*mju* Wieder mal was von mir. Leider kein Hentai, aber ich denke, ihr braucht das nichtmal unbedingt. Leider ist es noch nicht die endgültige Fassung, da es Schwerstarbeit ist, die Begriffserklärungen zu erarbeiten ^_- Wie auch immer, alle Figuren gehören mir, ebenso die Schauplätze, und viel Spaß ^^
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The Legends of Otan
Die 4 Reiche:
Otan â âGrüne Ebeneâ
Semeranon â âZuflucht des Kriegersâ
Fesetimen â âWarmes Meerâ
Leemnundra â âAlter Kernâ
Vorwort
Die Sprache der vier Reiche
Wie alles, was in diesem Buch zu finden ist, ist auch die Sprache der vier Reiche von mir erdacht und in keinem anderen Buch zu finden. Dadurch ergeben sich allerdings auch Komplikationen für den Leser, vor allem, was die Regeln dieser Sprache angeht. Dennoch will ich versuchen, die wichtigsten Regeln hier wieder zu geben:
1) Bei der Namensgebung spielt vor allem der Wunsch der Eltern nach einem festen Charakter des Kindes eine Rolle. So werden meist Namen vergeben, die von einem Substantiv oder einem Adjektiv abstammen und die für das Kind gewünschten Eigenschaften wiedergeben.
2) Wird ein Substantiv oder Adjektiv zum Namen umgewandelt, so wurde früher immer das Wort so umgewandelt, dass es nach der Umwandlung mit einem Vokal und nachgestellten n endet (Ot-an, Samer-on). Diese Praktik ging mit der Zeit verloren, findet sich aber immer noch in vielen Wörtern.
3) Nach wie vor findet sich die Dopplung eines Wortes in vielen Namen wieder, die die Eigenschaft verstärken soll.
4) Die meisten Namen werden aus 2 Worten zusammengesetzt, wobei Endungen oder Wortanfänge frei ausgelassen werden.
5) Früher galt die Verbindung von e und o ohne Trennung zwischen den Vokalen als unheilvoll, ebenso die Verbindung von ei und o, weshalb Trennkonsonanten in das Wort eingefügt wurden
6) Eine Verzerrung entsteht, wenn der Wortstamm eines Wortes so geändert wird, dass alle Vokale durch einen anderen ersetzt wurden und so ein neues Wort gebildet wird
Fern, am Rande der wirklichen Welt,
glüht die Vergangenheit noch ein letztes Mal auf â
um zu verlöschen
für immer.
Prolog
1. Akt
Das blinde Mädchen
Rotgoldene Strahlen, die ersten des Tages, durchbrachen das Dickicht des Waldes, ließen die Nebelschwaden, die über den Boden krochen, rötlich schimmern und weckten die ersten Vögel, die ihren Morgengesang anstimmten. Nur kurz brachen sie ab, als ein Mensch unter den Bäumen entlanglief, doch dann sangen sie unbekümmert weiter.
Jener Mann indes kümmerte sich weder um die Vögel noch um die Stimmung dieses Nebelmorgens, seine Gedanken waren zu sehr in seine Probleme verstrickt. Auch fuhr er bei jedem Geräusch des Waldes zusammen, sah sich um, setzte nur zögerlich seine Wanderung fort, dann wieder lief er hastig weiter, als wolle er fliehen.
Schließlich hielt er an, legte den Kopf in den Nacken und lauschte. Ganz unverhofft zeigte sich ein Lächeln auf seinem Gesicht, und er wendete sich in eine bestimmte Richtung â dorthin, wo er die Ursache des Geräuschs von fließendem Wasser vermutete. Doch einige Bäume und Hecken versperrten ihm, zu einem dichten Gestrüpp verflochten, plötzlich den Weg. Er überlegte kurz, erwog wahrscheinlich, darum herum zu gehen, entschied sich aber dafür, dass es besser sei, es zu durchqueren. Mühsam quälte er sich durch die Dornenbüsche und zerfetzte sich einen Ärmel seiner Kleidung. Als er dieses Hindernis überwunden hatte, verfluchte er den Impuls, jemals ins Unbekannte gegangen zu sein. Sein Arm, der nicht durch den Ärmel geschützt worden war, war völlig zerkratzt, dünne Blutrinnsale flossen von seinem Arm herab. Trotzdem lief er sofort weiter, orientierte sich wieder am Plätschern des Wassers, und schließlich öffnete sich der Wald und gab den Blick auf einen breiten, flachen Fluss frei. Plötzlich stand er vor einer kleinen Herde Rehe, die von seinem unvermittelten Auftauchen genauso erschrocken waren wie er und sofort das Weite suchten.
