[Sammelthread] Die unendliche Geschichte ala alle

Shishiza

Sehr brave Fee^^
Teammitglied
Mod
Nach einem schlechten Start in den Samstag entschied ich mich ( Marie, schwarze Haare, grüne Augen, Körbchengröße 75F), nicht auf Arbeit zu gehen und kehrte durchnässt in meine Wohnung zurück, in der ich bis Sonntag durchschlief.
Ralf, der Freund meines Exfreundes Martin, klingelte an meiner Tür und berichtete, dass mein Ex Martin im Koma liegt. Es ereignete sich wohl drei Wochen zuvor bei einem Motorradunfall. Da ich Martin beim Rumknutschen mit seiner Kollegin Sophie erwischt hatte, hatte ich den Kontakt zu ihm bereits zuvor abgebrochen.
In diesem Zusammenhang machte Ralf einen dummen Witz darüber, dass es sich um einen Doppelgänger oder seinen Zwillingsbruder gehandelt hätte, was ich allerdings nicht ganz so witzig fand wie er.
Gegen meine Motivation überredete Ralf mich letzten Endes, Martin im Unikliniku zu besuchen. Ich fuhr uns mit dem Auto. Dort angekommen machten wir Bekanntschaft mit bewaffneten finsteren Typen. Beim Versuch zu flüchten, töteten sie Ralf, der durch einen Schuss in der Eingangshalle niedergestreckt wurde.
Die Männer zerrten mich in einen schwarzen Bus und nahmen mich mit. Während der Fahrt erwähnten sie, dass sie nach einem "Pawel Walczak" suchten, den ich unter dem Name Martin kennen würde. Offenbar hatten sie Martin im Krankenhaus nicht ausfindig machen können.
Wir machten an einem abgelegenen Gebäude Halt, wo sie mich zum Reden bringen wollten. Als es ungemütlich wurde, wurde unsere Runde von einem Fahrzeug bewaffneter Männer gestört. Sie machten meine Entführer unschädlich und nahmen mich mit.
Voller Erschöpfung schlief ich auf der Fahrt und wachte im leeren Wagen auf dem Hof eines großen Anwesens auf. Dort traf ich meine Patentante Marie, der ich offenbar meinen Name zu verdanken hatte, und ihre kleine Tochter Lisa.
Sie führte mich in ein Zimmer voll mit Karten, Zeichnungen, Fotografien, Skizzen und Zeitungsausschnitten von einer langen Serie von Einbrüchen und Diebstählen. Meine Patentante erzählte, dass sie zusammen mit meinen Eltern die Einbrüche geplant und durchgeführt und dass sie dabei nach ihren eigenen Vorstellungen von Gerechtigkeit gehandelt hätten. Außerdem hingen dort einige Fotos von Martin, die mit den Namen Martin Bauer, Pawel Walczak, Gordon Scott und Francois Michel versehen waren. Erneut wurde mir die Geschichte aufgetischt, dass es sich dabei nicht um Martin, sondern um jemanden, der ihm verdammt ähnlich sah, handelte.

Heute ist Samstag und das Wetter ist grau und kalt. Da möchte man am liebsten direkt nach dem Aufstehen wieder in sein Bett zurück fallen. Was aber nicht geht, da man ja an die Arbeit muss. Ich hasse meinen Beruf! Am allerliebsten wäre ich den ganzen Tag liegen geblieben und hätte den Geräuschen gelauscht, die vor meinem Fenster auftraten. Schlussendlich rappelte ich mich dann auf, schaute auf die Uhr und, oh weh, doch schon so spät. Nun aber schnell rein in die Klamotten und ab zum Bus. Wenn es nicht nur schon wieder regnen würde ... Da ich auch noch Pech habe, werde ich sofort nass, weil ein Auto mich von der Seite nass spritzt. Wirklich ärgerlich, schimpfe dem noch lautstark hinterher, rege mich noch ein wenig wie ein Rohrspatz auf, und sage zu mir: "Es kann nicht schlimmer werden, hilft alles nichts, weiter zum Bus."Triefend vor Nässe und zitternd vor Kälte erreiche ich den schmalen Busstand. Mit einem Blick auf meine Uhr muss ich feststellen, dass diese auch noch stehen geblieben ist. Da ich immer gute 10 Minuten zum Bus brauche, weiß ich jetzt nicht mal wie spät es ist und ich nehme schon immer den Letzten der fährt. Gereizt schüttele ich meinen Kopf, starre auf die gegenüberliegende Gebäudefassade und erblicke schließlich eine Leuchtanzeige, die mir noch nie zuvor aufgefallen war: Sa., 23.02.13 - 8°C - 7.18 Uhr. Verdammt ich wusste, das ich zu spät bin. Sollte um 7 Uhr anfangen zu arbeiten. Der Chef würde mir wieder eine gehörige Standpauke verpassen, aber erstmal musste ich zusehen, dass ich auf die Arbeit kam. Nur wie sollte ich das anstellen ohne Auto? Ein Taxi wäre jetzt das Beste der Wahl, nur leider hatte ich auch noch mein Handy zu Hause liegen lassen und mein Geld auch noch. So blieb mir halt nichts anderes übrig als zu laufen, was nicht das Beste war, besonders bei diesen Temperaturen. "War der blöde Weg schon immer so lang gewesen", war das Einzige, was ich bei dieser Kälte und dem Regen aus mir heraus brachte. Ich schüttelte mich und klemmte meine Haare hinter meine Ohren. "Nicht aufregen Marie, nicht aufregen ...", war das Einzige, was ich zu mir murmelte, als ich geschwind die Straße entlang ging. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich den LKW fast übersehen hätte. So konnte ich noch rechtzeitig zur Seite springen, als der durch eine Pfütze raste. "Verdammt!", entfuhr es mir, während das aufspritzende Wasser auch noch die letzten trockenen Stellen meiner Kleidung durchnässte.Dem LKW-Fahrer warf ich einige Flüche hinterher, doch machen konnte ich nun eh nichts mehr. Ich würde nach Hause gehen und den Tag einfach als "Krank" machen. Morgen dann zum Arzt und dann... schön die nassen Klamotten von meinem Leib zärtlich wegreißen und ein Bad einlaufen lassen. Ein heißes Bad wär jetzt genau das Richtige Ich lasse mich in der Badewanne ''gehen'', schmelze quasi dahin, oh Gott, das Leben kann doch soooo schön sein.. wenn da bloß nicht der ganze Stress wär ... Nur leider habe ich nicht bedacht, dass morgen erst Sonntag war und ich erst am Montag zum Arzt kommen würde. Aber so nass wie ich war, würde ich bestimmt eine Erkältung bekommen. Also zerrte ich mir regelrecht die nassen Klamotten runter und wollte ein Bad einlaufen lassen. Aber, wie der Teufel es will, kam nur eine braune Brühe aus dem Hahn. Vorbei der Traum vom schönen heißen Bad. Und mir war auch noch saukalt. ,,Ach verdammt! Wäre ich heute doch nur zu Hause geblieben!'', ich band mir ein Tuch um und rannte regelrecht auf mein Zimmer, riss den Schrank auf, zog meinen Pyjama an und verschwand unter meiner Bettdecke. Ich hab keine Ahnung, wie lange ich da lag, denn mich weckten ein paar Sonnenstrahlen, die durch mein Fenster schienen. Mein Handy vibrierte unaufhörlich, ich öffnete es und da stand: ,,7 verpasste Anrufe/ Absender: Chef''. Verdutzt darüber, dass dieser so oft angerufen hatte, rieb ich mir mit Unglauben die Augen. "Was zur Hölle will der? Nicht mal einen Tag darf man krank machen? Ha! Morgen zum Arzt und für den Rest der Woche 'n Gelben holen!" Moment, was hatte ich da gesagt? Morgen? Ich hatte den gesamten Samstag verschlafen und es war bereits Sonntag geworden, zumindest wenn ich dem Datum auf meinem Handy trauen konnte. Seufzend blickte ich an die Decke und wischte mir eine Strähne meiner pechschwarzen Haare aus den giftgrünen Augen. "Er bringt mich spätestens am Dienstag so was von um", murmelte ich und begann in meinem Schrank nach einem BH zu suchen. 75F war nicht unbedingt die Größe, in der man viele BHs bekam. Was deutlich wurde als ich das Tablar mit der Unterwäsche ansah. Ich zog das Pyjamaoberteil aus und legte mir den BH an, dann suchte ich mir noch eine passende Unterhose und zog sie ebenfalls an. Aus der hinteren Ecke eine Hose und ein einfaches T-Shirt, zog sie mir an und ging aus meinem Zimmer. ,,Waaaah, wie spät ist es denn jetzt eigentlich?'' sagte ich gähnend als ich die Treppe hinunter ging. Ich ging in die Küche und holte das Müsli aus dem Schrank, füllte es in eine Schüssel, dann machte ich den Kühlschrank auf und nahm die Milch raus.


Ich wollte gerade den Inhalt über mein Müsli kippen, als ich diesen stechenden Geruch wahrnahm.
Ich roch vorsichtshalber noch mal daran, nur um sicher zu gehen. Fehler, mächtig großer Fehler.
Das Zeug stank mir die Bude voll.
Verfluchte Scheiße, jetzt muss ich das Zeug also auskippen.
Als hätte ich nicht so schon genug Stress, muss jetzt auch noch mein Handy klingeln.
Ich schaute aufs Display und wunderte mich, wer denn um alles auf der Welt, meine Nummer kennt, ich beschloss also ran zu gehen und erlitt den Schock meines Lebens.

Der Freund von meinem Ex! Woher kennt der denn bitte meine Nummer!
Bestimmt hat mein Ex meine Nummer ihm gegeben, aber was nun? Ich ging ans Telefon und hörte einen lauten Schrei. Schlagartig fiel mir das Handy aus der Hand.

Scheiße aber auch, was war denn das?
Erst der Freund meines Ex, jetzt auch noch dieser Schrei!
OK, nachdenken, denk nach Marie, denk nach!!!
Ich hob das Telefon und wählte, während ich mich zur Ruhe zwang.

,,Ich rufe ihn jetzt einfach zurück und frage, wo zur Hölle er meine Nummer her habe und warum er ins Telefon schreie'' sage ich mir selbst, doch nix mit zurückrufen. //Ihr Guthaben ist erschöpft, bitte laden Sie es wieder auf um diesen Anruf zu tätigen//, sagte mir die ,,nette'' Stimme des automatischen Services und während das ertönte, schmiss ich mein Handy wieder auf den Boden. ,,Ach scheiß die Wand an!'' schrie ich wutentbrannt bis ich merkte, dass das ein Fehler war. Hektisch hob ich mein Handy wieder vom Boden auf und drückte irgendwelche Tasten, doch nichts regte sich. ,,Ach egal, ich brauche eh ein neues Handy'' versuchte ich mich zu trösten, dass ich nicht in Tränen ausbrach. Irgendwie war jetzt ein Bach geöffnet worden, denn die Tränen flossen wie ein riesiger Wasserfall die Wangen herunter. Nach ein paar Minuten konnte ich mich langsam beruhigen, es war aber echt heute der Teufel los.
Und wie um das zu bestätigen klingelte es plötzlich Sturm an meiner Türe. //Wer kann das denn wieder sein?//

