein Zeichen setzten sie sich in Bewegung.​

***
»Du hast noch keine Erfahrung mit dem Erkunden von Dungeons, oder?«​
»Nein, das Labyrinth des Todes ist mein erstes Dungeon.«​
Die Priesterin hätte am liebsten geweint. Warum mussten ihre ersten Erfahrungen immer so ausfallen? Mit einer Fackel in der linken Hand führte Goblin Slayer die Gruppe einen steinernen Gang entlang. Der Aufbau des Labyrinths war wie auf einem Blatt mit Kästchen muster geplant. Die vollkommene Dunkelheit, die die Gruppe umgab, war wirklich beängstigend. Dies war kein Ort, an dem man leben konnte, und auch kein Kriegsschauplatz. Dieser Ort war entworfen worden, um jeden, der ihn zu betreten wagte, zu verschlingen.​
»Tja, wenn du dies überstanden hast, werden dir andere Dungeons wie ein Kinderspiel vorkommen!«​
»In diesem Dungeon sind wir auch zum ersten Mal. Von daher geht es uns so wie dir.«​
Obwohl die Abenteurer sich locker unterhielten, waren sie äußerst wachsam und lauschten in die stille Dunkelheit hinein. Dieser Ort war nicht so verworren wie ein Goblin Nest, aber trotzdem war die Gefahr groß, dass hinter der nächsten Abzweigung eines der Biester lauerte.​
»Wie gehen wir vor?«​
Auf Goblin Slayers Frage holte der Echsenmensch die Karte hervor.​
»Mir würde es am besten gefallen, wenn wir jede Ebene ausführlich absuchen könnten, aber ...«​
Die Elfe beschwerte sich, dass der Mönch nicht solche Vorschläge machen sollte, doch der ignorierte sie und fuhr fort:​
»... es wäre wohl klüger, wenn wir den Fahrstuhl hier nehmen, der uns direkt auf die vierte Ebene bringt.«​
»Dann führe uns bitte dorthin.«​
»Verstanden. Verstanden. Dann müssen wir erst einmal in Richtung Norden.«​
Mit vorsichtigen, aber dennoch sicheren Schritten begann die Gruppe somit mit ihrem Dungeon Hack. Dies war ein Labyrinth, dessen Monster größtenteils getötet worden waren, und auch wenn der Todesgeruch tief in die Wände eingezogen war, waren sie nicht mehr hier. Oder zumindest hätte es so sein sollen.​
»Hm ...«​
Als er bemerkte, dass die langen Ohren der Elfe zuckten, blieb Goblin Slayer stehen. Das allein reichte bereits, um Anspannung unter den Abenteurern aufkommen zu lassen. Sie schauten sich an und nickten. Die Steinwände des Dungeons waren stabil und auch wenn es düster war, konnten sich Gegner nur in den Kammern oder hinter Abzweigungen verstecken.​
»GROBGB!!«
»GBB! GBBOROGGBGR!!«​
[/JUSTIFY]Deshalb griffen die Goblins mit ganzer Kraft von vorne an. Sie verließen sich auf ihre Überzahl und hinter einer Ecke kam eine ganze Menge von ihnen hervorgesprudelt. Sie alle trugen seltsame Markierungen unter ihrer Haut und waren unterschiedlich bewaffnet. Wie eine Welle schwappten sie auf die Abenteurer zu.
»Ha ha ha! Na los! Kommt! Euer Tod wird meinen Ruhm nur mehren!«
»Aber ohne Zauber wird das ganz schön hart!«
»Statt mit Pfeilen hätte ich wahrscheinlich mit einem Dolch mehr Glück!«
Der Echsenmensch, der Zwerg und die Elfe reagierten vollkommen unterschiedlich auf die Angreifer. Der Mönch trat nach vorne und stellte sich schützend vor die Elfe und die Priesterin. Da die Gänge breit genug waren, platzierten sich der Zwerg, der Echsenmensch und Goblin Slayer in der ersten Reihe, während die beiden Frauen hinten blieben. Goblin Slayer ließ seinen Blick schnell über seine Kameraden wandern und sagte:
»Auf geht's.«
»Ja!«, gab die Priesterin zurück und nickte tapfer.
