[Diskussion] Jeruzalem

TheDarkness2

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Independent Streifen haben es schwer. Das wenige Budget müssen sie mit Kreativität und Scharfsinn ausgleichen. Das man damit auch Perlen schaffen kann bewiesen oft die Spanier zum Beispiel mit REC, El Bar und Die Leiche der Anna Fritz. Aus Großbritannien kann man The Witch oder The Outpost nennen und aus Norwegen ereilte uns Troll Hunter oder Cold Prey. Aus der Türkei kommt beispielweise Dabbe und aus Russland Die dunkle Gräfin. Es gibt so unendlich viele Beispiele mit denen ich in den letzten Jahren meinen Horizont erweitert habe seit Hollywood dem tradionellen Horror den Rücken kehrte und weichspülte. Jetzt widmen wir uns Israel mit Jeruzalem, einem Found Footage Horror. Moment? Found Footage? Schon wieder?

Gut das Genre ist in Verruf geraten, da geb ich euch mehr als Recht. Im Grunde gibt es nur Blair Witch und über gewisse Strecken die Paranormal Activity Reihe die im Gedächtnis hängen geblieben sind. Der Rest ging trotz guter Ansätze eher unter. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regeln, jedoch sind diese irgendwo dazwischen und bestimmt nur selten in Hollywood zu finden. Ich selbst hab mich schon ausreichend bei anderen Filmen darüber ausgelassen, aber nie wirklich das Hauptproblem besprochen. Das Hauptproblem bei Found Footage ist ganz simpel: Man ist nah an der Hauptfigur und den anderen Figuren. Das heißt man braucht starke Schauspieler, da mit diesen der gesamte Film steigt und fällt. Sie sind der Dreh- und Angelpunkt mit dem wir festsitzen. Also müssen diese uns überzeugen, uns mitreißen und fesseln. Wir müssen mit ihnen leiden und fühlen können wenn etwas passiert. Dieser Punkt wird gerne vernachlässigt obwohl er der Stützbalken ist. Denn was in anderen Filmen relevant ist verkommt hier zu einem Nebenaspekt. Ja er passiert viel drum herum, aber wir kleben an dieser einen Person mit Kamera und erleben durch sie die Auswirkungen. Kann der Schaupspieler das nicht transportieren war es das. Und das ist was in diesem Genre oft schief läuft da diesen Umstand, zumindest in Hollywood, kaum noch jemanden juckt.

Kommen wir zur Story. Sarah hat ihren Bruder verloren und ihre beste Freundin Rachel will das sie rauskommt, auf andere Gedanken, und überredet sie zu einem Trip nach Tel Aviv. Als die 2 im Flugzeug Kevin kennen lernen ändern sich die Pläne und die beiden reisen zusammen mit Kevin nach Jerusalem. In Jerusalem angekommen treffen sie auf David der sie warnt die Stadt sofort zu verlassen, doch sie ignorieren ihn da sie ihn für verrückt halten. Sie kommen im Hotel an wo Rachel Omar kennen lernt. Sie verbringen viel Zeit in Jerusalem und lernen die Stadt kennen, bis die Lage ein wenig eskaliert und Kevin in eine Psychiatrie gesteckt wird. Und danach bricht die Hölle los, die Stadt wird angegriffen, alles steht in Flammen und das Militär schießt auf alles was nicht bei 3 auf den Bäumen ist. 2 Soldaten schließen sich bald der Hoteltruppe an die beschließt über die Höhlen nach draußen zu gelangen, doch vorher will Sarah Kevin retten. Bald schon stehen Alle zwischen den Fronten, denn gefallene Engel, Riesen und Dämonen bevölkern die Straßen. Das Militär reagiert mit Gewalt und die Lage eskaliert immer weiter während unsere Truppe irgendwie versucht mit heiler Haut davon zukommen....

Sarah wird langsam für den Film aufgebaut, immerhin ist sie die Hauptfigur des Ganzen Schlamassels. Sie gibt sich hart, wird aber immer in genau den richtigen Situationen zum Cry Baby und kann einem damit manchmal echt auf den Piss gehen. Spielt sie ihre normale Rolle ist sie mehr als solide, sie ist tiefgründig, komplex und durchdacht. Dann schlägt alles um und man zerstört diesen Aufbau, sie flennt, sie weint, sie kreischt und benimmt sich wie eine Furie ohne Sinn und Verstand, was im krassen Gegensatz zu ihrem logischen Ich steht das sonst immer gezeigt wird. Rachel ist halt da, sie erhält den Aufbau als beste Freundin die auf Party fixiert ist, die Spaß haben will und genügend Geld hat um das was sie vorhat auch umzusetzen. Kevin spürt als Erster das was nicht stimmt, er ist nicht gerade komplex aufgebaut funktioniert aber als der Erklärbär der Story. Omar selbst ist nett, höflich, freundlich und will im Grunde einfach nur ficken. Als die Lage ernst wird entwickelt er einen Beschüzterinstinkt für Rachel und erweist sich als guter Anführer. Diese 4 sind unsere Hauptfiguren an denen wir haften und sie machen ihre Sache mehr als solide. Sie sind interessant genug um uns bei Laune zu halten und man macht sich echt Gedanken um sie. Das ist mehr als viele andere Film erreichen.