Meine trüben Gedanken waren mit einem Mal wie weggeblasen, und ich eilte mit einer Mischung aus Neugierde, Besorgnis, aber auch dem Gefühl, gar nicht wissen zu wollen, was da schon wieder auf mich zukam, zur Türe und sah zunächst mal durch den Spion. Der Spion war ziemlich benebelt, so das ich gar nicht wirklich gut rausschauen konnte. Also musste ich erahnen, wer draußen stand. Doch nach Rätselraten war mir absolut nicht zumute, daher griff ich beherzt zur Klinke und öffnete die Türe. Mit verheulten Augen und verrotzter Nase schaute ich neugierig aus der Wohnung. Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und blickte überrascht in das Gesicht des Freundes meines Ex. Was um Gottes Willen hatte er hier zu suchen??? Eine gefühlte Ewigkeit starrten wir uns wortlos an, bis mir schließlich der Geduldsfaden riss und ich sagte: "Was um Gottes Willen hast du hier verloren?"
"Du ... Du ... Du bist daran Schuld, Marie!", geiferte er mich plötzlich an, ohne das ich eine Ahnung hatte, was er meinte.
In diesem Moment merkte ich, dass um mich herum alles verschwamm und es dunkel wurde. Langsam machte ich meine Augen wieder auf und blickte in das Gesicht von meinem Ex.
Zeitgleich bemerkte ich einen dumpfen Schmerz an meinem Hinterkopf und tastete den Bereich ab. Ich lag auf meinem Sofa im Wohnzimmer und spürte eine schmerzhafte Beule und getrocknetes Blut zwischen meinen Haaren. Ich musste wohl mit meinem Kopf auf den harten Steinboden des Eingangsbereich meiner Wohnung geprallt sein und dachte in diesem Moment eigentlich eher über die Tatsache nach, dass sich mein Ex offensichtlich in meiner Wohnung befand. "Freund meines Ex ...", korrigierte ich mich in Gedanken und fragte mich gleichzeitig, ob der Schlag auf meinen Kopf mehr als nur eine schmerzende Beule verursacht hatte. Ralfs Gesicht schob sich in mein Blickfeld und eine Mischung aus Wut und Sorge lag darin, wobei die Wut die Oberhand zu gewinnen schien, je länger ich ihn ansah. //Warum war er schon wieder wütend, ich hatte absolut keine Ahnung.//
"Martin - DEIN Ex Martin - liegt im Koma!", warf er mir unvermittelt an den Kopf. Langsam kamen mir wieder die Erinnerungen, ach ja, da war noch was ... Martin ... Martin ... er hatte sich doch nicht etwa etwas angetan ... wegen unserer Trennung?!? Oder war es doch wegen was anderem?? Anstatt weiter wild zu spekulieren und mir alles mögliche vorzustellen, entschied ich mich, Ralf direkt zu fragen und so hob ich die Brauen und wollte wissen: "Martin liegt im Koma ... wieso ... was ist passiert?"
"Er wollte zu dir ... mit dir reden, sich entschuldigen, was weiß ich, ... und er ..." Seine Stimme schien zu versagen. "er hatte einen Unfall ... mit dem Motorrad ... vor drei Wochen." Kopf kratzend überlegte ich, so lange ist das schon her, wo ist nur die Zeit geblieben ...
"Aber wieso kommst du jetzt und was willst du von mir?", konnte ich nicht umhin, Ralf zu fragen, fügten sich die einzelnen Puzzleteilchen für mich noch nicht zu einem ganzen Bild zusammen.
"Verdammt Marie, drei Wochen und du hast dich nicht ein einziges Mal blicken lassen; als wär' er dir völlig egal", warf er mir vor und ich verstand plötzlich seine Wut auf mich, aber wie sollte ich ihm klar machen, dass ich schlicht nichts davon gewusst hatte? Aber wie sollte ich auch, damals vor drei Wochen ist er wutentbrannt aus der Wohnung gestürmt ...
Ich hatte gesehen, wie er seine Kollegin Sophie geküsst hatte - also richtig, LEIDENSCHAFTLICH; hatte er erwartet, dass ich ihm kaum zwei Stunden später seine Ausreden glauben würde?
Ich spürte wie mich der bloße Gedanke daran immer noch aufwühlte, und da mein bisheriger Tag reichlich beschissen gewesen war, mein Schädel brummte und ich keinerlei Lust zu großartigen Erklärungen hatte, sagte ich harsch: "Das ist etwas zwischen Martin und mir und nichts, was dich angeht, Ralf!"
"Es geht mich ganz sicher was an, wenn sich mein bester Freund wegen dir fast in den Tod fährt und es dir offenbar völlig gleich ist."
"Ach ja, dann frage ich dich doch mal, was er dir erzählt hat, von der Sache vor drei Wochen?"
Das schien ihn jetzt doch zumindest kurzzeitig aus der Fassung zu bringen, denn er runzelte die Stirn und war für einen Moment sprachlos, während man sehen konnte, wie es in seinem Kopf arbeitete.
"Ähm ..., ja, Marie", druckste er herum. "Also ..., eins vorweg: ich dachte zuerst auch, er würde lügen, aber warum sollte er mir so eine Geschichte auftischen, wenn er genau weiß, dass wir beide uns noch nie leiden konnten."
"Wovon redest du eigentlich?"
"Martin hat einen ... Doppelgänger, einen eineiigen Zwilling, einen ... ach, keine Ahnung, wer oder was er war, ... jedenfalls war es nicht Martin, den du gesehen hast."
"... Willst du mein Vertrauen wirklich mit solch einer Absurdität erschüttern?" Doppelgänger, eineiiger Zwilling, womöglich gar ein Klon ... dachte ich, während ich spürte, wie bei Ralfs absurder Behauptung etwas in mir hochkochte. Enttäuscht über Ralfs ausbleibende Antwort, warf ich ihm einen verachtenden Blick zu und verschwand, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, im Bad.
Aber ich hatte nicht mit Ralfs Hartnäckigkeit gerechnet, denn er folgte mir und sagte schließlich, in Ton doch sehr einlenkend: "Ich will doch nur, dass du mit mir kommst, Marie ... zu Martin und er deine Anwesenheit spüren kann."
Genervt darüber, dass ich meine kurze Pause nun doch nicht bekam und sich auch noch ein Gefühl von Mitleid in mir anbahnte, ließ ich ein tiefes Seufzen verlauten, schnappte mir die Autoschlüssel und verließ die Wohnung. Dabei wäre es so schön gewesen, einen freien Tag zu haben, aber was solls.
Grade als ich losfahren wollte, bemerkte ich, dass ich keine Ahnung hatte, wo Martin im Moment überhaupt ist, was mich so in Gedanken versinken ließ, dass ich nicht merkte, wie Ralf mir nachlief, bis er schließlich in's Auto stieg, was ich allerdings widerwillig hinnehmen musste, da mein "du-steigst-sofort-aus"-Blick seinem "das-wird-nicht-passieren"-Blick nicht standhalten konnte. Seufzend stieg ich in das Auto, "Wo liegt er?" kam widerwillig die Frage.
"Er ist seit gestern wieder zu Hause.", antwortete Ralf mit strahlendem Gesicht.
"Ich dachte, er liegt im Koma ... wie kann er da zuhause sein?", fragte ich und sah Ralf perplex an.
Ralfs erschrocken Blick nach zu urteilen, nahm ihn die ganze Sache ziemlich mit, wenn er sogar unter so drastischen Realitätsstörungen leidet.
"Ist mit dir alles in Ordnung?", platzte es nun doch aus mir heraus und ich spürte, wie sich auch der letzte Ärger ob seiner Einmischung zu verflüchtigen begann, auch wenn ich das eigentlich gar nicht wollte.
Ralfs nachdenklicher Blick traf auf den meinen, woraufhin er sich gleich wieder von mir abwandte und nach einem längeren Moment der Stille antwortete: "Ja, er... liegt im Uniklinikum.", was mich unmittelbar dazu veranlasste, ordentlich auf's Gas zu treten, In der Hoffnung, dieser nervig erdrückenden Stimmung zu entkommen.
Eine knappe Viertelstunde später betrat ich mit Ralf die Klinik.
Sowie wir in Richtung Empfang gehen wollten, hörten wir das beängstigende Geschrei einer Frau. Das war nun wirklich nicht dazu angetan, meine Stimmung zu heben und mir wurde plötzlich wieder bewusst, welche Aversion ich gegen Krankenhäuser hatte, gegen den Geruch, der sich in den Gängen hielt, gegen die gewienerten Böden, die weißgekittelten Gestalten, die weinenden und bangenden Angehörigen und gegen all das Leid, die Krankheit und der Tod, der einem von überall entgegenwehte, nicht nur von den Kranken, die in ihren Betten teils auf den Gängen auf Untersuchungen warteten.
Wenige Sekunden später riss mich das Ertönen mehrerer Schüssen, die mir klarmachten, das Geschrei falsch beuteilt zu haben, aus meinen Gedanken. Während mein Puls unwillkürlich zu rasen begann, sah ich mich hektisch um, nach einer möglichen Deckung genauso wie nach dem Ursprung der Schüsse, denn ich wollte keinesfalls in ebendiese Richtung laufen. Über den stückweise offenen Gang des ersten Obergeschosses, der unmittelbar über der Rezeption lag, rannten zwei Leute, ein jüngerer Mann und eine Frau mittleren Alters, in den rechten Flügel.
"Was geht da vor?", fragte ich, während ich zeitgleich instinktiv hinter dem Tresen der Rezeption Schutz suchte.
Während weitere, immer präsenter werdende, Schüsse ertönten und wir, an den Tresen gelehnt mit dem Eingang im Blick, mit dem Rücken zum Geschehen hockten, stotterte Ralph, "Wir müssen hier weg!", als plötzlich ein paar Leute, die bisher noch wie angewurzelt im Eingangsbereich standen, mit dem Blick nach oben verzweifelt Schutz suchend in alle Richtungen liefen, was mich dazu veranlasste, es für keine gute Idee zu halten, durch einen kurzen Blick herausfinden zu wollen, was auf dem Durchgang vor sich geht.
Ralph wurde offenkundig von dieser einsetzenden Panik miterfasst, denn er erhob sich und rannte los, hin zum Ausgang, ohne auch nur einen Blick hinter sich zu werfen, was mich trotz der angsteinflößenden Situation den Kopf schütteln ließ, während ich ihm nachrief: "Bleib hier, Ralph, das ist keine gute Idee!"
Kaum hatte ich ihm das zugerufen, musste ich beobachten, wie Ralph, dicht gefolgt von einem weiteren einschneidenden Knall eines unmittelbaren Schusses, ohne jegliche erkennbare Bemühungen, dem Aufprall entgegenzuwirken, im Sprint zu Boden ging, wo er sich nach dem Aufprall noch ein paar Mal überschlug und eine immer größer werdende Blutspur hinterließ.
Fassungslos starrte ich ihn an mit einem plötzlich aufwallenden Gefühl von Unwirklichkeit und dem starken Drang, sofort zu ihm zu sprinten und ihm zu helfen, was jedoch von meinem unmittelbar wieder einsetzenden Verstand verhindert wurde, der Bilder von Filmen vor meinem inneren Auge ablaufen ließ, Bilder, in denen genau solche Rettungsversuche mit dem Tod des Retters belohnt wurden.
Aus meinem äußersten Blickwinkel erkannte ich, begleitend von einem dumpfen Geräusch, wie jemand rechts von mir auf den Tresen landete, wodurch ich meinen Blick langsam in dessen Richtung wandte und in die Augen eines Mannes mit einer geschulterten Schrotflinte blickte, der mich für ein ein paar Sekunden ansah und dann lächelnd sagte, "Du wirst mit uns kommen", was mich nach einigen Sekunden, die ich brauchte, die Situation halbwegs zu erfassen, in leichte Panik versetze und mich veranlasste am ganzen Körper zu zittern, ehe ich beim Versuch aufzustehen, um davonzulaufen, lediglich über mein linkes Knie stolperte und nun regungslos am Boden lag und hoffte, dass es mich nicht auch treffen würde.
Doch dieser Totstellreflex, der im Tierreich oft von Erfolg gekrönt wurde, zeigte bei dem Mann mit der Schrotflinte keinerlei Wirkung, denn er stieß mir den Lauf erst recht unsanft in den Rücken, bevor er mich an den Haaren aus meiner liegenden Position zog, um mich mit einem in mein Ohr geraunten "zum Liegen wirst du noch Gelegenheit genug bekommen ..." mit sich gen Ausgang zu ziehen.
Meine Gedanken, was nun mit mir passieren oder, ob ich das Alles überleben könnte, wurden vom Anblick Ralphs unterbrochen, dessen lebloser Körper in einer immer größer werdenden Blutlache lag und mir die letzte Hoffnung nahm, dass er möglicherweise noch am Leben sein könnte, unterbrochen, bis mir die, vor Angst entstellten Gesichter der Leute, die sich in unmittelbarer Nähe aufhielten, erneut die Ernsthaftigkeit meiner Situation klarmachten und mir Anlass zu der Annahme gaben, dass meine Chancen relativ schlecht stehen würden, wenn ich mich von diesen Leuten einfach mitnehmen lassen würde.
Allerdings war ich Realist genug, um zu wissen, dass mir mit einer immer noch auf mich gerichteten Schrotflinte und den Haaren in der Hand meines Peinigers nicht viele Alternativen blieben, als zumindest im Moment der doch recht brutalen Aufforderung Folge zu leisten, in der Hoffnung, dass sich auf dem weiteren Weg eine Möglichkeit zur Flucht ergeben würde, bevor ich das gleiche Schicksal erleiden würde wie Ralph, dessen nun starr geöffnete Augen mir nachzublicken schienen, obwohl das physisch kaum noch möglich sein konnte.

Draußen angekommen wurden wir bereits von einem schwarzen Bus und drei davor positionierten bewaffneten Männern erwartet, die mir unangenehme Blicke zuwarfen und mir unmittelbar in den Bus folgten, der sich kurz darauf in Bewegung setzte.
Als ich das sah, drängte sich mir unweigerlich der Gedanke auf, dass die es auf mich abgesehen hatten, dass der Überfall auf das Krankenhaus auf irgendeine Weise mir gegolten hatte, auch wenn ich mir keinerlei Reim darauf machen konnte, wieso ein Teil der Verbrecher aus dem ersten Stockwerk gekommen war und was das Ganze überhaupt sollte.
Nach ungefähr einer Minute, die ich zu nutzen versuchte, um wieder halbwegs zur Besinnung zu kommen, sah mich der Typ, der mich in den Wagen zerrte musternd an, während er sich eine Zigarette anzündete, bis er schließlich mit zusammengezogenen Augen und in einem gehässigen Ton fragte: "Na, bist du sauer, weil ich deinen Freund umgelegt habe?"
Für einen Moment war ich perplex und starrte den Mann sprachlos an, doch dann schlüpfte die Frage wie von alleine über meine Lippen: "Du hast ihn umgelegt, weil du denkst, er war meine Freund?"
"Ich hab' ihn umgelegt, weil er dämlich war, weil er geglaubt hat, einer Kugel davonrennen zu können - und weil er unserem Auftrag im Weg stand." Langsam kam mir der Satz im Gehirn an, aber so ungefähr den Sinn verstand ich im ersten Moment nicht, bis es mir so langsam dämmerte.
"Mich entführen ist euer Auftrag?", fragte ich daher auch, wobei ich nicht umhin konnte, vermutlich recht verwirrt und irritiert auszusehen, immerhin hatte ich noch keinerlei blassen Schimmer, was das Ganze wirklich sollte.
"Das würde dir gefallen, nicht wahr Prinzessin?", murmelte einer der anderen Entführer, der mir gegenüber saß, und mir die gesamte Zeit unverblümt auf meine Brüste starrte. Nur kurz streifte mein Blick den Mann, dann entschied ich mich, seine lüsternen Blicke genauso zu ignorieren wie seinen gemurmelten Kommentar und ich sah stattdessen weiterhin auf den Mann, der der Anführer zu sein schien, und fragte: "Und ich bin eurem Auftrag förderlich, was auch immer das für einer ist?"

"Ich hoffe - auch für dich selbst -, dass du uns helfen wirst, jemanden zu finden: Pawel Walczak ... oder für dich vielleicht eher Martin", entgegnete er, wobei er den Namen meines Ex-Freundes abfällig betonte.
Nur sehr langsam sickerte das Gesagte in mein Bewusstsein, während zeitgleich Ralfs Worte durch meinen Kopf schossen: er hat einen Doppelgänger, einen eineiigen Zwilling ..., was mich erst nach einer kurzen Pause, in der sich meine Gedanken wieder sortierten, möglichst unbedarft sagen ließ: "Aber Martin liegt im Krankenhaus, ich wollte ihn dort gerade besuchen ..."
"Du bist nicht sonderlich schlau, oder glaubst du, dass wir dieses Gespräch führen würden, wenn er dort gewesen wäre?"
"Er war nicht da?", fragte ich jetzt doch einigermaßen perplex und sprach weiter: "Aber es ging ihm doch so schlecht, da ist er sicher nicht einfach aus dem Krankenhaus weg ..."
"Pawel war nicht da - und du kannst dir sicher sein, dass meine Männer die Suche sehr genau genommen haben - aber wenn er erfährt, dass wir seine Liebste haben, wird er schon auftauchen."
"Liebste?" Ich lachte auf und meinte mit einem Kopfschütteln: "Da seid ihr völlig unterinformiert, denn er hat längst eine andere ... vielleicht hättet ihr lieber die entführen sollen."
"Meiner Erfahrung nach liegt jemandem, der sich aufgrund einer Frau ins Koma fährt, meistens auch noch was an dieser Frau, glaubst du nicht?"