Wie ein Boot durch eine Welle stachen die Abenteurer in die Masse aus Goblins hinein.[/JUSTIFY]
»GBBRB?!«
»GOORBGB!!«​
»Es kommen Geschosse!«​
»Verstanden!«​
Steine und Pfeile hagelten auf die Abenteurer hinab. Goblin Slayer fing einen Teil davon mit seinem Schild, der Echsenmensch den Rest mit seinen Schuppen ab.​
»Hargh! Ich hätte den Helm von meinem Onkel doch annehmen sollen!«, rief der Zwerg, während er die Axt kräftig herum schwang.​
»Abstand von fünf Feldern. Vier Felder. Drei! Schuppiger!«​
»Oh, große Klinge der Echsenmenschen!«​
Brüllend sprang der Mönch nach vorne und begann, die Gegner mit seinen Krallen, seinen Reißzähnen und seinem Schwanz zu zerfetzen.​
»GOBORG?!«
»GOORB?!«​
Blutfontänen, Eingeweide, Fleischfetzen und Todesschreie.​
Zwei Goblins wurden zu kaum mehr als matschigen Überresten zerrissen.​
»GOROBG?!«​
Goblin Slayer schwang sein Schwert, um nicht umzingelt zu werden. Erst wehrte er einen Angriff mit seinem Schild ab und stach dann zu. Er zerfetzte eine Kehle und trat die Leiche in den Rest der Gegner. Dann warf er seine Waffe, um einem Goblin damit den Schädel zu spalten.​
»Drei und vier!«​
Goblin Slayer hob einen Knüppel auf und ging in die Offensive.​
»Hier ... in der Enge ... möchte ich ... den Bogen eigentlich nicht verwenden!«​
Ein Monster schlüpfte durch die vorderen Reihen, aber wurde sofort von der Elfe erschossen. Der kleine Teufel hatte ein wildes Grinsen auf dem Gesicht gehabt, weil er gedacht hatte, er könnte sich auf die Frauen stürzen, doch ein Pfeil, der sich durch seinen Schädel bohrte, belehrte ihn eines Besseren.​
Die Bogenschützin sprang heran, zog den Pfeil aus der Leiche heraus und schoss ihn sofort auf den nächsten Feind. Weil der Pfeil diesen mit seiner ganzen Wucht erwischte, wurde er nach hinten geschleudert.​
»Meine Pfeile werden wohl nicht reichen! Wo sollen wir hingehen?«​
»Um die Ecke durch die Tür. Die anderen Durchgänge führen in Kammern und sollten ignoriert werden. Nach der Tür dann nach links.«​
Nachdem er das gebrüllt hatte, biss der Echsenmensch in die Schulter eines Goblins.​
»Hjaaaargh!«
»GOOROGBG?!«​
Er schlug ihn ein paar Mal gegen die Wand und nutzte ihn dann, um andere Goblins umzuwerfen. Erst dann schleuderte er ihn auf den Boden.​
Aus der vollkommen zerquetschen Leiche spitzte Blut heraus, dem die Priesterin instinktiv auswich, und sie rief:​
»Wir passen nach hinten auf! Goblins könnten aus den Kammern herauskommen!«​
»Alles klar! übertreib es aber nicht!«, antwortete der Axt schwingende Zwerg.​
Als der Dämonenfürst noch über das Labyrinth geherrscht hatte, hatten Erzählungen zufolge die Wächter der Kammern nie ihr Aufgabengebiet verlassen und es sollen nur bestimmte Monster in den Gängen patrouilliert haben, doch nun gab es hier nur noch törichte Goblins.​
»GGOROGOB!«
»GOB! GOBOGORROBG!!«​
Mit lautem Geschrei brach die Tür einer Kammer ein und Goblins kamen herausgeströmt.​
»Hejah!«​
Mit einem Hieb brachte die Priesterin den ersten Goblin zu Fall und hielt damit den Vorstoß der Biester auf. Sie wusste, dass sie mit ihrem Stab nur schwer einen von ihnen töten könnte, doch das war nicht ihre Aufgabe und dessen war sie sich bewusst.​
»Hejah!!«
»GORRO?!«​
Ein weiterer Goblin geriet ins Schwanken, weil die Priesterin ihm den Stab gegen die Nase gehauen hatte, und wurde dann von der Axt des Zwerges getroffen. Durch den Treffer sprudelte das, was vorher von seinem Schädel an Ort und Stelle gehalten worden war, nun heraus.​
»Mach nicht zu große Bewegungen!«​
