Hoellenspass
Ordenspriester
Bevor ihr anfangt zu lesen, solltet ihr eines unbedingt wissen: dies ist eine sehr düstere Geschichte. Den Titel solltet ihr also ernst nehmen, Liebe und Verdammnis sind tatsächlich die beiden Hauptmotive, um die sich hier alles dreht. Dementsprechend werdet ihr viele kontroverse Themen finden. Wenn ihr nichts über Kindesmissbrauch, Vergewaltigung, Tod, Selbstmord und abartige Sexualpraktiken* lesen wollt, ist diese Geschichte nichts für euch. Glaubt mir, ich meine es nur gut mit euch. Ihr erspart euch ein Trauma und mir euer Rumgejammere darüber, dass ihr nicht wissen würdet, worauf ihr euch eingelassen habt. Sie würde euch sowieso nicht gefallen, und ihr würdet euch bloß unnötig über Dinge aufregen, die gar nicht existieren. Wenn ihr nicht fähig seid, Fiktion und Realität auseinander zu halten, seht doch lieber einfach weiter die Lindenstraße und schreibt den Darstellern Briefe darüber, wie sie es wagen können, ihre Frau zu betrügen. Wozu das Ganze? Warum gibt es so viele Menschen, die meinen, bestimmten zu können, was andere mögen dürfen und was nicht? Ich persönlich würde mir da nicht anmaßen, mir ein Urteil zu erlauben, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass es auf diesem Board doch einige gibt, die anderer Meinung sind. Nun gut, in diesem Fall dürft ihr mir sehr gerne einen Kommentar im Diskussions-Thrad hinterlassen. Ich freue mich über jede Form der Kritik. So, diese Warnung war doch wohl wirklich deutlich genug, oder?
Allen, die jetzt noch hier sind, wünsche ich viel Spaß bei der Geschichte. Sie ist übrigens der dritte Teil einer Reihe, von der es auch noch einen vierten geben wird. Es ist nicht nötig, die Vorgänger zu kennen, ich schildere euch innerhalb der Story ohnehin das gesamte Vorleben sämtlicher Charaktere, die hier vorkommen. Wer schon mal eine Geschichte von mir gelesen hat, weiß, dass das keine Hyperbel ist. Falls es euch trotzdem interessiert, Teil 1 und Teil 2 sind immer noch verfügbar.
Eine ausgelassene Stimmung erfüllte den kleinen Raum, in dem Fantasma zusammen mit den anderen am Boden saß. Es war Sonntag, der letzte Tag der Herbstferien, und obwohl deshalb ein Hauch Melancholie in der Luft lag, freuten sich doch alle, einander wiederzusehen. Auch wenn sie zu Hause Familie und Freunde hatten treffen können, bedeutete die Rückkehr ins Internat für die meisten von ihnen immerhin die langersehnte Wiedervereinigung mit ihrer Geliebten, aber selbst wenn das nicht der Fall gewesen wäre, hätten sie nun wohl kaum an sich halten können. Sogar Nicole und Nadine, die beiden in Liebe zueinander entbrannten Zwillinge, und die sonst so introvertierte Isabelle, die in gar keiner Beziehung stand, trugen ihren Teil zum herrschenden Lärm bei. Der geheime Bund, der sie einte, bezog sich eben nicht nur auf die Gemeinsamkeiten, die sie alle teilten – die verschiedenen Eigenheiten, die sie zu Außenseitern machten sowie ihre ungewöhnliche Abstammung – sondern ging noch viel tiefer. Innerhalb der wenigen Wochen, die ihr Club nun schon existierte, waren sie eben zu einer eingeschworenen Gemeinschaft zusammengewachsen, die nicht gebrochen werden konnte. Demgemäß riefen die Mädchen sich jetzt zügellos Albernheiten zu, scherzten und kicherten zusammen.
»Okay, okay, das reicht«, warf Fantasma jedoch nach einer Weile ein. Zwar war sie kurz zuvor noch lauter als ihre Mitschülerinnen gewesen, doch trug sie als Clubpräsidentin eine gewisse Verantwortung. Zwar gab es keinen unmittelbaren Grund, aus dem sie diese Versammlung einberufen hatte, doch das hieß nicht, dass es nicht auch noch ernstere Themen zu bereden galt. Natürlich sollten ihre Zusammenkünfte Spaß machen, dennoch verfolgten sie ein höheres Ziel, und das war etwas, das Fantasma aus vollem Herzen für sich einnahm.
Ebenso wie die übrigen Mitglieder ihres Clubs, war sie nie besonders beliebt gewesen. Sie hatte eigentlich nur eine richtige Freundin gehabt, von den anderen aus ihrer Klasse war sie eher gemieden worden. Dazu sollte aber vielleicht noch angemerkt werden, dass sie auch nie in einem gesteigerten Maße versucht hatte, mit den anderen in Kontakt zu kommen. Sie war eben seit jeher eine Träumerin gewesen; ständig war sie in Gedanken versunken und oft bekam sie gar nicht mit, was um sie herum geschah, weil wieder einmal irgendein Detail ihre Aufmerksamkeit gefesselt hatte und sie sich in abstrusen Vorstellungen darüber erging. Sogar wenn sie ausnahmsweise nicht ihrer eigenen Phantasie erlag, war sie nur selten mit dem beschäftigt, was andere als Realität bezeichnen mochten.
Sie hatte schon immer gerne gelesen, am liebsten Fantasy-Romane, die über mehrere Bände hinweg eine eigenständige Welt erschufen, in die sie voll und ganz eintauchen konnte, und das hatte noch weitaus zugenommen, seit sie sich in Emma verliebt hatte, ein Mädchen, das kaum ohne Buch anzutreffen war. Noch viel mehr als bei Fantasma selbst schien sie richtig im Lesen aufzugehen. Sie hatte immer ein Buch dabei, das sie hervorholte, sobald sich eine Gelegenheit dazu ergab, sei es auch nur in den Pausen oder wenn es auch nur den Anschein hatte, das gerade nichts geschah, bei dem unbedingt ihre volle geistige Anwesenheit erforderlich war. Sogar beim Essen hatte Fantasma sie schon mit einem Buch in der Hand überrascht. Tatsächlich verbrachte sie die meiste Zeit mit lesen, wenn sie nicht zusammen waren und manchmal selbst dann. Nachdem sie ein Paar geworden waren, hatten sie nämlich begonnen, gemeinsam zu lesen. Angefangen hatte es damit, dass sie ihre Lieblingsbücher untereinander ausgetauscht hatten, bis es irgendwann so weit war, dass sie sich gegenseitig vorgelesen hatten. Da keine von ihnen ohne diese Passion leben konnte, lag es wohl auch nahe, sich dem gemeinsam zu widmen. Seitdem lagen sie oft zusammen auf einem Bett, lauschten der Stimme ihrer Liebsten und ließen sich vom Sog der Geschichte mitreißen.
Unter diesen Voraussetzungen war es jedenfalls leicht, von den Mitschülern nicht beachtet zu werden. Normalerweise wurde sie einfach ignoriert, nur wenn sie wegen ihrer sich nicht zu erwehrenden Tagträume wieder einmal etwas verpasste, sich am falschen Ort einfand oder ohne es zu bemerken an der Tür ihres Klassenzimmers vorüberging, wurde sie ausgelacht und musste sich ein paar dumme Sprüche anhören. In dieser Hinsicht hatte sie es deutlich leichter gehabt als viele andere, die als Sonderlinge verschrien waren; sie war nicht offen ausgegrenzt oder in Verruf gebracht worden, dennoch hatte sie nie das Gefühl gehabt, irgendwo dazuzugehören. Sie war höchstens geduldet worden, aber kaum jemand hatte sich wirklich um sie gekümmert.
War das nicht auch ihr unabänderliches Schicksal? Sie war weder Mensch noch Dämonin, bei wem hätte sie schon auf Verständnis hoffen können? Sogar ihre Eltern kamen ihr manchmal fremd vor. Zwar liebte sie ihre Mutter und wusste, dass sie sich immer auf sie verlassen konnte, doch gab es Momente, in denen ein unüberwindbares Hindernis zwischen ihnen zu bestehen schien. Es war nicht einmal schwer zu erraten, worum es sich dabei handelte. Auch wenn ihre Mutter ihr nie wirklich erzählt hatte, was damals vorgefallen war, hatte sie es zumindest unmissverständlich angedeutet, wohl um Fantasma mit jedem erdenklichen Mittel, das ihr zur Verfügung stand, zu beschützen. So oder so, ihr war immerhin klar, auf welche Weise sie gezeugt worden war. Eine Dämonin, ein Wesen aus einer anderen Welt, hatte sich an ihrer Mutter vergangen und sie war nichts weiter als das ungewollte Resultat dieser erzwungenen Vereinigung. Konnte man ihrer Mutter da vorhalten, wenn sie ab und zu etwas distanziert wirkte? Eigentlich hätte es Fantasma eher überraschen sollen, dass sie überhaupt in der Lage war, Liebe für ihre Tochter zu empfinden. Musste sie denn nicht jedes Mal an dieses schreckliche Erlebnis erinnert werden, wenn sie sie ansah?
Mit ihrem Stiefvater verhielt es sich ähnlich. Sie kamen an sich gut mit einander aus, trotzdem war er niemand, mit dem sie ein vertrauliches Gespräch hätte führen können. Fantasma hatte generell nicht viel mit ihm oder ihrer Mutter gemein. Es gab kaum ein Gebiet, auf dem sie derselben Meinung waren, sowohl was ethische Feinheiten, Lebensentwürfe oder Glaubensvorstellungen anbetraf, lagen ihre Ansichten weit auseinander. Ihre Eltern vertraten einige unerschütterliche Überzeugungen hinsichtlich ihrer Konfession, während Fantasma dem etwas kritischer gegenüberstand. Sie mochte den Gedanken an eine höhere Macht, die sich ihrer annahm, nur konnte sie sich nicht damit abfinden, wie die ihren Eltern zufolge beschaffen sein sollte. Sie wollte schlicht nicht einsehen, dass die lenkende Kraft hinter der Ordnung des Multiversums sich daran stören sollte, mit wem sie eine Beziehung einging oder wie sie die führten. War Liebe denn nicht grundsätzlich etwas Wunderschönes und Erhabenes? Was konnte an ihr denn schon falsch sein?
Das schien ohnehin ein Problem zu sein, das sämtlichen konventionellen Religionen anhing. Sie alle verrannten sich in unerbittliche Dogmen und unsinnige Erlässe. Fantasma hielt das für einen Fehler; ihrer Meinung nach nahmen viele Menschen diese Angelegenheit einfach zu ernst. Sie vertraten offenbar die Auffassung, genau zu wissen, wie man sich zu verhalten hatte, um ihre Gottheit zufrieden zu stellen, doch war Fantasma sich da nicht so sicher. Wenn es irgendeine wie auch immer geartete schöpferische Kraft gab, war sie ohne Zweifel zu abstrakt, um mit irdischen Sinnen überhaupt wahrgenommen zu werden. Diejenigen, die sich als ihre Vertreter betrachteten, konnten also nur ebenso raten wie jeder andere auch, und diese vermeintliche tiefere Erkenntnis, die sie erlangt zu haben sich einbildeten, konnte einzig nicht wiedergutzumachenden Schaden anrichten. Sie waren eben nicht unfehlbar und Hybris brachte stets das Schlimmste zum Vorschein.
Also sogar falls sie wider Erwarten recht haben sollten, war es für Fantasma keine gute Idee, ihnen zu folgen. Sollte diese angeblich dermaßen hoch entwickelte Erscheinung so verbohrt sein, dass sie bestimmte Formen der Zuneigung verbot, musste sie von der Vollkommenheit noch weit entfernt sein. Wieso hätte sie seine Geschöpfe mit einem freien Willen ausstatten sollen, wenn ausgerechnet solche Banalitäten wie die Liebe unter gleichgeschlechtlichen Partnern zu einem unverzeihlichen Sakrileg erklärt wurden? Welchen Zweck hatten die unzähligen Möglichkeiten, die die Welten boten, wenn sogar die unschuldigsten Freuden die Verdammnis zur Folge hatten? Außerdem mussten die Gesetze, die das Zusammenleben von Menschen regelten, doch auch auf menschlichen Maßstäben basieren, doch diese hier schienen nur blinden Gehorsam zu verlangen, ja sogar nach einer Unterdrückung der eigenen Persönlichkeit, und das konnte unmöglich der richtige Weg sein, befand Fantasma. Die eigenen Bedürfnisse so zu missachten, musste zwangsläufig im Unglück enden und der Sinn des Lebens konnte nicht ausschließlich darin bestehen, auf eine Erlösung nach dem Tod zu warten. Letztendlich musste sich jeder sein eigenes Bild dieser Entität machen und sich eine Wertesystem zurechtlegen, das seiner Natur entsprach.
Leider zählten ihre Mutter und ihr Stiefvater zu den Leuten, die jedes Hinterfragen von althergebrachten Traditionen als Häresie werteten, doch selbst über das von Unvereinbarkeiten überschattete Verhältnis zu ihren Eltern hinaus hatte die Last ihrer Herkunft ihr ganzes Leben bestimmt. Vieles von dem, was für andere Mädchen in ihrem Alter völlig selbstverständlich war, hatte sie nicht tun können, um dieses Geheimnis nicht zu offenbaren. So war sie nie schwimmen gewesen, hatte nie woanders übernachtet und nicht einmal am Sportunterricht nahm sie teil, dank eines Attests ihrer Hausärztin, das ihr Herzrhythmusstörungen bescheinigte – ein Leiden, das sie höchstens dann befiel, wenn sie sich in Emmas Nähe aufhielt, was in letzter Zeit zugegebenermaßen fast immer der Fall war.
Doch sogar unter weniger freizügigen Umständen hatte sie sich im Beisammensein mit anderen nicht wirklich fallenlassen können. Sie hatte sich eben nie offen zeigen können, auch im übertragenen Sinne nicht, ständig hatte sie sich darum sorgen müssen, sich nicht zu verraten, hatte um jeden Preis verbergen müssen, wie außergewöhnlich sie tatsächlich war. Sie war zu oft verhöhnt worden, um nicht zu wissen, dass jede zu große Abweichung von der Norm mit Verachtung gestraft wurde. Dazu war es gar nicht nötig, dass jemand herausfand, dass sie eine Halbdämonin war, dazu reichte es schon, wenn bekannt würde, dass sie zusätzlich zu ihrer Scheide noch einen Penis hatte. Sie war so schon eine Außenseiterin gewesen, wenn dann noch dieser weitere Makel an ihr ans Licht gekommen wäre, hätte sie das endgültig zu einer Ausgestoßenen gemacht. Zweifellos hätte das eine Abkehr von den wenigen Bekanntschaften bedeutet, die sie hatte, die spöttischen Bemerkungen, die sie über sich ergehen lassen musste, hätte sich in unverhohlene Anfeindungen gewandelt.
Möglicherweise war dieses Gefühl, sich niemandem rückhaltlos anvertrauen zu können, der Grund dafür, dass sie sich immer weiter in die Welt der Bücher zurückgezogen hatte, eine Welt, in der man sie so akzeptierte, wie sie war, es war zumindest der Grund dafür, dass sie ihren Club gegründet hatte. Sie wusste eben, wie schmerzhaft das sein konnte, wie einsam man sich dabei vorkam, wenn alle einen als etwas verschroben betrachteten, und im Zuge dessen hatte sie beschlossen, diese Zuflucht für sie zu schaffen, eine Gemeinschaft für die, die sonst keine hatten, für die Verlorenen, die Missverstandenen und die Vertriebenen. Bei ihnen war jeder willkommen, mit all seinen Fehlern und Eigenheiten, solange er jedem die gleichen Rechte wie sich selbst zusprach und Rücksicht auf deren Bedürfnisse nahm.
Die Idee dazu war ihr gekommen, als sie entdeckt hatte, dass Emilia, eine ihrer neuen Mitschülerinnen, ebenso wie sie eine Halbdämonin war. Es war am Beginn des neuen Schuljahrs gewesen, für Emilia und sie war es der erste Tag an diesem Internat, genau wie für die meisten anderen späteren Mitglieder ihres Clubs. Sie hatten sich schnell ein wenig angefreundet, obwohl – oder vielleicht auch genau aus diesem Grund – sie beide für gewöhnlich nur schwer Anschluss fanden, bis sie durch einen dummen Zufall erkannten, wie ähnlich sie sich tatsächlich waren. Zuvor hatte Fantasma immer gedacht, die Einzige ihrer Art zu sein, doch plötzlich stellte sie fest, dass sie nicht allein mit ihrem Schicksal war. Das war eine so befreiende und zutiefst bewegende Erfahrung, dass sie sie auch anderen zuteil werden lassen wollte, denen es so erging wie ihr, ob es sich bei ihnen nun um Halbdämoninnen handelte, Dämonen, Menschen oder sogar Kreaturen, von deren Existenz sie noch gar keine Ahnung hatte. Sie wollte einfach allen helfen, die unter dieser Bürde der Ablehnung litten.
Da das im Raum des Physik-Clubs vonstatten gegangen war, war sie auf den Gedanken verfallen, ein etwas verqueres Bündnis einzugehen, das sich dieses Ziel zur Aufgabe setzte. Natürlich standen ihnen als bloßer Zusammenschluss von Schülerinnen keine besonderen Mittel zur Verfügung, sodass sie ihre Ambitionen zunächst auf ihr direktes Umfeld, das Internat, beschränken mussten, dennoch hielt Fantasma es für unbedingt nötig, ihre Belange auch über diese Grenzen hinaus fortzusetzen. In letzter Konsequenz wollte sie allen Freaks in allen Welten zur Seite stehen, nicht nur denen, die das Glück hatten, mit ihr auf eine Schule zu gehen.
Das war auch der eigentliche Anlass, aus dem sie nun dieses Treffen einberaumt hatte. Zwar hatte sie nicht weniger einfach nur ihre Freundinnen wiedersehen wollen, nachdem sie es gar nicht gewohnt war, überhaupt so enge Vertraute zu haben, und sie die ganzen Ferien über vermisst hatte, doch gab es da noch ein Projekt, an dem sie schon seit geraumer Zeit arbeiteten, und mit dem Fantasma jetzt endlich vorankommen wollte. So hatte sie gleich nach ihrer Ankunft die Zimmer der übrigen Mitglieder aufgesucht und hatte sie hier zusammengerufen.
Erstaunlicherweise war es ausgerechnet das gemeinsame Zimmer von Emma und Emilia, das sich zu ihrem inoffiziellen Clubraum entwickelt hatte. Emilia war eben gerne für sich und war nicht davon überzeugt, dass ihr Club wirklich etwas verändern konnte, sodass sie wenig begeistert war, dass er sich regelmäßig bei ihr versammelte, doch schien sie sich mittlerweile damit abgefunden zu haben. Es war nun einmal wie selbstverständlich dazu gekommen. Immer wenn eine ihrer Besprechungen stattfand, hatte Fantasma ohne darüber nachzudenken dazu tendiert, sie hier abzuhalten. Wie hätte es denn schon anders sein können? Schließlich war sie sich ihrer Gefühle lange nicht sicher gewesen und war beiden Mädchen gleichermaßen zugetan gewesen. Wahrscheinlich hatte ihr Unterbewusstsein sie automatisch an den Ort geführt, wo sie zu finden waren.
»Wie ihr alle wisst …«, fuhr Fantasma fort, verstummte jedoch, als sie die verwunderten Blicke bemerkte, mit denen die anderen sie bedachten. »Äh … stimmt was nicht? Warum guckt ihr mich alle so an?«
Abschätzig lächelte Emilia sie mit einem nach oben gezogenen Mundwinkel an. »Du hast uns gerade gesagt, dass wir still sein sollen, dann bist du ohne Vorwarnung für fünf Minuten ins Koma gefallen, und jetzt sprichst du plötzlich weiter, als wäre nichts geschehen.«
Emma lächelte ihr ebenfalls zu, nur wirkte ihres um einiges wärmer und liebevoller. »Na ja, es waren wohl eher dreißig Sekunden, in denen du ein bisschen ins Leere gestarrt hast.«
»Oh«, kommentierte Fantasma ihren Ausrutscher. Wenn sie genauer darüber nachdachte, hätte sie die auf sie gerichteten Blicke wie von mitleidiger Fassungslosigkeit von den zahlreichen Gelegenheiten wiedererkennen müssen, wenn sie wieder einmal nicht mitbekommen hatte, dass jemand mit ihr sprach. So etwas kam eben ab und zu vor. Manchmal rissen ihre Gedanken sie mit sich fort, ohne dass sie es hätte verhindern können, egal wo sie gerade war, ob mitten in einer Unterhaltung oder sogar wenn sie versuchte, sich zu konzentrieren. Zwar passierte das zumeist, wenn sie sich langweilte, also zum Beispiel während des Unterrichts, aber selbst das konnte schon unangenehme Folgen haben, wie eine Ermahnung der Lehrerin besser aufzupassen. Dagegen war die Irritation, die ihr entgegenschlug, wenn sie sich innerhalb eines Gesprächs kurz in ihren Träumen verlor, kaum einer Erwähnung wert, und Fantasma hatte inzwischen gelernt, dass es am besten war, das in aller Unbeschwertheit zu übergehen.
»Entschuldigung, ich war nur für einen Moment abgelenkt«, merkte sie bloß an, bevor sie sich wieder dem Wesentlichen zuwandte: »Jedenfalls wollte ich gerade sagen, dass wir ja beschlossen hatten, dass sich in den Ferien jeder eine Möglichkeit überlegen sollte, wie Menschen, die nicht so sind, wie alle anderen es von einem erwarten, besser aufgenommen werden. Also, ist jemandem von euch etwas Passendes eingefallen?«
Der Reihe nach sah sie alle Clubmitglieder an, die hier neben ihr in einem Kreis auf dem Boden saßen: Emma, ihre feste Freundin, gleich links von ihr, dann Emilia, das auffallend blasse Mädchen mit so farblosem Haar, dass es weiß wirkte in dem zum Fenster hereinfallenden Licht.
Dicht an sie geschmiegt hockte Maria, Emilias Liebschaft und die Einzige von ihnen, in deren Adern kein dämonisches Blut floss. Doch auch sonst war ihre Zugehörigkeit in diese Schwesternschaft der Dissidentinnen weit weniger offensichtlich. Scheinbar entsprach sie jedem Ideal, das einem auferlegt wurde: sie war intelligent, schick gekleidet und von makelloser Schönheit. Wäre nicht bekannt geworden, mit welch verzweifelten Mitteln sie nach Zuneigung gesucht hatte, erst bei einem Lehrer und als das unterbunden worden war in den Armen von Fremden, wäre ihr Anspruch auf eine Vormachtstellung in der Hierarchie der Schule unantastbar gewesen.
Die Zwillinge hatten sich fast schon ein wenig abseits von ihnen niedergelassen. Wie so oft hielten sie auch jetzt Händchen, als bedurften sie ständig des gegenseitigen Schutzes in dieser kühlen, bedrohlichen Welt. Allein die auserwählte kleine Schar der hier Anwesenden wusste, dass das nicht der einzige Grund war.
Zuletzt richtete Fantasma ihren Blick auf Isabelle, ihre Mitbewohnerin, gleich rechts von sich. Möglicherweise war die sogar noch außergewöhnlicher als die übrigen ihrer neuen Freundinnen. Sie war sehr still, ohne aber in einem besonderen Maß schüchtern zu sein. Das war sie zwar durchaus, doch weniger als ihre besonnene Art hätte vermuten lassen. Sie sich einfach ihrer Unzulänglichkeiten bewusst und gab sich auch keinen Illusionen über ihren unleugbaren Status als Außenseiterin hin, aber nichts davon bereitete ihr schlaflose Nächte. Ihr war nun einmal ebenso klar, dass ihr in den Wissenschaften niemand so schnell etwas vormachte, und die Vorbehalte, die die meisten Gleichaltrigen ihr entgegenbrachten, hatten auch ihre Vorteile. So hatte sie in Ermangelung von jemandem, der ihre Interessen teilte – ihr fast schon obsessives Verlangen danach, die Mechanismen hinter den Dingen zu verstehen –, viel Zeit, sich voll und ganz ihren Studien zu widmen, und das tat sie mit aller Hingabe. Wann immer es ging las sie Abhandlungen über die verschiedensten Zweige der Forschung, führte eigene Experimente durch und war allgemein ständig damit beschäftigt, das menschliche Verhalten zu analysieren. In dieser Hinsicht erwiesen sich die Ressentiments, die sie erfahren hatte, als noch hilfreicher; diese empfindlichen Eindrücke verdichteten sich zu umfassenden soziologischen Theorien, die Isabelles ganzes Denken beeinflussten, während das Gefühl, nicht dazuzugehören, das ihr auf diese Weise vermittelt wurde, ihr einen distanzierteren Blick auf diese Handlungsschemata gewährte.
Doch mit welcher analytischer Präzision ihr Verstand auch arbeitete, war es in kreativen Belangen eher von geringem Nutzen. Es fiel ihr schon schwer, wenn sie im Deutschunterricht eine Interpretation schreiben sollte, aber sich Maßnahmen auszudenken, wie ihre kleine unbedeutende Gruppierung die gesamte Bevölkerung für ihr Anliegen gewinnen sollte, überforderte sie endgültig. Anscheinend erging es den anderen ähnlich, denn genau wie Isabelle schüttelte nun jede von ihnen den Kopf oder sah betreten zu Boden.
Unhörbar seufzte Fantasma auf. Um genau zu sein hatte sie nichts anderes erwartet, trotzdem war das kein Ergebnis, mit dem sie zufrieden gewesen wäre. Sie war der Ansicht, dass es endlich Zeit wurde, mehr in dieser Richtung zu unternehmen, bislang war der Club nämlich recht erfolglos gewesen, was das anging. Zwar waren sie unter sich immer für einander da, doch hatten sie noch niemanden sonst erreichen können.
Allerdings gestaltete sich das auch einigermaßen schwierig. Wie Emilia ihr klargemacht hatte, war es in Anbetracht der Geheimnisse, die sie miteinander teilten, besser im Verborgenen zu bleiben, doch wie sollten sie da mehr Menschen für ihre gemeinsame Sache begeistern sollen, ihre unumstößlichen Grundsätze von Freiheit, Gleichhalt und Zusammenhalt? Das waren zwar schon die Prinzipien der französischen Revolution gewesen, aber so ganz schienen sie sich noch nicht durchgesetzt zu haben. Ein paar Vorschläge hatte es dazu durchaus schon gegeben, nur war keiner von ihnen sonderlich vielversprechend gewesen. Von einem hingegen war Fantasma zutiefst begeistert. Nun gut, möglicherweise lag das daran, dass es ihr eigener war oder die Ausführung dieser Aufgabe Emma zufallen würde, der sie schlichtweg alles zutraute, sogar die Menschheit zum Besseren zu wandeln, aber das glaubte sie nicht. Ihre Idee war es nämlich, einen Roman zu schreiben, der nicht nur eine Allegorie auf ihrer aller Dasein als Halbdämoninnen darstellte, sondern gleichzeitig jeden Leser auf die Angelegenheiten sämtlicher Ausgestoßener aufmerksam machen sollte.
Um das zu erreichen, sollte er von jemandem handeln, der wegen seiner Andersartigkeit selbst ausgegrenzt wurde, doch mehr hatten sie noch nicht entschieden. Die anderen hatten keine Erfahrung damit, wie man eine konsistente Handlung ausarbeitete, vermutlich fehlte es ihnen auch ein wenig am nötigen Erfindungsreichtum, die nötigen Komponenten überhaupt aufzubringen, wohingegen es Emma schwerfiel, einen Zugang zu diesem Stoff zu finden, an dem sie einsetzen konnte. Ihr tat sich einfach keine geeignete Prämisse auf, wie sie Fantasma gestand, dabei befasste sie sich sonst unaufhörlich damit, ihre eigenen Geschichten zu schreiben.
Sie hatte eben schon immer Schriftstellerin werden wollen und schon vor einiger Zeit, als sie ungefähr elf gewesen war, angefangen, diesen Traum zu verwirklichen. Anfangs waren es sehr kurze, naive Erzählungen, in denen sie selbst praktisch die Protagonistin darstellte. Es waren immer Varianten ihrer eigenen Persönlichkeit gewesen, Charaktere, die ganz ähnlich dachten und fühlten wie sie, die dann aus irgendeinem Grund in Abenteuer verwickelt wurden zu Themen, die sie eben zu diesem Zeitpunkt bewegten.
Als sie begonnen hatte, immer mehr Krimis zu lesen, hatte sich damit unweigerlich auch ihre Herangehensweise an ihre schriftstellerischen Versuche gewandelt. Dabei fiel es ihr oft schwer, ihren Figuren schlimme Dinge zustoßen zu lassen. Es stimmte was man sagte; wenn man eine Geschichte schrieb, waren die Charaktere, die man schuf, wie die eigen Kinder für einen. In vielen Belangen waren sie einem sehr ähnlich, und in anderen dann wieder grundverschieden; manchmal wusste man genau, was in ihnen vorging, und manchmal führten sie ein Eigenleben, das man gar nicht mehr nachvollziehen konnte. Doch ebenso wie man als Mutter seine Kinder eigene Erfahrungen machen lassen musste, die manchmal ebenfalls unweigerlich in Trauer endeten, musste man als Autorin auch seinen Figuren ihren eigenen Willen zugestehen. Letztendlich hatte sie erkannt, dass dieses Genre mehr noch als jedes andere dazu geeignet war, sich mit essenziellen Fragen auseinanderzusetzen – Schuld und Sühne, moralische Vorstellungen von richtig und falsch oder die immer wieder neu verhandelten Konventionen, die für das menschliche Leben notwendig waren – und so hatte Emma die automatisch mit eingewoben.
Es war ohnehin unausweichlich, dass eine ausgedachte Geschichte im Gegensatz zu einer einfachen Schilderung eine zusätzliche Bedeutungsebene gewann; ohne dass es sich verhindern ließe, spiegelten sich die Gedanken des Autors darin wider, seine Wünsche und Träume, seine Ängste ebenso wie seine Hoffnungen und seine Ansichten zu Politik, Philosophie und Theologie, nur begegnete sie dem inzwischen mit viel mehr Bedacht. Sie überlegte sich genau, was sie zum Ausdruck bringen wollte, und wie sie das erreichen konnte. Das war fast wie ein innerer Zwang, und sie wusste auch, woran das lag. Sie wurde getrieben zu schreiben von den Erfahrungen, die sie gemacht hatte; sie war von ihren Klassenkameraden zumeist ignoriert, ausgelacht oder verspottet worden, sodass sich das zunächst wie von selbst entwickelt hatte. Ihre Antagonisten trugen stets Züge derjenigen, die sie unterdrückten, und ihre Heldinnen waren die Unterdrückten, denen am Ende Gerechtigkeit widerfuhr.
Als sie diese Analogie erst einmal entdeckt hatte, betrachtete sie es fortan als ihre Pflicht, die Welt im bescheidenen Rahmen ihrer Möglichkeiten ein Stück weit besser zu machen. Indem sie diese fiktiven Taten erforschte, warnte sie gleichzeitig vor deren realen Auswüchsen. Sie schrieb über die dunkle Seite der Psyche und wie leicht sie außer Kontrolle geriet, vielleicht konnte sie so andere dazu bringen, ihr eigenes Verhalten mehr zu reflektieren.
Das hatte sie auch Fantasma erzählt, die daraufhin entschieden hatte, mit diesem Buch die Leitlinien ihres Clubs nach außen zu tragen. An sich war das natürlich auch eine gute Idee, nur gab es da ein kleines Problem: Bislang hatte Emma nur für sich selbst geschrieben, abgesehen von Fantasma hatte sie nie jemanden eine ihrer Geschichten lesen lassen, nun aber sollte sie plötzlich etwas schreiben, das zumindest theoretisch jeder lesen sollte. Zum einen bedeutete das eine gewisse Verantwortung, immerhin sollte ihr Entwurf an das Gute im Menschen appellieren, doch vor allem setzte sie sich damit einer allgemeinen Aufmerksamkeit aus, und das war etwas, mit dem sie noch nie gut klargekommen war. Sie stand nicht gern im Mittelpunkt, das entsprach einfach nicht ihrer Natur, außerdem hatte sie die Erfahrung gemacht, dass das in den meisten Fällen einzig zu Peinlichkeiten führte. Wenn man von anderen beachtet wurde, musste man sich eben zwangsläufig deren Beurteilung stellen, und die war in Emmas Vergangenheit nur selten zu ihrem Vorteil ausgefallen. Wenn man still war, von den Lehrern oft gelobt wurde und seine Freizeit am liebsten für sich mit einem Buch verbrachte, wurde man von seinen Mitschülern schnell als etwas seltsam betrachtet.
In dieser speziellen Angelegenheit erschien ihr das jedoch noch furchterregender als es sowieso schon war. Wenn sie schrieb, flossen nun einmal unvermeidlich ihre geheimsten Gedanken und Gefühle mit ein, sie legte damit förmlich ihre gesamte Seele offen, sollte sich darüber jemand lustig machen – was ihren Begriffen nach wohl zu befürchten stand – wäre das die grausamste Art der Zurückweisung, die sie sich vorstellen konnte. Es wäre wie eine totale Ablehnung ihres Inneren, als würde jemand, dem sie rückhaltlos vertraute, ihr ohne Vorwarnung das Herz aus der Brust reißen. Ihr Selbstwertgefühl war eine ziemlich ambivalente Sache, mal machte es ihr gar nichts aus, von ihren Klassenkameradinnen gemieden zu werden, mal fragte sie sich stundenlang, was genau eigentlich nicht mit ihr stimmte, doch sollte es tat so weit kommen, wäre von ihm wohl endgültig nicht mehr übrig als ein bisschen Staub.
Deshalb zuckte sie auch unwillkürlich zusammen, als Fantasma nun die Frage stellte, die Emma befürchtet hatte: »Na ja, und wie sieht’s mit dem Roman aus, den du schreiben wolltest? Hast du da inzwischen eine Idee für?«
Emma konnte nicht verhindern, dass sie zögerte. Alle Blicke auf sich gerichtet kam sie sich auf einmal wie eine Labormaus in einem Labyrinth vor, die unter der wachsamen Beobachtung von gewaltig über ihr aufragenden Wissenschaftlern – fremden Lebewesen, die sich ihrem Verständnis völlig entzogen – schnellstmöglich einen Weg hinaus finden sollte. Einen Moment lang fühlte es sich sogar so an, als schlüge ihr Herz in dieser Frequenz, so rasend, dass die einzelnen Töne gar nicht mehr voneinander zu unterscheiden waren, doch beruhigte sie sich augenblicklich wieder. Es gab nur zwei Orte auf der Welt, an denen sie eine ohne jede Einschränkung herrschende Geborgenheit verspürte, zu Hause bei ihrer Mutter und hier, umgeben von ihren Freundinnen. Bei ihnen konnte sie ganz sie selbst sein, sie konnte über alles mit ihnen sprechen und sich immer auf sie verlassen.
Emma hatte keine Angst gehabt, Fantasma ihre Geschichten zu zeigen, weil sie ohnehin schon alles über sie wusste. Diese Werke, so unzureichend sie auch sein mochten, konnten ihr nichts bahnbrechend Neues über sie verraten; sie kannten einander einfach genau, außerdem waren sie sich unheimlich ähnlich. In vielem waren sie derselben Meinung und setzten sich für dieselben Ziele ein, aber galt das nicht ebenso für die anderen Mädchen in diesem Raum? Natürlich empfand sie zu Fantasma eine ganz besondere Bindung, immerhin liebte Emma sie mehr als sie je hätte glauben können, doch gab es hier niemanden, dem gegenüber sie sich nicht bedingungslos offenbart hätte. Auch sie waren alle in ihre Geheimnisse eingeweiht und standen immer zu ihr. Vor ihnen musste sie sich nicht verstellen, so viel war sicher. Sollten sie an ihrer Geschichte etwas auszusetzen haben, konnte kein Zweifel daran bestehen, dass es eben einfach nicht gut war. Auf ihr Urteil konnte sie sich verlassen, sie würden ehrlich zu ihr sein, ohne sie niederzumachen, und Emma wurde klar, dass sie genau diese Offenheit wollte.
Sie holte einmal tief Luft, dann sagte sie: »Tatsächlich … ist mir da was eingefallen.«
»Ach ja? Was denn?«, fragte Fantasma gespannt nach.
Aber noch bevor Emma antworten konnte, fuhr Emilia dazwischen: »Sollten wir das denn wirklich tun?«
»Also ich finde die Idee, ein Buch zu schreiben, eigentlich ganz gut«, meldete sich Isabelle zaghaft zu Wort.
»Das mein ich gar nich’«, winkte Emilia jedoch ab. »Ich meine … sollten wir anderen wirklich so unsere Meinung aufdrängen? Sollte nicht jeder frei entscheiden können, was er für richtig hält?«
»Natürlich«, räumte Fantasma ein, »aber daran hindern wir doch auch niemanden, oder? Wir schreiben doch niemandem etwas vor, wir zeigen den Menschen bloß, was sie damit anrichten, wenn sie andere ausgrenzen und überlassen ihnen dann selbst die Wahl.« Das war immerhin ein weiterer Grund, warum sie Bücher so sehr liebte, sie brachten einem die Gefühle ihrer Helden näher als jedes andere Medium es vermochte, und daraus ließen sich immer Bezüge zu einem selbst herstellen, waren es nun Gemeinsamkeiten oder das Gegenteil. Letztlich enthielten sie auf dieses Weise alle eine Art Wahrheit, die man sich allerdings erst erarbeiten musste. Sogar profunde Wahrheiten waren besser zu erkennen, wenn sie in eine Geschichte eingebettet waren. Wahrscheinlich las sie deshalb ständig diese Bücher, die sie nun einmal las: sie alle enthielten diese Weisheit verbunden mit dem Schicksal ihrer Protagonisten, die sie erst greifbar machten.
Vielleicht war Fantasma in dieser Beziehung aber auch voreingenommen. Bücher waren immer ihre größte Leidenschaft gewesen, da war es wohl kein Wunder, dass sie ihnen zusprach, alles vollbringen zu können, von der Heilung gebrochener Herzen bis zur Enthüllung der Mysterien des Lebens. Andererseits konnte sie einen Großteil dessen aus eigener Erfahrung bestätigen. Wann immer sie traurig war, las sie und fühlte sich augenblicklich besser, doch hatte diese Hingabe noch weitaus mehr Einfluss auf sie ausgeübt. Nicht einmal an ihrer ergebenen Zuneigung zu Emma war sie gänzlich unschuldig. Sie war dafür verantwortlich, dass Fantasma dieses auf den ersten Blick unscheinbare Mädchen zu bewundern angefangen hatte. Zwar hatte Emma auf sie sofort einen sympathischen Eindruck gemacht, doch erst als sie von ihrem Traum, Schriftstellerin zu werden erfahren hatte, war sie ihr vollkommen verfallen. Immerhin widmete sie sich ganz dem Erschaffen dessen, was sie beide so sehr in seinen Bann schlug, wie hätte Fantasma ihr da widerstehen sollen? Von da an waren ihr immer mehr anbetungswürdige Eigenschaften an ihr aufgefallen, und schon bald war Emma für sie nichts geringeres als ein Wunder.
Dennoch verstand sie Emilias Einwand. Nach deren Enthüllung, warum sie wirklich das Internat besuchte, hatte sie ihren neuen Freundinnen gegenüber eine umfassende Beichte abgelegt. Dass sie und Lilly von derselben Dämonin – Sinistra – abstammten, war ihr selbst erst kurz vorher klargeworden, nur hatte sie im Gegensatz zu ihrer Halbschwester ihre Erzeugerin im Grunde für ehrlich gehalten, unnachgiebig was das Durchsetzen ihres Willens betraf, aber gerecht. Wie sich herausstellte, war das falsch. Emilias Mutter hatte sie sich regelrecht als Sklavin gehalten. Für Sinistra war sie nichts weiter als ein Mittel zu dem Zweck gewesen, ein Kind zu zeugen, das sie nach ihren Vorstellungen erziehen konnte. Dass sie sich noch gelegentlich an ihr verging, um ihre Triebe an ihr zu stillen, hielt sie offenbar für angebracht, spielten sie ihrer Tochter doch die heile Welt einer sich liebenden Familie vor.
Das war eine Tortur, die ihre Mutter kaum hatte aushalten können, wie sie Emilia später in einem stillen Moment anvertraut hatte. Es war ihr schon schwer genug gefallen, den regelmäßigen Missbrauch über sich ergehen zu lassen, aber Emilia dann auch noch nach den Maßstäben aufwachsen zu sehen, die ihr aufgezwungen worden waren, machte es endgültig unerträglich. Zum Glück war Sinistra nicht oft bei ihnen zu Besuch. Ihr Amt als Königin des Reichs der Dämoninnen verlangte viel Aufmerksamkeit, doch wann immer sie da war, hatte sie Emilia erklärt, wie minderwertig Menschen waren, und wie überlegen im Vergleich zu ihnen ihre eigene Rasse war. Sie sollte stets vor ihnen auf der Hut sein, ihnen nicht vertrauen, denn das würde bloß bedeuten, von ihnen hintergangen zu werden, und dass es in der natürlichen Ordnung lag, dass die Starken über die Schwachen herrschten.
Sie war also das Opfer einer gezielten Indoktrination gewesen.Sie war nur ein Werkzeug gewesen, ihre Mutter hatte in ihr geradezu eine perfekte Agentin herangezüchtet: jemanden, der ihr treu ergeben war, der ihre eigenen Überzeugungen in sich aufgesogen hatte und den sie nun überall hinschicken konnte, um für sie zu spionieren. Denn genau das war Emilias Auftrag gewesen. Lilly hatte Sinistras Thronfolge übernehmen sollen, doch nachdem sie sich geweigert hatte, war ein Kampf zwischen ihnen entfacht, in dessen Verlauf das Herz der Königin sozusagen von einem Blitz geformt aus Finsternis durchbohrt wurde. Erst auf diese Weise, als Lillys Wut beinahe übermenschliche Züge angenommen hatte, hatte sie entdeckt, dass sie als Halbdämonin die Fähigkeiten dieses Zweigs ihrer Abstammung, die Schatten kontrollieren zu können, geerbt hatte – im Gegensatz zu Emilia, die von Sinistra von klein auf im Umgang mit ihrer Macht geschult worden war.
Nun ist es so, dass Dämonen, die im Reich der Menschen eigentlich tödlichen Verletzungen erliegen, nicht sterben, sondern nur ihre Gestalt nicht länger aufrecht erhalten können und zurück in ihre Welt, den Limbus, gezogen werden. Danach können sie erst wieder in andere Welten reisen, wenn sich ihre Kräfte weit genug erholt haben, was bei derart schwerwiegenden Läsionen eine ganze Weile in Anspruch nehmen konnte. Emilia hatte während dieser notgedrungenen Abwesenheit nun Lilly beobachten sollen. Sinistra hatte befürchtet, dass hier eine Verschwörung gegen sie im Gange sein könnte, doch stattdessen fand Emilia an dieser Schule zum ersten Mal Gleichgesinnte, die sie vorbehaltlos akzeptierten. Es war wie die Erlösung von einem verdrängten Schmerz gewesen, der sie aber dennoch unablässig gequält hatte, und die Vereinigung mit ihrer bis dahin unbekannten Schwester war ein Teil davon.
Insofern verstand Fantasma sogar, warum sie von diesem Plan nichts hielt. Sie war eben in einem Umfeld aufgewachsen, in dem ihr bewusst die Dinge verinnerlicht worden waren, von denen man wollte, dass die an sie glaubte. Sie wollte einfach nicht, dass anderen dasselbe widerfuhr wie ihr, dass ihr Denken nach dem Willen von jemand Fremdem geformt wurde, dass ihre Gefühle und Entscheidungen auf ein Ziel hin ausgerichtet wurden, das sie nicht selbst ausgesucht hatte. Fantasma erging es da kaum anders. Sie war gerade erst von einem Besuch bei ihren Eltern zurückgekehrt, sie hatte selbst kein Verlangen nach Dogmen mehr. Aber so waren nun einmal alle Eltern, ob Halbdämoninnen oder nicht, sie gaben unweigerlich das an ihre Kinder weiter, was sie als richtig erachteten. Es lag dann einzig im eigenen Ermessen, ob man diesem vorgegebenen Pfad folgte oder einen ganz anderen wählte.
Trotzdem gab es doch wohl einen Unterschied zwischen dem, was sie vorhatten und dem, wie Emilia behandelt worden war: »Außerdem wollen wir doch gar keine bestimmte Ideologie verbreiten. Wir schreiben den Leuten doch nicht vor, woran sie glauben sollen, an welchen Gott oder an welche moralischen Richtlinien. Wir wollen nur, dass sie niemanden dafür verurteilen, der nicht an dasselbe glaubt wie sie. Was soll daran schon falsch sein?«
»Nichts«, gab Emilia zu. Das entsprach immerhin genau ihren eigenen Ansichten, doch so ganz überzeugt war sie immer noch nicht. »Aber ist das nicht eine Art Missionierung? Versuchst du dann nicht, jeden zu bekehren, der eine andere Auffassung vertritt als du?«
Diese Bemerkung brachte Fantasma ins Grübeln. Es war wohl nicht abzustreiten, dass diese Vorwürfe ihre Berechtigung besaßen, auch wenn sie die Dinge naturgemäß ein wenig anders sah. Es mochte ja sein, dass sie eine gewisse Doktrin verfolgten, die zugegebenermaßen sogar einen Anspruch auf Allgemeingültigkeit stellte, doch war deren Inhalt für sie eine reine Selbstverständlichkeit, die jeder von sich aus beherzigen sollte.
»Na ja, wenn du das so ausdrücken willst, kann ich nicht viel dagegen sagen«, stimmte sie widerstrebend zu, »aber ich meine, wir verlangen doch nichts von den Leuten, was nicht absolut notwendig wäre. Wir verbieten doch niemandem, etwas bestimmtes zu essen oder sich in jemanden zu verlieben. Im Gegenteil. Es ist doch egal, ob man auf Männer oder Frauen steht oder auf welche Weise man es miteinander tut, Hauptsache, alle Beteiligten sind glücklich. An sich bestehen wir doch nur auf die Einhaltung der Menschenrechte. Es sollten sich einfach alle gegenseitig respektieren und Rücksicht aufeinander nehmen. Alles andere ist uns egal. Das kann doch nicht so schwer sein, oder?«
Sie seufzte leise, bevor sie in einem melancholischeren Ton fortfuhr. »Wenn das Bestandteil von Religionen wäre, hätte ich viel weniger Schwierigkeiten mit meinen Eltern. Letztendlich läuft es doch darauf hinaus, dass alle Religionen immer denken, sie wären unfehlbar. Es reicht nicht, dass du an einen Gott glaubst, sondern musst auch eine ganze Reihe weiterer Dinge hinnehmen, die sie für unumstößlich halten und die ganzen Vorschriften, die daraus resultieren. Du kannst nicht einfach sagen, dass dir das an sich gefällt, aber es etwas übertrieben findest, dass Jesus übers Wasser gelaufen sein soll. Wenn du Christin sein willst, musst du glauben, dass Jesus Gottes Sohn war, und warum soll er dann nicht über einen See gelaufen sein soll’n? Und wenn die Gebote von Gott diktiert wurden, kannst du sie nicht einfach missachten, aber das bedeutet auch, dass du mit jeder Person, mit der du Sex hast, gleich eine lebenslange Bindung eingehen musst. Außerdem liefern sie gleich eine Antiaustrittsklausel mit, schließlich darfst du keine anderen Götter neben ihm haben, also hält man sich am besten fern von allem, was vielleicht ›ketzerisch‹ ist.«
Noch einmal hielt Fantasma kurz inne und sammelte sich. Ihr war klar, dass sie sich wie eine erbitterte Kämpferin anhörte, die sich gegen alles Sakrale aussprach, obwohl das gar nicht stimmte. Sie war doch selbst der Ansicht, dass eine höhere Macht existierte, aber waren die Umstände der Kindheit nun einmal das, was einen am meisten prägte, und da sie in einem sehr konservativen Umfeld aufgewachsen war, hatte sich vieles in ihr aufgestaut, das sich nun Bahn brach, ohne dass sie es hätte aufhalten können. Ihre Rückkehr nach Hause hatte das nur wieder an die Oberfläche ihres Bewusstseins gespült, und Emilias Einwände wirkten da wohl als Katalysator, der das alles aus ihr hervorsprudeln ließ. Es fühlte sich auch gut an, endlich darüber zu reden. Erst jetzt merkte sie, wie sehr diese unterschwelligen Emotionen in ihr gelodert hatten, wie ein schwelendes Feuer, das nur darauf gewartet hatte, in ein unentrinnbares Flammenmeer auszubrechen. Sich ihren Freundinnen zu öffnen, linderte das Brennen in ihr, als würde es die glimmenden Funken löschen und so ließ sie es auch weiterhin zu.
»Ich denke, viele Menschen nehmen das ganze einfach viel zu ernst«, führte sie aus. »Die sind der Meinung, dass alle anderen unbedingt an dasselbe glauben müssen wie sie. Keine Ahnung, was denen das bringen soll. Wahrscheinlich meinen sie, dass sonst die Welt den Bach runter geht und halten das für einen persönlichen Auftrag Gottes oder so. Die haben doch alle irgendeinen Komplex, wenn ihr mich fragt. Aber bei uns ist das ja auch was anderes. Eigentlich bieten wir alle Vorteile der Religion ohne die Nachteile. Wir haben einfach eine Gemeinschaft gegründet, weil wir alle dieselben Moralvorstellungen teilen und uns nahe fühlen. Jetzt bieten wir eben jedem, dem es ähnlich geht, die Möglichkeit, sich uns anzuschließen. Ohne weitere Verpflichtungen. Damit schaden wir doch niemandem. Im besten Fall haben wir am Ende eine Gesellschaft, in der alle Verständnis füreinander haben, in der niemand diskriminiert wird und alle gleichgestellt sind.«
»Genau wie beim Tribalismus«, nickte Isabelle. »Das ist eine ganz natürliche Neigung des Menschen.«
»Genau«, bestätigte Fantasma, obwohl sie nicht wirklich wusste, was Tribalismus war, aber sie hatte die Erfahrung gemacht, dass wenn Isabelle den Mund aufmachte – was selten genug vorkam – sie die Wahrheit sagte. »Also«, fixierte sie mit scharfem Blick wieder Emilia, »bist du damit zufrieden? Können wir dann endlich weitermachen?«
»Schon gut«, sagte Emilia wie beiläufig, »ich wollte dich ja gar nicht abhalten, ich habe nur ein paar unbedeutende Zweifel geäußert.«
»Schön. Ich hoffe, wir konnten sie damit zerstreuen.« In der sicheren Annahme, das geschafft zu haben, wandte Fantasma sich wieder Emma zu. »Gut, welche Idee hattest du denn jetzt für die Geschichte?«
»Tja«, begann ihre Freundin von neuem, während sie nervös auf ihrem Hintern umherrutschte, »genau genommen ist es gar nicht meine Idee. Als ich bei meinen Eltern war, habe ich Melanie besucht, eine alte Klassenkameradin von mir, die ich lange nicht mehr gesehen habe, und die hat mir etwas erzählt. Seit Anfang des Schuljahres geht ein neues Mädchen in ihre Klasse, Theresa, und … na ja, Melanie sagt, diese Theresa wäre verhext worden.«
»Verhext?«, warf Isabelle zweifelnd ein. »Von einer Hexe?«
Verlegen hüstelte Emma. »Äh … ja.«
»Von wem auch sonst?«, fragte Fantasma mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Aber … findet ihr das nicht auch ein bisschen unwahrscheinlich?«, gab Isabelle zu bedenken.
»Sagt die Dämonin, die gerade lernt, wie man Schatten kontrolliert«, erwiderte Fantasma schulterzuckend. »Aber selbst wenn es gelogen ist, was macht das schon für einen Unterschied? Wir wollen doch nur eine Geschichte erzählen, die muss doch nicht unbedingt wahr sein, oder? Du kannst doch nicht von jedem Roman erwarten, dass er wissenschaftliche Standarde erfüllt.«
»Kein Wunder, dass du das sagst«, merkte Emma mit einem verspielten Lächeln auf den Lippen an, während Isabelle leise etwas davon vor sich hinmurmelte, dass das nicht der korrekt gebildete Plural des Wortes ›Standard‹ war. »Wann hast du denn das letzte Mal ein Buch gelesen, das keine phantastischen Elemente beinhaltet?«
»Hm …«, überlegte Fantasma, »das war wohl dieser Krimi von Dashiell Hammett, den du mir aufgedrängt hast.«
»Aufgedrängt? Wieso das denn, hat er dir etwa nicht gefallen?«
»Doch, das schon. Aber vielleicht lag das auch nur daran, dass er trotzdem nicht besonders realistisch war auch wenn nichts Übersinnliches vorkam.« Sie gestattete sich ein leises Lachen, in der sicheren Gewissheit, dass Emma genau wusste, wie sie das meinte und es ihr nicht übel nehmen würde. »So, jetzt aber genug davon«, winkte sie dann jedoch schnell ab, bevor die Sache überhandnehmen konnte. »Erzähl lieber weiter.«
Ebenso unvermittelt wieder ernst werdend nickte Emma stumm. Grundsätzlich betrachtete sie alles mit Humor, doch was ihre Geschichten anbetraf, ging sie eher mit einer Art grimmiger Entschlossenheit vor. »Also, es soll wohl so gewesen sein, dass eigentlich Daria, Theresas beste Freundin, von einer Hexe in ihrem Alter verflucht wurde, weil sie ihr gegenüber immer so überheblich war. Sie … sie hat ihr einen Penis angehext, und das hat Daria verständlicherweise ziemlich aus der Bahn geworfen. Letztendlich hat das dazu geführt, dass sie sogar kurzzeitig von zu Hause ausgerissen ist und ein neues Leben beginnen wollte, aber irgendwie ist sie bei dieser Hexe gelandet und hat erkannt, dass sie sich schon lange in sie verliebt hatte, ohne … ohne dass sie diese unbekannten Gefühle an sich hätte zulassen können, versteht ihr?«
»Aha«, machte Fantasma in einer Mischung aus Interesse und unüberhörbarer Skepsis, »und diese Theresa soll dann die Hauptfigur werden?«
»Äh, nein, ich dachte, es wäre das Beste, Daria zu unserer Protagonistin zu machen. Weißt du, wir wollten ja den Menschen zeigen, wie es ist, ausgeschlossen zu werden, und ich finde, da eignet Daria sich besonders zu. Sie ist ja zuerst selbst so oberflächlich, so gedankenlos, sie unterdrückt jeden, der nicht in ihr Weltbild passt, dann aber muss sie feststellen, genau so geworden zu sein, wovor sie sich immer gefürchtet hatte: anders zu sein als die anderen und überwindet so ihre Vorurteile.«
Mit plötzlich entfachtem Enthusiasmus leuchteten Fantasmas Augen auf. »Ah ja, das ist gut! Dass sie einen Zipfel bekommt, ist sogar eine passende Allegorie zu uns Halbdämoninnen, und dass eine Hexe vorkommt, macht es noch besser. Als mythologische Figur verweist sie auch auf uns und macht uns vielleicht ein bisschen … glaubwürdiger.«
»Aber ist die Hexe nicht die Antagonistin der Geschichte?«, fragte Emilia. »Lässt sie uns damit nicht viel eher schlecht aussehen?«
»Nein, nein«, verteidigte Emma ihr Handlungskonstrukt, »der Antagonist muss ja nicht immer eine Person sein. In diesem Fall sind es eindeutig Darias eigenen Vorbehalte, die sie daran hindern, sich ihre Liebe einzugestehen. Die Hexe leidet doch ebenso unter dieser regressiven Einstellung, die Daria vertritt. Sie ist mehr die zweite Hauptperson.«
»Oh, wie subversiv«, meinte Emilia mit einer Stimme, die vor Sarkasmus nur so troff, wurde aber komplett ignoriert.
»Das gefällt mir!«, rief Fantasma stattdessen. »Zwei Mädchen, die sich trotz aller Hindernisse ineinander verlieben und am Ende zusammenkommen. Das ist ja so romantisch! Wann kannst du anfangen zu schreiben?«
»Na ja, eigentlich hab ich schon angefangen zu schreiben. Ich hatte in den Ferien ja genug Zeit dazu.« Noch immer ein wenig verunsichert stand Emma auf, ging zu ihrer Reisetasche hinüber, die sie vor dem Schrank auf dem Boden hatte stehen lassen, und entnahm ihr einen Stapel Papiere. Es waren sieben ordentlich zusammengeheftete Ausgaben ihres Manuskripts. »Weit bin ich aber noch nicht gekommen«, entschuldigte sie sich vorsichtshalber schon einmal, während sie die Entwürfe verteilte, an jedes Mitglied ihres Clubs ein Exemplar.Neugierig besah Fantasma sich das Ergebnis von Emmas Bemühungen. »Schreibst du nicht mehr handschriftlich?«, fragte sie dann nach.
»Äh, doch, aber der Einfachheit halber hab ich den Anfang schon mal abgetippt und für jeden ausgedruckt, damit ihr euch selbst ein Bild davon machen könnt, und euch überlegen könnt, ob ihr damit einverstanden seid.«
Fast ohne es zu bemerken gab Fantasma ein nachdenkliches Geräusch von sich. Am liebsten hätte sie die Geschichte jetzt sofort verschlungen, sie den anderen voller Stolz laut vorgetragen, aber sie wusste, dass es Emma unangenehm gewesen wäre, und niemals hätte sie etwas gegen deren Willen getan. »Okay, dann schlag ich vor, dass wir alle bis zu unserem nächsten Treffen das Manuskript so weit lesen und uns danach näher damit befassen.« Mit einem leisen Seufzen, in dem ihr Bedauern unverkennbar mitschwang, zwang sie sich dazu, die Blätter beiseite zu legen. Unter dezentem Gemurmel der Zustimmung taten ihre Clubkameradinnen es ihr gleich.
Nachdem das somit beschlossen war, wurde es still in dem Raum. Alle warteten darauf, dass ihre Clubpräsidentin verkündete, was als nächstes anstand, nur gab es da nichts weiter. Sie hatten schon alle Angelegenheiten besprochen, doch wollte Fantasma ihre Versammlung auch noch nicht auflösen. Es war so schön, endlich ihre Freundinnen wiederzusehen und sich mit ihnen auszutauschen, also durchkramte sie zwanghaft ihr Gedächtnis nach irgendeinem Thema, mit dem sie sich noch beschäftigen konnten. Tatsächlich fiel ihr nach kurzem Überlegen auch etwas ein. Einige Tage bevor sie wieder zurück ins Internat hatte fahren müssen, waren ihr noch einmal ihre ganzen Erlebnisse hier durch den Kopf gegangen. Dabei hatte sie ein Detail entdeckt, das sie in diesem eng verbundenen Beisammensein gerne näher erörtern würde.
»Wisst ihr eigentlich, was mir letztens aufgefallen ist?«, fragte sie, wobei sie ihre wie von einem dunklen Schimmer erhellten Augen über die Anwesenden schweifen ließ, bis sie mit unvermittelter Vehemenz an Emilia hängen blieben. »Dass du noch Jungfrau bist!«, führte sie ihre Hypophora auch gleich zu Ende.
Emilia traf diese Behauptung so unerwartet, dass sie kein solches rhetorisches Stilmittel zustande brachte. »Wie bitte?«, gelang es ihr nur fassungslos hervorzubringen. »Ich möchte ja jetzt nicht komisch klingen, aber … ich hab ausnahmslos alle in diesem Zimmer schon flachgelegt – dich übrigens eingeschlossen.«
»Äh, ja, das wollte ich gar nicht anzweifeln. Was sich meinte, war … dich hat noch niemand flachgelegt.«
»Ach so«, dämmerte es Emilia. Das stimmte natürlich. Bei all den Ausschweifungen, die im Rahmen ihres Clubs stattgefunden hatten, hatte sie sich zwar bereits in sämtlichen Körperöffnungen dessen Mitglieder vergnügt, doch war es aus irgendeinem Grund nie dazu gekommen, dass sich jemand in ihr erleichtert hätte. Nun, ganz richtig war das nicht, sie hatte schon der einen oder anderen ihrer Freundinnen einen geblasen und sich dabei auch von ihnen in den Mund spritzen lassen, aber obwohl sie sich dem gar nicht verweigert hätte, hatte keine von ihnen bislang Einlass in Emilias Scheide gefunden. Was allerdings wiederum nicht hieß, dass sie noch Jungfrau gewesen wäre.
»Ich verstehe«, sagte sie grinsend, »aber du kommst trotzdem zu spät, wenn du vorhattest, mir jetzt die Unschuld zu nehmen oder so.«
»Was?«, war es nun an Fantasma, die Fassung zu verlieren. »Aber wer soll das denn gewesen sein? Wir waren es nicht und deine Freundin ja wohl ebenso wenig.«
Dieses Nachhaken brachte Emilia in eine Situation, aus der sie sich nicht mehr herausreden konnte. Maria als einziger Mensch unter ihnen konnte es nicht gewesen sein, und das war etwas, das sie nicht einmal ihr anvertraut hatte, dem Mädchen, das all ihre Liebe galt. Es war ihr einfach peinlich.
»Das … ist eine lange Geschichte«, versuchte sie, das Unvermeidliche doch noch abzuwenden.