Ich schüttelte den Kopf und sah aus dem Fenster, denn ich hatte keine Ahnung, wieso Martin tatsächlich diesen Unfall hatte und ob er wirklich zu mir wollte, wie Ralf behauptet hatte, genauso wenig wie dieser Mann es wissen konnte. Der Kleinbus holperte inzwischen durch ein mir unbekanntes Gewerbegebiet mit zugewucherten Bürgersteigen, baufälligen Backsteingebäuden und zerbrochenen Fensterfronten, keine Menschenseele war weit und breit zu sehen. Der Anblick der verlassenen und heruntergekommenen Gegend ließ ein mulmiges Gefühl in mir aufsteigen und auch, wenn ich eben noch den Gedanken an das, was mir bevorstehen mochte, weit nach hinten hatte schieben können, schob er sich jetzt vehement in den Vordergrund. Wenig später bog der Bus in eine Seitengasse und hielt abrupt vor einem massiven Rolltor, dessen einwandfreier Zustand in krassem Kontrast zur Umgebung stand. Nur kurz darauf hob sich das Rolltor und der Bus fuhr ins Innere, das durch mehrere grelle Deckenlampen ausgeleuchtet war und Blick auf eine wenig einladende nüchterne Lagerhalle freigab. Kaum war er hindurch gefahren, wurde die Seitentür aufgerissen und ich sah erneut in den Lauf einer auf mich gerichteten Waffe. "Los, da rein", gab mir der Pistolenträger, der bisher noch keine einzige Silbe gesprochen hatte, den Befehl und damit die Richtung vor, während er mir gleichzeitig die Waffe so fest in den Rücken bohrte, dass ich einen Aufschrei nicht unterdrücken konnte. Die anderen Beiden waren ebenfalls ausgestiegen und gingen vorweg. Einer von ihnen hielt eine schwere Türe auf, hinter der ich einen hell erleuchteten Raum sehen konnte, während der Mann mit der Schrotflinte uns schweigend folgte, möglicherweise um dadurch meine Furcht anzufachen, was aufgegangen wäre, wenn nicht der Pistolenträger erneut das Wort ergriffen hätte: "Setz dich hin!"

Während ich auf einem kalten Metallstuhl Platz nahm, konnte ich durch die offenstehende Tür hindurch sehen, dass der vierte Entführer offenbar noch hinter dem Steuer des Busses saß und ihn wieder aus der Halle hinaus steuerte. "Arme hinter den Rücken", kam es als nächstes vom Pistolenträger, der irgendwie das Kommando übernommen hatte, während der Mann mit der Schrotflinte, der die ganze Fahrt über die Reden geschwungen hatte, den Raum durch eine weitere Stahltüre verließ, nicht ohne vorher einem der anderen beiden verbliebenen etwas ins Ohr zu flüstern, was ich jedoch nicht verstehen konnte. Meine Arme wurden schmerzhaft fest an die Stuhllehne gefesselt, dann zog sich der Entführer einen zweiten Stuhl heran und setzte sich rittlings mir gegenüber hin. Beugte sich vor und begann mir etwas ins Ohr zu flüstern. "Wir haben jetzt eine Menge Zeit und die werden wir beide nutzen", hauchte er an mein Ohr und wenn schon nicht die Art, wie er die Worte quasi in mein Ohr gleiten ließ, einen eisigen Schauer über meinen Rücken laufen ließ, so vermochte dies seine Wange, die er provokant sachte an meiner rieb. Ein Blick von ihm genügte und auch der dritte Mann verließ den Raum und ließ mich mit dem Pistolenträger allein. Der stand von seinem Stuhl auf, drehte diesen herum und setzte sich nun so mir gegenüber, dass seine Beine sich provokant zwischen meine drängten und sie auseinanderschoben, während er sich wieder ganz nah zu mir beugte und mir mit einem süffisanten Grinsen tief in die Augen sah. "Nun, was sollen wir jetzt machen?" kam die sehr einfache Frage, die doch sehr sehr bedrohlich wirkte. Ehe ich mir eine Antwort zurechtlegen konnte, erschütterte eine Explosion die gesamte Lagerhalle, mit quietschenden Reifen schien Augenblicke danach im angrenzenden Raum ein Fahrzeug zum Stehen zu kommen und stakkatoartig ertönten Schüsse.
Grade als ich mir die Frage stellen wollte, in was für einen Alptraum ich da geraten war, sprangen drei Männer von der Ladefläche des Fahrzeugs, eröffneten das Feuer auf mein Gegenüber, was mir ein weiteres ungewolltes Blutbad direkt vor meinen Augen bescherte, wobei eine der Kugeln ein Stück der Rückenlehne meines Stuhles wegriss. Ich konnte mit ansehen, wie eine Kugel durch den Kopf des Mannes schoss, der mir gegenüber saß. "Pass auf, du Idiot!", Schrie einer der Männer, die auf meine sich versteckenden Entführer schießend in meine Richtung rannten, "Stell dir vor, du hättest sie getroffen."
Fassungslos hörte ich die Worte und verstand absolut nichts mehr, was genau ging hier jetzt vor. Ich hatte null Ahnung, was jetzt kommen sollte oder wer diese Männer waren. Doch zunächst war ich dankbar, dass einer von ihnen mich vom Stuhl losschnitt und mir erstaunlich sanft hochhalf, während sich einer der anderen beiden mit gezogener Pistole gehetzt wirkend umsah und dabei ausstieß: "Und jetzt nichts wie raus hier ..."
Obgleich dieser Typ einen ganz schön angsteinflößenden Gesichtsausdruck hatte, kam ich nicht umhin, diese Idee ziemlich gut zu finden, woraufhin ich etwas verängstigt vom Stuhl sprang und wild um mich blickend, ohne ein Wort von mir zu geben, in Richtung des Wagens stolperte. Als ich fast stürzte, packte mich der, der eben noch gerufen hatte, recht unsanft am Arm und zog mich mit sich, was zwar äußerst schmerzhaft war, aber auch verhinderte, dass ich tatsächlich zu Boden ging.
"Habt keine Angst, wir bringen euch in Sicherheit.", sprach er mit fast übertrieben freundlicher Stimme zu mir, während sich seine Hand an meinem Arm lockerte.
Euch ...
wiederholte ich in meinem Kopf und fragte mich, wen er da meinte, war ich immerhin alleine hierherverschleppt worden.
Nachdem ich den Mann für eine Weile mit einer Mischung aus Verwirrtheit und Ängstlichkeit ansah, legte er seine Hand auf meinen Rücken und sagte, "Kommt jetzt bitte, wir erklären euch alles, wenn wir in Sicherheit sind", wodurch ich mir jetzt die Frage stellen musste, ob man mich wohlmöglich verwechselt haben könnte, was ich allerdings nicht unbedingt thematisieren wollte, bevor ich die Gewissheit hatte, in Sicherheit zu sein.
Ich kam auch nicht zu weiteren Überlegungen, denn der Druck in meinem Rücken verstärkte sich jäh und ich wurde vorangetrieben, was auch gut war, denn kaum hatte man mich kurz darauf mehr oder weniger auf der Beifahrerseite in den Wagen bugsiert, brach draußen auch schon die Hölle los ...
"Wir kommen jetzt raus", sprach der Fahrer des Wagens in ein Mikrofon an seinem Körper, woraufhin er den Wagen wenige Sekunden später trotz weiterer Schüsse, die außerhalb des Gebäudes fielen, in Bewegung setzte.
Durch die rasante Anfahrt wurde ich in den Sitz gepresst und griff instinktiv nach dem Sicherheitsgurt, so unsinng das in meiner Situation auch erscheinen mochte und während ich noch nach dem Teil angelte, preschte der Wagen durch das Rolltor, das anders als bei der Herfahrt völlig zerbeult und zerquetscht war, und ließ kurz darauf die noch fallenden Schüsse und das Schreien hinter sich, um mit hohem Tempo durch die verlassene Gegend zu brausen.

Nach einer Weile anhaltender Todesangst, die ich damit zubrachte, mich zu beruhigen, fuhren wir bereits auf dem Highway durch die Stadt und obwohl es für alle offensichtlich sein musste, dass mir unendlich viele Fragen durch den Kopf schossen, brachte ich kein einziges Wort hervor, während ich daran dachte, dass ich vor wenigen Stunden noch zusammen mit Ralph auf der gleichen Straße ins Krankenhaus fuhr.
Die monotone Fahrt, das Schweigen des Fahrers und des Mannes, der mich mit "euch" angeredet hatte und nun ebenfalls neben mir auf der breiten Sitzbank des Wagens saß, sowie die Strapazen des Tages mit all seinen unglaublichen und schrecklichen Wendungen, führten dazu, dass es nicht lange dauerte und ich fiel in einen tiefen Schlaf, in dem wirre Träume mich heimsuchten.
Nach einer gefühlten Ewigkeit wachte ich langsam wieder im leeren Wagen auf und blickte von einem großen Hof aus auf ein großen Anwesen, vor dessen Eingang ein Mann und eine Frau standen, die in meine Richtung blickten, als ich plötzlich durch ein Geräusch neben mir den Kopf zur Seite drehte und ein Mädchen neben mir auf dem Sitzbank sah, das auf ihrem Smartphone tippte.
"Wer bist du?", fragte ich, doch statt einer Antwort hörte das Mädchen auf zu tippen, sah mich mit großen Augen kurz an, bevor sie die Türe öffnete, um sich vom Sitz nach draußen gleiten zu lassen und zu rufen: "Mami, sie ist jetzt wach!"
Nur wenige Sekunden später vernahm ich den Klang von Absätzen, die sich dem Wagen näherten, während mich das kleine Mädchen mit großen Augen angrinste, bis an ihrer Seite eine wunderschöne Frau in schwarzem Blazer und schwarzen Jeans auftauchte und mir entgegenlächelte, "Du musst hungrig sein. Lass uns reingehen.".
Ich brauchte einen Moment, bevor ich reagierte und es fast automatisch über meine Lippen kam: "Wo bin ich hier?", während der Gedanke an etwas zu essen mich mit knurrendem Magen wie von alleine aussteigen ließ.
"Eine sehr enge Freundin deiner verstorbenen Eltern, Marie.", erwiderte die Frau, "Ich war so frei, dich in eine... weniger aufregende Umgebung bringen zu lassen. Aber lass uns drinnen weiter reden".
Eine Freundin meiner Eltern?, fragend sah ich zu der Frau, die sich als Marie vorgestellt hatte, und versuchte, einen Zusammenhang zwischen den Ereignissen von ... ja, von wann? Wieviel Zeit war vergangen?
Trotzdem, oder gerade deshalb, weil ich so viele Fragen hatte, stieg ich aus dem Auto aus und folgte dieser wunderschönen Frau. Das kleine Mädchen ging mit durch die große und einladende Tür.
"Dann...", brach ich die Stille, die ansonsten nur durch die Absätze dieser Frau gestört wurde, "habe ich meinen Name also durch dich bekommen?, woraufhin das kleine Mädchen vor uns auf der Treppe, die wir grad hinaufstiegen, stehen blieb und mich mit großen Augen ansah, "Dann heißt du genauso wie meine Mutti?".
Ich nickte stumm und die Frau erklärte dem Mädchen in freundlichem Ton: "Ja, ihre Eltern haben sie nach mir benannt, weil ich ihre Patentante bin", während ich aus den Augenwinkeln den Mann bemerkte, der zuvor noch vor dem Eingang gestanden hatte und der mich jetzt neugierig von oben bis unten musterte.
"Also wirklich Tom, wie unhöflich von dir, eine junge Dame so anzustarren.", sprach meine Patentante in einem sehr charmanten und belustigten Ton, bis sie sich ihrer Tochter zuwandte: "Lisa, willst du Maria nicht ihr Zimmer zeigen? Mama hat noch etwas zu erledigen."
Der mit Tom Angesprochene zuckte kurz zusammen und wandte sich demonstrativ ab, während das Mädchen mit einem Grinsen nach meiner Hand griff, um mich wohl zum entsprechenden Zimmer zu führen, was ich jedoch mit einem kopfschüttelnden "Ich möchte jetzt kein Zimmer sehen, ich möchte wissen, was das Ganze soll, wieso ich hier bin, welche Rolle Sie spielen", ablehnte, da mir die gehäuften freundlichen Reaktionen der mir völlig fremden Menschen suspekt zu erscheinen begannen.
Für einen kurzen Moment sah mich Marie etwas überrascht an, bis sie ein leichtes Lächeln aussetze und sagte: "Du kommst ganz nach deiner Mutter. Also schön, folge mir. Ich möchte dir etwas zeigen.".
Kurz darauf standen wir in einer Art Arbeitszimmer, dessen Fenster durch herabgelassene Rolläden verdunkelt waren und das durch eine relative nüchterne Deckenbeleuchtung erhellt wurde und die Frau, die sich als Marie vorgestellt hatte, wies mit einer Hand auf eine Wand, die voll gespickt war mit Karten, Zeichnungen, Fotografien, Skizzen, Zeitungsausschnitten und allem, was man aus jedem guten Krimi kannte.
Sowie ich an die Wand herantrat, fielen mir Artikel und Fotos über jene Serie von Einbrüchen und Diebstählen von vor einigen Jahren auf, bei denen Wertsachen und geheime Dokumente in einem Wert von einigen Milliarden entwendet wurden.
Doch dann fiel mein Blick auf ein Foto von Martin oder besser gesagt viele verschiedene Fotos von Martin, bei denen er jedes Mal anders aussah und ich näher herantreten musste, um überhaupt mit Gewissheit sagen zu können, dass es sich um meinen Ex-Freund handelte, was noch dadurch erschwert wurde, dass die Fotos die unterschiedlichsten Namen trugen wie Martin Bauer, Pawel Walczak, Gordon Scott und Francois Michel.
Nach einem anhaltenden Moment der Stille, in dem mein Herz vor paranoiden Gedanken raste, fing Marie zu meinem leichten Entsetzen herzhaft an zu lachen, bis sie sich letzten Endes ein wenig beruhigte, um mir zu erzählen, "So gern ich auch wüsste, was in diesem Moment in deinem Kopf vorgeht, möchte ich dich nicht auf die Folter spannen, denn du musst wissen, dass all diese Diebstähle... deine Eltern und ich geplant haben.", was meinen Puls für einen kurzen Moment gegen Null tendieren ließ, was Marie allerdings nicht davon abhielt, lächelnd fortzufahren, "Versteh' das bitte nicht falsch. Wir sind keine Verbrecher und haben lediglich nach unserem eigenen Gerechtigkeit gehandelt. Denn du musst wissen...", bis ich sie mit einer Frage, die mir plötzlich durch den Kopf schoss, unterbrach: "Martin! ... Was hat er damit zu tun?".
Marie stutzte und ich sah, wie sie für einen kurzen Moment die Fassung verlor, doch sie fing sich rasch wieder und erklärte mit erneut souverän klingender Stimme: "Da ist was aus dem Ruder gelaufen, wir sind noch dabei, die Einzelheiten herauszufinden, aber was wir schon wissen ist, dass es jemanden gibt, der wie Martin aussieht und das zu seinem eigenen Vorteil nutzt."
Das klang so verrückt, dass es nicht erfunden sein konnte, aber dennoch zu verrückt, dass ich die Geschichte einfach glauben könnte, "Du willst mir doch nicht etwa den bösen Zwilling auftischen, oder?".
Marie lachte - auch wenn ihr Lachen ein wenig gezwungen klang - und erwiderte: "Nein, einen biologischen Zwilling konnten wir ausschließen, aber noch nicht vom Tisch ist, dass er Martin einfach ähnlich sieht, aber auch eine Gesichtsoperation können wir nicht ausschließen, genauso wenig, dass er eine sehr gut gemachte, professionelle Maske trägt."
"Ehhh... ", begann ich mit einem Gesichtsausdruck, der ganz offensichtlich erkennen ließ, dass ich absolut nicht verstand, was das alles zu bedeuten hatte, "und was genau macht dieser ... falsche Martin?".
Marie legte einen Arm um meine Schulter, was ich irgendwie mit mir geschehen ließ, und meinte mit einem Lächeln: "Wie wäre es, wenn du dich erst mal ein wenig frisch machst und dich umziehst? Ich richte uns inzwischen etwas zu essen her und dann können wir alles in Ruhe bei einem gemeinsamen Mahl besprechen."
Ich hatte das Gefühl, als könne das noch eine sehr lange Unterhaltung werden und da sich meine Begierde, wissen zu wollen, was hier vor sich geht, in Anbetracht dieser scheinbar verrückten Geschichte deutlich geschmälert hatte und mittlerweile von meinem Hunger überholt wurde, nickte ich nur etwas zögerlich.