»Ja! Vielen Dank!«, antwortete die Priesterin tapfer und wischte sich den Schweiß von der Stirn.​
Goblin Slayer schlug gezielt zu, der Echsenmensch wütete und die Elfe suchte sich ihre Ziele genau aus. Angreifer von der Seite oder von hinten wurden von der Priesterin und dem Zwerg aufgehalten. Nachdem sie die Tür um die Ecke durchquert hatten, standen sie vor einer Wegkreuzung. Dort formte die Gruppe einen Kreis und ging weiter. In dieser Formation konnten die Abenteurer noch beeindruckender kämpfen.​
Die Goblins ließen sich davon jedoch nicht abschrecken. Sie wollten mithilfe ihrer Überzahl gewinnen und jeder Einzelne von ihnen dachte, dass es ihn ganz sicher nicht erwischen würde. Sterben, das sollten die anderen tun. Angetrieben von der Gier, die Männer zu Hackfleisch zu verarbeiten und sich mit den Frauen zu amüsieren, griffen sie weiter an.​
»GOBOG!!«​
[/JUSTIFY]Weil sie glaubten, dass sie mit den Nahkämpfern ihre Probleme haben würden, versuchten sie, die Magier und Bogenschützen der Gruppe anzugreifen. Als die Priesterin die klebrige Flüssigkeit an den Spitzen der Waffen der Biester erkannte, verspannte sich ihr Körper.
»Ah?!«
»Vorsicht!«
In letzter Sekunde warf der Zwerg sich gegen einen angreifenden Goblin und spaltete dann seinen Kopf mit der Axt. Dass er so kräftig zuschlagen konnte, obwohl er ein Schamane war, lag daran, dass er ein Zwerg war.
»E... Es tut mir leid!«, rief das Mädchen mit angespannter Stimme.
»Sie benutzen Gift!«
»Die Klinge hat mich nicht verletzt! Aber, Bartschneider! Das nimmt kein Ende!«
»Ja.«
Goblin Slayer zertrümmerte mit dem Knüppel den Schädel eines kleinen Teufels, bevor er einem nachfolgenden Gegner das Gesicht mit der Fackel verkohlte.[/JUSTIFY]
»GGOROGB?!«​
Ein dumpfer Schrei und Zucken. Doch er war noch nicht tot.​
Das änderte dann ein kräftiger Hieb mit dem Knüppel.​
»Elf. Links, oder?«​
»In der Tat!«, heulte der Echsenmensch.​
»Die Tür am Ende!«​
»Geht vor.«​
»Was hast du jetzt schon wieder vor?!«, rief die Elfe und schnalzte mit der Zunge.​
Goblin Slayer holte aus seiner Tasche ein Fläschchen hervor.​
»Kein Wasser, Gift oder Explosionen«, erklärte er und warf das Fläschchen einem Goblin an den Kopf, dann schlug er mit der Fackel zu.​
»GGBOROOGOBOG??!«​
Die Flüssigkeit entzündete sich und der kleine Teufel ging in Flammen auf, bevor Goblin Slayer ihn mit einem Tritt nach hinten umfallen ließ.​
»Zwölf ... Jetzt geht!«​
»Verstanden!«​
Der Echsenmensch sprang durch die Schneise in den Reihen der Gegner, die der Krieger mit seiner Attacke geschaffen hatte, und stellte sich am Punkt der Landung breit auf.​
»Wer wirft denn Feuer in die Richtung, in die wir müssen?!«​
Der Zwerg sprang als Nächster und rief dann der Priesterin zu: »Komm! Kannst du springen?«​
»J... Ja!«, antwortete das Mädchen und sprang mit einem kurzen Schrei durch die Schneise.​
Die Elfe folgte ihr direkt darauf. Sie hatte sich mit einem Sprung gegen die Wand weiter in die Höhe geschraubt als die anderen. Auf der anderen Seite angekommen, rief sie:​
»Orcbolg, wir sind alle da!!«​
»Ja.«​
Während sie ihm mit dem Bogen Feuerschutz gab, streckte Goblin Slayer seine Hand in die Tasche. Er holte eine Schriftrolle hervor.​
»GBOR!!«
»GOBOGGOBOG!!«​
»Goblin Slayer! Schnell!«, rief die Priesterin.​
»Macht die Tür auf und geht in die Kammer dahinter!«, antwortete der Krieger kurzerhand und drehte die noch verschlossene Schriftrolle in Richtung der heran rauschenden Welle von Goblins.​
