[Text] Die Rache der Ente oder wo der Yakbulle seinen Beutel schwingt

Miyabi

Exarch
Als ich mir den Text durchgelesen habe, standen mir Tränen in den Augen *schnüff*


Meister Wang suchte verzweifelt nach einem Ausweg.

Wus Kellnerkompanie tischte in Windeseile alle Leckereien auf, die die weitläufige Speisekammer ihres Herrn und Meisters zu bieten hatte. Eine emsige Ameisenarmee, die nur darauf wartete, den freiwerdenden Platz an der riesigen Tafel unverzüglich mit neuen Leckerbissen aus Buddhas himmlischem Garstüblein zu füllen.

Wu hatte derweil lauthals lachend mit weitschweifigen Erzählungen aus der kaiserlichen Anekdotenschmiede begonnen, während seine elfenbeinernen Essstäbchen wie Baggerschaufeln in einem Steinbruch der altägyptischen Pharaonen arbeiteten.

Erstaunlich, dass ein Mann wie ein Wasserfall reden und gleichzeitig Nahrungsmengen vertilgen konnte, die jeden koreanischen Hufschmied beschämt hätten. Zwischendurch fand er noch die Zeit, seine ihn beidseitig flankierenden Konkubinen, die sich ebenfalls laut schmatzend durch die Speisefolge arbeiteten, väterlich auf die bestrapsten Schenkel zu tätscheln und Meister Wang lautstark schnaufend zu ermuntern, von den zahllosen Köstlichkeiten zu probieren, die bereits auf der kreisrunden Festtafel mit den Ausmaßen einer überdimensionierten Hochzeitsjurte ihren Platz gefunden hatten. Von allen gleichzeitig!

Obwohl Wang sein bescheiden-gieriges Antlitz aufgesetzt hatte, konnte er die überschäumende Begeisterung des kaiserlichen Beamten nicht teilen.

In seinem Bauch tobte „Mao’s“ Ente mit zunehmendem Ungestüm. Wahrscheinlich hatte es der Schlachter mit dem Zusatz „gut abgehangen“ etwas übertrieben, bevor das Tier am „Himmlischen Entenspieß“ gelandet war. Vielleicht nahm ihm die Ente auch nur die scharf gewürzte Kräutersoße aus dem letztwöchigen Aufguss übel, jedenfalls rumorte, tobte und gärte es in seinen Innereien, wie in einer tibetanischen Yakbullen-Mastanlage zur Fütterungszeit.

Apropos Yakbulle: Als Wu des nächsten Gerichts ansichtig wurde, ließ er ein anerkennendes Grunzen hören. Auch Wang konnte sich nicht erinnern, jemals ein so großes Gehänge an einem lebenden Exemplar gesehen zu haben.

Hier wurde allerdings keine Zeit verschwendet. Während Wang immer noch verschämt auf einem Bissen von etwas kaute, das einst der freischwingende Stolz eines langhaarigen Hochlandochsen gewesen war, rollte bereits die nächste Angriffswelle heran.

Meister Wang hatte jedoch im Gegensatz zu Wu und seinen freizügigen Honigtöpfchen – die er insgeheim Mai Ling und Bai Ling getauft hatte - keine Augen für das Dutzend flambierter Böcke der mongolischen Wüstenrennmaus. Vor seinem geistigen Auge erschien unvermittelt das Bild seiner geliebten Wärmflasche.

Wu vertilgte einstweilen ein ausgefallenes Arrangement knuspriger Schneeleopardenbiskuits in zarter Bambussprossensuppe. Wang dachte an Vitalpilze, Bachblüten und Heilsteine.

Wu begeisterte sich an einem Sixpack Frühlingsrollen, gefüllt mit würzigen Delikatessmaden. Wang dachte an Kamillentee und Abführmittel.

Wu klatschte in die Hände, als die nächste Delikatesse herein gewuchtet wurde. „Panda im Schlafrock“: Süße kleine Pandababies, die noch teilweise in ihren schwarz-weißen Fellchen steckten. Man konnte noch erahnen, wie die lieben Kleinen durch das Bambuswäldchen tollten, bevor sie Bekanntschaft mit der Keule des Jägers gemacht hatten. In Erinnerung an glücklichere Stunden hatte ihnen der Koch liebevoll ein Stückchen Bambusrohr in die lächelnden Mäulchen geschoben.

Wang nuckelte nur verschämt an einer feisten Windhundkeule und tat so, als lauschte er Wus unerschöpflichem Anekdotenvorrat. Am liebsten wäre er aufgesprungen und der verwünschten Ente, die seine Innereien unsicher machte, mit armlangen Akkupunkturnadeln zu Leibe gerückt.