"Lisa, zeigst du Marie jetzt ihr Zimmer?", forderte meine Patentante das Mädchen auf, das sich inzwischen an den Schreibtisch gesetzt hatte und dort mit Buntstiften ihrer Kreativität freien Lauf ließ, woraufhin die Kleine mit strahlenden Augen zu mir gelaufen kam, mich völlig vorbehaltlos an der Hand fasste und mich ohne weitere Worte mit sich zog, die Treppe hinauf und hinein in das erste Zimmer, das auf der rechten Seite eines langen Korridors lag.
Wir standen in einem großen schön eingerichteten Zimmer, welches durch das Licht, das durch die Türen der anliegenden Terrasse hereinströmte, erleuchtet wurde, als ich in Anbetracht dessen, was ich von dem Anwesen bereits gesehen hatte, eher mittelmäßig überrascht meinen Blick durch das Zimmer schweifen ließ, kam ein Dienstmädchen aus einem Nebenzimmer, das ich bis zu diesem Zeitpunkt noch garnicht registriert hatte, musterte mich kurz und lächelte mir mit einer kleinen Verbeugung entgegen "Das Badewasser ist eingelassen. Bitte sagt mir, wenn ihr etwas braucht.", was mir allerdings ein wenig unangenehm war, jedoch nicht zum Ausdruck bringen konnte, da sich sowohl das Dienstmädchen als auch Lisa mit den Worten "Ich bin gleich im Zimmer nebenan, wenn du mich suchst." unmittelbar danach aus dem Zimmer zurückzogen.
Mir blieb nur wenig Zeit, mich im Zimmer umzusehen, kurz die Beschaffenheit des luxuriösen Betts zu testen und mich wieder zu erheben, um nach dem angrenzenden Badezimmer zu sehen, als auch schon ein schriller Ton losging und dazu plötzlich das Zimmer in ein in regelmäßigen Abständen leuchtendes Rot getaucht wurde, das - wie ich schnell erkannte - von einer über der Türe angebrachten Leuchte herrührte, die ganz offenkundig Bestandteil einer wie auch immer gearteten Alarmvorrichtung war.
"Ich hab' das Gefühl...", murmelte ich ein wenig genervt vor mich hin, "als müsste mein Bad etwas warten.", worauf ich mich einfach aufs Bett warf und den Schritten draußen auf dem Gang lauschte, die nach ca zwei Minuten verstummten, was mich dazu brachte, mich vom Bett zu schwingen und zur Tür zu gehen, um nachzusehen, was vor sich ging.
Vorsichtig machte ich die Tür einen Spalt auf um auf den langgezogenen Flur zu spicken. Ich konnte allerdings nur noch die letzten Schritte von der Kleinen sehen, also machte ich die Tür zu und wendete mich dem Raum zu, wo anscheinend das Badewasser auf mich wartet ...
Etwas gleichgültig und genervt von dem, was mir den ganzen Tag widerfuhr, hinterließ ich auf dem Weg ins Bad eine Spur mit meinen Klamotten, stieg in die Wanne und vergaß alles um mich herum, bis ich nur wenige Minuten später einnickte.
Doch mir sollte kein langes Badevergnügen beschieden bleiben, denn kaum war ich eingenickt, riss mich jemand auch schon wieder äußerst unsanft aus dem Wasser hoch und zerrte mich förmlich aus der Wanne, während eine mir unbekannte männliche Stimme mir ins Ohr zischte: "Du bist wohl von allen guten Geistern verlassen! Hast du den Alarm nicht gehört? Jetzt ist wirklich nicht die Zeit für ein Nickerchen in der Wanne ... Ich glaub's ja nicht ..."
Völlig schlaftrunken ließ ich mich aus der Badewanne ziehen und stand ein paar Sekunden nackt, den Blick aufs Wasser gerichtet, vor dem Mann bis ich wenige Sekunden später unangenehm realisierte, dass ich nichts anhatte und den Mann, der in diesem Moment mit einem Handtuch neben mit auftauchte, im Affekt in die Wanne stieß.
Als ich das perplexe Gesicht des gar nicht mal so unattraktiven Mannes in der Wanne sah, musste ich laut loslachen, was mir einen bitterbösen Blick einbrachte, den der etwa 30Jährige auch noch zeigte, nachdem er sich sehr geschmeidig und flott wieder aus dem Wasser geschwungen hatte, tropfend und sich für einen kurzen Moment schüttelnd wie ein Bernhardiner.

Als wenige Sekunden meines Gelächters später meine Priorität erneut auf die Tatsache, dass ich nackt vor ihm stand, fiel, hörte ich aprupt auf zu lachen und stieß meine Hände nach vorne, um ihn erneut in die Wanne zu stoßen, als mein Blick plötzlich an seinem nassen Shirt hängen blieb, was seinen muskulösen Körper ... verdammt gut zur Geltung brachte, und mein angetzter Stoß endete damit, dass meine Hände ganz sanft auf seinen Oberkörper klatschten und neben meinen Augen jetzt ebenfalls erstmal dort fixiert waren, bis er gefühlte zehn Sekunden später langsam das klatschnasse Handtuch über meine Arme legte, die weiterhin zu seinem Oberkörper ausgerichtet waren.
Nur kurz darauf hatte er mich in wenigen gezielten Bewegungen so um meine eigene Achse gedreht, dass mein Rücken gegen die Vorderseite seines Körper gepresst wurde, während er mit seinem muskulösen Unterarm das nasse Handtuch vor meinem Körper fixierte und mich, meine Arme bewegungslos eingeklemmt, aus dem Zimmer bugsierte.
"Eh... Hey!", rief ich leicht entsetzt, "Nur, weil du gut aussiehst und durchtrainiert bist, gibt dir das nicht das Recht, mich so zu behandeln!", was mir bereits in dem Moment, in dem ich es aussprach, etwas peinlich war, aber offenbar den gewünschten Effekt hatte, da er mich kurz darauf losließ und mir so die Möglichkeit gab mit einem spontanen Anschein, beleidigt zu wirken, meine würde widerherzustellen.
Doch wenn ich gedacht hatte, dass ich nun die Oberhand gewinnen würde, hatte ich mich getäuscht, denn der Mann drehte sich einfach auf dem Absatz um und ließ mich stehen, um gleich darauf mit großen Sätzen die Treppe hinunterzueilen, während er fast wütend ausstieß: "Die hätten dich einfach dort lassen sollen, dann hätten wir ein Problem weniger."
Nach einem kurzen Moment, den ich brauchte, um zu realisieren, dass mein neuer Lieblingsplayboy ein ganz schön großes Arschloch war, rief ich ihm leicht angepisst "Was hast du-" hinterher und stampfte dabei wütend auf die übernächste Stufe auf, um ihm zu folgen, rutschte jedoch aufgrund meiner nassen Füße aus, machte beim Versuch, nicht auf den Hintern zu fallen, einen recht ungeschickten Satz nach vorne und riss uns ein paar Stufen später beide nach unten, wo ich im Gegensatz zu meinem Charmeur relativ weich landete und auf sein anschließendes langes Seufzen nur noch "Nimm das!" murmelte.
Doch fast im gleichen Moment wurde mir die Absurdität der Situation klar und auch, wie tolpatschig ich mich schon wieder einmal benahm und das innerhalb nur weniger Minuten, so dass ich mich an meiner Oberhand, die ich eindeutig schon aus meiner Position heraus besaß, nicht wirklich lange erfreuen konnte, sondern stattdessen lieber das Handtuch schnell um mich schlang, um mich so rasch wie möglich aufzurappeln und einige gehörige Schritte zwischen den von mir zu Fall Gebrachten und mich zu bringen.
Gleich darauf richtete er sich ebenfalls auf, atmete tief ein und stand ein paar Sekunden, mir den Rücken zugewandt, regungslos da, ehe er mich überraschend ausdrucklos ansah, an mir vorbei ging und mir noch im Vorbeigehen sagte: "In deinem Zimmer liegen frische Klamotten. Du solltest dich erstmal umziehen und dann nachkommen.".
Das wiederum ließ mich perplex zurück, denn hatte er nicht gerade noch gedrängt, dass ich mitkommen sollte, mich quasi aus der Wanne gezerrt und mich auf den Alarm aufmerksam gemacht, der - wie ich feststellte - immer noch anhielt und jetzt machte er auf einmal auf cool und überließ es mir, wann ich mich dazu bequemte, nachzukommen?
Ich hatte allerdings keine Lust, groß weiter darüber nachzudenken, zumal ich die Idee mit den Klamotten angesichts des nassen Handtuches, dass ich trug, garnicht so schlecht fand, woraufhin ich mich auf direktem Wege zurück in mein Zimmer machte, mich abtrocknete und bei den Sachen bediente, die auf dem Tisch lagen.

Kaum war ich angezogen, fühlte ich mich wie ein neuer Mensch, Tatendrang durchzog mich und ich verließ ein weiteres Mal das Zimmer, um zu sehen, wo die anderen hin waren, was sich jedoch recht schnell als langwieriger und schwieriger herausstellte als gedacht, da das ganze Haus mit einem Mal wie ausgestorben wirkte und der gleichmäßig schrille Ton, der insbesondere im Treppenhaus mehr als deutlich zu hören war, mir eiskalte Schauer über den Rücken laufen und mich innehalten ließ.
Dieses ganze Szenario ließ mich kurz an Resident Evil denken, als Alice im Krankenhaus aufwachte, was nach genauerem Nachdenken jedoch nicht wirklich vergleichbar war und so entschied ich mich kurz um, den Weg über die Treppe zurück nach unten zu nehmen.
Kurz überlegte ich, ob ich rufen sollte, doch ich beschloss, dass es wohl besser wäre, möglichst leise zu sein, weil ich überhaupt nicht einschätzen konnte, ob es tatsächlich eine Gefahrenlage gab oder ob sich alle nur irgendwo in die Scheune verzogen hatten, um mir einen Streich zu spielen, Gedanken, die mich bei meinem automatisch schleichenden Gang durch das Haus begleiteten, einen Gang, der keinerlei Lebewesen zu Tage förderte, keine Spur von Marie oder den anderen.
Ich beschloss also, mich in Richtung des Eingangs aufzumachen und nahm den Gang, der mich an einer Reihe Fenster über einen Bogen zur Treppe, die hinab ins Erdgeschoss führte, führte, als ich zufällig aus dem Fenster sah und eine große Ansammlung von Leuten erblickte, die sich auf dem Hof vor dem Anwesen versammelt hatten und recht aufgebracht zu sien schienen, woraufhin ich so schnell wie ich konnte nach unten rannte, um zu ihnen zu stoßen.
"Das ist jetzt schon das dritte Mal in diesem Jahr, dass wir von Ihnen wie Verbrecher behandelt werden, nur weil wir uns Ihrem Anwesen nähern", sagte gerade der offensichtliche Rädelsführer, der sich Zustimmung heischend nach seinen Begleitern umblickte, die tatsächlich gleich nickten und mit "Genau", "Richtig", "Das geht so nicht" zustimmten, was Marie, die mit einem Lächeln dastand und sich das Ganze ruhig anhörte, nicht aus der Ruhe zu bringen schien, ganz im Gegenteil wies sie mit der Hand in meine Richtung bzw. in Richtung Eingang und bot sehr ruhig und freundlich an: "Mister Tucker, kommen Sie und auch Ihre Begleitung doch bitte auf ein Glas Tee oder Wein oder was immer Sie möchten herein, dann können wir alles in Ruhe besprechen."