Er stand stumm und noch ganz verwirrt da, als silberhelles Lachen seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Er wandte sich um und sah SIE. Er hatte viel von ihr gehört, aber ob es sie wirklich gab, das hatte ihm keiner sagen können; SIE war Sefemia [1], ein blindes Mädchen mit silberweißen Haaren, hellblauen Augen und der Gabe, die Zukunft und die Vergangenheit zu sehen. Als er sie jetzt erblickt, saß sie auf einem Stein mitten im Fluss, die Beine angezogen, und die langen Flechten ihres Haars und der Saum ihres weißen Kleides wurden vom Wasser umspült. Noch einmal lachte sie, und er erkannte mit Erstaunen, dass sie sein Gesicht genau fixierte, obwohl sie blind war. âWillst du nicht näher kommen?â, fragte sie sanft und winkte mit der Hand. Er sah zu ihr und machte ein hilfloses Gesicht, denn sie saß an der anderen Seite des Ufers, und der Fluss schien zwar flach, aber trotzdem floss er sehr schnell dahin. Er hatte keine große Lust, jetzt einfach zu ertrinken, und sagte deshalb: âWie soll ich hinüberkommen?â Wieder lachte sie, und er fröstelte, als sie amüsiert sagte: âSameron [2], der König dieses Reiches hat Angst davor, sein Eigentum zu durchqueren.â âWo habt ihr meinen Namen gehört?â, fragte Sameron erstaunt, âIch dachte, ihr meidet jedes Leben, außer es sucht euch auf.â Sefemia hatte sich erhoben und schritt nun sicher durch den Fluss auf ihn zu. âOh, ich hörte nicht, ich WEISS euren Namen. Und ich meide das Leben nicht, es meidet mich, und auch nur das der Menschen.â Sie stand jetzt vor ihm, und er fragte sich, wieso sie ihm vorhin klein und zierlich vorgekommen war. Sie war eine sehr große, stolze Frau, wenn ihrem Gesicht auch nicht die Weichheit und Milde fehlte. Sie lächelte immer noch, als sie fragte: âNun, was führt euch zu einer Hexe? Wollt ihr Macht? Ich nehme nicht an, dass es ein Trank ist, um sich die Liebe einer Person zu sichern, denn diese Dienste verlangen meist nur Frauen von mir.â
Er schüttelte verwirrt den Kopf, aber irgendetwas sagte ihm auch, dass sie sich nur einen Spaß mit ihm erlaubte. âIch bin gekommen, weilâ¦â â⦠du wissen willst, was deine Zukunft dir bringen wirdâ, unterbrach Sefemia ihn, und er nickte, immer noch verwirrt. Sefemia lachte wieder, als sie sagte: âNun, dann lass mich gut nachdenken. Du wirst mit 23 Jahren einer Frau begegnen, die dir dein Königreich wegnimmt und dich verbannt, danach wirst du als Taugenichts in einem anderen Land leben.â Samerons Gesicht drückte pures Entsetzen aus. âWAS? ABER WIESO?â Sefemia lachte wieder und sagte dann: âDas glaubst du mir? Woher soll ich es denn wissen? Ich bin eine normale Frau, und ich weiß gut über die Vergangenheit bescheid, aber es ist mir nicht vergönnt, die Zukunft zu sehen. Und was die Vergangenheit anbelangt, man sollte sie ruhen lassen.â Bei diesem Satz wurde ihr Gesicht plötzlich ernst, doch dann lächelte sie wieder. âIhr seht also, mein Herr, ich kann nichts für euch tun.â Damit wandte sie sich ab, lief in die Mitte des Flusses und legte ihren Kopf in den Nacken, um die Sonne zu betrachten.
Sameron dachte, sie würde noch etwas sagen, doch sie bleib, wo sie war, und so blieb ihm nichts weiter übrig, als zu warten. Er war nicht unbedingt gekommen, um seine Zukunft zu erfahren, sondern weil er Zuspruch brauchte. Er hatte Angst davor, die Herrschaft über ein ganzes Land zu tragen, und er wollte hören, dass er diese große Aufgabe bewältigen konnte. Gedankenversunken streckte er sich am Ufer aus, und schon bald war er eingeschlafen.
Es war Nacht, als er aufwachte und sich verwirrt umsah. Seine Glieder taten ihm weh, und für einen Moment glaubte er, er wäre einfach aus dem Bett gefallen und hätte auf dem harten Fußboden geschlafen, doch er erkannte sofort, dass das unmöglich war. Die Decke seines Zimmers war kein blauschwarzes, samtenes Tuch, auf dem die Sterne funkelten.
Mühsam richtete Sameron sich auf und sah sich um. Nicht weit entfernt, am Ufer des Flusses, saß Sefemia. Sie blickte in den Himmel, aber keine Miene verriet, was sie dachte. Leise ging er auf sie zu und stiess sie leicht an. Sie kippte einfach vornüber und fiel ins Wasser, und dann prustete sie laut und kletterte sofort aus dem Wasser. âWAS SOLL DAS?! ICH HABE GESCHLAFEN! BEINAHE WÄRE ICH ERTRUNKEN!â, blaffte sie ihn ärgerlich an, und Sameron sah sie groß und verwundert an. Dann brach er plötzlich ihn prustendes Gelächter aus und lachte noch lauter, als Sefemia ihm eine Kopfnuss verpasste und ihn fragte, was eigentlich so lustig sei.