»Och«, sagte Maria gelassen, »keine Sorge, wir haben Zeit.«
Damit blieb Emilia natürlich erst recht keine andere Wahl mehr als mit der Wahrheit herauszurücken. Es war nur verständlich, dass Maria nach solch einer Offenbarung wissen wollte, wie es dazu gekommen war, und Emilia hätte es nie übers Herz gebracht, sie jetzt darüber im Unklaren zu lassen.
»Na ja«, sagte sie kaum hörbar, »das war ich selbst.«
»Nee, nee«, widersprach Fantasma, »Spielzeuge zählen nicht. Und so was wie Überdehnung beim Sport auch nicht. Wenn du noch nie ein echtes Teil unten bei dir drin hattest, bist du für mich eine Jungfrau.«
»Das meinte ich ja auch«, sagte Emilia, den Boden vor sich betrachtend. »Es … es war eben mein eigenes Teil.«
»Du hast dich selbst gefickt?«, vergewisserte Maria sich, ihre Erklärung richtig ausgelegt zu haben.
»Ähm … ja«, gestand Emilia dieses Abenteuer, zu dem sie sich hatte hinreißen lassen. Früher wäre es ihr nie in den Sinn gekommen, etwas derart Persönliches zu enthüllen, nicht einmal wenn sie wie jetzt das Gefühl hatte, jemandem bedingungslos vertrauen zu können. Dazu war sie zu oft enttäuscht worden. Sie war nie wirklich akzeptiert worden; selbst Menschen, die sie für Freundinnen gehalten hatte, hatten sich früher oder später von ihr abgewandt und letztlich hatte sich sogar ihre dämonische Mutter als verabscheuungswürdiges Miststück herausgestellt. Doch auf die Mitglieder des Clubs konnte sie sich verlassen, das war ihr inzwischen zweifelsfrei klargeworden. Sie hatten all ihre Verfehlungen und ihre dunkelsten Geheimnisse aufgedeckt, sie hatten einen Blick in die Abgründe ihrer Seele werfen können, dennoch hatten sie zu ihr gehalten.
Vor allem aber ihre Beziehung zu Maria gab ihr die Kraft dazu. In ihr hatte sie einen Halt gefunden, den sie für immer verloren geglaubt hatte.
»Aus Neugier?«, erkundigte sich in diesem Moment ihre feste Freundin. Es lag kein Vorwurf in ihrer Stimme, einzig die hingebungsvolle Anteilnahme, mit der man seine Liebsten nun einmal bedachte. Etwas anderes war bei der Konstellation ihres Verhältnisses auch gar nicht zu erwarten gewesen. Eifersucht spielte zwischen ihnen keine Rolle, das hatten sie schon beschlossen, als zusammengekommen waren. Schon die Bedingungen, unter denen sie ihre Empfindungen füreinander entdeckt hatten, hatten sie unausweichlich auf diesen Weg geführt. Emilia war mit dem Club, bei dem sie mehr aus reinem Zufall als Gründungsmitglied fungierte, immer tiefer in einen Strudel der verruchtesten Freuden geraten, während Maria sich ihnen allen anonym erboten hatte, ihnen durch ein Loch in der Kabinenwand der Schultoiletten einen zu blasen, nachdem sie sich bereits unter den Jugendlichen des nahegelegenen Dorfes einen Namen als leichtes Mädchen gemacht hatte.
Sie hatten also beide schnell herausgefunden, wie viel Spaß Sex machte, und hatten sich darauf geeinigt, dass einen nur ein nicht unerheblicher Teil davon entging, wenn man sich den Beschränkungen des allgemein anerkannten Wertekanons unterwarf. Für sie zählte es nicht, wenn sie es auch mal mit jemand anderem taten, das Einzige von Belang war ihre unendliche Liebe zueinander. Die würde niemals vergehen, und so gestanden sie es sich auch zu, ihre abwegigsten Phantasien auszuleben. Wenn man sich wahrhaft liebte, musste man sich eben seine Freiräume lassen, und solange sie sich nichts verheimlichten, sondern ganz offen miteinander umgingen, waren sie mit jeder Eskapade der anderen einverstanden, so abstrus sie auch sein mochte. Maria durfte weiterhin ihr Gloryhole für sämtliche Schülerinnen betreiben, die es nutzen wollten, und Emilia erging sich hin und wieder an den Vorzügen ihrer anderen Freundinnen, wenn sich die Gelegenheit dazu ergab.
Ohnehin war es den beiden am liebsten, wenn sie sich gemeinsam in ihre Leidenschaften stürzen konnten, und so hatte sich eine gewisse Vorliebe zwischen ihnen entwickelt. Seit langem war es Marias größter Traum gewesen, von so vielen Typen wie möglich gleichzeitig bestiegen zu werden, dass ihr unzählige Schwänze entgegengestreckt wurden, die sich hemmungslos in jede ihrer Körperöffnungen drängten, und aus irgendeinem Grund gefiel Emilia die Vorstellung, nur eine von vielen zu sein, die sich ihrer festen Freundin annahmen. Der freigeistige Club, dem sie beide angehörten, war in dieser Hinsicht natürlich mehr als bereit, ihnen hilfreich zur Seite zu stehen, sodass es am Ende ihrer Zusammenkünfte oft zur Erfüllung dieses Wunsches kam. Dann war Maria schwer beschäftigt, den ganzen Halbdämoninnen nachzukommen, die von ihr bedient werden wollten, und zum Schluss war sie förmlich getaucht in Sperma, das in und auf ihr verteilt worden war.
Demnach war es kein Versuch, das Ausmaß ihrer Abnormität zu verhüllen, sondern schlicht die Wahrheit, als Emilia antwortete: »Nein, eigentlich nur aus Zufall. Na ja, wenigstens zuerst, später war es wohl schon vor allem Neugier.« Sie holte einmal tief Luft, wie um sich selbst Mut zu machen, dann erzählte sie, wie sich diese Geschichte zugetragen hatte: Es war passiert, noch bevor sie auf das Internat gekommen war und die anderen überhaupt kennengelernt hatte. Eines Abends hatte sie in ihrem Bett gelegen und ihren Schwanz masturbiert, wie sie es so häufig getan hatte, als sie plötzlich eine merkwürdige Berührung an ihrer Scheide spürte. Verwundert hatte sie an sich hinabgeblickt und festgestellt, dass es ihr eigener Penis war, der sich in einem Bogen herabgestreckt hatte und nun tastend über ihre Schamlippen hinwegstrich.
Ihren Clubkameradinnen musste sie das nicht näher erläutern, die waren mit den absonderlichen Eigenheiten ihres Geschlechts immerhin zur Genüge vertraut. Sie wussten, dass es ein langes, tentakelähnliches Ding war, das sich wie von selbst bewegte, sobald Emilia erregt war. Dagegen konnte sie sich nicht wehren, es auch nur zu beeinflussen verlangte ihr schon ein Höchstmaß an Konzentration ab. So war es eben dazu gekommen, dass sie in ihrer Lust gar nicht bemerkt hatte, wie ihr Schwanz in der Luft hierhin und dorthin gezuckt war – das tat er nun einmal immer – und wie er sich schließlich auf ihr zweites Geschlecht gelegt hatte. Sie hatte ihn in der Mitte seiner beeindruckenden Länge massiert, sodass seine konisch zulaufende Spitze auf der Suche nach weiterer Zuwendung sich selbstständig gemacht hatte und so auf diese verlockende Spalte gestoßen war.
Bis hierhin war es also wirklich reiner Zufall gewesen, doch kam an dieser Stelle der Faktor ihrer unbändigen Neugier zum Tragen. Sie hätte ihren übermütigen Penis einfach zurückziehen können und die ganze Sache wäre niemals so eskaliert. Aber das tat sie nicht. Stattdessen beobachtete sie reglos, wie die schmale Eichel sich langsam in sie drängte, sich immer weiter vorschob und sie zuletzt so zwanglos durchnahm, als wäre es ein völlig fremdes Körperteil, das Loch irgendeines Flittchens, in dem er sich ohne Bedenken ergießen konnte. Das war halt die Zeit, in der sie ihre Sexualität entdeckte. Sie war schon immer äußerst experimentierfreudig gewesen, und als sich ihr nun diese Gelegenheit aufgetan hatte, hatte sie gar nicht anders gekonnt, als es geschehen zu lassen. Sie hatte erfahren wollen, wie es war, jemanden zu nageln, ebenso wie genagelt zu werden. Hier hatte sie beides auf einmal herausfinden können, wie hätte sie dem widerstehen sollen?
Als Emilia zu Ende erzählt hatte, war ihr Gesicht tiefrot, während die anderen sie gebannt anstarrten. Offenbar faszinierte sie der Gedanke, dass ihre von einem so würdevollen Auftreten beherrschte Mitschülerin es sich selbst besorgt hatte.
Maria fand als Erste ihre Sprache wieder. »Und wie war es so?«, fragte sie beinahe hauchend, so intim war die Atmosphäre dieser Beichte gewesen.
Emilia war noch immer so von dem Gefühl ergriffen, dieses unsagbar schmutzige Geheimnis über sich preisgegeben zu haben, dass es ihr schwerfiel, ihrer Freundin in die Augen zu sehen, so freigiebig sie in ihren Begierden auch waren. Sie sah nur scheu mit gesenktem Kopf in die ungefähre Richtung, in der Maria saß, zuckte kaum merklich mit den Schultern und antwortete ebenso leise: »Schön.«
Es lag in Fantasmas Naturell, dass sie es war, die diese andächtige Stimmung brach. »Dir ist aber schon klar, dass wir das jetzt alle sehn woll’n, oder?«, rief sie ohne jede Rücksicht auf die sonst allgegenwärtige Stille.
»Wozu?«, fragte Emilia. »Wir haben doch alle schon Aufregenderes gesehen und gemacht, warum willst du dann jetzt zugucken, wie sich jemand einen runterholt?«
»Na ja, das ist doch schon eine ungewöhnliche Art, sich einen runterzuholen, oder nicht? Außerdem hast du zumindest mich neugierig gemacht. Wenn ich so was höre, woran ich noch nie gedacht habe, will ich das auch sehen. Und ich selbst wäre dazu ja wohl nicht in der Lage – genau genommen keiner außer dir. Okay, wenn ich so darüber nachdenke, schaffen es doch ziemlich viele Leute, sich selbst zu ficken, aber die brauchen dazu soziale Medien. Aber wenn dir das lieber ist, stimmen wir doch einfach darüber ab.« Fragend blickte sie die im Kreis sitzenden Mädchen an. »Also, wer möchte sehen, wie Mia sich ihr Ding reinschiebt?«
Fantasmas eigene Hand, Isabelles und Emmas schossen sofort in die Höhe, die der Zwillinge folgten kurz darauf und schließlich hob sich auch Marias verstohlen empor. Mit hochgezogenen Augenbrauen sah Emilia zu ihr hinüber.
Entschuldigend lächelte Maria sie an. »Tut mir leid, aber Fantasma hat recht. Das muss ich sehen.«
Unschlüssig legte Emilia den Kopf schief. Diese Rechtfertigung konnte sie sogar nachvollziehen. Wenn es Maria gewesen wäre, die ein solch ausgefallenes Talent besaß, hätte sie auch alles getan, um ihr bei dessen Ausübung zusehen zu dürfen. Auch deswegen war sie wohl so gern ein Mitglied der Gruppe, wenn Maria sich mal wieder ihrem gesamten Freundeskreis hingab; selbst wenn sie ihre Befriedigung woanders suchte, wollte Emilia immer ein Teil ihres Lebens sein, sie wollte jede ihrer Erfahrungen nachverfolgen, erleben, was sie erlebte, und sich von dem erzählen lassen, was sie verpasst hatte.
Zudem schien es ihr ganz dem Anlass zu entsprechen, ihren Freundinnen diese kleine Vorführung ihrer speziellen Masturbationstechnik zu gewähren. Inzwischen endete längst nicht mehr jede ihrer Versammlungen in einer ausufernden Orgie, doch heute kam es ihr nur angemessen vor. Immerhin war dies eine Art Wiedersehensfeier, nachdem sie die Ferien über getrennt gewesen waren, da war ein gewisses Unterhaltungsprogramm wohl nicht verkehrt, und dass sie dessen Mittelpunkt bilden sollte, klang nur fair. Sie war so oft in den Genuss der Aufopferungsbereitschaft ihrer Clubkameradinnen gekommen, dass es nun an ihr war, ihnen ihre Aufwartung zukommen zu lassen.
»Okay«, sagte Emilia letztendlich, »wenn euch das so viel bedeutet, mach ich’s eben.«
Trotzdem waren ihre Bewegungen nur sehr zögerlich, als sie sich nun langsam zurücksinken ließ, bis sie auf dem Rücken lag. Es war ihr immer unangenehm in den Vordergrund gerückt zu werden, sogar gelobt zu werden, war ihr ein wenig peinlich, wenn das in aller Öffentlichkeit geschah, doch vor der halben Klassenbelegschaft dieser Perversion nachzugehen, war keine Vorstellung, die ihr besonders behagte. Auch wenn sie wusste, dass die sich vorbehaltlos auf die Verschwiegenheit und das Verständnis ihrer Freundinnen verlassen konnte, war die Angst vor Zurückweisung etwas, das sich unauslöschlich in ihre Seele gebrannt hatte. Zu oft war ihr Vertrauen missbraucht worden, als dass sie Situationen wie diesen unbefangen hätte entgegensehen können.
Dennoch zwang sie sich dazu, den Saum ihres Rocks zu heben, und sie wertete es schon als Erfolg, dass ihre Finger dabei nicht zitterten. Emilia hatte ihre Vorliebe für weiße Kleider nicht abgelegt. Natürlich war es ihr auch unmöglich, Hosen zu tragen. Zwar war ihr Schwanz deutlich kleiner, solange sie nicht geil war, aber auch dann war er zu groß, um in solch beengten Verhältnissen unbemerkt verstaut werden zu können. Er hätte in ihrem Schritt einen unübersehbaren Wulst entstehen lassen, der schwer zu erklären gewesen wäre, wollte sie ihren Mitmenschen nicht weismachen, dass es völlig normal war, seine Habseligkeiten auf diese Weise mit sich herumzutragen. Obwohl Maria ihr immer wieder einzureden versuchte, dass sie in so ziemlich allem einfach umwerfend aussah und Emilia ihrem Gespür für Mode durchaus Glauben schenkte, hielt sie das bloß für eine Auswirkung der Liebe, die sie füreinander empfanden. Maria war ihr eben zugetan, was sollte sie da schon anderes behaupten? Emilia jedoch war nicht erst seit Fantasmas Hinweis diesbezüglich klar, dass sie mit ihrer ungewöhnlich blassen Haut und dem farblosen Haar wie jemand wirkte, der an Albinismus litt, und da blieb sie dabei, dass ihr Kleidung mit kräftigen Tönen nicht stand.
Sie entschied sich dazu, das Kleid anzubehalten und es nur bis über die Hüften hochzuziehen. Das war für ihre Zwecke vollkommen ausreichend, sie verfügte ohnehin über keine nennenswerten Rundungen, die sie hätte zur Schau stellen können. Damit brauchte sie nur noch ihren Slip auszuziehen, und schon wäre sie bereit für die kleine Vorführung, die ihr angedacht worden war – zumindest so bereit, wie es eben ging. Sie wusste, wenn sie noch viel länger wartete, würden ihr nur neuerliche Zweifel an ihrem Tun kommen, also hakte sie die Daumen unter den Bund ihres Höschens, hob ihren Hintern ein wenig an, um es hinabzuzerren, und streifte es sich von den Füßen, indem sie die Beine angewinkelt dicht vor sich absetzte.
So lag sie nun da, flach auf dem Boden ihres Zimmers, das weiß schimmernde Haar um ihren Kopf ausgebreitet wie die Korona auf einer mittelalterlichen Ikonographie, allerdings verhinderten ihre gespreizten Beine mit der entblößten Scham, dass sie den Eindruck einer Heiligen erweckte. Obwohl sie sich der aufmerksamen Blicke der anderen vollauf bewusst war, spürte sie überraschend schnell, wie Wärme in ihren Unterleib strömte. Ihre Wangen brannten und es war, als würde diese flüssige Glut nun weiter in ihr hinabrinnen, doch war das erheblich angenehmer als diese nicht zu unterdrückende Befürchtung, sich lächerlich zu machen, die sie hatte erröten lassen. Erfüllt von dieser Hitze begann ihr Schwanz allmählich zu erwachen.
Er war so lang, dass er sogar im schlaffen Zustand ein ganzes Stück ihren Oberschenkel hinabreichte. Dort hatte er sanft auf ihr gelegen, ein wenig feucht, als wäre er in Honig getaucht. Fast schien er an ihrer Haut zu kleben und es bildeten sich Fäden einer durchsichtigen, schmierigen Substanz, als er sich schwerfällig erhob. Isabelle hatte in ausgiebigen Studien unter vollem Körpereinsatz herausgefunden, dass es sich dabei um ein natürliches Gleitmittel handelte, das er absonderte, sobald sich in Emilia auch nur ein Hauch Wollust ausbreitete. Offenbar hatte dieser Vorschlag, sich vor Publikum selbst zu nageln, sie mehr angemacht, als sie sich einzugestehen bereit war.
Doch auch wenn dem so war, hätte sie es um nichts in der Welt geschafft, ihre versammelten Mitschülerinnen in diesem Moment anzusehen; da blickte sie lieber an sich herab und beobachtete ihren Penis, der sich immer weiter vorantastete. Entgegen ihrer sonst so fahlen Erscheinung war er von einer leuchtend lila-grünlichen Färbung, mit der er noch mehr wie eine Schlange wirkte, die zischelnd ihre Umgebung erkundete. Dabei wurde er zusehends dicker und länger; er schwoll an wie ein Blutegel, der sich vollsaugt, während seine Spitze rastlos umherwanderte. Mit einem Geräusch als würde man in eine Schlammpfütze treten schlug er patschend um sich, wobei er bis zu ihrem Knie gelangte, als er endlich zu seiner vollen Größe angewachsen war.
Das nahm Emilia zum Zeichen, ihre angekündigte Darbietung beginnen zu lassen. Sie sammelte alle ihr zur Verfügung stehende Kraft, um ihren Schwanz dazu zu bringen, sich zu ihrem Schoß zurückzubiegen. Bereits diese simple Einflussnahme benötigte ihre volle Konzentration, doch hätte sie das eigentlich gar nicht zu tun brauchen. Obwohl er mit diesem nicht nachlassenden Umherpeitschen nach einer fremden Körperöffnung suchte, in der er sich ergehen konnte, nahm er letztlich doch auch immer mit der eigenen Vorlieb, wie Emilia im Verlauf ihrer fortschreitenden Masturbationserlebnisse entdeckt hatte. Wenn die Eichel – falls man das sich immer weiter verdünnende Ende des Schlauchs denn so nennen wollte – keine unmittelbare Stimulation erfuhr, versuchte sie eben, irgendeine Möglichkeit zu finden, das zu bekommen, wonach sie sich sehnte, eine einladende Höhlung, in die sie kriechen konnte, oder wenigstens ein samtenes Fleckchen warmer Haut, an das sie sich schmiegen konnte, und früher oder später geriet sie dabei unausweichlich an die schmale Spalte, die ihr immer offenstand und ihr alles bot, nach dem es ihr verlangte.
Unter Emilias sanfter geistiger Leitung geschah das nur etwas schneller. Vielleicht war dieser Gedanke bloße Selbsttäuschung, aber dass sich ihr Penis auch ohne ihr Zutun auf diese Weise befriedigt hätte, gab ihr ein Gefühl der Legitimität. Welches Fehlverhalten wäre ihr schon anzulasten, wenn ihr Körper ganz willkürlich handelte? Dementsprechend wurde sie ihrer Sache nun ein wenig sicherer, trotzdem konnte sie ein Schaudern nicht unterdrücken, als der zuckende Schwanz mit einem Mal ihren Schlitz berührte. Er war so glitschig, das es war, als würde der Fangarm eines Tintenfisches ihr in den Schritt greifen, dem er ja auch zum Verwechseln ähnlich sah. Das war jedoch nicht allein dem Lubrikat geschuldet, das er aus jeder Pore über seine gesamte beeindruckenden Länge hinweg absonderte, sondern auch dem zusätzlichen Sekret, das mittlerweile unentwegt aus dem winzigen Loch an seiner Spitze troff. Emilia konnte genau sehen, wie der Vorsamen daraus hervorquoll, in wahrnehmbaren Spritzern auf ihrem Venushügel landete und von den unmöglich zu verhindernden Bewegungen, die er vollführte, dort überall verteilt wurde. Auch ihre Scheide glänzte bereits vor Nässe; das sanfte Streicheln über sie hinweg war eine Verheißung, der sie sich nicht entziehen konnte.
Unter diesen Voraussetzungen war es nur eine Frage der Zeit, bis ihr Penis in sie eindringen würde, selbst wenn er nicht verzweifelt nach einer Mulde geforscht hätte, die ihn bereitwillig aufnehmen würde. Er strich nur einige Male orientierungslos über die kaum sichtbare Einkerbung inmitten ihres Intimbereichs hinweg, dann hatte er den Zugang auch schon ausgemacht. So besudelt, wie er mit seinen eigenen schmierigen Säften war, teilte er die eng aneinanderliegenden äußeren Schamlippen ohne jede Schwierigkeit. So verharrte er einen Moment, der Schaft einen weit ausholenden Bogen beschreibend, den Kopf vergraben zwischen die sich fest um ihn schließenden Tore zu ihrer Weiblichkeit, bevor er plötzlich eine Welle schlagend in sie hineinstieß.
Schon dieses erste Einführen war schlicht überwältigend. In allen Einzelheiten nahm Emilia wahr, wie der Schwanz sich in kräftigen Wogen immer tiefer voranarbeitete – und das gleich in doppelter Hinsicht. Während ihre Scheide ihr die erregende Emotion übermittelte, dass sich etwas in sie hineinzwängte, sendete ihr Penis den Eindruck von samtenen, unebenen Wänden, die sich dicht an ihn pressten. Sie spürte diese absonderliche Verbindung ebenso innerlich wie äußerlich, das Auseinanderdrängen ebenso wie das Auseinandergedrängt werden, die Empfindungen eines sich in sie senkenden Körperteils ebenso wie die eines sie umhüllenden. Beide ihrer ineinander verschlungener Geschlechter bestürmten ihr völlig überfordertes limbische System mit ihren unterschiedlichen Impressionen, doch kämpften sie nicht gegenseitig um die Vorherrschaft, sondern bildeten in ihrem Kopf vielmehr ein stimmiges Ganzes; ein umfassendes Bild dieser widrigen Vereinigung, der sie sich nun hingab. Es war eigentlich erstaunlich, sich selbst zu kitzeln funktionierte nicht, doch Verkehr mit sich selbst zu haben war geradezu erhebend. Vielleicht lag es daran, dass ihr Ständer seinen eigenen Willen zu haben schien, andererseits stellte Onanie natürlich auch kein Problem dar, und sogar sich an einer unverfänglicheren Stelle wie dem Arm zu streicheln war überaus beruhigend. Jedenfalls jagte diese Abwandlung dessen Schauer der Lust durch sie, die all das bei weitem übertrafen, so abseitig es auch sein mochte.
Ihr Schwanz hatte es mittlerweile geschafft, sich ganz in sie zu schieben. Selbstverständlich steckte er nicht bis zum Anschlag in ihr, das ließ sich schon aus anatomischen Gründen nicht bewerkstelligen, aber es verlangte ihr auch gar nicht danach. Sie war es gewohnt, dass ihr überproportionales Geschlecht nur etwa bis zur Hälfte aufgenommen werden konnte, wenn sie es mit jemandem tat, und sie vermutete, dass es nicht bloß wegen seiner schieren Größe nicht anders ging, sondern auch wegen seiner sonstigen Beschaffenheit. Bei der sich krümmenden Art, in der er sich bewegte, musste er ja ein Stück herausragen, andernfalls hätte er in der Enge, die dabei herrschte, überhaupt nicht den nötigen Platz dafür gehabt. So betrachtet war es gar kein Wunder, dass sich die Spitze eine aufregendere Beschäftigung suchte, sobald sie bei derartigen Gelegenheiten vernachlässigt wurde. Es war der am meisten beanspruchte Teil und fraglos der empfindsamste. Deshalb konzentrierte sie sich ja auch auf den oberen Abschnitt, wenn sie es sich selbst besorgte, zumindest sofern sie es nicht ohnehin darauf anlegte, dass er in sie schlüpfen würde. Normalerweise rieb sie dann mit einer Hand die leicht abgerundete Kuppel, während sie mit der anderen die Mitte des Schafts umklammert hielt und ihn so sanft massierte.
Ihrer Scheide hatte sie dabei nie besondere Beachtung geschenkt. Emilia hatte sie zwar zusammen mit den übrigen Geheimnissen ihrer Physis ausgiebig erkundet, als ihr Interesse an diesen Dingen erwacht war, und auch herausgefunden, dass es genauso viel Spaß machte, daran herumzuspielen wie mit dem anderen Ding zwischen ihren Beinen, trotzdem hatte sie sich ihr kaum jemals mit dem Ziel der Befriedigung gewidmet. Das hing wohl mit der beinahe übermächtig erscheinenden Präsenz ihres Penis zusammen. Seine gewaltigen Ausmaße, sein fremdartiges Aussehen und nicht zuletzt seine triebgesteuerte Agilität waren so fordernd, dass sich jeder Gedanke daran, sich mit einem anderen Merkmal ihrer erblühenden sexuellen Reife auseinanderzusetzen, von Vorneherein verbat. Möglicherweise lösten aber auch unbewusste Ängste in ihr den Zwang aus, sich praktisch für eines ihrer Fortpflanzungsorgane zu entscheiden. Es mochte gut sein, dass sie sich ihrer selbst einfach sicherer fühlte, wenn sie sich in dieser Hinsicht ein wenig zurückhielt; das löschte ihre Andersartigkeit zwar nicht aus, aber es schwächte sie so sehr ab, dass sie sich nicht allzu schuldig fühlen musste.
Falls dem so war, hatte erst dieser kleine Unfall, der sie ihre Jungfräulichkeit gekostet hatte, sie diese innere Grenze überschreiten lassen. Nachdem das zu einer Ekstase geführt hatte, wie Emilia sie sich zuvor nicht einmal im Traum hatte ausmalen können, hatte sie dem Drang nach einer Wiederholung immer öfter nachgegeben. Beide Optionen gleichzeitig zu nutzen, die ihr Schritt zu bieten hatte, intensivierte nicht nur die Lust, die sie dabei überfiel, sondern auch den Orgasmus, der ihr folgte, und so war das ein Genuss, dem sie sich nur schwer verweigern konnte. Im Zuge dessen hatte sie sich sogar zu einigen anderen Experimenten hinreißen lassen, zum Beispiel sich selbst einen zu blasen. Da ihr Schwanz ihr fast bis an die Brust reichte, wenn er sich erst einmal ganz entfaltet hatte, fiel ihr das nicht besonders schwer, und obwohl das stets mit unentrinnbaren Schuldgefühlen verbunden war, überwog doch immer die Leidenschaft.
So war es auch jetzt, und dabei hatte es noch gar nicht richtig angefangen. Wie in den meisten Fällen hatte ihr Penis einen unendlich scheinenden Augenblick lang stillgehalten, als er sich so tief in sie gegraben hatte, wie es die Grenzen ihrer Belastbarkeit zuließen, und Emilia ging vollkommen in dem Entzücken auf, das sie durchflutete. Sie lag einfach reglos da und kostete es aus, wie ihr eigener Ständer ihr den Schlitz aufspreizte. Es war schlicht herrlich, so komplett ausgefüllt zu werden. Sachte bohrte sich die Spitze bis in den hintersten Winkel ihres Tunnels, während der zu seinem Ursprung immer dicker werdende Schaft ihre Scheidenwände dehnte. Sie spürte, das ihn ein Pulsieren durchlief, und aus Erfahrung konnte Emilia sagen, dass sich damit ein weiterer Schwall seines Vorsamens in sie entlud. Sie merkte sogar, wie sich die Flüssigkeit warm und sämig in ihr ausbreitete, als würde sich eine im Moor ausgehobene Grube mit schlackigem Grundwasser füllen. In menschlichen Maßstäben wäre das undenkbar gewesen, doch von Isabelle mit ihrer Obsession, alles zu messen und zu katalogisieren, sowie von Marias reichhaltigen Sachkenntnissen auf diesem Gebiet wusste Emilia, dass die Menge, die sie an Lusttropfen verlor, in etwa der entsprach, die Männer sonst bei einem Samenerguss von sich gaben. Das mochte außergewöhnlich sein, aber sie kannte es nun einmal nicht anders und die übrigen Halbdämoninnen, von denen sie sich eine Beurteilung in diesen Belangen erlauben durfte, sonderten kaum weniger Sekret ab als sie selbst. So stand nach ihren besonderen Clubaktivitäten eine gründliche Reinigung der Räumlichkeiten ebenso wie ihrer Körper am. Oft sah es so aus, als wäre versehentlich ein Feuerlöscher losgegangen und hätte sie alle mit weißem Schaum bespritzt. Allerdings hätte sogar der gutgläubigste unbeteiligte Beobachter Zweifel an dieser Erklärung bekommen, wären sie so überrascht worden, tropfte ihnen das Zeug doch gleichsam aus sämtlichen Körperöffnungen.
Mit diesem Ausfluss an Präejakulat legte ihr Schwanz jedenfalls seine Tatenlosigkeit ab. Mit einem unvermittelten Aufbauschen begann er, sich in ihr zu bewegen.Langsam zog er sich ein Stück aus ihr zurück, bevor er kraftvoll wieder in sie hineinschoss. Das setzte er in einer beständigen Regelmäßigkeit fort, die ihr augenblicklich den Atem raubte. Es war ein betörendes Wechselspiel aus einem fast schon zärtlichen Einknicken seiner hinteren Länge, mit dem er aus ihr hinausglitt, und einem umso rasanteren Vorwärtsdrängen, mit dem er sich wieder so weit in sie schob, wie er nur konnte.
Seine Haut war beinahe völlig eben. Anders als bei den meisten anderen Penissen, die sie bislang kennengelernt hatte, traten seine Adern nicht unter ihr hervor, und auch sonst beeinträchtigten keinerlei Erhebungen oder Einbuchtungen seine makellose Oberfläche. Nicht einmal eine sichtbare Eichel zeichnete sich an ihm ab, er besaß einfach die Form eines perfekten, länglichen Kegels, der von einer breiten Ausgangsfläche auf einen einzigen dünnen Punkt zulief, trotzdem musste Emilia nicht auf die zusätzlichen Reize verzichten, die diese Ausbildungen verursacht hätten. Zum einen war da natürlich die grundsätzliche Gestaltung seines Äußeren: die Tatsache, dass er zu seinem Ansatz hin immer dicker wurde, machte sich deutlicher bemerkbar als jede noch so ausgeprägte Zerklüftung eines menschlichen Schwanzes es vermocht hätte. Diese stete Folge von Aufweitung, wenn er in sie fuhr, und Entspannung, wenn er sich von ihr entfernte, ließ sie vor Begehren förmlich vergehen, fühlte sie diese Auswirkungen doch nicht nur an den Schamlippen, sondern bis in ihr Innerstes hinein.
Zum anderen gab es da noch die Art, wie diese Bewegungen überhaupt vonstatten gingen. Es war überaus berauschend, wie ihr Penis in ihr voller Ungestüm hin und her schlug. Unablässig wölbte sich sein oberer Teil vor und zurück, sodass ihre durch seinen bloßen Umfang ohnehin schon klaffende Spalte noch weiter aufgezwängt wurde, während die schmale Spitze kitzelnd über den Grund dieser Talsohle hinwegstrich. Er drückte sich so nahtlos in ihre Enge hinein, dass sie sogar die Muskeln wahrnehmen konnte, die in ihm arbeiteten. Unnachgiebig wie Stahlseile zogen sie sich zusammen und streckten sich wieder, wobei er wild auf und ab tanzte. Emilia kam es vor, als hätte sich beim Schwimmen ein Aal zwischen ihren Beinen verfangen und würde sich bei dem Versuch, sich aus ihr zu befreien, nur immer tiefer in sie hineinrutschen. Dort wand er sich nun in seinen typischen wellenartigen Zuckungen umher, und unfähig aus dieser schmalen Lücke, in die er geraten war, wieder hinauszuschlüpfen, wurde sein hilfloses Zappeln immer hektischer.
Wahrscheinlich hätte diese Assoziation sie abstoßen sollen, aber erstaunlicherweise war das nicht der Fall. Stattdessen fiel es ihr immer schwerer, ihre ausufernde Lust im Zaum zu halten. Ein Druck schien sich in ihrer Brust aufzubauen, wie von angehaltener Luft, die unbedingt mit einem zügellosen Stöhnen entweichen wollte, doch hielt Emilia sich mit aller Kraft davon ab. Es bereitete ihr nach wie vor Mühe, sich gehen zu lassen, wenn noch jemand anderes als Maria anwesend war. Das betraf nicht nur den Sex; sie legte viel Wert darauf in sämtlichen Lebenslagen souverän und beherrscht zu wirken, außerdem war es ihre größte Angst, die Kontrolle über sich selbst zu verlieren. Sie konnte sich nichts Furchterregenderes vorstellen als eine Beeinträchtigung ihrer Sinne oder ihres Verstands, ohne Zweifel weil sie nicht wusste, was darunter zum Vorschein kommen würde. Sie kannte immerhin das Geheimnis ihrer Abstammung und ihrer Gene; was auch immer unter der Sphäre ihrer Persönlichkeit lauern mochte, sie war sich sicher, dass es den animalischen Gegebenheiten des Universums entsprechend nicht besonders angenehm war.
Dennoch konnte sie nun nicht länger still bleiben, dazu waren die unentwegt auf sie einprasselnden Empfindungen einfach zu mitreißend. Durch seine rasenden Umtriebe wurde ihr Kitzler nicht nur von den Labien gestreichelt, die ihn einhüllten, sondern auch von Emilias Schwanz selbst. Bei jedem Stoß, mit dem er sich in sie drückte, beschrieb er direkt vor der Öffnung einen Bogen, mit dem er wie liebkosend den winzigen Hügel streifte. Ohne dass sie es hätte verhindern können, entrang sich ein Seufzen ihrer Kehle, eine unmissverständliche Bekundung der Verzückung, in der sie versunken war.
Nachdem diese selbstauferlegten Fesseln erst einmal durchbrochen waren, sah Emilia sich außer Stande, sich wieder an sie zu binden. Obwohl es ihr unangenehm war, sich vor ihren Freundinnen so hemmungslos zu zeigen, konnte sie nicht anders als unter der erdrückenden Last ihrer Begierde laut zu keuchen und sich auf dem Boden liegend umherzuwälzen. Sie wusste, dass sie nicht verlegen zu sein brauchte, alle ihre Zuschauer hatten sich in eben diesem Raum schon als Objekt sehr viel ausschweifenderer Orgien benutzen lassen, trotzdem ließ sich dieses Gefühl nicht abschütteln. Sie kam nun einmal nicht besonders gut damit zurecht, wenn sämtliche Aufmerksamkeit auf sie gerichtet war, und das war jetzt zweifellos der Fall. Mit dieser Schar an unverwandt zu ihr herüberschauenden Mädchen kam sie sich vor, als stünde sie auf der Bühne eines Theaters und würde ein bizarres Stück aufführen, zu dem es gehörte, dass sich die Hauptdarstellerin von ihrem eigenen riesigen Geschlechtsteil durchnehmen ließ.
Schon in dieser Situation wäre sie sich unbehaglich genug vorgekommen, doch war die Realität noch viel beschämender. Wäre sie einfach nur eine Schauspielerin gewesen, hätte sie sich dahinter verstecken können, dass sie nur eine Rolle wiedergab, die jemand anderes sich ausgedacht hatte, hier aber sah man einzig Emilia selbst, ganz ohne jeden Schleier, der sie verbergen mochte. All ihre Unzulänglichkeiten wurden so offenbart, und nichts davon war jemand anderem anzulasten als ihr selbst: die Anomalie ihres Unterleibs, die Perversion, der sie gerade erlag und nicht zuletzt natürlich die Verfehlungen ihres Geistes, war dies doch immerhin nichts, zu dem die anderen sie gedrängt hatten, sondern etwas, das sie ohnehin oft genug von sich aus getan hatte.
Die verruchteste ihrer vielfältigen Sünden war jedoch eine andere. Es ging weniger darum, dass sie etwas Unanständiges tat, sondern darum, dass sie sich dabei beobachten ließ. Diese an sich so simple Tatsache erfüllte sie mit weitaus mehr Beklommenheit als jede noch so verwerfliche Masturbationspraktik es gekonnt hätte. Das lag gar nicht so sehr an der Schuld, die sie damit auf sich lud, vielmehr war es wieder einmal Ausdruck der tiefsitzenden Angst, die ihr ganzes Leben bestimmt hatte. Indem sie sich den übrigen Clubmitgliedern so unverhüllt präsentierte, zeigte sie ihnen auch ihr wahres Ich, samt ihrer Unvollkommenheiten und Fehler. Das machte sie verletzlich, und wenn einem von klein auf die eigene Andersartigkeit vorgehalten wurde, war das Bild, das jeder von sich hatte, ebenso zerbrechlich wie eine filigrane Glasskulptur während eines Erdbebens. Ihren unlösbar auf sie gerichteten Blicken schutzlos ausgeliefert zu sein, hieß auch sich ihrer Beurteilung zu unterziehen. Sie würden unweigerlich jede ihrer Bewegungen bewerten, jeden Laut, den sie von sich gab, ihr Aussehen und letztlich sogar ihren Charakter. Dem konnte sie sich nicht entziehen, und auch wenn ausschließlich ihre engsten Vertrauten dem beiwohnten, war das keine sonderlich beruhigende Erkenntnis.
Doch war ihre Erregung im selben Maß unbestreitbar wie ihre Vorbehalte. Mittlerweile war sie so von grenzenloser Lust umfangen, dass sie sämtliche Versuche, doch noch länger an sich zu halten, endgültig aufgab. Zwar hatte sie mit ihrem letzten Rest an Willenskraft ihren umhertobenden Schwanz daran gehindert, sich völlig in ihr zu verausgaben, nun aber überließ sie ihn ganz seinem Trieb. Dasselbe galt für ihr eigenes Verwehren. Hatte sie bis eben noch jede körperliche Auswirkung ihrer Geilheit so gut es ging unterdrückt, verbrannten diese Vorsätze in der sengenden Glut ihrer steigenden Bedürfnisse. Plötzlich war es ihr egal, wie laut sie aufschrie, wie unmissverständlich sich ihre Hüften bewegten, oder dass ihre Hände wie von selbst anfingen, durch den Stoff ihres Kleids hindurch ihre Brüste zu streicheln, ja, die Gewissheit, dass sie bei all dem ohne Unterlass beobachtet wurde, machte sie auf einmal nur noch schärfer.
Das hatte einen bestimmten Grund. Ein heimlicher Blick aus den Augenwinkeln auf ihre um sie versammelten Freundinnen verriet ihr etwas, das so unglaublich wie tröstlich war: offenbar gefiel ihnen, was sie sahen. Jede einzelne von ihnen betrachtete sie mit Faszination und unbändiger Freude. Ihre Gesichter waren ebenso unverkennbar von Verlangen gezeichnet wie die rastlose Art, in der sie dasaßen. Sie schienen Mühe zu haben bei diesem Anblick, der sich ihnen bot, sich nicht sofort selbst einen abzuschütteln; immer wieder zuckten ihre Hände in Richtung ihrer Geschlechtsteile, während ihre Becken fiebrig am Boden entlangschubberten, als wäre es ihr eigener Penis, der in dem Mädchen vor ihnen steckte und ihre Hosen waren dermaßen ausgebeult, dass es wirkte, als hätten sie sich kollektiv die Taschen voller Steine gestopft. Ihr Wunsch, sich ihr ebenfalls widmen zu dürfen, war also nicht zu übersehen, und das bedeutete Emilia mehr, als sie sich selbst eingestehen mochte.
Ihr war nicht wohl bei dem Gedanken, dass ihr Selbstwertgefühl so sehr von anderen abhing, trotzdem war dem so. Sie hatte sich immer eingeredet, dass sie zufrieden war, dass die Ausgrenzungen ihr nichts weiter ausmachten, immerhin wollte sie von sich aus mit den meisten Menschen nichts zu tun haben, doch tief begraben unter den Schutzmechanismen ihres Bewusstseins war ihr klar, dass das nicht stimmte. Es kam nun einmal niemand ohne das Gefühl der Nähe zu anderen aus, so sehr man das auch abzustreiten versuchte. Jeder sehnte sich vor allem nach Bestätigung, das war einfach ein grundlegender Drang, dem man nicht entkommen konnte, er äußerte sich nur auf unterschiedlichste Weise. Emma zum Beispiel schrieb ihre Geschichten, die Zwillinge hatten ihre musikalischen Ambitionen und Maria hatte eben einen sehr direkten Weg gewählt, doch das unbewusste Motiv, das ihnen gemeinsam zugrunde lag, war stets dasselbe. Sie alle suchten irgendeine Form der Anerkennung, letztendlich brauchte eben doch jeder die Gewissheit, einer bestimmten Gemeinschaft anzugehören, und Emilias Erleichterung war unleugbar ein Ausdruck dessen.
In dieser Hinsicht hatte sie sich wohl wieder einmal an Marias Vorbild orientiert. Wie sollte es sonst zu erklären sein, dass sie sic hauf dieser Zurschaustellung ihrer abenteuerlichen Masturbationsgepflogenheiten eingelassen hatte, von denen sie sich nie hätte vorstellen können, sie auch nur jemandem zu erzählen? Ohne dass es ihr selbst klar gewesen wäre, musste es ihr Ziel gewesen sein, ihre Zusammengehörigkeit noch weiter zu festigen, immerhin waren sie erklärte Deviationisten, und was hätte sie mehr zu einer solchen qualifizieren können als genau das? Ihnen ihre eigene Abnormität so offen vorzuführen war unzweifelhaft ihre Art gewesen, die Zustimmung zu erlangen, um die sich jeder bemühte, und dass das nun funktioniert hatte, befeuerte ihre Leidenschaft nur noch mehr. Offenbar war Emilia begehrenswerter als sie je vermutet hätte, und dass es gerade ihre Andersartigkeit war, für die sie sonst immer verlacht und missachtet worden war, die nun plötzlich an ihr geschätzt wurde, kam einer Katharsis gleich. Es war, als würden die seelischen Narben, die sie dadurch davongetragen hatte, ein wenig heilen, als würden von dieser unvorhergesehenen Akzeptanz alle Wunden, die sie bislang erlitten hatte, wiedergutgemacht.
Diese ungeahnte psychische Erlösung trieb auch ihre Verzehrung nach einer körperlichen Entsprechung in schwindelerregende Höhen, was ihren Schwanz ebenso zu zunehmend wüsteren Ausbrüchen verleitete wie sie selbst, sich den seinen keuchend und stöhnend ergebend. Das wiederum stachelte ihr Publikum noch weiter an, sodass sie sich gegenseitig immer mehr aufwiegelten. So steigerten sich beide Parteien unaufhaltsam in einen Rausch hinein, bis die übrigen Clubmitglieder ihre Tatenlosigkeit nicht länger aushielten. Nach und nach begannen sie ihre Geschlechtsteile freizulegen und sie zu streicheln. Gemäß ihrem Temperament war Fantasma die Erste, die dieser Versuchung erlag. Es hatte sie schon unendlich heiß gemacht zu beobachten, wie der riesige und in seiner Ungeheurlichkeit kaum zu dem zierlichen, hübschen Mädchen passende Penis sich in deren engen Schlitz quetschte, der dabei bis an die Grenzen seiner Strapazierfähigkeit aufgedehnt zu werden schien, doch während sie mitansah, wie die Belastungen, denen er ausgesetzt war, immer mehr ausuferten, je ungehaltener Emilia mit sich selbst verfuhr, konnte sie sich ihren eigenen aufgestauten Gelüsten nicht länger widersetzen. Wie von einen brennenden Fieber gepackt riss sie sich Hose und Slip bis zu den Knien herab, und fing an sich hektisch zu wichsen, den träumerischen Blick starr auf ihre Klassenkameradin gerichtet.
Obwohl sie selbst fast in die Überladenheit ihrer Gefühle abgetaucht war, bemerkte Emilia, was in ihrer Freundin vorging, und fasste den Entschluss, sich ihrer anzunehmen. Zutraulich streckte sie eine Hand aus und legte sie auf Fantasmas, mit der sie in furiosem Tempo ihre steil aufragende Latte rieb. Die erkannte Emilias Absicht, ließ von sich ab und übergab sich bereitwillig der ihr dargebotenen Fürsorge. Zunächst äußerte die sich darin, dass sie nun die Aufgabe übernahm, ihr einen abzumelken, doch erschöpfte sich damit Emilias Hilfsbereitschaft noch gar nicht. Behutsam zog sie an dem Penis ihrer Mitschülerin, bis sie noch immer auf den Knien hockend näher an sie heranrutschte. Sobald er in ihrer Reichweite war, neigte sie ihm ihr Gesicht entgegen und nahm ihn in den Mund.
Es war nicht das erste Mal, dass sie Fantasma einen blies, dazu waren die Prinzipien ihres Clubs zu freizügig, trotzdem erschien es ihr jetzt intensiver als jemals zuvor zu sein. Zum einen hatte sie sonst dabei nicht so im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses gestanden, zum anderen war sie währenddessen nie selbst so erregt gewesen. Natürlich hatte sie es immer als besonders eindrückliche Erfahrung wahrgenommen, es jemandem mit dem Mund zu machen, so nahe wie man bei dieser Gelegenheit dem Unterleib einer anderen Person kam, war es wohl so etwas wie der Inbegriff von Intimität. Auf diese Weise offenbarte Fantasma sich sämtlicher ihrer Sinne zugleich: der schwere Duft des sich unmittelbar an sie drückenden Schambereichs erfüllte Emilias Nase, der süßliche Geschmack des sich daraus erhebenden Geschlechts legte sich auf ihre Zunge und mit den Lippen erforschte sie jede Unebenheit seines Äußeren.In diesem Moment jedoch erfasste sie das alles ungleich mächtiger. Die Tatsache, dass ihr Schwanz sich im selben Maße austoben konnte wie sie den in ihrem Mund verwöhnte, steigerte dieses Erlebnis ins Unermessliche, und so ging Emilia voller Hingabe ans Werk.
Dermaßen eingenommen von ihrer Tätigkeit bekam sie nur am Rande mit, wie die anderen nun ebenfalls ihre sich aufbäumenden Ständer aus ihren beengten Gefängnissen befreiten, und noch bevor sie überhaupt richtig begriffen hatte, was geschah, fand sie sich unvermittelt von prallen, auf und ab zuckenden Schwänzen umringt wieder, von deren Eicheln bereits der Vorsamen in Strömen herabtroff. Doch so unvorbereitet diese Entwicklung Emilia auch traf, verlor sie keine Zeit mit Zweifeln über ihr weiteres Tun. Dabei war dies tatsächlich eine gänzlich unbekannte Situation für sie. Wenn sie sich bisher um die Steifen ihrer Freundinnen gekümmert hatte, war das immer einzeln und eher nebenbei vorgekommen, wohl als einzige von ihnen war sie nie zum Epizentrum einer Orgie geworden, dennoch griff sie ohne zu zögern links und rechts nach dem erstbesten Penis, der ihr in die Finger kam, und masturbierte ihn.
Sie konnte nicht einmal sehen, wen sie da beglückte, dazu war ihr Sichtfeld den Verhältnissen entsprechend einfach zu eingeschränkt. Fantasmas Erektion war eher klein – nicht dass Emilia besondere Kenntnisse auf diesem Gebiet besaß, doch laut Isabelle, ihrem wandelnden Lexikon, lag seine Größe weit unterhalb des Durchschnitts – sodass sie ihr Gesicht förmlich in deren Schoß vergraben musste, um richtig an ihm lutschen zu können. Sie durfte sich auch nicht zu weit von ihm entfernen, weil er ihr sonst aus dem Mund geflutscht wäre, also hielt sie ihren Kopf weitestgehend still, während sie fest an ihm saugte, als wäre er ein runder, weicher Lutscher, und gleichzeitig ihre Zunge benutzte, um seine Unterseite zu lecken.
Sie fand es erstaunlich aufregend, ausgerechnet diesen Penis oral zu befriedigen. Sie konnte verstehen, warum Emma es nichts ausmachte, dass er so kurz geraten war. Natürlich war Fantasma ohnehin liebenswert, egal wie sie bestückt war – es gab nur sehr, sehr wenige Personen, die Emilia rückhaltlos mochte, aber sie gehörte diesem erlesenen Kreis definitiv an – trotzdem kam es ihr ein wenig seltsam vor, dass sie diesem Teil so zugetan war. Sie hatte sich vorher nie wirklich Gedanken darüber gemacht, da sie nun einmal auf Frauen stand und sich nie hatte träumen lassen, einer Halbdämonin wie ihr selbst zu begegnen, doch hatte sie irgendwie angenommen, dass Schwänze anziehender wurden, je größer sie waren. Wahrscheinlich lag das nur daran, dass das die allgemeine Meinung zu sein schien, die man eben unweigerlich hörte, jedenfalls hielt sie ihn für absolut hinreißend. Er ließ Fantasma noch niedlicher wirken und es fühlte sich gut an, ihn im Mund zu haben. Er passte perfekt hinein; er füllte ihn komplett aus, ohne jedoch unangenehm an der Kehle anzustoßen. Stattdessen schmiegte sich seine Eichel sanft an den Gaumen wie eine aufgeweichte Stange aus Gelatine, die man genüsslich auskostete.
Dass sie dabei wenig mehr sehen konnte als Fantasmas Unterleib, störte sie nicht. Sie konnte sogar nur durch diese Berührung mit den Händen genau bestimmen, an wessen Penis sie gerade herumspielte. Sie waren alle in Form und Beschaffenheit so unterschiedlich, dass das keine Herausforderung darstellte. Mit Ausnahme von Fantasmas und denen der Zwillinge waren sie ja nicht einmal menschlich; sie teilten sich höchstens den grundlegenden Umriss, hatten davon abgesehen aber nur entfernt Ähnlichkeit mit dem, was gemeinhin als normal betrachtet wurde. Links hielt sie etwas umklammert, das sich anfühlte wie ein von dicken Schweißnähten übersätes Rohr, das ansonsten allerdings völlig konturlos blieb. Das konnte nur Emma sein. Rechts von sich befingerte sie einen Ständer, der keine monströsen Eigenheiten aufzuweisen schien, dafür waren gleich zwei vorhanden. Damit musste es sich um Nadine oder Nicole handeln, auch wenn Emilia nicht mit Sicherheit sagen konnte, um welche der beiden. Inzwischen konnte sie die eineiigen Zwillinge eigentlich recht gut auseinanderhalten, es gab Feinheiten in den Zügen und noch deutlichere Merkmale ihrer Persönlichkeiten, die sie klar trennten, doch das zu schaffen, indem sie ausschließlich ihr Gehänge betastete, überstieg ihre Fähigkeiten dann doch.
Eine ganze Weile verlor Emilia sich in dem puren Entzücken dieses Augenblicks, als sich ihr eigener Penis zügellos in ihrer Spalte erging, ein anderer ihren Mund in Beschlag nahm, sie mit jeder Hand eine ihrer Freundinnen wichste und der Rest, denen sie gerade nicht zu Diensten sein konnte, es sich selbst machte, während sie gebannt diese Ausschweifung verfolgten. Doch währte diese schwelgerische Seligkeit nicht allzu lange. Unvermutet zuckte Fantasmas Becken vor und mit spürbarem Druck schoss das Sperma aus ihr heraus. Tatsächlich war es wie eine unvorstellbar schnell ansteigende Flut, in der die heiße Flüssigkeit in Emilias Mund strömte. Der endlos scheinende Strahl, mit dem ihre Freundin sich in ihr ergoss, schwoll stetig an und wieder ab; in der einen Sekunde platzte es so stark in sie hinein, dass es fast von selbst ihren Hals hinabfloss, nur um in der nächsten zu einem sachten Tröpfeln zu versiegen, demnach es ihr vorkam, als überspülte eine salzige Meereswelle ihre Zunge, die sich langsam zurückzog und sofort darauf wieder mit noch mehr Wucht lossprudelte.
Es waren also die perfekten Bedingungen, um zu schlucken, und genau das tat Emilia auch. Sie war nicht so verrückt nach Sperma wie Maria oder Nicole, die sich keine Gelegenheit entgehen ließen, so viel wie möglich mit diesem schleimigen Zeug in Kontakt zu kommen, doch wenn ihr bei einer dieser speziellen Unternehmungen ihres Clubs schon zufällig in den Mund gespritzt wurde, war das ein Impuls, dem sie nur schwer entsagen konnte. Sie konnte sich selbst nicht erklären, warum sie darauf stand, aber trotz seines bitteren Geschmacks und der an sich widerwärtigen Konsistenz war es doch überaus erotisch, wie es sich träge in ihr verteilte, sich sammelte und zäh umherschwappte.
Völlig mitgerissen von ihrem Höhepunkt vollführte Fantasma noch immer kleine Hüftstöße, während sie sich Schub für Schub in ihr entleerte, und Emilia nutzte dieses kurze Nachlassen des Strahls zwischen ihnen, um mehr Platz für neuen Samen zu schaffen. Ein einziger Schwall war bereits genug, um ihren Mund fast zum Überlaufen zu bringen, und so trank sie hastig nach jedem, was bis dahin in sie gelaufen war. Mit jedem Schluck des dicklichen Samens entfaltete sich sein charakteristisches Aroma mehr und mehr, sodass Emilia den Eindruck gewann, er würde noch immer an ihr haften, als hätte er ihre Zunge und Wangen mit einer klebrigen Schicht überzogen, die sich nicht so einfach lösen ließ.
Dieser Eindruck blieb auch bestehen, als Fantasma sich nun langsam aus ihrem Mund zurückzog. Das schrittweise Austreten des Sekrets war mittlerweile abgeebbt, ohne dass es zu Emilia durchgedrungen wäre. Sie war nach wie vor damit beschäftigt, den sich in letzten Zuckungen aufbäumenden Schwanz zu lutschen und die verspäteten Tropfen aus ihm herauszusaugen, die er noch zu bieten hatte, bis er plötzlich mit einem leisen Schmatzen zwischen ihren fest geschlossenen Lippen herausrutschte. Während die von ihrem Orgasmus erschöpfte Clubpräsidentin sich von der Hocke wieder auf den Hintern fallen ließ, hing Emilia weiter dem Gefühl nach, wie sie in ihr gekommen war, und beschloss, sich gleich die nächste Ladung abzuholen.
Während ihr eigener Penis sich mit unverminderter Geschwindigkeit in sie schob, griff sie nach dem von Emma, den sie noch immer zärtlich streichelte, und führte sie so näher zu sich heran. Nachdem sie deren Freundin zuerst versorgt hatte, kam es Emilia nur angemessen vor, dass sie nun an der Reihe war – und dass sie alle der hier umstehenden Halbdämoninnen zum Zug kommen lassen würde, stand für sie außer Frage. Warum sollte sie ihnen auch nicht auf diese Weise behilflich sein, ihre brettharten Ständer zu besänftigen, wenn sie doch ohnehin für sie verantwortlich war?
Sie zögerte also nicht, Emmas Schwanz mit den Lippen zu umfangen, sobald die dicht genug dazu an sie herangerückt war, sondern machte sich gleich voller Tatendrang daran, ihr einen zu blasen. Mit gespreizten Beinen auf dem Rücken liegend, während der eigene Penis sich unablässig in sie bohrte, war es nicht leicht, den Kopf gleichmäßig hin und her zu bewegen, doch gab Emilia sich alle Mühe, und Emmas sinnenvernebelter Gesichtsausdruck ließ ebenso wie die lustvollen Laute, die sie immer wieder von sich gab, darauf schließen, dass ihre Versuche in dieser Hinsicht durchaus erfolgreich waren. Natürlich hätte sie wie bei Fantasma einfach stillhalten und hauptsächlich ihre Zunge benutzen können, nur war sie inzwischen selbst viel zu erregt, als dass sie das zustande gebracht hätte. Sie wollte sich Emma mit vollem Körpereinsatz widmen, ihre Stange so tief wie möglich in sich aufnehmen und sich völlig fallen lassen.
Demgemäß ließ Emilia nun ihre Lippen an dem Schaft entlangwandern, bis sie schließlich an seinem Ansatz angelangt war. Damit war das Fassungsvermögen ihres Mundes allerdings schon bei weitem überschritten, sodass sie sofort wieder zurückweichen und erst einmal einen Moment innehalten musste. Lange konnte sie sich ihrem inneren Zwang aber nicht verweigern; bald begann ihr Kopf wie von allein vor und zurück zu zucken, ein sanftes Nicken, mit dem sie beständig über den Schwanz hinwegstrich. Obwohl ihr seine Eigenheiten sehr wohl bekannt waren – es war immerhin der erste, mit dem sie sich jemals näher befasst hatte – war es jedes Mal wieder ein Erlebnis, ihn so unmittelbar zu berühren. Er war fast doppelt so lang wie Fantasmas, doch wirkte er im Vergleich durch seine enorme Breite eher gedrungen. Er war so dick, dass er gerade noch in Emilias Mund passte, und dass seine unnatürlich stark unter der rot glänzenden Haut hervortretenden Adern sich fest gegen ihre Lippen pressten. Sie meinte sogar, das Pulsieren von Emmas Verlangen in ihnen zu spüren.
Ihr blieb aber nicht viel Zeit, um sich an diese geänderten Umstände zu gewöhnen. Nachdem eine ihrer Hände nun frei geworden war, streckte Emilia sie gleich nach einer der anderen Latten aus, die ihr entgegengehalten wurden. Wie sich herausstellte, war es Nadines. Damit masturbierte sie nun beide der Zwillinge, während sie Emma mit dem Mund beglückte. Da Nicole und Nadine jeweils zwei Schwänze hatten, umfasste Emilia sie beide zugleich. Obwohl sie abgesehen von der Anzahl nicht weiter ungewöhnlich aussahen, klappte das erstaunlich gut. Irgendwie ließen sie sich hervorragend zusammendrücken, sodass Emilia bequem die Hände um sie schließen und an ihnen entlangreiben konnte.
Doch sie hatte gerade erst angefangen, ihre Arme auf und ab zu bewegen, als ihr Mund plötzlich ein weiteres Mal mit Sperma gefüllt wurde. Anders als bei Fantasma geschah das nicht nach und nach, sondern mit einer solchen Rasanz, dass Emilia nicht einmal auf den Gedanken kommen konnte zu schlucken, obwohl sie das eigentlich vorgehabt hatte. Dazu war es einfach zu unvorhergesehen passiert. Während sie noch völlig davon vereinnahmt war, an Emmas Geschlecht zu lutschen, schoss ohne Vorwarnung scheinbar ein ganzer See in sie hinein. Es war, als hätte sie einen voll aufgedrehten Wasserschlauch zwischen ihren Lippen, der in einem einzigen ununterbrochenen Strahl eine unvorstellbare Menge heißen Samens in sie pumpte. Dieser Sturzbach kam für Emilia so überraschend, dass sie ihn auch nicht ohne Schwierigkeiten in sich aufnehmen konnte. Als er losbrach und sie bereits so weit überschwemmt hatte, dass kein Tropfen mehr in sie passte, noch bevor sie überhaupt reagieren konnte, drang die sahnige Flüssigkeit aus ihren Mundwinkeln hervor und floss langsam von dort ihre Wangen herab.
Ebenso schnell wie der Orgasmus gekommen war, klang er auch wieder ab. Es hatte nur einen Wimpernschlag gedauert, ihren Mund vor Sperma überschwappen zu lassen, danach verweilte Emma zwar noch einen Augenblick in ihr, während mit einem leichten Zittern einige letzte Spritzer von ihrer Schwanzspitze in die Schlammpfütze fielen, die sich in ihr gebildet hatte, doch zog sie sich bald darauf zurück. Sie war schon im Begriff, den Mund zu schließen, um endlich zu schlucken, doch da beugte sich Nadine über sie und drückte ihr ungeduldig ihre Schwänze hinein. Verwundert blickte Emilia zu ihr auf – von den Zwillingen, die so zurückhaltend waren, dass sie selbst innerhalb des sicheren Umfelds ihres Clubs nur sehr wenig sprachen, hätte sie ein solch forderndes Auftreten gar nicht erwartet – doch sofort darauf verstand sie den Grund für diese Eile. Kaum hatte sie die Lippen um die bebenden Penisse gelegt, kam es ihnen auch schon.
Unaufhaltsam ergoss sich der Samen in sie und wieder wurde Emilia vom Taumel der Ereignisse völlig überrumpelt. Sie konnte nur weiter still daliegen, während das Sperma mit einer solchen Kraft in sie geschleudert wurde, dass sich ihre Backen aufblähten und sie schon fürchtete, keine Luft mehr zu bekommen. Belegt nun schon mit einem zweiten Schauer dämonischen Ejakulats war ihr Mund endgültig an den Grenzen seiner Aufnahmefähigkeit angelangt. Obwohl sie alles versuchte, um es zu verhindern, sprudelte es förmlich zwischen ihren fest zusammengepressten Lippen hervor und besudelte ihr Gesicht mit weiteren Flecken wie von heißer Milch, die aus einer übervollen Tasse verschüttet wurde.