Und so gingen Marie, der Mann, den Marie Mister Tucker nannte und vom Äußeren einem Kriegsveteranen glich, eine sympathische junge Dame, die nicht von seiner Seite wich, und weil ich das dringende Bedürfnis hatte, nicht wieder allein gelassen von seltsamen Typen heimgesucht zu werden, auch ich mit den dreien mit und so befanden wir uns kurze Zeit später erneut in dem Zimmer mit all den Zeitungsartikeln und den Fotos von Martin bzw. dem, der ihm ähnlich sah. Kaum traten wir alle in das Zimmer, sahen wir so viel Dokumente, die an den Wänden hingen, so wie auf den Tischen und anderen Möbelstücke lagen. Wenn wir all das durchschauen wollten, würden wir sehr sehr lange brauchen.
"Nun, Mister Tucker, hätten wir eine Einigung bezüglich einer Zusammenarbeit geschlossen, hätte ich Ihnen einen Schlüssel fürs Gartentürchen geben können und Sie würden nicht jedes Mal den Alarm auslösen.", lockerte Marie die leicht angespannte Stimmung auf, "Aber kommen wir zum Wesentlichen. Ohne Ihre Informationen hätten wir die kleine Marie wohl ihrem Schicksal überlassen müssen.", sagte sie in meine Richtung deutend, was nun auch den Blick der anderen beiden auf mich zog, deren erhellte Blicke mir sagten, dass sie Dinge über mich wussten, die mir selbst noch nicht zugetragen würden, was mich stirnrunzelnd den Blickkontakt mit Marie suchen ließ.
Doch Marie war offenbar zumindest im Moment nicht gewillt, mich weiter aufzuklären, stattdessen sprach sie weiter, was die Blicke der anderen wieder auf sie lenkte: "Hat Ihr Besuch heute also etwas damit zu tun, Mister Tucker oder was möchten Sie dieses Mal?"
"Unser Angebot, über Sie erst nachzudenken wünschten, war, dass wir als gleichgestellte Partner zusammenarbeiten.", erwiderte Mr Tucker, ohne zu zögern, "Die Unterstützung bei der Rettung der jungen Dame war für uns eine Selbstverständlichkeit. Wer wären wir, das als Druckmittel zu verwenden? Wir sind heute hier, weil Jamy Lanusta, der dieses Wochenende eine Kunstausstellung veranstaltet, eine sehr gute Gelegenheit wäre, mit einer Zusammenarbeit zu beginnen.".
Marie lächelte sanft und schwieg einige Augenblicke, bevor sie sehr ruhig erwiderte: "Wir schätzen Sie sehr, Mister Tucker, denn Ihre Informationen haben sich bislang immer als äußerst präzise und nützlich erwiesen. Aber als gleichgestellte Partner zusammenzuarbeiten kommt für uns nicht in Frage, das hatten wir Ihnen bereits mehrfach erläutert. Und was Jamy Lanusta anbelangt, haben wir dieses Wochenende schon andere Pläne."
Relativ emotionslos und offenbar wenig überrascht über Maries Antwort erwiderte Mr. Tucker: "Nun... dann lassen Sie mal hören."
Marie behielt ihr Lächeln bei und antwortete fast augenblicklich: "Sie verstehen sicher, Mr. Tucker, dass wir Sie zum momentanen Zeitpunkt nicht in unsere Pläne für das Wochenende einweihen können. Allerdings gäbe es da etwas, das Sie für uns tun könnten. Es ist nicht ganz ungefährlich und hat mit einem gewissen Herrn zu tun, der uns zunehmend Schwierigkeiten bereitet. Wenn Sie uns auch bei diesem Problem Unterstützung bieten könnten, wäre ich durchaus gewillt über eine Zusammenarbeit in der Zukunft nachzudenken, bei der Sie direkt am jeweiligen Projekt beteiltigt wären."
"Das ist wieder sehr viel Konjunktiv, den sie da verwenden", antwortete Mr Tucker, "Hören Sie, Mrs. Vermillion. Wir wissen beide, dass wir Ihnen viel schulden. Ich bewundere ihren Sinn für Gerechtigkeit sehr. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass wir Ihnen viel effektiver unter die Arme greifen können... Also, wie können wir Sie in der Sache unterstützten?".
Doch Marie kam nicht dazu zu antworten, da just in dem Moment mein Badewannenopfer auf lautlosen Füßen herangetreten war und ihr nun etwas ins Ohr flüsterte, was sie nach einigen Augenblicken des Zuhörens mit einem "Danke, Ryan", quittierte, um daraufhin zu Mister Tucker zu sehen und zu sagen: "Es tut mir Leid, Mister Tucker, aber ich muss Sie für einen Moment allein lassen, wir werden unsere Unterhaltung aber in Kürze fortsetzen. Bis dahin leisten Sie doch bitte Marie Gesellschaft." Während sie das sagte, kam ich nicht umhin, meinen Blick auf dem Ekel aus dem Badezimmer haften zu lassen, der sich als Ryan entpuppt hatte, was mir ohne dass ich es wirklich merkte, ein kleines Lächeln ins Gesicht zauberte, das noch dadurch gefördert wurde, dass Ryan sich in der Zwischenzeit offenkundig umgezogen hatte und nun ein umwerfend blaues Hemd trug, das fantastisch zu seinen ebenso blauen Augen passte.

Er und Marie verließen ohne weitere Ausflüchte den Raum und ließen mich mit Mr Tucker und seiner Begleiterin, die sich allerdings auch selbst gut abzulenken wusste, allein, was mir zunächst etwas unangenehm war, da ich die beiden erst vor wenigen Minuten das erste Mal gesehen hatte und es mir so vor kam, als hätte Marie den Raum mit einer Stimmung verlassen, die nicht im Sinne von Mr Tucker zu sein schien, was mich allerdings nicht von einer ganz bestimmten Frage ablenken konnte und so fragte ich ihn kurzum: "Was meinten Sie als sie sagten, dass sie meiner ... Tante viel schulden?", was nicht nur die Aufmerksamkeit von Mr Tucker, der mich leicht überrascht ansah, sondern auch die seiner jungen Begleiterin weckte. Anscheinend wusste sieauch noch nicht, was da eigentlich alles abging. Und da sie sehr neugierig war, war sie mehr als gespannt.
"Nun ...", begann Mister Tucker und sah mich zunächst so an, als würde er überlegen, wie viel er mir sagen konnte oder auch sagen durfte, bevor er etwas zögerlich fortfuhr: "Sie hat uns vor ein paar Jahren finanziell sehr unter die Arme gegriffen." Er sah zu seiner jugendlichen Begleiterin und ergänzte, nur für sie bestimmt: "Das war als deine Großmutter so schwer krank wurde und diverse Operationen brauchte ..."
"Ich kenne die Geschichte, Vater.", warf Mr. Tuckers Tochter recht emotionslos ein. "Das war doch auch als ihr euch mit einer großen Waffenlobby angelegt habt, was ohne die Unterstützung von Marie und ...Maries Eltern schwer nach hinten losgegangen wäre.", fuhr sie fort und begann mich etwas seltsam anzusehen. "Es ist echt nervig, dass ihr beide Marie heißt. Ich heiß' übrigens Anna und dich nennen wir einfach mal 'Mary'.", sagte sie lächelnd, den Zeigefinger aus dem Handgelenk heraus auf mich gerichtet.
Dass jetzt auch noch Mister Tuckers Tochter Anna anfing, über meinen Kopf hinweg über mich zu entscheiden, ging mir gehörig gegen den Strich und so platzte es aus mir weit unhöflicher heraus als ich es eigentlich wollte: "Nein, keiner nennt mich einfach mal 'Mary'! Und ihr ganz sicher nicht! Mein Name ist Marie und wenn ihr Probleme habt, uns beide auseinanderzuhalten, dann ist das euer Problem!" Passend zu diesem Ausbruch drehte ich mich auf dem Absatz um und folgte meiner Patentante und Ryan aus dem Zimmer.
Anna, die mich während meines kleinen Ausbruchs stirnrunzelnd ansah, fing kurz nach meinem Abgang an zu kichern und rief mir noch "Bis später, Mary!" hinterher. Auf dem Flur entlang laufend wusste ich jedoch nicht einmal, warum genau ich überhaupt so sauer wurde. Dieser Gedankengang wurde jedoch dadurch unterbrochen, dass Ryan sich kurz zu mir umdrehte, mich leicht abfällig ansah und seinen Blick mit einem "Tss!" wieder nach vorn richtete.
Ich ignorierte Anna, die mir mit einem Mal äußerst unsympathisch wurde, ebenso wie Ryan, dessen abfällige Art völlig unangebracht war, zumindest soweit ich das zum jetzigen Zeitpunkt beurteilen konnte, und fragte mich, wieso meine Patentante immer noch im Flur war, obgleich sie doch schon einige Minuten vor mir aus dem Zimmer gegangen war. Doch ich sollte sehr rasch eine Antwort erhalten, da Marie sich zu mir umsah und mich hektisch zu sich winkte.
Marie musste zunächst etwas kichern als ich auf sie zukam und flüsterte mir dann lächelnd ins Ohr: "Deine Mutter bekam auch manchmal schlechte Laune, wenn sie müde war." Sie sah kurz hinüber zu Ryan und musterte mich für ein paar Sekunden. "Du und Ryan habt offenbar einen schlechten Start gehabt. Ich versichere dir jedoch, dass er dich nicht hasst, auch wenn er es durch seine eigenwillige Art gut kaschieren kann. Deine Mutter und Ryan waren sehr gute Freunde, musst du wissen. Aber genug für heute. Ich werde dir morgen erklären, was es mit Jamy Lanusta auf sich hat. Jetzt solltest dich erstmal ausschlafen.", sagte Marie und suchte den Blickkontakt zu Ryan, "Ryan wird dich auf dein Zimmer bringen".
Eigentlich wollte ich nicht, das Ryan mich in mein Zimmer begleitet, aber da ich mich im Moment noch gar nicht in dieser Villa auskannte, fügte ich mich dem sogenannten Schicksal und lies mich von ihm in mein Zimmer bringen. Sie hatte auch recht, weil ich doch, von so viel Aufregung sehr müde war. Morgen war auch noch ein Tag.
 

Akira Akarui

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Teammitglied
SMods
Nach einem schlechten Start in den Samstag entschied ich mich ( Marie, schwarze Haare, grüne Augen, Körbchengröße 75F), nicht auf Arbeit zu gehen und kehrte durchnässt in meine Wohnung zurück, in der ich bis Sonntag durchschlief.
Ralf, der Freund meines Exfreundes Martin, klingelte an meiner Tür und berichtete, dass mein Ex Martin im Koma liegt. Es ereignete sich wohl drei Wochen zuvor bei einem Motorradunfall. Da ich Martin beim Rumknutschen mit seiner Kollegin Sophie erwischt hatte, hatte ich den Kontakt zu ihm bereits zuvor abgebrochen.
In diesem Zusammenhang machte Ralf einen dummen Witz darüber, dass es sich um einen Doppelgänger oder seinen Zwillingsbruder gehandelt hätte, was ich allerdings nicht ganz so witzig fand wie er.
Gegen meine Motivation überredete Ralf mich letzten Endes, Martin im Unikliniku zu besuchen. Ich fuhr uns mit dem Auto. Dort angekommen machten wir Bekanntschaft mit bewaffneten finsteren Typen. Beim Versuch zu flüchten, töteten sie Ralf, der durch einen Schuss in der Eingangshalle niedergestreckt wurde.
Die Männer zerrten mich in einen schwarzen Bus und nahmen mich mit. Während der Fahrt erwähnten sie, dass sie nach einem "Pawel Walczak" suchten, den ich unter dem Name Martin kennen würde. Offenbar hatten sie Martin im Krankenhaus nicht ausfindig machen können.
Wir machten an einem abgelegenen Gebäude Halt, wo sie mich zum Reden bringen wollten. Als es ungemütlich wurde, wurde unsere Runde von einem Fahrzeug bewaffneter Männer gestört. Sie machten meine Entführer unschädlich und nahmen mich mit.
Voller Erschöpfung schlief ich auf der Fahrt und wachte im leeren Wagen auf dem Hof eines großen Anwesens auf. Dort traf ich meine Patentante Marie, der ich offenbar meinen Name zu verdanken hatte, und ihre kleine Tochter Lisa.
Sie führte mich in ein Zimmer voll mit Karten, Zeichnungen, Fotografien, Skizzen und Zeitungsausschnitten von einer langen Serie von Einbrüchen und Diebstählen. Meine Patentante erzählte, dass sie zusammen mit meinen Eltern die Einbrüche geplant und durchgeführt und dass sie dabei nach ihren eigenen Vorstellungen von Gerechtigkeit gehandelt hätten. Außerdem hingen dort einige Fotos von Martin, die mit den Namen Martin Bauer, Pawel Walczak, Gordon Scott und Francois Michel versehen waren. Erneut wurde mir die Geschichte aufgetischt, dass es sich dabei nicht um Martin, sondern um jemanden, der ihm verdammt ähnlich sah, handelte.