Der Star ist jedoch diese coole High Tech Brille die Sarah von ihrem Vater erhält. Sie ist ständig vernetzt, erkennt Personen am Gesicht, zeigt deren Facebook Profil an, dient als Navi und Orientierungsgerät, erlaubt AR Spiele und hat sogar Youtube Wiedergabe. Sie dient dazu uns mehr über die Personen zu verraten die wir sehen, uns einen Anhaltspunkt zu geben wo wir uns befinden und im rechten Moment Musik oder Videos abzuspielen, auch Bilder werden zweckdienlich angezeigt. Es ist ein cooles Hightech Spielzeug bei dem man es auch glaubt das es die Dinge überstehen kann die ihm angetan werden im Laufe des Films. Das Ding ist äußerst robust, was schon früh im Film etabliert wird und macht diese somit heimlich zum zweiten großen Star das Films. Es ist eine interessante Idee und man kann dem Zuschauer glaubhaft Informationen weitergeben ohne dabei Monologe oder Erklärdialoge zu verwenden. Es wirkt organisch was ein großer Pluspunkt ist.

Jetzt kommen wir zur Atmosphäre. Jerusalem ist eine wunderschöne Stadt, sie biete viel und gibt viel. Die erste Hälfte dient dazu die Figuren einzuführen und die Stadt selbst ein wenig kennen zu lernen. Das ist in Ordnung und dient dem sogenannten World Building. Als dann das Militär zuschlägt eskaliert die Lage. Wir laufen durch die Straßen die jetzt bedrohlich wie ein Labyrinth wirken, die Gänge in der Psychiatrie gleichen einem Alptraum entsprungen und die Stadt selbst hat sich in eine Todesfalle verwandelt. Da wir an Sarah kleben kriegen wir alles durch sie mit und wenn sie nicht gerade im Cry Baby Modus ist transportiert sie das Chaos um sie herum auch wunderbar. Die Atmosphäre stimmt, kann aber nicht auf die Genre typischen Jump Scares und Schockmomente verzichten.

Was sehen wir an Monstren? Nun zum einen die gefallen Engel, die mehr sind als das Auge zunächst hergibt. Sie haben Flügel die einer Fledermaus nicht unähnlich sind, total zerfetzt und sie sind, wenn man ihnen nicht gerade in den Kopf schießt, nahezu unsterblich. Ihre Augen sind schwarz, sie sprechen eine antike Sprache und sie essen Menschen. Dann gibt es noch die Riesen, die man immer nur kurz sieht. Sie sind, wie der Name schon sagt, riesig und ziehen eine Schneise der Verwüstung durch Jerusalem und lassen sich vom Militär nicht aufhalten. Dann gibt es Dämonen die Menschen besetzen, was jedoch nur 2x im Film passiert. Dafür jedoch baut man die gefallenen Engel zu einer Art Zombie um. Jeder der von einem gefallen Engel verletzt wird, wird selbst zu einem. Und so ist es klar das die Gruppe nach und nach von innen heraus zermalmt wird.

Am Ende können Kevin und Sarah entkommen, doch Sarah ist durch Rachel infiziert und verwandelt sich. Sie erhebt sich in den Himmel und wir sehen das dass Tor zur Hölle weit offen steht und Millionen von gefallenen Engel sich daraus erheben während zwei Hubschrauber des Militärs auf Angriffskurs gehen. Kein Happy End? In diesem Genre ja ganz was Neues. Aber dieses Ende ist aus einem Grund gut gemacht: Sarah verwandelt sich langsam, man hört ihre Schmerzen, die Veränderung und dann mit einem ekelhaften Geräusch entfalten sich ihre Flügel mit denen sie dann vor den Augen des geschockten Kevin sich in den Himmel erhebt. Langsam dreht sie sich um, die Brille mit ihr und wir sehen die Hölle die Jerusalem geworden ist. Und wir sehen auch das die Schlacht längst entschieden ist. All das wird gekonnt und auf den Punkt präsentiert und hinterlässt so ein angenehmes Gefühl zum Ende.

Jeruzalem fügt dem Genre nichts Neues hinzu, verfällt in die Genre typischen Muster kann sich aber in der Inszenierung und mit seinen Hauptfiguren vom Rest abgrenzen. Sicherlich ist nicht alles Gold was glänzt, aber das ist Meistens so. Ich kann den Film empfehlen, er ist wirklich gut gemacht und über die Schwächen kann man hinwegsehen. Über das Cry Baby nur mit Zähneknirschen, aber das ist OK.
 
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