Doch auch wenn sämtliche ihrer Sinne eigentlich mit der neuerlichen Flutwelle beschäftigt waren, die das Meer an Samenflüssigkeit in ihrem Mund aufwühlte, konnte sie ihren Blick nicht von dem Mädchen lösen, das dafür verantwortlich war. Wie von tiefster Zufriedenheit umhüllt hielt Nadine ihre Augen geschlossen, als sie mit durchgebogenem Rücken über ihr hockte, beide Schwänze zwischen Emilias Lippen vergraben, allerdings nur so weit, dass gerade einmal die Eicheln hineinragten. Aber auch so war es schon schwer genug, sie angemessen darin unterzubringen. Obwohl sie sich beinahe nahtlos aneinanderfügten, bildeten sie doch ein riesiges Gestänge, dass gar nicht weiter hineingepasst hätte, selbst wenn ihr Mund nicht schon voller zähem Schmodder gewesen wäre, das ein Vorankommen erst recht unmöglich machte. Emilia bemerkte sogar, wie Nadines Hüfte sich krampfhaft anspannte, während sie immer mehr und mehr abspritzte, dennoch sah sie starr zu deren Oberkörper auf. Das lag gar nicht an den zarten Brüsten, die sich unter dem dünnen Stoff ihres Shirts deutlich abzeichneten, sondern einzig an ihrem Mienenspiel. Sie sah vollkommen verzaubert aus, als wäre sie in einem Zustand absoluten Glücks versunken, und Emilia war froh, ihrer Freundin diese Gefühle bereitet zu haben.
Doch so berauschend es auch war, dauerte dieser Moment nicht ewig. Wie aus einem Traum erwachend öffnete Nadine die Augen und blickte sich schüchtern um. Vielleicht war es ihr peinlich, dass sie sich so hatte gehen lassen, oder sie befand, dass sie Emilias Freundlichkeit zur Genüge beansprucht hatte, jedenfalls beeilte sie sich nun, ihren Platz zu räumen. Mit einem sachten Ruck zog sie ihre allmählich erschlaffenden Ständer aus der sie umfangenden Höhle hervor und rutschte auf Knien ein Stück zurück, aber offensichtlich brachte sie genau damit Nicole zu ihrem Höhepunkt. Die war von dem entrückten Ausdruck auf dem Gesicht ihrer geliebten Schwester nicht weniger hingerissen gewesen als Emilia und als sie nun die schleimige Suppe in dieser Körperöffnung erblickte, zu der sie einen nicht unerheblichen Teil beigetragen hatte, war es um sie geschehen. Ohne dass sie selbst bemerkt hätte, dass es so weit war, brach die ersehnte Erlösung über sie herein. Sie hatte nicht einmal mehr Zeit, sich wie Nadine über Emilia zu beugen, sie spritzte einfach so ab, wie eben gerade dahockte, doch da ihre Mitschülerin die Schwänze noch immer wichsend auf sich gerichtet hielt, traf auch dieser Vorstoß sein Ziel.
Emilia war noch immer so vertieft in den Gedanken, allen ihren Freundinnen diese Erfüllung zuteil werden zu lassen, dass sie zusammenzuckte, als sich eine unendlich lange erste Schliere quer über ihre Gesicht legte. Warm und feucht zog sie sich von ihrer Stirn bis hin zum Kinn und verlief sich langsam in dicken Tropfen wie eine Spur von Klebstoff, die von ihrem eigenen Gewicht nach unten gezogen wurde. Weitere folgten und benetzten ihre Wangen, Nase und Augenlider mit noch mehr weißen Flecken, doch der Hauptteil landete tatsächlich in ihrem Mund. Das war von Emilia nicht bewusst geplant gewesen, was aber nicht hieß, dass es ihr nicht gefallen hätte. Es hatte sich sogar genug des umherfliegenden Spermas darin angesammelt, dass die Menge, die Nadines Penisse daraus verdrängt hatten, ersetzt wurde, genau genommen fühlte sich ihr Mund noch voller an als zuvor. Es war, als würde sich der Samen zwischen ihren geöffneten Lippen noch erheben und nur von der Oberflächenspannung so weit zusammengehalten werden, dass er nicht wie ein Wasserfall an ihnen herablief. Damit stauten sich die Hinterlassenschaften von drei Halbdämoninnen in ihr, allerdings vereinigten sie nicht nur bedingt miteinander. Es war vielmehr wie ein angedicktes Gemisch aus Öl und Wasser, das da in ihr waberte. Es umfloss sich gegenseitig, bildete Inseln von sämigeren und dünneren Anteilen, verbanden sich aber nicht zu einem einheitlichen Gefüge.
Während Emilia noch mit offenem Mund auf dem Rücken lag und mit der Zunge die Struktur dieses Safts von drei verschiedenen Samenergüssen zu ergründen versuchte, schien Isabelle zu dem Schluss zu kommen, dass sie nun wohl an der Reihe war. Zielstrebig rückte sie an Emilia heran, griff nach ihrem Penis und schob ihn ihr mit sanftem Nachdruck zwischen die Lippen, sodass er Stück für Stück immer tiefer in die glibberige, ungleichmäßige Masse eintauchte, die dort abgeladen worden war.
Ermutigend lächelte Emilia zu ihr auf, um ihr zu bedeuten, dass ihre Vermutung richtig war und sie sich ganz nach ihrer Laune mit ihr vergnügen durfte. Sie wusste, dass Isabelle diese zusätzliche Bestätigung brauchte. Obwohl es eigentlich klar war, nachdem sich schon vier Clubmitglieder an sie herangemacht hatten, war sie einfach unsicher, nichts Falsches zu tun. Trotz ihrer unbestreitbaren Intelligenz, die der ihrer Klassenkameraden bei weitem übertraf – oder wahrscheinlich genau deswegen – war sie wie alle anderen in diesem Raum schon immer eine Außenseiterin gewesen. Sie war schon so oft wegen ihres leicht verschrobenen Verhaltens ausgelacht worden, dass sie stets bemüht war, nichts zu tun, was irgendwie unangemessen wäre, gleichzeitig hatte sie bisher keine wirklichen Freunde gehabt und war lieber allein mit ihren Studien und Büchern gewesen. Demzufolge waren gesellschaftliche Konventionen ihr manchmal ein Rätsel, insbesondere wenn es um zwischenmenschliche Beziehungen ging. Das war ein Gebiet, das ihr nicht sehr vertraut war, und so kam sie sich auf diesen Großveranstaltungen, in die ihre Clubtreffen hin und wieder ausarteten, noch verlorener vor als sonst.
Emilia verstand das und wollte ihr helfen. Sie mochte Isabelle, außerdem war sie die Einzige von ihnen, die keine feste Freundin hatte. Die Zwillinge hatten einander, Fantasma hatte Emma und sie selbst Maria, nur Isabelle war mit niemandem zusammen. Das schien ihr nichts auszumachen, am zufriedensten wirkte sie, wenn sie sich ungestört ihrer Forschung widmen konnte, trotzdem weckte sie Emilias Beschützerinstinkt. Sie war eben so liebenswert, da war es doch traurig, dass sie diese unbeschreibliche Bindung wie von einer Seelenverwandtschaft gar nicht kannte. Das konnte Emilia natürlich nicht ändern, aber sie konnte ihr immerhin ein körperliches Substitut dessen bieten, und daran machte sie sich nun mit allen Mitteln, die ihr zur Verfügung standen.
Ohne vorher zu schlucken begann sie kräftig ihren Kopf vor und zurück zu bewegen. Offenbar störte Isabelle sich nicht daran, dass ihr Schwanz auf diese Weise mit dem Sperma fast aller Anwesenden beschmiert wurde, zumindest hatte sie selbst ihn ja dort hineingetunkt. Vielleicht stand sie sogar darauf, was Emilia hätte nachvollziehen können, war sie doch ebenso begeistert davon, wie es sich in ihr anfühlte. Es war immer noch warm und schien nun, da sie mit Isabelles Schwanz beständig darin herumrührte, beinahe zu brodeln. Unaufhörlich wogten die einzelnen Bestandteile dieses schwammigen Gebräus in ihr umher, wie zähflüssige Fasern, die sich gegenseitig umschlangen. Es war, als würde es aufkochen, als würden sich rasend schnell Blasen bilden und sofort wieder platzen, deren Spritzer noch die entlegensten Winkel ihres Rachens erreichten.
Zudem war Isabelles Penis von Natur aus härter als die der anderen. Er war geformt wie ein Pfeil, lang und schlank, mit einer ausgeprägten, spitz zulaufenden Eichel, die sich mit einem dicken Rand deutlich abhob. Durch diese Unnachgiebigkeit wurden die in Emilias Mund gesammelten Sekrete noch mehr durcheinandergewirbelt, wie von einem Strudel, der auf der einen Seite einen Sog bildete und auf der anderen alles wieder mit ungeheurer Macht freisetzte. So war es unvermeidlich, dass der Samen in hohem Bogen aus ihr herausgedrängt wurde und sich wie ein sommerlicher Nieselregen über ihr gesamtes Gesicht verteilte – auch wenn ihr mittlerweile, nachdem sie von dem Sperma so vieler ihrer Mitschülerinnen regelrecht durchnässt worden war, mehr zumute war, als hätte sie eine ausgiebige Dusche unter diesem klebrigen Zeug genommen.
Allerdings hielt auch Isabelle nicht mehr lange durch. Dabei hatte Emilia an sie nicht einmal wie bei ihren Vorgängerinnen zuvor Hand angelegt, während sie vorrangig noch anderweitig beschäftigt gewesen war, trotzdem stieß das hochgewachsene Mädchen mit den blonden Haaren nur allzu bald ein unterdrücktes Keuchen aus und riss den Kopf in den Nacken, als sie sich ihres überschüssigen Samens entledigte. Doch sogar wenn ihr bevorstehender Orgasmus nicht so offensichtlich angekündigt worden wäre, hätte Emilia ihn rechtzeitig bemerkt und hätte sich darauf einstellen können. Da dieser Penis so dünn und fest war, konnte es kaum unentdeckt bleiben, wenn sich dieses Übermaß an Sperma, das Isabelle ihr mit jedem Zucken ihres Schwanzes in den Mund spritzte, durch ihn hindurchwälzte. Das geschah ebenso sichtbar wie spürbar. Es war als würden dicke Perlen durch einen dehnbaren Strohhalm geschoben werden.Zuerst bildete sich eine Verdickung an seinem Ansatz, die dann den Schaft in einer langsamen gleichmäßigen Bewegung durchwanderte und schließlich an der Eichel in einem Schwall aus warmer matschiger Flüssigkeit explodierte.
Jede dieser Kugeln komprimierten Samens lief wie ein Pulsieren an Emilias Lippen vorbei und augenblicklich erstarrte sie, als sich die erste in sie hineindrückte. Das tat sie nicht, weil sie sich erschreckt hätte, auch wenn sie nicht ganz so schnell damit gerechnet hätte, sondern ganz im Gegenteil, um sich diesem Ereignis völlig ungestört widmen zu können. Sie hatte aus den vorigen Ergüssen, die ihre Freundinnen ihr an diesem Tag in ihren bereits überfüllten Mund gelenkt hatten, gelernt und hielt die Lippen nun nicht mehr so dicht an Isabelles Latte gepresst. Sie könnte diese Gabe ohnehin nicht völlig in sich aufnehmen, erst recht nicht nachdem sie diejenigen, die ihr schon überantwortet worden waren, noch immer im Mund behielt, doch lag das auch nicht länger in ihrer Absicht. Zwar wollte sie Isabelles Soße genauso in sich laufen lassen wie die der anderen, doch sollte es sich zu möglichst gleichen Teilen in ihr zusammenfinden. Wenn sie schon durch einen Zufall das Sperma von vier Mitschülerinnen in ihrem Mund vereinte, wollte sie diese Gelegenheit auch nutzen. Es sollte sich so weit vermischen, dass es nicht mehr zu unterscheiden war, eine untrennbare gallertartige Masse verschiedener Ejakulate, und dann wollte sie es gemeinsam schlucken.
Aus diesem Grund entspannte sie sich, während immer mehr der heißen Sahne in sie floss. Sie ließ Isabelle einfach in ihren Mund kommen, ohne darauf zu achten, dass das meiste sofort wieder über ihre Lippen trat und an ihnen herabtroff. Auf diese Weise füllte sich ihr Mund von allein wieder so weit auf, bis er randvoll war, und der Rest verteilte sich eben auf ihrem Gesicht.
Eine dieser Samenkapseln nach der anderen platzte in Emilia, steuerte weitere Tropfen der tosenden Gischt bei und quoll wieder aus ihr hervor, doch wurden sie immer kleiner, und letztendlich versiegten sie ganz. Emilia blieb noch einen Moment still liegen, um sicher zu gehen, dass Isabelle sich auch wirklich verausgabt hatte, dann ließ sie vorsichtig den nun schrumpfenden Ständer aus ihrem Mund gleiten. Sie achtete darauf, nichts zu verschütten, hielt ihre Lippen fest geschlossen, sobald sie an der Spitze der Eichel aufeinandertrafen und ließ den Kopf zurück auf den Boden sinken.
Als sie so dalag, ausgestreckt auf dem Rücken, die Beine gespreizt, während ihr eigener Schwanz ihr den Schlitz aufweitete, öffnete sie den Mund wieder. Sie wusste selbst nicht so genau, warum sie das eigentlich tat, es brachte ihr ja nichts. Sie konnte sich die angerichteten Beschmutzungen nicht einmal ansehen, dennoch konnte sie sich ein ziemlich klares Bild von ihnen machen. Ihre sich auftuenden Lippen mussten einem dahinschmelzenden Gletscher gleichkommen, der sich in einer Felsspalte gebildet hatte, und sich nun in seinem Umbruch zu einem Teich hin in eine einzige Brühe verwandelt hatte. Einige Teile waren noch fester als andere, das zerstoßene Eis ließ sie zähflüssig werden, wohingegen einige schon so weit aufgetaut waren, dass es beinahe wässrig war. Auch die Farben waren zweifellos höchst unterschiedlich, von einem tiefen Weiß bis hin zur reinen Durchsichtigkeit, aber sogar in diesen klaren Abschnitten trieben wohl noch helle Einsprengsel, wie Schneeflocken, die es irgendwie geschafft hatten, in diesem Wirbel nicht unterzugehen.
Zudem befand sich das alles in einem konstanten Fluss. Emilia fühlte, wie es rastlos in ihr umherrann; schon die kleinste Bewegung reichte aus, um das Sperma in Aufruhr zu versetzen wie ein windgepeitschtes Meer, und reglos bleiben konnte sie nun wirklich nicht mehr. Schon ihr Penis wütete so heftig in ihr, dass sie automatisch im Takt seiner Stöße auf und ab wippte, aber darüber hinaus war sie ihrem eigenen Höhepunkt inzwischen so nahe, dass sie unter seinem Aufwallen bereits zu zittern begann. Sie wusste, wenn sie endlich alles schlucken würde, mit dem die anderen sie bedacht hatten, würde sie augenblicklich kommen; die Verruchtheit des ganzen und wie die weiche zähe Flüssigkeit ihren Hals überzog, würde sie unweigerlich über diese Schwelle bringen. Sie wollte nur noch ein paar Sekunden damit warten, in ihren sich überschlagenden Emotionen nur noch ein wenig länger baden, doch ehe sie dazu kam, wurde ihr Gesicht plötzlich von Marias Scham bedeckt.
Ohne dass Emilia es in ihrer Aufgewühltheit bemerkt hätte, war sie an sie herangerutscht und hatte ein Bein über sie geschwungen. Offenbar war der Anblick ihrer spermabesudelten Miene tatsächlich so erregend gewesen, wie sie ihn sich vorgestellt hatte, Maria jedenfalls schien ihm nicht standhalten zu können. Aber das war wohl auch kein Wunder. Sie konnte sich ohnehin kaum zurückhalten, wenn es um diesen Saft ging, und nun zu sehen, wie ihre Geliebte immer wieder und wieder von oben bis unten darin eingetaucht wurde, konnte in ihr nur den Wunsch geweckt haben, es ebenfalls von ihr mit dem Mund gemacht zu bekommen.
Das wollte Emilia ihr natürlich nicht verwehren, und die Wirkung war sogar noch überwältigender, als wäre sie nur ihrem ersten impuls gefolgt und hätte geschluckt. Mit Marias Schritt, der sich hemmungslos gegen sie presste, griff auch die Ekstase endlich auf sie über, die so lange gerade außerhalb ihrer Reichweite geschlummert hatte. Für gewöhnlich brachte sie Emilia nichts als absolute Entspannung, doch dieses mal zuckte sie erschrocken zusammen, als sie merkte, dass sich das Sperma aus ihr hervorzudrängen begann. Bevor sie auf das Internat gegangen war, hatte sie sich ohnehin nur sehr selten und mit einem schlechten Gewissen dieser Abstrusität hingegeben, ihren Penis in sich selbst einzulassen, aber dabei hatte sie immer unter allen Umständen verhindern müssen, dass er die Sache in ihrer Scheide zu Ende brachte. Ihr war immerhin klar, was das bedeuten könnte, und auch wenn sie manchmal nicht die Kraft hatte, sich dieser verdorbenen Eingebung zu widersetzen, sich auf diese Weise zu befriedigen, hatte sie doch stets so viel Voraussicht besessen, ihn nicht in sich abspritzen zu lassen. Sie hatte ihn immer kurz vorher hinausgezogen, was bei der Natur ihres Schwanzes gar nicht so einfach war. Er schien seinen eigenen Willen zu haben, und wenn er erst einmal ein Loch gefunden hatte, das bereit war, ihn aufzunehmen, war er nicht ohne weiteres davon abzubringen, sich auch darin zu erschöpfen. Da er außerdem so weich und glitschig war, musste Emilia ihn mit beiden Händen packen und förmlich aus sich herauszerren, wie eine Schlange, die verzweifelt versuchte, sich vor einem Adler in ihrem Nest zu verkriechen, der sie mit seinen Fängen umklammert hielt. Sie steckte ihn sich dann so schnell wie möglich in den Mund, damit er dort zum Schuss kommen konnte, und wenn sie nicht schnell genug war, kam es hin und wieder vor, dass ihr die Ladung ins Gesicht klatschte.
Mittlerweile jedoch war dieser Aufwand nicht mehr notwendig. Nachdem Maria sie darauf hingewiesen hatte, dass es kein unüberwindbares Hindernis darstellte, sich die Pille verschreiben zu lassen, hatten sämtliche Mitglieder des Clubs auf diese Möglichkeit zurückgegriffen, was ihre Treffen noch zügelloser gestaltete. Wenn man sich relativ sicher sein konnte, dass ein solches Wagnis ohne unerwünschte Folgen blieb, fiel es einem automatisch leichter, sich ohne Vorbehalte darauf einzulassen, und so war es auch jetzt.
Als Emilia klar wurde, dass sie nichts zu befürchten hatte, hörten ihre Muskeln auch, sich zu verkrampfen, und das erhoffte Gefühl gestillter Sehnsucht umfing sie. Genau genommen war es nun sogar um einiges stärker als üblich, wenn sie es sich auf diese Weise machte. Sie hatte sich nie viel davon versprochen zu erleben, wie das Sperma ihren Schlitz überschwemmte; diese Aussicht hatte sie schon nicht als besonders spektakulär erachtet, wenn jemand anderes es tun sollte, und bei ihr selbst hätte sie erwartet, dass es noch weniger aufregend wäre, doch als es in diesem Augenblick zum ersten Mal passierte, musste sie einsehen, dass sie sich geirrt hatte: es war vielmehr eine Erfahrung vollkommener Erleichterung. Das lag mit Sicherheit auch daran, dass es eigentlich nicht anders war, als würde sie ihren Höhepunkt in der Weiblichkeit einer ihrer Freundinnen bekommen, nur ging das hier weit darüber hinaus. Sie spürte nicht nur in aller Dringlichkeit, wie das Sperma aus ihr heraussrömte, sondern auch wie es in sie hineinfloss. Eine Zeit lang war es wie unendliches stetiges Rinnsal von Wärme, dass sich da in sie ergoss, als wäre ein Damm gebrochen, sodass der beinahe unerträgliche Druck, der sich in ihr aufgestaut hatte, endlich entweichen konnte. Mit der Empfindung absoluter Befreiung sickerte der Samen aus dem winzigen Loch in der Spitze ihrer Eichel, und sie brauchte gar nichts weiter dazu beitragen. Sie konnte sich völlig entspannen, während ihre Spalte sich immer mehr mit ihrem eigenen Ausfluss anfüllte.
Doch so ewig dieses Ausstoßen und gleichzeitige Aufnehmen von Körperflüssigkeiten auch anzudauern schien, endete es nach und nach, aber noch während die letzten Tropfen in ihr Inneres fielen, entsann sie sich daran, dass Maria, die noch immer auf ihrem Gesicht saß, ihr aufflammendes Verlangen noch nicht hatte löschen können. Das war unverkennbar, sie hatte nämlich angefangen, ihre Hüften schwungvoll vor und zurück zu bewegen, sodass ihr Schoß rhythmisch über den samentriefenden Mund ihrer Liebsten hinwegstrich. Ohne zu zögern entschied Emilia, dass das nicht das Maß an Aufmerksamkeit war, das ihrer festen Freundin innerhalb dieser Gruppe, von der sie sich jeder Einzelnen in aller Ausführlichkeit angenommen hatte, zustand und ließ ihr nun eine ganz besondere Hingabe zukommen. Langsam ließ sie ihre Zunge aus der Sahne auftauchen, die sich in ihr angesammelt hatte, und leckte über die sich an sie schmiegende Scham. Als Maria das spürte, hielt sie instinktiv inne, und Emilia nutzte die Gelegenheit, um ihre Zunge in sie hineingleiten zu lassen, mitsamt der zähen Schlieren von Sperma, die hartnäckig an ihr hafteten. Sie wusste, dass sich damit ein ähnliches Gefühl einstellen würde, wie es in ihrer eigenen Scheide herrschte: ein weicher Fremdkörper, der sich in sie drängte und ihren Kanal mit einer warmen, dicklichen Flüssigkeit einkleisterte.
Nach einer kleinen Weile begann Maria wieder, ihr Becken umherpendeln zu lassen, aber jetzt merklich verhaltener als zuvor. Vielleicht wollte sie so verhindern, dass die Zunge aus ihr herausglitschte, vielleicht war auch einfach nicht mehr nötig, nun da sie sich kitzelnd in sie schob, zumindest rieb der Schritt nicht länger ausladend an dem Mund entlang, sondern ging zu einem sanften Mahlen über, bei dem sie ihren Hintern nur leicht auf und ab schwenken ließ, ohne sich dabei von der Stelle zu rühren. Emilia tat währenddessen ihr bestes, ihren süß schmeckenden Höhle auszulecken, ihre Zunge in ihr umherwirbeln zu lassen und das darin befindliche Sekret weiter mit dem der vier Halbdämoninnen zu vermengen, die sich in ihrem Mund entladen hatten.
Schon bald zeigten ihre Anstrengungen Wirkung. Mit einem Mal erstarrte Maria, einzig ihre Hüfte zuckte noch unkontrolliert weiter nach vorne, sodass sich ihr Geschlecht fester auf Emilias Gesicht presste. Ein unterdrückter Schrei entrang sich ihrer Kehle und eine große Welle ihres Safts brach aus ihr hervor, dann sank sie erschöpft in sich zusammen. So verharrten die beiden eine scheinbare Ewigkeit, Maria mit hängendem Kopf und hängenden Schultern über ihr hockend, die Scham schwer auf ihrem Mund lastend, Emilia noch immer mit gespreizten Beinen, ihr eigenes Sperma in ihrem Schoß und das ihrer Mitschülerinnen auf der Zunge, bis Maria sich irgendwann leise keuchend erhob. Während sie sich seitlich von ihr wieder auf den Boden setzte, richtete auch Emilia sich auf.
Als sie so dasaß, umgeben von den Mädchen, deren Samen sich nach wie vor in ihrem Mund staute, gelangte sie zu dem Schluss, dass es an der Zeit war, ihr ursprüngliches Vorhaben in die Tat umzusetzen und ihn endlich zu schlucken. Kaum hatte sie diesen Gedanken vollendet, war es auch schon geschehen; behäbig lief diese Mixtur der verschiedenen Ergüsse ihren Hals hinab, schien auch dort überall seine klebrigen Rückstände zu hinterlassen und erfüllte ihren Bauch mit einem warmen Gefühl. Das war ein wenig seltsam, war das Sperma doch eigentlich bereits erkaltet, nachdem sie es so lange im Mund behalten hatte, dennoch war es Emilia, als ginge von ihm eine unerklärliche Hitze aus, die sich in ihrem gesamten Körper ausbreitete. Möglicherweise hing das damit zusammen, dass gerade diese Eigenheiten, die sie sonst wohl eher als abstoßend empfunden hätte, sie ohne erkennbaren Grund anmachten, wenn sie geil war, doch kam ihr ein weiterer Punkt noch viel ausschlaggebender vor: Es war ohne Zweifel eine ganz besondere Sensation, die Körperflüssigkeiten aller ihrer Freundinnen zugleich in sich aufzunehmen. Sie trank ja in diesem Moment nicht nur den Samen von Emma, Nadine, Nicole und Isabelle, sondern hatte zuvor auch schon Fantasmas geschluckt, das sich nun mit dem der übrigen verband, außerdem war darin natürlich noch ein gewisser Anteil von Marias Nektar enthalten, der unweigerlich in ihren Mund gelaufen war, als sie ihr die spermagetränkte Zunge in den Schlitz gesteckt hatte.
Doch was im Speziellen nun für ihre Verzückung verantwortlich sein mochte, der eigentliche Auslöser blieb jedenfalls bestehen. Sie musste mehrmals schlucken, um alles hinunterzubekommen, was sich in ihrem Mund angesammelt hatte, und das gestaltete sich nicht gerade leicht. Die uneinheitliche, breiige Masse in unterschiedlichen Stadien der Konsistenz ließ sich kaum bewältigen. Es war, als würde sie sauer gewordene Milch trinken, die schon beinahe geronnen war; einige dieser Schlieren flossen wie von selbst in sie hinab und zogen noch ein wenig mit sich, an dem sie offensichtlich untrennbar hafteten, andere krochen nur sehr widerwillig ihre Speiseröhre hinab, langsam und cremig, wie ein Löffel reiner Marmelade.
Aber ob nun schwerfällig oder mühelos, mit jedem Schluck durchdrang sie der Geschmack dieses Spermagemisches, und der war nicht weniger aufregend als der Rest. Nun da es abgekühlt war, schien er noch intensiver zu sein, obwohl das auch daran liegen konnte, dass es so viele verschiedene Ejakulate gleichzeitig waren, die da in sie strömten. Es konnte gut sein, dass diese vielfältigen Aromen zusammengenommen sich noch steigerten, zumindest fand Emilia es einfach atemberaubend. Es war eine einzigartige Palette mannigfacher Ausprägungen, die sich ihr nun darbot, ebenso salzig wie bitter, aber mit einer leicht süßlichen Note. An sich schmeckte es nicht besonders gut, aber es war unvergleichlich, und ließ sie vor Lust noch einmal erzittern, wie von einer letzten nachträglichen Welle ihres vorangegangenen Orgasmus.
Selbst als sie allen Samen geschluckt hatte und schon lange kein Tropfen mehr davon in ihr verblieben war, hatte sie noch immer seinen Geschmack im Mund. Es kam ihr vor, als würde das schleimige Zeug noch immer ihre Zunge bedecken, genau wie seine restlichen Überbleibsel ihr Gesicht sprenkelten, und das Salz brannte ihr in der Kehle. Infolgedessen fühlte Emilia sich nun fast traumwandlerisch, als sie hier inmitten ihrer Freundinnen saß, jeder von ihnen einen geblasen zu haben und die schimärische Präsenz deren Spermas wie einen allgegenwärtigen Schleier um sich, der alle ihre Sinne einhüllte, ohne dass sie sich aus ihm hätte befreien können. Allerdings wollte sie das auch gar nicht. Ein wohliger Schauer durchlief sie bei dem Gedanken, ihren Clubkameradinnen auf diese Weise zu Diensten gewesen sein zu können und sie genoss diesen stillen Nachhall.
So blieb sie lange Zeit reglos, völlig in ihren eigenen Gedanken versunken. Erst allmählich tauchte sie wieder aus ihnen auf, ihr Blick klärte sich und sie stellte fest, dass die anderen sich ebenso wenig bewegt hatten wie sie. Alle saßen mit heruntergelassenen Hosen da, die Kleidung hastig zur Seite gerissen, sodass ihre Penisse entblößt lagen, die jetzt schlaff zwischen ihren Beinen herabhingen, Fäden ihres Samens zogen sich langsam von ihnen auseinander und fielen schließlich zu Boden, wo sich bereits kleine Lachen gebildet hatten. Sogar von Marias Scheide tropfte eine weißliche Flüssigkeit herab, fraglos eine Mischung ihres eigenen Safts und dem der übrigen Anwesenden, den Emilia dort mit hineingedrückt hatte, als sie es ihr mit der Zunge gemacht hatte. Auch ihre Augen hatten einen schwelgerischen Ausdruck angenommen, insbesondere Fantasma wirkte, als wäre sie völlig weggetreten. Wie gebannt starrte sie auf Emilias Schoß, der zugegebenermaßen auch ein ziemlich faszinierendes Bild abgab: Ihr abgeschwollener Schwanz war schon aus ihr herausgerutscht, als sie sich aufgesetzt hatte, nun lag er wieder bewegungslos da, wie eine vollgefressene Schlange in der Mittagssonne. Um ihn herum breitete sich eine rasch größer werdende Pfütze seines Glibbers aus, doch stammte sie nur indirekt von ihm. Sie war aus Emilias Scheide geflossen, in der er sich entleert hatte; nachdem sie jetzt nicht mehr von ihm verschlossen wurde, quoll das Sperma aus ihr hervor wie Honig aus einer übervollen Wabe, rann ihre Pobacken herab und besudelte den Teppich nachgerade mit einem See, der nach diesem Zulauf wie von einem Wasserfall über seine Ufer trat.
»Moment mal«, sagte Fantasma plötzlich, während sie noch immer ganz verzaubert Emilias auslaufende Spalte betrachtete, »wenn sie sich selbst so schwängern würde, wäre das dann nicht ein Klon von ihr?«
»Äh, nein«, sagte Isabelle, als hätte sie noch nie etwas Abwegigeres gehört. »Ich will da jetzt nicht zu sehr ins Detail gehen, aber das wäre dann Autogamie, wie zum Beispiel bei Regenwürmern. Da findet trotzdem eine Rekombination der Gene statt, um einen Klon zu zeugen, müsste es aber zur Parthenogenese kommen, wobei eine unbefruchtete Eizelle sich selbst teilt und so einfach die eigene DNA vervielfältigt. Es ist aber unwahrscheinlich, dass das bei so komplexen Lebewesen wie Menschen oder Dämonen funktioniert.«
»Ah ja, danke, dass du nicht so sehr ins Detail gegangen bist«, meinte Fantasma gelassen, dann fiel ihr jedoch offensichtlich etwas Neues ein, und mit leuchtenden Augen wandte sie sich wieder an Emilia. »Na gut, du bist also keine Jungfrau mehr, aber was ist mit deinem Hintern? Okay, dein Ding würde es auch schaffen, bis dahin zu kommen, aber hast du das überhaupt mal versucht?«
»Warte mal«, rief Emilia und hob abwehrend die Hände. »Grundsätzlich hätte ich ja nichts dagegen, aber gönn mir doch mal ’ne Pause, ja? Wie wär’s, wenn wir uns das fürs nächste Mal aufheben?«
»Willst du etwas noch eine Abstimmung?«, frage Fantasma gut gelaunt, doch brachte sie ein Blick in die ausgelaugten Gesichter der Clubmitglieder von diesem Gedanken ab. »Na gut, vielleicht hast du recht, verschieben wir’s aufs nächste Mal. Dann erkläre ich unser Treffen hiermit erst einmal für beendet«, erklärte sie feierlich, doch fügte sie nach einem Moment, in dem sie die nicht unerheblichen Verschmutzungen auf dem Boden bemerkte, noch schnell hinzu: »Unter Vorbehalt zumindest. Und bis Mia uns gezeigt hat, was sie versprochen hat, ist sie mit dem Putzdienst dran.«
Emilia wollte schon Einwände erheben, aber bevor sie dazu kam, legte sich Marias Hand auf ihren Arm. Leise flüsterte sie ihr zu: »Keine Sorge, ich helfe dir. Und danach gehen wir zusammen duschen.«
Lächelnd nickte Emilia und fügte sich in ihr Schicksal. Das klang nach einer angemessenen Entschädigung.
Währenddessen lagen Lilly und Lisa eng umschlungen auf einem der Betten in ihrem gemeinsamen Zimmer. Sie hatten ihre Rückkehr ins Internat auf ganz ähnliche Weise zelebriert wie der Freak-Club ein paar Gänge weiter, dabei waren sie die Ferien über gar nicht von einander getrennt gewesen. Wie auch schon zuvor im Sommer hatten sie zusammen Lisas Eltern besucht.
Das hatte sich damals einfach so ergeben. Ihre Eltern waren froh, dass Lisa endlich eine Freundin gefunden hatte – wenn sie auch nicht ahnten, wie nahe sie sich tatsächlich standen –, nachdem sie bisher nicht den Eindruck gemacht hatte, am Internat besonders glücklich zu sein, und als sie dann noch hörten, dass Lilly ein Waise war und auch sonst kein Angehörigen besaß, zu denen sie hätte gehen können, hatten sie von sich aus den Vorschlag gemacht, dass Lisa sie doch mitbringen könnte. Sie waren unverkennbar überrascht gewesen, als sie Lilly erst einmal kennenlernten. Sie hatten wohl nicht damit gerechnet, dass ihre Tochter sich mit so einem Mädchen anfreunden würde: vollkommen in Schwarz gekleidet, so bleich, dass es aussah, als wäre sie in einen Topf voll Puder gefallen, schwere Stiefel und Ketten, die überall an ihr herabhingen. Aber bald überraschte Lilly sie zum zweiten Mal. Mit ihrer freundlichen und rücksichtsvollen Art schlossen Lisas Eltern sie schnell ins Herz und nahmen sie so offen bei sich auf, als wäre sie ein verlorengegangenes Kind, das unvermutet wieder zu ihnen gefunden hatte.
Also waren sie auch diesmal wieder nach Grünberg gefahren, Lisas Heimatstadt. Es war dasselbe Grünberg, in dem auch Emma wohnte. Sie waren sogar mit ihr im Zug hin und zurück gefahren, waren sich dort aber nicht über den Weg gelaufen. Wäre das der Fall gewesen, hätten sie vielleicht herausgefunden, dass Melanie, Emmas alte Freundin, die ihr den Anstoß zu ihrem Roman geliefert hatte, auch für Lisa keine Unbekannte war. Sie war auf das Internat geschickt worden, weil sie dem Lehrstoff immer ein wenig hinterherhinkte, in der Hoffnung, dass sich hier ihre Noten bessern würden. Sie hatte den Unterricht eben immer als langweilig empfunden und ließ sich deshalb nur zu gerne davon ablenken. Doch bevor ihre Eltern zu solch drastischen Mitteln gegriffen hatten, hatten sie es zuerst mit Nachhilfe versucht, und dazu war Melanie auserkoren worden. Sie ging zwar nur in eine Parallelklasse, gehörte aber in sämtlichen Fächern zu den Besten, weshalb sie an einem Projekt der Schule teilgenommen hatte, bei dem besonders leistungsstarke Schüler den eher schwächeren ein wenig aushalfen.
Demgemäß hatte Lisa sich auf Drängen ihrer Eltern bei dem Projekt angemeldet, doch entsprachen die Dinge, die sie bei ihren Nachhilfestunden gelernt hatte, wohl nicht unbedingt dem Lehrplan. Dabei hatte alles ganz harmlos angefangen. In den ersten paar Stunden hatten sie noch konzentriert gearbeitet, nach und nach jedoch, ohne dass eine von ihnen es beabsichtigt hätte, waren sie sich immer näher gekommen. Zu diesem Zeitpunkt war ihnen beiden schon klar gewesen, dass sie auf Frauen standen, und sie hatten einander von Anfang an ausgesprochen anziehend gefunden; als sie dann dreimal in der Woche eine ganze Stunde lang dicht zusammensaßen, ließ es sich nicht verhindern, dass es immer wieder zu kleinen, zufälligen Berührungen zwischen ihnen kam, und im Laufe der Tage wurden die immer weniger zufällig, aber dafür länger, bis ihre Lippen sich auf einmal zu einem ausdauernden, innigen Kuss trafen.
Das kam für sie beide einer Erlösung gleich. Nachdem sie sich nun schon einige Zeit genau danach gesehnt hatten und sich in stiller Abgeschiedenheit erotischen Phantasien über einander hingegeben hatten, war dieser doch noch recht unschuldige Kuss schnell ausgeartet. Bald hatten sie sich zügellos gegenseitig befingert, hatten sich die Brüste gestreichelt und sogar ihre Geschlechter liebkost, doch da das alles im Haus von Lisas wenig liberalen Eltern stattfand, konnten sie auch nie völlig aus sich herausgehen. Sie hatten sich nie komplett nackt gesehen, sondern ihre Kleidung nur so weit verschoben, dass sie in aller Eile wieder zurechtgezogen werden konnte, sollte es unerwartet an der Tür klopfen, und auch ihr Stöhnen mussten sie mühsam unterdrücken.
Als das erst einmal passiert war, hatten sie bei den nachfolgenden Gelegenheiten kaum noch gelernt. Zwar war Melanie sehr pflichtbewusst und hatte versucht so gut es ging ihrer Aufgabe nachzukommen, doch hatte Lisa andere Absichten gehabt. Sie war eben von Grund auf hedonistisch veranlagt; sie sah einfach keinen Sinn darin, etwas zu tun, worauf sie keine Lust hatte, und im Zuge dessen verführte sie Melanie lieber statt sich von ihr unterrichten zu lassen. Damit erzielten die Nachhilfestunden natürlich nicht den gewünschten Effekt. Als Lisas schulische Leistungen nach mehreren Wochen noch immer kein Zeichen der Besserung aufwiesen, entschieden ihre Eltern sich dazu, sie in dem Internat einzuschreiben, und so fand diese Beziehung ein abruptes Ende.
Danach hatte Lisa eine ganze Weile keine Möglichkeit mehr, ihr Verlangen auszuleben. Erst ein halbes Jahr später, als sie Lilly kennenlernte und sich auf den ersten Blick in sie verliebte, war es wieder dazu gekommen. Das war ganz ähnlich vor sich gegangen, wie die Sache mit Melanie. Lisa hatte sich einfach sofort zu ihr hingezogen gefühlt, und als sie dann noch entdeckte, dass Lilly zwei Geschlechter hatte, einen Penis ebenso wie eine Scheide, hatte sie ihre Neugierde nicht zügeln können. Es war immerhin so unvorstellbar gewesen. Nichts hatte darauf hingewiesen, sie sah wie ein vollkommen normales Mädchen aus, sehr hübsch zwar, aber nicht weiter ungewöhnlich, trotzdem war es nicht zu bestreiten gewesen, als sie erst einmal die Hosen heruntergelassen hatte, um ihr zu beweisen, dass sie tatsächlich ein Mädchen war, das eben zusätzlich noch einen Schwanz besaß. Also hatte sie dann so dagehockt, nachdem Lisa ihr zuvor noch in die Eier getreten hatte, oder zumindest dahin, wo sie ihre Eier vermutete: die ersten Andeutungen von Brüsten, die sich unter ihrem Shirt erhoben, ihr Ding schlaff zwischen den Beinen wie eine verschrumpelte, mit Wasser vollgesogene Karotte und sah mit ihrem unglaublich niedlichen Gesicht ängstlich zu ihr auf, voller Furcht, aus dieser Zuflucht, in die man sie nach dem Tod ihrer Mutter abgeschoben hatte, wieder vertrieben zu werden, schließlich war es ein reines Mädcheninternat.
Da hatte Lisa unmöglich widerstehen können. Obwohl sie zweifellos lesbisch war, hatte sie sich doch schon lange gefragt, wie sich ein Penis in ihr anfühlen würde, und Lilly war so freundlich gewesen, sich ihr zur Beantwortung dieser Ungewissheit zur Verfügung zu stellen. Nur einen Tag später hatten sie sich ihre Liebe gestanden, und seitdem waren sie unzertrennlich.
Daran konnten nicht einmal die unaussprechlichen Verbrechen etwas ändern, die Sinistra, Lillys dämonische Mutter, ihnen angetan hatte. Natürlich hatte es unauslöschbare Spuren in ihnen beiden hinterlassen, seelische Narben, die niemals wieder verschwinden würden, doch war ihre gegenseitige Zuneigung stärker als das. Es hatte sogar den Anschein, als hätte es sie noch näher zusammengebracht. Das Leid, das sie teilten, ihre schrecklichen Erinnerungen und die unermesslichen Verheerungen ihres Inneren, mit denen sie von nun an fertig werden mussten; diese Gemeinsamkeiten, so grauenvoll sie auch waren, hatten ihre Herzen unumkehrbar miteinander verschmelzen lassen. Gemeinsam waren sie Sinistra entkommen, und gemeinsam überwanden sie die Macht, die diese Abscheulichkeiten noch immer über sie hatte, auch wenn das ein Kampf war, der nie gewonnen werden konnte. Jeden Tag aufs Neue mussten sie sich ihm stellen, und alles, was sie sich davon erhoffen durften, war, den Schmerz für eine Weile zu betäuben.
Dennoch hatten sie beide ihre eigene Art, mit dem Erlebten umzugehen. Lilly hatte es zu dem Mädchen gemacht, das Lisa nun im Arm hielt, still und in sich gekehrt, immer auf der Hut, als würde sie ständig erwarten, dass das nächste Unglück über sie hereinbrach, und mit Augen, die eine Qual verrieten, die niemals vergehen würde, aber auch von einer in ihr schlummernden Kraft zeugten, die sie aufflammen ließen wie von einer schwelenden Glut erfüllt.
Lisa hingegen war immer mit einem unerschütterlichen Optimismus gesegnet gewesen, und obwohl sie nie wieder so unbeschwert wie früher werden konnte, erlaubte sie sich einfach nicht, sich davon unterkriegen zu lassen. Was Sinistra getan hatte, war unverzeihlich, aber es wäre noch schlimmer, sich dem zu ergeben. Das Grausamste an dieser Vergewaltigung war doch der Verlust der Kontrolle über den eigenen Körper; gegen ihren Willen war ihr ein Pfahl in den Unterleib gerammt worden, und in diesem Zusammenhang war es das gleiche, als hätte ihr jemand ein Messer in den Bauch gestoßen. Plötzlich war sie völlig hilflos gewesen, sie hatte nicht einmal mehr bestimmen können, was mit ihr geschah, stattdessen war sie gezwungen, es über sich ergehen zu lassen, wie seine niedersten Triebe an ihr abarbeitete.
Das einzig Sinnvolle, um diese verlorene Kontrolle wiederzuerlangen, war ihrer Meinung nach, zurück zu sich selbst zu finden, alles andere hätte Sinistra mit Sicherheit nur noch mehr Befriedigung verschafft, und das wollte Lisa unter keinen Umständen zulassen. Ihr war klar, dass es Macht war, worum es Sinistra dabei eigentlich ging. Sie hatte sich eher daran aufgegeilt, dass ihr jemand wehrlos ausgeliefert war, als dass sie nur ihrer Lust hatte nachgehen wollen. Natürlich war Lisa ohnehin nur ein Mittel zum Zweck gewesen, um Lilly ihre Kräfte bewusst zu machen, ein Werkzeug, dessen man sich achtlos bedienen konnte und das ruhig zerbrechen konnte, nachdem es seine Aufgabe erfüllt hatte, trotzdem erging Sinistra sich bestimmt in der Gewissheit, dass ihre abstoßende Tat noch immer ihre Schatten über ihre Opfer warf, aber dazu würde Lisa es niemals kommen lassen. Das hätte doch bloß eine Anerkennung der Gewalt bedeutet, die über sie ausgeübt worden war.
Dementsprechend setzte Lisa alles daran, sich diesem Einfluss zu entziehen. Sie hatte erdulden müssen, wie dieses Monster sich an ihr vergriffen hatte, das war schlimm genug gewesen, aber sie würde es nicht hinnehmen, dass es ihr auch noch weiterhin seinen Willen aufzwang. Das war allerdings ein ebenso langsamer wie qualvoller Prozess. Es gab Wunden, die niemals ganz heilten, und dies war eine von ihnen. Indem Sinistra sie missbraucht hatte, hatte sie etwas, das Lisa bisher nur als wunderschön gekannt hatte, in etwas Widerwärtiges gewandelt. In den ersten Wochen, nachdem das geschehen war, hatte sie schon gedacht, dass sie nie wieder jemandem so weit vertrauen könnte, um Sex zu haben, es fiel ihr ja schon schwer genug, überhaupt ihren Alltag zu bestehen. Manchmal überfielen sie völlig unvorhersehbare Panikattacken, sie konnte es nicht aushalten, mit jemand anderem als Lilly allein in einem Zimmer zu sein, und selbst flüchtige Berührungen an ihrem Arm, wenn man sie im Vorübergehen streifte, verursachten ihr Übelkeit.
Doch obwohl keine dieser Auswirkungen wirklich verschwand, wurden sie wenigstens immer seltener, und im selben Maße, wie sie schwanden, stieg ihre Sehnsucht nach Zärtlichkeit. Lilly war für sie eben wie ein Fels in der Brandung, selbst in diesen sturmumtosten Untiefen, in die das Schicksal sie geworfen hatte, konnte sie sich noch an sie klammern und Trost bei ihr finden. Es war, als wären sie füreinander bestimmt, als wäre Lilly ein unbändiges Leuchtfeuer in der Dunkelheit, das ihr Wärme und Schutz vor den Gefahren der Nacht bot, und das sie so unentrinnbar zu sich hinzog, dass sie die Hölle durchwandert hätte, um zu ihm zu gelangen. Zunächst war es also kein körperliches Verlangen, das wieder zu mehr Intimität zwischen ihnen führte, sondern ein geistiges, ihr immerwährendes Gefühl der Zusammengehörigkeit. Unmittelbar nach Sinistras vorläufigem Dahinscheiden von dieser Welt hatte Lilly ihr versprochen, dass ihr niemals wieder etwas zustoßen würde, dass sie sie vor jedem nur erdenklichen Leid beschützen würde, und Lisa wusste, dass sie nichts unversucht lassen würde, um dieses Versprechen einzulösen. An ihrer Seite spürte sie endlich wieder die Liebe und Geborgenheit, die sie sich so sehr wünschte, aber die noch einmal zu erleben sie schon nicht mehr zu hoffen gewagt hatte.
Als sie sich so gegenseitig über diese tragischen Ereignisse hinweggeholfen hatten, hatten sie ganz instinktiv die Nähe zueinander gesucht; sie hatten sich im Arm gehalten, sich gestreichelt und sanfte Küsse getauscht. Irgendwann hatte eins zum anderen geführt, und sie hatten zum ersten Mal seit den vergangenen Schrecknissen wieder miteinander geschlafen. Von dort war es nur noch ein kurzer Weg, bis ihre Beziehung zu alter Stärke zurückfand. Was ihnen widerfahren war, war weder vergessen noch vergeben, und natürlich waren die Traumata, die sie beide unweigerlich davongetragen hatten, noch lange nicht bewältigt, aber immerhin waren sie wieder zu einem solch engen Kontakt fähig.
Vor allem für Lisa hatte das etwas zutiefst Befreiendes an sich. Seit sie ihre ersten Erfahrungen mit Melanie gesammelt hatte, war diese Art der Nähe einzig von Freude und unendlicher Zuneigung erfüllt gewesen. Sinistra schien ihr das genommen zu haben, doch nachdem sie nun mit Lillys Hilfe festgestellt hatte, dass dem nicht so war, kam es ihr vor, als wäre zumindest ein Teil der schweren Eisenketten, mit denen sie sich seit diesem Vorfall behangen wähnte, von ihr abgefallen. Sowohl bei ihren Nachhilfestunden mit Melanie als auch später in den glücklicheren Tagen mit Lilly, bevor Sinistra sich an ihr vergangen hatte, hatte sie jede Gelegenheit genutzt, um es mit ihrer Liebsten zu treiben, und nun da dieses einengende Gefühl, das ihren Brustkorb so lange umschnürt hatte, sich endlich ein wenig lockerte, verfiel sie wieder in dieses Verhaltensmuster. So wie sie sich zuvor von Lilly hatte umarmen lassen, um bei ihr Linderung ihrer Schmerzen zu finden, verschaffte sie sich nun auf diese Weise Erleichterung. Lilly bedeutete ihr eben mehr als alles andere auf der Welt, und wenn sie sich einander hingaben, verhieß das Lisa nicht nur eine Rückkehr in ihr früheres Leben, sondern auch eine unzerstörbare Verbindung zu diesem Mädchen, das sie so sehr liebte.
Sie waren es inzwischen schon ein paar Monate lang gewohnt, beinahe jeden Tag miteinander zu schlafen, doch war das in den letzten zwei Wochen nicht möglich gewesen. Dabei ging es nicht einmal darum, dass ihre Eltern ohne Frage der Meinung waren, dass ihre Tochter noch ein wenig zu jung wäre für eine solch rückhaltlose Form der Zuneigungsbekundung, sie hatten schlicht keine Ahnung von ihren lesbischen Neigungen, und Lisa war der Ansicht, es wäre das Beste für alle Beteiligten, wenn es vorerst dabei blieb. Sie hätten ihre Empfindungen sicher nicht gutgeheißen, wahrscheinlich hätten sie sie nicht einmal verstanden. Dazu war ihre Weltanschauung wohl zu konservativ, wie Lisa vermutete. Ihnen war es wichtig, dass man strikt ihre Regeln befolgte, dass man sein Zimmer aufräumte, nicht in schmutzigen Klamotten herumlief und gute Noten nach Hause brachte. Aus diesem Grund war sie ja schon an dem Internat gelandet, und so hatte sie immer mehr den Eindruck gewonnen, dass sie ihr wahres Ich lieber vor ihnen verborgen hielt.
Deswegen hatten sie die ganzen Ferien über so tun müssen, als wären sie nur gute Freundinnen. Nur unter allergrößten Anstrengungen schafften sie es, sich nicht doch verräterische kleine Zeichen der heimlichen Liebe zukommen zu lassen, und selbst wenn sie außer Haus waren und Lisa ihrer Freundin die Plätze zeigte, an denen sie aufgewachsen war, trauten sie sich nicht, Händchen zu halten, so sehr alles in ihnen auch danach verlangte. Zwar wäre das nur eine recht unscheinbare Geste der Vertrautheit gewesen, aber Grünberg war nun einmal eine Kleinstadt, und Lisa hatte schon früh gelernt, dass die vertretbaren Grenzen der Moral in einer solchen sehr eng gesteckt waren. So etwas sah man hier in Folge der demographischen Gegebenheiten sonst eben nicht, und was man nicht kannte, löste leicht Unbehagen aus. Früher oder später hätte diese Nachricht ihre Eltern also auf jeden Fall erreicht, und obwohl Lisa von Natur aus eher sorglos war, sah sie in einem weiteren Streit mit ihnen keinen Sinn. Sie hatte schon oft genug versucht, ihnen ihre egalitäre Einstellung näher zu bringen und war jedes Mal daran gescheitert.
Als sie dann an diesem Nachmittag wieder am Internat ankamen, hatten sie es kaum noch erwarten können, sich in ihr eigenes Zimmer zurückzuziehen, wo sie keine entrüsteten Blicke zu befürchten hatten. Es war nicht unbedingt geplant gewesen, dass sie sich hier gleich so ausgiebig miteinander vergnügten, aber es waren zwei entbehrungsreiche Wochen gewesen, und so hatten sie ab einem bestimmten Punkt gar nicht mehr aufhören können. Zuerst hatten sie nur auf dem Bett gesessen und sich geküsst, doch sobald Lisa bemerkte, dass Lilly einen Ständer bekommen hatte, konnte sie nicht anders, als ihn durch den Stoff ihrer Hose hindurch zu streicheln. Daraufhin hatte Lilly angefangen, Lisas Brust zu liebkosen, und ehe sie es sich versahen, waren sie schon dabei, sich gegenseitig die Kleider vom Leib zu reißen.
Wie so oft war es Lisa auch diesmal so vorgekommen, als würden sie wie von selbst aufeinander zustreben, als wären sie zwei Teile eines Ganzen, deren Bestimmung es war, vereint zu sein. Davon hatte sie nichts abhalten können, auch als es plötzlich an der klopfte, während sie noch einigermaßen unverfänglich beisammen gewesen waren, war das nur eine kleine Unterbrechung auf ihrem eigentlichen Weg. Es war Fantasma gewesen, die sie zu einem Clubtreffen hatte einladen wollen, doch hatten sie dieses Angebot freundlich abgelehnt. Zwar waren sie offiziell Mitglieder des Clubs, allerdings beschränkte sich ihre Teilnahme an dessen Belangen auf die rein soziologische Komponente. Die Ziel, die die anderen mit ihm verfolgten, waren dieselben, die auch sie antrieben, doch hatten sie kein Interesse an den ausufernderen Beschäftigungen, denen dort nicht gerade selten nachgegangen wurden. Sie verabschiedeten sich immer rechtzeitig, bevor es dazu kam. In dieser Hinsicht blieben sie lieber unter sich. Keine von beiden verspürte den Drang dazu, es mit jemand anderem zu tun, vor allem nicht bei der gemeinsamen Vergangenheit, die sie zu bewältigen hatten. So hatten sie auch nie eine der Aufnahmeprüfungen abgelegt, wie es bei ihnen offenbar gebräuchlich war, sondern waren mehr ehrenhalber zu Mitgliedern ernannt worden.
Dennoch hatten sie nichts gegen die Freizügigkeiten des Clubs einzuwenden. Es freute sie für die anderen, wenn sie darin offen ihre Bedürfnisse ausleben konnten, sie selbst jedoch hatten ineinander bereits alles gefunden, wonach sie sich jemals gesehnt hatten. Was jetzt die heutige Versammlung betraf, hatten sie schon geahnt, dass sie nicht eher enden würde, als dass Fantasmas Zimmer einschließlich aller Anwesenden so aussah, als hätte eine Tortenschlacht stattgefunden. Allein deshalb wären Lilly und Lisa wohl nicht mitgekommen, sogar wenn sie nicht gerade im Begriff gewesen wären, sich mit ihrer brennenden Leidenschaft füreinander zu befassen.
Nun jedenfalls lagen sie hier auf dem Bett, sich umarmend und fest aneinandergekuschelt, während ihre abklingende Lust noch in sanften Wellen durch ihre Körper pulsierte, so wie sich das Meer nach einer Flut über den Strand zurückzog. Noch immer konnte Lisa das Sperma warm in ihrer Scheide spüren, wo Lilly sich in ihr ergossen hatte. Sie wusste nicht warum, aber diese ersten paar Minuten nach einem Orgasmus verbrachte sie immer in einem merkwürdigen Zustand irgendwo zwischen Euphorie und Melancholie. Erleichterung durchströmte sie und ihre Angebetete schmiegte sich an sie, was hätte es also Schöneres geben können? Gleichzeitig überkam sie in diesen Momenten aber auch ein Hauch von Schwermut. Hin und wieder überlegte sie, woran das liegen mochte. Rief die weichende Ekstase eine Empfindung des Verlusts in ihr hervor, oder hatte sie unterbewusst Angst, dass Lilly sie verlassen könnte?
Selbstverständlich war beides unnötig – Lilly versicherte ihr immer wieder, dass sie bis in alle Ewigkeit bei ihr bliebe, und zusammen mit ihr war die nächste Ekstase nicht weit – aber das änderte nichts daran. Doch ob es nun die Furcht davor war, alleingelassen zu werden oder nicht, wenn sie in dieser Stimmung war, musste sie ihrer Freundin besonders nah sein. Ohne zu zögern ergriff sie deren Hand, hielt sie sich vor das Gesicht und bedeckte sie mit Küssen.
»Was machst du denn da?«, kicherte Lilly.
»Nichts«, sagte Lisa seufzend vor Glück. »Ich liebe dich einfach nur.«
»Ich liebe dich auch«, flüsterte Lilly leise zurück.
Lisas Mund war jedoch zu beschäftigt, um eine andere Antwort zu geben als einen tonlosen wohligen Laut. Sie presste ihre Lippen immer noch unablässig auf den Rücken der Hand, drehte sie schließlich um und widmete sich der Fläche auf dieselbe Weise. Erst als sie das Gelenk erreichte, hielt sie kurz inne. Auf ihm leuchtete hell die schmale Verwerfung der Haut, die die selbst zugefügte Wunde dort hineingegraben hatte. Mittlerweile kannte sie die Geschichte, die hinter diesen Nähten stand sehr genau, trotzdem konnte sie es jetzt nicht verhindern, dass ihr die Tränen in die Augen stiegen.
Alles hatte angefangen, als Lilly elf Jahre alt war. Damals war Sinistra das erste Mal zu ihr gekommen. Ihre Mutter hatte alles in ihrer Macht stehende getan, um das zu verhindern: sie war noch vor Lillys Geburt von Frankreich aus hierher ausgewandert, hatte ihr alles über Dämonen beigebracht, was sie in Erfahrung bringen konnte, und hatte Gitterstäbe vor ihrem Fenster anbringen lassen, aber letztendlich hatte nichts davon auch nur den geringsten Nutzen gehabt. In dieser dunklen Nacht vor etwas mehr als zwei Jahren hatte sie unter tragischen Umständen feststellen müssen, dass die Geschichten ihrer Mutter über Dämoninnen keine bloßen Hirngespinste waren. Sie war vergewaltigt worden, und nichts hatte sie davor bewahren können, nicht die Sicherheitsmaßnahmen ihrer Mutter, nicht ihre Schreie und nicht ihre Tränen.
In den darauffolgenden Nächten war das immer wieder passiert, ohne dass diese Besuche ein bestimmtes Muster aufgewiesen hätten. Manchmal lagen zwei Wochen zwischen diesen Vorfällen, dann wieder nur ein oder zwei Tage. Im Grunde war diese Ungewissheit das Schlimmste von allem. Sie konnte keine ruhige Minute mehr verbringen, geschweige denn auch nur ein Auge zutun; sie lebte einzig in der ständigen Angst, dass es in dieser Nacht wieder geschehen konnte. Dieses Haus, in dem sie sich vorher so wohl gefühlt hatte, war plötzlich zu einem Ort des Schreckens geworden. Sie vergaß die glücklicheren Zeiten, die sie hier verlebt hatte, bis sie sich nur noch an ihre Marter erinnern konnte, die langen qualvollen Stunden, in denen sie darauf wartete, das nächste Mal missbraucht zu werden, und die noch weitaus entsetzlichere Folter, wenn es so weit war.
Es gab auch nichts, das ihr einen Schutz hätte bieten können, und somit keine noch so geringe Hoffnung auf Rettung. Es brachte nichts, sich einzuschließen oder davonzulaufen; Sinistra als Dämonin ließ sich nicht von Mauern aufhalten, sie materialisierte sich einfach aus den Schatten, wo immer sie wollte, und sie war im Stande, ihre Tochter überall aufzuspüren. Selbst die Autoritäten, in deren Obhut sie aufgewachsen war, und die sie bisher als übermächtig empfunden hatte, konnten ihr nun nicht mehr beistehen: ihre Mutter war Sinistras Kräften gegenüber ebenso hilflos wie sie, die Polizei hätte ihr niemals geglaubt und nicht einmal in der Kirche hatte sie die ersehnte Erlösung gefunden. Im Laufe der Zeit hatte sie Symbole, Amulette und Sprüche sämtlicher Religionen gegen Sinistra aufgebracht, die sie entdecken konnte, doch all das war von ihr mit einem Lachen beiseite gewischt worden. Offenbar gab es keine höhere Macht, an die man sich in seiner Not hätte wenden können, oder sie nahmen keinen Anteil an menschlichen Geschicken, Sinistra zumindest machte sich ungehindert weiter an ihr zu schaffen und demütigte sie sogar noch mit ihren sinnlosen Bemühungen, sich zur Wehr zu setzen.
Ein Jahr lang ertrug Lilly ihr Elend stumm, dann sah sie nur noch einen Ausweg. Eines Abends, als ihre Mutter gerade nicht zu Hause war und der Gedanke an die hereinbrechende Dunkelheit und was sie mit sich bringen mochte so unerbittlich auf ihr lastete, dass ihre Seele darunter zerquetscht zu werden drohte, nahm sie das scharfe Messer aus der obersten Küchenschublade, das dazu gedacht war, Fleisch zu filetieren, und schloss sich mit ihm im Bad ein. Dort zog sie sich aus, setzte sich aufrecht in die Badewanne und atmete tief ein und aus, während sie noch einmal ihre Gedanken sammelte. Doch letztlich hatte sie keinen Zweifel. Sie hatte keinen Grund, ihr Leben fortzusetzen, aber Tausende, es jetzt zu beenden: jeder einzelne Tag, an dem ihr eine weitere Misshandlung bevorstand. Mit einer ruckartigen Bewegung schnitt sie sich nacheinander beide Pulsadern auf, dann sah sie gelassen zu, wie das Blut in heißen Bahnen aus ihr hervorlief.