Als Sameron sich beruhigt hatte, setzte er sich neben sie, und gemeinsam sahen sie hinauf in die hellen Sterne. Ganz von selbst begann Sameron zu sprechen: âIch habe Angst vor der Bürde, die ich zu tragen haben werde. Deshalb kam ich zu euch. Aber jetztâ¦â Er lachte wieder. â⦠jetzt bin ich mir sicher, dass ihr wirklich eine normale Frau seid. Nur weiß ich jetzt immer noch nicht, was ich tun soll. Wisst ihr mir keinen Rat?â Sefemia schwieg lange, und er glaubte schon, sie wolle nicht antworten, doch dann sagte sie leise: âEs wird mich viel kosten, das zu tun, aber ich werde dir eine Geschichte erzählen. Nein, unterbrich mich jetzt nicht, sonst werde ich es mir anders überlegen und feststellen, dass ich den Preis, den ich zahlen werde, doch nicht zahlen willâ, fuhr sie fort, als Sameron den Mund aufmachen wollte. Sie fuhr sich durch ihr Haar und fragte dann unvermittelt: âWer ist Akata, die schwarze Königin?â âEine Kriegerin, die die drei Reiche geeint hat. Sie hat alle Anwärter auf den Thron verdrängt und ihre Politik durchgesetzt.â, antwortete Sameron, ohne zu wissen, worauf Sefemia hinaus wollte. Ein belustigtes Lächeln erschien auf Sefemias Lippen, und sie sagte: âDas ist vielleicht halb wahr, doch wer sie wirklich warâ¦. Da will ich dir erzählen. Hör mir gut zu. Es begann⦠nun, man weiß es nicht genau, aber wahrscheinlich waren es eher ZWEI Nächte, die der Ausschlag waren für dieses Geschehen. In beiden Nächten hat ein Kind seine Eltern verloren. Und in beiden Nächten ist viel Blut geflossenâ¦..â
[1] Sefemia â Wortspiel aus den Worten Sefer (dunkel) und Miadis (Auge), spielt also auf Sefemias Blindheit an (âdunkle Augenâ ist in den vier Reichen ein Synonym für Blindheit)
[2] Sameron â Name, gebildet aus Same (Ehre) und der Substantivierungsnachsilbe (siehe Vorwort)
2. Akt
In tiefer Nacht
Meneios verzehrte gerade sein Abendessen zusammen mit seinen Kindern und seiner Frau Luina, als ein dumpfer Laut an der Tür sie aufschreckte. Über den Tisch hinweg sah er zu seiner Frau, und sie dachten dasselbe: Ein Bettler oder ein Opfer von Räubern. Ihr kleines, armseliges Haus lag am Rand der Stadt, nur wenige Schritte vom Stadttor entfernt. Meist wählten Überfallene und Bettler ihr Haus, weil es das Erstbeste war. Meneios und seine Frau hatten schon viele Menschen in ihrem Haus versorgt, obwohl sie 7 Kinder hatten.
Ein zweiter, erstickter Laut hinter der Tür riss sie aus ihren Gedanken, und Luina stand auf, ging an die Tür und öffnete sie vorsichtig. Ein spitzer Schrei liess Meneios auffahren, und er eilte zur Seite seiner Frau, wo er wie erstarrt stehen blieb. Wo ihrer Tür lag, lang ausgestreckt, ein Mann. Es war nicht schwer zu erkennen, dass er in den letzten Zügen lag. Er hatte eine tiefe Wunde, dort, wo die Lunge lag, und wahrscheinlich hatte er die Sache dadurch verschlimmert, dass er das Schwert, das seinen Körper durchdrungen hatte, in einem schrägen Winkel herausgezogen hatte. Sein Haar war von einem für Otan untypischem Rotbraun, und Meneios wusste, das er das Wappen auf seiner Rüstung schon einmal gesehen hatte, aber er konnte es nicht zuordnen. Der Soldat öffnete die Augen, und ein leichtes Lächeln trat auf sein Gesicht, dass dann aber sofort wieder von einer Woge Schmerz fortgespült wurde. Er keuchte stoßweise, als er einen Korb hervorzog, der neben ihm im Schatten gestanden hatte. Er hatte Mühe, ihn zu heben, doch er schaffte es, und hielt ihnen ein kleines Bündel Mensch entgegen. Das Kind schlief. âBitteâ¦.â Er hustete, und Blut spritzte auf Meneios Lederschuhe und die Türschwelle aus Holz. âBitteâ¦. beschütztâ¦. meine Prinzeâ¦..â Ein weiterer Krampf schüttelte ihn, dann presste er mit Mühe heraus: ââ¦.meine Prinzessinâ¦. Akata [3]â¦.â Meneios war zu keiner Tat fähig, doch Luina ergriff den Korb und drückte ihn fest an ihre Brust. Er dankbares, strahlendes Lächeln zog über das Gesicht des Soldaten, er schloss die Augen, und dann fiel sein Kopf auf die Türschwelle. Es gab einen dumpfen Knall, der unwirklich klang, und Luinas Hände zitterten. Aber sie liess den Korb nicht los.