»Geht klar!«, gab der Zwerg zurück und warf sich mit seiner Schulter gegen die Tür.​
Während Goblin Slayer langsam rückwärts über einige verbrannte Goblins stieg, sah er einige Schilder mit Warnungen an den Wänden des Ganges, doch sie waren so alt, dass man sie nicht mehr richtig lesen konnte. Das „Ah!“ der Elfe vollkommen ignorierend, löste der Krieger das Band um die Schriftrolle.​
»GGBGROB?«
»GOR! GOOGB!!«​
Ein heftiger Wind wehte durch den Gang und die Goblins verstanden nicht, was los war. War das wirklich Wind oder nur irgendein Trick? Die Biester wollten gerade anfangen, sich darüber lustig zu machen, als sie sich plötzlich schwerelos fühlten.​
»Aaaah?!«​
»Geht schnell durch die Tür, sonst werdet ihr hineingezogen!«, erklärte Goblin Slayer in scharfem Ton.​
Der Krieger warf die Schriftrolle weg, die darauf in Flammen aufging und eine Leere erzeugte.​
»GOOROGGB?!«
»GOBG!! GOOROGOBG?!«​
Ein Windstoß nach dem anderen warf die Goblins in Richtung der Leere. Einige der Biester versuchten verzweifelt, sich festzuklammern, doch das brachte ihnen nichts. Und auch wenn einige weglaufen wollten, ließen ihre weiter heran drängenden Kameraden das nicht zu.​
»GOBG?!«
»GBBOOROGOBG?!«​
Während er die Schreie der Goblins vernahm, ging Goblin Slayer durch die Tür und ließ sie hinter sich zuknallen. Das dabei erzeugte Geräusch war für einen Moment lauter als die Rufe der Goblins.​
»W... Was war das?!«, fragte die Elfe, während sie keuchend nach Luft schnappte.​
»Ein Portal«, erwiderte Goblin Slayer, als sei es völlig selbstverständlich.​
»Es ist mit einem hohen Ort verbunden.«​
»Ein hoher Ort?«​
Sie war bereits daran gewöhnt, dass Goblin Slayer fast schon beiläufig Schriftrollen verbrauchte, aber sie fragte dennoch misstrauisch nach.​
»Mit dem Himmel«, sagte er.​
»Ich habe gehört, dass die Windgeister dort oben wenig Tanzpartner haben und deswegen Wesen zu sich in den Himmel holen. Ich bin nicht begeistert davon, diesen Gegenstand hier zu verwenden, aber es blieb mir nichts anderes übrig. Wenigstens konnte ich so überprüfen, wie wirksam diese Maßnahme gegen Goblins ist.«​
»Dann regnet es jetzt also irgendwo in dieser Welt Goblins?«​
Die Elfe stieß einen tiefen Seufzer aus. Normalerweise würde sie in solchen Momenten zum Himmelhochschauen, doch sie befanden sich in einer stockfinsteren Kammer.​
»Ach, Mensch ... Na gut ... Es ist besser, als von Wasser weggespült zu werden.«​
»Ist das so?«​
»Und jetzt ist eh nicht der richtige Zeitpunkt, um mich zu beschweren«, gab die Elfe resignierend zurück.​
Weil ein Windhauch in ihren Ohren kitzelte, wackelte sie kurz mit diesen. »Aber es ist hier echt düster. Selbst mit meinen Augen kann ich nichts erkennen.«​
Die Priesterin versuchte unruhig, eine Fackel oder eine Laterne zu entzünden, aber die Funken fielen erfolglos zu Boden. Als sie es endlich aufgab, hörte sich ihr kleiner Seufzer ziemlich laut an.​
»Anscheinend bringt Feuer hier nichts.«​
»Dieser Ort wird auch Gebiet der Einschränkung oder Gebiet der Dunkelheit genannt«, erwiderte der Echsenmensch mit nachdenklicher Stimme. Obwohl er eigentlich eine Art der Wärmesicht beherrschte, konnte man hören, dass er gerade mit seinen Krallen die Wände absuchte.​
»Laut der Karte sollten wir uns aber zweifelsohne auf dem Weg zum Aufzug befinden.«​
»Das glaube ich dir gern, aber die Goblins werden uns nicht hierhin folgen, oder?«, meckerte der Zwerg und setzte sich plumpsend hin.​