Da wurde das nächste Gericht auf goldgewirktem Porzellan hereingebracht: Ente süß-sauer. Meister Wang erstarrte…
 
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Shishiza

Sehr brave Fee^^
Teammitglied
Mod
Das ist genial^^..schade, das es nicht weiter geht...ich hätte gerne gewußt, wie sich Wang rauswinden konnte.
 

Miyabi

Exarch
Es geht weiter...
Es gibt auch davor noch eine Geschichte, mit der Ente die seinen Magen unsicher macht.
 

Miyabi

Exarch
Der Text oben war Kapitel 14 von insgesamt 20.
Hier Kapitel 15:


Bisher hatte Meister Wang dem heftigen Würgereiz widerstanden. Kein Wunder, immerhin teilte er sich seit Jahren ein Schlafgemach mit Missis Wang. Jawohl, er hatte eine harte Schule durchlaufen und kannte den Ekel in all seinen zahllosen Manifestationen.

Angesichts der handgemästeten Stopfleberente süß-sauer hatte er jedoch für einen endlosen Moment das Gefühl, der geschnetzelte Artgenosse in seinem Magen stecke den Kopf durch Speiseröhre und Hals, um mal schnell nach dem Wetter zu sehen.

Wu schien Wangs hervorquellende Augen und sein unterdrücktes Gurgeln für pure Fressgier zu halten und schnalzte laut mit der Zunge. Der kaiserliche Beamte rollte lustig mit den Augen, als er Wang auf die wie von Zauberhand erschienene Schüssel aufmerksam machte, die bis zum Rand mit den abgetrennten Extremitäten einer ganzen Hühnerfarm gefüllt war. „Probieren Sie unbedingt auch davon, verehrter Meister!“ Wus befehlsgewohnte Stimme duldete keinen Wiederspruch.

Meister Wang war verloren, er bekam keinen Bissen mehr herunter, jeder noch so zaghafte Versuch würde unvermittelt in die Katastrophe führen. Er war versucht, mit der Ausrede, sein Strumpfband habe sich gelockert, für einen gesegneten Augenblick unter den Tisch zu kriechen und die dreimal verfluchte Ente samt Kräutersoße in die Freiheit zu entlassen.

Aber Konfuzius hatte recht, als er einst in seinem Standardwerk für Glückskekse schrieb: „Wenn Du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her.“ In letzter Sekunde erschien Meister Wang die Rettung, besser gesagt, sie watschelte auf vier Pfoten durch die prunkvoll verzierte Schwingtür des Speisesaals.

Eine behäbige, überproportional beleibte Katze stolzierte mit erhobenem Haupt, ohne die Anwesenden auch nur eines Blickes zu würdigen, in Richtung des heftig tobenden Banketts. Dabei zog sie einen massigen Schwanz von beachtlicher Buschigkeit hinter sich her.

Meister Wang lugte aus den Augenwinkeln auf das im Fell versteckte, kunstvolle Halsband des Neuankömmlings. Riesige Schriftzeichen verrieten Namen und Geblüt des hochherrschaftlichen Tiers: Miezuki der III.

Wang war beeindruckt. Das mopsartige Tier stammte aus der berühmten kaiserlichen Katzenzschmiede. Dort versuchte man seit Jahren, den langhaarigen Biestern, die man einst aus Persien importiert hatte, das Fell weg zu züchten, damit sie auch im feucht-warmen Klima Siams gedeihen konnten. Bislang ohne Erfolg.

Meister Wang hasste Katzen. Eigentlich hatte er nichts gegen sie. Tse-Tangs Spätwerk über Haustierpflege „Dein Freund, die Katz´“ gehörte neben den „Acht Trigramme im Selbstbau“ zur Pflichtlektüre in jeder traditionellen Sheng-Fui-Schule. Meister Wang hatte regelmäßig geweint, als er das herzergreifende Buch als junger Bursche gelesen hatte. Nein, er hatte wahrlich nichts gegen Katzen. Jedenfalls nicht solange, bis sich Missis Wang eine zum Kuscheln zugelegt hatte.

Ein hinterlistiges und übellauniges Vieh; verschlagen, faul und verfressen. Mit der Zeit war es immer fetter geworden und würgte mit regelmäßiger Häufigkeit widerliche Haarbällchen aus. Meister Wang stutzte. Erstaunlich, wie sehr das Tier doch seinem Frauchen glich.

Aber hier, hier dankte er allen Göttern für die Lösung seines aktuellen Entenproblems.
.... Kapitel 16 folgt ...
 
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