Heute ist Samstag und das Wetter ist grau und kalt. Da möchte man am liebsten direkt nach dem Aufstehen wieder in sein Bett zurück fallen. Was aber nicht geht, da man ja an die Arbeit muss. Ich hasse meinen Beruf! Am allerliebsten wäre ich den ganzen Tag liegen geblieben und hätte den Geräuschen gelauscht, die vor meinem Fenster auftraten. Schlussendlich rappelte ich mich dann auf, schaute auf die Uhr und, oh weh, doch schon so spät. Nun aber schnell rein in die Klamotten und ab zum Bus. Wenn es nicht nur schon wieder regnen würde ... Da ich auch noch Pech habe, werde ich sofort nass, weil ein Auto mich von der Seite nass spritzt. Wirklich ärgerlich, schimpfe dem noch lautstark hinterher, rege mich noch ein wenig wie ein Rohrspatz auf, und sage zu mir: "Es kann nicht schlimmer werden, hilft alles nichts, weiter zum Bus."Triefend vor Nässe und zitternd vor Kälte erreiche ich den schmalen Busstand. Mit einem Blick auf meine Uhr muss ich feststellen, dass diese auch noch stehen geblieben ist. Da ich immer gute 10 Minuten zum Bus brauche, weiß ich jetzt nicht mal wie spät es ist und ich nehme schon immer den Letzten der fährt. Gereizt schüttele ich meinen Kopf, starre auf die gegenüberliegende Gebäudefassade und erblicke schließlich eine Leuchtanzeige, die mir noch nie zuvor aufgefallen war: Sa., 23.02.13 - 8°C - 7.18 Uhr. Verdammt ich wusste, das ich zu spät bin. Sollte um 7 Uhr anfangen zu arbeiten. Der Chef würde mir wieder eine gehörige Standpauke verpassen, aber erstmal musste ich zusehen, dass ich auf die Arbeit kam. Nur wie sollte ich das anstellen ohne Auto? Ein Taxi wäre jetzt das Beste der Wahl, nur leider hatte ich auch noch mein Handy zu Hause liegen lassen und mein Geld auch noch. So blieb mir halt nichts anderes übrig als zu laufen, was nicht das Beste war, besonders bei diesen Temperaturen. "War der blöde Weg schon immer so lang gewesen", war das Einzige, was ich bei dieser Kälte und dem Regen aus mir heraus brachte. Ich schüttelte mich und klemmte meine Haare hinter meine Ohren. "Nicht aufregen Marie, nicht aufregen ...", war das Einzige, was ich zu mir murmelte, als ich geschwind die Straße entlang ging. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich den LKW fast übersehen hätte. So konnte ich noch rechtzeitig zur Seite springen, als der durch eine Pfütze raste. "Verdammt!", entfuhr es mir, während das aufspritzende Wasser auch noch die letzten trockenen Stellen meiner Kleidung durchnässte.Dem LKW-Fahrer warf ich einige Flüche hinterher, doch machen konnte ich nun eh nichts mehr. Ich würde nach Hause gehen und den Tag einfach als "Krank" machen. Morgen dann zum Arzt und dann... schön die nassen Klamotten von meinem Leib zärtlich wegreißen und ein Bad einlaufen lassen. Ein heißes Bad wär jetzt genau das Richtige Ich lasse mich in der Badewanne ''gehen'', schmelze quasi dahin, oh Gott, das Leben kann doch soooo schön sein.. wenn da bloß nicht der ganze Stress wär ... Nur leider habe ich nicht bedacht, dass morgen erst Sonntag war und ich erst am Montag zum Arzt kommen würde. Aber so nass wie ich war, würde ich bestimmt eine Erkältung bekommen. Also zerrte ich mir regelrecht die nassen Klamotten runter und wollte ein Bad einlaufen lassen. Aber, wie der Teufel es will, kam nur eine braune Brühe aus dem Hahn. Vorbei der Traum vom schönen heißen Bad. Und mir war auch noch saukalt. ,,Ach verdammt! Wäre ich heute doch nur zu Hause geblieben!'', ich band mir ein Tuch um und rannte regelrecht auf mein Zimmer, riss den Schrank auf, zog meinen Pyjama an und verschwand unter meiner Bettdecke. Ich hab keine Ahnung, wie lange ich da lag, denn mich weckten ein paar Sonnenstrahlen, die durch mein Fenster schienen. Mein Handy vibrierte unaufhörlich, ich öffnete es und da stand: ,,7 verpasste Anrufe/ Absender: Chef''. Verdutzt darüber, dass dieser so oft angerufen hatte, rieb ich mir mit Unglauben die Augen. "Was zur Hölle will der? Nicht mal einen Tag darf man krank machen? Ha! Morgen zum Arzt und für den Rest der Woche 'n Gelben holen!" Moment, was hatte ich da gesagt? Morgen? Ich hatte den gesamten Samstag verschlafen und es war bereits Sonntag geworden, zumindest wenn ich dem Datum auf meinem Handy trauen konnte. Seufzend blickte ich an die Decke und wischte mir eine Strähne meiner pechschwarzen Haare aus den giftgrünen Augen. "Er bringt mich spätestens am Dienstag so was von um", murmelte ich und begann in meinem Schrank nach einem BH zu suchen. 75F war nicht unbedingt die Größe, in der man viele BHs bekam. Was deutlich wurde als ich das Tablar mit der Unterwäsche ansah. Ich zog das Pyjamaoberteil aus und legte mir den BH an, dann suchte ich mir noch eine passende Unterhose und zog sie ebenfalls an. Aus der hinteren Ecke eine Hose und ein einfaches T-Shirt, zog sie mir an und ging aus meinem Zimmer. ,,Waaaah, wie spät ist es denn jetzt eigentlich?'' sagte ich gähnend als ich die Treppe hinunter ging. Ich ging in die Küche und holte das Müsli aus dem Schrank, füllte es in eine Schüssel, dann machte ich den Kühlschrank auf und nahm die Milch raus.


Ich wollte gerade den Inhalt über mein Müsli kippen, als ich diesen stechenden Geruch wahrnahm.
Ich roch vorsichtshalber noch mal daran, nur um sicher zu gehen. Fehler, mächtig großer Fehler.
Das Zeug stank mir die Bude voll.
Verfluchte Scheiße, jetzt muss ich das Zeug also auskippen.
Als hätte ich nicht so schon genug Stress, muss jetzt auch noch mein Handy klingeln.
Ich schaute aufs Display und wunderte mich, wer denn um alles auf der Welt, meine Nummer kennt, ich beschloss also ran zu gehen und erlitt den Schock meines Lebens.

Der Freund von meinem Ex! Woher kennt der denn bitte meine Nummer!
Bestimmt hat mein Ex meine Nummer ihm gegeben, aber was nun? Ich ging ans Telefon und hörte einen lauten Schrei. Schlagartig fiel mir das Handy aus der Hand.

Scheiße aber auch, was war denn das?
Erst der Freund meines Ex, jetzt auch noch dieser Schrei!
OK, nachdenken, denk nach Marie, denk nach!!!
Ich hob das Telefon und wählte, während ich mich zur Ruhe zwang.

,,Ich rufe ihn jetzt einfach zurück und frage, wo zur Hölle er meine Nummer her habe und warum er ins Telefon schreie'' sage ich mir selbst, doch nix mit zurückrufen. //Ihr Guthaben ist erschöpft, bitte laden Sie es wieder auf um diesen Anruf zu tätigen//, sagte mir die ,,nette'' Stimme des automatischen Services und während das ertönte, schmiss ich mein Handy wieder auf den Boden. ,,Ach scheiß die Wand an!'' schrie ich wutentbrannt bis ich merkte, dass das ein Fehler war. Hektisch hob ich mein Handy wieder vom Boden auf und drückte irgendwelche Tasten, doch nichts regte sich. ,,Ach egal, ich brauche eh ein neues Handy'' versuchte ich mich zu trösten, dass ich nicht in Tränen ausbrach. Irgendwie war jetzt ein Bach geöffnet worden, denn die Tränen flossen wie ein riesiger Wasserfall die Wangen herunter. Nach ein paar Minuten konnte ich mich langsam beruhigen, es war aber echt heute der Teufel los.
Und wie um das zu bestätigen klingelte es plötzlich Sturm an meiner Türe. //Wer kann das denn wieder sein?//