Um ehrlich zu sein konnte Lisa diesen verzweifelten Schritt sogar nachvollziehen. Es gab Tage, an denen erschien ihr das selbst einfacher als mit ihren Erinnerungen weiterzuleben, dabei hatte sie nur einen Nachmittag unter Sinistras Gewalt gestanden, Lilly hingegen war ihr ohne Unterlass und ohne entkommen ausgeliefert gewesen.
Doch zum Glück für sie beide schlug dieser Selbstmordversuch fehl. Zum einen hatte Lilly das Messer quer über ihre Handgelenke geführt, sodass sie nur langsam verblutete, zum anderen kehrte ihre Mutter schon früher als erwartet zurück. Sie bekam Angst, als ihre Tochter nirgendwo aufzufinden war und sich auf ihr unnachgiebiges Klopfen und Rufen an der verschlossenen Badezimmertür nichts tat. Mit der Kraft einer Mutter, die um ihr Kind fürchtete, rannte sie die Tür mit der Schulter ein. Das benötigte ein paar Anläufe, doch hätte sie in diesem Moment auch ein Stahlschott nicht aufgehalten. Sie fand Lilly bewusstlos in der Badewanne vor, verband ihre Wunden schnell mit zwei Handtüchern ohne auf all das Blut zu achten, das hier verteilt war, und trug sie zum Auto. Auf dem Weg ins Krankenhaus überfuhr sie sämtliche rote Ampeln und raste so leichtsinnig, dass es an ein Wunder grenzte, dass sie heil ankamen.
Aber sie kamen heil an, und das gerade noch rechtzeitig. Als sie mit quietschenden Reifen vor der Notaufnahme zum Stehen kam, war Lillys Zustand bereits kritisch. Ihr Atem ging nur noch flach, als die Ärzte sie in einen Operationssaal schoben, dennoch schafften sie es, ihr Leben zu retten.
Zu Anfang war Lilly damit natürlich ganz und gar nicht einverstanden. Schon als sie in diesem Krankenhausbett liegend erwachte, nachdem man ihr Bluttransfusionen verabreicht und die Schnitte an ihren Handgelenken genäht hatte, fühlte sie nichts als Enttäuschung, und obwohl sie kaum bei Bewusstsein war und sich unter ständiger Beobachtung befand, stand ihr Entschluss fest, es bei der nächsten Gelegenheit gleich wieder zu versuchen.
Die kam allerdings nicht allzu bald. Auch wenn nicht alle paar Minuten eine Krankenschwester hereingeschaut hätte, lagen noch andere Mädchen bei ihr im Zimmer, außerdem war es offensichtlich, dass alle Gegenstände, an denen man sich hätte verletzen können, entfernt worden waren. Nicht einmal als sie entlassen wurde, ließ sich ihr Plan umsetzen. Sie stellte schnell fest, dass auch zu Hause sämtliche scharfe Dinge weggesperrt worden waren, sogar an der Küchenschublade mit den Messern war neuerdings ein Schloss angebracht. Wenn sie sich unbedingt jetzt hätte umbringen wollen, wäre ihr nur die Wahl geblieben, sich mit einem stumpfen Brotmesser ihre verheilenden Wunden wieder aufzureißen oder – da man ihr nicht einmal mehr einen Gürtel anvertraute – sich mit einem Bettlaken zu erhängen. Keine dieser beiden Optionen sprach sie besonders an, und so beschloss sie, damit noch zu warten, bis sich eine Alternative ergab, die weniger Überwindung kosten würde.
Doch dazu kam es nicht mehr. Zu den Auflagen ihrer Entlassung aus der Aufsicht gehörte es, dass sie einen Psychologen besuchte. Sowohl ihre Mutter als auch Lilly war von vorneherein klar, dass das nicht viel bringen würde, immerhin konnte sie ihm nicht die volle Wahrheit anvertrauen, allerdings wandelte sie sie auch nur leicht ab. Sie erzählte ihm, dass sie einmal auf dem Heimweg von der Schule von einem Unbekannten überfallen und vergewaltigt worden wäre, und obwohl das tatsächliche Ausmaß der Grausamkeiten, die sie hatte erdulden müssen, weit darüber hinausgingen, tat es gut, mit jemandem über ihr Leid zu sprechen.
Das war aber nur einer der Gründe, warum es ihr allmählich besser ging, der sehr viel ausschlaggebendere war, dass Sinistras nächtliche Besuche aufgehört hatten. Lilly wusste nicht, woran das lag, ob sie nach diesem Suizidversuch vielleicht zu der Entscheidung gelangt war, dass sie zu weit gegangen war, aber das interessierte sie auch nicht, solange sie sie nur niemals wiedersehen musste.
Ein Jahr lang lief alles gut, und Lilly begann gerade zu glauben, dass die Welt doch lebenswert sein könnte, als ihre Mutter starb. Ironischerweise geschah das durch einen Autounfall, ein Jahr nach ihrer halsbrecherischen Fahrt durch eine dunkle Innenstadt, um ihre Tochter zu retten. Manchmal überlegte sie, ob Sinistra etwas damit zu tun gehabt hatte, war aber eigentlich überzeugt, dass dem nicht so war. Die Polizei hatte jedenfalls keine Fremdeinwirkung feststellen können. Es war mitten im Winter gewesen, die Fahrbahn war vereist und es war bereits dunkel. Wahrscheinlich hatte ihre Mutter sich einfach beeilt, wieder nach Hause zu kommen, seit ihrem Selbstmordversuch ließ sie Lilly nicht mehr gern allein, da war sie wohl von der Schnellstraße abgekommen und frontal in eine Laterne gekracht.
Außerdem schien Sinistra nicht die Art Frau zu sein, die kaltblütig jemanden umbrachte. Sicher, sie war ein verabscheuungswürdiges Miststück, dass keine Rücksicht in menschlichen Belangen zeigte, trotzdem machte sie auf Lilly nicht den Eindruck einer Mörderin, zumal sie es gar nicht nötig hatte, so weit zu gehen, um ihre Ziele zu erreichen. Sie hatte gar keinen Grund, ihre Mutter aus dem Weg zu räumen, das hätte ihr rein gar nichts eingebracht, aber selbst wenn es einen gegeben hätte, wäre es der Mühe nicht wert gewesen. Was auch immer sie wollte, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte sie kein menschliches Wesen davon abhalten, das konnte Lilly aus eigener Erfahrung mit absoluter Sicherheit sagen.
Die einzige nahe Verwandte, die ihr blieb, war eine alleinstehende Tante in Frankreich, die sich jedoch nicht in der Lage sah, sich um ein Kind kümmern zu können. Insgeheim war Lilly fast froh darüber. Sie hatte diese Tante noch nie getroffen, und war auch noch nie in Frankreich gewesen. Sie konnte sich nicht vorstellen, bei einer Frau einzuziehen, die sie gar nicht kannte, und dort in einem fremden Land zur Schule zu gehen. Zwar sprach sie fließend Französisch, aber sie war sich nicht sicher, ob ihre Fähigkeiten ausreichten, am Unterricht teilzunehmen. In Absprache mit Lilly kamen die Tante und das Jugendamt schließlich überein, dass es unverantwortlich wäre, sie in dieser Phase der Trauer aus ihrer vertrauten Umgebung herauszureißen und zu einer weit entfernten Verwandten zu schicken, also riss man sie aus ihrer vertrauten Umgebung und schickte sie auf ein weit entferntes Internat. Das hätte Lilly sehr viel mehr ausgemacht, wenn sie ihre vertraute Umgebung noch mit etwas anderem als dem Schrecken ihrer Vergangenheit und dem Tod ihrer Mutter in Verbindung gebracht hätte, doch so wie die Dinge standen, war sie zufrieden mit dieser Entscheidung.
Ab und zu telefonierte sie mit ihrer Tante, hatte aber sonst nicht viel mit ihr zu tun. Lilly hatte sie immer noch nicht getroffen, da sie nicht einmal in den Ferien die Zeit fand, sie bei sich aufzunehmen; sie kam nur für ihren Aufenthalt im Internat auf und ließ ihr ein monatliches Taschengeld zukommen – wofür Lilly ihr sehr dankbar war. Wie sie erfahren hatte, war diese Tante Archäologin; sie verdiente also recht gut, hätte aber bei ihrem Lebensstil, bei dem sie immer wieder für mehrere Monate zu Ausgrabungsstätten in aller Welt reisen musste, wirklich Schwierigkeiten gehabt, sich ausreichend um sie zu sorgen. Das machte die gelegentlichen Telefonate mit ihr dafür umso spannender. Sie war sehr nett und konnte stets Geschichten von den exotischten Gegenden erzählen.
Mit all diesen Gedanken im Kopf fuhr Lisa nun fort, Lillys Handgelenke zu küssen. Zärtlich ließ sie ihre Lippen über die Narben darauf hinweggleiten; sie waren wie Stigmata, die jedes Unrecht symbolisierten, das ihrer Freundin je widerfahren war, und mit dieser Geste, so unzulänglich sie auch war, hoffte sie, wenigstens einen kleinen Teil davon wiedergutmachen zu können. Natürlich konnte sie nichts ungeschehen machen, doch würde es möglicherweise den Schmerz ein wenig lindern, auch wenn er niemals ganz verging. Er verzog sich höchstens wie ein Raubtier in seine Höhle, nur um sofort wieder über einen herzufallen, wenn man unachtsam wurde. So war es nicht mehr als eine Kompensation, das Pusten einer Mutter auf die Blessur eines Kindes, das hingefallen war, aber auch das verfehlte immerhin nicht seine Wirkung. Dabei ging es weniger darum, ein negatives Gefühl abzustellen, sondern mit etwas Positivem zu überlagern – der Zuneigung, die einem entgegengebracht wurde, der Gemeinschaft, die einen umgab – und genau diesen Ansatz verfolgte Lisa. Sie konnte den Schatten der Untaten, denen sie ausgeliefert gewesen war, nicht von ihr nehmen, das war etwas, mit dem sie beide zu leben lernen mussten, doch konnte sie ihr die grenzenlose Liebe zeigen, die sie für sie empfand. Die würde schließlich ebenso wenig schwinden. Sie liebte Lilly einfach über alles, egal welche Narben ihre Haut oder ihre Psyche zierten, und vielleicht half es ihr zu wissen, dass sie in ihrer Qual nicht allein war.
So zumindest war es immer für sie, wenn Lilly ihre Narbe streichelte, was recht häufig vorkam. Es war die einzige, die sie besaß, und das auch erst seit ein paar Monaten, doch da sie fast ihre gesamte linke Gesäßhälfte einnahm, war es unvermeidlich, dass Lillys Hände hin und wieder über sie hinwegstrichen. Sie schien ihren Hintern zu mögen; sie umfasste ihn oft, wenn sie sich küssten, grub ihre Finger in die Wangen oder führte sie sanft an ihnen auf und ab. Auch diese Narbe hatte Sinistra zu verantworten, und es war eine unbestreitbare Erleichterung zu spüren, wie Lilly sie dort berührte, als würde die sich langsam schließende Wunde so noch schneller verwachsen. Es kitzelte immer ein wenig, aber das gehörte wohl zum Heilungsprozess dazu. Wo man schon einmal verletzt worden war – ob am Herzen, in der Seele oder am Fleisch – war man zwangsläufig empfindlicher. Zuweilen kribbelte es sogar ganz ohne Anlass. Sie hatte schon gehört, dass alte Menschen von sich behaupteten, daran ablesen zu können, wie das Wetter am nächsten Tag würde, doch Lisa hatte noch keine solche Gesetzmäßigkeit bemerkt. Ihr war nur aufgefallen, wie beruhigend es war, zu beobachten, wie die tiefen Kratzer auf ihrer Hinterbacke von Tag zu Tag schwächer wurden, wie das zerfetzte Gewebe wieder zusammenfand, erst rote Linie bildend und dann weiße, die immer weiter verblassten. Einerseits wurde dadurch deutlich, wie lange dieses grauenvolle Ereignis bereits zurücklag, bei dem sie ihr zugefügt wurden, vor allem aber zeigte es, dass letztlich jede Wunde wieder heilte, so unmöglich es einem im ersten Moment auch vorkommen mochte, und Lillys wohltuende Berührung war wie eine Bestätigung dessen.
Eigentlich war es komisch, dass sie sich nicht schon zuvor die eine oder andere Narbe eingehandelt hatte. Lisa war nie besonders zurückhaltend gewesen. Sie brauchte einfach immer etwas, womit sie sich beschäftigen konnte, und wenn es das nicht gab, suchte sie sich eben etwas. Wenn man nachsichtig war, hätte man sie also als lebhaft bezeichnen können, doch zumeist bekam sie zu hören, sie sei ungeduldig, unbeherrscht und übermütig. Sie war mit Vorliebe auf Bäume geklettert, und wenn ihr das langweilig wurde, hatte sie ausprobiert, von welchem Ast sie springen konnte, ohne sich wehzutun. Eine Freundin von ihr war Skateboard gefahren, und als sie einmal mitgekommen war, war sie ohne Vorkenntnisse gleich die Halfpipe hinuntergerauscht. Selbstverständlich war sie gestürzt, aber das hatte sie nicht davon abgehalten, es sofort noch einmal zu versuchen. Wenn es eine Mutprobe zu bestreiten galt, war sie immer die erste gewesen, die sich freiwillig gemeldet hatte, und in der Grundschule hatte sie sich mit einem Jungen angelegt, der einen Kopf größer gewesen war als sie, weil er behauptet hatte, Mädchen könnten nicht richtig zuschlagen. Es war eine Rauferei hinausgelaufen, und die hatte sie gewonnen.
Dennoch hatte nichts davon bleibende Spuren an ihr hinterlassen, das hatte erst Sinistra fertiggebracht. Zunächst hatte sie das erst für eine weitere ihrer beiläufigen Grausamkeiten gehalten – Lisa hatte sie erst an diesem Nachmittag kennengelernt, aber schnell festgestellt, dass ihr ganzes Benehmen von einer Art jovialem Zynismus geprägt war – doch hatte Lilly ihr erklärt, dass mehr dahintersteckte. Mit ihren dämonischen Kräften hatte es für Sinistra kein Problem dargestellt zu erfahren, dass ihre Tochter demnächst dieses Internat besuchen sollte. Sie konnte mit den Schatten verschmelzen, was ihr erlaubte, jedes Gespräch mitanzuhören, das sie wollte. Sie hatte sich dann als neue Direktorin hier eingeschlichen, noch bevor Lilly angekommen war, und bald schon begann der Alptraum von Neuem. Nachdem Lilly ein Jahr lang von ihr verschont geblieben war, und sie schon gehofft hatte, sie nie wiedersehen zu müssen, waren plötzlich ihre schlimmsten Ängste wahr geworden.
Doch hätte sie wohl sogar das über sich ergehen lassen, wenn nicht auch noch Lisa in diese Hölle mit hineingezogen worden wäre, die Lillys Leben ausmachte. Da sie sich in ihren ersten Tagen an dem Internat so sicher gefühlt hatte, war etwas geschehen, womit sie nie gerechnet hätte: sie hatte sich verliebt. Damit war sie verletzlich geworden, und das nutzte Sinistra gnadenlos aus. Als ihre große Liebe in Gefahr war, konnte Lilly nicht mehr die Flucht in den Tod wählen, sie musste kämpfen, um Lisa zu retten. Mit einem Mal durchströmte sie eine Kraft, von der sie nie etwas geahnt hatte; zum ersten Mal in ihrem Leben ging ihr auf, dass sie als Halbdämonin ebenfalls übermenschliche Kräfte hatte und wie sich herausstellte, war genau das der Plan gewesen, den Sinistra all die Jahre über verfolgt hatte.
Als sie herausgefunden hatte, dass ihre Tochter die größte Macht besaß, die sie je bei einer Dämonin gespürt hatte, entschied sie sich, sie zu ihrer Nachfolgerin zu machen. Dazu musste Lilly aber erst einmal erkennen, welches Geschenk die Natur ihrer Existenz tatsächlich war, sie musste sie annehmen und akzeptieren, und indem Sinistra sich an Lisa heranmachte, wähnte sie sich schon am Ziel ihrer Machenschaften. Mit ihr hatte sie endlich ein Druckmittel in der Hand, um sie auf ihre Seite zu ziehen, doch erwies sich das als Fehlschluss. Sobald Lilly sah, was sie ihrer Freundin angetan hatte, brach ihre Kraft förmlich aus ihr hervor. Unkontrollierbar schoss eine Lanze der Schattenenergie aus ihr heraus, durchbohrte Sinistra und bereitete ihrem Treiben ein vorläufiges Ende.
Nur war das nicht ihr Tod. Zu den Dingen, die Lillys Mutter in Erfahrung gebracht und an sie weitergegeben hatte, gehörte auch, dass Dämoninnen nicht außerhalb ihrer eigenen Welt sterben konnten. Wurden sie hier tödlich verletzt, konnten sie nur ihre Gestalt nicht länger aufrecht erhalten und wurden zurück in ihre Welt, den Limbus, gezogen. Dort waren sie dann solange gefangen, bis ihre Kraft sich regeneriert hatte, was ein paar Monate in Anspruch nahm. Sinistra musste sich nun bald wieder erholt haben. Kurz nach den Sommerferien war sie schon wieder hier aufgetaucht, um mit Emilia, ihrer anderen Tochter, Kontakt aufzunehmen. Dabei war sie zwar wieder in den Limbus geschleudert worden, allerdings lag das inzwischen genauso lang zurück wie nach ihrem vorigen unfreiwilligen Verlassen dieser Welt.
Es konnte also jederzeit wieder soweit sein, dass Sinistra sich wieder blicken ließ, doch das war es nicht, was Lilly Sorgen bereitete. Sie hatte ihre Kräfte mittlerweile ziemlich gut im Griff; sollte Sinistra ihnen wirklich noch einmal zu nahe kommen, würde sie schon mit ihr fertig werden. Einen Punkt gab es jedoch, der ihr zu schaffen machte: das Zeichen, das Sinistra in Lisas Hintern eingeritzt hatte und das noch immer verhängnisvoll wie ein Omen bevorstehenden Unglücks dort prangte. Die Bedeutung dieses Symbols zählte auch zu den Lehren, die sie von ihrer Mutter erhalten hatte. Es war eine Art Fluch; wer diese Markierung am Körper trug, war als Opfer für Unomnia, den Gott der Dämonen, bestimmt. Irgendwann, ohne dass sich sagen ließe zu welchem Zeitpunkt genau, würde dieser Gott herabsteigen und sein Opfer einfordern, daran bestand kein Zweifel. Das Erschreckende an diesem Ritual – das, was ihr Inneres vor Angst um ihre Geliebte zu Eis erstarren ließ – war, dass es immer gelang.
Wie es aussah, war die Mythologie des Limbus wenig komplex, aber dafür erstaunlich frei von Ungewissheiten. Unomnia war die einzige Gottheit, die sie verehrten, ein Wesen, dessen Alter ebenso unermesslich war wie seine Macht. Es sollte schon vor Entstehen der Universen geboren worden sein als Zusammenschluss von freischwebenden Energien und sie alle nur Kraft seines Willens auslöschen können. Lilly war sich nicht sicher, ob es wirklich die Geschicke der Welten lenkte, wie seine Apostel behaupteten, doch war sein Dasein nicht zu bestreiten. Es konnte Jahre dauern, bis es kam, um seine Opfergabe in Empfang zu nehmen, aber geschehen würde es in jedem Fall. Es war ein anerkannter Brauch im Limbus und Unomnia war schon zu oft inmitten der Schar seiner Gläubigen aufgetaucht, um diese Weihung zu vollziehen, als dass man das leugnen könnte.
Uneinigkeit herrschte nur darüber, wie es seinen Opfergaben im Weiteren erging. Es erschien einfach ohne Vorankündigung und verschwand ebenso spurlos wieder, mit sich nehmend, was ihm zustand. Es gab verschiedene Ansichten darüber, was das zu bedeuten hatte. Die meisten sahen darin den Tod des betreffenden, andere waren der Meinung, dass man damit in Unomnias Reich geführt würde, einen Ort, den man nur erreichen konnte, wenn man seine Gunst erlangte, und an dem einen die Erlösung erwartete. Dort wäre man von allen Zwängen befreit und man könnte in völliger Glückseligkeit leben. Sicher war aber nur, dass sie mit ihm gingen und danach nie wieder gesehen wurden. In dieser Hinsicht war Unomnia also tatsächlich göttlich: seine Wege waren offenbar unergründlich und seine Anhänger versprachen einem nicht weniger als die vollkommene Erfüllung.
Als Lilly nun durch das Küssen ihrer Narben an den Handgelenken daran erinnert wurde, welche Schuld sie auf sich geladen hatte, traten ihr unwillkürlich Tränen in die Augen. Ihretwegen war Lisa mit diesem Mal behaftet, das von ihrer unabwendbaren Verdammnis zeugte. Wenn sie nicht gewesen wäre, wäre nichts von alledem jemals passiert, oder zumindest hätte sie besser aufpassen müssen. Sie hätte etwas unternehmen müssen, sie hätte Sinistra irgendwie aufhalten müssen, bevor es so weit gekommen war. Sie würde sich niemals verzeihen können, dass sie Lisa damals so im Stich gelassen hatte, doch von nun an würde sie nie wieder zulassen, dass ihr irgendein Leid geschah. Sie war jetzt nicht mehr wehrlos und sie würde alles tun, um Lisa zu beschützen. Unomnia mochte ein Gott sein oder auch nicht, Lilly würde sie ihr jedenfalls unter keinen Umständen kampflos überlassen.
Doch so sehr es ihr auch widerstrebte, diese Möglichkeit überhaupt in Betracht zu ziehen, befürchtete sie insgeheim, dass ihre Gegenwehr nutzlos bleiben würde. Sie wusste, dass sich schon viele Dämoninnen Unomnia entgegengestellt hatten. Nur die wenigsten der potenziellen Opferungen hatten sich freiwillig für diese Aufgabe gemeldet, was wohl auch verständlich war. Da unterschied sich der Limbus nicht von anderen Welten: wenn man selbst zum Opfer auserwählt worden war, verlor dieses Konzept rapide an Reiz. Allerdings hatte keines von ihnen Erfolg gehabt. Egal wie stark die Dämonin war und wie viele Gefolgsleute sie um sich hatte, bisher war noch niemand seiner Bestimmung entgangen.
Dennoch würde Lilly niemals aufgeben. Ganz im Gegensatz zu Lisa hatte sie früher nie geglaubt, dass sich alles zum Guten wenden würde. Ihr Leben war ihr immer wie eine nicht enden wollende Abfolge von Verzweiflung und Grauen vorgekommen, und das nicht erst, seit Sinistra ein Teil davon geworden war. Sie hatte sich nie irgendwo zugehörig gefühlt, außer bei ihrer Mutter. Bis zu einem gewissen Grad war das wohl auf ihre Erziehung zurückzuführen. Ihr war von klein auf beigebracht worden, dass sie nicht wie andere Kinder war, und dass sie sich immer vor allen anderen in Acht nehmen musste. Da Dämonen sich äußerlich – bis auf die kleine Anomalie zwischen den Beinen – nicht von Menschen unterschieden, sollte sie ihnen immer mit Vorsicht begegnen.
Zum anderen war sie ohnehin nie beliebt gewesen. Anscheinend hatten ihre Klassenkameraden sie als so sonderbar wahrgenommen, wie sie sich selbst gefühlt hatte. Kaum jemand wollte etwas mit ihr zu tun haben und von den wenigen Bekanntschaften, die sie unterhielt, stand ihr niemand besonders nahe. Sie hatte schlicht keine Freunde gehabt, und das hatte ihr nicht einmal viel ausgemacht. Nachdem Sinistra angefangen hatte, sich an ihr zu vergehen, hatte jede Art von Nähe sowieso ihren Widerwillen hervorgerufen, außerdem hatte sie Trost in der Subkultur des Gothics gefunden. Zwar stammte Lilly ebenfalls aus einer eher kleinen Stadt, sodass sie niemanden persönlich kannte, der dieses Interesse geteilt hätte, doch hatten sie das ganze Auftreten und die hinreißende Musik vom ersten Augenblick an wie magisch angezogen. Ohne wirklich jemanden von ihnen zu treffen, fühlte sie sich in dieser Gemeinschaft selbstgewählter Außenseiter angekommen, und sie wusste, dass sie dorthin gehörte. Von da an hatte sie nur noch Schwarz getragen, hatte den Stil dieser Bewegung übernommen und sich von der Musik verzaubern lassen. Diese sphärischen Klänge, die Trauer, Schmerz und das Verlorensein besangen, boten ihr einen seltsamen Hoffnungsschimmer in der Dunkelheit der Welt. Indem Lilly darin ihr eigenes Leid widergespiegelt fand, überkam sie eine bis dahin ungekannte Genugtuung, als wäre alles nicht so schlimm, als könnte alles wieder gut werden, wenn sie nur durchhielt.
Im Nachhinein wurde ihr klar, woran das gelegen hatte: es war das Gefühl ,nicht alleine zu sein. Wenn sie hörte, wie andere über Probleme sangen, die sie selbst nur allzu gut kannte, konnte das nur heißen, dass es noch andere gab wie sie, Menschen, die dasselbe durchmachten, die dieselben Ängste und dieselbe Scham erlitten hatten. Das erkannte sie aber erst, als sie Lisa kennengelernt hatte. In ihr hatten sich alle ihre Sehnsüchte erfüllt, mehr als sie sich je zu träumen gewagt hätte. In ihren Armen war sie endlich wieder glücklich und sah mit Zuversicht in die Zukunft. Deshalb schwor Lilly sich, sie immer zu verteidigen. Nichts sollte ihr jemals etwas anhaben können, nicht einmal ein vermeintlicher Gott. Lisa hatte sie aus ihrem Elend gerettet, und nun würde Lilly sie retten, was auch immer geschehen mochte.
So hingen sie beide eine Zeit lang mit gleichermaßen tränennassem Blick ihren Gedanken über ihre Liebe und den Widrigkeiten nach, die sich ihnen stellten, bis Lilly den Druck der Sünde, die auf ihr lastete, nicht länger aushielt. »Es tut mir leid«, sagte sie leise und doch voller Eindringlichkeit.
Verwirrt hielt Lisa darin inne ihre Narben zu küssen und blickte zu ihr auf. »Was meinst du? Was tut dir leid?«
»Na ja …«, brachte Lilly leise hervor und musste erst einmal schlucken, bevor sie fortfahren konnte. »Dass ich nicht für dich da war. Dass ich zugelassen hab, dass du jetzt dieses Zeichen hast.«
»Du hast es nicht zugelassen«, stellte Lisa richtig. Das war eine Diskussion, die sie schon des öfteren geführt hatten und die letztendlich doch keinen Sinn hatte. Sie wusste, dass Lilly sich die Schuld an diesem Vorfall gab, und bisher hatte keines ihrer Gegenargumente etwas ausrichten können. Lisa schien das schlechte Gewissen ihrer Freundin nur kurz beruhigen zu können, früher oder später flammte es unweigerlich wieder auf. »Du hattest keine Wahl. Es ist alles Sinistras Schuld. Sie hat dich und mich nur benutzt, so wie sie jeden nur als Werkzeug ansieht, um das zu bekommen, was sie will.«
Für Lisa war damit alles gesagt. Sie hatte keine Ahnung, wie es weitergehen würde, wenn Unomnia kam, um sie zu holen, aber sie wollte die Zeit bis dahin auch nicht damit verbringen, sich vor diesem Augenblick zu fürchten. Niemand wusste, ob sie einem wirklich den Tod brachte, und selbst wenn machte es doch keinen Unterschied. Es wusste schließlich niemand, wann er sterben würde, und was danach kam, war ebenso unklar wie in ihrem Fall. So oder so, sie hatte schon lange beschlossen, dass der Tod etwas war, worum sie sich erst Sorgen machte, wenn es so weit war. Alles andere erschien ihr unvernünftig. Warum sollte sie sich den Kopf über etwas zerbrechen, auf das sie keinen Einfluss hatte? Da beschäftige sie sich doch lieber mit etwas, das mehr Spaß machte, zum Beispiel sich so eng wie möglich nach einem umfassenden Orgasmus an ihre Liebste zu klammern, so wie sie es gerade tat.
Sie wollte sich schon wieder daran machen, ihre Handgelenke weiter zu küssen, doch erstarrte sie unvermittelt. Das Gerede über eine mögliche Verdammnis und den Tod hallte noch in ihr nach, und als sie nun die Narbe erblickte, kam ihr ein Gedanke, den sie nicht mehr abschütteln konnte: »Sag mal … wenn du als Halbdämonin in dieser Welt stirbst, stirbst du dann richtig, oder landest du nur im Limbus, wie die Dämonen?«
Auf einmal war auch Lilly wie versteinert. Es kam ihr vor, als hätte sie nicht einen Finger bewegen können, selbst wenn ihr Leben davon abhing. Das war eine Frage, die ihr noch nie in den Sinn gekommen war. Zwar hatte sie eine Zeit lang ständig über den Tod nachgedacht, aber diese Möglichkeit hatte sie dabei nie auch nur in Betracht gezogen. Mit einem Entsetzen, das wie eine Explosion durch ihren gesamten Körper jagte, starrte sie auf die Narben an ihren Handgelenken herab. Daran hätte sie schon viel früher denken sollen. Was wäre gewesen, wenn ihr Selbstmordversuch geglückt wäre? Wäre sie dann im Limbus gelandet? Hieß es nicht ohnehin, dass alle Selbstmörder dorthin verbannt würden? Andererseits hatte Lilly schon erfahren müssen, dass keine der ihr bekannten Religionen in Bezug auf Dämonen sonderlich akkurat war, also hielt sie das zumindest für äußerst zweifelhaft.
Doch Lisa hatte recht: wie sah es mit Halbdämoninnen aus? Zwar war sie in dieser Welt geboren worden, doch trug sie die Gene einer Dämonin in sich, inwiefern hatte das Einfluss auf sie? Könnte das sogar Sinistras Plan gewesen sein? Hatte sie Lilly in den Selbstmord treiben wollen, um sich dort in aller Ruhe um sie kümmern zu können? Dort hätte sie sie ganz für sich gehabt, sie hätte mit ihr tun können, was sie wollte, sie zu ihrer Thronerbin erklären, wie sie gesagt hatte, oder sie weiterhin ohne jedes Anzeichen von Reue regelmäßig vergewaltigen. Wahrscheinlich schloss sich das in ihren Begriffen nicht einmal aus.
»Ich … ich weiß nich’ …«, murmelte sie gedankenversunken vor sich hin.
Sie sah so verstört aus, dass Lisa es sofort bereute, ihr diese Frage gestellt zu haben. Dabei war es doch von vorneherein klar gewesen, dass sie die Antwort nicht wissen würde. Sie war einfach unachtsam gewesen und hatte Lilly damit versehentlich verletzt. »Tut mir leid, ich wollte dir nicht wehtun«, sagte sie, bevor der Ausdruck des Bedauerns in ihrem Gesicht erstaunlich schnell einem anzüglichen Grinsen wich. »Allerdings fällt mir da etwas ein, das dich sicher aufheitern wird.«
Langsam ließ sie ihre Hand tiefer sinken, auf Lillys Schritt zu, doch zuckte sie augenblicklich zurück, als sie die Reaktion ihrer Freundin bemerkte. Sie war noch bleicher als sonst – was an ein Wunder grenzte, wenn man bedachte, dass schon ihr üblicher Teint etwas von einem Betttuch an sich hatte – und sie hatte sich vollkommen verkrampft, als wäre ihr soeben ein eiskalter Schauder über den Rücken gelaufen. Trotzdem sah Lisa sie nicht erschrocken an, sondern mit nichts als Verständnis. Sie glaubte zu wissen, was mit Lilly los war, ging es ihr doch manchmal ganz ähnlich.
»Oh, falscher Zeitpunkt?«, fragte sie sanft. »Hast du wieder Flashbacks?«
»Das ist es nicht«, presste Lilly zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Es ist Sinistra. Sie ist hier.«
Nun kam sich auch Lisa vor, als würde ein elektrischer Strom durch sie fließen, der sie lähmte. »Sinistra? Bist du sicher?«
Lilly nickte mit der knappen Effizienz einer zum Tode Verurteilten, die gefragt wurde, ob sie bereit für ihre Hinrichtung war. »Ich kann sie spüren.«
»Wo ist sie? Hier im Zimmer?« Unwillkürlich hob Lisa bei diesem Gedanken die Decke, um dahinter ihre Blöße zu verdecken.
»Nein. Draußen. Im Garten.« Alles in ihr widerstrebte sich, ihrem Befehl Folge zu leisten, sich zu erheben; ihre Muskeln fühlten sich an, als wären sie so straff gespannt, dass sie zerreißen mussten und auch ihr Geist schien der festen Überzeugung zu sein, es sei das Beste, einfach liegenzubleiben und Sinistra gewähren zu lassen, so wie sie es früher immer getan hatte. Sie hatte immerhin in einem langanhaltenden, beschämenden Prozess gelernt, dass es noch mehr Schmerzen bedeutete, sich ihr zu widersetzen. Dieses Denken hatte sich so unauslöschlich in Lilly hineingebrannt, dass sie es kaum niederringen konnte, dennoch gab es eine leise Stimme in ihrem Bewusstsein, die ihr zuflüsterte, dass das nicht richtig war, und entgegen aller Erwartung setzte sie sich durch. Es ging eben nicht mehr nur um Lilly allein, sie hatte versprochen, Lisa immer zur Seite zu stehen, und egal aus welchem Grund Sinistra hier war, es betraf ohne Zweifel sie beide.
Die Sorge um Lisa schaffte es schließlich, diesen Zustand der Lethargie zu durchbrechen, in dem sie gefangen war. Mit noch immer vor Furcht steifen Gliedern stieg sie aus dem Bett und begann, ihre Kleider vom Boden aufzusammeln, wo sie sie im Taumel ihrer aufsteigenden Leidenschaft fallengelassen hatten.
Lisa stützte sich währenddessen auf die Ellenbogen und sah ihr dabei zu, wie sie sich anzog. »Du willst zu ihr gehen, oder nicht?«
Wieder zeigte Lilly ihr fatalistisches Nicken. »Ich muss. Sie wird wohl irgendwas vorhaben, sonst würde sie nicht das Risiko eingehen, hier einfach so aufzutauchen, und wir sollten uns wenigstens anhören, was sie zu sagen hat.«
»Dann komm ich mit«, sagte Lisa und schlug die Decke zurück, unter die sie sich vorhin verkrochen hatte. Sie hatte nicht das geringste Bedürfnis, der Frau in die Augen zu sehen, die sie vergewaltigt hatte, und ebenso wenig wollte sie hören, weshalb sie hergekommen war. Es gab keine Rechtfertigung für das, was sie getan hatte, und eine Entschuldigung aus ihrem Mund war nichts wert.
Doch lehnte Lilly das ohnehin entschieden ab. Zwar glaubte sie nicht wirklich, dass Sinistra ihnen unter freiem Himmel etwas antun würde, wo sie zumindest theoretisch jederzeit entdeckt werden konnten, trotzdem war es ihr lieber, Lisa hier in Sicherheit zu wissen, wenn sie diesem Geist aus ihrer Vergangenheit gegenübertrat.
»Nein, du bleibst hier. Wir haben keine Ahnung, worauf sie aus ist. Vielleicht solltest du erst mal hier bleiben, ich ruf dich dann, wenn es etwas wichtiges ist.«
»Oder ich gehe und rufe dich, wenn es interessant wird«, gab Lisa möglichst sarkastisch zurück. Sie wusste ja, dass Lilly es nur gut meinte, aber sie konnte es einfach nicht ausstehen, bevormundet zu werden. Wäre Lilly ein Junge gewesen, hätte sie ihr jetzt einen Vortrag über die gewaltigen Fortschritte im Bereich der Emanzipation gehalten, und wären sie nicht so rückhaltlos verliebt ineinander gewesen, hätte sie auch überlegt, ihr noch einmal in die Eier zu treten. Allerdings musste sie sich eingestehen, musste sie sich eingestehen, dass Lilly nicht ganz unrecht hatte. Im Gengensatz zu ihr hätte sie einer Dämonin tatsächlich etwas entgegenzusetzen. Doch wie dem auch war, sie konnte Lilly am Gesicht ablesen, dass sie in dieser Angelegenheit keinen Spaß verstand. Ihr Entschluss stand offenbar fest, und wenn sie keine Zeit mit einem Streit vergeuden wollte, der nirgendwo hinführte, musste sie sich ihm beugen.
»Na gut«, gab sie sich geschlagen, »dann geh du halt. Aber wehe dir passiert was! Dann kannst du dich auf was gefasst machen, wenn du zurückkommst!«
»Deshalb liebe ich dich so«, sagte Lilly gelassen, während sie zuletzt noch ihr Shirt glatt strich, »dein Charme ist einfach unwiderstehlich.«
»Ja, und ich liebe dich, weil du so ein völlig ironiefreies Wesen hast … und weil du einen echt süßen Hintern hast, natürlich.« Grazil verließ Lisa nun ebenfalls das Bett und kam so dicht an Lilly heran, bis ihre Gesichter nur noch eine Handbreit voneinander entfernt waren. »Aber jetzt mal im Ernst«, fügte sie leise hinzu, »bitte sei vorsichtig.«
»Ich verspreche es«, sagte Lilly andächtig. Sie beugte sich vor und hauchte Lisa einen Kuss auf die Lippen, so sachte wie der Flügelschlag eines Schmetterlings. Auf einmal überkam sie das Verlangen, sie an sich zu ziehen und bei ihr zu bleiben, aber bevor sie dem nachgeben konnte, wandte sie sich eilig ab. Dieser Kuss verleih ihr die Kraft, die sie braucht, um sich Sinistra zu stellen, doch ahnte sie, dass sie ebenso schnell wieder verfliegen würde, sollte sie noch länger bleiben, also ging sie ohne zu Zögern auf die Schatten in der Ecke des Zimmers zu und verschwand in ihnen.
Im selben Augenblick, in dem die Schatten des Zimmers sie verschlangen, trat sie aus denen heraus, die das Internat auf den Garten dahinter warf.
Eine Weile konnte sie nur blinzelnd dastehen, als ihre Augen, die noch an das Zweilicht in ihrem Zimmer gewöhnt waren, plötzlich von dem blendenden Schein dieses hellen Sommernachmittags erfüllt wurden. Sie hörte das Summen der Bienen, die von Blüte zu Blüte flogen, und sie roch den Duft des Grases und der Bäume, die hier überall standen, doch das Einzige, was sie sah, war ein grelles Weiß, als wäre unmittelbar vor ihr ein Blitz eingeschlagen. Erst nach und nach ließ das Stechen in ihren Augen nach und sie begann sich umzusehen.
Das Internat stand an einer Landstraße außerhalb eines kleinen Städtchens, sodass hier keine anderen Gebäude, welcher Art auch immer, zu sehen waren. Früher war es ein Herrenhaus gewesen, was schon auf den ersten Blick zu erkennen war: Es war ein riesiger altmodischer Bau, ganz in Weiß gestrichen, mit vielen Erkern und einigen kleinen Türmen. Es verfügte über drei Stockwerke, voller verwinkelter Gänge und unzähliger Zimmer, wobei ein paar Teile des Hauses – wie die Türme – sogar fünf Stockwerke besaßen. Irgendwann war es dann zu einem Internat ausgebaut worden, doch war seine ursprüngliche Nutzung noch immer unverkennbar. Das ganze Gelände war von einem hohen Zaun umgeben, eine mit Kies bestreute Auffahrt führte von der Straße zu dem Haus und bildete davor einen großen runden Platz, an den sich Parkbuchten anschlossen. Vor dem Tor gab es auch eine Bushaltestelle, allerdings lag das Städtchen so nahe, dass man auch dorthin laufen konnte, wenn man nichts gegen einen längeren Spaziergang einzuwenden hatte.
Hinter dem Internat erstreckte sich nun ein Bereich, der im Prinzip als Schulhof diente, doch da dieser Begriff ihm nicht gerecht wurde, wurde er von allen der hintere Garten genannt, um ihn von der ebenen Grünfläche mit den Blumenbeeten vor dem Haus und den Sportplätzen, wo auch die Turnhalle lag, an der linken Seite abzugrenzen. Dennoch war auch diese Bezeichnung kaum ausreichend, er hatte viel mehr Ähnlichkeit mit einem kleinen Schlosspark. Auch hier gab es mit Kies ausgelegte Wege, die von einigen sorgfältig gestutzten Bäumen und Büschen gesäumt wurden, in einem Winkel war sogar ein künstlicher Teich angelegt, um den herum Blumen in vielen verschiedenen Farben angepflanzt waren. Außerdem gab es Bänke, auf denen man sich ausruhen konnte, und auf einer von ihnen saß Sinistra.
Sie wirkte ganz entspannt, als verstehe es sich von selbst, dass sie hier war. Die Beine von sich gestreckt und die Hände im Schoß zusammengelegt betrachtete sie den Teich, in dem ein paar herabgefallene Blätter schwammen. Offenbar war ihre Kraft nun wieder vollkommen regeneriert; als Lilly ihr das letzte Mal begegnet war, hatte sie gewirkt wie ein halb fertiggestelltes Flickwerk menschlicher Anatomie mit bloßgelegten Organen und offenem Fleisch, geformt aus der Essenz der Finsternis, nun aber sah sie aus wie neugeboren, was in gewisser Weise wohl auch zutraf. Sie unterschied sich jedenfalls in nichts von ihrer vorigen Inkarnation als Direktorin dieser Schule, deren Dahinscheiden aus dieser Welt Lilly Zeuge gewesen war. Wären noch andere Schülerinnen anwesend gewesen, hätten sie wohl die vermisste Frau Ferria wiedererkannt, doch waren sie beide im Moment die einzigen im hinteren Garten. Es war noch früher Nachmittag, die meisten Schülerinnen des Richard-Wagner-Interants für Mädchen würden wohl erst später von ihren Eltern hergebracht werden, und die, die die Mitglieder des Freak-Clubs bereits eingetroffen waren, weil sie einen weiteren Weg zurückzulegen hatten, hatten anderes zu tun, als am Teich in der Sonne zu sitzen. Sie mussten sich in der Verwaltung zurückmelden, ihr Gepäck ausräumen und sich natürlich mit Freundinnen treffen, die sie seit zwei Wochen nicht gesehen hatten.
Doch wie man als unbeteiligter Zuschauer Sinistras Verschwinden und jetziges Dasein auch interpretieren mochte, ihre Erscheinung war zumindest diesem scheinbaren Anlass einer Wiederauferstehung angemessen. Gekleidet war sie in einen eleganten schwarzen Hosenanzug, ihr langes dunkles Haar umwehte sanft ihre in die Ferne blickenden Züge, in denen ein grimmiges Lächeln lag, und es war, als umgäbe sie eine ganz eigene Atmosphäre des Unwirklichen. Womöglich war es nur der Tatsache geschuldet, dass Lilly die Anderweltlichkeit dieser düsteren Gestalt auf der Bank bekannt war, aber ihr war, als strahle Sinistra etwas durch und durch Geheimnisvolles aus. Sie war wie eine Abstraktion in einem surrealistischen Gemälde: etwas, das man nicht deuten konnte, und das einen deshalb zutiefst beunruhigte. Sie hier zu erblicken, die Quelle allen Unheils in ihrem Leben, an einem so schönen Ort, ließ Lilly mit einer unbestimmten Vorahnung zurück, dass etwas Unheimliches, etwas unsagbar Erschütterndes geschehen würde.
Mit plötzlicher Entschlossenheit riss Lilly sich zusammen. Sie hatte sich schon vor langer Zeit geschworen, Sinistra gegenüber nie wieder eine Schwäche zu zeigen, das wäre ein Triumph über sie gewesen, den Lilly ihr keinesfalls zugestehen wollte, und so ging sie in aller Ruhe auf Sinistra zu. Der Teich befand sich in der entgegengesetzten Ecke des Gartens, sodass sie einige Zeit brauchte, um dorthin zu gelangen, besonders da sie den verschlungenen Pfaden folgte, die in ausladenden Windungen verliefen. Ihre Schritte waren gemächlich aber fest, ganz so als würde sie nur gemütlich vor sich hin schlendern, doch war ihre Beherrschung in Wahrheit mühsam erkämpft. In ihrem Inneren war sie ebenso aufgewühlt wie immer, wenn sie Sinistra begegnete, nur war es jetzt keine Angst mehr, die sie erfasst hatte, sondern eine grenzenlose Wut; Wut darüber, zu welchem Schicksal sie Lisa verdammt hatte, darüber wie rücksichtslos sie sich der Menschen bediente, um ihre Ziele zu erreichen, wie leichtfertig sie deren Leid in Kauf nahm.
Trotzdem blieb dieser Zorn unterschwellig und je näher sie Sinistra kam, kühlte er immer weiter ab. Sie würde ihr niemals verzeihen können, und sie sah auch überhaupt keine Veranlassung dazu, aber sie würde darüber hinwegkommen. Nichts, was Sinistra tat, könnte sie unterkriegen, sie würde mit allem fertig werden, was sie aufzubieten hatte, allein weil sie wusste, dass sie danach zu Lisa zurückkehren würde, dem Mädchen, das sie über alles liebte.
Ein ganzes Stück von der Bank entfernt blieb sie schließlich stehen. Es war, als könne sie schlicht nicht weitergehen, als hätte Sinistra ein Kraftfeld um sich herum aufgebaut, das sie nicht durchbrechen konnte, aber sie spürte, dass das nicht der Fall war. Was sie davon abhielt, ihr noch näher zu kommen, war keine fremde Macht, es war ihr eigener Widerwille. Sinistra hatte ihr immer wieder und auf so viele verschiedene Arten wehgetan, in physischer wie in psychischer Hinsicht, dass Lilly sich fast schon körperlich von ihr abgestoßen fühlte. Es kam ihr vor, als würden ihre Muskeln sich weigern, sie zu der Person zu tragen, die ihr diesen unermesslichen Schmerz bereitet hatte, und das erschien ihr durchaus vernünftig. Zwar vermutete sie keine neuerlichen Übergriffe, doch was hätte sie von ihr anderes erwarten sollen als noch mehr Schmerz? Denn auch wenn die Wunden, die sie durch sie bereits erlitten hatte, inzwischen weitestgehend verheilt waren, konnten Narben aufbrechen, wenn man sie zu früh wieder belastete.
»Was willst du hier?«, fragte Lilly mit einer Stimme, die zu ihrer Haltung passte: eher teilnahmslos als abweisend und ohne im mindesten zu schwanken.
Sinistra hatte sich nicht bewegt, als Lilly auf sie zu gegangen war, und sie bewegte sich auch jetzt noch nicht. Sie blickte einfach weiter auf die silbrig schimmernde Oberfläche des Wassers, ohne sich ihr zuzuwenden. Da die Bank parallel am Rand des Weges stand und Lilly ein paar Schritte von ihr entfernt stehengeblieben war, konnte sie nur Sinistras Profil sehen, doch auch so war zu erkennen, dass ihre Miene nun einen Ausdruck pervertierter Fürsorge annahm.
»Oh, darf denn eine Mutter ihre Tochter nicht einmal besuchen, um zu sehen, wie es ihr geht?«
Dagegen hätte natürlich nichts gesprochen, wenn Sinistra wirklich nur eine liebende Mutter gewesen wäre, doch wusste Lilly allzu gut, dass sie alles andere als das war. Sie war vielmehr die Gebieterin über eine Welt, die befürchtete, dass eine abtrünnige Thronerbin gegen sie intrigieren könnte.
»Aha«, sagte Lilly, weiterhin den Schein eines mehr oder weniger unverfänglichen Gesprächs wahrend, »jetzt, da Emilia dir nicht mehr Bericht erstattet, musst du dich selbst davon überzeugen, dass wir … keine Dummheiten machen, ja?«
»Aber nein«, sagte Sinistra unbeschwert, als wäre die Möglichkeit einer Rebellion ihrer Töchter völlig ohne Bedeutung für sie. »Genau genommen wollte ich nur mal sehen, ob du nicht inzwischen Vernunft angenommen hast.«
»Hm-hm. Und damit meinst du, dass ich genau deine Meinung als richtig anerkannt habe, oder?« Darin unterschieden sich Dämoninnen nicht von den Menschen, wie Lilly festgestellt hatte: für die meisten konnte es nur eine Wahrheit geben, und zwar die, die man selbst vertrat. In Sinistras Fall bedeutete das, dass die Menschheit eine Spezies war, die der ihren hoffnungslos unterlegen war. Immerhin umfasste ihre Lebensspanne höchstens einen Bruchteil der einer Dämonin und sie konnten sich deren Kräften niemals erwehren, was sie auch versuchen sollten. Sinistra nahm sie nur als drollige aber seltsam vernunftbegabte Tiere wahr, wie Affen in einem Zoo. Man konnte seinen Spaß mit ihnen haben, wenn man nachsichtig mit ihren offensichtlichen Unzulänglichkeiten umging, doch waren sie eben nicht mehr als ein netter Zeitvertreib. Außerdem beinhaltete sie, dass Lilly ihre Thronfolge antreten sollte. Denn wer wäre schon besser dafür geeignet als ihre direkte Nachkommin, dieses Mädchen, das eine Macht besaß, wie sie sie nie zuvor verspürt hatte?
Das alles war Lilly bewusst. Sie wusste, dass Sinistra es gewohnt war, das zu bekommen, was sie wollte, und sei es der Tod einer ihrer Untergebenen, doch würde sie allmählich lernen müssen, dass sie nicht über sie bestimmen konnte, nur weil sie sie gezeugt hatte. Niemand konnte das. Sie war ein fühlendes, denkendes Wesen, sie hatte ihre eigenen Ansichten, ihre eigene Moral und ihre eigene Vorstellung davon, wie ihr Leben aussehen sollte. Niemand hatte das Recht, ihr das abzustreiten.
Für Sinistra hingegen war diese Haltung nichts weiter als die Aufsässigkeit eines ungehorsamen Kindes. Sie konnte einfach nicht verstehen, warum Lilly sich so dagegen sträubte, ihren Platz an ihrer Seite einzunehmen. Nun wandte sie sich ihr zu, und ein Funken Verärgerung glomm in ihren sonst so achtlos blickenden Augen.
»Es wäre doch zu deinem eigenen Besten«, behauptete sie. »Du würdest über eine Welt herrschen und solange du im Limbus bleibst, würdest du auch genau so lang leben wie eine Dämonin.«
»Daran hab ich kein Interesse«, sagte Lilly emotionslos. Zwar stimmte das, ihr war wirklich nicht daran gelegen, als Königin zu regieren oder ihr Leben zu verlängern, trotzdem war das nicht die volle Wahrheit. Es gab noch mehr Gründe, warum sie sich Sinistra niemals angeschlossen hätte. Zum einen konnte sie ihr einfach nicht trauen. Im Limbus wäre sie ihr völlig ausgeliefert gewesen, sie hätte mit ihr machen können, was immer sie wollte, und Lilly hatte so eine dunkle Ahnung, was das alles beinhalten würde. Zum anderen war es ihre größte Angst, jemals so werden zu können wie Sinistra. Sie hatte schon ihr glattes schwarzes Haar und die Blässe der Haut von ihr geerbt, was wäre, wenn sie ihr auch charakterlich immer ähnlicher würde? Es gab nichts, das sie mit mehr Abscheu erfüllt hätte als die Vorstellung, eines Tages feststellen zu müssen, wie sehr sie ihr glich. Wie hätte sie weiterleben sollen in dem Wissen, zu dem geworden zu sein, was sie am meisten hasste, jemand, der keine Rücksicht auf andere nahm und der sich nur nach den eigenen Bedürfnissen richtete? Das hätte sie nicht ausgehalten, aber hatte sie diese Veranlagung denn nicht? Lief sie denn nicht Gefahr, die Sünden ihrer Eltern zu wiederholen?
Sinistra seufzte währenddessen leise auf wie eine Lehrerin, die von der fehlenden Bereitschaft ihrer Klasse enttäuscht ist, sich unterrichten zu lassen. »Das habe ich mir schon gedacht«, sagte sie und hob eine Hand mit der Fläche nach oben zu einem angedeuteten halben Achselzucken, eine Geste des Nachgebens. »Deshalb bin ich hierher gekommen, um dir ein Angebot zu machen.«
»Ach ja?«, fragte Lilly misstrauisch. »Und welches?«
Mit einem Mal verengten sich Sinistras Augen zu schmalen Schlitzen, aus denen nur noch das kalte Glühen ihrer dunkelblauen Iris herausdrang. »Folgendes: Komm mit mir und deiner kleinen Freundin wird nichts passieren.«
Nach Atem ringend taumelte Lilly einen Schritt zurück, als hätte sie jemand so hart weggestoßen, dass sie das Gleichgewicht verlor. Das alg aber gar nicht an der unerwarteten Drohung, die ihr entgegengeschleudert worden war, es lag daran, dass sie plötzlich die Präsenz einer weiteren Dämonin spürte. Das ließ ihr Herz vor Entsetzen zusammenkrampfen, als wäre ihr ein eiskaltes Messer in die Brust gerammt worden. Nicht nur war es die Gegenwart von Dubia, die sie wahrnahm, Sinistras Schwester und engste Vertraute, nein, sie war auch noch in Lisas Zimmer, bei dem Mädchen, von dem Lilly es nicht ertragen hätte, wenn ihr ein Leid angetan würde.
Sie brauchte einen Moment, um sich zu fangen. Dieser neue Schrecken brach aus einer Richtung über sie herein, die sie nicht erwartet hatte und die sie kaum verkraften konnte, doch dann verlor sie keine Zeit mehr. Sie hielt sich nicht damit auf, Sinistra darauf hinzuweisen, was sie alles mit ihr anstellen würde, wenn Lisa etwas zustieß, oder ihr auch nur böse zuzufunkeln, sie drehte sich einfach wortlos um und riss einen Arm empor. Sie tat nicht einen einzigen Schritt, aber das war auch gar nicht nötig. Auf diesem stummen Befehl hin rasten alle Schatten in ihrer Nähe unaufhaltsam auf sie zu, wirbelten um sie her und legten sich auf sie. Noch ehe sie die Drehung ganz vollendet hatte, war sie vollkommen in Finsternis versunken, die schwarze Silhouette eines mitternächtlichen Phantoms, doch ebenso schnell wie die Schatten zu ihr gekommen waren, lösten sie sich auch wieder auf und Lilly mit ihnen. Wie erwachende Fledermäuse stoben die bruchstückhaften Fetzen Dunkelheit wieder auf, flatterten zurück an die Orte, von denen sie gekommen waren, und ließen keine Spur von der Gestalt zurück, die sie bis eben noch gebildet hatten.
Als Lilly sich umgewandt hatte, befand sie sich in ihrem Zimmer, doch obwohl nur wenige Sekunden vergangen waren, seit sie Dubias Anwesenheit bemerkt hatte, kam sie zu spät. Weder sie noch Lisa waren zu entdecken, und auch sonst schien nichts ungewöhnlich zu sein. Es sah noch immer genau so aus, wie sie es verlassen hatte, nur das Verschwinden ihrer Geliebten stach sich ihr schmerzlich ins Bewusstsein. Fast kam sie sich hier fremd vor. Sie war so gut wie immer mit Lisa zusammen, besonders in diesem Zimmer, und diese Lebendigkeit fehlte nun. Es waren noch immer überall Anzeichen zu erkennen, dass sie hier gewesen war: ihre Kleidung lag dort verstreut, wo sie sich ausgezogen hatte, ihre portable Spielekonsole lag auf dem Nachttisch und auf dem Schreibtisch herrschte das ihr eigene Chaos aus aufgeschlagenen Büchern und halbfertigen Hausaufgaben, die seit Ferienbeginn unbeachtet geblieben waren. Doch irgendwie war es gerade dieses Vertraute, das die Aufmerksamkeit auf das lenkte, was nun anders war; diese erdrückende Stille, wo sonst unbeschwertes Lachen gewesen war, der noch warme Platz im Bett, dessen Falten Lisas Umrisse aufwies, nun aber verwaist dalag.
Zwar blieb das Zimmer nur einen kurzen Augenblick so leer, doch trug Sinistras Erscheinen keineswegs dazu bei, ihm diese anklagende beängstigende Qualität zu nehmen. Die Hände hinter dem Rücken verschränkt schlenderte sie aus dem Schatten hervor, den der Schrank an eine der Wände warf, wie eine Königin, die auf dem Weg zu ihrem Thron ihre Gefolgschaft begutachtete.
»So«, sagte sie langgezogen, als sie vor Lilly zum Stehen kam, »ich denke, damit kann ich sichergehen, dass du ernsthaft über mein Angebot nachdenkst. Jetzt kannst du dir ja ohne Ablenkungen überlegen, was dir lieber ist, mit mir in den Limbus zu kommen oder alleine hier zu bleiben, verlassen von dieser unwürdigen Mätresse. Komm zu mir, wenn du dich entschieden hast. Du weißt ja, wo du mich findest.«
In ihrer Stimme war keinerlei Aufregung zu vernehmen, sie sagte es ganz in der vornehmen Zurückhaltung, die ihr Stand als Herrscherin über den Limbus gebot, aber Lilly wusste, dass das nichts zu bedeuten hatte. Auch wenn Sinistra so sprach, war dies keine diplomatische Angelegenheit; Lisa war ihre Gefangene und damit alles andere als in Sicherheit. Darüber konnte auch ihr beiläufiger Tonfall nicht hinwegtäuschen. Den behielt sie immer bei, selbst wenn sie sich an ihrer eigenen Tochter verging, klang das, als würde sie nur über das Wetter plaudern.
Lilly dagegen war völlig außer sich. Tränen ohnmächtiger Wut und der unbändigen Sorge um Lisa vernebelten ihr die Sicht, trotzdem stürzte sie auf Sinistra zu, ohne genau zu wissen, was sie tun sollte, wenn sie bei ihr angelangt wäre. Doch dazu kam es ohnehin nicht mehr. Ehe Lilly sie hätte erreichen können, war Sinistra schon nicht mehr als ein Schemen in einer mondlosen Nacht und hatte ebenso wenig Substanz. Während sich die letzten verbliebenen Fragmente der Schatten allmählich verflüchtigten, fiel Lilly durch sie hindurch zu Boden.
Unsanft schlug sie mit den Knien auf, aber das bemerkte sie kaum. Sie blieb einfach so hocken, als wäre sie in ein Gebet vertieft, sich mit den Händen abstützend und leise vor sich hin schluchzend. Ihren Tränen konnte sie nun keinen Einhalt mehr gebieten. Ohne dass sie es hätte verhindern können, strömten sie ungehalten ihre Wangen hinab, tropften von ihrem Kinn und bildeten kleine dunkle Flecken auf dem Teppich, auf dem sie kniete. Zum zweiten Mal in ihrem Leben war sie allein für Lisas Unglück verantwortlich; zunächst als ihr das Zeichen Unomnias aufgezwungen worden war und nun erneut. Sinistra hatte sie mit sich genommen und würde ihr zweifellos wieder irgendetwas antun, nur damit Lilly sich ihrem Willen ergab. Wahrscheinlich wäre es das Beste für Lisa gewesen, wenn sie sich niemals getroffen hätten. Offenbar färbte das dunkle Omen, das Lilly seit dem unseligen Beginn ihrer Existenz zu begleiten schien, auf sie ab, und wenn nichts geschah, würde sie Lisa noch mit sich in die Verdammnis reißen.
Doch so weit durfte es auf keinen Fall kommen. Getrieben von einer überwältigenden Empfindung der Verzweiflung ballte sie eine Hand zur Faust und schlug damit auf den Boden ein, doch linderte das ihre Selbstvorwürfe nicht m geringsten. Am liebsten hätte sie laut aufgeschrien, allerdings fühlte sich ihre Kehle nicht so an, als könnte sie auch nur ein ersticktes Wimmern hervorbringen, also blieb Lilly nichts anderes übrig, als es schweigend mit ihrer Schuld aufzunehmen. Sie hätte Lisa beistehen sollen, sie hätte sie nicht aus den Augen lassen dürfen, doch das hatte sie nicht getan. Lisa war ihrer Statt in den Limbus gezogen worden, und es gab nichts, wie sie das hätte ungeschehen machen können.
Die einzige Hoffnung auf Rettung bestand darin, ihr so schnell wie möglich zu folgen, aber wie hätte sie das tun sollen? Laut Sinistra besaß sie mehr Macht als irgendeine andere Dämonin, aber sie war nie in eine andere Welt gereist. Sie wusste nicht einmal, wie sie da hätte ansetzen sollen. Wie sollte sie den Limbus innerhalb der unzähligen Universen finden, die es angeblich geben sollte, und selbst wenn sie es schaffte, wie sollte sie dann dorthin gelangen? Wie sollte man die Grenzen seines eigenen Universums überwinden und in ein gänzlich unbekanntes eintreten? Sie hatte wirklich keine Ahnung, wie das zu bewerkstelligen sein könnte, doch kannte sie da jemanden, der ihr vielleicht weiterhelfen konnte.
Einen plötzlichen Entschluss fassend erhob sie sich mit einem Ruck. Schniefend wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht, während sie versuchte, sich zu beruhigen. Ihr war klar, dass sie ganz so handelte, wie Sinistra es von ihr wollte. So wie sie Lisa das Zeichen Unomnias auferlegt hatte, um sie überhaupt erst ihrer Kräfte bewusst werden zu lassen, hatte sie sie nun entführt, um Lilly dazu zu bringen, ihr hinterher zu kommen. Vielleicht war sie der Meinung, dass es jetzt an der Zeit sei, dass ihre Tochter herausfand, wie man das Multiversum durchreiste, vielleicht wollte sie sie auch nur in den Limbus locken, um sie dort etwas noch viel Grauenvolleres erleiden zu lassen als bisher.