Anhand der Geräusche konnten seine Kameraden erkennen, dass er seine Flasche hervorholte und sich einige Schlucke gönnte. Obwohl nur eine Tür sie von den Goblins trennte, schienen sie alle mit einer kleinen Pause einverstanden.​
»Es tut mir leid. Ich war keine besonders große Hilfe«, sagte die Priesterin niedergeschlagen und setzte sich ebenfalls hin.​
Auch wenn sie nicht viel mehr gemacht hatte, als ein paar Mal den Stab zu schwingen, hatte sie dabei fürchterliche Angst gehabt. Sie war fast von einer vergifteten Klinge erwischt worden und konnte jetzt nicht mal Feuer machen. Das war alles nicht ihre Schuld, aber es reichte dennoch dafür, dass sie sich niedergeschlagen fühlte.​
»Nein, nein. Mach dir da mal keine Gedanken. Es war nun mal so, dass auch wir, die sonst in der zweiten Reihe kämpfen, die Waffen schwingen mussten.«​
Der Zwerg klopfte ihr auf die Schulter und lachte.​
»Wenn sich jemand Gedanken machen müsste, dann Bartschneider.«​
»So ist es! Es ist nicht die Aufgabe eines Mönchs, Waffen zu schwingen und damit Feinde zu erledigen«, sagte der Echsenmensch mit todernstem Gesicht, worauf die Priesterin lachen musste.​
Damit war die Anspannung gebrochen.​
»Ja«, erwiderte sie und wirkte irgendwie fröhlicher.​
»Sich zurückzuhalten gehört auch zu unseren Aufgaben, oder?«​
»Ja«, antwortete Goblin Slayer.​
»Es wird ein Moment kommen, in dem du dein Können beweisen kannst.«​
Die Priesterin war sich sicher, dass der Krieger gerade irgendwo in der Dunkelheit nickte und man dabei wie immer seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen konnte. Deswegen nickte sie beruhigt zurück.​
»Ja. Ich werde mich dann anstrengen.«​
Das Mädchen lächelte, obwohl es wohl niemand sehen konnte.​
Als er bemerkt hatte, dass alle ihre Atmung wieder unter Kontrolle hatten, sagte Goblin Slayer:​
»Wir gehen.«​
Die Abenteurer nickten sich in der Dunkelheit zu, bevor sie, so gut es ging, Formation einnahmen und sich in Bewegung setzten. Sie tasteten sich weiter voran, wobei sie andere Türen ignorierten. Schließlich konnten sie in der Ferne der Dunkelheit ein schwaches Licht erkennen. Dort in der Kammer befanden sich Druckplatten, die mit Buchstaben von A bis D beschriftet waren, und eine zweiteilige Tür, die sich nach links und rechts öffnete. Es war der Aufzug.​


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Edward Teach

Anime-Pirat
VIP
Intermission XXVI

Der Horror aus dem Kosmos hat keine Chance gegen Schwert und Magie.

»Hah!«​
Mit einem niedlichen, aber lauten Schrei vertrieb sie mithilfe der Sonnenlichtexplosion die unnatürliche Dunkelheit, die den Heiligen Berg einhüllte. Die Dunkelheit war wie ein nach außen gekehrtes Lebewesen aus tanzenden Eingeweiden. Dieses Etwas war mit dem Feuerstein vom Himmel gestürzt und in der Tat unbekannt. Ihm einen Namen zu geben, würde sich äußerst schwierig gestalten. Mittlerweile befand sich der noch immer heiße Feuerstein in seiner Mitte und das Fleisch des Wesens begann, sich nach der Welt der Vier Himmelsrichtungen auszustrecken. Weil man es kaum als dreidimensionales Objekt auffassen konnte, stammte es wahrscheinlich aus einer anderen Dimension.​
»Allein es anzusehen, könnte einen den Verstand kosten.«​
Die Weise war vollkommen blass im Gesicht und ihr lief der Schweiß von der Stirn. Sie stöhnte tief. Sie hatte noch nicht die Stufe eines Welten Wanderes erreicht. Da sie noch nicht alle Ecken und Enden der Welt der Vier Himmelsrichtungen verstehen konnte, lohnte es sich noch nicht, in andere Welten aufzubrechen. Sie festigte den Griff um ihre Stab und während ihre Hände zitterten, sprach sie Worte wahre Macht. Niemand außer der Weisen wäre hier in der Lage gewesen, ein versiegelndes Kraftfeld zu erzeugen, das diese fürchterliche Existenz einschließen konnte. Sie hat e keine Sekunde zu verschwenden, denn sonst lief sie Gefahr, dass ihre Seele aufgerieben wurde.​
