Zuerst muss man wohl festhalten, dass beide Begriffe, "Talent" und "Training" zwei vollkommen verschiedene Dinge sind. Angenommen, Talent sei ein Faktum, so ist sie eine Eigenschaft, hingegen Training ist eine Tätigkeit. Talent lässt sich nicht "praktizieren", wohl aber Training, man trainiert. Jemand, von dem man sagt, er habe Talent, ist ebenso ein Trainierender, wie der verzweifelt, um nicht zu sagen hoffnungslos Trainierende, da ja erst die praktische Übung auf dem Gebiet beweist, ob er Talent besitzt, oder nicht.
Die Frage lautet also: "Wiegt Talent die Mühen des Trainings auf?", wird ein Talentierter den Trainierenden ob evolutionärer Überlegenheit schlagen?
Jetzt lautet die wichtige Folgefrage, wie man Talent eigentlich definieren will. Die Evolution glänzt auch ohne Berücksichtigung des geistigen Potenzials schon alleine durch eine enorme physische Vielfalt. So kann man wohl kaum von Talent sprechen, wenn damit der physiologische Vorteil eines Langstreckenläufers gegenüber dem anderen gemeint ist, zum Beispiel längere Beine, ein im Allgemeinen optimalerer Körperbau und Dergleichen. Das sind genetische Faktoren, die komplett außen vor gelassen werden müssen. Wohl aber würde man von Talent sprechen, wenn ein Zwerg einen hochgewachsenen Menschen im Stabhochsprung schlägt. Hier lässt sich eine erste These festhalten, nämlich, dass Talent in der Überwindung der körperlichen Beschränkungen, bzw., um weniger wertend zu klingen, der genetisch gegebenen Körpereigenschaften ist. Obwohl das "nur" körperliche Leistungen sind, wird jeder Sportler bestätigen, dass diese im Kopf fußen und eine gute sportliche Leistung auf rege Aktivität im Gehirn zurückzuführen ist.
In einer kreativen oder geisteswissenschaftlichen Disziplin sieht es aber auch nicht viel anders aus. Wollte man "Talent" objektiv beurteilen, müsste man wohl sagen, dass derjenige am talentiertesten sei, dessen genetischer Code die schnellste Anpassungsfähigkeit, sprich beste Lernfähigkeit beinhaltet. Da aber nie jedes Potenzial ausgeschöpft wird und diese durch äußere Faktoren massiv beeinflusst werden, lässt sich eigentlich überhaupt nicht sagen, ob jemand in einer Sache talentiert ist oder nicht, und in welchem Maße er dies ist.
Oft wird unsere Wahrnehmung für "Talente" durch unsere eigenen Vorlieben getäuscht. Wir sehen etwas, was wir selber gerne sehen, sehen möchten, und stufen es als Talent ein. Es ist eine Reflexion, in der wir unser eigenes Unvermögen mit dem Vermögen des Anderen vergleichen. Ich weiß, ich bin nicht gut im naturalistischen Zeichnen, also sehe ich den naturalistischen Zeichner als jemand besonders Talentierten an. Mit Ablehnung verhält es sich oft genauso und der Aberkennung von Talent. Ich mag nicht, was der andere zustandebringt, also spreche ich ihm das Talent ab. Stellt man sich die Frage des Nutzens all des Trainings und der Notwendigkeit des Bewusstseins von Talent, wird einem bewusst, dass es sich um Macht und somit den natürlichen Triebmotor der Evolution dreht.
Indem ich meine eigenen subjektiv wahrgenommenen Talente und die der anderen betrachte, erkenne ich Vorteile zur Arterhaltung, Mittel zum Zweck der Weiterentwicklung. Talent nennt man die Basis und Training den Weg zur Weiterentwicklung. Schlicht: Es geht darum, der Beste in etwas zu sein und sich damit einen Machtvorteil zu verschaffen. Training hat keinen anderen Zweck, als sich Macht zu erkämpfen, dadurch, der unangefochtene Beste zu sein und Talent ist die individuelle Lernfähigkeit, die die Dauer des Entwicklungsprozesses maßgeblich beeinflusst.
Doch sollte man diesen Darwinismus nicht allzu förmlich nehmen, da unzählige andere Faktoren hinzukommen.
