[Biete] Melancholie

Sebastian

Gläubiger

Melancholie


In stetig gleichem Rhythmus hallte der Klang am Boden zerspringender Wassertropfen durch die Dunkelheit.
Im gleiche Rhythmus, wie schon immer. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es jemals anders gewesen war
. Was sollte es denn auch anderes geben? Leeren Blickes strich sie mit ihrer Hand über die raue, feuchte Steinwand.
Im Laufe der Zeit hatte sie dies so unzählige Male getan. Das leise Kratzen war beruhigend. Sie mochte das Geräusch des Steins unter ihren Fingern.
Es bot die einzige Abwechslung zum Lied der Tropfen. Doch lange hielt das Geräusch nie. Traurig betrachtete sie ihre Hand.
Die rote Flüssigkeit, die aus ihren Fingerspitzen lief, gab dem Kratzen einen widerlichen Beiton. Früher, da hatte sie wundervolle Plättchen
auf ihren Fingerspitzen gehabt, aber die waren mittlerweile verschwunden. Das musste an dem roten Saft liegen. Sie hasste den roten Saft.
Ihre Hand ließ von der Wand ab. Mittlerweile bildeten tiefe Furchen dort ein Wort. Die Flüssigkeit aus ihren Fingern,
hatte den Zeichen einen dunklen Ton verliehen. Lautlos formten ihre Lippen das Wort, welches sie in all der Zeit in das Gestein gearbeitet hatte.
Sie wusste nicht mehr, was es bedeutete, aber dennoch hallte es durch ihren Kopf
wie ein von hohen Felswänden wieder und wieder zurückgeworfener Schrei.
Ein fahler Lichtschein bahnte sich einen Weg durch die schwarze Wolkendecke.
Für einen kurzen Augenblick war ein Teil des Mondes zu sehen, dann verblasste das Licht wieder.
Entzückt stand sie an der Stelle, an der eben noch ein heller Fleck auf dem Boden zu erkennen war.
Ausdruckslos blickte sie durch das unerreichbare und mit dicken Eisenstangen vergitterte Fenster.
Wenn die Sonne in ihr Zimmer schien, konnte sie manchmal leise Stimmen hören, die der Wind zu ihr trug.
Oft hatte sie sich ausgemalt, durch das schmale Fenster zu klettern, und unter den Stimmen zu sein,
mit ihnen durch die Luft zu schweben. Doch die Sonne schien viel zu kurz, für ihre Träume.
Irgendwo zerbrach ein Krug und lautes Scheppern hallte durch das Gemäuer.
Schlurfende Schritte näherten sich. Mit einem widerwärtigen Quietschen öffnete sich die Tür zu ihrem Zimmer.Langsam drehte sie sich um.
Der übliche, abstoßende Kerl stand vor ihr. Beißender Alkoholgeruch stieg aus seinem falschen Lächeln auf.
Mit wankenden Schritten kam er auf sie zu. Eine kehlige Stimme brüllte sie an, doch die Worte drangen nicht bis an ihr Bewusstsein.
Ein lautes Klatschen hallte durch den Raum. Schmerz durchfuhr ihre Wange. Der Mann schrie weiter. Eine einzelne Träne floh aus ihren Augen.
Sie schloss sie. Kräftige Hände drängten sie zurück und ließen sie die kalte Steinwand spüren. Die Hände tasteten sich begierig tiefer.
Vor ihr brachen die Wände auf. Warmer Sonnenschein schmeichelt ihrem Gesicht und eine weiche Wolkendecke bot ihr Halt.
Schwerelos flog sie über eine saftig grüne Weide. Flüsternde Stimmen begleiteten ihren Weg. Sie lächelte.
Ignorierte die Schläge und den Schmerz zwischen ihren Schenkeln. Harrte aus. Dann schloss sich die Tür.
Erneut umgab sie Dunkelheit. Der Klang von am Boden zerspringenden Wassertropfen erfüllte den Raum.
Sie hielt sich die Ohren zu.
Die Wand in ihrem Rücken bot Halt. Langsam fiel ihr Blick. Auf ihrem schmutzigen Leinengewand, breitete sich ein roter Fleck aus.
Sie schluchzte. Vorsichtig versuchte sie ihn fortzuwischen, weitete ihn jedoch nur umso mehr aus. Nun klebte die Flüssigkeit auch an ihrer Hand.
Zornig sprang sie auf. Wischte wie wild an ihrem Gewand, doch der Fleck verschwand nicht. Sie schrie wütend.
Wie sie den roten Saft hasste. Kreischend schlug sie auf die verfärbte Stelle ein, riss an ihrem Gewand und brach schluchzend in sich zusammen.
Sie hasste den roten Saft.
Wie sehr sie ihn hasste. Schluchzend kauerte sie sich auf dem fauligen Stroh zusammen.
Ihre Umgebung verschwamm unter einem stummen Tränenstrom. Lautlos drückten ihre Lippen immer wieder ihre Abscheu aus,
doch kein Laut entfuhr ihr. Die Zeit floss zäh wie flüssiger Honig. Ein Zustand zwischen wach und Schlaf überkam sie.
Wahnvorstellungen und grauenhafte Figuren fielen über sie her, bis sie endlich in einen unruhigen Schlaf sank.
Erneute Schritte. Wie Hammerschläge rissen sie sie aus ihrer Traumwelt. Entspannt blieb sie liegen.
Durch halbgeöffnete Augen konnte sie drei Männer erkennen. Interessiert richtete sie sich auf.
Was wollten sie? Es kamen niemals drei von ihnen zu Besuch. Ein rostiger Schlüssel drehte sich im Schloss.
Mit leerem, erwartungsvollem Blick schaute sie sie an. Wieder diese Stimmen. Sie mochte die Stimmen der Männer nicht.