Lilly war es egal. Für den Moment sah sie keinen anderen Ausweg, als nach den Regeln zu spielen, die Sinistra aufgestellt hatte, und so sammelte sie die Schatten des Zimmers um sich, um sich auf ihren Schwingen davontragen zu lassen.
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*An dieser Stelle sollte ich wohl noch erwähnen, dass diese Geschichte minderjähreige Futanaris enthält, die es auf jede nur erdenkliche Art miteinnander treiben.
Allen, die jetzt noch hier sind, wünsche ich viel Spaß bei der Geschichte. Sie ist übrigens der dritte Teil einer Reihe, von der es auch noch einen vierten geben wird. Es ist nicht nötig, die Vorgänger zu kennen, ich schildere euch innerhalb der Story ohnehin das gesamte Vorleben sämtlicher Charaktere, die hier vorkommen. Wer schon mal eine Geschichte von mir gelesen hat, weiß, dass das keine Hyperbel ist. Falls es euch trotzdem interessiert, Teil 1 und Teil 2 sind immer noch verfügbar.
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Unheilige Wiedergeburt
Unheilige Wiedergeburt
Eine ausgelassene Stimmung erfüllte den kleinen Raum, in dem Fantasma zusammen mit den anderen am Boden saß. Es war Sonntag, der letzte Tag der Herbstferien, und obwohl deshalb ein Hauch Melancholie in der Luft lag, freuten sich doch alle, einander wiederzusehen. Auch wenn sie zu Hause Familie und Freunde hatten treffen können, bedeutete die Rückkehr ins Internat für die meisten von ihnen immerhin die langersehnte Wiedervereinigung mit ihrer Geliebten, aber selbst wenn das nicht der Fall gewesen wäre, hätten sie nun wohl kaum an sich halten können. Sogar Nicole und Nadine, die beiden in Liebe zueinander entbrannten Zwillinge, und die sonst so introvertierte Isabelle, die in gar keiner Beziehung stand, trugen ihren Teil zum herrschenden Lärm bei. Der geheime Bund, der sie einte, bezog sich eben nicht nur auf die Gemeinsamkeiten, die sie alle teilten – die verschiedenen Eigenheiten, die sie zu Außenseitern machten sowie ihre ungewöhnliche Abstammung – sondern ging noch viel tiefer. Innerhalb der wenigen Wochen, die ihr Club nun schon existierte, waren sie eben zu einer eingeschworenen Gemeinschaft zusammengewachsen, die nicht gebrochen werden konnte. Demgemäß riefen die Mädchen sich jetzt zügellos Albernheiten zu, scherzten und kicherten zusammen.
»Okay, okay, das reicht«, warf Fantasma jedoch nach einer Weile ein. Zwar war sie kurz zuvor noch lauter als ihre Mitschülerinnen gewesen, doch trug sie als Clubpräsidentin eine gewisse Verantwortung. Zwar gab es keinen unmittelbaren Grund, aus dem sie diese Versammlung einberufen hatte, doch das hieß nicht, dass es nicht auch noch ernstere Themen zu bereden galt. Natürlich sollten ihre Zusammenkünfte Spaß machen, dennoch verfolgten sie ein höheres Ziel, und das war etwas, das Fantasma aus vollem Herzen für sich einnahm.
Ebenso wie die übrigen Mitglieder ihres Clubs, war sie nie besonders beliebt gewesen. Sie hatte eigentlich nur eine richtige Freundin gehabt, von den anderen aus ihrer Klasse war sie eher gemieden worden. Dazu sollte aber vielleicht noch angemerkt werden, dass sie auch nie in einem gesteigerten Maße versucht hatte, mit den anderen in Kontakt zu kommen. Sie war eben seit jeher eine Träumerin gewesen; ständig war sie in Gedanken versunken und oft bekam sie gar nicht mit, was um sie herum geschah, weil wieder einmal irgendein Detail ihre Aufmerksamkeit gefesselt hatte und sie sich in abstrusen Vorstellungen darüber erging. Sogar wenn sie ausnahmsweise nicht ihrer eigenen Phantasie erlag, war sie nur selten mit dem beschäftigt, was andere als Realität bezeichnen mochten.
Sie hatte schon immer gerne gelesen, am liebsten Fantasy-Romane, die über mehrere Bände hinweg eine eigenständige Welt erschufen, in die sie voll und ganz eintauchen konnte, und das hatte noch weitaus zugenommen, seit sie sich in Emma verliebt hatte, ein Mädchen, das kaum ohne Buch anzutreffen war. Noch viel mehr als bei Fantasma selbst schien sie richtig im Lesen aufzugehen. Sie hatte immer ein Buch dabei, das sie hervorholte, sobald sich eine Gelegenheit dazu ergab, sei es auch nur in den Pausen oder wenn es auch nur den Anschein hatte, das gerade nichts geschah, bei dem unbedingt ihre volle geistige Anwesenheit erforderlich war. Sogar beim Essen hatte Fantasma sie schon mit einem Buch in der Hand überrascht. Tatsächlich verbrachte sie die meiste Zeit mit lesen, wenn sie nicht zusammen waren und manchmal selbst dann. Nachdem sie ein Paar geworden waren, hatten sie nämlich begonnen, gemeinsam zu lesen. Angefangen hatte es damit, dass sie ihre Lieblingsbücher untereinander ausgetauscht hatten, bis es irgendwann so weit war, dass sie sich gegenseitig vorgelesen hatten. Da keine von ihnen ohne diese Passion leben konnte, lag es wohl auch nahe, sich dem gemeinsam zu widmen. Seitdem lagen sie oft zusammen auf einem Bett, lauschten der Stimme ihrer Liebsten und ließen sich vom Sog der Geschichte mitreißen.
Unter diesen Voraussetzungen war es jedenfalls leicht, von den Mitschülern nicht beachtet zu werden. Normalerweise wurde sie einfach ignoriert, nur wenn sie wegen ihrer sich nicht zu erwehrenden Tagträume wieder einmal etwas verpasste, sich am falschen Ort einfand oder ohne es zu bemerken an der Tür ihres Klassenzimmers vorüberging, wurde sie ausgelacht und musste sich ein paar dumme Sprüche anhören. In dieser Hinsicht hatte sie es deutlich leichter gehabt als viele andere, die als Sonderlinge verschrien waren; sie war nicht offen ausgegrenzt oder in Verruf gebracht worden, dennoch hatte sie nie das Gefühl gehabt, irgendwo dazuzugehören. Sie war höchstens geduldet worden, aber kaum jemand hatte sich wirklich um sie gekümmert.
War das nicht auch ihr unabänderliches Schicksal? Sie war weder Mensch noch Dämonin, bei wem hätte sie schon auf Verständnis hoffen können? Sogar ihre Eltern kamen ihr manchmal fremd vor. Zwar liebte sie ihre Mutter und wusste, dass sie sich immer auf sie verlassen konnte, doch gab es Momente, in denen ein unüberwindbares Hindernis zwischen ihnen zu bestehen schien. Es war nicht einmal schwer zu erraten, worum es sich dabei handelte. Auch wenn ihre Mutter ihr nie wirklich erzählt hatte, was damals vorgefallen war, hatte sie es zumindest unmissverständlich angedeutet, wohl um Fantasma mit jedem erdenklichen Mittel, das ihr zur Verfügung stand, zu beschützen. So oder so, ihr war immerhin klar, auf welche Weise sie gezeugt worden war. Eine Dämonin, ein Wesen aus einer anderen Welt, hatte sich an ihrer Mutter vergangen und sie war nichts weiter als das ungewollte Resultat dieser erzwungenen Vereinigung. Konnte man ihrer Mutter da vorhalten, wenn sie ab und zu etwas distanziert wirkte? Eigentlich hätte es Fantasma eher überraschen sollen, dass sie überhaupt in der Lage war, Liebe für ihre Tochter zu empfinden. Musste sie denn nicht jedes Mal an dieses schreckliche Erlebnis erinnert werden, wenn sie sie ansah?
Mit ihrem Stiefvater verhielt es sich ähnlich. Sie kamen an sich gut mit einander aus, trotzdem war er niemand, mit dem sie ein vertrauliches Gespräch hätte führen können. Fantasma hatte generell nicht viel mit ihm oder ihrer Mutter gemein. Es gab kaum ein Gebiet, auf dem sie derselben Meinung waren, sowohl was ethische Feinheiten, Lebensentwürfe oder Glaubensvorstellungen anbetraf, lagen ihre Ansichten weit auseinander. Ihre Eltern vertraten einige unerschütterliche Überzeugungen hinsichtlich ihrer Konfession, während Fantasma dem etwas kritischer gegenüberstand. Sie mochte den Gedanken an eine höhere Macht, die sich ihrer annahm, nur konnte sie sich nicht damit abfinden, wie die ihren Eltern zufolge beschaffen sein sollte. Sie wollte schlicht nicht einsehen, dass die lenkende Kraft hinter der Ordnung des Multiversums sich daran stören sollte, mit wem sie eine Beziehung einging oder wie sie die führten. War Liebe denn nicht grundsätzlich etwas Wunderschönes und Erhabenes? Was konnte an ihr denn schon falsch sein?
Das schien ohnehin ein Problem zu sein, das sämtlichen konventionellen Religionen anhing. Sie alle verrannten sich in unerbittliche Dogmen und unsinnige Erlässe. Fantasma hielt das für einen Fehler; ihrer Meinung nach nahmen viele Menschen diese Angelegenheit einfach zu ernst. Sie vertraten offenbar die Auffassung, genau zu wissen, wie man sich zu verhalten hatte, um ihre Gottheit zufrieden zu stellen, doch war Fantasma sich da nicht so sicher. Wenn es irgendeine wie auch immer geartete schöpferische Kraft gab, war sie ohne Zweifel zu abstrakt, um mit irdischen Sinnen überhaupt wahrgenommen zu werden. Diejenigen, die sich als ihre Vertreter betrachteten, konnten also nur ebenso raten wie jeder andere auch, und diese vermeintliche tiefere Erkenntnis, die sie erlangt zu haben sich einbildeten, konnte einzig nicht wiedergutzumachenden Schaden anrichten. Sie waren eben nicht unfehlbar und Hybris brachte stets das Schlimmste zum Vorschein.
Also sogar falls sie wider Erwarten recht haben sollten, war es für Fantasma keine gute Idee, ihnen zu folgen. Sollte diese angeblich dermaßen hoch entwickelte Erscheinung so verbohrt sein, dass sie bestimmte Formen der Zuneigung verbot, musste sie von der Vollkommenheit noch weit entfernt sein. Wieso hätte sie seine Geschöpfe mit einem freien Willen ausstatten sollen, wenn ausgerechnet solche Banalitäten wie die Liebe unter gleichgeschlechtlichen Partnern zu einem unverzeihlichen Sakrileg erklärt wurden? Welchen Zweck hatten die unzähligen Möglichkeiten, die die Welten boten, wenn sogar die unschuldigsten Freuden die Verdammnis zur Folge hatten? Außerdem mussten die Gesetze, die das Zusammenleben von Menschen regelten, doch auch auf menschlichen Maßstäben basieren, doch diese hier schienen nur blinden Gehorsam zu verlangen, ja sogar nach einer Unterdrückung der eigenen Persönlichkeit, und das konnte unmöglich der richtige Weg sein, befand Fantasma. Die eigenen Bedürfnisse so zu missachten, musste zwangsläufig im Unglück enden und der Sinn des Lebens konnte nicht ausschließlich darin bestehen, auf eine Erlösung nach dem Tod zu warten. Letztendlich musste sich jeder sein eigenes Bild dieser Entität machen und sich eine Wertesystem zurechtlegen, das seiner Natur entsprach.
Leider zählten ihre Mutter und ihr Stiefvater zu den Leuten, die jedes Hinterfragen von althergebrachten Traditionen als Häresie werteten, doch selbst über das von Unvereinbarkeiten überschattete Verhältnis zu ihren Eltern hinaus hatte die Last ihrer Herkunft ihr ganzes Leben bestimmt. Vieles von dem, was für andere Mädchen in ihrem Alter völlig selbstverständlich war, hatte sie nicht tun können, um dieses Geheimnis nicht zu offenbaren. So war sie nie schwimmen gewesen, hatte nie woanders übernachtet und nicht einmal am Sportunterricht nahm sie teil, dank eines Attests ihrer Hausärztin, das ihr Herzrhythmusstörungen bescheinigte – ein Leiden, das sie höchstens dann befiel, wenn sie sich in Emmas Nähe aufhielt, was in letzter Zeit zugegebenermaßen fast immer der Fall war.
Doch sogar unter weniger freizügigen Umständen hatte sie sich im Beisammensein mit anderen nicht wirklich fallenlassen können. Sie hatte sich eben nie offen zeigen können, auch im übertragenen Sinne nicht, ständig hatte sie sich darum sorgen müssen, sich nicht zu verraten, hatte um jeden Preis verbergen müssen, wie außergewöhnlich sie tatsächlich war. Sie war zu oft verhöhnt worden, um nicht zu wissen, dass jede zu große Abweichung von der Norm mit Verachtung gestraft wurde. Dazu war es gar nicht nötig, dass jemand herausfand, dass sie eine Halbdämonin war, dazu reichte es schon, wenn bekannt würde, dass sie zusätzlich zu ihrer Scheide noch einen Penis hatte. Sie war so schon eine Außenseiterin gewesen, wenn dann noch dieser weitere Makel an ihr ans Licht gekommen wäre, hätte sie das endgültig zu einer Ausgestoßenen gemacht. Zweifellos hätte das eine Abkehr von den wenigen Bekanntschaften bedeutet, die sie hatte, die spöttischen Bemerkungen, die sie über sich ergehen lassen musste, hätte sich in unverhohlene Anfeindungen gewandelt.
Möglicherweise war dieses Gefühl, sich niemandem rückhaltlos anvertrauen zu können, der Grund dafür, dass sie sich immer weiter in die Welt der Bücher zurückgezogen hatte, eine Welt, in der man sie so akzeptierte, wie sie war, es war zumindest der Grund dafür, dass sie ihren Club gegründet hatte. Sie wusste eben, wie schmerzhaft das sein konnte, wie einsam man sich dabei vorkam, wenn alle einen als etwas verschroben betrachteten, und im Zuge dessen hatte sie beschlossen, diese Zuflucht für sie zu schaffen, eine Gemeinschaft für die, die sonst keine hatten, für die Verlorenen, die Missverstandenen und die Vertriebenen. Bei ihnen war jeder willkommen, mit all seinen Fehlern und Eigenheiten, solange er jedem die gleichen Rechte wie sich selbst zusprach und Rücksicht auf deren Bedürfnisse nahm.
Die Idee dazu war ihr gekommen, als sie entdeckt hatte, dass Emilia, eine ihrer neuen Mitschülerinnen, ebenso wie sie eine Halbdämonin war. Es war am Beginn des neuen Schuljahrs gewesen, für Emilia und sie war es der erste Tag an diesem Internat, genau wie für die meisten anderen späteren Mitglieder ihres Clubs. Sie hatten sich schnell ein wenig angefreundet, obwohl – oder vielleicht auch genau aus diesem Grund – sie beide für gewöhnlich nur schwer Anschluss fanden, bis sie durch einen dummen Zufall erkannten, wie ähnlich sie sich tatsächlich waren. Zuvor hatte Fantasma immer gedacht, die Einzige ihrer Art zu sein, doch plötzlich stellte sie fest, dass sie nicht allein mit ihrem Schicksal war. Das war eine so befreiende und zutiefst bewegende Erfahrung, dass sie sie auch anderen zuteil werden lassen wollte, denen es so erging wie ihr, ob es sich bei ihnen nun um Halbdämoninnen handelte, Dämonen, Menschen oder sogar Kreaturen, von deren Existenz sie noch gar keine Ahnung hatte. Sie wollte einfach allen helfen, die unter dieser Bürde der Ablehnung litten.
Da das im Raum des Physik-Clubs vonstatten gegangen war, war sie auf den Gedanken verfallen, ein etwas verqueres Bündnis einzugehen, das sich dieses Ziel zur Aufgabe setzte. Natürlich standen ihnen als bloßer Zusammenschluss von Schülerinnen keine besonderen Mittel zur Verfügung, sodass sie ihre Ambitionen zunächst auf ihr direktes Umfeld, das Internat, beschränken mussten, dennoch hielt Fantasma es für unbedingt nötig, ihre Belange auch über diese Grenzen hinaus fortzusetzen. In letzter Konsequenz wollte sie allen Freaks in allen Welten zur Seite stehen, nicht nur denen, die das Glück hatten, mit ihr auf eine Schule zu gehen.
Das war auch der eigentliche Anlass, aus dem sie nun dieses Treffen einberaumt hatte. Zwar hatte sie nicht weniger einfach nur ihre Freundinnen wiedersehen wollen, nachdem sie es gar nicht gewohnt war, überhaupt so enge Vertraute zu haben, und sie die ganzen Ferien über vermisst hatte, doch gab es da noch ein Projekt, an dem sie schon seit geraumer Zeit arbeiteten, und mit dem Fantasma jetzt endlich vorankommen wollte. So hatte sie gleich nach ihrer Ankunft die Zimmer der übrigen Mitglieder aufgesucht und hatte sie hier zusammengerufen.
Erstaunlicherweise war es ausgerechnet das gemeinsame Zimmer von Emma und Emilia, das sich zu ihrem inoffiziellen Clubraum entwickelt hatte. Emilia war eben gerne für sich und war nicht davon überzeugt, dass ihr Club wirklich etwas verändern konnte, sodass sie wenig begeistert war, dass er sich regelmäßig bei ihr versammelte, doch schien sie sich mittlerweile damit abgefunden zu haben. Es war nun einmal wie selbstverständlich dazu gekommen. Immer wenn eine ihrer Besprechungen stattfand, hatte Fantasma ohne darüber nachzudenken dazu tendiert, sie hier abzuhalten. Wie hätte es denn schon anders sein können? Schließlich war sie sich ihrer Gefühle lange nicht sicher gewesen und war beiden Mädchen gleichermaßen zugetan gewesen. Wahrscheinlich hatte ihr Unterbewusstsein sie automatisch an den Ort geführt, wo sie zu finden waren.
»Wie ihr alle wisst …«, fuhr Fantasma fort, verstummte jedoch, als sie die verwunderten Blicke bemerkte, mit denen die anderen sie bedachten. »Äh … stimmt was nicht? Warum guckt ihr mich alle so an?«
Abschätzig lächelte Emilia sie mit einem nach oben gezogenen Mundwinkel an. »Du hast uns gerade gesagt, dass wir still sein sollen, dann bist du ohne Vorwarnung für fünf Minuten ins Koma gefallen, und jetzt sprichst du plötzlich weiter, als wäre nichts geschehen.«
Emma lächelte ihr ebenfalls zu, nur wirkte ihres um einiges wärmer und liebevoller. »Na ja, es waren wohl eher dreißig Sekunden, in denen du ein bisschen ins Leere gestarrt hast.«
»Oh«, kommentierte Fantasma ihren Ausrutscher. Wenn sie genauer darüber nachdachte, hätte sie die auf sie gerichteten Blicke wie von mitleidiger Fassungslosigkeit von den zahlreichen Gelegenheiten wiedererkennen müssen, wenn sie wieder einmal nicht mitbekommen hatte, dass jemand mit ihr sprach. So etwas kam eben ab und zu vor. Manchmal rissen ihre Gedanken sie mit sich fort, ohne dass sie es hätte verhindern können, egal wo sie gerade war, ob mitten in einer Unterhaltung oder sogar wenn sie versuchte, sich zu konzentrieren. Zwar passierte das zumeist, wenn sie sich langweilte, also zum Beispiel während des Unterrichts, aber selbst das konnte schon unangenehme Folgen haben, wie eine Ermahnung der Lehrerin besser aufzupassen. Dagegen war die Irritation, die ihr entgegenschlug, wenn sie sich innerhalb eines Gesprächs kurz in ihren Träumen verlor, kaum einer Erwähnung wert, und Fantasma hatte inzwischen gelernt, dass es am besten war, das in aller Unbeschwertheit zu übergehen.
»Entschuldigung, ich war nur für einen Moment abgelenkt«, merkte sie bloß an, bevor sie sich wieder dem Wesentlichen zuwandte: »Jedenfalls wollte ich gerade sagen, dass wir ja beschlossen hatten, dass sich in den Ferien jeder eine Möglichkeit überlegen sollte, wie Menschen, die nicht so sind, wie alle anderen es von einem erwarten, besser aufgenommen werden. Also, ist jemandem von euch etwas Passendes eingefallen?«
Der Reihe nach sah sie alle Clubmitglieder an, die hier neben ihr in einem Kreis auf dem Boden saßen: Emma, ihre feste Freundin, gleich links von ihr, dann Emilia, das auffallend blasse Mädchen mit so farblosem Haar, dass es weiß wirkte in dem zum Fenster hereinfallenden Licht.
Dicht an sie geschmiegt hockte Maria, Emilias Liebschaft und die Einzige von ihnen, in deren Adern kein dämonisches Blut floss. Doch auch sonst war ihre Zugehörigkeit in diese Schwesternschaft der Dissidentinnen weit weniger offensichtlich. Scheinbar entsprach sie jedem Ideal, das einem auferlegt wurde: sie war intelligent, schick gekleidet und von makelloser Schönheit. Wäre nicht bekannt geworden, mit welch verzweifelten Mitteln sie nach Zuneigung gesucht hatte, erst bei einem Lehrer und als das unterbunden worden war in den Armen von Fremden, wäre ihr Anspruch auf eine Vormachtstellung in der Hierarchie der Schule unantastbar gewesen.
Die Zwillinge hatten sich fast schon ein wenig abseits von ihnen niedergelassen. Wie so oft hielten sie auch jetzt Händchen, als bedurften sie ständig des gegenseitigen Schutzes in dieser kühlen, bedrohlichen Welt. Allein die auserwählte kleine Schar der hier Anwesenden wusste, dass das nicht der einzige Grund war.
Zuletzt richtete Fantasma ihren Blick auf Isabelle, ihre Mitbewohnerin, gleich rechts von sich. Möglicherweise war die sogar noch außergewöhnlicher als die übrigen ihrer neuen Freundinnen. Sie war sehr still, ohne aber in einem besonderen Maß schüchtern zu sein. Das war sie zwar durchaus, doch weniger als ihre besonnene Art hätte vermuten lassen. Sie sich einfach ihrer Unzulänglichkeiten bewusst und gab sich auch keinen Illusionen über ihren unleugbaren Status als Außenseiterin hin, aber nichts davon bereitete ihr schlaflose Nächte. Ihr war nun einmal ebenso klar, dass ihr in den Wissenschaften niemand so schnell etwas vormachte, und die Vorbehalte, die die meisten Gleichaltrigen ihr entgegenbrachten, hatten auch ihre Vorteile. So hatte sie in Ermangelung von jemandem, der ihre Interessen teilte – ihr fast schon obsessives Verlangen danach, die Mechanismen hinter den Dingen zu verstehen –, viel Zeit, sich voll und ganz ihren Studien zu widmen, und das tat sie mit aller Hingabe. Wann immer es ging las sie Abhandlungen über die verschiedensten Zweige der Forschung, führte eigene Experimente durch und war allgemein ständig damit beschäftigt, das menschliche Verhalten zu analysieren. In dieser Hinsicht erwiesen sich die Ressentiments, die sie erfahren hatte, als noch hilfreicher; diese empfindlichen Eindrücke verdichteten sich zu umfassenden soziologischen Theorien, die Isabelles ganzes Denken beeinflussten, während das Gefühl, nicht dazuzugehören, das ihr auf diese Weise vermittelt wurde, ihr einen distanzierteren Blick auf diese Handlungsschemata gewährte.
Doch mit welcher analytischer Präzision ihr Verstand auch arbeitete, war es in kreativen Belangen eher von geringem Nutzen. Es fiel ihr schon schwer, wenn sie im Deutschunterricht eine Interpretation schreiben sollte, aber sich Maßnahmen auszudenken, wie ihre kleine unbedeutende Gruppierung die gesamte Bevölkerung für ihr Anliegen gewinnen sollte, überforderte sie endgültig. Anscheinend erging es den anderen ähnlich, denn genau wie Isabelle schüttelte nun jede von ihnen den Kopf oder sah betreten zu Boden.
Unhörbar seufzte Fantasma auf. Um genau zu sein hatte sie nichts anderes erwartet, trotzdem war das kein Ergebnis, mit dem sie zufrieden gewesen wäre. Sie war der Ansicht, dass es endlich Zeit wurde, mehr in dieser Richtung zu unternehmen, bislang war der Club nämlich recht erfolglos gewesen, was das anging. Zwar waren sie unter sich immer für einander da, doch hatten sie noch niemanden sonst erreichen können.
Allerdings gestaltete sich das auch einigermaßen schwierig. Wie Emilia ihr klargemacht hatte, war es in Anbetracht der Geheimnisse, die sie miteinander teilten, besser im Verborgenen zu bleiben, doch wie sollten sie da mehr Menschen für ihre gemeinsame Sache begeistern sollen, ihre unumstößlichen Grundsätze von Freiheit, Gleichhalt und Zusammenhalt? Das waren zwar schon die Prinzipien der französischen Revolution gewesen, aber so ganz schienen sie sich noch nicht durchgesetzt zu haben. Ein paar Vorschläge hatte es dazu durchaus schon gegeben, nur war keiner von ihnen sonderlich vielversprechend gewesen. Von einem hingegen war Fantasma zutiefst begeistert. Nun gut, möglicherweise lag das daran, dass es ihr eigener war oder die Ausführung dieser Aufgabe Emma zufallen würde, der sie schlichtweg alles zutraute, sogar die Menschheit zum Besseren zu wandeln, aber das glaubte sie nicht. Ihre Idee war es nämlich, einen Roman zu schreiben, der nicht nur eine Allegorie auf ihrer aller Dasein als Halbdämoninnen darstellte, sondern gleichzeitig jeden Leser auf die Angelegenheiten sämtlicher Ausgestoßener aufmerksam machen sollte.
Um das zu erreichen, sollte er von jemandem handeln, der wegen seiner Andersartigkeit selbst ausgegrenzt wurde, doch mehr hatten sie noch nicht entschieden. Die anderen hatten keine Erfahrung damit, wie man eine konsistente Handlung ausarbeitete, vermutlich fehlte es ihnen auch ein wenig am nötigen Erfindungsreichtum, die nötigen Komponenten überhaupt aufzubringen, wohingegen es Emma schwerfiel, einen Zugang zu diesem Stoff zu finden, an dem sie einsetzen konnte. Ihr tat sich einfach keine geeignete Prämisse auf, wie sie Fantasma gestand, dabei befasste sie sich sonst unaufhörlich damit, ihre eigenen Geschichten zu schreiben.
Sie hatte eben schon immer Schriftstellerin werden wollen und schon vor einiger Zeit, als sie ungefähr elf gewesen war, angefangen, diesen Traum zu verwirklichen. Anfangs waren es sehr kurze, naive Erzählungen, in denen sie selbst praktisch die Protagonistin darstellte. Es waren immer Varianten ihrer eigenen Persönlichkeit gewesen, Charaktere, die ganz ähnlich dachten und fühlten wie sie, die dann aus irgendeinem Grund in Abenteuer verwickelt wurden zu Themen, die sie eben zu diesem Zeitpunkt bewegten.
Als sie begonnen hatte, immer mehr Krimis zu lesen, hatte sich damit unweigerlich auch ihre Herangehensweise an ihre schriftstellerischen Versuche gewandelt. Dabei fiel es ihr oft schwer, ihren Figuren schlimme Dinge zustoßen zu lassen. Es stimmte was man sagte; wenn man eine Geschichte schrieb, waren die Charaktere, die man schuf, wie die eigen Kinder für einen. In vielen Belangen waren sie einem sehr ähnlich, und in anderen dann wieder grundverschieden; manchmal wusste man genau, was in ihnen vorging, und manchmal führten sie ein Eigenleben, das man gar nicht mehr nachvollziehen konnte. Doch ebenso wie man als Mutter seine Kinder eigene Erfahrungen machen lassen musste, die manchmal ebenfalls unweigerlich in Trauer endeten, musste man als Autorin auch seinen Figuren ihren eigenen Willen zugestehen. Letztendlich hatte sie erkannt, dass dieses Genre mehr noch als jedes andere dazu geeignet war, sich mit essenziellen Fragen auseinanderzusetzen – Schuld und Sühne, moralische Vorstellungen von richtig und falsch oder die immer wieder neu verhandelten Konventionen, die für das menschliche Leben notwendig waren – und so hatte Emma die automatisch mit eingewoben.
Es war ohnehin unausweichlich, dass eine ausgedachte Geschichte im Gegensatz zu einer einfachen Schilderung eine zusätzliche Bedeutungsebene gewann; ohne dass es sich verhindern ließe, spiegelten sich die Gedanken des Autors darin wider, seine Wünsche und Träume, seine Ängste ebenso wie seine Hoffnungen und seine Ansichten zu Politik, Philosophie und Theologie, nur begegnete sie dem inzwischen mit viel mehr Bedacht. Sie überlegte sich genau, was sie zum Ausdruck bringen wollte, und wie sie das erreichen konnte. Das war fast wie ein innerer Zwang, und sie wusste auch, woran das lag. Sie wurde getrieben zu schreiben von den Erfahrungen, die sie gemacht hatte; sie war von ihren Klassenkameraden zumeist ignoriert, ausgelacht oder verspottet worden, sodass sich das zunächst wie von selbst entwickelt hatte. Ihre Antagonisten trugen stets Züge derjenigen, die sie unterdrückten, und ihre Heldinnen waren die Unterdrückten, denen am Ende Gerechtigkeit widerfuhr.
Als sie diese Analogie erst einmal entdeckt hatte, betrachtete sie es fortan als ihre Pflicht, die Welt im bescheidenen Rahmen ihrer Möglichkeiten ein Stück weit besser zu machen. Indem sie diese fiktiven Taten erforschte, warnte sie gleichzeitig vor deren realen Auswüchsen. Sie schrieb über die dunkle Seite der Psyche und wie leicht sie außer Kontrolle geriet, vielleicht konnte sie so andere dazu bringen, ihr eigenes Verhalten mehr zu reflektieren.
Das hatte sie auch Fantasma erzählt, die daraufhin entschieden hatte, mit diesem Buch die Leitlinien ihres Clubs nach außen zu tragen. An sich war das natürlich auch eine gute Idee, nur gab es da ein kleines Problem: Bislang hatte Emma nur für sich selbst geschrieben, abgesehen von Fantasma hatte sie nie jemanden eine ihrer Geschichten lesen lassen, nun aber sollte sie plötzlich etwas schreiben, das zumindest theoretisch jeder lesen sollte. Zum einen bedeutete das eine gewisse Verantwortung, immerhin sollte ihr Entwurf an das Gute im Menschen appellieren, doch vor allem setzte sie sich damit einer allgemeinen Aufmerksamkeit aus, und das war etwas, mit dem sie noch nie gut klargekommen war. Sie stand nicht gern im Mittelpunkt, das entsprach einfach nicht ihrer Natur, außerdem hatte sie die Erfahrung gemacht, dass das in den meisten Fällen einzig zu Peinlichkeiten führte. Wenn man von anderen beachtet wurde, musste man sich eben zwangsläufig deren Beurteilung stellen, und die war in Emmas Vergangenheit nur selten zu ihrem Vorteil ausgefallen. Wenn man still war, von den Lehrern oft gelobt wurde und seine Freizeit am liebsten für sich mit einem Buch verbrachte, wurde man von seinen Mitschülern schnell als etwas seltsam betrachtet.
In dieser speziellen Angelegenheit erschien ihr das jedoch noch furchterregender als es sowieso schon war. Wenn sie schrieb, flossen nun einmal unvermeidlich ihre geheimsten Gedanken und Gefühle mit ein, sie legte damit förmlich ihre gesamte Seele offen, sollte sich darüber jemand lustig machen – was ihren Begriffen nach wohl zu befürchten stand – wäre das die grausamste Art der Zurückweisung, die sie sich vorstellen konnte. Es wäre wie eine totale Ablehnung ihres Inneren, als würde jemand, dem sie rückhaltlos vertraute, ihr ohne Vorwarnung das Herz aus der Brust reißen. Ihr Selbstwertgefühl war eine ziemlich ambivalente Sache, mal machte es ihr gar nichts aus, von ihren Klassenkameradinnen gemieden zu werden, mal fragte sie sich stundenlang, was genau eigentlich nicht mit ihr stimmte, doch sollte es tat so weit kommen, wäre von ihm wohl endgültig nicht mehr übrig als ein bisschen Staub.
Deshalb zuckte sie auch unwillkürlich zusammen, als Fantasma nun die Frage stellte, die Emma befürchtet hatte: »Na ja, und wie sieht’s mit dem Roman aus, den du schreiben wolltest? Hast du da inzwischen eine Idee für?«
Emma konnte nicht verhindern, dass sie zögerte. Alle Blicke auf sich gerichtet kam sie sich auf einmal wie eine Labormaus in einem Labyrinth vor, die unter der wachsamen Beobachtung von gewaltig über ihr aufragenden Wissenschaftlern – fremden Lebewesen, die sich ihrem Verständnis völlig entzogen – schnellstmöglich einen Weg hinaus finden sollte. Einen Moment lang fühlte es sich sogar so an, als schlüge ihr Herz in dieser Frequenz, so rasend, dass die einzelnen Töne gar nicht mehr voneinander zu unterscheiden waren, doch beruhigte sie sich augenblicklich wieder. Es gab nur zwei Orte auf der Welt, an denen sie eine ohne jede Einschränkung herrschende Geborgenheit verspürte, zu Hause bei ihrer Mutter und hier, umgeben von ihren Freundinnen. Bei ihnen konnte sie ganz sie selbst sein, sie konnte über alles mit ihnen sprechen und sich immer auf sie verlassen.
Emma hatte keine Angst gehabt, Fantasma ihre Geschichten zu zeigen, weil sie ohnehin schon alles über sie wusste. Diese Werke, so unzureichend sie auch sein mochten, konnten ihr nichts bahnbrechend Neues über sie verraten; sie kannten einander einfach genau, außerdem waren sie sich unheimlich ähnlich. In vielem waren sie derselben Meinung und setzten sich für dieselben Ziele ein, aber galt das nicht ebenso für die anderen Mädchen in diesem Raum? Natürlich empfand sie zu Fantasma eine ganz besondere Bindung, immerhin liebte Emma sie mehr als sie je hätte glauben können, doch gab es hier niemanden, dem gegenüber sie sich nicht bedingungslos offenbart hätte. Auch sie waren alle in ihre Geheimnisse eingeweiht und standen immer zu ihr. Vor ihnen musste sie sich nicht verstellen, so viel war sicher. Sollten sie an ihrer Geschichte etwas auszusetzen haben, konnte kein Zweifel daran bestehen, dass es eben einfach nicht gut war. Auf ihr Urteil konnte sie sich verlassen, sie würden ehrlich zu ihr sein, ohne sie niederzumachen, und Emma wurde klar, dass sie genau diese Offenheit wollte.
Sie holte einmal tief Luft, dann sagte sie: »Tatsächlich … ist mir da was eingefallen.«
»Ach ja? Was denn?«, fragte Fantasma gespannt nach.
Aber noch bevor Emma antworten konnte, fuhr Emilia dazwischen: »Sollten wir das denn wirklich tun?«
»Also ich finde die Idee, ein Buch zu schreiben, eigentlich ganz gut«, meldete sich Isabelle zaghaft zu Wort.
»Das mein ich gar nich’«, winkte Emilia jedoch ab. »Ich meine … sollten wir anderen wirklich so unsere Meinung aufdrängen? Sollte nicht jeder frei entscheiden können, was er für richtig hält?«
»Natürlich«, räumte Fantasma ein, »aber daran hindern wir doch auch niemanden, oder? Wir schreiben doch niemandem etwas vor, wir zeigen den Menschen bloß, was sie damit anrichten, wenn sie andere ausgrenzen und überlassen ihnen dann selbst die Wahl.« Das war immerhin ein weiterer Grund, warum sie Bücher so sehr liebte, sie brachten einem die Gefühle ihrer Helden näher als jedes andere Medium es vermochte, und daraus ließen sich immer Bezüge zu einem selbst herstellen, waren es nun Gemeinsamkeiten oder das Gegenteil. Letztlich enthielten sie auf dieses Weise alle eine Art Wahrheit, die man sich allerdings erst erarbeiten musste. Sogar profunde Wahrheiten waren besser zu erkennen, wenn sie in eine Geschichte eingebettet waren. Wahrscheinlich las sie deshalb ständig diese Bücher, die sie nun einmal las: sie alle enthielten diese Weisheit verbunden mit dem Schicksal ihrer Protagonisten, die sie erst greifbar machten.
Vielleicht war Fantasma in dieser Beziehung aber auch voreingenommen. Bücher waren immer ihre größte Leidenschaft gewesen, da war es wohl kein Wunder, dass sie ihnen zusprach, alles vollbringen zu können, von der Heilung gebrochener Herzen bis zur Enthüllung der Mysterien des Lebens. Andererseits konnte sie einen Großteil dessen aus eigener Erfahrung bestätigen. Wann immer sie traurig war, las sie und fühlte sich augenblicklich besser, doch hatte diese Hingabe noch weitaus mehr Einfluss auf sie ausgeübt. Nicht einmal an ihrer ergebenen Zuneigung zu Emma war sie gänzlich unschuldig. Sie war dafür verantwortlich, dass Fantasma dieses auf den ersten Blick unscheinbare Mädchen zu bewundern angefangen hatte. Zwar hatte Emma auf sie sofort einen sympathischen Eindruck gemacht, doch erst als sie von ihrem Traum, Schriftstellerin zu werden erfahren hatte, war sie ihr vollkommen verfallen. Immerhin widmete sie sich ganz dem Erschaffen dessen, was sie beide so sehr in seinen Bann schlug, wie hätte Fantasma ihr da widerstehen sollen? Von da an waren ihr immer mehr anbetungswürdige Eigenschaften an ihr aufgefallen, und schon bald war Emma für sie nichts geringeres als ein Wunder.
Dennoch verstand sie Emilias Einwand. Nach deren Enthüllung, warum sie wirklich das Internat besuchte, hatte sie ihren neuen Freundinnen gegenüber eine umfassende Beichte abgelegt. Dass sie und Lilly von derselben Dämonin – Sinistra – abstammten, war ihr selbst erst kurz vorher klargeworden, nur hatte sie im Gegensatz zu ihrer Halbschwester ihre Erzeugerin im Grunde für ehrlich gehalten, unnachgiebig was das Durchsetzen ihres Willens betraf, aber gerecht. Wie sich herausstellte, war das falsch. Emilias Mutter hatte sie sich regelrecht als Sklavin gehalten. Für Sinistra war sie nichts weiter als ein Mittel zu dem Zweck gewesen, ein Kind zu zeugen, das sie nach ihren Vorstellungen erziehen konnte. Dass sie sich noch gelegentlich an ihr verging, um ihre Triebe an ihr zu stillen, hielt sie offenbar für angebracht, spielten sie ihrer Tochter doch die heile Welt einer sich liebenden Familie vor.
Das war eine Tortur, die ihre Mutter kaum hatte aushalten können, wie sie Emilia später in einem stillen Moment anvertraut hatte. Es war ihr schon schwer genug gefallen, den regelmäßigen Missbrauch über sich ergehen zu lassen, aber Emilia dann auch noch nach den Maßstäben aufwachsen zu sehen, die ihr aufgezwungen worden waren, machte es endgültig unerträglich. Zum Glück war Sinistra nicht oft bei ihnen zu Besuch. Ihr Amt als Königin des Reichs der Dämoninnen verlangte viel Aufmerksamkeit, doch wann immer sie da war, hatte sie Emilia erklärt, wie minderwertig Menschen waren, und wie überlegen im Vergleich zu ihnen ihre eigene Rasse war. Sie sollte stets vor ihnen auf der Hut sein, ihnen nicht vertrauen, denn das würde bloß bedeuten, von ihnen hintergangen zu werden, und dass es in der natürlichen Ordnung lag, dass die Starken über die Schwachen herrschten.
Sie war also das Opfer einer gezielten Indoktrination gewesen.Sie war nur ein Werkzeug gewesen, ihre Mutter hatte in ihr geradezu eine perfekte Agentin herangezüchtet: jemanden, der ihr treu ergeben war, der ihre eigenen Überzeugungen in sich aufgesogen hatte und den sie nun überall hinschicken konnte, um für sie zu spionieren. Denn genau das war Emilias Auftrag gewesen. Lilly hatte Sinistras Thronfolge übernehmen sollen, doch nachdem sie sich geweigert hatte, war ein Kampf zwischen ihnen entfacht, in dessen Verlauf das Herz der Königin sozusagen von einem Blitz geformt aus Finsternis durchbohrt wurde. Erst auf diese Weise, als Lillys Wut beinahe übermenschliche Züge angenommen hatte, hatte sie entdeckt, dass sie als Halbdämonin die Fähigkeiten dieses Zweigs ihrer Abstammung, die Schatten kontrollieren zu können, geerbt hatte – im Gegensatz zu Emilia, die von Sinistra von klein auf im Umgang mit ihrer Macht geschult worden war.
Nun ist es so, dass Dämonen, die im Reich der Menschen eigentlich tödlichen Verletzungen erliegen, nicht sterben, sondern nur ihre Gestalt nicht länger aufrecht erhalten können und zurück in ihre Welt, den Limbus, gezogen werden. Danach können sie erst wieder in andere Welten reisen, wenn sich ihre Kräfte weit genug erholt haben, was bei derart schwerwiegenden Läsionen eine ganze Weile in Anspruch nehmen konnte. Emilia hatte während dieser notgedrungenen Abwesenheit nun Lilly beobachten sollen. Sinistra hatte befürchtet, dass hier eine Verschwörung gegen sie im Gange sein könnte, doch stattdessen fand Emilia an dieser Schule zum ersten Mal Gleichgesinnte, die sie vorbehaltlos akzeptierten. Es war wie die Erlösung von einem verdrängten Schmerz gewesen, der sie aber dennoch unablässig gequält hatte, und die Vereinigung mit ihrer bis dahin unbekannten Schwester war ein Teil davon.
Insofern verstand Fantasma sogar, warum sie von diesem Plan nichts hielt. Sie war eben in einem Umfeld aufgewachsen, in dem ihr bewusst die Dinge verinnerlicht worden waren, von denen man wollte, dass die an sie glaubte. Sie wollte einfach nicht, dass anderen dasselbe widerfuhr wie ihr, dass ihr Denken nach dem Willen von jemand Fremdem geformt wurde, dass ihre Gefühle und Entscheidungen auf ein Ziel hin ausgerichtet wurden, das sie nicht selbst ausgesucht hatte. Fantasma erging es da kaum anders. Sie war gerade erst von einem Besuch bei ihren Eltern zurückgekehrt, sie hatte selbst kein Verlangen nach Dogmen mehr. Aber so waren nun einmal alle Eltern, ob Halbdämoninnen oder nicht, sie gaben unweigerlich das an ihre Kinder weiter, was sie als richtig erachteten. Es lag dann einzig im eigenen Ermessen, ob man diesem vorgegebenen Pfad folgte oder einen ganz anderen wählte.
Trotzdem gab es doch wohl einen Unterschied zwischen dem, was sie vorhatten und dem, wie Emilia behandelt worden war: »Außerdem wollen wir doch gar keine bestimmte Ideologie verbreiten. Wir schreiben den Leuten doch nicht vor, woran sie glauben sollen, an welchen Gott oder an welche moralischen Richtlinien. Wir wollen nur, dass sie niemanden dafür verurteilen, der nicht an dasselbe glaubt wie sie. Was soll daran schon falsch sein?«
»Nichts«, gab Emilia zu. Das entsprach immerhin genau ihren eigenen Ansichten, doch so ganz überzeugt war sie immer noch nicht. »Aber ist das nicht eine Art Missionierung? Versuchst du dann nicht, jeden zu bekehren, der eine andere Auffassung vertritt als du?«
Diese Bemerkung brachte Fantasma ins Grübeln. Es war wohl nicht abzustreiten, dass diese Vorwürfe ihre Berechtigung besaßen, auch wenn sie die Dinge naturgemäß ein wenig anders sah. Es mochte ja sein, dass sie eine gewisse Doktrin verfolgten, die zugegebenermaßen sogar einen Anspruch auf Allgemeingültigkeit stellte, doch war deren Inhalt für sie eine reine Selbstverständlichkeit, die jeder von sich aus beherzigen sollte.
»Na ja, wenn du das so ausdrücken willst, kann ich nicht viel dagegen sagen«, stimmte sie widerstrebend zu, »aber ich meine, wir verlangen doch nichts von den Leuten, was nicht absolut notwendig wäre. Wir verbieten doch niemandem, etwas bestimmtes zu essen oder sich in jemanden zu verlieben. Im Gegenteil. Es ist doch egal, ob man auf Männer oder Frauen steht oder auf welche Weise man es miteinander tut, Hauptsache, alle Beteiligten sind glücklich. An sich bestehen wir doch nur auf die Einhaltung der Menschenrechte. Es sollten sich einfach alle gegenseitig respektieren und Rücksicht aufeinander nehmen. Alles andere ist uns egal. Das kann doch nicht so schwer sein, oder?«
Sie seufzte leise, bevor sie in einem melancholischeren Ton fortfuhr. »Wenn das Bestandteil von Religionen wäre, hätte ich viel weniger Schwierigkeiten mit meinen Eltern. Letztendlich läuft es doch darauf hinaus, dass alle Religionen immer denken, sie wären unfehlbar. Es reicht nicht, dass du an einen Gott glaubst, sondern musst auch eine ganze Reihe weiterer Dinge hinnehmen, die sie für unumstößlich halten und die ganzen Vorschriften, die daraus resultieren. Du kannst nicht einfach sagen, dass dir das an sich gefällt, aber es etwas übertrieben findest, dass Jesus übers Wasser gelaufen sein soll. Wenn du Christin sein willst, musst du glauben, dass Jesus Gottes Sohn war, und warum soll er dann nicht über einen See gelaufen sein soll’n? Und wenn die Gebote von Gott diktiert wurden, kannst du sie nicht einfach missachten, aber das bedeutet auch, dass du mit jeder Person, mit der du Sex hast, gleich eine lebenslange Bindung eingehen musst. Außerdem liefern sie gleich eine Antiaustrittsklausel mit, schließlich darfst du keine anderen Götter neben ihm haben, also hält man sich am besten fern von allem, was vielleicht ›ketzerisch‹ ist.«
Noch einmal hielt Fantasma kurz inne und sammelte sich. Ihr war klar, dass sie sich wie eine erbitterte Kämpferin anhörte, die sich gegen alles Sakrale aussprach, obwohl das gar nicht stimmte. Sie war doch selbst der Ansicht, dass eine höhere Macht existierte, aber waren die Umstände der Kindheit nun einmal das, was einen am meisten prägte, und da sie in einem sehr konservativen Umfeld aufgewachsen war, hatte sich vieles in ihr aufgestaut, das sich nun Bahn brach, ohne dass sie es hätte aufhalten können. Ihre Rückkehr nach Hause hatte das nur wieder an die Oberfläche ihres Bewusstseins gespült, und Emilias Einwände wirkten da wohl als Katalysator, der das alles aus ihr hervorsprudeln ließ. Es fühlte sich auch gut an, endlich darüber zu reden. Erst jetzt merkte sie, wie sehr diese unterschwelligen Emotionen in ihr gelodert hatten, wie ein schwelendes Feuer, das nur darauf gewartet hatte, in ein unentrinnbares Flammenmeer auszubrechen. Sich ihren Freundinnen zu öffnen, linderte das Brennen in ihr, als würde es die glimmenden Funken löschen und so ließ sie es auch weiterhin zu.
»Ich denke, viele Menschen nehmen das ganze einfach viel zu ernst«, führte sie aus. »Die sind der Meinung, dass alle anderen unbedingt an dasselbe glauben müssen wie sie. Keine Ahnung, was denen das bringen soll. Wahrscheinlich meinen sie, dass sonst die Welt den Bach runter geht und halten das für einen persönlichen Auftrag Gottes oder so. Die haben doch alle irgendeinen Komplex, wenn ihr mich fragt. Aber bei uns ist das ja auch was anderes. Eigentlich bieten wir alle Vorteile der Religion ohne die Nachteile. Wir haben einfach eine Gemeinschaft gegründet, weil wir alle dieselben Moralvorstellungen teilen und uns nahe fühlen. Jetzt bieten wir eben jedem, dem es ähnlich geht, die Möglichkeit, sich uns anzuschließen. Ohne weitere Verpflichtungen. Damit schaden wir doch niemandem. Im besten Fall haben wir am Ende eine Gesellschaft, in der alle Verständnis füreinander haben, in der niemand diskriminiert wird und alle gleichgestellt sind.«
»Genau wie beim Tribalismus«, nickte Isabelle. »Das ist eine ganz natürliche Neigung des Menschen.«
»Genau«, bestätigte Fantasma, obwohl sie nicht wirklich wusste, was Tribalismus war, aber sie hatte die Erfahrung gemacht, dass wenn Isabelle den Mund aufmachte – was selten genug vorkam – sie die Wahrheit sagte. »Also«, fixierte sie mit scharfem Blick wieder Emilia, »bist du damit zufrieden? Können wir dann endlich weitermachen?«
»Schon gut«, sagte Emilia wie beiläufig, »ich wollte dich ja gar nicht abhalten, ich habe nur ein paar unbedeutende Zweifel geäußert.«
»Schön. Ich hoffe, wir konnten sie damit zerstreuen.« In der sicheren Annahme, das geschafft zu haben, wandte Fantasma sich wieder Emma zu. »Gut, welche Idee hattest du denn jetzt für die Geschichte?«
»Tja«, begann ihre Freundin von neuem, während sie nervös auf ihrem Hintern umherrutschte, »genau genommen ist es gar nicht meine Idee. Als ich bei meinen Eltern war, habe ich Melanie besucht, eine alte Klassenkameradin von mir, die ich lange nicht mehr gesehen habe, und die hat mir etwas erzählt. Seit Anfang des Schuljahres geht ein neues Mädchen in ihre Klasse, Theresa, und … na ja, Melanie sagt, diese Theresa wäre verhext worden.«
»Verhext?«, warf Isabelle zweifelnd ein. »Von einer Hexe?«
Verlegen hüstelte Emma. »Äh … ja.«
»Von wem auch sonst?«, fragte Fantasma mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Aber … findet ihr das nicht auch ein bisschen unwahrscheinlich?«, gab Isabelle zu bedenken.
»Sagt die Dämonin, die gerade lernt, wie man Schatten kontrolliert«, erwiderte Fantasma schulterzuckend. »Aber selbst wenn es gelogen ist, was macht das schon für einen Unterschied? Wir wollen doch nur eine Geschichte erzählen, die muss doch nicht unbedingt wahr sein, oder? Du kannst doch nicht von jedem Roman erwarten, dass er wissenschaftliche Standarde erfüllt.«
»Kein Wunder, dass du das sagst«, merkte Emma mit einem verspielten Lächeln auf den Lippen an, während Isabelle leise etwas davon vor sich hinmurmelte, dass das nicht der korrekt gebildete Plural des Wortes ›Standard‹ war. »Wann hast du denn das letzte Mal ein Buch gelesen, das keine phantastischen Elemente beinhaltet?«
»Hm …«, überlegte Fantasma, »das war wohl dieser Krimi von Dashiell Hammett, den du mir aufgedrängt hast.«
»Aufgedrängt? Wieso das denn, hat er dir etwa nicht gefallen?«
»Doch, das schon. Aber vielleicht lag das auch nur daran, dass er trotzdem nicht besonders realistisch war auch wenn nichts Übersinnliches vorkam.« Sie gestattete sich ein leises Lachen, in der sicheren Gewissheit, dass Emma genau wusste, wie sie das meinte und es ihr nicht übel nehmen würde. »So, jetzt aber genug davon«, winkte sie dann jedoch schnell ab, bevor die Sache überhandnehmen konnte. »Erzähl lieber weiter.«
Ebenso unvermittelt wieder ernst werdend nickte Emma stumm. Grundsätzlich betrachtete sie alles mit Humor, doch was ihre Geschichten anbetraf, ging sie eher mit einer Art grimmiger Entschlossenheit vor. »Also, es soll wohl so gewesen sein, dass eigentlich Daria, Theresas beste Freundin, von einer Hexe in ihrem Alter verflucht wurde, weil sie ihr gegenüber immer so überheblich war. Sie … sie hat ihr einen Penis angehext, und das hat Daria verständlicherweise ziemlich aus der Bahn geworfen. Letztendlich hat das dazu geführt, dass sie sogar kurzzeitig von zu Hause ausgerissen ist und ein neues Leben beginnen wollte, aber irgendwie ist sie bei dieser Hexe gelandet und hat erkannt, dass sie sich schon lange in sie verliebt hatte, ohne … ohne dass sie diese unbekannten Gefühle an sich hätte zulassen können, versteht ihr?«
»Aha«, machte Fantasma in einer Mischung aus Interesse und unüberhörbarer Skepsis, »und diese Theresa soll dann die Hauptfigur werden?«
»Äh, nein, ich dachte, es wäre das Beste, Daria zu unserer Protagonistin zu machen. Weißt du, wir wollten ja den Menschen zeigen, wie es ist, ausgeschlossen zu werden, und ich finde, da eignet Daria sich besonders zu. Sie ist ja zuerst selbst so oberflächlich, so gedankenlos, sie unterdrückt jeden, der nicht in ihr Weltbild passt, dann aber muss sie feststellen, genau so geworden zu sein, wovor sie sich immer gefürchtet hatte: anders zu sein als die anderen und überwindet so ihre Vorurteile.«
Mit plötzlich entfachtem Enthusiasmus leuchteten Fantasmas Augen auf. »Ah ja, das ist gut! Dass sie einen Zipfel bekommt, ist sogar eine passende Allegorie zu uns Halbdämoninnen, und dass eine Hexe vorkommt, macht es noch besser. Als mythologische Figur verweist sie auch auf uns und macht uns vielleicht ein bisschen … glaubwürdiger.«
»Aber ist die Hexe nicht die Antagonistin der Geschichte?«, fragte Emilia. »Lässt sie uns damit nicht viel eher schlecht aussehen?«
»Nein, nein«, verteidigte Emma ihr Handlungskonstrukt, »der Antagonist muss ja nicht immer eine Person sein. In diesem Fall sind es eindeutig Darias eigenen Vorbehalte, die sie daran hindern, sich ihre Liebe einzugestehen. Die Hexe leidet doch ebenso unter dieser regressiven Einstellung, die Daria vertritt. Sie ist mehr die zweite Hauptperson.«
»Oh, wie subversiv«, meinte Emilia mit einer Stimme, die vor Sarkasmus nur so troff, wurde aber komplett ignoriert.
»Das gefällt mir!«, rief Fantasma stattdessen. »Zwei Mädchen, die sich trotz aller Hindernisse ineinander verlieben und am Ende zusammenkommen. Das ist ja so romantisch! Wann kannst du anfangen zu schreiben?«
»Na ja, eigentlich hab ich schon angefangen zu schreiben. Ich hatte in den Ferien ja genug Zeit dazu.« Noch immer ein wenig verunsichert stand Emma auf, ging zu ihrer Reisetasche hinüber, die sie vor dem Schrank auf dem Boden hatte stehen lassen, und entnahm ihr einen Stapel Papiere. Es waren sieben ordentlich zusammengeheftete Ausgaben ihres Manuskripts. »Weit bin ich aber noch nicht gekommen«, entschuldigte sie sich vorsichtshalber schon einmal, während sie die Entwürfe verteilte, an jedes Mitglied ihres Clubs ein Exemplar.Neugierig besah Fantasma sich das Ergebnis von Emmas Bemühungen. »Schreibst du nicht mehr handschriftlich?«, fragte sie dann nach.
»Äh, doch, aber der Einfachheit halber hab ich den Anfang schon mal abgetippt und für jeden ausgedruckt, damit ihr euch selbst ein Bild davon machen könnt, und euch überlegen könnt, ob ihr damit einverstanden seid.«
Fast ohne es zu bemerken gab Fantasma ein nachdenkliches Geräusch von sich. Am liebsten hätte sie die Geschichte jetzt sofort verschlungen, sie den anderen voller Stolz laut vorgetragen, aber sie wusste, dass es Emma unangenehm gewesen wäre, und niemals hätte sie etwas gegen deren Willen getan. »Okay, dann schlag ich vor, dass wir alle bis zu unserem nächsten Treffen das Manuskript so weit lesen und uns danach näher damit befassen.« Mit einem leisen Seufzen, in dem ihr Bedauern unverkennbar mitschwang, zwang sie sich dazu, die Blätter beiseite zu legen. Unter dezentem Gemurmel der Zustimmung taten ihre Clubkameradinnen es ihr gleich.
Nachdem das somit beschlossen war, wurde es still in dem Raum. Alle warteten darauf, dass ihre Clubpräsidentin verkündete, was als nächstes anstand, nur gab es da nichts weiter. Sie hatten schon alle Angelegenheiten besprochen, doch wollte Fantasma ihre Versammlung auch noch nicht auflösen. Es war so schön, endlich ihre Freundinnen wiederzusehen und sich mit ihnen auszutauschen, also durchkramte sie zwanghaft ihr Gedächtnis nach irgendeinem Thema, mit dem sie sich noch beschäftigen konnten. Tatsächlich fiel ihr nach kurzem Überlegen auch etwas ein. Einige Tage bevor sie wieder zurück ins Internat hatte fahren müssen, waren ihr noch einmal ihre ganzen Erlebnisse hier durch den Kopf gegangen. Dabei hatte sie ein Detail entdeckt, das sie in diesem eng verbundenen Beisammensein gerne näher erörtern würde.
»Wisst ihr eigentlich, was mir letztens aufgefallen ist?«, fragte sie, wobei sie ihre wie von einem dunklen Schimmer erhellten Augen über die Anwesenden schweifen ließ, bis sie mit unvermittelter Vehemenz an Emilia hängen blieben. »Dass du noch Jungfrau bist!«, führte sie ihre Hypophora auch gleich zu Ende.
Emilia traf diese Behauptung so unerwartet, dass sie kein solches rhetorisches Stilmittel zustande brachte. »Wie bitte?«, gelang es ihr nur fassungslos hervorzubringen. »Ich möchte ja jetzt nicht komisch klingen, aber … ich hab ausnahmslos alle in diesem Zimmer schon flachgelegt – dich übrigens eingeschlossen.«
»Äh, ja, das wollte ich gar nicht anzweifeln. Was sich meinte, war … dich hat noch niemand flachgelegt.«
»Ach so«, dämmerte es Emilia. Das stimmte natürlich. Bei all den Ausschweifungen, die im Rahmen ihres Clubs stattgefunden hatten, hatte sie sich zwar bereits in sämtlichen Körperöffnungen dessen Mitglieder vergnügt, doch war es aus irgendeinem Grund nie dazu gekommen, dass sich jemand in ihr erleichtert hätte. Nun, ganz richtig war das nicht, sie hatte schon der einen oder anderen ihrer Freundinnen einen geblasen und sich dabei auch von ihnen in den Mund spritzen lassen, aber obwohl sie sich dem gar nicht verweigert hätte, hatte keine von ihnen bislang Einlass in Emilias Scheide gefunden. Was allerdings wiederum nicht hieß, dass sie noch Jungfrau gewesen wäre.
»Ich verstehe«, sagte sie grinsend, »aber du kommst trotzdem zu spät, wenn du vorhattest, mir jetzt die Unschuld zu nehmen oder so.«
»Was?«, war es nun an Fantasma, die Fassung zu verlieren. »Aber wer soll das denn gewesen sein? Wir waren es nicht und deine Freundin ja wohl ebenso wenig.«
Dieses Nachhaken brachte Emilia in eine Situation, aus der sie sich nicht mehr herausreden konnte. Maria als einziger Mensch unter ihnen konnte es nicht gewesen sein, und das war etwas, das sie nicht einmal ihr anvertraut hatte, dem Mädchen, das all ihre Liebe galt. Es war ihr einfach peinlich.
»Das … ist eine lange Geschichte«, versuchte sie, das Unvermeidliche doch noch abzuwenden.
»Och«, sagte Maria gelassen, »keine Sorge, wir haben Zeit.«
Damit blieb Emilia natürlich erst recht keine andere Wahl mehr als mit der Wahrheit herauszurücken. Es war nur verständlich, dass Maria nach solch einer Offenbarung wissen wollte, wie es dazu gekommen war, und Emilia hätte es nie übers Herz gebracht, sie jetzt darüber im Unklaren zu lassen.
»Na ja«, sagte sie kaum hörbar, »das war ich selbst.«
»Nee, nee«, widersprach Fantasma, »Spielzeuge zählen nicht. Und so was wie Überdehnung beim Sport auch nicht. Wenn du noch nie ein echtes Teil unten bei dir drin hattest, bist du für mich eine Jungfrau.«
»Das meinte ich ja auch«, sagte Emilia, den Boden vor sich betrachtend. »Es … es war eben mein eigenes Teil.«
»Du hast dich selbst gefickt?«, vergewisserte Maria sich, ihre Erklärung richtig ausgelegt zu haben.