----- 10 Jahre später -----
Regen. Er prasselte auf seinen Körper, doch er nahm ihn nicht wahr, so sehr schmerzte es. Seine Krone hatte er verloren, deshalb tastete er herum, erkannte sie im Schmutz und streckte einen Arm nach ihr aus. Fast hatte er sie erreicht, da durchzuckte neuer Schmerz ihn, und er versuchte den Arm zurück zu ziehen, doch er erkannte, dass ein schwarzer Lederstiefel ihn unbarmherzig in den Schlamm trat. Eine ihm nicht unbekannte Stimme sagte spöttisch: âLass sie liegen. Schon bald wird sie mir gehören, und deine blutigen Hände sollen es nicht wagen, sie zu besudeln!â Pseidos [4], König von Otan [5], hob ein letztes Mal den Kopf, und seine Züge verrieten Entsetzten. âDu!â, flüsterte er heiser, dann traf ihn ein Tritt ins Gesicht, und er verlor das Bewusstsein.
Das Stampfen von vielen Hufen verlor sich im Schlamm der Straße. "Wir haben hier nichts mehr zu tun. Sie müssten alle tot sein.", sagte ein Mann. Das plötzliche Geräusch eines Pferdes, das davon galoppierte, lies sie aufschrecken. "Verdammt, jemand ist entkommen!" "Ach, lasst ihn, was kann er schon berichten? Dass namenlose Banditen den König und die Königin getötet haben. Lasst uns von hier verschwinden, bevor der Gestank ihres Blutes an uns hängen bleibt!" Die Männer bestiegen ihre Pferde, und nachdem die Hufschläge der Pferde verhallt waren, war der Wind und das Prasseln des Regens das einzige Geräusch im Wald.
[3] Akata â zusammengesetzter Name aus Ao (Mut) und kata (süß, lieblich â für Frauen gebraucht)
[4] Pseidos â zusammengesetzt aus Psei (Macht) und osis (mild, gütig).
[5] Otan â âGrüne Ebeneâ, eine Konstruktion aus dem Wort Otei (Grasebene, grüne Ebene, auch Feld) und der Substantivierungsnachsilbe
1. Kapitel
1. Akt
Am Tor
Die blassen, kränklichen Strahlen, die es geschafft hatten, sich den Weg durch die Wolken zu bahnen, vermochten nicht, die Luft zu wärmen, und so war es an jenem Morgen sehr kühl in Otanergon [6]. Nebel trieb in dicken Schwaden auf den Feldern vor der Hauptstadt und verdeckte alles Umliegende. Auch das Schloss, das auf der Kuppe des großen Hügels stand, auf dem Otanergon erbaut war, war in Wolken gehüllt.
Anator war verzweifelt. Durch den Nebel konnte sich sein Pferd nicht orientieren, und er war zu schwach, um es selbst zu tun. Sein gebrochener und zerfetzter Arm brannte wie Feuer, und sein Geist war fast so vernebelt wie die Umgebung. Sein Pferd hatte ihn schon durch mehrere Stunden Fieberwahn getragen, doch nun nahm die Welt unvermittelt, kurz vor dem endgültigen Ende, wieder klare Formen an, und plötzlich wusste er genau, wo er war. Vorsichtig griff er mit seinem gesunden Arm die Zügel und trieb das Pferd zu einem etwas schnelleren Gang an.
Als er vor das Tor trat, rührte sich niemand, und er verfluchte die Tatsache, dass die Tore bei Abwesenheit des Königs immer geschlossen blieben. Mit großer Willensanstrengung kämpfte er sich in eine gerade Haltung und rief hinauf zu den Wachposten: âLasst mich ein! SCHNELL!â Verdutzte Gesichter erschienen über dem Rand der Mauer. Anator erkannte erfreut, dass ein bekanntes Gesicht unter den Wachtposten war. Dennoch wurde er nicht sofort erkannt, da der Nebel einfach zu dicht war. âWer seid ihr?â, fragte einer der Posten. Anator versuchte, so deutlich wie möglich zu sprechen, aber die Welt um ihn herum versank schon wieder in grauer Undeutlichkeit. âMein Name ist Anator! Ich war der Leibgarde des Königs zugeteilt! Lasst mich ein! Es ist wichtig! Ich muss sofort zu Lethiteus!â âWarum seid ihr hier und nicht bei König Pseidos?! Was ist geschehen?â Anator verlor die Geduld, er spürte, dass seine Kraft ihn verlies und das Ende nah war, und so schrie er verzweifelt nach oben: âSIE SIND TOT! SIE BEIDE, DER KÖNIG UND DIE KÖNIGIN! NUN LASST MICH EIN, ODER ICH SORGE DAFÜR, DASS IHR ALLE NIE WIEDER DIENST TUN BRAUCHT, WEIL IHR ENTLASSEN WURDET!â Plötzlich wurde ihm schwarz vor Augen. Er versuchte zwar zuerst noch, sich am Pferd festzuhalten, doch dann sackte er zur Seite und fiel auf den schlammigen Boden. Das letzte, was er hörte, waren die Rufe der Wachtposten, dann versank alles in tauber Finsternis.
