[Diskussion] Umfragen für die Politik

Piepmatz

Gläubiger
Wie wäre es, wenn jemand eine App entwickeln würde, wo jeder Umfragen vorschlagen kann?
 
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Metaxylol

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Im Grundgesetz sind Volksabstimmungen aus guten Gründen nur für wenige Ausnahmefälle zugelassen (Fusion von Bundesländern). Es macht überhaupt keinen Sinn eine App für etwas zu entwickeln, was gegen das Grundgesetz verstoßen würde. Die letzte Volksabstimmung in Deutschland betraf die Frage, ob die Bundesländer Berlin und Brandenburg fusionieren sollen. Die Berliner waren dafür, die Brandenburger waren klar dagegen. Aus gutem Grunde traut sich kein Politiker diese Frage im Land Brandenburg noch einmal zur Abstimmung zu stellen.
 
Ok, die Ausgangsfrage gibt letztendlich zwei Problematiken her, die man diskutieren kann.

1. Der technische Aspekt:
Wie wäre es, wenn jemand eine App entwickeln würde, wo jeder Bürger Umfragen vorschlagen und diese ab einer bestimmten Anzahl zu einer größeren Abstimmung zulassen würde?
Natürlich dürfte hier auch nur jeder eine Stimme haben (Perso Check? )und eine K.I würde auch aufgrund dieser Persönlichkeitsprofile erstellen können und somit das gläserne fördern. Somit sind bedenken natürlich gerechtfertigt.
Die Frage ist schon, wofür es da überhaupt unbedingt eine App bräuchte. Wäre es dann staatlich, wenn die Regierung darauf zurückgreifen würde, um ihre Politik danach auszurichten? In diesem Fall wäre das Erstellen von Persönlichkeitsprofilen unvereinbar mit demokratischen Prinzipien, allen voran dem Grundsatz der geheimen Wahl. Und wäre dies in privater Hand, wäre die Frage nach dem Interesse zu stellen. Wie sind Fragestellungen aufgebaut? Wer entscheidet, worüber abgestimmt wird? Wer darf an sowas teilnehmen (=> Was, wenn jemand bspw. kein Smartphone hat)? All das sind ja schon Aspekte, die auf ein Ergebnis Einfluss nehmen. Im besten Fall arbeiteten dann die App-Betreiber wenigstens mit wissenschaftlichen Grundlagen, wie Forsa, Allensbach, o.ä.. Im schlimmsten Fall läuft das dann aber ab wie bei einer Umfrage auf Twitter...
Wenn es sich also wirklich um etwas handeln soll, das direkten Einfluss auf staatliches Handeln nimmt, dann MUSS eine derartige App in meinen Augen auch zwingend vom Staat betrieben werden, ansonsten ließen sich demokratische Prozesse damit kaum zuverlässig aufrecht erhalten. D.h. aber eben auch, dass mit den Daten nicht so umgegangen werden darf wie bei Facebook.
Dann stellt sich aber auch noch die Frage, wie das Sammeln von Daten überhaupt zu 100% unterbunden werden soll. Ich stelle mir das ähnlich vor wie beim Vergleich von Karten- und Barzahlung: Die elektronische Variante ist an Zwischenschritte gebunden, über die Informationen automatisch an Dritte weitergeleitet werden, damit diese dann die Zahlung vom Konto veranlassen können. Alles ist über einen längeren Zeitraum nachverfolgbar. Bei einer Barzahlung ist das jedoch ein Geschäft zwischen Kassierer und mir ohne jeden Mitwisser. Übertragen auf eine Wahl oder Abstimmung müsste man sich daher die Frage stellen, inwiefern eine geheime Wahl so überhaupt möglich ist. Auch das Prinzip der gleichen Wahl sehe ich darin gefährdet, da nunmal auch wirklich nicht jeder ein Smartphone hat.
Dass Technik manipulierbar ist, ist dann auch wieder ein anderer Aspekt. Vom Prinzip her ist das eine Wahl mit Zettel und Stift zwar auch, allerdings ist dies sehr viel leichter zu unterbinden, gerade da in Deutschland ja Auszählungen öffentlich sind und das auch keiner alleine macht. Auf elektronische Verfahren einzuwirken ist für Einzelpersonen oder "Einflüsse von außen" sehr viel eher möglich.