»Ähm … ja«, gestand Emilia dieses Abenteuer, zu dem sie sich hatte hinreißen lassen. Früher wäre es ihr nie in den Sinn gekommen, etwas derart Persönliches zu enthüllen, nicht einmal wenn sie wie jetzt das Gefühl hatte, jemandem bedingungslos vertrauen zu können. Dazu war sie zu oft enttäuscht worden. Sie war nie wirklich akzeptiert worden; selbst Menschen, die sie für Freundinnen gehalten hatte, hatten sich früher oder später von ihr abgewandt und letztlich hatte sich sogar ihre dämonische Mutter als verabscheuungswürdiges Miststück herausgestellt. Doch auf die Mitglieder des Clubs konnte sie sich verlassen, das war ihr inzwischen zweifelsfrei klargeworden. Sie hatten all ihre Verfehlungen und ihre dunkelsten Geheimnisse aufgedeckt, sie hatten einen Blick in die Abgründe ihrer Seele werfen können, dennoch hatten sie zu ihr gehalten.
Vor allem aber ihre Beziehung zu Maria gab ihr die Kraft dazu. In ihr hatte sie einen Halt gefunden, den sie für immer verloren geglaubt hatte.
»Aus Neugier?«, erkundigte sich in diesem Moment ihre feste Freundin. Es lag kein Vorwurf in ihrer Stimme, einzig die hingebungsvolle Anteilnahme, mit der man seine Liebsten nun einmal bedachte. Etwas anderes war bei der Konstellation ihres Verhältnisses auch gar nicht zu erwarten gewesen. Eifersucht spielte zwischen ihnen keine Rolle, das hatten sie schon beschlossen, als zusammengekommen waren. Schon die Bedingungen, unter denen sie ihre Empfindungen füreinander entdeckt hatten, hatten sie unausweichlich auf diesen Weg geführt. Emilia war mit dem Club, bei dem sie mehr aus reinem Zufall als Gründungsmitglied fungierte, immer tiefer in einen Strudel der verruchtesten Freuden geraten, während Maria sich ihnen allen anonym erboten hatte, ihnen durch ein Loch in der Kabinenwand der Schultoiletten einen zu blasen, nachdem sie sich bereits unter den Jugendlichen des nahegelegenen Dorfes einen Namen als leichtes Mädchen gemacht hatte.
Sie hatten also beide schnell herausgefunden, wie viel Spaß Sex machte, und hatten sich darauf geeinigt, dass einen nur ein nicht unerheblicher Teil davon entging, wenn man sich den Beschränkungen des allgemein anerkannten Wertekanons unterwarf. Für sie zählte es nicht, wenn sie es auch mal mit jemand anderem taten, das Einzige von Belang war ihre unendliche Liebe zueinander. Die würde niemals vergehen, und so gestanden sie es sich auch zu, ihre abwegigsten Phantasien auszuleben. Wenn man sich wahrhaft liebte, musste man sich eben seine Freiräume lassen, und solange sie sich nichts verheimlichten, sondern ganz offen miteinander umgingen, waren sie mit jeder Eskapade der anderen einverstanden, so abstrus sie auch sein mochte. Maria durfte weiterhin ihr Gloryhole für sämtliche Schülerinnen betreiben, die es nutzen wollten, und Emilia erging sich hin und wieder an den Vorzügen ihrer anderen Freundinnen, wenn sich die Gelegenheit dazu ergab.
Ohnehin war es den beiden am liebsten, wenn sie sich gemeinsam in ihre Leidenschaften stürzen konnten, und so hatte sich eine gewisse Vorliebe zwischen ihnen entwickelt. Seit langem war es Marias größter Traum gewesen, von so vielen Typen wie möglich gleichzeitig bestiegen zu werden, dass ihr unzählige Schwänze entgegengestreckt wurden, die sich hemmungslos in jede ihrer Körperöffnungen drängten, und aus irgendeinem Grund gefiel Emilia die Vorstellung, nur eine von vielen zu sein, die sich ihrer festen Freundin annahmen. Der freigeistige Club, dem sie beide angehörten, war in dieser Hinsicht natürlich mehr als bereit, ihnen hilfreich zur Seite zu stehen, sodass es am Ende ihrer Zusammenkünfte oft zur Erfüllung dieses Wunsches kam. Dann war Maria schwer beschäftigt, den ganzen Halbdämoninnen nachzukommen, die von ihr bedient werden wollten, und zum Schluss war sie förmlich getaucht in Sperma, das in und auf ihr verteilt worden war.
Demnach war es kein Versuch, das Ausmaß ihrer Abnormität zu verhüllen, sondern schlicht die Wahrheit, als Emilia antwortete: »Nein, eigentlich nur aus Zufall. Na ja, wenigstens zuerst, später war es wohl schon vor allem Neugier.« Sie holte einmal tief Luft, wie um sich selbst Mut zu machen, dann erzählte sie, wie sich diese Geschichte zugetragen hatte: Es war passiert, noch bevor sie auf das Internat gekommen war und die anderen überhaupt kennengelernt hatte. Eines Abends hatte sie in ihrem Bett gelegen und ihren Schwanz masturbiert, wie sie es so häufig getan hatte, als sie plötzlich eine merkwürdige Berührung an ihrer Scheide spürte. Verwundert hatte sie an sich hinabgeblickt und festgestellt, dass es ihr eigener Penis war, der sich in einem Bogen herabgestreckt hatte und nun tastend über ihre Schamlippen hinwegstrich.
Ihren Clubkameradinnen musste sie das nicht näher erläutern, die waren mit den absonderlichen Eigenheiten ihres Geschlechts immerhin zur Genüge vertraut. Sie wussten, dass es ein langes, tentakelähnliches Ding war, das sich wie von selbst bewegte, sobald Emilia erregt war. Dagegen konnte sie sich nicht wehren, es auch nur zu beeinflussen verlangte ihr schon ein Höchstmaß an Konzentration ab. So war es eben dazu gekommen, dass sie in ihrer Lust gar nicht bemerkt hatte, wie ihr Schwanz in der Luft hierhin und dorthin gezuckt war – das tat er nun einmal immer – und wie er sich schließlich auf ihr zweites Geschlecht gelegt hatte. Sie hatte ihn in der Mitte seiner beeindruckenden Länge massiert, sodass seine konisch zulaufende Spitze auf der Suche nach weiterer Zuwendung sich selbstständig gemacht hatte und so auf diese verlockende Spalte gestoßen war.
Bis hierhin war es also wirklich reiner Zufall gewesen, doch kam an dieser Stelle der Faktor ihrer unbändigen Neugier zum Tragen. Sie hätte ihren übermütigen Penis einfach zurückziehen können und die ganze Sache wäre niemals so eskaliert. Aber das tat sie nicht. Stattdessen beobachtete sie reglos, wie die schmale Eichel sich langsam in sie drängte, sich immer weiter vorschob und sie zuletzt so zwanglos durchnahm, als wäre es ein völlig fremdes Körperteil, das Loch irgendeines Flittchens, in dem er sich ohne Bedenken ergießen konnte. Das war halt die Zeit, in der sie ihre Sexualität entdeckte. Sie war schon immer äußerst experimentierfreudig gewesen, und als sich ihr nun diese Gelegenheit aufgetan hatte, hatte sie gar nicht anders gekonnt, als es geschehen zu lassen. Sie hatte erfahren wollen, wie es war, jemanden zu nageln, ebenso wie genagelt zu werden. Hier hatte sie beides auf einmal herausfinden können, wie hätte sie dem widerstehen sollen?
Als Emilia zu Ende erzählt hatte, war ihr Gesicht tiefrot, während die anderen sie gebannt anstarrten. Offenbar faszinierte sie der Gedanke, dass ihre von einem so würdevollen Auftreten beherrschte Mitschülerin es sich selbst besorgt hatte.
Maria fand als Erste ihre Sprache wieder. »Und wie war es so?«, fragte sie beinahe hauchend, so intim war die Atmosphäre dieser Beichte gewesen.
Emilia war noch immer so von dem Gefühl ergriffen, dieses unsagbar schmutzige Geheimnis über sich preisgegeben zu haben, dass es ihr schwerfiel, ihrer Freundin in die Augen zu sehen, so freigiebig sie in ihren Begierden auch waren. Sie sah nur scheu mit gesenktem Kopf in die ungefähre Richtung, in der Maria saß, zuckte kaum merklich mit den Schultern und antwortete ebenso leise: »Schön.«
Es lag in Fantasmas Naturell, dass sie es war, die diese andächtige Stimmung brach. »Dir ist aber schon klar, dass wir das jetzt alle sehn woll’n, oder?«, rief sie ohne jede Rücksicht auf die sonst allgegenwärtige Stille.
»Wozu?«, fragte Emilia. »Wir haben doch alle schon Aufregenderes gesehen und gemacht, warum willst du dann jetzt zugucken, wie sich jemand einen runterholt?«
»Na ja, das ist doch schon eine ungewöhnliche Art, sich einen runterzuholen, oder nicht? Außerdem hast du zumindest mich neugierig gemacht. Wenn ich so was höre, woran ich noch nie gedacht habe, will ich das auch sehen. Und ich selbst wäre dazu ja wohl nicht in der Lage – genau genommen keiner außer dir. Okay, wenn ich so darüber nachdenke, schaffen es doch ziemlich viele Leute, sich selbst zu ficken, aber die brauchen dazu soziale Medien. Aber wenn dir das lieber ist, stimmen wir doch einfach darüber ab.« Fragend blickte sie die im Kreis sitzenden Mädchen an. »Also, wer möchte sehen, wie Mia sich ihr Ding reinschiebt?«
Fantasmas eigene Hand, Isabelles und Emmas schossen sofort in die Höhe, die der Zwillinge folgten kurz darauf und schließlich hob sich auch Marias verstohlen empor. Mit hochgezogenen Augenbrauen sah Emilia zu ihr hinüber.
Entschuldigend lächelte Maria sie an. »Tut mir leid, aber Fantasma hat recht. Das muss ich sehen.«
Unschlüssig legte Emilia den Kopf schief. Diese Rechtfertigung konnte sie sogar nachvollziehen. Wenn es Maria gewesen wäre, die ein solch ausgefallenes Talent besaß, hätte sie auch alles getan, um ihr bei dessen Ausübung zusehen zu dürfen. Auch deswegen war sie wohl so gern ein Mitglied der Gruppe, wenn Maria sich mal wieder ihrem gesamten Freundeskreis hingab; selbst wenn sie ihre Befriedigung woanders suchte, wollte Emilia immer ein Teil ihres Lebens sein, sie wollte jede ihrer Erfahrungen nachverfolgen, erleben, was sie erlebte, und sich von dem erzählen lassen, was sie verpasst hatte.
Zudem schien es ihr ganz dem Anlass zu entsprechen, ihren Freundinnen diese kleine Vorführung ihrer speziellen Masturbationstechnik zu gewähren. Inzwischen endete längst nicht mehr jede ihrer Versammlungen in einer ausufernden Orgie, doch heute kam es ihr nur angemessen vor. Immerhin war dies eine Art Wiedersehensfeier, nachdem sie die Ferien über getrennt gewesen waren, da war ein gewisses Unterhaltungsprogramm wohl nicht verkehrt, und dass sie dessen Mittelpunkt bilden sollte, klang nur fair. Sie war so oft in den Genuss der Aufopferungsbereitschaft ihrer Clubkameradinnen gekommen, dass es nun an ihr war, ihnen ihre Aufwartung zukommen zu lassen.
»Okay«, sagte Emilia letztendlich, »wenn euch das so viel bedeutet, mach ich’s eben.«
Trotzdem waren ihre Bewegungen nur sehr zögerlich, als sie sich nun langsam zurücksinken ließ, bis sie auf dem Rücken lag. Es war ihr immer unangenehm in den Vordergrund gerückt zu werden, sogar gelobt zu werden, war ihr ein wenig peinlich, wenn das in aller Öffentlichkeit geschah, doch vor der halben Klassenbelegschaft dieser Perversion nachzugehen, war keine Vorstellung, die ihr besonders behagte. Auch wenn sie wusste, dass die sich vorbehaltlos auf die Verschwiegenheit und das Verständnis ihrer Freundinnen verlassen konnte, war die Angst vor Zurückweisung etwas, das sich unauslöschlich in ihre Seele gebrannt hatte. Zu oft war ihr Vertrauen missbraucht worden, als dass sie Situationen wie diesen unbefangen hätte entgegensehen können.
Dennoch zwang sie sich dazu, den Saum ihres Rocks zu heben, und sie wertete es schon als Erfolg, dass ihre Finger dabei nicht zitterten. Emilia hatte ihre Vorliebe für weiße Kleider nicht abgelegt. Natürlich war es ihr auch unmöglich, Hosen zu tragen. Zwar war ihr Schwanz deutlich kleiner, solange sie nicht geil war, aber auch dann war er zu groß, um in solch beengten Verhältnissen unbemerkt verstaut werden zu können. Er hätte in ihrem Schritt einen unübersehbaren Wulst entstehen lassen, der schwer zu erklären gewesen wäre, wollte sie ihren Mitmenschen nicht weismachen, dass es völlig normal war, seine Habseligkeiten auf diese Weise mit sich herumzutragen. Obwohl Maria ihr immer wieder einzureden versuchte, dass sie in so ziemlich allem einfach umwerfend aussah und Emilia ihrem Gespür für Mode durchaus Glauben schenkte, hielt sie das bloß für eine Auswirkung der Liebe, die sie füreinander empfanden. Maria war ihr eben zugetan, was sollte sie da schon anderes behaupten? Emilia jedoch war nicht erst seit Fantasmas Hinweis diesbezüglich klar, dass sie mit ihrer ungewöhnlich blassen Haut und dem farblosen Haar wie jemand wirkte, der an Albinismus litt, und da blieb sie dabei, dass ihr Kleidung mit kräftigen Tönen nicht stand.
Sie entschied sich dazu, das Kleid anzubehalten und es nur bis über die Hüften hochzuziehen. Das war für ihre Zwecke vollkommen ausreichend, sie verfügte ohnehin über keine nennenswerten Rundungen, die sie hätte zur Schau stellen können. Damit brauchte sie nur noch ihren Slip auszuziehen, und schon wäre sie bereit für die kleine Vorführung, die ihr angedacht worden war – zumindest so bereit, wie es eben ging. Sie wusste, wenn sie noch viel länger wartete, würden ihr nur neuerliche Zweifel an ihrem Tun kommen, also hakte sie die Daumen unter den Bund ihres Höschens, hob ihren Hintern ein wenig an, um es hinabzuzerren, und streifte es sich von den Füßen, indem sie die Beine angewinkelt dicht vor sich absetzte.
So lag sie nun da, flach auf dem Boden ihres Zimmers, das weiß schimmernde Haar um ihren Kopf ausgebreitet wie die Korona auf einer mittelalterlichen Ikonographie, allerdings verhinderten ihre gespreizten Beine mit der entblößten Scham, dass sie den Eindruck einer Heiligen erweckte. Obwohl sie sich der aufmerksamen Blicke der anderen vollauf bewusst war, spürte sie überraschend schnell, wie Wärme in ihren Unterleib strömte. Ihre Wangen brannten und es war, als würde diese flüssige Glut nun weiter in ihr hinabrinnen, doch war das erheblich angenehmer als diese nicht zu unterdrückende Befürchtung, sich lächerlich zu machen, die sie hatte erröten lassen. Erfüllt von dieser Hitze begann ihr Schwanz allmählich zu erwachen.
Er war so lang, dass er sogar im schlaffen Zustand ein ganzes Stück ihren Oberschenkel hinabreichte. Dort hatte er sanft auf ihr gelegen, ein wenig feucht, als wäre er in Honig getaucht. Fast schien er an ihrer Haut zu kleben und es bildeten sich Fäden einer durchsichtigen, schmierigen Substanz, als er sich schwerfällig erhob. Isabelle hatte in ausgiebigen Studien unter vollem Körpereinsatz herausgefunden, dass es sich dabei um ein natürliches Gleitmittel handelte, das er absonderte, sobald sich in Emilia auch nur ein Hauch Wollust ausbreitete. Offenbar hatte dieser Vorschlag, sich vor Publikum selbst zu nageln, sie mehr angemacht, als sie sich einzugestehen bereit war.
Doch auch wenn dem so war, hätte sie es um nichts in der Welt geschafft, ihre versammelten Mitschülerinnen in diesem Moment anzusehen; da blickte sie lieber an sich herab und beobachtete ihren Penis, der sich immer weiter vorantastete. Entgegen ihrer sonst so fahlen Erscheinung war er von einer leuchtend lila-grünlichen Färbung, mit der er noch mehr wie eine Schlange wirkte, die zischelnd ihre Umgebung erkundete. Dabei wurde er zusehends dicker und länger; er schwoll an wie ein Blutegel, der sich vollsaugt, während seine Spitze rastlos umherwanderte. Mit einem Geräusch als würde man in eine Schlammpfütze treten schlug er patschend um sich, wobei er bis zu ihrem Knie gelangte, als er endlich zu seiner vollen Größe angewachsen war.
Das nahm Emilia zum Zeichen, ihre angekündigte Darbietung beginnen zu lassen. Sie sammelte alle ihr zur Verfügung stehende Kraft, um ihren Schwanz dazu zu bringen, sich zu ihrem Schoß zurückzubiegen. Bereits diese simple Einflussnahme benötigte ihre volle Konzentration, doch hätte sie das eigentlich gar nicht zu tun brauchen. Obwohl er mit diesem nicht nachlassenden Umherpeitschen nach einer fremden Körperöffnung suchte, in der er sich ergehen konnte, nahm er letztlich doch auch immer mit der eigenen Vorlieb, wie Emilia im Verlauf ihrer fortschreitenden Masturbationserlebnisse entdeckt hatte. Wenn die Eichel – falls man das sich immer weiter verdünnende Ende des Schlauchs denn so nennen wollte – keine unmittelbare Stimulation erfuhr, versuchte sie eben, irgendeine Möglichkeit zu finden, das zu bekommen, wonach sie sich sehnte, eine einladende Höhlung, in die sie kriechen konnte, oder wenigstens ein samtenes Fleckchen warmer Haut, an das sie sich schmiegen konnte, und früher oder später geriet sie dabei unausweichlich an die schmale Spalte, die ihr immer offenstand und ihr alles bot, nach dem es ihr verlangte.
Unter Emilias sanfter geistiger Leitung geschah das nur etwas schneller. Vielleicht war dieser Gedanke bloße Selbsttäuschung, aber dass sich ihr Penis auch ohne ihr Zutun auf diese Weise befriedigt hätte, gab ihr ein Gefühl der Legitimität. Welches Fehlverhalten wäre ihr schon anzulasten, wenn ihr Körper ganz willkürlich handelte? Dementsprechend wurde sie ihrer Sache nun ein wenig sicherer, trotzdem konnte sie ein Schaudern nicht unterdrücken, als der zuckende Schwanz mit einem Mal ihren Schlitz berührte. Er war so glitschig, das es war, als würde der Fangarm eines Tintenfisches ihr in den Schritt greifen, dem er ja auch zum Verwechseln ähnlich sah. Das war jedoch nicht allein dem Lubrikat geschuldet, das er aus jeder Pore über seine gesamte beeindruckenden Länge hinweg absonderte, sondern auch dem zusätzlichen Sekret, das mittlerweile unentwegt aus dem winzigen Loch an seiner Spitze troff. Emilia konnte genau sehen, wie der Vorsamen daraus hervorquoll, in wahrnehmbaren Spritzern auf ihrem Venushügel landete und von den unmöglich zu verhindernden Bewegungen, die er vollführte, dort überall verteilt wurde. Auch ihre Scheide glänzte bereits vor Nässe; das sanfte Streicheln über sie hinweg war eine Verheißung, der sie sich nicht entziehen konnte.
Unter diesen Voraussetzungen war es nur eine Frage der Zeit, bis ihr Penis in sie eindringen würde, selbst wenn er nicht verzweifelt nach einer Mulde geforscht hätte, die ihn bereitwillig aufnehmen würde. Er strich nur einige Male orientierungslos über die kaum sichtbare Einkerbung inmitten ihres Intimbereichs hinweg, dann hatte er den Zugang auch schon ausgemacht. So besudelt, wie er mit seinen eigenen schmierigen Säften war, teilte er die eng aneinanderliegenden äußeren Schamlippen ohne jede Schwierigkeit. So verharrte er einen Moment, der Schaft einen weit ausholenden Bogen beschreibend, den Kopf vergraben zwischen die sich fest um ihn schließenden Tore zu ihrer Weiblichkeit, bevor er plötzlich eine Welle schlagend in sie hineinstieß.
Schon dieses erste Einführen war schlicht überwältigend. In allen Einzelheiten nahm Emilia wahr, wie der Schwanz sich in kräftigen Wogen immer tiefer voranarbeitete – und das gleich in doppelter Hinsicht. Während ihre Scheide ihr die erregende Emotion übermittelte, dass sich etwas in sie hineinzwängte, sendete ihr Penis den Eindruck von samtenen, unebenen Wänden, die sich dicht an ihn pressten. Sie spürte diese absonderliche Verbindung ebenso innerlich wie äußerlich, das Auseinanderdrängen ebenso wie das Auseinandergedrängt werden, die Empfindungen eines sich in sie senkenden Körperteils ebenso wie die eines sie umhüllenden. Beide ihrer ineinander verschlungener Geschlechter bestürmten ihr völlig überfordertes limbische System mit ihren unterschiedlichen Impressionen, doch kämpften sie nicht gegenseitig um die Vorherrschaft, sondern bildeten in ihrem Kopf vielmehr ein stimmiges Ganzes; ein umfassendes Bild dieser widrigen Vereinigung, der sie sich nun hingab. Es war eigentlich erstaunlich, sich selbst zu kitzeln funktionierte nicht, doch Verkehr mit sich selbst zu haben war geradezu erhebend. Vielleicht lag es daran, dass ihr Ständer seinen eigenen Willen zu haben schien, andererseits stellte Onanie natürlich auch kein Problem dar, und sogar sich an einer unverfänglicheren Stelle wie dem Arm zu streicheln war überaus beruhigend. Jedenfalls jagte diese Abwandlung dessen Schauer der Lust durch sie, die all das bei weitem übertrafen, so abseitig es auch sein mochte.
Ihr Schwanz hatte es mittlerweile geschafft, sich ganz in sie zu schieben. Selbstverständlich steckte er nicht bis zum Anschlag in ihr, das ließ sich schon aus anatomischen Gründen nicht bewerkstelligen, aber es verlangte ihr auch gar nicht danach. Sie war es gewohnt, dass ihr überproportionales Geschlecht nur etwa bis zur Hälfte aufgenommen werden konnte, wenn sie es mit jemandem tat, und sie vermutete, dass es nicht bloß wegen seiner schieren Größe nicht anders ging, sondern auch wegen seiner sonstigen Beschaffenheit. Bei der sich krümmenden Art, in der er sich bewegte, musste er ja ein Stück herausragen, andernfalls hätte er in der Enge, die dabei herrschte, überhaupt nicht den nötigen Platz dafür gehabt. So betrachtet war es gar kein Wunder, dass sich die Spitze eine aufregendere Beschäftigung suchte, sobald sie bei derartigen Gelegenheiten vernachlässigt wurde. Es war der am meisten beanspruchte Teil und fraglos der empfindsamste. Deshalb konzentrierte sie sich ja auch auf den oberen Abschnitt, wenn sie es sich selbst besorgte, zumindest sofern sie es nicht ohnehin darauf anlegte, dass er in sie schlüpfen würde. Normalerweise rieb sie dann mit einer Hand die leicht abgerundete Kuppel, während sie mit der anderen die Mitte des Schafts umklammert hielt und ihn so sanft massierte.
Ihrer Scheide hatte sie dabei nie besondere Beachtung geschenkt. Emilia hatte sie zwar zusammen mit den übrigen Geheimnissen ihrer Physis ausgiebig erkundet, als ihr Interesse an diesen Dingen erwacht war, und auch herausgefunden, dass es genauso viel Spaß machte, daran herumzuspielen wie mit dem anderen Ding zwischen ihren Beinen, trotzdem hatte sie sich ihr kaum jemals mit dem Ziel der Befriedigung gewidmet. Das hing wohl mit der beinahe übermächtig erscheinenden Präsenz ihres Penis zusammen. Seine gewaltigen Ausmaße, sein fremdartiges Aussehen und nicht zuletzt seine triebgesteuerte Agilität waren so fordernd, dass sich jeder Gedanke daran, sich mit einem anderen Merkmal ihrer erblühenden sexuellen Reife auseinanderzusetzen, von Vorneherein verbat. Möglicherweise lösten aber auch unbewusste Ängste in ihr den Zwang aus, sich praktisch für eines ihrer Fortpflanzungsorgane zu entscheiden. Es mochte gut sein, dass sie sich ihrer selbst einfach sicherer fühlte, wenn sie sich in dieser Hinsicht ein wenig zurückhielt; das löschte ihre Andersartigkeit zwar nicht aus, aber es schwächte sie so sehr ab, dass sie sich nicht allzu schuldig fühlen musste.
Falls dem so war, hatte erst dieser kleine Unfall, der sie ihre Jungfräulichkeit gekostet hatte, sie diese innere Grenze überschreiten lassen. Nachdem das zu einer Ekstase geführt hatte, wie Emilia sie sich zuvor nicht einmal im Traum hatte ausmalen können, hatte sie dem Drang nach einer Wiederholung immer öfter nachgegeben. Beide Optionen gleichzeitig zu nutzen, die ihr Schritt zu bieten hatte, intensivierte nicht nur die Lust, die sie dabei überfiel, sondern auch den Orgasmus, der ihr folgte, und so war das ein Genuss, dem sie sich nur schwer verweigern konnte. Im Zuge dessen hatte sie sich sogar zu einigen anderen Experimenten hinreißen lassen, zum Beispiel sich selbst einen zu blasen. Da ihr Schwanz ihr fast bis an die Brust reichte, wenn er sich erst einmal ganz entfaltet hatte, fiel ihr das nicht besonders schwer, und obwohl das stets mit unentrinnbaren Schuldgefühlen verbunden war, überwog doch immer die Leidenschaft.
So war es auch jetzt, und dabei hatte es noch gar nicht richtig angefangen. Wie in den meisten Fällen hatte ihr Penis einen unendlich scheinenden Augenblick lang stillgehalten, als er sich so tief in sie gegraben hatte, wie es die Grenzen ihrer Belastbarkeit zuließen, und Emilia ging vollkommen in dem Entzücken auf, das sie durchflutete. Sie lag einfach reglos da und kostete es aus, wie ihr eigener Ständer ihr den Schlitz aufspreizte. Es war schlicht herrlich, so komplett ausgefüllt zu werden. Sachte bohrte sich die Spitze bis in den hintersten Winkel ihres Tunnels, während der zu seinem Ursprung immer dicker werdende Schaft ihre Scheidenwände dehnte. Sie spürte, das ihn ein Pulsieren durchlief, und aus Erfahrung konnte Emilia sagen, dass sich damit ein weiterer Schwall seines Vorsamens in sie entlud. Sie merkte sogar, wie sich die Flüssigkeit warm und sämig in ihr ausbreitete, als würde sich eine im Moor ausgehobene Grube mit schlackigem Grundwasser füllen. In menschlichen Maßstäben wäre das undenkbar gewesen, doch von Isabelle mit ihrer Obsession, alles zu messen und zu katalogisieren, sowie von Marias reichhaltigen Sachkenntnissen auf diesem Gebiet wusste Emilia, dass die Menge, die sie an Lusttropfen verlor, in etwa der entsprach, die Männer sonst bei einem Samenerguss von sich gaben. Das mochte außergewöhnlich sein, aber sie kannte es nun einmal nicht anders und die übrigen Halbdämoninnen, von denen sie sich eine Beurteilung in diesen Belangen erlauben durfte, sonderten kaum weniger Sekret ab als sie selbst. So stand nach ihren besonderen Clubaktivitäten eine gründliche Reinigung der Räumlichkeiten ebenso wie ihrer Körper am. Oft sah es so aus, als wäre versehentlich ein Feuerlöscher losgegangen und hätte sie alle mit weißem Schaum bespritzt. Allerdings hätte sogar der gutgläubigste unbeteiligte Beobachter Zweifel an dieser Erklärung bekommen, wären sie so überrascht worden, tropfte ihnen das Zeug doch gleichsam aus sämtlichen Körperöffnungen.
Mit diesem Ausfluss an Präejakulat legte ihr Schwanz jedenfalls seine Tatenlosigkeit ab. Mit einem unvermittelten Aufbauschen begann er, sich in ihr zu bewegen.Langsam zog er sich ein Stück aus ihr zurück, bevor er kraftvoll wieder in sie hineinschoss. Das setzte er in einer beständigen Regelmäßigkeit fort, die ihr augenblicklich den Atem raubte. Es war ein betörendes Wechselspiel aus einem fast schon zärtlichen Einknicken seiner hinteren Länge, mit dem er aus ihr hinausglitt, und einem umso rasanteren Vorwärtsdrängen, mit dem er sich wieder so weit in sie schob, wie er nur konnte.
Seine Haut war beinahe völlig eben. Anders als bei den meisten anderen Penissen, die sie bislang kennengelernt hatte, traten seine Adern nicht unter ihr hervor, und auch sonst beeinträchtigten keinerlei Erhebungen oder Einbuchtungen seine makellose Oberfläche. Nicht einmal eine sichtbare Eichel zeichnete sich an ihm ab, er besaß einfach die Form eines perfekten, länglichen Kegels, der von einer breiten Ausgangsfläche auf einen einzigen dünnen Punkt zulief, trotzdem musste Emilia nicht auf die zusätzlichen Reize verzichten, die diese Ausbildungen verursacht hätten. Zum einen war da natürlich die grundsätzliche Gestaltung seines Äußeren: die Tatsache, dass er zu seinem Ansatz hin immer dicker wurde, machte sich deutlicher bemerkbar als jede noch so ausgeprägte Zerklüftung eines menschlichen Schwanzes es vermocht hätte. Diese stete Folge von Aufweitung, wenn er in sie fuhr, und Entspannung, wenn er sich von ihr entfernte, ließ sie vor Begehren förmlich vergehen, fühlte sie diese Auswirkungen doch nicht nur an den Schamlippen, sondern bis in ihr Innerstes hinein.
Zum anderen gab es da noch die Art, wie diese Bewegungen überhaupt vonstatten gingen. Es war überaus berauschend, wie ihr Penis in ihr voller Ungestüm hin und her schlug. Unablässig wölbte sich sein oberer Teil vor und zurück, sodass ihre durch seinen bloßen Umfang ohnehin schon klaffende Spalte noch weiter aufgezwängt wurde, während die schmale Spitze kitzelnd über den Grund dieser Talsohle hinwegstrich. Er drückte sich so nahtlos in ihre Enge hinein, dass sie sogar die Muskeln wahrnehmen konnte, die in ihm arbeiteten. Unnachgiebig wie Stahlseile zogen sie sich zusammen und streckten sich wieder, wobei er wild auf und ab tanzte. Emilia kam es vor, als hätte sich beim Schwimmen ein Aal zwischen ihren Beinen verfangen und würde sich bei dem Versuch, sich aus ihr zu befreien, nur immer tiefer in sie hineinrutschen. Dort wand er sich nun in seinen typischen wellenartigen Zuckungen umher, und unfähig aus dieser schmalen Lücke, in die er geraten war, wieder hinauszuschlüpfen, wurde sein hilfloses Zappeln immer hektischer.
Wahrscheinlich hätte diese Assoziation sie abstoßen sollen, aber erstaunlicherweise war das nicht der Fall. Stattdessen fiel es ihr immer schwerer, ihre ausufernde Lust im Zaum zu halten. Ein Druck schien sich in ihrer Brust aufzubauen, wie von angehaltener Luft, die unbedingt mit einem zügellosen Stöhnen entweichen wollte, doch hielt Emilia sich mit aller Kraft davon ab. Es bereitete ihr nach wie vor Mühe, sich gehen zu lassen, wenn noch jemand anderes als Maria anwesend war. Das betraf nicht nur den Sex; sie legte viel Wert darauf in sämtlichen Lebenslagen souverän und beherrscht zu wirken, außerdem war es ihre größte Angst, die Kontrolle über sich selbst zu verlieren. Sie konnte sich nichts Furchterregenderes vorstellen als eine Beeinträchtigung ihrer Sinne oder ihres Verstands, ohne Zweifel weil sie nicht wusste, was darunter zum Vorschein kommen würde. Sie kannte immerhin das Geheimnis ihrer Abstammung und ihrer Gene; was auch immer unter der Sphäre ihrer Persönlichkeit lauern mochte, sie war sich sicher, dass es den animalischen Gegebenheiten des Universums entsprechend nicht besonders angenehm war.
Dennoch konnte sie nun nicht länger still bleiben, dazu waren die unentwegt auf sie einprasselnden Empfindungen einfach zu mitreißend. Durch seine rasenden Umtriebe wurde ihr Kitzler nicht nur von den Labien gestreichelt, die ihn einhüllten, sondern auch von Emilias Schwanz selbst. Bei jedem Stoß, mit dem er sich in sie drückte, beschrieb er direkt vor der Öffnung einen Bogen, mit dem er wie liebkosend den winzigen Hügel streifte. Ohne dass sie es hätte verhindern können, entrang sich ein Seufzen ihrer Kehle, eine unmissverständliche Bekundung der Verzückung, in der sie versunken war.
Nachdem diese selbstauferlegten Fesseln erst einmal durchbrochen waren, sah Emilia sich außer Stande, sich wieder an sie zu binden. Obwohl es ihr unangenehm war, sich vor ihren Freundinnen so hemmungslos zu zeigen, konnte sie nicht anders als unter der erdrückenden Last ihrer Begierde laut zu keuchen und sich auf dem Boden liegend umherzuwälzen. Sie wusste, dass sie nicht verlegen zu sein brauchte, alle ihre Zuschauer hatten sich in eben diesem Raum schon als Objekt sehr viel ausschweifenderer Orgien benutzen lassen, trotzdem ließ sich dieses Gefühl nicht abschütteln. Sie kam nun einmal nicht besonders gut damit zurecht, wenn sämtliche Aufmerksamkeit auf sie gerichtet war, und das war jetzt zweifellos der Fall. Mit dieser Schar an unverwandt zu ihr herüberschauenden Mädchen kam sie sich vor, als stünde sie auf der Bühne eines Theaters und würde ein bizarres Stück aufführen, zu dem es gehörte, dass sich die Hauptdarstellerin von ihrem eigenen riesigen Geschlechtsteil durchnehmen ließ.
Schon in dieser Situation wäre sie sich unbehaglich genug vorgekommen, doch war die Realität noch viel beschämender. Wäre sie einfach nur eine Schauspielerin gewesen, hätte sie sich dahinter verstecken können, dass sie nur eine Rolle wiedergab, die jemand anderes sich ausgedacht hatte, hier aber sah man einzig Emilia selbst, ganz ohne jeden Schleier, der sie verbergen mochte. All ihre Unzulänglichkeiten wurden so offenbart, und nichts davon war jemand anderem anzulasten als ihr selbst: die Anomalie ihres Unterleibs, die Perversion, der sie gerade erlag und nicht zuletzt natürlich die Verfehlungen ihres Geistes, war dies doch immerhin nichts, zu dem die anderen sie gedrängt hatten, sondern etwas, das sie ohnehin oft genug von sich aus getan hatte.
Die verruchteste ihrer vielfältigen Sünden war jedoch eine andere. Es ging weniger darum, dass sie etwas Unanständiges tat, sondern darum, dass sie sich dabei beobachten ließ. Diese an sich so simple Tatsache erfüllte sie mit weitaus mehr Beklommenheit als jede noch so verwerfliche Masturbationspraktik es gekonnt hätte. Das lag gar nicht so sehr an der Schuld, die sie damit auf sich lud, vielmehr war es wieder einmal Ausdruck der tiefsitzenden Angst, die ihr ganzes Leben bestimmt hatte. Indem sie sich den übrigen Clubmitgliedern so unverhüllt präsentierte, zeigte sie ihnen auch ihr wahres Ich, samt ihrer Unvollkommenheiten und Fehler. Das machte sie verletzlich, und wenn einem von klein auf die eigene Andersartigkeit vorgehalten wurde, war das Bild, das jeder von sich hatte, ebenso zerbrechlich wie eine filigrane Glasskulptur während eines Erdbebens. Ihren unlösbar auf sie gerichteten Blicken schutzlos ausgeliefert zu sein, hieß auch sich ihrer Beurteilung zu unterziehen. Sie würden unweigerlich jede ihrer Bewegungen bewerten, jeden Laut, den sie von sich gab, ihr Aussehen und letztlich sogar ihren Charakter. Dem konnte sie sich nicht entziehen, und auch wenn ausschließlich ihre engsten Vertrauten dem beiwohnten, war das keine sonderlich beruhigende Erkenntnis.
Doch war ihre Erregung im selben Maß unbestreitbar wie ihre Vorbehalte. Mittlerweile war sie so von grenzenloser Lust umfangen, dass sie sämtliche Versuche, doch noch länger an sich zu halten, endgültig aufgab. Zwar hatte sie mit ihrem letzten Rest an Willenskraft ihren umhertobenden Schwanz daran gehindert, sich völlig in ihr zu verausgaben, nun aber überließ sie ihn ganz seinem Trieb. Dasselbe galt für ihr eigenes Verwehren. Hatte sie bis eben noch jede körperliche Auswirkung ihrer Geilheit so gut es ging unterdrückt, verbrannten diese Vorsätze in der sengenden Glut ihrer steigenden Bedürfnisse. Plötzlich war es ihr egal, wie laut sie aufschrie, wie unmissverständlich sich ihre Hüften bewegten, oder dass ihre Hände wie von selbst anfingen, durch den Stoff ihres Kleids hindurch ihre Brüste zu streicheln, ja, die Gewissheit, dass sie bei all dem ohne Unterlass beobachtet wurde, machte sie auf einmal nur noch schärfer.
Das hatte einen bestimmten Grund. Ein heimlicher Blick aus den Augenwinkeln auf ihre um sie versammelten Freundinnen verriet ihr etwas, das so unglaublich wie tröstlich war: offenbar gefiel ihnen, was sie sahen. Jede einzelne von ihnen betrachtete sie mit Faszination und unbändiger Freude. Ihre Gesichter waren ebenso unverkennbar von Verlangen gezeichnet wie die rastlose Art, in der sie dasaßen. Sie schienen Mühe zu haben bei diesem Anblick, der sich ihnen bot, sich nicht sofort selbst einen abzuschütteln; immer wieder zuckten ihre Hände in Richtung ihrer Geschlechtsteile, während ihre Becken fiebrig am Boden entlangschubberten, als wäre es ihr eigener Penis, der in dem Mädchen vor ihnen steckte und ihre Hosen waren dermaßen ausgebeult, dass es wirkte, als hätten sie sich kollektiv die Taschen voller Steine gestopft. Ihr Wunsch, sich ihr ebenfalls widmen zu dürfen, war also nicht zu übersehen, und das bedeutete Emilia mehr, als sie sich selbst eingestehen mochte.
Ihr war nicht wohl bei dem Gedanken, dass ihr Selbstwertgefühl so sehr von anderen abhing, trotzdem war dem so. Sie hatte sich immer eingeredet, dass sie zufrieden war, dass die Ausgrenzungen ihr nichts weiter ausmachten, immerhin wollte sie von sich aus mit den meisten Menschen nichts zu tun haben, doch tief begraben unter den Schutzmechanismen ihres Bewusstseins war ihr klar, dass das nicht stimmte. Es kam nun einmal niemand ohne das Gefühl der Nähe zu anderen aus, so sehr man das auch abzustreiten versuchte. Jeder sehnte sich vor allem nach Bestätigung, das war einfach ein grundlegender Drang, dem man nicht entkommen konnte, er äußerte sich nur auf unterschiedlichste Weise. Emma zum Beispiel schrieb ihre Geschichten, die Zwillinge hatten ihre musikalischen Ambitionen und Maria hatte eben einen sehr direkten Weg gewählt, doch das unbewusste Motiv, das ihnen gemeinsam zugrunde lag, war stets dasselbe. Sie alle suchten irgendeine Form der Anerkennung, letztendlich brauchte eben doch jeder die Gewissheit, einer bestimmten Gemeinschaft anzugehören, und Emilias Erleichterung war unleugbar ein Ausdruck dessen.
In dieser Hinsicht hatte sie sich wohl wieder einmal an Marias Vorbild orientiert. Wie sollte es sonst zu erklären sein, dass sie sic hauf dieser Zurschaustellung ihrer abenteuerlichen Masturbationsgepflogenheiten eingelassen hatte, von denen sie sich nie hätte vorstellen können, sie auch nur jemandem zu erzählen? Ohne dass es ihr selbst klar gewesen wäre, musste es ihr Ziel gewesen sein, ihre Zusammengehörigkeit noch weiter zu festigen, immerhin waren sie erklärte Deviationisten, und was hätte sie mehr zu einer solchen qualifizieren können als genau das? Ihnen ihre eigene Abnormität so offen vorzuführen war unzweifelhaft ihre Art gewesen, die Zustimmung zu erlangen, um die sich jeder bemühte, und dass das nun funktioniert hatte, befeuerte ihre Leidenschaft nur noch mehr. Offenbar war Emilia begehrenswerter als sie je vermutet hätte, und dass es gerade ihre Andersartigkeit war, für die sie sonst immer verlacht und missachtet worden war, die nun plötzlich an ihr geschätzt wurde, kam einer Katharsis gleich. Es war, als würden die seelischen Narben, die sie dadurch davongetragen hatte, ein wenig heilen, als würden von dieser unvorhergesehenen Akzeptanz alle Wunden, die sie bislang erlitten hatte, wiedergutgemacht.
Diese ungeahnte psychische Erlösung trieb auch ihre Verzehrung nach einer körperlichen Entsprechung in schwindelerregende Höhen, was ihren Schwanz ebenso zu zunehmend wüsteren Ausbrüchen verleitete wie sie selbst, sich den seinen keuchend und stöhnend ergebend. Das wiederum stachelte ihr Publikum noch weiter an, sodass sie sich gegenseitig immer mehr aufwiegelten. So steigerten sich beide Parteien unaufhaltsam in einen Rausch hinein, bis die übrigen Clubmitglieder ihre Tatenlosigkeit nicht länger aushielten. Nach und nach begannen sie ihre Geschlechtsteile freizulegen und sie zu streicheln. Gemäß ihrem Temperament war Fantasma die Erste, die dieser Versuchung erlag. Es hatte sie schon unendlich heiß gemacht zu beobachten, wie der riesige und in seiner Ungeheurlichkeit kaum zu dem zierlichen, hübschen Mädchen passende Penis sich in deren engen Schlitz quetschte, der dabei bis an die Grenzen seiner Strapazierfähigkeit aufgedehnt zu werden schien, doch während sie mitansah, wie die Belastungen, denen er ausgesetzt war, immer mehr ausuferten, je ungehaltener Emilia mit sich selbst verfuhr, konnte sie sich ihren eigenen aufgestauten Gelüsten nicht länger widersetzen. Wie von einen brennenden Fieber gepackt riss sie sich Hose und Slip bis zu den Knien herab, und fing an sich hektisch zu wichsen, den träumerischen Blick starr auf ihre Klassenkameradin gerichtet.
Obwohl sie selbst fast in die Überladenheit ihrer Gefühle abgetaucht war, bemerkte Emilia, was in ihrer Freundin vorging, und fasste den Entschluss, sich ihrer anzunehmen. Zutraulich streckte sie eine Hand aus und legte sie auf Fantasmas, mit der sie in furiosem Tempo ihre steil aufragende Latte rieb. Die erkannte Emilias Absicht, ließ von sich ab und übergab sich bereitwillig der ihr dargebotenen Fürsorge. Zunächst äußerte die sich darin, dass sie nun die Aufgabe übernahm, ihr einen abzumelken, doch erschöpfte sich damit Emilias Hilfsbereitschaft noch gar nicht. Behutsam zog sie an dem Penis ihrer Mitschülerin, bis sie noch immer auf den Knien hockend näher an sie heranrutschte. Sobald er in ihrer Reichweite war, neigte sie ihm ihr Gesicht entgegen und nahm ihn in den Mund.
Es war nicht das erste Mal, dass sie Fantasma einen blies, dazu waren die Prinzipien ihres Clubs zu freizügig, trotzdem erschien es ihr jetzt intensiver als jemals zuvor zu sein. Zum einen hatte sie sonst dabei nicht so im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses gestanden, zum anderen war sie währenddessen nie selbst so erregt gewesen. Natürlich hatte sie es immer als besonders eindrückliche Erfahrung wahrgenommen, es jemandem mit dem Mund zu machen, so nahe wie man bei dieser Gelegenheit dem Unterleib einer anderen Person kam, war es wohl so etwas wie der Inbegriff von Intimität. Auf diese Weise offenbarte Fantasma sich sämtlicher ihrer Sinne zugleich: der schwere Duft des sich unmittelbar an sie drückenden Schambereichs erfüllte Emilias Nase, der süßliche Geschmack des sich daraus erhebenden Geschlechts legte sich auf ihre Zunge und mit den Lippen erforschte sie jede Unebenheit seines Äußeren.In diesem Moment jedoch erfasste sie das alles ungleich mächtiger. Die Tatsache, dass ihr Schwanz sich im selben Maße austoben konnte wie sie den in ihrem Mund verwöhnte, steigerte dieses Erlebnis ins Unermessliche, und so ging Emilia voller Hingabe ans Werk.
Dermaßen eingenommen von ihrer Tätigkeit bekam sie nur am Rande mit, wie die anderen nun ebenfalls ihre sich aufbäumenden Ständer aus ihren beengten Gefängnissen befreiten, und noch bevor sie überhaupt richtig begriffen hatte, was geschah, fand sie sich unvermittelt von prallen, auf und ab zuckenden Schwänzen umringt wieder, von deren Eicheln bereits der Vorsamen in Strömen herabtroff. Doch so unvorbereitet diese Entwicklung Emilia auch traf, verlor sie keine Zeit mit Zweifeln über ihr weiteres Tun. Dabei war dies tatsächlich eine gänzlich unbekannte Situation für sie. Wenn sie sich bisher um die Steifen ihrer Freundinnen gekümmert hatte, war das immer einzeln und eher nebenbei vorgekommen, wohl als einzige von ihnen war sie nie zum Epizentrum einer Orgie geworden, dennoch griff sie ohne zu zögern links und rechts nach dem erstbesten Penis, der ihr in die Finger kam, und masturbierte ihn.
Sie konnte nicht einmal sehen, wen sie da beglückte, dazu war ihr Sichtfeld den Verhältnissen entsprechend einfach zu eingeschränkt. Fantasmas Erektion war eher klein – nicht dass Emilia besondere Kenntnisse auf diesem Gebiet besaß, doch laut Isabelle, ihrem wandelnden Lexikon, lag seine Größe weit unterhalb des Durchschnitts – sodass sie ihr Gesicht förmlich in deren Schoß vergraben musste, um richtig an ihm lutschen zu können. Sie durfte sich auch nicht zu weit von ihm entfernen, weil er ihr sonst aus dem Mund geflutscht wäre, also hielt sie ihren Kopf weitestgehend still, während sie fest an ihm saugte, als wäre er ein runder, weicher Lutscher, und gleichzeitig ihre Zunge benutzte, um seine Unterseite zu lecken.
Sie fand es erstaunlich aufregend, ausgerechnet diesen Penis oral zu befriedigen. Sie konnte verstehen, warum Emma es nichts ausmachte, dass er so kurz geraten war. Natürlich war Fantasma ohnehin liebenswert, egal wie sie bestückt war – es gab nur sehr, sehr wenige Personen, die Emilia rückhaltlos mochte, aber sie gehörte diesem erlesenen Kreis definitiv an – trotzdem kam es ihr ein wenig seltsam vor, dass sie diesem Teil so zugetan war. Sie hatte sich vorher nie wirklich Gedanken darüber gemacht, da sie nun einmal auf Frauen stand und sich nie hatte träumen lassen, einer Halbdämonin wie ihr selbst zu begegnen, doch hatte sie irgendwie angenommen, dass Schwänze anziehender wurden, je größer sie waren. Wahrscheinlich lag das nur daran, dass das die allgemeine Meinung zu sein schien, die man eben unweigerlich hörte, jedenfalls hielt sie ihn für absolut hinreißend. Er ließ Fantasma noch niedlicher wirken und es fühlte sich gut an, ihn im Mund zu haben. Er passte perfekt hinein; er füllte ihn komplett aus, ohne jedoch unangenehm an der Kehle anzustoßen. Stattdessen schmiegte sich seine Eichel sanft an den Gaumen wie eine aufgeweichte Stange aus Gelatine, die man genüsslich auskostete.
Dass sie dabei wenig mehr sehen konnte als Fantasmas Unterleib, störte sie nicht. Sie konnte sogar nur durch diese Berührung mit den Händen genau bestimmen, an wessen Penis sie gerade herumspielte. Sie waren alle in Form und Beschaffenheit so unterschiedlich, dass das keine Herausforderung darstellte. Mit Ausnahme von Fantasmas und denen der Zwillinge waren sie ja nicht einmal menschlich; sie teilten sich höchstens den grundlegenden Umriss, hatten davon abgesehen aber nur entfernt Ähnlichkeit mit dem, was gemeinhin als normal betrachtet wurde. Links hielt sie etwas umklammert, das sich anfühlte wie ein von dicken Schweißnähten übersätes Rohr, das ansonsten allerdings völlig konturlos blieb. Das konnte nur Emma sein. Rechts von sich befingerte sie einen Ständer, der keine monströsen Eigenheiten aufzuweisen schien, dafür waren gleich zwei vorhanden. Damit musste es sich um Nadine oder Nicole handeln, auch wenn Emilia nicht mit Sicherheit sagen konnte, um welche der beiden. Inzwischen konnte sie die eineiigen Zwillinge eigentlich recht gut auseinanderhalten, es gab Feinheiten in den Zügen und noch deutlichere Merkmale ihrer Persönlichkeiten, die sie klar trennten, doch das zu schaffen, indem sie ausschließlich ihr Gehänge betastete, überstieg ihre Fähigkeiten dann doch.
Eine ganze Weile verlor Emilia sich in dem puren Entzücken dieses Augenblicks, als sich ihr eigener Penis zügellos in ihrer Spalte erging, ein anderer ihren Mund in Beschlag nahm, sie mit jeder Hand eine ihrer Freundinnen wichste und der Rest, denen sie gerade nicht zu Diensten sein konnte, es sich selbst machte, während sie gebannt diese Ausschweifung verfolgten. Doch währte diese schwelgerische Seligkeit nicht allzu lange. Unvermutet zuckte Fantasmas Becken vor und mit spürbarem Druck schoss das Sperma aus ihr heraus. Tatsächlich war es wie eine unvorstellbar schnell ansteigende Flut, in der die heiße Flüssigkeit in Emilias Mund strömte. Der endlos scheinende Strahl, mit dem ihre Freundin sich in ihr ergoss, schwoll stetig an und wieder ab; in der einen Sekunde platzte es so stark in sie hinein, dass es fast von selbst ihren Hals hinabfloss, nur um in der nächsten zu einem sachten Tröpfeln zu versiegen, demnach es ihr vorkam, als überspülte eine salzige Meereswelle ihre Zunge, die sich langsam zurückzog und sofort darauf wieder mit noch mehr Wucht lossprudelte.
Es waren also die perfekten Bedingungen, um zu schlucken, und genau das tat Emilia auch. Sie war nicht so verrückt nach Sperma wie Maria oder Nicole, die sich keine Gelegenheit entgehen ließen, so viel wie möglich mit diesem schleimigen Zeug in Kontakt zu kommen, doch wenn ihr bei einer dieser speziellen Unternehmungen ihres Clubs schon zufällig in den Mund gespritzt wurde, war das ein Impuls, dem sie nur schwer entsagen konnte. Sie konnte sich selbst nicht erklären, warum sie darauf stand, aber trotz seines bitteren Geschmacks und der an sich widerwärtigen Konsistenz war es doch überaus erotisch, wie es sich träge in ihr verteilte, sich sammelte und zäh umherschwappte.
Völlig mitgerissen von ihrem Höhepunkt vollführte Fantasma noch immer kleine Hüftstöße, während sie sich Schub für Schub in ihr entleerte, und Emilia nutzte dieses kurze Nachlassen des Strahls zwischen ihnen, um mehr Platz für neuen Samen zu schaffen. Ein einziger Schwall war bereits genug, um ihren Mund fast zum Überlaufen zu bringen, und so trank sie hastig nach jedem, was bis dahin in sie gelaufen war. Mit jedem Schluck des dicklichen Samens entfaltete sich sein charakteristisches Aroma mehr und mehr, sodass Emilia den Eindruck gewann, er würde noch immer an ihr haften, als hätte er ihre Zunge und Wangen mit einer klebrigen Schicht überzogen, die sich nicht so einfach lösen ließ.
Dieser Eindruck blieb auch bestehen, als Fantasma sich nun langsam aus ihrem Mund zurückzog. Das schrittweise Austreten des Sekrets war mittlerweile abgeebbt, ohne dass es zu Emilia durchgedrungen wäre. Sie war nach wie vor damit beschäftigt, den sich in letzten Zuckungen aufbäumenden Schwanz zu lutschen und die verspäteten Tropfen aus ihm herauszusaugen, die er noch zu bieten hatte, bis er plötzlich mit einem leisen Schmatzen zwischen ihren fest geschlossenen Lippen herausrutschte. Während die von ihrem Orgasmus erschöpfte Clubpräsidentin sich von der Hocke wieder auf den Hintern fallen ließ, hing Emilia weiter dem Gefühl nach, wie sie in ihr gekommen war, und beschloss, sich gleich die nächste Ladung abzuholen.
Während ihr eigener Penis sich mit unverminderter Geschwindigkeit in sie schob, griff sie nach dem von Emma, den sie noch immer zärtlich streichelte, und führte sie so näher zu sich heran. Nachdem sie deren Freundin zuerst versorgt hatte, kam es Emilia nur angemessen vor, dass sie nun an der Reihe war – und dass sie alle der hier umstehenden Halbdämoninnen zum Zug kommen lassen würde, stand für sie außer Frage. Warum sollte sie ihnen auch nicht auf diese Weise behilflich sein, ihre brettharten Ständer zu besänftigen, wenn sie doch ohnehin für sie verantwortlich war?
Sie zögerte also nicht, Emmas Schwanz mit den Lippen zu umfangen, sobald die dicht genug dazu an sie herangerückt war, sondern machte sich gleich voller Tatendrang daran, ihr einen zu blasen. Mit gespreizten Beinen auf dem Rücken liegend, während der eigene Penis sich unablässig in sie bohrte, war es nicht leicht, den Kopf gleichmäßig hin und her zu bewegen, doch gab Emilia sich alle Mühe, und Emmas sinnenvernebelter Gesichtsausdruck ließ ebenso wie die lustvollen Laute, die sie immer wieder von sich gab, darauf schließen, dass ihre Versuche in dieser Hinsicht durchaus erfolgreich waren. Natürlich hätte sie wie bei Fantasma einfach stillhalten und hauptsächlich ihre Zunge benutzen können, nur war sie inzwischen selbst viel zu erregt, als dass sie das zustande gebracht hätte. Sie wollte sich Emma mit vollem Körpereinsatz widmen, ihre Stange so tief wie möglich in sich aufnehmen und sich völlig fallen lassen.
Demgemäß ließ Emilia nun ihre Lippen an dem Schaft entlangwandern, bis sie schließlich an seinem Ansatz angelangt war. Damit war das Fassungsvermögen ihres Mundes allerdings schon bei weitem überschritten, sodass sie sofort wieder zurückweichen und erst einmal einen Moment innehalten musste. Lange konnte sie sich ihrem inneren Zwang aber nicht verweigern; bald begann ihr Kopf wie von allein vor und zurück zu zucken, ein sanftes Nicken, mit dem sie beständig über den Schwanz hinwegstrich. Obwohl ihr seine Eigenheiten sehr wohl bekannt waren – es war immerhin der erste, mit dem sie sich jemals näher befasst hatte – war es jedes Mal wieder ein Erlebnis, ihn so unmittelbar zu berühren. Er war fast doppelt so lang wie Fantasmas, doch wirkte er im Vergleich durch seine enorme Breite eher gedrungen. Er war so dick, dass er gerade noch in Emilias Mund passte, und dass seine unnatürlich stark unter der rot glänzenden Haut hervortretenden Adern sich fest gegen ihre Lippen pressten. Sie meinte sogar, das Pulsieren von Emmas Verlangen in ihnen zu spüren.
Ihr blieb aber nicht viel Zeit, um sich an diese geänderten Umstände zu gewöhnen. Nachdem eine ihrer Hände nun frei geworden war, streckte Emilia sie gleich nach einer der anderen Latten aus, die ihr entgegengehalten wurden. Wie sich herausstellte, war es Nadines. Damit masturbierte sie nun beide der Zwillinge, während sie Emma mit dem Mund beglückte. Da Nicole und Nadine jeweils zwei Schwänze hatten, umfasste Emilia sie beide zugleich. Obwohl sie abgesehen von der Anzahl nicht weiter ungewöhnlich aussahen, klappte das erstaunlich gut. Irgendwie ließen sie sich hervorragend zusammendrücken, sodass Emilia bequem die Hände um sie schließen und an ihnen entlangreiben konnte.
Doch sie hatte gerade erst angefangen, ihre Arme auf und ab zu bewegen, als ihr Mund plötzlich ein weiteres Mal mit Sperma gefüllt wurde. Anders als bei Fantasma geschah das nicht nach und nach, sondern mit einer solchen Rasanz, dass Emilia nicht einmal auf den Gedanken kommen konnte zu schlucken, obwohl sie das eigentlich vorgehabt hatte. Dazu war es einfach zu unvorhergesehen passiert. Während sie noch völlig davon vereinnahmt war, an Emmas Geschlecht zu lutschen, schoss ohne Vorwarnung scheinbar ein ganzer See in sie hinein. Es war, als hätte sie einen voll aufgedrehten Wasserschlauch zwischen ihren Lippen, der in einem einzigen ununterbrochenen Strahl eine unvorstellbare Menge heißen Samens in sie pumpte. Dieser Sturzbach kam für Emilia so überraschend, dass sie ihn auch nicht ohne Schwierigkeiten in sich aufnehmen konnte. Als er losbrach und sie bereits so weit überschwemmt hatte, dass kein Tropfen mehr in sie passte, noch bevor sie überhaupt reagieren konnte, drang die sahnige Flüssigkeit aus ihren Mundwinkeln hervor und floss langsam von dort ihre Wangen herab.
Ebenso schnell wie der Orgasmus gekommen war, klang er auch wieder ab. Es hatte nur einen Wimpernschlag gedauert, ihren Mund vor Sperma überschwappen zu lassen, danach verweilte Emma zwar noch einen Augenblick in ihr, während mit einem leichten Zittern einige letzte Spritzer von ihrer Schwanzspitze in die Schlammpfütze fielen, die sich in ihr gebildet hatte, doch zog sie sich bald darauf zurück. Sie war schon im Begriff, den Mund zu schließen, um endlich zu schlucken, doch da beugte sich Nadine über sie und drückte ihr ungeduldig ihre Schwänze hinein. Verwundert blickte Emilia zu ihr auf – von den Zwillingen, die so zurückhaltend waren, dass sie selbst innerhalb des sicheren Umfelds ihres Clubs nur sehr wenig sprachen, hätte sie ein solch forderndes Auftreten gar nicht erwartet – doch sofort darauf verstand sie den Grund für diese Eile. Kaum hatte sie die Lippen um die bebenden Penisse gelegt, kam es ihnen auch schon.
Unaufhaltsam ergoss sich der Samen in sie und wieder wurde Emilia vom Taumel der Ereignisse völlig überrumpelt. Sie konnte nur weiter still daliegen, während das Sperma mit einer solchen Kraft in sie geschleudert wurde, dass sich ihre Backen aufblähten und sie schon fürchtete, keine Luft mehr zu bekommen. Belegt nun schon mit einem zweiten Schauer dämonischen Ejakulats war ihr Mund endgültig an den Grenzen seiner Aufnahmefähigkeit angelangt. Obwohl sie alles versuchte, um es zu verhindern, sprudelte es förmlich zwischen ihren fest zusammengepressten Lippen hervor und besudelte ihr Gesicht mit weiteren Flecken wie von heißer Milch, die aus einer übervollen Tasse verschüttet wurde.
Doch auch wenn sämtliche ihrer Sinne eigentlich mit der neuerlichen Flutwelle beschäftigt waren, die das Meer an Samenflüssigkeit in ihrem Mund aufwühlte, konnte sie ihren Blick nicht von dem Mädchen lösen, das dafür verantwortlich war. Wie von tiefster Zufriedenheit umhüllt hielt Nadine ihre Augen geschlossen, als sie mit durchgebogenem Rücken über ihr hockte, beide Schwänze zwischen Emilias Lippen vergraben, allerdings nur so weit, dass gerade einmal die Eicheln hineinragten. Aber auch so war es schon schwer genug, sie angemessen darin unterzubringen. Obwohl sie sich beinahe nahtlos aneinanderfügten, bildeten sie doch ein riesiges Gestänge, dass gar nicht weiter hineingepasst hätte, selbst wenn ihr Mund nicht schon voller zähem Schmodder gewesen wäre, das ein Vorankommen erst recht unmöglich machte. Emilia bemerkte sogar, wie Nadines Hüfte sich krampfhaft anspannte, während sie immer mehr und mehr abspritzte, dennoch sah sie starr zu deren Oberkörper auf. Das lag gar nicht an den zarten Brüsten, die sich unter dem dünnen Stoff ihres Shirts deutlich abzeichneten, sondern einzig an ihrem Mienenspiel. Sie sah vollkommen verzaubert aus, als wäre sie in einem Zustand absoluten Glücks versunken, und Emilia war froh, ihrer Freundin diese Gefühle bereitet zu haben.