[6] Otanergon â siehe [5], angehängt ergon (in der Mitte, Mittelpunkt)
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The Legends of Otan
Die 4 Reiche:
Otan â âGrüne Ebeneâ
Semeranon â âZuflucht des Kriegersâ
Fesetimen â âWarmes Meerâ
Leemnundra â âAlter Kernâ
Vorwort
Die Sprache der vier Reiche
Wie alles, was in diesem Buch zu finden ist, ist auch die Sprache der vier Reiche von mir erdacht und in keinem anderen Buch zu finden. Dadurch ergeben sich allerdings auch Komplikationen für den Leser, vor allem, was die Regeln dieser Sprache angeht. Dennoch will ich versuchen, die wichtigsten Regeln hier wieder zu geben:
1) Bei der Namensgebung spielt vor allem der Wunsch der Eltern nach einem festen Charakter des Kindes eine Rolle. So werden meist Namen vergeben, die von einem Substantiv oder einem Adjektiv abstammen und die für das Kind gewünschten Eigenschaften wiedergeben.
2) Wird ein Substantiv oder Adjektiv zum Namen umgewandelt, so wurde früher immer das Wort so umgewandelt, dass es nach der Umwandlung mit einem Vokal und nachgestellten n endet (Ot-an, Samer-on). Diese Praktik ging mit der Zeit verloren, findet sich aber immer noch in vielen Wörtern.
3) Nach wie vor findet sich die Dopplung eines Wortes in vielen Namen wieder, die die Eigenschaft verstärken soll.
4) Die meisten Namen werden aus 2 Worten zusammengesetzt, wobei Endungen oder Wortanfänge frei ausgelassen werden.
5) Früher galt die Verbindung von e und o ohne Trennung zwischen den Vokalen als unheilvoll, ebenso die Verbindung von ei und o, weshalb Trennkonsonanten in das Wort eingefügt wurden
6) Eine Verzerrung entsteht, wenn der Wortstamm eines Wortes so geändert wird, dass alle Vokale durch einen anderen ersetzt wurden und so ein neues Wort gebildet wird
Fern, am Rande der wirklichen Welt,
glüht die Vergangenheit noch ein letztes Mal auf â
um zu verlöschen
für immer.
Prolog
1. Akt
Das blinde Mädchen
Rotgoldene Strahlen, die ersten des Tages, durchbrachen das Dickicht des Waldes, ließen die Nebelschwaden, die über den Boden krochen, rötlich schimmern und weckten die ersten Vögel, die ihren Morgengesang anstimmten. Nur kurz brachen sie ab, als ein Mensch unter den Bäumen entlanglief, doch dann sangen sie unbekümmert weiter.
Jener Mann indes kümmerte sich weder um die Vögel noch um die Stimmung dieses Nebelmorgens, seine Gedanken waren zu sehr in seine Probleme verstrickt. Auch fuhr er bei jedem Geräusch des Waldes zusammen, sah sich um, setzte nur zögerlich seine Wanderung fort, dann wieder lief er hastig weiter, als wolle er fliehen.
Schließlich hielt er an, legte den Kopf in den Nacken und lauschte. Ganz unverhofft zeigte sich ein Lächeln auf seinem Gesicht, und er wendete sich in eine bestimmte Richtung â dorthin, wo er die Ursache des Geräuschs von fließendem Wasser vermutete. Doch einige Bäume und Hecken versperrten ihm, zu einem dichten Gestrüpp verflochten, plötzlich den Weg. Er überlegte kurz, erwog wahrscheinlich, darum herum zu gehen, entschied sich aber dafür, dass es besser sei, es zu durchqueren. Mühsam quälte er sich durch die Dornenbüsche und zerfetzte sich einen Ärmel seiner Kleidung. Als er dieses Hindernis überwunden hatte, verfluchte er den Impuls, jemals ins Unbekannte gegangen zu sein. Sein Arm, der nicht durch den Ärmel geschützt worden war, war völlig zerkratzt, dünne Blutrinnsale flossen von seinem Arm herab. Trotzdem lief er sofort weiter, orientierte sich wieder am Plätschern des Wassers, und schließlich öffnete sich der Wald und gab den Blick auf einen breiten, flachen Fluss frei. Plötzlich stand er vor einer kleinen Herde Rehe, die von seinem unvermittelten Auftauchen genauso erschrocken waren wie er und sofort das Weite suchten.