Sie wollte sie nicht hören. Der Klang der Wassertropfen war schöner. Sie wollte die Wassertropfen hören.
Die Männer eilten zornig auf sie zu und packten ihre Arme. Lachend schleiften sie sie aus der Zelle.
Das Klingen der Wassertropfen wurde leiser. Sie wollte nicht, dass es leiser wurde. Ängstlich warf sie sich hin und her.
Wo wurde sie hingebracht?
Einige Zeit verging. Sie sah kahle Steinwände an sich vorbei ziehen. Wände, die durch Jahre der Achtlosigkeit rissig und voll Moos waren.
Dann öffnete sich ein gewaltiger Lichtstreifen vor ihr. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Sie konnte die vielen Stimmen hören
, von denen sie sooft geträumt hatte, sah den Schein des Lichts. Sie würde frei sein! Die Männer zogen sie weiter.
Gestalten formten sich aus dem Licht. Sie lachten sie an. Alle waren glücklich sie zu sehen. Sie lächelte zurück.
Wieviele Menschen es gab. Voller Euphorie stolperte sie den Männern hinterher. Es würde alles gut werden!
Ein Balkengerüst mit einem Strick daran befand sich vor ihr auf dem Podest, auf welches man sie getragen hatte.
Der längst vergessene Geruch von Tannenholz stieg ihr in die Nase. Wie schön es gebaut war.
Ein finsterer Gedanke schob sich in ihr Bewusstsein, doch sie drängte ihn beiseite, trunken, von der Herrlichkeit und Fröhlichkeit des Augenblickes.
Ein irres Glänzen trat in ihre Augen. Sie würde schweben können. Lachend sah sie zu den Wolken am Himmel.
Streckte die Hände nach ihnen aus und summte eine leise Melodie. Die Männer begannen ihr den Strick um de Hals zu legen.
Er kratzte etwas. Sie mochte den Strick nicht. Er sollte weg. Langsam streckte sie die Hände danach aus, doch konnte sie sie nicht bewegen.
Etwas hielt sie an ihrem Rücken. Etwas Kratzendes. Die Menschen lachten weiter. Warum sollte sie nicht auch fröhlich sein.
Sie versuchte den Strick zu ignorieren und blickte in das Gesicht der Person vor ihr. Stimmte in das Lachen mit ein,
bis sie in ein wahnwitziges Kichern verfiel. Dann gab es einen Ruck. Unter ihr öffnete sich der Boden und sie stürzte in die Tiefe.
Ein harter Ruck ging durch ihren Körper, als sich der Strick mit gewaltiger Kraft um ihren Hals schnürte. Verdutzt riss sie die Augen auf.
Ein abgewürgter Schmerzensschrei entfuhr ihr. Was sollte das? Sie wollte fliegen. Frei sein. Der Strick nahm ihr die Fähigkeit zu denken
. Ihr Gewicht zog sie stetig abwärts, doch das Seil verhakte sich in enger Umschlingung unter ihrem Kieferknochen.
Ängstlich versuchte sie sich zu befreien, strampelte in der Luft während sich ihre Augen unter leisem Röcheln panisch weiteten.
Es war hoffnungslos. All die Jahre des Schmerzes zogen an ihrem inneren Auge vorbei. Sie durfte doch nun kein so würdeloses Ende finden.
Tränen rannen ihre Wangen hinab während sie mit aufgesperrtem Mund Luft einzusaugen versuchte, doch der Strick schnürte ihren Hals zu.
Ein erster Krampf durchfuhr ihren Körper und ließ sie in der Luft baumeln. Ihre Lungen schrien nach Luft.
Mit aller Kraft versuchte sie sich gegen den Strick zu wehren, ihre Brust hob und senkte sich, ohne das Luft einströmte.
Schneller und panischer wurden ihre Atembewegungen. Sie musste Luft bekommen!
Ihre Augen waren weit aufgerissen und von Schmerz verdreht, während sie sich qualvoll in der Luft wand.
Ächzend und röchelnd lief sie langsam blau an. Speichel lief aus ihrem herabhängendem Kiefer
und ihre geschwollene Zunge hatte eine violette Farbe angenommen. Weitere Krämpfe durchzogen ihren Körper und ließen sie weiter pendeln.
Der Tod ließ endlos auf sich warten. Mehr und mehr verdrehten sich ihre Augen, bis nur noch blutunterlaufenes Weiß zusehen war.
Ihre weichen Wangen waren dunkel angelaufen und die Fingernägel bohrten sich ihr vor Schmerz ins Fleisch.
Sie spürte die hämischen Blicke auf ihrem Körper, wie sie sich an ihrer Hilflosigkeit ergötzen.
Ihre Schenkel pressten sich krampfhaft aneinander. Der Tod war so nahe. Sie spürte Feuchtigkeit zwischen ihren Beinen.
Ihre Demut hatte etwas erregendes. Unter einem erneuten Krampf rieb sie ihre Beine aneinader,
ihre schlaffe Zunge hing weit aus dem herabbaumelnden Kiefer und Speichel strömte ihren Hals hinab.
Ihr blaues Gesicht zuckte hin und her. Ein letztes Röcheln und Keuchen kam von ihr, dann ergoss sich ein warmer,
nasser Strom verbunden mit gewaltiger Lust zwischen ihren Beinen und unter letzten Zuckungen wurde es schwarz um sie.
 
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Nicht schlecht herr Specht!
ich wusste garnicht dass man vor dem Tod noch einen Orgasmus bekommen kann,
du hast aber ganz schön deutlich beschrieben wie die Qual aussah.
 
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