
Trotz Zensurvorwürfen hat das Parlament der japanischen Hauptstadt eine scharfe Verordnung gegen “extreme” Comics und Zeichentrickfilme erlassen. Danach sollen die Verleger und Filmproduzenten verhindern, dass Manga und Anime mit „übermäßig verherrlichenden“ Darstellungen von Vergewaltigungen und anderen Sex-Straftaten in die Hände von unter 18-Jährigen gelangen. Bisher galt dies nur allgemein für „schädliche“ Publikationen.
Die freiwilligen Kontrollen beim Verkauf und Verleih solcher Medien sollen im April beginnen, ab Juli treten die Beschränkungen in Kraft. Aus Protest gegen die „Verordnung für gesunde Entwicklung der Jugend“ kündigten zehn Verlage, darunter Japans größte Verlagsgruppe Kodansha, einen Boykott der Anime-Messe im März in Tokio an.
Premierminister Naoto Kan warnte in seinem Blog davor, dass die Messe mit zuletzt über 130.000 Besuchern ausfallen könnte. Die Berufsverbände der Zeichner verurteilten den Beschluss. Sie sehen die Pressefreiheit und ihre Kreativität eingeschränkt. Dagegen bekundeten Elternverbände ihre Unterstützung.
Manga sind in Japan die populärsten Lesestoffe, die alle Genres vom Detektivroman über die Lovestory bis zur harten Pornografie abdecken. Tokios konservativer Gouverneur Shintaro Ishihara kämpft seit langem gegen Comics und Trickfilme, die Sex mit Kindern und Minderjährigen zeigen. In Japan ist nur die Verbreitung, aber nicht der Besitz von Kinderpornografie verboten. Gezeichnete Versionen sind legal.
Eine erste Verordnung gegen diese virtuelle Kinderpornografie war im Juni am Widerstand der Zeichner gescheitert. Die Stadtregierung wollte Manga-Figuren, die sexuelle Handlungen begehen, anhand von Aussehen, Kleidung und Sprache als minderjährig identifizieren.
Die neue Verordnung Nr. 156 verzichtet auf dieses schwammige Konzept und stellt gleich alle „sexuellen oder pseudo-sexuellen Handlungen, die im realen Leben illegal wären“, an den Pranger. Ausdrücklich werden Vergewaltigungen und Inzest erwähnt. Weitere Details will die Stadtregierung später festlegen.
Juristen halten die Anwendung von Strafgesetzen auf Handlungen in fiktiven Werken für problematisch. Als Zugeständnis an die Kritiker will die Stadtregierung die Vorschriften vorsichtig anwenden und künstlerische Ausdrucksformen nicht behindern.