Doch so berauschend es auch war, dauerte dieser Moment nicht ewig. Wie aus einem Traum erwachend öffnete Nadine die Augen und blickte sich schüchtern um. Vielleicht war es ihr peinlich, dass sie sich so hatte gehen lassen, oder sie befand, dass sie Emilias Freundlichkeit zur Genüge beansprucht hatte, jedenfalls beeilte sie sich nun, ihren Platz zu räumen. Mit einem sachten Ruck zog sie ihre allmählich erschlaffenden Ständer aus der sie umfangenden Höhle hervor und rutschte auf Knien ein Stück zurück, aber offensichtlich brachte sie genau damit Nicole zu ihrem Höhepunkt. Die war von dem entrückten Ausdruck auf dem Gesicht ihrer geliebten Schwester nicht weniger hingerissen gewesen als Emilia und als sie nun die schleimige Suppe in dieser Körperöffnung erblickte, zu der sie einen nicht unerheblichen Teil beigetragen hatte, war es um sie geschehen. Ohne dass sie selbst bemerkt hätte, dass es so weit war, brach die ersehnte Erlösung über sie herein. Sie hatte nicht einmal mehr Zeit, sich wie Nadine über Emilia zu beugen, sie spritzte einfach so ab, wie eben gerade dahockte, doch da ihre Mitschülerin die Schwänze noch immer wichsend auf sich gerichtet hielt, traf auch dieser Vorstoß sein Ziel.
Emilia war noch immer so vertieft in den Gedanken, allen ihren Freundinnen diese Erfüllung zuteil werden zu lassen, dass sie zusammenzuckte, als sich eine unendlich lange erste Schliere quer über ihre Gesicht legte. Warm und feucht zog sie sich von ihrer Stirn bis hin zum Kinn und verlief sich langsam in dicken Tropfen wie eine Spur von Klebstoff, die von ihrem eigenen Gewicht nach unten gezogen wurde. Weitere folgten und benetzten ihre Wangen, Nase und Augenlider mit noch mehr weißen Flecken, doch der Hauptteil landete tatsächlich in ihrem Mund. Das war von Emilia nicht bewusst geplant gewesen, was aber nicht hieß, dass es ihr nicht gefallen hätte. Es hatte sich sogar genug des umherfliegenden Spermas darin angesammelt, dass die Menge, die Nadines Penisse daraus verdrängt hatten, ersetzt wurde, genau genommen fühlte sich ihr Mund noch voller an als zuvor. Es war, als würde sich der Samen zwischen ihren geöffneten Lippen noch erheben und nur von der Oberflächenspannung so weit zusammengehalten werden, dass er nicht wie ein Wasserfall an ihnen herablief. Damit stauten sich die Hinterlassenschaften von drei Halbdämoninnen in ihr, allerdings vereinigten sie nicht nur bedingt miteinander. Es war vielmehr wie ein angedicktes Gemisch aus Öl und Wasser, das da in ihr waberte. Es umfloss sich gegenseitig, bildete Inseln von sämigeren und dünneren Anteilen, verbanden sich aber nicht zu einem einheitlichen Gefüge.
Während Emilia noch mit offenem Mund auf dem Rücken lag und mit der Zunge die Struktur dieses Safts von drei verschiedenen Samenergüssen zu ergründen versuchte, schien Isabelle zu dem Schluss zu kommen, dass sie nun wohl an der Reihe war. Zielstrebig rückte sie an Emilia heran, griff nach ihrem Penis und schob ihn ihr mit sanftem Nachdruck zwischen die Lippen, sodass er Stück für Stück immer tiefer in die glibberige, ungleichmäßige Masse eintauchte, die dort abgeladen worden war.
Ermutigend lächelte Emilia zu ihr auf, um ihr zu bedeuten, dass ihre Vermutung richtig war und sie sich ganz nach ihrer Laune mit ihr vergnügen durfte. Sie wusste, dass Isabelle diese zusätzliche Bestätigung brauchte. Obwohl es eigentlich klar war, nachdem sich schon vier Clubmitglieder an sie herangemacht hatten, war sie einfach unsicher, nichts Falsches zu tun. Trotz ihrer unbestreitbaren Intelligenz, die der ihrer Klassenkameraden bei weitem übertraf – oder wahrscheinlich genau deswegen – war sie wie alle anderen in diesem Raum schon immer eine Außenseiterin gewesen. Sie war schon so oft wegen ihres leicht verschrobenen Verhaltens ausgelacht worden, dass sie stets bemüht war, nichts zu tun, was irgendwie unangemessen wäre, gleichzeitig hatte sie bisher keine wirklichen Freunde gehabt und war lieber allein mit ihren Studien und Büchern gewesen. Demzufolge waren gesellschaftliche Konventionen ihr manchmal ein Rätsel, insbesondere wenn es um zwischenmenschliche Beziehungen ging. Das war ein Gebiet, das ihr nicht sehr vertraut war, und so kam sie sich auf diesen Großveranstaltungen, in die ihre Clubtreffen hin und wieder ausarteten, noch verlorener vor als sonst.
Emilia verstand das und wollte ihr helfen. Sie mochte Isabelle, außerdem war sie die Einzige von ihnen, die keine feste Freundin hatte. Die Zwillinge hatten einander, Fantasma hatte Emma und sie selbst Maria, nur Isabelle war mit niemandem zusammen. Das schien ihr nichts auszumachen, am zufriedensten wirkte sie, wenn sie sich ungestört ihrer Forschung widmen konnte, trotzdem weckte sie Emilias Beschützerinstinkt. Sie war eben so liebenswert, da war es doch traurig, dass sie diese unbeschreibliche Bindung wie von einer Seelenverwandtschaft gar nicht kannte. Das konnte Emilia natürlich nicht ändern, aber sie konnte ihr immerhin ein körperliches Substitut dessen bieten, und daran machte sie sich nun mit allen Mitteln, die ihr zur Verfügung standen.
Ohne vorher zu schlucken begann sie kräftig ihren Kopf vor und zurück zu bewegen. Offenbar störte Isabelle sich nicht daran, dass ihr Schwanz auf diese Weise mit dem Sperma fast aller Anwesenden beschmiert wurde, zumindest hatte sie selbst ihn ja dort hineingetunkt. Vielleicht stand sie sogar darauf, was Emilia hätte nachvollziehen können, war sie doch ebenso begeistert davon, wie es sich in ihr anfühlte. Es war immer noch warm und schien nun, da sie mit Isabelles Schwanz beständig darin herumrührte, beinahe zu brodeln. Unaufhörlich wogten die einzelnen Bestandteile dieses schwammigen Gebräus in ihr umher, wie zähflüssige Fasern, die sich gegenseitig umschlangen. Es war, als würde es aufkochen, als würden sich rasend schnell Blasen bilden und sofort wieder platzen, deren Spritzer noch die entlegensten Winkel ihres Rachens erreichten.
Zudem war Isabelles Penis von Natur aus härter als die der anderen. Er war geformt wie ein Pfeil, lang und schlank, mit einer ausgeprägten, spitz zulaufenden Eichel, die sich mit einem dicken Rand deutlich abhob. Durch diese Unnachgiebigkeit wurden die in Emilias Mund gesammelten Sekrete noch mehr durcheinandergewirbelt, wie von einem Strudel, der auf der einen Seite einen Sog bildete und auf der anderen alles wieder mit ungeheurer Macht freisetzte. So war es unvermeidlich, dass der Samen in hohem Bogen aus ihr herausgedrängt wurde und sich wie ein sommerlicher Nieselregen über ihr gesamtes Gesicht verteilte – auch wenn ihr mittlerweile, nachdem sie von dem Sperma so vieler ihrer Mitschülerinnen regelrecht durchnässt worden war, mehr zumute war, als hätte sie eine ausgiebige Dusche unter diesem klebrigen Zeug genommen.
Allerdings hielt auch Isabelle nicht mehr lange durch. Dabei hatte Emilia an sie nicht einmal wie bei ihren Vorgängerinnen zuvor Hand angelegt, während sie vorrangig noch anderweitig beschäftigt gewesen war, trotzdem stieß das hochgewachsene Mädchen mit den blonden Haaren nur allzu bald ein unterdrücktes Keuchen aus und riss den Kopf in den Nacken, als sie sich ihres überschüssigen Samens entledigte. Doch sogar wenn ihr bevorstehender Orgasmus nicht so offensichtlich angekündigt worden wäre, hätte Emilia ihn rechtzeitig bemerkt und hätte sich darauf einstellen können. Da dieser Penis so dünn und fest war, konnte es kaum unentdeckt bleiben, wenn sich dieses Übermaß an Sperma, das Isabelle ihr mit jedem Zucken ihres Schwanzes in den Mund spritzte, durch ihn hindurchwälzte. Das geschah ebenso sichtbar wie spürbar. Es war als würden dicke Perlen durch einen dehnbaren Strohhalm geschoben werden.Zuerst bildete sich eine Verdickung an seinem Ansatz, die dann den Schaft in einer langsamen gleichmäßigen Bewegung durchwanderte und schließlich an der Eichel in einem Schwall aus warmer matschiger Flüssigkeit explodierte.
Jede dieser Kugeln komprimierten Samens lief wie ein Pulsieren an Emilias Lippen vorbei und augenblicklich erstarrte sie, als sich die erste in sie hineindrückte. Das tat sie nicht, weil sie sich erschreckt hätte, auch wenn sie nicht ganz so schnell damit gerechnet hätte, sondern ganz im Gegenteil, um sich diesem Ereignis völlig ungestört widmen zu können. Sie hatte aus den vorigen Ergüssen, die ihre Freundinnen ihr an diesem Tag in ihren bereits überfüllten Mund gelenkt hatten, gelernt und hielt die Lippen nun nicht mehr so dicht an Isabelles Latte gepresst. Sie könnte diese Gabe ohnehin nicht völlig in sich aufnehmen, erst recht nicht nachdem sie diejenigen, die ihr schon überantwortet worden waren, noch immer im Mund behielt, doch lag das auch nicht länger in ihrer Absicht. Zwar wollte sie Isabelles Soße genauso in sich laufen lassen wie die der anderen, doch sollte es sich zu möglichst gleichen Teilen in ihr zusammenfinden. Wenn sie schon durch einen Zufall das Sperma von vier Mitschülerinnen in ihrem Mund vereinte, wollte sie diese Gelegenheit auch nutzen. Es sollte sich so weit vermischen, dass es nicht mehr zu unterscheiden war, eine untrennbare gallertartige Masse verschiedener Ejakulate, und dann wollte sie es gemeinsam schlucken.
Aus diesem Grund entspannte sie sich, während immer mehr der heißen Sahne in sie floss. Sie ließ Isabelle einfach in ihren Mund kommen, ohne darauf zu achten, dass das meiste sofort wieder über ihre Lippen trat und an ihnen herabtroff. Auf diese Weise füllte sich ihr Mund von allein wieder so weit auf, bis er randvoll war, und der Rest verteilte sich eben auf ihrem Gesicht.
Eine dieser Samenkapseln nach der anderen platzte in Emilia, steuerte weitere Tropfen der tosenden Gischt bei und quoll wieder aus ihr hervor, doch wurden sie immer kleiner, und letztendlich versiegten sie ganz. Emilia blieb noch einen Moment still liegen, um sicher zu gehen, dass Isabelle sich auch wirklich verausgabt hatte, dann ließ sie vorsichtig den nun schrumpfenden Ständer aus ihrem Mund gleiten. Sie achtete darauf, nichts zu verschütten, hielt ihre Lippen fest geschlossen, sobald sie an der Spitze der Eichel aufeinandertrafen und ließ den Kopf zurück auf den Boden sinken.
Als sie so dalag, ausgestreckt auf dem Rücken, die Beine gespreizt, während ihr eigener Schwanz ihr den Schlitz aufweitete, öffnete sie den Mund wieder. Sie wusste selbst nicht so genau, warum sie das eigentlich tat, es brachte ihr ja nichts. Sie konnte sich die angerichteten Beschmutzungen nicht einmal ansehen, dennoch konnte sie sich ein ziemlich klares Bild von ihnen machen. Ihre sich auftuenden Lippen mussten einem dahinschmelzenden Gletscher gleichkommen, der sich in einer Felsspalte gebildet hatte, und sich nun in seinem Umbruch zu einem Teich hin in eine einzige Brühe verwandelt hatte. Einige Teile waren noch fester als andere, das zerstoßene Eis ließ sie zähflüssig werden, wohingegen einige schon so weit aufgetaut waren, dass es beinahe wässrig war. Auch die Farben waren zweifellos höchst unterschiedlich, von einem tiefen Weiß bis hin zur reinen Durchsichtigkeit, aber sogar in diesen klaren Abschnitten trieben wohl noch helle Einsprengsel, wie Schneeflocken, die es irgendwie geschafft hatten, in diesem Wirbel nicht unterzugehen.
Zudem befand sich das alles in einem konstanten Fluss. Emilia fühlte, wie es rastlos in ihr umherrann; schon die kleinste Bewegung reichte aus, um das Sperma in Aufruhr zu versetzen wie ein windgepeitschtes Meer, und reglos bleiben konnte sie nun wirklich nicht mehr. Schon ihr Penis wütete so heftig in ihr, dass sie automatisch im Takt seiner Stöße auf und ab wippte, aber darüber hinaus war sie ihrem eigenen Höhepunkt inzwischen so nahe, dass sie unter seinem Aufwallen bereits zu zittern begann. Sie wusste, wenn sie endlich alles schlucken würde, mit dem die anderen sie bedacht hatten, würde sie augenblicklich kommen; die Verruchtheit des ganzen und wie die weiche zähe Flüssigkeit ihren Hals überzog, würde sie unweigerlich über diese Schwelle bringen. Sie wollte nur noch ein paar Sekunden damit warten, in ihren sich überschlagenden Emotionen nur noch ein wenig länger baden, doch ehe sie dazu kam, wurde ihr Gesicht plötzlich von Marias Scham bedeckt.
Ohne dass Emilia es in ihrer Aufgewühltheit bemerkt hätte, war sie an sie herangerutscht und hatte ein Bein über sie geschwungen. Offenbar war der Anblick ihrer spermabesudelten Miene tatsächlich so erregend gewesen, wie sie ihn sich vorgestellt hatte, Maria jedenfalls schien ihm nicht standhalten zu können. Aber das war wohl auch kein Wunder. Sie konnte sich ohnehin kaum zurückhalten, wenn es um diesen Saft ging, und nun zu sehen, wie ihre Geliebte immer wieder und wieder von oben bis unten darin eingetaucht wurde, konnte in ihr nur den Wunsch geweckt haben, es ebenfalls von ihr mit dem Mund gemacht zu bekommen.
Das wollte Emilia ihr natürlich nicht verwehren, und die Wirkung war sogar noch überwältigender, als wäre sie nur ihrem ersten impuls gefolgt und hätte geschluckt. Mit Marias Schritt, der sich hemmungslos gegen sie presste, griff auch die Ekstase endlich auf sie über, die so lange gerade außerhalb ihrer Reichweite geschlummert hatte. Für gewöhnlich brachte sie Emilia nichts als absolute Entspannung, doch dieses mal zuckte sie erschrocken zusammen, als sie merkte, dass sich das Sperma aus ihr hervorzudrängen begann. Bevor sie auf das Internat gegangen war, hatte sie sich ohnehin nur sehr selten und mit einem schlechten Gewissen dieser Abstrusität hingegeben, ihren Penis in sich selbst einzulassen, aber dabei hatte sie immer unter allen Umständen verhindern müssen, dass er die Sache in ihrer Scheide zu Ende brachte. Ihr war immerhin klar, was das bedeuten könnte, und auch wenn sie manchmal nicht die Kraft hatte, sich dieser verdorbenen Eingebung zu widersetzen, sich auf diese Weise zu befriedigen, hatte sie doch stets so viel Voraussicht besessen, ihn nicht in sich abspritzen zu lassen. Sie hatte ihn immer kurz vorher hinausgezogen, was bei der Natur ihres Schwanzes gar nicht so einfach war. Er schien seinen eigenen Willen zu haben, und wenn er erst einmal ein Loch gefunden hatte, das bereit war, ihn aufzunehmen, war er nicht ohne weiteres davon abzubringen, sich auch darin zu erschöpfen. Da er außerdem so weich und glitschig war, musste Emilia ihn mit beiden Händen packen und förmlich aus sich herauszerren, wie eine Schlange, die verzweifelt versuchte, sich vor einem Adler in ihrem Nest zu verkriechen, der sie mit seinen Fängen umklammert hielt. Sie steckte ihn sich dann so schnell wie möglich in den Mund, damit er dort zum Schuss kommen konnte, und wenn sie nicht schnell genug war, kam es hin und wieder vor, dass ihr die Ladung ins Gesicht klatschte.
Mittlerweile jedoch war dieser Aufwand nicht mehr notwendig. Nachdem Maria sie darauf hingewiesen hatte, dass es kein unüberwindbares Hindernis darstellte, sich die Pille verschreiben zu lassen, hatten sämtliche Mitglieder des Clubs auf diese Möglichkeit zurückgegriffen, was ihre Treffen noch zügelloser gestaltete. Wenn man sich relativ sicher sein konnte, dass ein solches Wagnis ohne unerwünschte Folgen blieb, fiel es einem automatisch leichter, sich ohne Vorbehalte darauf einzulassen, und so war es auch jetzt.
Als Emilia klar wurde, dass sie nichts zu befürchten hatte, hörten ihre Muskeln auch, sich zu verkrampfen, und das erhoffte Gefühl gestillter Sehnsucht umfing sie. Genau genommen war es nun sogar um einiges stärker als üblich, wenn sie es sich auf diese Weise machte. Sie hatte sich nie viel davon versprochen zu erleben, wie das Sperma ihren Schlitz überschwemmte; diese Aussicht hatte sie schon nicht als besonders spektakulär erachtet, wenn jemand anderes es tun sollte, und bei ihr selbst hätte sie erwartet, dass es noch weniger aufregend wäre, doch als es in diesem Augenblick zum ersten Mal passierte, musste sie einsehen, dass sie sich geirrt hatte: es war vielmehr eine Erfahrung vollkommener Erleichterung. Das lag mit Sicherheit auch daran, dass es eigentlich nicht anders war, als würde sie ihren Höhepunkt in der Weiblichkeit einer ihrer Freundinnen bekommen, nur ging das hier weit darüber hinaus. Sie spürte nicht nur in aller Dringlichkeit, wie das Sperma aus ihr heraussrömte, sondern auch wie es in sie hineinfloss. Eine Zeit lang war es wie unendliches stetiges Rinnsal von Wärme, dass sich da in sie ergoss, als wäre ein Damm gebrochen, sodass der beinahe unerträgliche Druck, der sich in ihr aufgestaut hatte, endlich entweichen konnte. Mit der Empfindung absoluter Befreiung sickerte der Samen aus dem winzigen Loch in der Spitze ihrer Eichel, und sie brauchte gar nichts weiter dazu beitragen. Sie konnte sich völlig entspannen, während ihre Spalte sich immer mehr mit ihrem eigenen Ausfluss anfüllte.
Doch so ewig dieses Ausstoßen und gleichzeitige Aufnehmen von Körperflüssigkeiten auch anzudauern schien, endete es nach und nach, aber noch während die letzten Tropfen in ihr Inneres fielen, entsann sie sich daran, dass Maria, die noch immer auf ihrem Gesicht saß, ihr aufflammendes Verlangen noch nicht hatte löschen können. Das war unverkennbar, sie hatte nämlich angefangen, ihre Hüften schwungvoll vor und zurück zu bewegen, sodass ihr Schoß rhythmisch über den samentriefenden Mund ihrer Liebsten hinwegstrich. Ohne zu zögern entschied Emilia, dass das nicht das Maß an Aufmerksamkeit war, das ihrer festen Freundin innerhalb dieser Gruppe, von der sie sich jeder Einzelnen in aller Ausführlichkeit angenommen hatte, zustand und ließ ihr nun eine ganz besondere Hingabe zukommen. Langsam ließ sie ihre Zunge aus der Sahne auftauchen, die sich in ihr angesammelt hatte, und leckte über die sich an sie schmiegende Scham. Als Maria das spürte, hielt sie instinktiv inne, und Emilia nutzte die Gelegenheit, um ihre Zunge in sie hineingleiten zu lassen, mitsamt der zähen Schlieren von Sperma, die hartnäckig an ihr hafteten. Sie wusste, dass sich damit ein ähnliches Gefühl einstellen würde, wie es in ihrer eigenen Scheide herrschte: ein weicher Fremdkörper, der sich in sie drängte und ihren Kanal mit einer warmen, dicklichen Flüssigkeit einkleisterte.
Nach einer kleinen Weile begann Maria wieder, ihr Becken umherpendeln zu lassen, aber jetzt merklich verhaltener als zuvor. Vielleicht wollte sie so verhindern, dass die Zunge aus ihr herausglitschte, vielleicht war auch einfach nicht mehr nötig, nun da sie sich kitzelnd in sie schob, zumindest rieb der Schritt nicht länger ausladend an dem Mund entlang, sondern ging zu einem sanften Mahlen über, bei dem sie ihren Hintern nur leicht auf und ab schwenken ließ, ohne sich dabei von der Stelle zu rühren. Emilia tat währenddessen ihr bestes, ihren süß schmeckenden Höhle auszulecken, ihre Zunge in ihr umherwirbeln zu lassen und das darin befindliche Sekret weiter mit dem der vier Halbdämoninnen zu vermengen, die sich in ihrem Mund entladen hatten.
Schon bald zeigten ihre Anstrengungen Wirkung. Mit einem Mal erstarrte Maria, einzig ihre Hüfte zuckte noch unkontrolliert weiter nach vorne, sodass sich ihr Geschlecht fester auf Emilias Gesicht presste. Ein unterdrückter Schrei entrang sich ihrer Kehle und eine große Welle ihres Safts brach aus ihr hervor, dann sank sie erschöpft in sich zusammen. So verharrten die beiden eine scheinbare Ewigkeit, Maria mit hängendem Kopf und hängenden Schultern über ihr hockend, die Scham schwer auf ihrem Mund lastend, Emilia noch immer mit gespreizten Beinen, ihr eigenes Sperma in ihrem Schoß und das ihrer Mitschülerinnen auf der Zunge, bis Maria sich irgendwann leise keuchend erhob. Während sie sich seitlich von ihr wieder auf den Boden setzte, richtete auch Emilia sich auf.
Als sie so dasaß, umgeben von den Mädchen, deren Samen sich nach wie vor in ihrem Mund staute, gelangte sie zu dem Schluss, dass es an der Zeit war, ihr ursprüngliches Vorhaben in die Tat umzusetzen und ihn endlich zu schlucken. Kaum hatte sie diesen Gedanken vollendet, war es auch schon geschehen; behäbig lief diese Mixtur der verschiedenen Ergüsse ihren Hals hinab, schien auch dort überall seine klebrigen Rückstände zu hinterlassen und erfüllte ihren Bauch mit einem warmen Gefühl. Das war ein wenig seltsam, war das Sperma doch eigentlich bereits erkaltet, nachdem sie es so lange im Mund behalten hatte, dennoch war es Emilia, als ginge von ihm eine unerklärliche Hitze aus, die sich in ihrem gesamten Körper ausbreitete. Möglicherweise hing das damit zusammen, dass gerade diese Eigenheiten, die sie sonst wohl eher als abstoßend empfunden hätte, sie ohne erkennbaren Grund anmachten, wenn sie geil war, doch kam ihr ein weiterer Punkt noch viel ausschlaggebender vor: Es war ohne Zweifel eine ganz besondere Sensation, die Körperflüssigkeiten aller ihrer Freundinnen zugleich in sich aufzunehmen. Sie trank ja in diesem Moment nicht nur den Samen von Emma, Nadine, Nicole und Isabelle, sondern hatte zuvor auch schon Fantasmas geschluckt, das sich nun mit dem der übrigen verband, außerdem war darin natürlich noch ein gewisser Anteil von Marias Nektar enthalten, der unweigerlich in ihren Mund gelaufen war, als sie ihr die spermagetränkte Zunge in den Schlitz gesteckt hatte.
Doch was im Speziellen nun für ihre Verzückung verantwortlich sein mochte, der eigentliche Auslöser blieb jedenfalls bestehen. Sie musste mehrmals schlucken, um alles hinunterzubekommen, was sich in ihrem Mund angesammelt hatte, und das gestaltete sich nicht gerade leicht. Die uneinheitliche, breiige Masse in unterschiedlichen Stadien der Konsistenz ließ sich kaum bewältigen. Es war, als würde sie sauer gewordene Milch trinken, die schon beinahe geronnen war; einige dieser Schlieren flossen wie von selbst in sie hinab und zogen noch ein wenig mit sich, an dem sie offensichtlich untrennbar hafteten, andere krochen nur sehr widerwillig ihre Speiseröhre hinab, langsam und cremig, wie ein Löffel reiner Marmelade.
Aber ob nun schwerfällig oder mühelos, mit jedem Schluck durchdrang sie der Geschmack dieses Spermagemisches, und der war nicht weniger aufregend als der Rest. Nun da es abgekühlt war, schien er noch intensiver zu sein, obwohl das auch daran liegen konnte, dass es so viele verschiedene Ejakulate gleichzeitig waren, die da in sie strömten. Es konnte gut sein, dass diese vielfältigen Aromen zusammengenommen sich noch steigerten, zumindest fand Emilia es einfach atemberaubend. Es war eine einzigartige Palette mannigfacher Ausprägungen, die sich ihr nun darbot, ebenso salzig wie bitter, aber mit einer leicht süßlichen Note. An sich schmeckte es nicht besonders gut, aber es war unvergleichlich, und ließ sie vor Lust noch einmal erzittern, wie von einer letzten nachträglichen Welle ihres vorangegangenen Orgasmus.
Selbst als sie allen Samen geschluckt hatte und schon lange kein Tropfen mehr davon in ihr verblieben war, hatte sie noch immer seinen Geschmack im Mund. Es kam ihr vor, als würde das schleimige Zeug noch immer ihre Zunge bedecken, genau wie seine restlichen Überbleibsel ihr Gesicht sprenkelten, und das Salz brannte ihr in der Kehle. Infolgedessen fühlte Emilia sich nun fast traumwandlerisch, als sie hier inmitten ihrer Freundinnen saß, jeder von ihnen einen geblasen zu haben und die schimärische Präsenz deren Spermas wie einen allgegenwärtigen Schleier um sich, der alle ihre Sinne einhüllte, ohne dass sie sich aus ihm hätte befreien können. Allerdings wollte sie das auch gar nicht. Ein wohliger Schauer durchlief sie bei dem Gedanken, ihren Clubkameradinnen auf diese Weise zu Diensten gewesen sein zu können und sie genoss diesen stillen Nachhall.
So blieb sie lange Zeit reglos, völlig in ihren eigenen Gedanken versunken. Erst allmählich tauchte sie wieder aus ihnen auf, ihr Blick klärte sich und sie stellte fest, dass die anderen sich ebenso wenig bewegt hatten wie sie. Alle saßen mit heruntergelassenen Hosen da, die Kleidung hastig zur Seite gerissen, sodass ihre Penisse entblößt lagen, die jetzt schlaff zwischen ihren Beinen herabhingen, Fäden ihres Samens zogen sich langsam von ihnen auseinander und fielen schließlich zu Boden, wo sich bereits kleine Lachen gebildet hatten. Sogar von Marias Scheide tropfte eine weißliche Flüssigkeit herab, fraglos eine Mischung ihres eigenen Safts und dem der übrigen Anwesenden, den Emilia dort mit hineingedrückt hatte, als sie es ihr mit der Zunge gemacht hatte. Auch ihre Augen hatten einen schwelgerischen Ausdruck angenommen, insbesondere Fantasma wirkte, als wäre sie völlig weggetreten. Wie gebannt starrte sie auf Emilias Schoß, der zugegebenermaßen auch ein ziemlich faszinierendes Bild abgab: Ihr abgeschwollener Schwanz war schon aus ihr herausgerutscht, als sie sich aufgesetzt hatte, nun lag er wieder bewegungslos da, wie eine vollgefressene Schlange in der Mittagssonne. Um ihn herum breitete sich eine rasch größer werdende Pfütze seines Glibbers aus, doch stammte sie nur indirekt von ihm. Sie war aus Emilias Scheide geflossen, in der er sich entleert hatte; nachdem sie jetzt nicht mehr von ihm verschlossen wurde, quoll das Sperma aus ihr hervor wie Honig aus einer übervollen Wabe, rann ihre Pobacken herab und besudelte den Teppich nachgerade mit einem See, der nach diesem Zulauf wie von einem Wasserfall über seine Ufer trat.
»Moment mal«, sagte Fantasma plötzlich, während sie noch immer ganz verzaubert Emilias auslaufende Spalte betrachtete, »wenn sie sich selbst so schwängern würde, wäre das dann nicht ein Klon von ihr?«
»Äh, nein«, sagte Isabelle, als hätte sie noch nie etwas Abwegigeres gehört. »Ich will da jetzt nicht zu sehr ins Detail gehen, aber das wäre dann Autogamie, wie zum Beispiel bei Regenwürmern. Da findet trotzdem eine Rekombination der Gene statt, um einen Klon zu zeugen, müsste es aber zur Parthenogenese kommen, wobei eine unbefruchtete Eizelle sich selbst teilt und so einfach die eigene DNA vervielfältigt. Es ist aber unwahrscheinlich, dass das bei so komplexen Lebewesen wie Menschen oder Dämonen funktioniert.«
»Ah ja, danke, dass du nicht so sehr ins Detail gegangen bist«, meinte Fantasma gelassen, dann fiel ihr jedoch offensichtlich etwas Neues ein, und mit leuchtenden Augen wandte sie sich wieder an Emilia. »Na gut, du bist also keine Jungfrau mehr, aber was ist mit deinem Hintern? Okay, dein Ding würde es auch schaffen, bis dahin zu kommen, aber hast du das überhaupt mal versucht?«
»Warte mal«, rief Emilia und hob abwehrend die Hände. »Grundsätzlich hätte ich ja nichts dagegen, aber gönn mir doch mal ’ne Pause, ja? Wie wär’s, wenn wir uns das fürs nächste Mal aufheben?«
»Willst du etwas noch eine Abstimmung?«, frage Fantasma gut gelaunt, doch brachte sie ein Blick in die ausgelaugten Gesichter der Clubmitglieder von diesem Gedanken ab. »Na gut, vielleicht hast du recht, verschieben wir’s aufs nächste Mal. Dann erkläre ich unser Treffen hiermit erst einmal für beendet«, erklärte sie feierlich, doch fügte sie nach einem Moment, in dem sie die nicht unerheblichen Verschmutzungen auf dem Boden bemerkte, noch schnell hinzu: »Unter Vorbehalt zumindest. Und bis Mia uns gezeigt hat, was sie versprochen hat, ist sie mit dem Putzdienst dran.«
Emilia wollte schon Einwände erheben, aber bevor sie dazu kam, legte sich Marias Hand auf ihren Arm. Leise flüsterte sie ihr zu: »Keine Sorge, ich helfe dir. Und danach gehen wir zusammen duschen.«
Lächelnd nickte Emilia und fügte sich in ihr Schicksal. Das klang nach einer angemessenen Entschädigung.
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Währenddessen lagen Lilly und Lisa eng umschlungen auf einem der Betten in ihrem gemeinsamen Zimmer. Sie hatten ihre Rückkehr ins Internat auf ganz ähnliche Weise zelebriert wie der Freak-Club ein paar Gänge weiter, dabei waren sie die Ferien über gar nicht von einander getrennt gewesen. Wie auch schon zuvor im Sommer hatten sie zusammen Lisas Eltern besucht.
Das hatte sich damals einfach so ergeben. Ihre Eltern waren froh, dass Lisa endlich eine Freundin gefunden hatte – wenn sie auch nicht ahnten, wie nahe sie sich tatsächlich standen –, nachdem sie bisher nicht den Eindruck gemacht hatte, am Internat besonders glücklich zu sein, und als sie dann noch hörten, dass Lilly ein Waise war und auch sonst kein Angehörigen besaß, zu denen sie hätte gehen können, hatten sie von sich aus den Vorschlag gemacht, dass Lisa sie doch mitbringen könnte. Sie waren unverkennbar überrascht gewesen, als sie Lilly erst einmal kennenlernten. Sie hatten wohl nicht damit gerechnet, dass ihre Tochter sich mit so einem Mädchen anfreunden würde: vollkommen in Schwarz gekleidet, so bleich, dass es aussah, als wäre sie in einen Topf voll Puder gefallen, schwere Stiefel und Ketten, die überall an ihr herabhingen. Aber bald überraschte Lilly sie zum zweiten Mal. Mit ihrer freundlichen und rücksichtsvollen Art schlossen Lisas Eltern sie schnell ins Herz und nahmen sie so offen bei sich auf, als wäre sie ein verlorengegangenes Kind, das unvermutet wieder zu ihnen gefunden hatte.
Also waren sie auch diesmal wieder nach Grünberg gefahren, Lisas Heimatstadt. Es war dasselbe Grünberg, in dem auch Emma wohnte. Sie waren sogar mit ihr im Zug hin und zurück gefahren, waren sich dort aber nicht über den Weg gelaufen. Wäre das der Fall gewesen, hätten sie vielleicht herausgefunden, dass Melanie, Emmas alte Freundin, die ihr den Anstoß zu ihrem Roman geliefert hatte, auch für Lisa keine Unbekannte war. Sie war auf das Internat geschickt worden, weil sie dem Lehrstoff immer ein wenig hinterherhinkte, in der Hoffnung, dass sich hier ihre Noten bessern würden. Sie hatte den Unterricht eben immer als langweilig empfunden und ließ sich deshalb nur zu gerne davon ablenken. Doch bevor ihre Eltern zu solch drastischen Mitteln gegriffen hatten, hatten sie es zuerst mit Nachhilfe versucht, und dazu war Melanie auserkoren worden. Sie ging zwar nur in eine Parallelklasse, gehörte aber in sämtlichen Fächern zu den Besten, weshalb sie an einem Projekt der Schule teilgenommen hatte, bei dem besonders leistungsstarke Schüler den eher schwächeren ein wenig aushalfen.
Demgemäß hatte Lisa sich auf Drängen ihrer Eltern bei dem Projekt angemeldet, doch entsprachen die Dinge, die sie bei ihren Nachhilfestunden gelernt hatte, wohl nicht unbedingt dem Lehrplan. Dabei hatte alles ganz harmlos angefangen. In den ersten paar Stunden hatten sie noch konzentriert gearbeitet, nach und nach jedoch, ohne dass eine von ihnen es beabsichtigt hätte, waren sie sich immer näher gekommen. Zu diesem Zeitpunkt war ihnen beiden schon klar gewesen, dass sie auf Frauen standen, und sie hatten einander von Anfang an ausgesprochen anziehend gefunden; als sie dann dreimal in der Woche eine ganze Stunde lang dicht zusammensaßen, ließ es sich nicht verhindern, dass es immer wieder zu kleinen, zufälligen Berührungen zwischen ihnen kam, und im Laufe der Tage wurden die immer weniger zufällig, aber dafür länger, bis ihre Lippen sich auf einmal zu einem ausdauernden, innigen Kuss trafen.
Das kam für sie beide einer Erlösung gleich. Nachdem sie sich nun schon einige Zeit genau danach gesehnt hatten und sich in stiller Abgeschiedenheit erotischen Phantasien über einander hingegeben hatten, war dieser doch noch recht unschuldige Kuss schnell ausgeartet. Bald hatten sie sich zügellos gegenseitig befingert, hatten sich die Brüste gestreichelt und sogar ihre Geschlechter liebkost, doch da das alles im Haus von Lisas wenig liberalen Eltern stattfand, konnten sie auch nie völlig aus sich herausgehen. Sie hatten sich nie komplett nackt gesehen, sondern ihre Kleidung nur so weit verschoben, dass sie in aller Eile wieder zurechtgezogen werden konnte, sollte es unerwartet an der Tür klopfen, und auch ihr Stöhnen mussten sie mühsam unterdrücken.
Als das erst einmal passiert war, hatten sie bei den nachfolgenden Gelegenheiten kaum noch gelernt. Zwar war Melanie sehr pflichtbewusst und hatte versucht so gut es ging ihrer Aufgabe nachzukommen, doch hatte Lisa andere Absichten gehabt. Sie war eben von Grund auf hedonistisch veranlagt; sie sah einfach keinen Sinn darin, etwas zu tun, worauf sie keine Lust hatte, und im Zuge dessen verführte sie Melanie lieber statt sich von ihr unterrichten zu lassen. Damit erzielten die Nachhilfestunden natürlich nicht den gewünschten Effekt. Als Lisas schulische Leistungen nach mehreren Wochen noch immer kein Zeichen der Besserung aufwiesen, entschieden ihre Eltern sich dazu, sie in dem Internat einzuschreiben, und so fand diese Beziehung ein abruptes Ende.
Danach hatte Lisa eine ganze Weile keine Möglichkeit mehr, ihr Verlangen auszuleben. Erst ein halbes Jahr später, als sie Lilly kennenlernte und sich auf den ersten Blick in sie verliebte, war es wieder dazu gekommen. Das war ganz ähnlich vor sich gegangen, wie die Sache mit Melanie. Lisa hatte sich einfach sofort zu ihr hingezogen gefühlt, und als sie dann noch entdeckte, dass Lilly zwei Geschlechter hatte, einen Penis ebenso wie eine Scheide, hatte sie ihre Neugierde nicht zügeln können. Es war immerhin so unvorstellbar gewesen. Nichts hatte darauf hingewiesen, sie sah wie ein vollkommen normales Mädchen aus, sehr hübsch zwar, aber nicht weiter ungewöhnlich, trotzdem war es nicht zu bestreiten gewesen, als sie erst einmal die Hosen heruntergelassen hatte, um ihr zu beweisen, dass sie tatsächlich ein Mädchen war, das eben zusätzlich noch einen Schwanz besaß. Also hatte sie dann so dagehockt, nachdem Lisa ihr zuvor noch in die Eier getreten hatte, oder zumindest dahin, wo sie ihre Eier vermutete: die ersten Andeutungen von Brüsten, die sich unter ihrem Shirt erhoben, ihr Ding schlaff zwischen den Beinen wie eine verschrumpelte, mit Wasser vollgesogene Karotte und sah mit ihrem unglaublich niedlichen Gesicht ängstlich zu ihr auf, voller Furcht, aus dieser Zuflucht, in die man sie nach dem Tod ihrer Mutter abgeschoben hatte, wieder vertrieben zu werden, schließlich war es ein reines Mädcheninternat.
Da hatte Lisa unmöglich widerstehen können. Obwohl sie zweifellos lesbisch war, hatte sie sich doch schon lange gefragt, wie sich ein Penis in ihr anfühlen würde, und Lilly war so freundlich gewesen, sich ihr zur Beantwortung dieser Ungewissheit zur Verfügung zu stellen. Nur einen Tag später hatten sie sich ihre Liebe gestanden, und seitdem waren sie unzertrennlich.
Daran konnten nicht einmal die unaussprechlichen Verbrechen etwas ändern, die Sinistra, Lillys dämonische Mutter, ihnen angetan hatte. Natürlich hatte es unauslöschbare Spuren in ihnen beiden hinterlassen, seelische Narben, die niemals wieder verschwinden würden, doch war ihre gegenseitige Zuneigung stärker als das. Es hatte sogar den Anschein, als hätte es sie noch näher zusammengebracht. Das Leid, das sie teilten, ihre schrecklichen Erinnerungen und die unermesslichen Verheerungen ihres Inneren, mit denen sie von nun an fertig werden mussten; diese Gemeinsamkeiten, so grauenvoll sie auch waren, hatten ihre Herzen unumkehrbar miteinander verschmelzen lassen. Gemeinsam waren sie Sinistra entkommen, und gemeinsam überwanden sie die Macht, die diese Abscheulichkeiten noch immer über sie hatte, auch wenn das ein Kampf war, der nie gewonnen werden konnte. Jeden Tag aufs Neue mussten sie sich ihm stellen, und alles, was sie sich davon erhoffen durften, war, den Schmerz für eine Weile zu betäuben.
Dennoch hatten sie beide ihre eigene Art, mit dem Erlebten umzugehen. Lilly hatte es zu dem Mädchen gemacht, das Lisa nun im Arm hielt, still und in sich gekehrt, immer auf der Hut, als würde sie ständig erwarten, dass das nächste Unglück über sie hereinbrach, und mit Augen, die eine Qual verrieten, die niemals vergehen würde, aber auch von einer in ihr schlummernden Kraft zeugten, die sie aufflammen ließen wie von einer schwelenden Glut erfüllt.
Lisa hingegen war immer mit einem unerschütterlichen Optimismus gesegnet gewesen, und obwohl sie nie wieder so unbeschwert wie früher werden konnte, erlaubte sie sich einfach nicht, sich davon unterkriegen zu lassen. Was Sinistra getan hatte, war unverzeihlich, aber es wäre noch schlimmer, sich dem zu ergeben. Das Grausamste an dieser Vergewaltigung war doch der Verlust der Kontrolle über den eigenen Körper; gegen ihren Willen war ihr ein Pfahl in den Unterleib gerammt worden, und in diesem Zusammenhang war es das gleiche, als hätte ihr jemand ein Messer in den Bauch gestoßen. Plötzlich war sie völlig hilflos gewesen, sie hatte nicht einmal mehr bestimmen können, was mit ihr geschah, stattdessen war sie gezwungen, es über sich ergehen zu lassen, wie seine niedersten Triebe an ihr abarbeitete.
Das einzig Sinnvolle, um diese verlorene Kontrolle wiederzuerlangen, war ihrer Meinung nach, zurück zu sich selbst zu finden, alles andere hätte Sinistra mit Sicherheit nur noch mehr Befriedigung verschafft, und das wollte Lisa unter keinen Umständen zulassen. Ihr war klar, dass es Macht war, worum es Sinistra dabei eigentlich ging. Sie hatte sich eher daran aufgegeilt, dass ihr jemand wehrlos ausgeliefert war, als dass sie nur ihrer Lust hatte nachgehen wollen. Natürlich war Lisa ohnehin nur ein Mittel zum Zweck gewesen, um Lilly ihre Kräfte bewusst zu machen, ein Werkzeug, dessen man sich achtlos bedienen konnte und das ruhig zerbrechen konnte, nachdem es seine Aufgabe erfüllt hatte, trotzdem erging Sinistra sich bestimmt in der Gewissheit, dass ihre abstoßende Tat noch immer ihre Schatten über ihre Opfer warf, aber dazu würde Lisa es niemals kommen lassen. Das hätte doch bloß eine Anerkennung der Gewalt bedeutet, die über sie ausgeübt worden war.
Dementsprechend setzte Lisa alles daran, sich diesem Einfluss zu entziehen. Sie hatte erdulden müssen, wie dieses Monster sich an ihr vergriffen hatte, das war schlimm genug gewesen, aber sie würde es nicht hinnehmen, dass es ihr auch noch weiterhin seinen Willen aufzwang. Das war allerdings ein ebenso langsamer wie qualvoller Prozess. Es gab Wunden, die niemals ganz heilten, und dies war eine von ihnen. Indem Sinistra sie missbraucht hatte, hatte sie etwas, das Lisa bisher nur als wunderschön gekannt hatte, in etwas Widerwärtiges gewandelt. In den ersten Wochen, nachdem das geschehen war, hatte sie schon gedacht, dass sie nie wieder jemandem so weit vertrauen könnte, um Sex zu haben, es fiel ihr ja schon schwer genug, überhaupt ihren Alltag zu bestehen. Manchmal überfielen sie völlig unvorhersehbare Panikattacken, sie konnte es nicht aushalten, mit jemand anderem als Lilly allein in einem Zimmer zu sein, und selbst flüchtige Berührungen an ihrem Arm, wenn man sie im Vorübergehen streifte, verursachten ihr Übelkeit.
Doch obwohl keine dieser Auswirkungen wirklich verschwand, wurden sie wenigstens immer seltener, und im selben Maße, wie sie schwanden, stieg ihre Sehnsucht nach Zärtlichkeit. Lilly war für sie eben wie ein Fels in der Brandung, selbst in diesen sturmumtosten Untiefen, in die das Schicksal sie geworfen hatte, konnte sie sich noch an sie klammern und Trost bei ihr finden. Es war, als wären sie füreinander bestimmt, als wäre Lilly ein unbändiges Leuchtfeuer in der Dunkelheit, das ihr Wärme und Schutz vor den Gefahren der Nacht bot, und das sie so unentrinnbar zu sich hinzog, dass sie die Hölle durchwandert hätte, um zu ihm zu gelangen. Zunächst war es also kein körperliches Verlangen, das wieder zu mehr Intimität zwischen ihnen führte, sondern ein geistiges, ihr immerwährendes Gefühl der Zusammengehörigkeit. Unmittelbar nach Sinistras vorläufigem Dahinscheiden von dieser Welt hatte Lilly ihr versprochen, dass ihr niemals wieder etwas zustoßen würde, dass sie sie vor jedem nur erdenklichen Leid beschützen würde, und Lisa wusste, dass sie nichts unversucht lassen würde, um dieses Versprechen einzulösen. An ihrer Seite spürte sie endlich wieder die Liebe und Geborgenheit, die sie sich so sehr wünschte, aber die noch einmal zu erleben sie schon nicht mehr zu hoffen gewagt hatte.
Als sie sich so gegenseitig über diese tragischen Ereignisse hinweggeholfen hatten, hatten sie ganz instinktiv die Nähe zueinander gesucht; sie hatten sich im Arm gehalten, sich gestreichelt und sanfte Küsse getauscht. Irgendwann hatte eins zum anderen geführt, und sie hatten zum ersten Mal seit den vergangenen Schrecknissen wieder miteinander geschlafen. Von dort war es nur noch ein kurzer Weg, bis ihre Beziehung zu alter Stärke zurückfand. Was ihnen widerfahren war, war weder vergessen noch vergeben, und natürlich waren die Traumata, die sie beide unweigerlich davongetragen hatten, noch lange nicht bewältigt, aber immerhin waren sie wieder zu einem solch engen Kontakt fähig.
Vor allem für Lisa hatte das etwas zutiefst Befreiendes an sich. Seit sie ihre ersten Erfahrungen mit Melanie gesammelt hatte, war diese Art der Nähe einzig von Freude und unendlicher Zuneigung erfüllt gewesen. Sinistra schien ihr das genommen zu haben, doch nachdem sie nun mit Lillys Hilfe festgestellt hatte, dass dem nicht so war, kam es ihr vor, als wäre zumindest ein Teil der schweren Eisenketten, mit denen sie sich seit diesem Vorfall behangen wähnte, von ihr abgefallen. Sowohl bei ihren Nachhilfestunden mit Melanie als auch später in den glücklicheren Tagen mit Lilly, bevor Sinistra sich an ihr vergangen hatte, hatte sie jede Gelegenheit genutzt, um es mit ihrer Liebsten zu treiben, und nun da dieses einengende Gefühl, das ihren Brustkorb so lange umschnürt hatte, sich endlich ein wenig lockerte, verfiel sie wieder in dieses Verhaltensmuster. So wie sie sich zuvor von Lilly hatte umarmen lassen, um bei ihr Linderung ihrer Schmerzen zu finden, verschaffte sie sich nun auf diese Weise Erleichterung. Lilly bedeutete ihr eben mehr als alles andere auf der Welt, und wenn sie sich einander hingaben, verhieß das Lisa nicht nur eine Rückkehr in ihr früheres Leben, sondern auch eine unzerstörbare Verbindung zu diesem Mädchen, das sie so sehr liebte.
Sie waren es inzwischen schon ein paar Monate lang gewohnt, beinahe jeden Tag miteinander zu schlafen, doch war das in den letzten zwei Wochen nicht möglich gewesen. Dabei ging es nicht einmal darum, dass ihre Eltern ohne Frage der Meinung waren, dass ihre Tochter noch ein wenig zu jung wäre für eine solch rückhaltlose Form der Zuneigungsbekundung, sie hatten schlicht keine Ahnung von ihren lesbischen Neigungen, und Lisa war der Ansicht, es wäre das Beste für alle Beteiligten, wenn es vorerst dabei blieb. Sie hätten ihre Empfindungen sicher nicht gutgeheißen, wahrscheinlich hätten sie sie nicht einmal verstanden. Dazu war ihre Weltanschauung wohl zu konservativ, wie Lisa vermutete. Ihnen war es wichtig, dass man strikt ihre Regeln befolgte, dass man sein Zimmer aufräumte, nicht in schmutzigen Klamotten herumlief und gute Noten nach Hause brachte. Aus diesem Grund war sie ja schon an dem Internat gelandet, und so hatte sie immer mehr den Eindruck gewonnen, dass sie ihr wahres Ich lieber vor ihnen verborgen hielt.
Deswegen hatten sie die ganzen Ferien über so tun müssen, als wären sie nur gute Freundinnen. Nur unter allergrößten Anstrengungen schafften sie es, sich nicht doch verräterische kleine Zeichen der heimlichen Liebe zukommen zu lassen, und selbst wenn sie außer Haus waren und Lisa ihrer Freundin die Plätze zeigte, an denen sie aufgewachsen war, trauten sie sich nicht, Händchen zu halten, so sehr alles in ihnen auch danach verlangte. Zwar wäre das nur eine recht unscheinbare Geste der Vertrautheit gewesen, aber Grünberg war nun einmal eine Kleinstadt, und Lisa hatte schon früh gelernt, dass die vertretbaren Grenzen der Moral in einer solchen sehr eng gesteckt waren. So etwas sah man hier in Folge der demographischen Gegebenheiten sonst eben nicht, und was man nicht kannte, löste leicht Unbehagen aus. Früher oder später hätte diese Nachricht ihre Eltern also auf jeden Fall erreicht, und obwohl Lisa von Natur aus eher sorglos war, sah sie in einem weiteren Streit mit ihnen keinen Sinn. Sie hatte schon oft genug versucht, ihnen ihre egalitäre Einstellung näher zu bringen und war jedes Mal daran gescheitert.
Als sie dann an diesem Nachmittag wieder am Internat ankamen, hatten sie es kaum noch erwarten können, sich in ihr eigenes Zimmer zurückzuziehen, wo sie keine entrüsteten Blicke zu befürchten hatten. Es war nicht unbedingt geplant gewesen, dass sie sich hier gleich so ausgiebig miteinander vergnügten, aber es waren zwei entbehrungsreiche Wochen gewesen, und so hatten sie ab einem bestimmten Punkt gar nicht mehr aufhören können. Zuerst hatten sie nur auf dem Bett gesessen und sich geküsst, doch sobald Lisa bemerkte, dass Lilly einen Ständer bekommen hatte, konnte sie nicht anders, als ihn durch den Stoff ihrer Hose hindurch zu streicheln. Daraufhin hatte Lilly angefangen, Lisas Brust zu liebkosen, und ehe sie es sich versahen, waren sie schon dabei, sich gegenseitig die Kleider vom Leib zu reißen.
Wie so oft war es Lisa auch diesmal so vorgekommen, als würden sie wie von selbst aufeinander zustreben, als wären sie zwei Teile eines Ganzen, deren Bestimmung es war, vereint zu sein. Davon hatte sie nichts abhalten können, auch als es plötzlich an der klopfte, während sie noch einigermaßen unverfänglich beisammen gewesen waren, war das nur eine kleine Unterbrechung auf ihrem eigentlichen Weg. Es war Fantasma gewesen, die sie zu einem Clubtreffen hatte einladen wollen, doch hatten sie dieses Angebot freundlich abgelehnt. Zwar waren sie offiziell Mitglieder des Clubs, allerdings beschränkte sich ihre Teilnahme an dessen Belangen auf die rein soziologische Komponente. Die Ziel, die die anderen mit ihm verfolgten, waren dieselben, die auch sie antrieben, doch hatten sie kein Interesse an den ausufernderen Beschäftigungen, denen dort nicht gerade selten nachgegangen wurden. Sie verabschiedeten sich immer rechtzeitig, bevor es dazu kam. In dieser Hinsicht blieben sie lieber unter sich. Keine von beiden verspürte den Drang dazu, es mit jemand anderem zu tun, vor allem nicht bei der gemeinsamen Vergangenheit, die sie zu bewältigen hatten. So hatten sie auch nie eine der Aufnahmeprüfungen abgelegt, wie es bei ihnen offenbar gebräuchlich war, sondern waren mehr ehrenhalber zu Mitgliedern ernannt worden.
Dennoch hatten sie nichts gegen die Freizügigkeiten des Clubs einzuwenden. Es freute sie für die anderen, wenn sie darin offen ihre Bedürfnisse ausleben konnten, sie selbst jedoch hatten ineinander bereits alles gefunden, wonach sie sich jemals gesehnt hatten. Was jetzt die heutige Versammlung betraf, hatten sie schon geahnt, dass sie nicht eher enden würde, als dass Fantasmas Zimmer einschließlich aller Anwesenden so aussah, als hätte eine Tortenschlacht stattgefunden. Allein deshalb wären Lilly und Lisa wohl nicht mitgekommen, sogar wenn sie nicht gerade im Begriff gewesen wären, sich mit ihrer brennenden Leidenschaft füreinander zu befassen.
Nun jedenfalls lagen sie hier auf dem Bett, sich umarmend und fest aneinandergekuschelt, während ihre abklingende Lust noch in sanften Wellen durch ihre Körper pulsierte, so wie sich das Meer nach einer Flut über den Strand zurückzog. Noch immer konnte Lisa das Sperma warm in ihrer Scheide spüren, wo Lilly sich in ihr ergossen hatte. Sie wusste nicht warum, aber diese ersten paar Minuten nach einem Orgasmus verbrachte sie immer in einem merkwürdigen Zustand irgendwo zwischen Euphorie und Melancholie. Erleichterung durchströmte sie und ihre Angebetete schmiegte sich an sie, was hätte es also Schöneres geben können? Gleichzeitig überkam sie in diesen Momenten aber auch ein Hauch von Schwermut. Hin und wieder überlegte sie, woran das liegen mochte. Rief die weichende Ekstase eine Empfindung des Verlusts in ihr hervor, oder hatte sie unterbewusst Angst, dass Lilly sie verlassen könnte?
Selbstverständlich war beides unnötig – Lilly versicherte ihr immer wieder, dass sie bis in alle Ewigkeit bei ihr bliebe, und zusammen mit ihr war die nächste Ekstase nicht weit – aber das änderte nichts daran. Doch ob es nun die Furcht davor war, alleingelassen zu werden oder nicht, wenn sie in dieser Stimmung war, musste sie ihrer Freundin besonders nah sein. Ohne zu zögern ergriff sie deren Hand, hielt sie sich vor das Gesicht und bedeckte sie mit Küssen.
»Was machst du denn da?«, kicherte Lilly.
»Nichts«, sagte Lisa seufzend vor Glück. »Ich liebe dich einfach nur.«
»Ich liebe dich auch«, flüsterte Lilly leise zurück.
Lisas Mund war jedoch zu beschäftigt, um eine andere Antwort zu geben als einen tonlosen wohligen Laut. Sie presste ihre Lippen immer noch unablässig auf den Rücken der Hand, drehte sie schließlich um und widmete sich der Fläche auf dieselbe Weise. Erst als sie das Gelenk erreichte, hielt sie kurz inne. Auf ihm leuchtete hell die schmale Verwerfung der Haut, die die selbst zugefügte Wunde dort hineingegraben hatte. Mittlerweile kannte sie die Geschichte, die hinter diesen Nähten stand sehr genau, trotzdem konnte sie es jetzt nicht verhindern, dass ihr die Tränen in die Augen stiegen.
Alles hatte angefangen, als Lilly elf Jahre alt war. Damals war Sinistra das erste Mal zu ihr gekommen. Ihre Mutter hatte alles in ihrer Macht stehende getan, um das zu verhindern: sie war noch vor Lillys Geburt von Frankreich aus hierher ausgewandert, hatte ihr alles über Dämonen beigebracht, was sie in Erfahrung bringen konnte, und hatte Gitterstäbe vor ihrem Fenster anbringen lassen, aber letztendlich hatte nichts davon auch nur den geringsten Nutzen gehabt. In dieser dunklen Nacht vor etwas mehr als zwei Jahren hatte sie unter tragischen Umständen feststellen müssen, dass die Geschichten ihrer Mutter über Dämoninnen keine bloßen Hirngespinste waren. Sie war vergewaltigt worden, und nichts hatte sie davor bewahren können, nicht die Sicherheitsmaßnahmen ihrer Mutter, nicht ihre Schreie und nicht ihre Tränen.
In den darauffolgenden Nächten war das immer wieder passiert, ohne dass diese Besuche ein bestimmtes Muster aufgewiesen hätten. Manchmal lagen zwei Wochen zwischen diesen Vorfällen, dann wieder nur ein oder zwei Tage. Im Grunde war diese Ungewissheit das Schlimmste von allem. Sie konnte keine ruhige Minute mehr verbringen, geschweige denn auch nur ein Auge zutun; sie lebte einzig in der ständigen Angst, dass es in dieser Nacht wieder geschehen konnte. Dieses Haus, in dem sie sich vorher so wohl gefühlt hatte, war plötzlich zu einem Ort des Schreckens geworden. Sie vergaß die glücklicheren Zeiten, die sie hier verlebt hatte, bis sie sich nur noch an ihre Marter erinnern konnte, die langen qualvollen Stunden, in denen sie darauf wartete, das nächste Mal missbraucht zu werden, und die noch weitaus entsetzlichere Folter, wenn es so weit war.
Es gab auch nichts, das ihr einen Schutz hätte bieten können, und somit keine noch so geringe Hoffnung auf Rettung. Es brachte nichts, sich einzuschließen oder davonzulaufen; Sinistra als Dämonin ließ sich nicht von Mauern aufhalten, sie materialisierte sich einfach aus den Schatten, wo immer sie wollte, und sie war im Stande, ihre Tochter überall aufzuspüren. Selbst die Autoritäten, in deren Obhut sie aufgewachsen war, und die sie bisher als übermächtig empfunden hatte, konnten ihr nun nicht mehr beistehen: ihre Mutter war Sinistras Kräften gegenüber ebenso hilflos wie sie, die Polizei hätte ihr niemals geglaubt und nicht einmal in der Kirche hatte sie die ersehnte Erlösung gefunden. Im Laufe der Zeit hatte sie Symbole, Amulette und Sprüche sämtlicher Religionen gegen Sinistra aufgebracht, die sie entdecken konnte, doch all das war von ihr mit einem Lachen beiseite gewischt worden. Offenbar gab es keine höhere Macht, an die man sich in seiner Not hätte wenden können, oder sie nahmen keinen Anteil an menschlichen Geschicken, Sinistra zumindest machte sich ungehindert weiter an ihr zu schaffen und demütigte sie sogar noch mit ihren sinnlosen Bemühungen, sich zur Wehr zu setzen.
Ein Jahr lang ertrug Lilly ihr Elend stumm, dann sah sie nur noch einen Ausweg. Eines Abends, als ihre Mutter gerade nicht zu Hause war und der Gedanke an die hereinbrechende Dunkelheit und was sie mit sich bringen mochte so unerbittlich auf ihr lastete, dass ihre Seele darunter zerquetscht zu werden drohte, nahm sie das scharfe Messer aus der obersten Küchenschublade, das dazu gedacht war, Fleisch zu filetieren, und schloss sich mit ihm im Bad ein. Dort zog sie sich aus, setzte sich aufrecht in die Badewanne und atmete tief ein und aus, während sie noch einmal ihre Gedanken sammelte. Doch letztlich hatte sie keinen Zweifel. Sie hatte keinen Grund, ihr Leben fortzusetzen, aber Tausende, es jetzt zu beenden: jeder einzelne Tag, an dem ihr eine weitere Misshandlung bevorstand. Mit einer ruckartigen Bewegung schnitt sie sich nacheinander beide Pulsadern auf, dann sah sie gelassen zu, wie das Blut in heißen Bahnen aus ihr hervorlief.
Um ehrlich zu sein konnte Lisa diesen verzweifelten Schritt sogar nachvollziehen. Es gab Tage, an denen erschien ihr das selbst einfacher als mit ihren Erinnerungen weiterzuleben, dabei hatte sie nur einen Nachmittag unter Sinistras Gewalt gestanden, Lilly hingegen war ihr ohne Unterlass und ohne entkommen ausgeliefert gewesen.