Er stand stumm und noch ganz verwirrt da, als silberhelles Lachen seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Er wandte sich um und sah SIE. Er hatte viel von ihr gehört, aber ob es sie wirklich gab, das hatte ihm keiner sagen können; SIE war Sefemia [1], ein blindes Mädchen mit silberweißen Haaren, hellblauen Augen und der Gabe, die Zukunft und die Vergangenheit zu sehen. Als er sie jetzt erblickt, saß sie auf einem Stein mitten im Fluss, die Beine angezogen, und die langen Flechten ihres Haars und der Saum ihres weißen Kleides wurden vom Wasser umspült. Noch einmal lachte sie, und er erkannte mit Erstaunen, dass sie sein Gesicht genau fixierte, obwohl sie blind war. âWillst du nicht näher kommen?â, fragte sie sanft und winkte mit der Hand. Er sah zu ihr und machte ein hilfloses Gesicht, denn sie saß an der anderen Seite des Ufers, und der Fluss schien zwar flach, aber trotzdem floss er sehr schnell dahin. Er hatte keine große Lust, jetzt einfach zu ertrinken, und sagte deshalb: âWie soll ich hinüberkommen?â Wieder lachte sie, und er fröstelte, als sie amüsiert sagte: âSameron [2], der König dieses Reiches hat Angst davor, sein Eigentum zu durchqueren.â âWo habt ihr meinen Namen gehört?â, fragte Sameron erstaunt, âIch dachte, ihr meidet jedes Leben, außer es sucht euch auf.â Sefemia hatte sich erhoben und schritt nun sicher durch den Fluss auf ihn zu. âOh, ich hörte nicht, ich WEISS euren Namen. Und ich meide das Leben nicht, es meidet mich, und auch nur das der Menschen.â Sie stand jetzt vor ihm, und er fragte sich, wieso sie ihm vorhin klein und zierlich vorgekommen war. Sie war eine sehr große, stolze Frau, wenn ihrem Gesicht auch nicht die Weichheit und Milde fehlte. Sie lächelte immer noch, als sie fragte: âNun, was führt euch zu einer Hexe? Wollt ihr Macht? Ich nehme nicht an, dass es ein Trank ist, um sich die Liebe einer Person zu sichern, denn diese Dienste verlangen meist nur Frauen von mir.â
Er schüttelte verwirrt den Kopf, aber irgendetwas sagte ihm auch, dass sie sich nur einen Spaß mit ihm erlaubte. âIch bin gekommen, weilâ¦â â⦠du wissen willst, was deine Zukunft dir bringen wirdâ, unterbrach Sefemia ihn, und er nickte, immer noch verwirrt. Sefemia lachte wieder, als sie sagte: âNun, dann lass mich gut nachdenken. Du wirst mit 23 Jahren einer Frau begegnen, die dir dein Königreich wegnimmt und dich verbannt, danach wirst du als Taugenichts in einem anderen Land leben.â Samerons Gesicht drückte pures Entsetzen aus. âWAS? ABER WIESO?â Sefemia lachte wieder und sagte dann: âDas glaubst du mir? Woher soll ich es denn wissen? Ich bin eine normale Frau, und ich weiß gut über die Vergangenheit bescheid, aber es ist mir nicht vergönnt, die Zukunft zu sehen. Und was die Vergangenheit anbelangt, man sollte sie ruhen lassen.â Bei diesem Satz wurde ihr Gesicht plötzlich ernst, doch dann lächelte sie wieder. âIhr seht also, mein Herr, ich kann nichts für euch tun.â Damit wandte sie sich ab, lief in die Mitte des Flusses und legte ihren Kopf in den Nacken, um die Sonne zu betrachten.
Sameron dachte, sie würde noch etwas sagen, doch sie bleib, wo sie war, und so blieb ihm nichts weiter übrig, als zu warten. Er war nicht unbedingt gekommen, um seine Zukunft zu erfahren, sondern weil er Zuspruch brauchte. Er hatte Angst davor, die Herrschaft über ein ganzes Land zu tragen, und er wollte hören, dass er diese große Aufgabe bewältigen konnte. Gedankenversunken streckte er sich am Ufer aus, und schon bald war er eingeschlafen.
Es war Nacht, als er aufwachte und sich verwirrt umsah. Seine Glieder taten ihm weh, und für einen Moment glaubte er, er wäre einfach aus dem Bett gefallen und hätte auf dem harten Fußboden geschlafen, doch er erkannte sofort, dass das unmöglich war. Die Decke seines Zimmers war kein blauschwarzes, samtenes Tuch, auf dem die Sterne funkelten.
Mühsam richtete Sameron sich auf und sah sich um. Nicht weit entfernt, am Ufer des Flusses, saß Sefemia. Sie blickte in den Himmel, aber keine Miene verriet, was sie dachte. Leise ging er auf sie zu und stiess sie leicht an. Sie kippte einfach vornüber und fiel ins Wasser, und dann prustete sie laut und kletterte sofort aus dem Wasser. âWAS SOLL DAS?! ICH HABE GESCHLAFEN! BEINAHE WÄRE ICH ERTRUNKEN!â, blaffte sie ihn ärgerlich an, und Sameron sah sie groß und verwundert an. Dann brach er plötzlich ihn prustendes Gelächter aus und lachte noch lauter, als Sefemia ihm eine Kopfnuss verpasste und ihn fragte, was eigentlich so lustig sei.