Meine trüben Gedanken waren mit einem Mal wie weggeblasen, und ich eilte mit einer Mischung aus Neugierde, Besorgnis, aber auch dem Gefühl, gar nicht wissen zu wollen, was da schon wieder auf mich zukam, zur Türe und sah zunächst mal durch den Spion. Der Spion war ziemlich benebelt, so das ich gar nicht wirklich gut rausschauen konnte. Also musste ich erahnen, wer draußen stand. Doch nach Rätselraten war mir absolut nicht zumute, daher griff ich beherzt zur Klinke und öffnete die Türe. Mit verheulten Augen und verrotzter Nase schaute ich neugierig aus der Wohnung. Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und blickte überrascht in das Gesicht des Freundes meines Ex. Was um Gottes Willen hatte er hier zu suchen??? Eine gefühlte Ewigkeit starrten wir uns wortlos an, bis mir schließlich der Geduldsfaden riss und ich sagte: "Was um Gottes Willen hast du hier verloren?"
"Du ... Du ... Du bist daran Schuld, Marie!", geiferte er mich plötzlich an, ohne das ich eine Ahnung hatte, was er meinte.
In diesem Moment merkte ich, dass um mich herum alles verschwamm und es dunkel wurde. Langsam machte ich meine Augen wieder auf und blickte in das Gesicht von meinem Ex.
Zeitgleich bemerkte ich einen dumpfen Schmerz an meinem Hinterkopf und tastete den Bereich ab. Ich lag auf meinem Sofa im Wohnzimmer und spürte eine schmerzhafte Beule und getrocknetes Blut zwischen meinen Haaren. Ich musste wohl mit meinem Kopf auf den harten Steinboden des Eingangsbereich meiner Wohnung geprallt sein und dachte in diesem Moment eigentlich eher über die Tatsache nach, dass sich mein Ex offensichtlich in meiner Wohnung befand. "Freund meines Ex ...", korrigierte ich mich in Gedanken und fragte mich gleichzeitig, ob der Schlag auf meinen Kopf mehr als nur eine schmerzende Beule verursacht hatte. Ralfs Gesicht schob sich in mein Blickfeld und eine Mischung aus Wut und Sorge lag darin, wobei die Wut die Oberhand zu gewinnen schien, je länger ich ihn ansah. //Warum war er schon wieder wütend, ich hatte absolut keine Ahnung.//
"Martin - DEIN Ex Martin - liegt im Koma!", warf er mir unvermittelt an den Kopf. Langsam kamen mir wieder die Erinnerungen, ach ja, da war noch was ... Martin ... Martin ... er hatte sich doch nicht etwa etwas angetan ... wegen unserer Trennung?!? Oder war es doch wegen was anderem?? Anstatt weiter wild zu spekulieren und mir alles mögliche vorzustellen, entschied ich mich, Ralf direkt zu fragen und so hob ich die Brauen und wollte wissen: "Martin liegt im Koma ... wieso ... was ist passiert?"
"Er wollte zu dir ... mit dir reden, sich entschuldigen, was weiß ich, ... und er ..." Seine Stimme schien zu versagen. "er hatte einen Unfall ... mit dem Motorrad ... vor drei Wochen." Kopf kratzend überlegte ich, so lange ist das schon her, wo ist nur die Zeit geblieben ...
"Aber wieso kommst du jetzt und was willst du von mir?", konnte ich nicht umhin, Ralf zu fragen, fügten sich die einzelnen Puzzleteilchen für mich noch nicht zu einem ganzen Bild zusammen.
"Verdammt Marie, drei Wochen und du hast dich nicht ein einziges Mal blicken lassen; als wär' er dir völlig egal", warf er mir vor und ich verstand plötzlich seine Wut auf mich, aber wie sollte ich ihm klar machen, dass ich schlicht nichts davon gewusst hatte? Aber wie sollte ich auch, damals vor drei Wochen ist er wutentbrannt aus der Wohnung gestürmt ...
Ich hatte gesehen, wie er seine Kollegin Sophie geküsst hatte - also richtig, LEIDENSCHAFTLICH; hatte er erwartet, dass ich ihm kaum zwei Stunden später seine Ausreden glauben würde?
Ich spürte wie mich der bloße Gedanke daran immer noch aufwühlte, und da mein bisheriger Tag reichlich beschissen gewesen war, mein Schädel brummte und ich keinerlei Lust zu großartigen Erklärungen hatte, sagte ich harsch: "Das ist etwas zwischen Martin und mir und nichts, was dich angeht, Ralf!"
"Es geht mich ganz sicher was an, wenn sich mein bester Freund wegen dir fast in den Tod fährt und es dir offenbar völlig gleich ist."
"Ach ja, dann frage ich dich doch mal, was er dir erzählt hat, von der Sache vor drei Wochen?"
Das schien ihn jetzt doch zumindest kurzzeitig aus der Fassung zu bringen, denn er runzelte die Stirn und war für einen Moment sprachlos, während man sehen konnte, wie es in seinem Kopf arbeitete.
"Ähm ..., ja, Marie", druckste er herum. "Also ..., eins vorweg: ich dachte zuerst auch, er würde lügen, aber warum sollte er mir so eine Geschichte auftischen, wenn er genau weiß, dass wir beide uns noch nie leiden konnten."
"Wovon redest du eigentlich?"
"Martin hat einen ... Doppelgänger, einen eineiigen Zwilling, einen ... ach, keine Ahnung, wer oder was er war, ... jedenfalls war es nicht Martin, den du gesehen hast."
"... Willst du mein Vertrauen wirklich mit solch einer Absurdität erschüttern?" Doppelgänger, eineiiger Zwilling, womöglich gar ein Klon ... dachte ich, während ich spürte, wie bei Ralfs absurder Behauptung etwas in mir hochkochte. Enttäuscht über Ralfs ausbleibende Antwort, warf ich ihm einen verachtenden Blick zu und verschwand, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, im Bad.
Aber ich hatte nicht mit Ralfs Hartnäckigkeit gerechnet, denn er folgte mir und sagte schließlich, in Ton doch sehr einlenkend: "Ich will doch nur, dass du mit mir kommst, Marie ... zu Martin und er deine Anwesenheit spüren kann."
Genervt darüber, dass ich meine kurze Pause nun doch nicht bekam und sich auch noch ein Gefühl von Mitleid in mir anbahnte, ließ ich ein tiefes Seufzen verlauten, schnappte mir die Autoschlüssel und verließ die Wohnung. Dabei wäre es so schön gewesen, einen freien Tag zu haben, aber was solls.
Grade als ich losfahren wollte, bemerkte ich, dass ich keine Ahnung hatte, wo Martin im Moment überhaupt ist, was mich so in Gedanken versinken ließ, dass ich nicht merkte, wie Ralf mir nachlief, bis er schließlich in's Auto stieg, was ich allerdings widerwillig hinnehmen musste, da mein "du-steigst-sofort-aus"-Blick seinem "das-wird-nicht-passieren"-Blick nicht standhalten konnte. Seufzend stieg ich in das Auto, "Wo liegt er?" kam widerwillig die Frage.
"Er ist seit gestern wieder zu Hause.", antwortete Ralf mit strahlendem Gesicht.
"Ich dachte, er liegt im Koma ... wie kann er da zuhause sein?", fragte ich und sah Ralf perplex an.
Ralfs erschrocken Blick nach zu urteilen, nahm ihn die ganze Sache ziemlich mit, wenn er sogar unter so drastischen Realitätsstörungen leidet.
"Ist mit dir alles in Ordnung?", platzte es nun doch aus mir heraus und ich spürte, wie sich auch der letzte Ärger ob seiner Einmischung zu verflüchtigen begann, auch wenn ich das eigentlich gar nicht wollte.
Ralfs nachdenklicher Blick traf auf den meinen, woraufhin er sich gleich wieder von mir abwandte und nach einem längeren Moment der Stille antwortete: "Ja, er... liegt im Uniklinikum.", was mich unmittelbar dazu veranlasste, ordentlich auf's Gas zu treten, In der Hoffnung, dieser nervig erdrückenden Stimmung zu entkommen.
Eine knappe Viertelstunde später betrat ich mit Ralf die Klinik.
Sowie wir in Richtung Empfang gehen wollten, hörten wir das beängstigende Geschrei einer Frau. Das war nun wirklich nicht dazu angetan, meine Stimmung zu heben und mir wurde plötzlich wieder bewusst, welche Aversion ich gegen Krankenhäuser hatte, gegen den Geruch, der sich in den Gängen hielt, gegen die gewienerten Böden, die weißgekittelten Gestalten, die weinenden und bangenden Angehörigen und gegen all das Leid, die Krankheit und der Tod, der einem von überall entgegenwehte, nicht nur von den Kranken, die in ihren Betten teils auf den Gängen auf Untersuchungen warteten.
Wenige Sekunden später riss mich das Ertönen mehrerer Schüssen, die mir klarmachten, das Geschrei falsch beuteilt zu haben, aus meinen Gedanken. Während mein Puls unwillkürlich zu rasen begann, sah ich mich hektisch um, nach einer möglichen Deckung genauso wie nach dem Ursprung der Schüsse, denn ich wollte keinesfalls in ebendiese Richtung laufen. Über den stückweise offenen Gang des ersten Obergeschosses, der unmittelbar über der Rezeption lag, rannten zwei Leute, ein jüngerer Mann und eine Frau mittleren Alters, in den rechten Flügel.
"Was geht da vor?", fragte ich, während ich zeitgleich instinktiv hinter dem Tresen der Rezeption Schutz suchte.
Während weitere, immer präsenter werdende, Schüsse ertönten und wir, an den Tresen gelehnt mit dem Eingang im Blick, mit dem Rücken zum Geschehen hockten, stotterte Ralph, "Wir müssen hier weg!", als plötzlich ein paar Leute, die bisher noch wie angewurzelt im Eingangsbereich standen, mit dem Blick nach oben verzweifelt Schutz suchend in alle Richtungen liefen, was mich dazu veranlasste, es für keine gute Idee zu halten, durch einen kurzen Blick herausfinden zu wollen, was auf dem Durchgang vor sich geht.
Ralph wurde offenkundig von dieser einsetzenden Panik miterfasst, denn er erhob sich und rannte los, hin zum Ausgang, ohne auch nur einen Blick hinter sich zu werfen, was mich trotz der angsteinflößenden Situation den Kopf schütteln ließ, während ich ihm nachrief: "Bleib hier, Ralph, das ist keine gute Idee!"
Kaum hatte ich ihm das zugerufen, musste ich beobachten, wie Ralph, dicht gefolgt von einem weiteren einschneidenden Knall eines unmittelbaren Schusses, ohne jegliche erkennbare Bemühungen, dem Aufprall entgegenzuwirken, im Sprint zu Boden ging, wo er sich nach dem Aufprall noch ein paar Mal überschlug und eine immer größer werdende Blutspur hinterließ.
Fassungslos starrte ich ihn an mit einem plötzlich aufwallenden Gefühl von Unwirklichkeit und dem starken Drang, sofort zu ihm zu sprinten und ihm zu helfen, was jedoch von meinem unmittelbar wieder einsetzenden Verstand verhindert wurde, der Bilder von Filmen vor meinem inneren Auge ablaufen ließ, Bilder, in denen genau solche Rettungsversuche mit dem Tod des Retters belohnt wurden.
Aus meinem äußersten Blickwinkel erkannte ich, begleitend von einem dumpfen Geräusch, wie jemand rechts von mir auf den Tresen landete, wodurch ich meinen Blick langsam in dessen Richtung wandte und in die Augen eines Mannes mit einer geschulterten Schrotflinte blickte, der mich für ein ein paar Sekunden ansah und dann lächelnd sagte, "Du wirst mit uns kommen", was mich nach einigen Sekunden, die ich brauchte, die Situation halbwegs zu erfassen, in leichte Panik versetze und mich veranlasste am ganzen Körper zu zittern, ehe ich beim Versuch aufzustehen, um davonzulaufen, lediglich über mein linkes Knie stolperte und nun regungslos am Boden lag und hoffte, dass es mich nicht auch treffen würde.
Doch dieser Totstellreflex, der im Tierreich oft von Erfolg gekrönt wurde, zeigte bei dem Mann mit der Schrotflinte keinerlei Wirkung, denn er stieß mir den Lauf erst recht unsanft in den Rücken, bevor er mich an den Haaren aus meiner liegenden Position zog, um mich mit einem in mein Ohr geraunten "zum Liegen wirst du noch Gelegenheit genug bekommen ..." mit sich gen Ausgang zu ziehen.
Meine Gedanken, was nun mit mir passieren oder, ob ich das Alles überleben könnte, wurden vom Anblick Ralphs unterbrochen, dessen lebloser Körper in einer immer größer werdenden Blutlache lag und mir die letzte Hoffnung nahm, dass er möglicherweise noch am Leben sein könnte, unterbrochen, bis mir die, vor Angst entstellten Gesichter der Leute, die sich in unmittelbarer Nähe aufhielten, erneut die Ernsthaftigkeit meiner Situation klarmachten und mir Anlass zu der Annahme gaben, dass meine Chancen relativ schlecht stehen würden, wenn ich mich von diesen Leuten einfach mitnehmen lassen würde.
Allerdings war ich Realist genug, um zu wissen, dass mir mit einer immer noch auf mich gerichteten Schrotflinte und den Haaren in der Hand meines Peinigers nicht viele Alternativen blieben, als zumindest im Moment der doch recht brutalen Aufforderung Folge zu leisten, in der Hoffnung, dass sich auf dem weiteren Weg eine Möglichkeit zur Flucht ergeben würde, bevor ich das gleiche Schicksal erleiden würde wie Ralph, dessen nun starr geöffnete Augen mir nachzublicken schienen, obwohl das physisch kaum noch möglich sein konnte.

Draußen angekommen wurden wir bereits von einem schwarzen Bus und drei davor positionierten bewaffneten Männern erwartet, die mir unangenehme Blicke zuwarfen und mir unmittelbar in den Bus folgten, der sich kurz darauf in Bewegung setzte.
Als ich das sah, drängte sich mir unweigerlich der Gedanke auf, dass die es auf mich abgesehen hatten, dass der Überfall auf das Krankenhaus auf irgendeine Weise mir gegolten hatte, auch wenn ich mir keinerlei Reim darauf machen konnte, wieso ein Teil der Verbrecher aus dem ersten Stockwerk gekommen war und was das Ganze überhaupt sollte.
Nach ungefähr einer Minute, die ich zu nutzen versuchte, um wieder halbwegs zur Besinnung zu kommen, sah mich der Typ, der mich in den Wagen zerrte musternd an, während er sich eine Zigarette anzündete, bis er schließlich mit zusammengezogenen Augen und in einem gehässigen Ton fragte: "Na, bist du sauer, weil ich deinen Freund umgelegt habe?"
Für einen Moment war ich perplex und starrte den Mann sprachlos an, doch dann schlüpfte die Frage wie von alleine über meine Lippen: "Du hast ihn umgelegt, weil du denkst, er war meine Freund?"
"Ich hab' ihn umgelegt, weil er dämlich war, weil er geglaubt hat, einer Kugel davonrennen zu können - und weil er unserem Auftrag im Weg stand." Langsam kam mir der Satz im Gehirn an, aber so ungefähr den Sinn verstand ich im ersten Moment nicht, bis es mir so langsam dämmerte.
"Mich entführen ist euer Auftrag?", fragte ich daher auch, wobei ich nicht umhin konnte, vermutlich recht verwirrt und irritiert auszusehen, immerhin hatte ich noch keinerlei blassen Schimmer, was das Ganze wirklich sollte.
"Das würde dir gefallen, nicht wahr Prinzessin?", murmelte einer der anderen Entführer, der mir gegenüber saß, und mir die gesamte Zeit unverblümt auf meine Brüste starrte. Nur kurz streifte mein Blick den Mann, dann entschied ich mich, seine lüsternen Blicke genauso zu ignorieren wie seinen gemurmelten Kommentar und ich sah stattdessen weiterhin auf den Mann, der der Anführer zu sein schien, und fragte: "Und ich bin eurem Auftrag förderlich, was auch immer das für einer ist?"

"Ich hoffe - auch für dich selbst -, dass du uns helfen wirst, jemanden zu finden: Pawel Walczak ... oder für dich vielleicht eher Martin", entgegnete er, wobei er den Namen meines Ex-Freundes abfällig betonte.
Nur sehr langsam sickerte das Gesagte in mein Bewusstsein, während zeitgleich Ralfs Worte durch meinen Kopf schossen: er hat einen Doppelgänger, einen eineiigen Zwilling ..., was mich erst nach einer kurzen Pause, in der sich meine Gedanken wieder sortierten, möglichst unbedarft sagen ließ: "Aber Martin liegt im Krankenhaus, ich wollte ihn dort gerade besuchen ..."
"Du bist nicht sonderlich schlau, oder glaubst du, dass wir dieses Gespräch führen würden, wenn er dort gewesen wäre?"
"Er war nicht da?", fragte ich jetzt doch einigermaßen perplex und sprach weiter: "Aber es ging ihm doch so schlecht, da ist er sicher nicht einfach aus dem Krankenhaus weg ..."
"Pawel war nicht da - und du kannst dir sicher sein, dass meine Männer die Suche sehr genau genommen haben - aber wenn er erfährt, dass wir seine Liebste haben, wird er schon auftauchen."
"Liebste?" Ich lachte auf und meinte mit einem Kopfschütteln: "Da seid ihr völlig unterinformiert, denn er hat längst eine andere ... vielleicht hättet ihr lieber die entführen sollen."
"Meiner Erfahrung nach liegt jemandem, der sich aufgrund einer Frau ins Koma fährt, meistens auch noch was an dieser Frau, glaubst du nicht?"

Ich schüttelte den Kopf und sah aus dem Fenster, denn ich hatte keine Ahnung, wieso Martin tatsächlich diesen Unfall hatte und ob er wirklich zu mir wollte, wie Ralf behauptet hatte, genauso wenig wie dieser Mann es wissen konnte. Der Kleinbus holperte inzwischen durch ein mir unbekanntes Gewerbegebiet mit zugewucherten Bürgersteigen, baufälligen Backsteingebäuden und zerbrochenen Fensterfronten, keine Menschenseele war weit und breit zu sehen. Der Anblick der verlassenen und heruntergekommenen Gegend ließ ein mulmiges Gefühl in mir aufsteigen und auch, wenn ich eben noch den Gedanken an das, was mir bevorstehen mochte, weit nach hinten hatte schieben können, schob er sich jetzt vehement in den Vordergrund. Wenig später bog der Bus in eine Seitengasse und hielt abrupt vor einem massiven Rolltor, dessen einwandfreier Zustand in krassem Kontrast zur Umgebung stand. Nur kurz darauf hob sich das Rolltor und der Bus fuhr ins Innere, das durch mehrere grelle Deckenlampen ausgeleuchtet war und Blick auf eine wenig einladende nüchterne Lagerhalle freigab. Kaum war er hindurch gefahren, wurde die Seitentür aufgerissen und ich sah erneut in den Lauf einer auf mich gerichteten Waffe. "Los, da rein", gab mir der Pistolenträger, der bisher noch keine einzige Silbe gesprochen hatte, den Befehl und damit die Richtung vor, während er mir gleichzeitig die Waffe so fest in den Rücken bohrte, dass ich einen Aufschrei nicht unterdrücken konnte. Die anderen Beiden waren ebenfalls ausgestiegen und gingen vorweg. Einer von ihnen hielt eine schwere Türe auf, hinter der ich einen hell erleuchteten Raum sehen konnte, während der Mann mit der Schrotflinte uns schweigend folgte, möglicherweise um dadurch meine Furcht anzufachen, was aufgegangen wäre, wenn nicht der Pistolenträger erneut das Wort ergriffen hätte: "Setz dich hin!"