Um mal auf einem pseudo-anthropologischen Niveau das Beispiel von Gaara und Rock Lee zu nehmen:
Gaara hat einen evolutionären Vorteil auf seiner Seite, er steht gewissermaßen in der Nahrungskette über Rock Lee. Er hat ausgefeiltere Körperfunktionen, und Sinne, die Natur hat ihn mit der Fähigkeit ausgestattet, sich schnell und effizient zu entwickeln. Hierbei muss zuallererst festgehalten werden, Talent, ergo die Fähigkeit der Weiterentwicklung durch Krisen hervorgerufen wird, genauer gesagt, durch die Lebensgefahr! In der Geschichte der Erde hätte sich kein Lebewesen weiter entwickelt, keines hätte sich im Wettstreit mit den anderen Wesen mehr und mehr Eigenschaften zum Erhalt der eigenen Rasse angeeignet, wenn es nicht ein Muss gewesen wäre, um zu überleben! Niemand entwickelt sich freiwillig weiter, erst die Lebensgefahr, die Not (bewusst wie unbewusst) zwingt ein Lebewesen zur Veränderung. Die Dinosaurier sind nicht ausgestorben, weil sie es wollten, sondern weil sie nicht die Fähigkeit, das "Talent" besaßen, sich den ändernden Umweltbedingungen anzupassen. Genauso sieht es mit Talent aus. Es erlischt quasi in dem Moment, in dem die Notwendigkeit der Weiterentwicklung aufhört, die Bedrohung verschwindet und man an der Spitze steht. Das lässt sich anhand unzähliger Beispiele aus allen Bereichen des Lebens belegen.
Nun aber zurück zu Gaara. Was man bei ihm Talent nennt, mag sein genetischer Vorteil sein, der ihn an die Spitze der Nahrungskette katapultiert hat, wo er weder angegriffen, noch getötet werden kann. An diesem Punkt hört Talent, also die Möglichkeit der Weiterentwicklung auf, in dem Moment muss man also von Gaara nicht mehr von einem Talent, sondern nur noch von einer bestehenden Größe, Instanz, Macht sprechen. Er dient lediglich noch als Aggressor für Rock Lee, was gut ist, denn die Gefahr ist bekanntlich die Notwendigkeit zur Weiterentwicklung. Rock Lee wird hier also zum eigentlichen Talent, da er sich in Anbetracht der drohenden Gefahr den ändernden Umständen anpasst und um Selbsterhaltung und Machtgewinn kämpft.
Festgehalten ist also, im praktischen Leben:
-Talent ist die Fähigkeit zu Lernen, sprich eine im Prinzip unbegrenzt akkumulierbare Form der Macht. Ich kann solange besser werden, solange es jemanden gibt, der noch Besser, noch Mächtiger ist als ich.
-Wenn ich der Beste bin, sprich meinen animalischen, evolutionistischen Trieb der Mächtigste zu sein, gestillt habe, ist es nicht mehr notwendig, besser zu werden, da ich ja schon der Beste bin. In diesem Moment raste ich, ergo roste ich und Fähigkeiten und Fertigkeiten schlafen ein.
-Talent das nicht gefördert wird, sprich Lernpotenzial, das nicht genutzt wird, verkümmert.
-Training/Übung ist der EINZIGE Weg, ein Potenzial auszuschöpfen auf dem Weg zum Machtvorteil. Selbst ein 'Talent', das als 'einzigartig' erkannt wird, verkümmert, wenn es sich nicht im Wettstreit mit anderen Talenten behaupten kann, wenn man es nicht kämpfen lässt.
- Die Prämisse gilt: Talent ist irrelevant, da der Anschein trügt und ich durch meine subjektive Betrachtungsweise nicht in der Lage bin, es zu erkennen. Ebenso trügen die äußeren Bedingungen, die ein gewissen Talent hervorheben oder verschleiern mögen. EINZIG und allein die Übung wird dem Talent gerecht und macht ein Talent erst als solches erkennbar.
-so lässt sich schlussendlich sagen, dass nur anhand des Trainings und der Fortschritte, die in diesem Training erzielt werden, wahres Talent ersichtlich wird.
Talent ohne Training gibt es nicht.
Training ohne Talent gibt es nicht.
Jeder, der trainiert hat ein gewisses Lernpotenzial. Das ist bei jedem evolutionär bedingt verschieden groß, aber dem Entmutigten sei hier folgendes ans Herz gelegt:
Unzählige, denen man ausdrücklich Talent nachgesagt hat, haben sich lieber darauf ausgeruht und somit zur Verkümmerung ihres Heimvorteils beigetragen, anstatt im harten Training ihre Fähigkeiten zu verbessern und zu perfektionieren. Genau das ist Darwinismus, dass der Dinosaurier aussterben muss, da er in seiner Größe und ehrfurchtgebietenden Stärke vergessen hat, sich weiterzuentwickeln. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Unterschätzten und Unterdrückten in Jahren und Jahrzehnten harter Übung und Leidensprüfungen die bestehenden Mächte übertrumpfen und überragen. (An der Stelle sei nur Stephen Hawkins erwähnt)
... Bis sie wieder von Neuem überragt werden.