Als Sameron sich beruhigt hatte, setzte er sich neben sie, und gemeinsam sahen sie hinauf in die hellen Sterne. Ganz von selbst begann Sameron zu sprechen: âIch habe Angst vor der Bürde, die ich zu tragen haben werde. Deshalb kam ich zu euch. Aber jetztâ¦â Er lachte wieder. â⦠jetzt bin ich mir sicher, dass ihr wirklich eine normale Frau seid. Nur weiß ich jetzt immer noch nicht, was ich tun soll. Wisst ihr mir keinen Rat?â Sefemia schwieg lange, und er glaubte schon, sie wolle nicht antworten, doch dann sagte sie leise: âEs wird mich viel kosten, das zu tun, aber ich werde dir eine Geschichte erzählen. Nein, unterbrich mich jetzt nicht, sonst werde ich es mir anders überlegen und feststellen, dass ich den Preis, den ich zahlen werde, doch nicht zahlen willâ, fuhr sie fort, als Sameron den Mund aufmachen wollte. Sie fuhr sich durch ihr Haar und fragte dann unvermittelt: âWer ist Akata, die schwarze Königin?â âEine Kriegerin, die die drei Reiche geeint hat. Sie hat alle Anwärter auf den Thron verdrängt und ihre Politik durchgesetzt.â, antwortete Sameron, ohne zu wissen, worauf Sefemia hinaus wollte. Ein belustigtes Lächeln erschien auf Sefemias Lippen, und sie sagte: âDas ist vielleicht halb wahr, doch wer sie wirklich warâ¦. Da will ich dir erzählen. Hör mir gut zu. Es begann⦠nun, man weiß es nicht genau, aber wahrscheinlich waren es eher ZWEI Nächte, die der Ausschlag waren für dieses Geschehen. In beiden Nächten hat ein Kind seine Eltern verloren. Und in beiden Nächten ist viel Blut geflossenâ¦..â
[1] Sefemia â Wortspiel aus den Worten Sefer (dunkel) und Miadis (Auge), spielt also auf Sefemias Blindheit an (âdunkle Augenâ ist in den vier Reichen ein Synonym für Blindheit)
[2] Sameron â Name, gebildet aus Same (Ehre) und der Substantivierungsnachsilbe (siehe Vorwort)
2. Akt
In tiefer Nacht
Meneios verzehrte gerade sein Abendessen zusammen mit seinen Kindern und seiner Frau Luina, als ein dumpfer Laut an der Tür sie aufschreckte. Über den Tisch hinweg sah er zu seiner Frau, und sie dachten dasselbe: Ein Bettler oder ein Opfer von Räubern. Ihr kleines, armseliges Haus lag am Rand der Stadt, nur wenige Schritte vom Stadttor entfernt. Meist wählten Überfallene und Bettler ihr Haus, weil es das Erstbeste war. Meneios und seine Frau hatten schon viele Menschen in ihrem Haus versorgt, obwohl sie 7 Kinder hatten.
Ein zweiter, erstickter Laut hinter der Tür riss sie aus ihren Gedanken, und Luina stand auf, ging an die Tür und öffnete sie vorsichtig. Ein spitzer Schrei liess Meneios auffahren, und er eilte zur Seite seiner Frau, wo er wie erstarrt stehen blieb. Wo ihrer Tür lag, lang ausgestreckt, ein Mann. Es war nicht schwer zu erkennen, dass er in den letzten Zügen lag. Er hatte eine tiefe Wunde, dort, wo die Lunge lag, und wahrscheinlich hatte er die Sache dadurch verschlimmert, dass er das Schwert, das seinen Körper durchdrungen hatte, in einem schrägen Winkel herausgezogen hatte. Sein Haar war von einem für Otan untypischem Rotbraun, und Meneios wusste, das er das Wappen auf seiner Rüstung schon einmal gesehen hatte, aber er konnte es nicht zuordnen. Der Soldat öffnete die Augen, und ein leichtes Lächeln trat auf sein Gesicht, dass dann aber sofort wieder von einer Woge Schmerz fortgespült wurde. Er keuchte stoßweise, als er einen Korb hervorzog, der neben ihm im Schatten gestanden hatte. Er hatte Mühe, ihn zu heben, doch er schaffte es, und hielt ihnen ein kleines Bündel Mensch entgegen. Das Kind schlief. âBitteâ¦.â Er hustete, und Blut spritzte auf Meneios Lederschuhe und die Türschwelle aus Holz. âBitteâ¦. beschütztâ¦. meine Prinzeâ¦..â Ein weiterer Krampf schüttelte ihn, dann presste er mit Mühe heraus: ââ¦.meine Prinzessinâ¦. Akata [3]â¦.â Meneios war zu keiner Tat fähig, doch Luina ergriff den Korb und drückte ihn fest an ihre Brust. Er dankbares, strahlendes Lächeln zog über das Gesicht des Soldaten, er schloss die Augen, und dann fiel sein Kopf auf die Türschwelle. Es gab einen dumpfen Knall, der unwirklich klang, und Luinas Hände zitterten. Aber sie liess den Korb nicht los.