»Meinst du?«​
Während die Weise die Entfernung abschätzte, um mit ihrem Zauber nicht danebenzuhauen, lachte die Schwertheilige. Jedes Mal, wenn sich ein Tentakel nach ihr ausstreckte, schlug sie diesen zurück und sorgte dafür, dass eine rot schwarze Blutfontäne durch die Luft flog. Selbst jemand, der keine Ahnung von Kampfkunst hatte, würde verstehen, dass sie der Grundstein der Verteidigung der Gruppe war.​
»Wenn es blutet, kann man es auch töten! Daher wird es schon irgendwie klappen!«​
Natürlich konnte man mit einer Klinge nicht alle Probleme lösen, aber wenn etwas mit einer besiegt werden konnte, dann stellte es für sie kein Problem dar. Für sie als Schwertheilige war dieses Monster ein Fleischklumpen, der aus der Welt der Sterne auf diesen Planeten herabgestürzt war. Nicht mehr und nicht weniger. Wenn es diese Welt verfluchen wollte, dann würde sie es zerhacken.​
Mensch. Sie ist wirklich simpel gestrickt, dachte die Weise und seufzte verzweifelt, nur um gleich darauf zu lachen. Wenn etwas zu krude erschien, dann musste man technisch werden, wenn etwas aber zu technisch erschien, dann konnte man ruhig etwas kruder werden. So war es richtig.​
»Vielleicht sollte ich es einfach mit Fusionshitze weg ballern.«​
»Dann werde ich Ärger bekommen, weil wir den Berg ein Stück kürzer gemacht haben!«​
Die Heldin schüttelte etwas klebrige Masse von ihrem Schwert ab. Sie wirkte erschöpft, aber grinste. Die Weise war dafür zuständig, dass sich das Wesen nicht weiter ausbreitete, die Schwertheilige verteidigte und die Heldin griff an. Trotz ihres kleinen Körpers trug sie nicht nur das Schwert in den Händen, sondern das Schicksal der ganzen Welt auf den Schultern.​
»Zum Glück sind seine Bewegungen einfach zu verstehen.«​
Die Heldin ließ sich von ihrer Verantwortung wie immer nichts anmerken. Sie ging in Angriffshaltung.​
»Es greift immer nur gerade nach vorne an ... Ist das Vieh etwa ein wenig blöd?«​
»Es bläht sich grenzenlos auf und greift alles an! Wir müssen es jetzt hier stoppen!«​
»Seine Majestät wäre sicher aufgeregt, wenn wir es nicht besiegen.«​
»Ich will mir nicht vorstellen, dass wir von dem Viech verschlungen werden«, gab die Weise zurück und seufzte wegen der Sorglosigkeit ihrer Kameradinnen.​
»Aber eure Hinweise sind richtig. Wahrscheinlich handelt es so, weil es nicht zu komplizierten Gedankengängen fähig ist.«​
Wahrscheinlich konnte dieses Ding, dieser Schatten - wenn man es so nennen durfte - andere Lebewesen in sich aufnehmen und so lernen. Zum Glück hatte es bisher lediglich eine Goblin Leiche gefressen.​
»Aber sagt mal, wo kam denn diese Goblin Leiche her?«​
»Bestimmt hat ihn irgendjemand bei einem Auftrag zum Vertreiben von Goblins besiegt. Und hepp!«​
Die Heldin schwang das Schwert und schlug einen Teil des Klumpens ab. Es war wie immer und deswegen lächelte das schwarzhaarige Mädchen. Sie hielt schließlich das Schicksal der Welt nicht allein in ihren Händen.​
»Aber wir dürfen hier trotzdem nicht verlieren.«​
Die Heldin grinste und schwang das Schwert als wäre es leicht wie ein Stock.​
»XEEEEEEEEENOOOOOOOOOOOONNNII!!«​
»Also ist es wie immer!«​
Darauf folgte eine Sonnenexplosion.[/JUSTIFY​
 
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