2. Der politische Aspekt:
Die Politik sieht so die Volksmeinung
Eine Volksabstimmng wie in der Schweiz, muss nicht zwangsläufig umgesetzt werden, jedoch sollte diese App eine gute Orientierung geben.
Gerade wegen dieser zwei Punkte kann ich nicht nachvollziehen, was an einer derartigen App im Vergleich zu herkömmlichen Umfragen anders sein soll, außer vlt, dass man als Bürger selbst Themen vorschlagen kann. Wobei es auch das im Prinzip schon gibt, gibt ja da ein paar Petitionsseiten im Internet, die Relevanz ist da aber halt auch nahezu gleich 0.
Würde es euch gefallen mehr in der Politik mitbestimmen zu können?
Du kannst in der Poltik mitbestimmen, wir leben nicht in einer Diktatur. Aber der Grad, wie sehr du mitbestimmen kannst, hängt halt auch von deiner eigenen Bereitschaft ab, Arbeit und Anstrengung zu investieren. Und wenn es nur darum geht, an einem kalten, verregneten Septembersonntag ins Wahllokal zu gehen, um da ein Kreuz zu machen. Vom Engagement in Parteien oder Gemeinderat bis hinauf in den Bundestag ganz zu schweigen. Kann man alles machen, aber man muss sich halt dafür reinhängen; ein Recht darauf, die eigenen Wünsche von den Lippen abgelesen zu bekommen und jemand anderes soll sie dann umsetzen, gibt es nicht. Demokratie ist kein Dienstleistungsbetrieb, wo man einfach was bestellt und dann geliefert bekommt.

Allgemein halte ich Umfragen generell mittlerweile sogar eher für schädlich und zwar aus zwei Gründen:
1. Umfragen bilden Meinungen nicht nur ab, sondern beeinflussen sie auch.
Menschen sind Rudeltiere und wenn sie sehen, dass immer mehr Menschen einer Partei ihre Stimme geben möchten, sind sie auch selbst eher geneigt das zu tun. So entwickelt sich leicht eine Eigendynamik, die Stimmungen verstärkt. Um ehrlich zu sein glaube ich, dass ohne zwei bis drei Umfragen pro Woche die Grünen niemals bei 25% stünden und auch die AfD niemals Werte von zwischenzeitig über 15% in den Umfragen erreicht hätte. Auch weiß man häufig schon vor Wahlen, auf welches Ergebnis es hinauslaufen wird, weil ja alles schon vorher prognostiziert wird, was dann aber auch wieder dazu führt, dass Wähler sich in ihrer Stimmabgabe beeinflussen lassen und eher eine Partei wählen, die z.B. droht an der 5%-Hürde zu scheitern oder besonders im Trend liegt.
Bei inhaltlichen Umfragen gibt es dann auch noch das Problem, dass mit unterschliedlichen Fragestellungen Antworten beeinflusst werden können.
Aus diesem Grund wäre ich generell dafür, dass die Menge an Umfragen gesetzlich begrenzt wird, sodass bspw. nur maximal eine Umfrage pro Woche oder alle zwei Wochen veröffentlicht werden darf und mindestens einen Monat vor Wahlen überhaupt keine mehr.

2. Politiker richten sich zu sehr nach Umfragen:
Oben wird es so dargestellt, als sei es was positives, wenn sich die Regierung nach "der Volksmeinung" in Form von Umfragen richtet. Ich halte das in einem pluralistischen Parteiensystem für ein Riesenproblem und das zeigt sich insbesondere an der politischen Ausrichtung der CDU seit Angela Merkel. Die Partei hat permanent auf Umfragen geschielt und sich wie ein Bambus im Sturm immer gebogen, soweit sie nur konnte, hauptsache, der Stamm bricht nicht. Gehen wir nun aber mal davon aus aus, jede Partei täte das, dann hätte auch jede Partei dieselbe Ausrichtung, was wiederum ein Mehrparteiensystem ad absurdum führen würde: Egal, was man wählt, man bekommt immer dasselbe, und da ja jede Partei sich nach der Mehrheit in Umfragen richtet, wäre die Minderheit ja auch von der Opposition nicht repräsentiert, denn diese Parteien richten sich ja auch nach den Umfragen, wollen also das gleiche wie die Regierung. Es wäre im Prinzip ein Einparteiensystem, bei dem man höchstens Köpfe austauschen kann.
Nein, die Willensbildung darf nicht vom Umfrage zu Politiker gehen, sondern vom Politiker zur Umfrage. Politiker verschiedener Meinungen sollen mir Argumenten und Auseinandernandersetzungen um die Zustimmung der Bürger kämpfen, dann haben wir ein echtes pluralistisches System, bei dem auch eine grundsätzliche Änderung eines politischen Kurses möglich ist, die über kosmetische Korrekturen hinausgeht.
 
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Filp

คนสร้างความยุ่งยาก
Otaku Veteran
Change.org ??
Wenn man genug Unterschriften sammelt, beschäftigt sich die Politik mit dem Thema. Anhand von ner App Politik direkt zu beeinflussen darf es niemals geben, denn Minderheiten genießen einen besonderen Schutz und würden so durch populistischen Müll direkt untergehen.
 

mir

Otaku
Die Sache hat noch einen Haken. Etwa ab 60 benutzen die Leute die Geräte nur zum telefonieren oder haben überhaupt kein Endgerät.
Was ne grosse Gruppe von Wählern schon mal ausschiest!
 
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