Doch zum Glück für sie beide schlug dieser Selbstmordversuch fehl. Zum einen hatte Lilly das Messer quer über ihre Handgelenke geführt, sodass sie nur langsam verblutete, zum anderen kehrte ihre Mutter schon früher als erwartet zurück. Sie bekam Angst, als ihre Tochter nirgendwo aufzufinden war und sich auf ihr unnachgiebiges Klopfen und Rufen an der verschlossenen Badezimmertür nichts tat. Mit der Kraft einer Mutter, die um ihr Kind fürchtete, rannte sie die Tür mit der Schulter ein. Das benötigte ein paar Anläufe, doch hätte sie in diesem Moment auch ein Stahlschott nicht aufgehalten. Sie fand Lilly bewusstlos in der Badewanne vor, verband ihre Wunden schnell mit zwei Handtüchern ohne auf all das Blut zu achten, das hier verteilt war, und trug sie zum Auto. Auf dem Weg ins Krankenhaus überfuhr sie sämtliche rote Ampeln und raste so leichtsinnig, dass es an ein Wunder grenzte, dass sie heil ankamen.
Aber sie kamen heil an, und das gerade noch rechtzeitig. Als sie mit quietschenden Reifen vor der Notaufnahme zum Stehen kam, war Lillys Zustand bereits kritisch. Ihr Atem ging nur noch flach, als die Ärzte sie in einen Operationssaal schoben, dennoch schafften sie es, ihr Leben zu retten.
Zu Anfang war Lilly damit natürlich ganz und gar nicht einverstanden. Schon als sie in diesem Krankenhausbett liegend erwachte, nachdem man ihr Bluttransfusionen verabreicht und die Schnitte an ihren Handgelenken genäht hatte, fühlte sie nichts als Enttäuschung, und obwohl sie kaum bei Bewusstsein war und sich unter ständiger Beobachtung befand, stand ihr Entschluss fest, es bei der nächsten Gelegenheit gleich wieder zu versuchen.
Die kam allerdings nicht allzu bald. Auch wenn nicht alle paar Minuten eine Krankenschwester hereingeschaut hätte, lagen noch andere Mädchen bei ihr im Zimmer, außerdem war es offensichtlich, dass alle Gegenstände, an denen man sich hätte verletzen können, entfernt worden waren. Nicht einmal als sie entlassen wurde, ließ sich ihr Plan umsetzen. Sie stellte schnell fest, dass auch zu Hause sämtliche scharfe Dinge weggesperrt worden waren, sogar an der Küchenschublade mit den Messern war neuerdings ein Schloss angebracht. Wenn sie sich unbedingt jetzt hätte umbringen wollen, wäre ihr nur die Wahl geblieben, sich mit einem stumpfen Brotmesser ihre verheilenden Wunden wieder aufzureißen oder – da man ihr nicht einmal mehr einen Gürtel anvertraute – sich mit einem Bettlaken zu erhängen. Keine dieser beiden Optionen sprach sie besonders an, und so beschloss sie, damit noch zu warten, bis sich eine Alternative ergab, die weniger Überwindung kosten würde.
Doch dazu kam es nicht mehr. Zu den Auflagen ihrer Entlassung aus der Aufsicht gehörte es, dass sie einen Psychologen besuchte. Sowohl ihre Mutter als auch Lilly war von vorneherein klar, dass das nicht viel bringen würde, immerhin konnte sie ihm nicht die volle Wahrheit anvertrauen, allerdings wandelte sie sie auch nur leicht ab. Sie erzählte ihm, dass sie einmal auf dem Heimweg von der Schule von einem Unbekannten überfallen und vergewaltigt worden wäre, und obwohl das tatsächliche Ausmaß der Grausamkeiten, die sie hatte erdulden müssen, weit darüber hinausgingen, tat es gut, mit jemandem über ihr Leid zu sprechen.
Das war aber nur einer der Gründe, warum es ihr allmählich besser ging, der sehr viel ausschlaggebendere war, dass Sinistras nächtliche Besuche aufgehört hatten. Lilly wusste nicht, woran das lag, ob sie nach diesem Suizidversuch vielleicht zu der Entscheidung gelangt war, dass sie zu weit gegangen war, aber das interessierte sie auch nicht, solange sie sie nur niemals wiedersehen musste.
Ein Jahr lang lief alles gut, und Lilly begann gerade zu glauben, dass die Welt doch lebenswert sein könnte, als ihre Mutter starb. Ironischerweise geschah das durch einen Autounfall, ein Jahr nach ihrer halsbrecherischen Fahrt durch eine dunkle Innenstadt, um ihre Tochter zu retten. Manchmal überlegte sie, ob Sinistra etwas damit zu tun gehabt hatte, war aber eigentlich überzeugt, dass dem nicht so war. Die Polizei hatte jedenfalls keine Fremdeinwirkung feststellen können. Es war mitten im Winter gewesen, die Fahrbahn war vereist und es war bereits dunkel. Wahrscheinlich hatte ihre Mutter sich einfach beeilt, wieder nach Hause zu kommen, seit ihrem Selbstmordversuch ließ sie Lilly nicht mehr gern allein, da war sie wohl von der Schnellstraße abgekommen und frontal in eine Laterne gekracht.
Außerdem schien Sinistra nicht die Art Frau zu sein, die kaltblütig jemanden umbrachte. Sicher, sie war ein verabscheuungswürdiges Miststück, dass keine Rücksicht in menschlichen Belangen zeigte, trotzdem machte sie auf Lilly nicht den Eindruck einer Mörderin, zumal sie es gar nicht nötig hatte, so weit zu gehen, um ihre Ziele zu erreichen. Sie hatte gar keinen Grund, ihre Mutter aus dem Weg zu räumen, das hätte ihr rein gar nichts eingebracht, aber selbst wenn es einen gegeben hätte, wäre es der Mühe nicht wert gewesen. Was auch immer sie wollte, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte sie kein menschliches Wesen davon abhalten, das konnte Lilly aus eigener Erfahrung mit absoluter Sicherheit sagen.
Die einzige nahe Verwandte, die ihr blieb, war eine alleinstehende Tante in Frankreich, die sich jedoch nicht in der Lage sah, sich um ein Kind kümmern zu können. Insgeheim war Lilly fast froh darüber. Sie hatte diese Tante noch nie getroffen, und war auch noch nie in Frankreich gewesen. Sie konnte sich nicht vorstellen, bei einer Frau einzuziehen, die sie gar nicht kannte, und dort in einem fremden Land zur Schule zu gehen. Zwar sprach sie fließend Französisch, aber sie war sich nicht sicher, ob ihre Fähigkeiten ausreichten, am Unterricht teilzunehmen. In Absprache mit Lilly kamen die Tante und das Jugendamt schließlich überein, dass es unverantwortlich wäre, sie in dieser Phase der Trauer aus ihrer vertrauten Umgebung herauszureißen und zu einer weit entfernten Verwandten zu schicken, also riss man sie aus ihrer vertrauten Umgebung und schickte sie auf ein weit entferntes Internat. Das hätte Lilly sehr viel mehr ausgemacht, wenn sie ihre vertraute Umgebung noch mit etwas anderem als dem Schrecken ihrer Vergangenheit und dem Tod ihrer Mutter in Verbindung gebracht hätte, doch so wie die Dinge standen, war sie zufrieden mit dieser Entscheidung.
Ab und zu telefonierte sie mit ihrer Tante, hatte aber sonst nicht viel mit ihr zu tun. Lilly hatte sie immer noch nicht getroffen, da sie nicht einmal in den Ferien die Zeit fand, sie bei sich aufzunehmen; sie kam nur für ihren Aufenthalt im Internat auf und ließ ihr ein monatliches Taschengeld zukommen – wofür Lilly ihr sehr dankbar war. Wie sie erfahren hatte, war diese Tante Archäologin; sie verdiente also recht gut, hätte aber bei ihrem Lebensstil, bei dem sie immer wieder für mehrere Monate zu Ausgrabungsstätten in aller Welt reisen musste, wirklich Schwierigkeiten gehabt, sich ausreichend um sie zu sorgen. Das machte die gelegentlichen Telefonate mit ihr dafür umso spannender. Sie war sehr nett und konnte stets Geschichten von den exotischten Gegenden erzählen.
Mit all diesen Gedanken im Kopf fuhr Lisa nun fort, Lillys Handgelenke zu küssen. Zärtlich ließ sie ihre Lippen über die Narben darauf hinweggleiten; sie waren wie Stigmata, die jedes Unrecht symbolisierten, das ihrer Freundin je widerfahren war, und mit dieser Geste, so unzulänglich sie auch war, hoffte sie, wenigstens einen kleinen Teil davon wiedergutmachen zu können. Natürlich konnte sie nichts ungeschehen machen, doch würde es möglicherweise den Schmerz ein wenig lindern, auch wenn er niemals ganz verging. Er verzog sich höchstens wie ein Raubtier in seine Höhle, nur um sofort wieder über einen herzufallen, wenn man unachtsam wurde. So war es nicht mehr als eine Kompensation, das Pusten einer Mutter auf die Blessur eines Kindes, das hingefallen war, aber auch das verfehlte immerhin nicht seine Wirkung. Dabei ging es weniger darum, ein negatives Gefühl abzustellen, sondern mit etwas Positivem zu überlagern – der Zuneigung, die einem entgegengebracht wurde, der Gemeinschaft, die einen umgab – und genau diesen Ansatz verfolgte Lisa. Sie konnte den Schatten der Untaten, denen sie ausgeliefert gewesen war, nicht von ihr nehmen, das war etwas, mit dem sie beide zu leben lernen mussten, doch konnte sie ihr die grenzenlose Liebe zeigen, die sie für sie empfand. Die würde schließlich ebenso wenig schwinden. Sie liebte Lilly einfach über alles, egal welche Narben ihre Haut oder ihre Psyche zierten, und vielleicht half es ihr zu wissen, dass sie in ihrer Qual nicht allein war.
So zumindest war es immer für sie, wenn Lilly ihre Narbe streichelte, was recht häufig vorkam. Es war die einzige, die sie besaß, und das auch erst seit ein paar Monaten, doch da sie fast ihre gesamte linke Gesäßhälfte einnahm, war es unvermeidlich, dass Lillys Hände hin und wieder über sie hinwegstrichen. Sie schien ihren Hintern zu mögen; sie umfasste ihn oft, wenn sie sich küssten, grub ihre Finger in die Wangen oder führte sie sanft an ihnen auf und ab. Auch diese Narbe hatte Sinistra zu verantworten, und es war eine unbestreitbare Erleichterung zu spüren, wie Lilly sie dort berührte, als würde die sich langsam schließende Wunde so noch schneller verwachsen. Es kitzelte immer ein wenig, aber das gehörte wohl zum Heilungsprozess dazu. Wo man schon einmal verletzt worden war – ob am Herzen, in der Seele oder am Fleisch – war man zwangsläufig empfindlicher. Zuweilen kribbelte es sogar ganz ohne Anlass. Sie hatte schon gehört, dass alte Menschen von sich behaupteten, daran ablesen zu können, wie das Wetter am nächsten Tag würde, doch Lisa hatte noch keine solche Gesetzmäßigkeit bemerkt. Ihr war nur aufgefallen, wie beruhigend es war, zu beobachten, wie die tiefen Kratzer auf ihrer Hinterbacke von Tag zu Tag schwächer wurden, wie das zerfetzte Gewebe wieder zusammenfand, erst rote Linie bildend und dann weiße, die immer weiter verblassten. Einerseits wurde dadurch deutlich, wie lange dieses grauenvolle Ereignis bereits zurücklag, bei dem sie ihr zugefügt wurden, vor allem aber zeigte es, dass letztlich jede Wunde wieder heilte, so unmöglich es einem im ersten Moment auch vorkommen mochte, und Lillys wohltuende Berührung war wie eine Bestätigung dessen.
Eigentlich war es komisch, dass sie sich nicht schon zuvor die eine oder andere Narbe eingehandelt hatte. Lisa war nie besonders zurückhaltend gewesen. Sie brauchte einfach immer etwas, womit sie sich beschäftigen konnte, und wenn es das nicht gab, suchte sie sich eben etwas. Wenn man nachsichtig war, hätte man sie also als lebhaft bezeichnen können, doch zumeist bekam sie zu hören, sie sei ungeduldig, unbeherrscht und übermütig. Sie war mit Vorliebe auf Bäume geklettert, und wenn ihr das langweilig wurde, hatte sie ausprobiert, von welchem Ast sie springen konnte, ohne sich wehzutun. Eine Freundin von ihr war Skateboard gefahren, und als sie einmal mitgekommen war, war sie ohne Vorkenntnisse gleich die Halfpipe hinuntergerauscht. Selbstverständlich war sie gestürzt, aber das hatte sie nicht davon abgehalten, es sofort noch einmal zu versuchen. Wenn es eine Mutprobe zu bestreiten galt, war sie immer die erste gewesen, die sich freiwillig gemeldet hatte, und in der Grundschule hatte sie sich mit einem Jungen angelegt, der einen Kopf größer gewesen war als sie, weil er behauptet hatte, Mädchen könnten nicht richtig zuschlagen. Es war eine Rauferei hinausgelaufen, und die hatte sie gewonnen.
Dennoch hatte nichts davon bleibende Spuren an ihr hinterlassen, das hatte erst Sinistra fertiggebracht. Zunächst hatte sie das erst für eine weitere ihrer beiläufigen Grausamkeiten gehalten – Lisa hatte sie erst an diesem Nachmittag kennengelernt, aber schnell festgestellt, dass ihr ganzes Benehmen von einer Art jovialem Zynismus geprägt war – doch hatte Lilly ihr erklärt, dass mehr dahintersteckte. Mit ihren dämonischen Kräften hatte es für Sinistra kein Problem dargestellt zu erfahren, dass ihre Tochter demnächst dieses Internat besuchen sollte. Sie konnte mit den Schatten verschmelzen, was ihr erlaubte, jedes Gespräch mitanzuhören, das sie wollte. Sie hatte sich dann als neue Direktorin hier eingeschlichen, noch bevor Lilly angekommen war, und bald schon begann der Alptraum von Neuem. Nachdem Lilly ein Jahr lang von ihr verschont geblieben war, und sie schon gehofft hatte, sie nie wiedersehen zu müssen, waren plötzlich ihre schlimmsten Ängste wahr geworden.
Doch hätte sie wohl sogar das über sich ergehen lassen, wenn nicht auch noch Lisa in diese Hölle mit hineingezogen worden wäre, die Lillys Leben ausmachte. Da sie sich in ihren ersten Tagen an dem Internat so sicher gefühlt hatte, war etwas geschehen, womit sie nie gerechnet hätte: sie hatte sich verliebt. Damit war sie verletzlich geworden, und das nutzte Sinistra gnadenlos aus. Als ihre große Liebe in Gefahr war, konnte Lilly nicht mehr die Flucht in den Tod wählen, sie musste kämpfen, um Lisa zu retten. Mit einem Mal durchströmte sie eine Kraft, von der sie nie etwas geahnt hatte; zum ersten Mal in ihrem Leben ging ihr auf, dass sie als Halbdämonin ebenfalls übermenschliche Kräfte hatte und wie sich herausstellte, war genau das der Plan gewesen, den Sinistra all die Jahre über verfolgt hatte.
Als sie herausgefunden hatte, dass ihre Tochter die größte Macht besaß, die sie je bei einer Dämonin gespürt hatte, entschied sie sich, sie zu ihrer Nachfolgerin zu machen. Dazu musste Lilly aber erst einmal erkennen, welches Geschenk die Natur ihrer Existenz tatsächlich war, sie musste sie annehmen und akzeptieren, und indem Sinistra sich an Lisa heranmachte, wähnte sie sich schon am Ziel ihrer Machenschaften. Mit ihr hatte sie endlich ein Druckmittel in der Hand, um sie auf ihre Seite zu ziehen, doch erwies sich das als Fehlschluss. Sobald Lilly sah, was sie ihrer Freundin angetan hatte, brach ihre Kraft förmlich aus ihr hervor. Unkontrollierbar schoss eine Lanze der Schattenenergie aus ihr heraus, durchbohrte Sinistra und bereitete ihrem Treiben ein vorläufiges Ende.
Nur war das nicht ihr Tod. Zu den Dingen, die Lillys Mutter in Erfahrung gebracht und an sie weitergegeben hatte, gehörte auch, dass Dämoninnen nicht außerhalb ihrer eigenen Welt sterben konnten. Wurden sie hier tödlich verletzt, konnten sie nur ihre Gestalt nicht länger aufrecht erhalten und wurden zurück in ihre Welt, den Limbus, gezogen. Dort waren sie dann solange gefangen, bis ihre Kraft sich regeneriert hatte, was ein paar Monate in Anspruch nahm. Sinistra musste sich nun bald wieder erholt haben. Kurz nach den Sommerferien war sie schon wieder hier aufgetaucht, um mit Emilia, ihrer anderen Tochter, Kontakt aufzunehmen. Dabei war sie zwar wieder in den Limbus geschleudert worden, allerdings lag das inzwischen genauso lang zurück wie nach ihrem vorigen unfreiwilligen Verlassen dieser Welt.
Es konnte also jederzeit wieder soweit sein, dass Sinistra sich wieder blicken ließ, doch das war es nicht, was Lilly Sorgen bereitete. Sie hatte ihre Kräfte mittlerweile ziemlich gut im Griff; sollte Sinistra ihnen wirklich noch einmal zu nahe kommen, würde sie schon mit ihr fertig werden. Einen Punkt gab es jedoch, der ihr zu schaffen machte: das Zeichen, das Sinistra in Lisas Hintern eingeritzt hatte und das noch immer verhängnisvoll wie ein Omen bevorstehenden Unglücks dort prangte. Die Bedeutung dieses Symbols zählte auch zu den Lehren, die sie von ihrer Mutter erhalten hatte. Es war eine Art Fluch; wer diese Markierung am Körper trug, war als Opfer für Unomnia, den Gott der Dämonen, bestimmt. Irgendwann, ohne dass sich sagen ließe zu welchem Zeitpunkt genau, würde dieser Gott herabsteigen und sein Opfer einfordern, daran bestand kein Zweifel. Das Erschreckende an diesem Ritual – das, was ihr Inneres vor Angst um ihre Geliebte zu Eis erstarren ließ – war, dass es immer gelang.
Wie es aussah, war die Mythologie des Limbus wenig komplex, aber dafür erstaunlich frei von Ungewissheiten. Unomnia war die einzige Gottheit, die sie verehrten, ein Wesen, dessen Alter ebenso unermesslich war wie seine Macht. Es sollte schon vor Entstehen der Universen geboren worden sein als Zusammenschluss von freischwebenden Energien und sie alle nur Kraft seines Willens auslöschen können. Lilly war sich nicht sicher, ob es wirklich die Geschicke der Welten lenkte, wie seine Apostel behaupteten, doch war sein Dasein nicht zu bestreiten. Es konnte Jahre dauern, bis es kam, um seine Opfergabe in Empfang zu nehmen, aber geschehen würde es in jedem Fall. Es war ein anerkannter Brauch im Limbus und Unomnia war schon zu oft inmitten der Schar seiner Gläubigen aufgetaucht, um diese Weihung zu vollziehen, als dass man das leugnen könnte.
Uneinigkeit herrschte nur darüber, wie es seinen Opfergaben im Weiteren erging. Es erschien einfach ohne Vorankündigung und verschwand ebenso spurlos wieder, mit sich nehmend, was ihm zustand. Es gab verschiedene Ansichten darüber, was das zu bedeuten hatte. Die meisten sahen darin den Tod des betreffenden, andere waren der Meinung, dass man damit in Unomnias Reich geführt würde, einen Ort, den man nur erreichen konnte, wenn man seine Gunst erlangte, und an dem einen die Erlösung erwartete. Dort wäre man von allen Zwängen befreit und man könnte in völliger Glückseligkeit leben. Sicher war aber nur, dass sie mit ihm gingen und danach nie wieder gesehen wurden. In dieser Hinsicht war Unomnia also tatsächlich göttlich: seine Wege waren offenbar unergründlich und seine Anhänger versprachen einem nicht weniger als die vollkommene Erfüllung.
Als Lilly nun durch das Küssen ihrer Narben an den Handgelenken daran erinnert wurde, welche Schuld sie auf sich geladen hatte, traten ihr unwillkürlich Tränen in die Augen. Ihretwegen war Lisa mit diesem Mal behaftet, das von ihrer unabwendbaren Verdammnis zeugte. Wenn sie nicht gewesen wäre, wäre nichts von alledem jemals passiert, oder zumindest hätte sie besser aufpassen müssen. Sie hätte etwas unternehmen müssen, sie hätte Sinistra irgendwie aufhalten müssen, bevor es so weit gekommen war. Sie würde sich niemals verzeihen können, dass sie Lisa damals so im Stich gelassen hatte, doch von nun an würde sie nie wieder zulassen, dass ihr irgendein Leid geschah. Sie war jetzt nicht mehr wehrlos und sie würde alles tun, um Lisa zu beschützen. Unomnia mochte ein Gott sein oder auch nicht, Lilly würde sie ihr jedenfalls unter keinen Umständen kampflos überlassen.
Doch so sehr es ihr auch widerstrebte, diese Möglichkeit überhaupt in Betracht zu ziehen, befürchtete sie insgeheim, dass ihre Gegenwehr nutzlos bleiben würde. Sie wusste, dass sich schon viele Dämoninnen Unomnia entgegengestellt hatten. Nur die wenigsten der potenziellen Opferungen hatten sich freiwillig für diese Aufgabe gemeldet, was wohl auch verständlich war. Da unterschied sich der Limbus nicht von anderen Welten: wenn man selbst zum Opfer auserwählt worden war, verlor dieses Konzept rapide an Reiz. Allerdings hatte keines von ihnen Erfolg gehabt. Egal wie stark die Dämonin war und wie viele Gefolgsleute sie um sich hatte, bisher war noch niemand seiner Bestimmung entgangen.
Dennoch würde Lilly niemals aufgeben. Ganz im Gegensatz zu Lisa hatte sie früher nie geglaubt, dass sich alles zum Guten wenden würde. Ihr Leben war ihr immer wie eine nicht enden wollende Abfolge von Verzweiflung und Grauen vorgekommen, und das nicht erst, seit Sinistra ein Teil davon geworden war. Sie hatte sich nie irgendwo zugehörig gefühlt, außer bei ihrer Mutter. Bis zu einem gewissen Grad war das wohl auf ihre Erziehung zurückzuführen. Ihr war von klein auf beigebracht worden, dass sie nicht wie andere Kinder war, und dass sie sich immer vor allen anderen in Acht nehmen musste. Da Dämonen sich äußerlich – bis auf die kleine Anomalie zwischen den Beinen – nicht von Menschen unterschieden, sollte sie ihnen immer mit Vorsicht begegnen.
Zum anderen war sie ohnehin nie beliebt gewesen. Anscheinend hatten ihre Klassenkameraden sie als so sonderbar wahrgenommen, wie sie sich selbst gefühlt hatte. Kaum jemand wollte etwas mit ihr zu tun haben und von den wenigen Bekanntschaften, die sie unterhielt, stand ihr niemand besonders nahe. Sie hatte schlicht keine Freunde gehabt, und das hatte ihr nicht einmal viel ausgemacht. Nachdem Sinistra angefangen hatte, sich an ihr zu vergehen, hatte jede Art von Nähe sowieso ihren Widerwillen hervorgerufen, außerdem hatte sie Trost in der Subkultur des Gothics gefunden. Zwar stammte Lilly ebenfalls aus einer eher kleinen Stadt, sodass sie niemanden persönlich kannte, der dieses Interesse geteilt hätte, doch hatten sie das ganze Auftreten und die hinreißende Musik vom ersten Augenblick an wie magisch angezogen. Ohne wirklich jemanden von ihnen zu treffen, fühlte sie sich in dieser Gemeinschaft selbstgewählter Außenseiter angekommen, und sie wusste, dass sie dorthin gehörte. Von da an hatte sie nur noch Schwarz getragen, hatte den Stil dieser Bewegung übernommen und sich von der Musik verzaubern lassen. Diese sphärischen Klänge, die Trauer, Schmerz und das Verlorensein besangen, boten ihr einen seltsamen Hoffnungsschimmer in der Dunkelheit der Welt. Indem Lilly darin ihr eigenes Leid widergespiegelt fand, überkam sie eine bis dahin ungekannte Genugtuung, als wäre alles nicht so schlimm, als könnte alles wieder gut werden, wenn sie nur durchhielt.
Im Nachhinein wurde ihr klar, woran das gelegen hatte: es war das Gefühl ,nicht alleine zu sein. Wenn sie hörte, wie andere über Probleme sangen, die sie selbst nur allzu gut kannte, konnte das nur heißen, dass es noch andere gab wie sie, Menschen, die dasselbe durchmachten, die dieselben Ängste und dieselbe Scham erlitten hatten. Das erkannte sie aber erst, als sie Lisa kennengelernt hatte. In ihr hatten sich alle ihre Sehnsüchte erfüllt, mehr als sie sich je zu träumen gewagt hätte. In ihren Armen war sie endlich wieder glücklich und sah mit Zuversicht in die Zukunft. Deshalb schwor Lilly sich, sie immer zu verteidigen. Nichts sollte ihr jemals etwas anhaben können, nicht einmal ein vermeintlicher Gott. Lisa hatte sie aus ihrem Elend gerettet, und nun würde Lilly sie retten, was auch immer geschehen mochte.
So hingen sie beide eine Zeit lang mit gleichermaßen tränennassem Blick ihren Gedanken über ihre Liebe und den Widrigkeiten nach, die sich ihnen stellten, bis Lilly den Druck der Sünde, die auf ihr lastete, nicht länger aushielt. »Es tut mir leid«, sagte sie leise und doch voller Eindringlichkeit.
Verwirrt hielt Lisa darin inne ihre Narben zu küssen und blickte zu ihr auf. »Was meinst du? Was tut dir leid?«
»Na ja …«, brachte Lilly leise hervor und musste erst einmal schlucken, bevor sie fortfahren konnte. »Dass ich nicht für dich da war. Dass ich zugelassen hab, dass du jetzt dieses Zeichen hast.«
»Du hast es nicht zugelassen«, stellte Lisa richtig. Das war eine Diskussion, die sie schon des öfteren geführt hatten und die letztendlich doch keinen Sinn hatte. Sie wusste, dass Lilly sich die Schuld an diesem Vorfall gab, und bisher hatte keines ihrer Gegenargumente etwas ausrichten können. Lisa schien das schlechte Gewissen ihrer Freundin nur kurz beruhigen zu können, früher oder später flammte es unweigerlich wieder auf. »Du hattest keine Wahl. Es ist alles Sinistras Schuld. Sie hat dich und mich nur benutzt, so wie sie jeden nur als Werkzeug ansieht, um das zu bekommen, was sie will.«
Für Lisa war damit alles gesagt. Sie hatte keine Ahnung, wie es weitergehen würde, wenn Unomnia kam, um sie zu holen, aber sie wollte die Zeit bis dahin auch nicht damit verbringen, sich vor diesem Augenblick zu fürchten. Niemand wusste, ob sie einem wirklich den Tod brachte, und selbst wenn machte es doch keinen Unterschied. Es wusste schließlich niemand, wann er sterben würde, und was danach kam, war ebenso unklar wie in ihrem Fall. So oder so, sie hatte schon lange beschlossen, dass der Tod etwas war, worum sie sich erst Sorgen machte, wenn es so weit war. Alles andere erschien ihr unvernünftig. Warum sollte sie sich den Kopf über etwas zerbrechen, auf das sie keinen Einfluss hatte? Da beschäftige sie sich doch lieber mit etwas, das mehr Spaß machte, zum Beispiel sich so eng wie möglich nach einem umfassenden Orgasmus an ihre Liebste zu klammern, so wie sie es gerade tat.
Sie wollte sich schon wieder daran machen, ihre Handgelenke weiter zu küssen, doch erstarrte sie unvermittelt. Das Gerede über eine mögliche Verdammnis und den Tod hallte noch in ihr nach, und als sie nun die Narbe erblickte, kam ihr ein Gedanke, den sie nicht mehr abschütteln konnte: »Sag mal … wenn du als Halbdämonin in dieser Welt stirbst, stirbst du dann richtig, oder landest du nur im Limbus, wie die Dämonen?«
Auf einmal war auch Lilly wie versteinert. Es kam ihr vor, als hätte sie nicht einen Finger bewegen können, selbst wenn ihr Leben davon abhing. Das war eine Frage, die ihr noch nie in den Sinn gekommen war. Zwar hatte sie eine Zeit lang ständig über den Tod nachgedacht, aber diese Möglichkeit hatte sie dabei nie auch nur in Betracht gezogen. Mit einem Entsetzen, das wie eine Explosion durch ihren gesamten Körper jagte, starrte sie auf die Narben an ihren Handgelenken herab. Daran hätte sie schon viel früher denken sollen. Was wäre gewesen, wenn ihr Selbstmordversuch geglückt wäre? Wäre sie dann im Limbus gelandet? Hieß es nicht ohnehin, dass alle Selbstmörder dorthin verbannt würden? Andererseits hatte Lilly schon erfahren müssen, dass keine der ihr bekannten Religionen in Bezug auf Dämonen sonderlich akkurat war, also hielt sie das zumindest für äußerst zweifelhaft.
Doch Lisa hatte recht: wie sah es mit Halbdämoninnen aus? Zwar war sie in dieser Welt geboren worden, doch trug sie die Gene einer Dämonin in sich, inwiefern hatte das Einfluss auf sie? Könnte das sogar Sinistras Plan gewesen sein? Hatte sie Lilly in den Selbstmord treiben wollen, um sich dort in aller Ruhe um sie kümmern zu können? Dort hätte sie sie ganz für sich gehabt, sie hätte mit ihr tun können, was sie wollte, sie zu ihrer Thronerbin erklären, wie sie gesagt hatte, oder sie weiterhin ohne jedes Anzeichen von Reue regelmäßig vergewaltigen. Wahrscheinlich schloss sich das in ihren Begriffen nicht einmal aus.
»Ich … ich weiß nich’ …«, murmelte sie gedankenversunken vor sich hin.
Sie sah so verstört aus, dass Lisa es sofort bereute, ihr diese Frage gestellt zu haben. Dabei war es doch von vorneherein klar gewesen, dass sie die Antwort nicht wissen würde. Sie war einfach unachtsam gewesen und hatte Lilly damit versehentlich verletzt. »Tut mir leid, ich wollte dir nicht wehtun«, sagte sie, bevor der Ausdruck des Bedauerns in ihrem Gesicht erstaunlich schnell einem anzüglichen Grinsen wich. »Allerdings fällt mir da etwas ein, das dich sicher aufheitern wird.«
Langsam ließ sie ihre Hand tiefer sinken, auf Lillys Schritt zu, doch zuckte sie augenblicklich zurück, als sie die Reaktion ihrer Freundin bemerkte. Sie war noch bleicher als sonst – was an ein Wunder grenzte, wenn man bedachte, dass schon ihr üblicher Teint etwas von einem Betttuch an sich hatte – und sie hatte sich vollkommen verkrampft, als wäre ihr soeben ein eiskalter Schauder über den Rücken gelaufen. Trotzdem sah Lisa sie nicht erschrocken an, sondern mit nichts als Verständnis. Sie glaubte zu wissen, was mit Lilly los war, ging es ihr doch manchmal ganz ähnlich.
»Oh, falscher Zeitpunkt?«, fragte sie sanft. »Hast du wieder Flashbacks?«
»Das ist es nicht«, presste Lilly zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Es ist Sinistra. Sie ist hier.«
Nun kam sich auch Lisa vor, als würde ein elektrischer Strom durch sie fließen, der sie lähmte. »Sinistra? Bist du sicher?«
Lilly nickte mit der knappen Effizienz einer zum Tode Verurteilten, die gefragt wurde, ob sie bereit für ihre Hinrichtung war. »Ich kann sie spüren.«
»Wo ist sie? Hier im Zimmer?« Unwillkürlich hob Lisa bei diesem Gedanken die Decke, um dahinter ihre Blöße zu verdecken.
»Nein. Draußen. Im Garten.« Alles in ihr widerstrebte sich, ihrem Befehl Folge zu leisten, sich zu erheben; ihre Muskeln fühlten sich an, als wären sie so straff gespannt, dass sie zerreißen mussten und auch ihr Geist schien der festen Überzeugung zu sein, es sei das Beste, einfach liegenzubleiben und Sinistra gewähren zu lassen, so wie sie es früher immer getan hatte. Sie hatte immerhin in einem langanhaltenden, beschämenden Prozess gelernt, dass es noch mehr Schmerzen bedeutete, sich ihr zu widersetzen. Dieses Denken hatte sich so unauslöschlich in Lilly hineingebrannt, dass sie es kaum niederringen konnte, dennoch gab es eine leise Stimme in ihrem Bewusstsein, die ihr zuflüsterte, dass das nicht richtig war, und entgegen aller Erwartung setzte sie sich durch. Es ging eben nicht mehr nur um Lilly allein, sie hatte versprochen, Lisa immer zur Seite zu stehen, und egal aus welchem Grund Sinistra hier war, es betraf ohne Zweifel sie beide.
Die Sorge um Lisa schaffte es schließlich, diesen Zustand der Lethargie zu durchbrechen, in dem sie gefangen war. Mit noch immer vor Furcht steifen Gliedern stieg sie aus dem Bett und begann, ihre Kleider vom Boden aufzusammeln, wo sie sie im Taumel ihrer aufsteigenden Leidenschaft fallengelassen hatten.
Lisa stützte sich währenddessen auf die Ellenbogen und sah ihr dabei zu, wie sie sich anzog. »Du willst zu ihr gehen, oder nicht?«
Wieder zeigte Lilly ihr fatalistisches Nicken. »Ich muss. Sie wird wohl irgendwas vorhaben, sonst würde sie nicht das Risiko eingehen, hier einfach so aufzutauchen, und wir sollten uns wenigstens anhören, was sie zu sagen hat.«
»Dann komm ich mit«, sagte Lisa und schlug die Decke zurück, unter die sie sich vorhin verkrochen hatte. Sie hatte nicht das geringste Bedürfnis, der Frau in die Augen zu sehen, die sie vergewaltigt hatte, und ebenso wenig wollte sie hören, weshalb sie hergekommen war. Es gab keine Rechtfertigung für das, was sie getan hatte, und eine Entschuldigung aus ihrem Mund war nichts wert.
Doch lehnte Lilly das ohnehin entschieden ab. Zwar glaubte sie nicht wirklich, dass Sinistra ihnen unter freiem Himmel etwas antun würde, wo sie zumindest theoretisch jederzeit entdeckt werden konnten, trotzdem war es ihr lieber, Lisa hier in Sicherheit zu wissen, wenn sie diesem Geist aus ihrer Vergangenheit gegenübertrat.
»Nein, du bleibst hier. Wir haben keine Ahnung, worauf sie aus ist. Vielleicht solltest du erst mal hier bleiben, ich ruf dich dann, wenn es etwas wichtiges ist.«
»Oder ich gehe und rufe dich, wenn es interessant wird«, gab Lisa möglichst sarkastisch zurück. Sie wusste ja, dass Lilly es nur gut meinte, aber sie konnte es einfach nicht ausstehen, bevormundet zu werden. Wäre Lilly ein Junge gewesen, hätte sie ihr jetzt einen Vortrag über die gewaltigen Fortschritte im Bereich der Emanzipation gehalten, und wären sie nicht so rückhaltlos verliebt ineinander gewesen, hätte sie auch überlegt, ihr noch einmal in die Eier zu treten. Allerdings musste sie sich eingestehen, musste sie sich eingestehen, dass Lilly nicht ganz unrecht hatte. Im Gengensatz zu ihr hätte sie einer Dämonin tatsächlich etwas entgegenzusetzen. Doch wie dem auch war, sie konnte Lilly am Gesicht ablesen, dass sie in dieser Angelegenheit keinen Spaß verstand. Ihr Entschluss stand offenbar fest, und wenn sie keine Zeit mit einem Streit vergeuden wollte, der nirgendwo hinführte, musste sie sich ihm beugen.
»Na gut«, gab sie sich geschlagen, »dann geh du halt. Aber wehe dir passiert was! Dann kannst du dich auf was gefasst machen, wenn du zurückkommst!«
»Deshalb liebe ich dich so«, sagte Lilly gelassen, während sie zuletzt noch ihr Shirt glatt strich, »dein Charme ist einfach unwiderstehlich.«
»Ja, und ich liebe dich, weil du so ein völlig ironiefreies Wesen hast … und weil du einen echt süßen Hintern hast, natürlich.« Grazil verließ Lisa nun ebenfalls das Bett und kam so dicht an Lilly heran, bis ihre Gesichter nur noch eine Handbreit voneinander entfernt waren. »Aber jetzt mal im Ernst«, fügte sie leise hinzu, »bitte sei vorsichtig.«
»Ich verspreche es«, sagte Lilly andächtig. Sie beugte sich vor und hauchte Lisa einen Kuss auf die Lippen, so sachte wie der Flügelschlag eines Schmetterlings. Auf einmal überkam sie das Verlangen, sie an sich zu ziehen und bei ihr zu bleiben, aber bevor sie dem nachgeben konnte, wandte sie sich eilig ab. Dieser Kuss verleih ihr die Kraft, die sie braucht, um sich Sinistra zu stellen, doch ahnte sie, dass sie ebenso schnell wieder verfliegen würde, sollte sie noch länger bleiben, also ging sie ohne zu Zögern auf die Schatten in der Ecke des Zimmers zu und verschwand in ihnen.
~+~
Im selben Augenblick, in dem die Schatten des Zimmers sie verschlangen, trat sie aus denen heraus, die das Internat auf den Garten dahinter warf.
Eine Weile konnte sie nur blinzelnd dastehen, als ihre Augen, die noch an das Zweilicht in ihrem Zimmer gewöhnt waren, plötzlich von dem blendenden Schein dieses hellen Sommernachmittags erfüllt wurden. Sie hörte das Summen der Bienen, die von Blüte zu Blüte flogen, und sie roch den Duft des Grases und der Bäume, die hier überall standen, doch das Einzige, was sie sah, war ein grelles Weiß, als wäre unmittelbar vor ihr ein Blitz eingeschlagen. Erst nach und nach ließ das Stechen in ihren Augen nach und sie begann sich umzusehen.
Das Internat stand an einer Landstraße außerhalb eines kleinen Städtchens, sodass hier keine anderen Gebäude, welcher Art auch immer, zu sehen waren. Früher war es ein Herrenhaus gewesen, was schon auf den ersten Blick zu erkennen war: Es war ein riesiger altmodischer Bau, ganz in Weiß gestrichen, mit vielen Erkern und einigen kleinen Türmen. Es verfügte über drei Stockwerke, voller verwinkelter Gänge und unzähliger Zimmer, wobei ein paar Teile des Hauses – wie die Türme – sogar fünf Stockwerke besaßen. Irgendwann war es dann zu einem Internat ausgebaut worden, doch war seine ursprüngliche Nutzung noch immer unverkennbar. Das ganze Gelände war von einem hohen Zaun umgeben, eine mit Kies bestreute Auffahrt führte von der Straße zu dem Haus und bildete davor einen großen runden Platz, an den sich Parkbuchten anschlossen. Vor dem Tor gab es auch eine Bushaltestelle, allerdings lag das Städtchen so nahe, dass man auch dorthin laufen konnte, wenn man nichts gegen einen längeren Spaziergang einzuwenden hatte.
Hinter dem Internat erstreckte sich nun ein Bereich, der im Prinzip als Schulhof diente, doch da dieser Begriff ihm nicht gerecht wurde, wurde er von allen der hintere Garten genannt, um ihn von der ebenen Grünfläche mit den Blumenbeeten vor dem Haus und den Sportplätzen, wo auch die Turnhalle lag, an der linken Seite abzugrenzen. Dennoch war auch diese Bezeichnung kaum ausreichend, er hatte viel mehr Ähnlichkeit mit einem kleinen Schlosspark. Auch hier gab es mit Kies ausgelegte Wege, die von einigen sorgfältig gestutzten Bäumen und Büschen gesäumt wurden, in einem Winkel war sogar ein künstlicher Teich angelegt, um den herum Blumen in vielen verschiedenen Farben angepflanzt waren. Außerdem gab es Bänke, auf denen man sich ausruhen konnte, und auf einer von ihnen saß Sinistra.
Sie wirkte ganz entspannt, als verstehe es sich von selbst, dass sie hier war. Die Beine von sich gestreckt und die Hände im Schoß zusammengelegt betrachtete sie den Teich, in dem ein paar herabgefallene Blätter schwammen. Offenbar war ihre Kraft nun wieder vollkommen regeneriert; als Lilly ihr das letzte Mal begegnet war, hatte sie gewirkt wie ein halb fertiggestelltes Flickwerk menschlicher Anatomie mit bloßgelegten Organen und offenem Fleisch, geformt aus der Essenz der Finsternis, nun aber sah sie aus wie neugeboren, was in gewisser Weise wohl auch zutraf. Sie unterschied sich jedenfalls in nichts von ihrer vorigen Inkarnation als Direktorin dieser Schule, deren Dahinscheiden aus dieser Welt Lilly Zeuge gewesen war. Wären noch andere Schülerinnen anwesend gewesen, hätten sie wohl die vermisste Frau Ferria wiedererkannt, doch waren sie beide im Moment die einzigen im hinteren Garten. Es war noch früher Nachmittag, die meisten Schülerinnen des Richard-Wagner-Interants für Mädchen würden wohl erst später von ihren Eltern hergebracht werden, und die, die die Mitglieder des Freak-Clubs bereits eingetroffen waren, weil sie einen weiteren Weg zurückzulegen hatten, hatten anderes zu tun, als am Teich in der Sonne zu sitzen. Sie mussten sich in der Verwaltung zurückmelden, ihr Gepäck ausräumen und sich natürlich mit Freundinnen treffen, die sie seit zwei Wochen nicht gesehen hatten.
Doch wie man als unbeteiligter Zuschauer Sinistras Verschwinden und jetziges Dasein auch interpretieren mochte, ihre Erscheinung war zumindest diesem scheinbaren Anlass einer Wiederauferstehung angemessen. Gekleidet war sie in einen eleganten schwarzen Hosenanzug, ihr langes dunkles Haar umwehte sanft ihre in die Ferne blickenden Züge, in denen ein grimmiges Lächeln lag, und es war, als umgäbe sie eine ganz eigene Atmosphäre des Unwirklichen. Womöglich war es nur der Tatsache geschuldet, dass Lilly die Anderweltlichkeit dieser düsteren Gestalt auf der Bank bekannt war, aber ihr war, als strahle Sinistra etwas durch und durch Geheimnisvolles aus. Sie war wie eine Abstraktion in einem surrealistischen Gemälde: etwas, das man nicht deuten konnte, und das einen deshalb zutiefst beunruhigte. Sie hier zu erblicken, die Quelle allen Unheils in ihrem Leben, an einem so schönen Ort, ließ Lilly mit einer unbestimmten Vorahnung zurück, dass etwas Unheimliches, etwas unsagbar Erschütterndes geschehen würde.
Mit plötzlicher Entschlossenheit riss Lilly sich zusammen. Sie hatte sich schon vor langer Zeit geschworen, Sinistra gegenüber nie wieder eine Schwäche zu zeigen, das wäre ein Triumph über sie gewesen, den Lilly ihr keinesfalls zugestehen wollte, und so ging sie in aller Ruhe auf Sinistra zu. Der Teich befand sich in der entgegengesetzten Ecke des Gartens, sodass sie einige Zeit brauchte, um dorthin zu gelangen, besonders da sie den verschlungenen Pfaden folgte, die in ausladenden Windungen verliefen. Ihre Schritte waren gemächlich aber fest, ganz so als würde sie nur gemütlich vor sich hin schlendern, doch war ihre Beherrschung in Wahrheit mühsam erkämpft. In ihrem Inneren war sie ebenso aufgewühlt wie immer, wenn sie Sinistra begegnete, nur war es jetzt keine Angst mehr, die sie erfasst hatte, sondern eine grenzenlose Wut; Wut darüber, zu welchem Schicksal sie Lisa verdammt hatte, darüber wie rücksichtslos sie sich der Menschen bediente, um ihre Ziele zu erreichen, wie leichtfertig sie deren Leid in Kauf nahm.
Trotzdem blieb dieser Zorn unterschwellig und je näher sie Sinistra kam, kühlte er immer weiter ab. Sie würde ihr niemals verzeihen können, und sie sah auch überhaupt keine Veranlassung dazu, aber sie würde darüber hinwegkommen. Nichts, was Sinistra tat, könnte sie unterkriegen, sie würde mit allem fertig werden, was sie aufzubieten hatte, allein weil sie wusste, dass sie danach zu Lisa zurückkehren würde, dem Mädchen, das sie über alles liebte.
Ein ganzes Stück von der Bank entfernt blieb sie schließlich stehen. Es war, als könne sie schlicht nicht weitergehen, als hätte Sinistra ein Kraftfeld um sich herum aufgebaut, das sie nicht durchbrechen konnte, aber sie spürte, dass das nicht der Fall war. Was sie davon abhielt, ihr noch näher zu kommen, war keine fremde Macht, es war ihr eigener Widerwille. Sinistra hatte ihr immer wieder und auf so viele verschiedene Arten wehgetan, in physischer wie in psychischer Hinsicht, dass Lilly sich fast schon körperlich von ihr abgestoßen fühlte. Es kam ihr vor, als würden ihre Muskeln sich weigern, sie zu der Person zu tragen, die ihr diesen unermesslichen Schmerz bereitet hatte, und das erschien ihr durchaus vernünftig. Zwar vermutete sie keine neuerlichen Übergriffe, doch was hätte sie von ihr anderes erwarten sollen als noch mehr Schmerz? Denn auch wenn die Wunden, die sie durch sie bereits erlitten hatte, inzwischen weitestgehend verheilt waren, konnten Narben aufbrechen, wenn man sie zu früh wieder belastete.
»Was willst du hier?«, fragte Lilly mit einer Stimme, die zu ihrer Haltung passte: eher teilnahmslos als abweisend und ohne im mindesten zu schwanken.
Sinistra hatte sich nicht bewegt, als Lilly auf sie zu gegangen war, und sie bewegte sich auch jetzt noch nicht. Sie blickte einfach weiter auf die silbrig schimmernde Oberfläche des Wassers, ohne sich ihr zuzuwenden. Da die Bank parallel am Rand des Weges stand und Lilly ein paar Schritte von ihr entfernt stehengeblieben war, konnte sie nur Sinistras Profil sehen, doch auch so war zu erkennen, dass ihre Miene nun einen Ausdruck pervertierter Fürsorge annahm.
»Oh, darf denn eine Mutter ihre Tochter nicht einmal besuchen, um zu sehen, wie es ihr geht?«
Dagegen hätte natürlich nichts gesprochen, wenn Sinistra wirklich nur eine liebende Mutter gewesen wäre, doch wusste Lilly allzu gut, dass sie alles andere als das war. Sie war vielmehr die Gebieterin über eine Welt, die befürchtete, dass eine abtrünnige Thronerbin gegen sie intrigieren könnte.
»Aha«, sagte Lilly, weiterhin den Schein eines mehr oder weniger unverfänglichen Gesprächs wahrend, »jetzt, da Emilia dir nicht mehr Bericht erstattet, musst du dich selbst davon überzeugen, dass wir … keine Dummheiten machen, ja?«
»Aber nein«, sagte Sinistra unbeschwert, als wäre die Möglichkeit einer Rebellion ihrer Töchter völlig ohne Bedeutung für sie. »Genau genommen wollte ich nur mal sehen, ob du nicht inzwischen Vernunft angenommen hast.«
»Hm-hm. Und damit meinst du, dass ich genau deine Meinung als richtig anerkannt habe, oder?« Darin unterschieden sich Dämoninnen nicht von den Menschen, wie Lilly festgestellt hatte: für die meisten konnte es nur eine Wahrheit geben, und zwar die, die man selbst vertrat. In Sinistras Fall bedeutete das, dass die Menschheit eine Spezies war, die der ihren hoffnungslos unterlegen war. Immerhin umfasste ihre Lebensspanne höchstens einen Bruchteil der einer Dämonin und sie konnten sich deren Kräften niemals erwehren, was sie auch versuchen sollten. Sinistra nahm sie nur als drollige aber seltsam vernunftbegabte Tiere wahr, wie Affen in einem Zoo. Man konnte seinen Spaß mit ihnen haben, wenn man nachsichtig mit ihren offensichtlichen Unzulänglichkeiten umging, doch waren sie eben nicht mehr als ein netter Zeitvertreib. Außerdem beinhaltete sie, dass Lilly ihre Thronfolge antreten sollte. Denn wer wäre schon besser dafür geeignet als ihre direkte Nachkommin, dieses Mädchen, das eine Macht besaß, wie sie sie nie zuvor verspürt hatte?
Das alles war Lilly bewusst. Sie wusste, dass Sinistra es gewohnt war, das zu bekommen, was sie wollte, und sei es der Tod einer ihrer Untergebenen, doch würde sie allmählich lernen müssen, dass sie nicht über sie bestimmen konnte, nur weil sie sie gezeugt hatte. Niemand konnte das. Sie war ein fühlendes, denkendes Wesen, sie hatte ihre eigenen Ansichten, ihre eigene Moral und ihre eigene Vorstellung davon, wie ihr Leben aussehen sollte. Niemand hatte das Recht, ihr das abzustreiten.
Für Sinistra hingegen war diese Haltung nichts weiter als die Aufsässigkeit eines ungehorsamen Kindes. Sie konnte einfach nicht verstehen, warum Lilly sich so dagegen sträubte, ihren Platz an ihrer Seite einzunehmen. Nun wandte sie sich ihr zu, und ein Funken Verärgerung glomm in ihren sonst so achtlos blickenden Augen.
»Es wäre doch zu deinem eigenen Besten«, behauptete sie. »Du würdest über eine Welt herrschen und solange du im Limbus bleibst, würdest du auch genau so lang leben wie eine Dämonin.«
»Daran hab ich kein Interesse«, sagte Lilly emotionslos. Zwar stimmte das, ihr war wirklich nicht daran gelegen, als Königin zu regieren oder ihr Leben zu verlängern, trotzdem war das nicht die volle Wahrheit. Es gab noch mehr Gründe, warum sie sich Sinistra niemals angeschlossen hätte. Zum einen konnte sie ihr einfach nicht trauen. Im Limbus wäre sie ihr völlig ausgeliefert gewesen, sie hätte mit ihr machen können, was immer sie wollte, und Lilly hatte so eine dunkle Ahnung, was das alles beinhalten würde. Zum anderen war es ihre größte Angst, jemals so werden zu können wie Sinistra. Sie hatte schon ihr glattes schwarzes Haar und die Blässe der Haut von ihr geerbt, was wäre, wenn sie ihr auch charakterlich immer ähnlicher würde? Es gab nichts, das sie mit mehr Abscheu erfüllt hätte als die Vorstellung, eines Tages feststellen zu müssen, wie sehr sie ihr glich. Wie hätte sie weiterleben sollen in dem Wissen, zu dem geworden zu sein, was sie am meisten hasste, jemand, der keine Rücksicht auf andere nahm und der sich nur nach den eigenen Bedürfnissen richtete? Das hätte sie nicht ausgehalten, aber hatte sie diese Veranlagung denn nicht? Lief sie denn nicht Gefahr, die Sünden ihrer Eltern zu wiederholen?
Sinistra seufzte währenddessen leise auf wie eine Lehrerin, die von der fehlenden Bereitschaft ihrer Klasse enttäuscht ist, sich unterrichten zu lassen. »Das habe ich mir schon gedacht«, sagte sie und hob eine Hand mit der Fläche nach oben zu einem angedeuteten halben Achselzucken, eine Geste des Nachgebens. »Deshalb bin ich hierher gekommen, um dir ein Angebot zu machen.«
»Ach ja?«, fragte Lilly misstrauisch. »Und welches?«
Mit einem Mal verengten sich Sinistras Augen zu schmalen Schlitzen, aus denen nur noch das kalte Glühen ihrer dunkelblauen Iris herausdrang. »Folgendes: Komm mit mir und deiner kleinen Freundin wird nichts passieren.«
Nach Atem ringend taumelte Lilly einen Schritt zurück, als hätte sie jemand so hart weggestoßen, dass sie das Gleichgewicht verlor. Das alg aber gar nicht an der unerwarteten Drohung, die ihr entgegengeschleudert worden war, es lag daran, dass sie plötzlich die Präsenz einer weiteren Dämonin spürte. Das ließ ihr Herz vor Entsetzen zusammenkrampfen, als wäre ihr ein eiskaltes Messer in die Brust gerammt worden. Nicht nur war es die Gegenwart von Dubia, die sie wahrnahm, Sinistras Schwester und engste Vertraute, nein, sie war auch noch in Lisas Zimmer, bei dem Mädchen, von dem Lilly es nicht ertragen hätte, wenn ihr ein Leid angetan würde.
Sie brauchte einen Moment, um sich zu fangen. Dieser neue Schrecken brach aus einer Richtung über sie herein, die sie nicht erwartet hatte und die sie kaum verkraften konnte, doch dann verlor sie keine Zeit mehr. Sie hielt sich nicht damit auf, Sinistra darauf hinzuweisen, was sie alles mit ihr anstellen würde, wenn Lisa etwas zustieß, oder ihr auch nur böse zuzufunkeln, sie drehte sich einfach wortlos um und riss einen Arm empor. Sie tat nicht einen einzigen Schritt, aber das war auch gar nicht nötig. Auf diesem stummen Befehl hin rasten alle Schatten in ihrer Nähe unaufhaltsam auf sie zu, wirbelten um sie her und legten sich auf sie. Noch ehe sie die Drehung ganz vollendet hatte, war sie vollkommen in Finsternis versunken, die schwarze Silhouette eines mitternächtlichen Phantoms, doch ebenso schnell wie die Schatten zu ihr gekommen waren, lösten sie sich auch wieder auf und Lilly mit ihnen. Wie erwachende Fledermäuse stoben die bruchstückhaften Fetzen Dunkelheit wieder auf, flatterten zurück an die Orte, von denen sie gekommen waren, und ließen keine Spur von der Gestalt zurück, die sie bis eben noch gebildet hatten.
Als Lilly sich umgewandt hatte, befand sie sich in ihrem Zimmer, doch obwohl nur wenige Sekunden vergangen waren, seit sie Dubias Anwesenheit bemerkt hatte, kam sie zu spät. Weder sie noch Lisa waren zu entdecken, und auch sonst schien nichts ungewöhnlich zu sein. Es sah noch immer genau so aus, wie sie es verlassen hatte, nur das Verschwinden ihrer Geliebten stach sich ihr schmerzlich ins Bewusstsein. Fast kam sie sich hier fremd vor. Sie war so gut wie immer mit Lisa zusammen, besonders in diesem Zimmer, und diese Lebendigkeit fehlte nun. Es waren noch immer überall Anzeichen zu erkennen, dass sie hier gewesen war: ihre Kleidung lag dort verstreut, wo sie sich ausgezogen hatte, ihre portable Spielekonsole lag auf dem Nachttisch und auf dem Schreibtisch herrschte das ihr eigene Chaos aus aufgeschlagenen Büchern und halbfertigen Hausaufgaben, die seit Ferienbeginn unbeachtet geblieben waren. Doch irgendwie war es gerade dieses Vertraute, das die Aufmerksamkeit auf das lenkte, was nun anders war; diese erdrückende Stille, wo sonst unbeschwertes Lachen gewesen war, der noch warme Platz im Bett, dessen Falten Lisas Umrisse aufwies, nun aber verwaist dalag.
Zwar blieb das Zimmer nur einen kurzen Augenblick so leer, doch trug Sinistras Erscheinen keineswegs dazu bei, ihm diese anklagende beängstigende Qualität zu nehmen. Die Hände hinter dem Rücken verschränkt schlenderte sie aus dem Schatten hervor, den der Schrank an eine der Wände warf, wie eine Königin, die auf dem Weg zu ihrem Thron ihre Gefolgschaft begutachtete.
»So«, sagte sie langgezogen, als sie vor Lilly zum Stehen kam, »ich denke, damit kann ich sichergehen, dass du ernsthaft über mein Angebot nachdenkst. Jetzt kannst du dir ja ohne Ablenkungen überlegen, was dir lieber ist, mit mir in den Limbus zu kommen oder alleine hier zu bleiben, verlassen von dieser unwürdigen Mätresse. Komm zu mir, wenn du dich entschieden hast. Du weißt ja, wo du mich findest.«
In ihrer Stimme war keinerlei Aufregung zu vernehmen, sie sagte es ganz in der vornehmen Zurückhaltung, die ihr Stand als Herrscherin über den Limbus gebot, aber Lilly wusste, dass das nichts zu bedeuten hatte. Auch wenn Sinistra so sprach, war dies keine diplomatische Angelegenheit; Lisa war ihre Gefangene und damit alles andere als in Sicherheit. Darüber konnte auch ihr beiläufiger Tonfall nicht hinwegtäuschen. Den behielt sie immer bei, selbst wenn sie sich an ihrer eigenen Tochter verging, klang das, als würde sie nur über das Wetter plaudern.
Lilly dagegen war völlig außer sich. Tränen ohnmächtiger Wut und der unbändigen Sorge um Lisa vernebelten ihr die Sicht, trotzdem stürzte sie auf Sinistra zu, ohne genau zu wissen, was sie tun sollte, wenn sie bei ihr angelangt wäre. Doch dazu kam es ohnehin nicht mehr. Ehe Lilly sie hätte erreichen können, war Sinistra schon nicht mehr als ein Schemen in einer mondlosen Nacht und hatte ebenso wenig Substanz. Während sich die letzten verbliebenen Fragmente der Schatten allmählich verflüchtigten, fiel Lilly durch sie hindurch zu Boden.
Unsanft schlug sie mit den Knien auf, aber das bemerkte sie kaum. Sie blieb einfach so hocken, als wäre sie in ein Gebet vertieft, sich mit den Händen abstützend und leise vor sich hin schluchzend. Ihren Tränen konnte sie nun keinen Einhalt mehr gebieten. Ohne dass sie es hätte verhindern können, strömten sie ungehalten ihre Wangen hinab, tropften von ihrem Kinn und bildeten kleine dunkle Flecken auf dem Teppich, auf dem sie kniete. Zum zweiten Mal in ihrem Leben war sie allein für Lisas Unglück verantwortlich; zunächst als ihr das Zeichen Unomnias aufgezwungen worden war und nun erneut. Sinistra hatte sie mit sich genommen und würde ihr zweifellos wieder irgendetwas antun, nur damit Lilly sich ihrem Willen ergab. Wahrscheinlich wäre es das Beste für Lisa gewesen, wenn sie sich niemals getroffen hätten. Offenbar färbte das dunkle Omen, das Lilly seit dem unseligen Beginn ihrer Existenz zu begleiten schien, auf sie ab, und wenn nichts geschah, würde sie Lisa noch mit sich in die Verdammnis reißen.
Doch so weit durfte es auf keinen Fall kommen. Getrieben von einer überwältigenden Empfindung der Verzweiflung ballte sie eine Hand zur Faust und schlug damit auf den Boden ein, doch linderte das ihre Selbstvorwürfe nicht m geringsten. Am liebsten hätte sie laut aufgeschrien, allerdings fühlte sich ihre Kehle nicht so an, als könnte sie auch nur ein ersticktes Wimmern hervorbringen, also blieb Lilly nichts anderes übrig, als es schweigend mit ihrer Schuld aufzunehmen. Sie hätte Lisa beistehen sollen, sie hätte sie nicht aus den Augen lassen dürfen, doch das hatte sie nicht getan. Lisa war ihrer Statt in den Limbus gezogen worden, und es gab nichts, wie sie das hätte ungeschehen machen können.
Die einzige Hoffnung auf Rettung bestand darin, ihr so schnell wie möglich zu folgen, aber wie hätte sie das tun sollen? Laut Sinistra besaß sie mehr Macht als irgendeine andere Dämonin, aber sie war nie in eine andere Welt gereist. Sie wusste nicht einmal, wie sie da hätte ansetzen sollen. Wie sollte sie den Limbus innerhalb der unzähligen Universen finden, die es angeblich geben sollte, und selbst wenn sie es schaffte, wie sollte sie dann dorthin gelangen? Wie sollte man die Grenzen seines eigenen Universums überwinden und in ein gänzlich unbekanntes eintreten? Sie hatte wirklich keine Ahnung, wie das zu bewerkstelligen sein könnte, doch kannte sie da jemanden, der ihr vielleicht weiterhelfen konnte.
Einen plötzlichen Entschluss fassend erhob sie sich mit einem Ruck. Schniefend wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht, während sie versuchte, sich zu beruhigen. Ihr war klar, dass sie ganz so handelte, wie Sinistra es von ihr wollte. So wie sie Lisa das Zeichen Unomnias auferlegt hatte, um sie überhaupt erst ihrer Kräfte bewusst werden zu lassen, hatte sie sie nun entführt, um Lilly dazu zu bringen, ihr hinterher zu kommen. Vielleicht war sie der Meinung, dass es jetzt an der Zeit sei, dass ihre Tochter herausfand, wie man das Multiversum durchreiste, vielleicht wollte sie sie auch nur in den Limbus locken, um sie dort etwas noch viel Grauenvolleres erleiden zu lassen als bisher.
Lilly war es egal. Für den Moment sah sie keinen anderen Ausweg, als nach den Regeln zu spielen, die Sinistra aufgestellt hatte, und so sammelte sie die Schatten des Zimmers um sich, um sich auf ihren Schwingen davontragen zu lassen.
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*An dieser Stelle sollte ich wohl noch erwähnen, dass diese Geschichte minderjähreige Futanaris enthält, die es auf jede nur erdenkliche Art miteinnander treiben.
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