----- 10 Jahre später -----
Regen. Er prasselte auf seinen Körper, doch er nahm ihn nicht wahr, so sehr schmerzte es. Seine Krone hatte er verloren, deshalb tastete er herum, erkannte sie im Schmutz und streckte einen Arm nach ihr aus. Fast hatte er sie erreicht, da durchzuckte neuer Schmerz ihn, und er versuchte den Arm zurück zu ziehen, doch er erkannte, dass ein schwarzer Lederstiefel ihn unbarmherzig in den Schlamm trat. Eine ihm nicht unbekannte Stimme sagte spöttisch: âLass sie liegen. Schon bald wird sie mir gehören, und deine blutigen Hände sollen es nicht wagen, sie zu besudeln!â Pseidos [4], König von Otan [5], hob ein letztes Mal den Kopf, und seine Züge verrieten Entsetzten. âDu!â, flüsterte er heiser, dann traf ihn ein Tritt ins Gesicht, und er verlor das Bewusstsein.
Das Stampfen von vielen Hufen verlor sich im Schlamm der Straße. "Wir haben hier nichts mehr zu tun. Sie müssten alle tot sein.", sagte ein Mann. Das plötzliche Geräusch eines Pferdes, das davon galoppierte, lies sie aufschrecken. "Verdammt, jemand ist entkommen!" "Ach, lasst ihn, was kann er schon berichten? Dass namenlose Banditen den König und die Königin getötet haben. Lasst uns von hier verschwinden, bevor der Gestank ihres Blutes an uns hängen bleibt!" Die Männer bestiegen ihre Pferde, und nachdem die Hufschläge der Pferde verhallt waren, war der Wind und das Prasseln des Regens das einzige Geräusch im Wald.
[3] Akata â zusammengesetzter Name aus Ao (Mut) und kata (süß, lieblich â für Frauen gebraucht)
[4] Pseidos â zusammengesetzt aus Psei (Macht) und osis (mild, gütig).
[5] Otan â âGrüne Ebeneâ, eine Konstruktion aus dem Wort Otei (Grasebene, grüne Ebene, auch Feld) und der Substantivierungsnachsilbe
1. Kapitel
1. Akt
Am Tor
Die blassen, kränklichen Strahlen, die es geschafft hatten, sich den Weg durch die Wolken zu bahnen, vermochten nicht, die Luft zu wärmen, und so war es an jenem Morgen sehr kühl in Otanergon [6]. Nebel trieb in dicken Schwaden auf den Feldern vor der Hauptstadt und verdeckte alles Umliegende. Auch das Schloss, das auf der Kuppe des großen Hügels stand, auf dem Otanergon erbaut war, war in Wolken gehüllt.
Anator war verzweifelt. Durch den Nebel konnte sich sein Pferd nicht orientieren, und er war zu schwach, um es selbst zu tun. Sein gebrochener und zerfetzter Arm brannte wie Feuer, und sein Geist war fast so vernebelt wie die Umgebung. Sein Pferd hatte ihn schon durch mehrere Stunden Fieberwahn getragen, doch nun nahm die Welt unvermittelt, kurz vor dem endgültigen Ende, wieder klare Formen an, und plötzlich wusste er genau, wo er war. Vorsichtig griff er mit seinem gesunden Arm die Zügel und trieb das Pferd zu einem etwas schnelleren Gang an.
Als er vor das Tor trat, rührte sich niemand, und er verfluchte die Tatsache, dass die Tore bei Abwesenheit des Königs immer geschlossen blieben. Mit großer Willensanstrengung kämpfte er sich in eine gerade Haltung und rief hinauf zu den Wachposten: âLasst mich ein! SCHNELL!â Verdutzte Gesichter erschienen über dem Rand der Mauer. Anator erkannte erfreut, dass ein bekanntes Gesicht unter den Wachtposten war. Dennoch wurde er nicht sofort erkannt, da der Nebel einfach zu dicht war. âWer seid ihr?â, fragte einer der Posten. Anator versuchte, so deutlich wie möglich zu sprechen, aber die Welt um ihn herum versank schon wieder in grauer Undeutlichkeit. âMein Name ist Anator! Ich war der Leibgarde des Königs zugeteilt! Lasst mich ein! Es ist wichtig! Ich muss sofort zu Lethiteus!â âWarum seid ihr hier und nicht bei König Pseidos?! Was ist geschehen?â Anator verlor die Geduld, er spürte, dass seine Kraft ihn verlies und das Ende nah war, und so schrie er verzweifelt nach oben: âSIE SIND TOT! SIE BEIDE, DER KÖNIG UND DIE KÖNIGIN! NUN LASST MICH EIN, ODER ICH SORGE DAFÜR, DASS IHR ALLE NIE WIEDER DIENST TUN BRAUCHT, WEIL IHR ENTLASSEN WURDET!â Plötzlich wurde ihm schwarz vor Augen. Er versuchte zwar zuerst noch, sich am Pferd festzuhalten, doch dann sackte er zur Seite und fiel auf den schlammigen Boden. Das letzte, was er hörte, waren die Rufe der Wachtposten, dann versank alles in tauber Finsternis.
[6] Otanergon â siehe [5], angehängt ergon (in der Mitte, Mittelpunkt)