Während ich auf einem kalten Metallstuhl Platz nahm, konnte ich durch die offenstehende Tür hindurch sehen, dass der vierte Entführer offenbar noch hinter dem Steuer des Busses saß und ihn wieder aus der Halle hinaus steuerte. "Arme hinter den Rücken", kam es als nächstes vom Pistolenträger, der irgendwie das Kommando übernommen hatte, während der Mann mit der Schrotflinte, der die ganze Fahrt über die Reden geschwungen hatte, den Raum durch eine weitere Stahltüre verließ, nicht ohne vorher einem der anderen beiden verbliebenen etwas ins Ohr zu flüstern, was ich jedoch nicht verstehen konnte. Meine Arme wurden schmerzhaft fest an die Stuhllehne gefesselt, dann zog sich der Entführer einen zweiten Stuhl heran und setzte sich rittlings mir gegenüber hin. Beugte sich vor und begann mir etwas ins Ohr zu flüstern. "Wir haben jetzt eine Menge Zeit und die werden wir beide nutzen", hauchte er an mein Ohr und wenn schon nicht die Art, wie er die Worte quasi in mein Ohr gleiten ließ, einen eisigen Schauer über meinen Rücken laufen ließ, so vermochte dies seine Wange, die er provokant sachte an meiner rieb. Ein Blick von ihm genügte und auch der dritte Mann verließ den Raum und ließ mich mit dem Pistolenträger allein. Der stand von seinem Stuhl auf, drehte diesen herum und setzte sich nun so mir gegenüber, dass seine Beine sich provokant zwischen meine drängten und sie auseinanderschoben, während er sich wieder ganz nah zu mir beugte und mir mit einem süffisanten Grinsen tief in die Augen sah. "Nun, was sollen wir jetzt machen?" kam die sehr einfache Frage, die doch sehr sehr bedrohlich wirkte. Ehe ich mir eine Antwort zurechtlegen konnte, erschütterte eine Explosion die gesamte Lagerhalle, mit quietschenden Reifen schien Augenblicke danach im angrenzenden Raum ein Fahrzeug zum Stehen zu kommen und stakkatoartig ertönten Schüsse.
Grade als ich mir die Frage stellen wollte, in was für einen Alptraum ich da geraten war, sprangen drei Männer von der Ladefläche des Fahrzeugs, eröffneten das Feuer auf mein Gegenüber, was mir ein weiteres ungewolltes Blutbad direkt vor meinen Augen bescherte, wobei eine der Kugeln ein Stück der Rückenlehne meines Stuhles wegriss. Ich konnte mit ansehen, wie eine Kugel durch den Kopf des Mannes schoss, der mir gegenüber saß. "Pass auf, du Idiot!", Schrie einer der Männer, die auf meine sich versteckenden Entführer schießend in meine Richtung rannten, "Stell dir vor, du hättest sie getroffen."
Fassungslos hörte ich die Worte und verstand absolut nichts mehr, was genau ging hier jetzt vor. Ich hatte null Ahnung, was jetzt kommen sollte oder wer diese Männer waren. Doch zunächst war ich dankbar, dass einer von ihnen mich vom Stuhl losschnitt und mir erstaunlich sanft hochhalf, während sich einer der anderen beiden mit gezogener Pistole gehetzt wirkend umsah und dabei ausstieß: "Und jetzt nichts wie raus hier ..."
Obgleich dieser Typ einen ganz schön angsteinflößenden Gesichtsausdruck hatte, kam ich nicht umhin, diese Idee ziemlich gut zu finden, woraufhin ich etwas verängstigt vom Stuhl sprang und wild um mich blickend, ohne ein Wort von mir zu geben, in Richtung des Wagens stolperte. Als ich fast stürzte, packte mich der, der eben noch gerufen hatte, recht unsanft am Arm und zog mich mit sich, was zwar äußerst schmerzhaft war, aber auch verhinderte, dass ich tatsächlich zu Boden ging.
"Habt keine Angst, wir bringen euch in Sicherheit.", sprach er mit fast übertrieben freundlicher Stimme zu mir, während sich seine Hand an meinem Arm lockerte.
Euch ...
wiederholte ich in meinem Kopf und fragte mich, wen er da meinte, war ich immerhin alleine hierherverschleppt worden.
Nachdem ich den Mann für eine Weile mit einer Mischung aus Verwirrtheit und Ängstlichkeit ansah, legte er seine Hand auf meinen Rücken und sagte, "Kommt jetzt bitte, wir erklären euch alles, wenn wir in Sicherheit sind", wodurch ich mir jetzt die Frage stellen musste, ob man mich wohlmöglich verwechselt haben könnte, was ich allerdings nicht unbedingt thematisieren wollte, bevor ich die Gewissheit hatte, in Sicherheit zu sein.
Ich kam auch nicht zu weiteren Überlegungen, denn der Druck in meinem Rücken verstärkte sich jäh und ich wurde vorangetrieben, was auch gut war, denn kaum hatte man mich kurz darauf mehr oder weniger auf der Beifahrerseite in den Wagen bugsiert, brach draußen auch schon die Hölle los ...
"Wir kommen jetzt raus", sprach der Fahrer des Wagens in ein Mikrofon an seinem Körper, woraufhin er den Wagen wenige Sekunden später trotz weiterer Schüsse, die außerhalb des Gebäudes fielen, in Bewegung setzte.
Durch die rasante Anfahrt wurde ich in den Sitz gepresst und griff instinktiv nach dem Sicherheitsgurt, so unsinng das in meiner Situation auch erscheinen mochte und während ich noch nach dem Teil angelte, preschte der Wagen durch das Rolltor, das anders als bei der Herfahrt völlig zerbeult und zerquetscht war, und ließ kurz darauf die noch fallenden Schüsse und das Schreien hinter sich, um mit hohem Tempo durch die verlassene Gegend zu brausen.

Nach einer Weile anhaltender Todesangst, die ich damit zubrachte, mich zu beruhigen, fuhren wir bereits auf dem Highway durch die Stadt und obwohl es für alle offensichtlich sein musste, dass mir unendlich viele Fragen durch den Kopf schossen, brachte ich kein einziges Wort hervor, während ich daran dachte, dass ich vor wenigen Stunden noch zusammen mit Ralph auf der gleichen Straße ins Krankenhaus fuhr.
Die monotone Fahrt, das Schweigen des Fahrers und des Mannes, der mich mit "euch" angeredet hatte und nun ebenfalls neben mir auf der breiten Sitzbank des Wagens saß, sowie die Strapazen des Tages mit all seinen unglaublichen und schrecklichen Wendungen, führten dazu, dass es nicht lange dauerte und ich fiel in einen tiefen Schlaf, in dem wirre Träume mich heimsuchten.
Nach einer gefühlten Ewigkeit wachte ich langsam wieder im leeren Wagen auf und blickte von einem großen Hof aus auf ein großen Anwesen, vor dessen Eingang ein Mann und eine Frau standen, die in meine Richtung blickten, als ich plötzlich durch ein Geräusch neben mir den Kopf zur Seite drehte und ein Mädchen neben mir auf dem Sitzbank sah, das auf ihrem Smartphone tippte.
"Wer bist du?", fragte ich, doch statt einer Antwort hörte das Mädchen auf zu tippen, sah mich mit großen Augen kurz an, bevor sie die Türe öffnete, um sich vom Sitz nach draußen gleiten zu lassen und zu rufen: "Mami, sie ist jetzt wach!"
Nur wenige Sekunden später vernahm ich den Klang von Absätzen, die sich dem Wagen näherten, während mich das kleine Mädchen mit großen Augen angrinste, bis an ihrer Seite eine wunderschöne Frau in schwarzem Blazer und schwarzen Jeans auftauchte und mir entgegenlächelte, "Du musst hungrig sein. Lass uns reingehen.".
Ich brauchte einen Moment, bevor ich reagierte und es fast automatisch über meine Lippen kam: "Wo bin ich hier?", während der Gedanke an etwas zu essen mich mit knurrendem Magen wie von alleine aussteigen ließ.
"Eine sehr enge Freundin deiner verstorbenen Eltern, Marie.", erwiderte die Frau, "Ich war so frei, dich in eine... weniger aufregende Umgebung bringen zu lassen. Aber lass uns drinnen weiter reden".
Eine Freundin meiner Eltern?, fragend sah ich zu der Frau, die sich als Marie vorgestellt hatte, und versuchte, einen Zusammenhang zwischen den Ereignissen von ... ja, von wann? Wieviel Zeit war vergangen?
Trotzdem, oder gerade deshalb, weil ich so viele Fragen hatte, stieg ich aus dem Auto aus und folgte dieser wunderschönen Frau. Das kleine Mädchen ging mit durch die große und einladende Tür.
"Dann...", brach ich die Stille, die ansonsten nur durch die Absätze dieser Frau gestört wurde, "habe ich meinen Name also durch dich bekommen?, woraufhin das kleine Mädchen vor uns auf der Treppe, die wir grad hinaufstiegen, stehen blieb und mich mit großen Augen ansah, "Dann heißt du genauso wie meine Mutti?".
Ich nickte stumm und die Frau erklärte dem Mädchen in freundlichem Ton: "Ja, ihre Eltern haben sie nach mir benannt, weil ich ihre Patentante bin", während ich aus den Augenwinkeln den Mann bemerkte, der zuvor noch vor dem Eingang gestanden hatte und der mich jetzt neugierig von oben bis unten musterte.
"Also wirklich Tom, wie unhöflich von dir, eine junge Dame so anzustarren.", sprach meine Patentante in einem sehr charmanten und belustigten Ton, bis sie sich ihrer Tochter zuwandte: "Lisa, willst du Maria nicht ihr Zimmer zeigen? Mama hat noch etwas zu erledigen."
Der mit Tom Angesprochene zuckte kurz zusammen und wandte sich demonstrativ ab, während das Mädchen mit einem Grinsen nach meiner Hand griff, um mich wohl zum entsprechenden Zimmer zu führen, was ich jedoch mit einem kopfschüttelnden "Ich möchte jetzt kein Zimmer sehen, ich möchte wissen, was das Ganze soll, wieso ich hier bin, welche Rolle Sie spielen", ablehnte, da mir die gehäuften freundlichen Reaktionen der mir völlig fremden Menschen suspekt zu erscheinen begannen.
Für einen kurzen Moment sah mich Marie etwas überrascht an, bis sie ein leichtes Lächeln aussetze und sagte: "Du kommst ganz nach deiner Mutter. Also schön, folge mir. Ich möchte dir etwas zeigen.".
Kurz darauf standen wir in einer Art Arbeitszimmer, dessen Fenster durch herabgelassene Rolläden verdunkelt waren und das durch eine relative nüchterne Deckenbeleuchtung erhellt wurde und die Frau, die sich als Marie vorgestellt hatte, wies mit einer Hand auf eine Wand, die voll gespickt war mit Karten, Zeichnungen, Fotografien, Skizzen, Zeitungsausschnitten und allem, was man aus jedem guten Krimi kannte.
Sowie ich an die Wand herantrat, fielen mir Artikel und Fotos über jene Serie von Einbrüchen und Diebstählen von vor einigen Jahren auf, bei denen Wertsachen und geheime Dokumente in einem Wert von einigen Milliarden entwendet wurden.
Doch dann fiel mein Blick auf ein Foto von Martin oder besser gesagt viele verschiedene Fotos von Martin, bei denen er jedes Mal anders aussah und ich näher herantreten musste, um überhaupt mit Gewissheit sagen zu können, dass es sich um meinen Ex-Freund handelte, was noch dadurch erschwert wurde, dass die Fotos die unterschiedlichsten Namen trugen wie Martin Bauer, Pawel Walczak, Gordon Scott und Francois Michel.
Nach einem anhaltenden Moment der Stille, in dem mein Herz vor paranoiden Gedanken raste, fing Marie zu meinem leichten Entsetzen herzhaft an zu lachen, bis sie sich letzten Endes ein wenig beruhigte, um mir zu erzählen, "So gern ich auch wüsste, was in diesem Moment in deinem Kopf vorgeht, möchte ich dich nicht auf die Folter spannen, denn du musst wissen, dass all diese Diebstähle... deine Eltern und ich geplant haben.", was meinen Puls für einen kurzen Moment gegen Null tendieren ließ, was Marie allerdings nicht davon abhielt, lächelnd fortzufahren, "Versteh' das bitte nicht falsch. Wir sind keine Verbrecher und haben lediglich nach unserem eigenen Gerechtigkeit gehandelt. Denn du musst wissen...", bis ich sie mit einer Frage, die mir plötzlich durch den Kopf schoss, unterbrach: "Martin! ... Was hat er damit zu tun?".
Marie stutzte und ich sah, wie sie für einen kurzen Moment die Fassung verlor, doch sie fing sich rasch wieder und erklärte mit erneut souverän klingender Stimme: "Da ist was aus dem Ruder gelaufen, wir sind noch dabei, die Einzelheiten herauszufinden, aber was wir schon wissen ist, dass es jemanden gibt, der wie Martin aussieht und das zu seinem eigenen Vorteil nutzt."
Das klang so verrückt, dass es nicht erfunden sein konnte, aber dennoch zu verrückt, dass ich die Geschichte einfach glauben könnte, "Du willst mir doch nicht etwa den bösen Zwilling auftischen, oder?".
Marie lachte - auch wenn ihr Lachen ein wenig gezwungen klang - und erwiderte: "Nein, einen biologischen Zwilling konnten wir ausschließen, aber noch nicht vom Tisch ist, dass er Martin einfach ähnlich sieht, aber auch eine Gesichtsoperation können wir nicht ausschließen, genauso wenig, dass er eine sehr gut gemachte, professionelle Maske trägt."
"Ehhh... ", begann ich mit einem Gesichtsausdruck, der ganz offensichtlich erkennen ließ, dass ich absolut nicht verstand, was das alles zu bedeuten hatte, "und was genau macht dieser ... falsche Martin?".
Marie legte einen Arm um meine Schulter, was ich irgendwie mit mir geschehen ließ, und meinte mit einem Lächeln: "Wie wäre es, wenn du dich erst mal ein wenig frisch machst und dich umziehst? Ich richte uns inzwischen etwas zu essen her und dann können wir alles in Ruhe bei einem gemeinsamen Mahl besprechen."
Ich hatte das Gefühl, als könne das noch eine sehr lange Unterhaltung werden und da sich meine Begierde, wissen zu wollen, was hier vor sich geht, in Anbetracht dieser scheinbar verrückten Geschichte deutlich geschmälert hatte und mittlerweile von meinem Hunger überholt wurde, nickte ich nur etwas zögerlich.

"Lisa, zeigst du Marie jetzt ihr Zimmer?", forderte meine Patentante das Mädchen auf, das sich inzwischen an den Schreibtisch gesetzt hatte und dort mit Buntstiften ihrer Kreativität freien Lauf ließ, woraufhin die Kleine mit strahlenden Augen zu mir gelaufen kam, mich völlig vorbehaltlos an der Hand fasste und mich ohne weitere Worte mit sich zog, die Treppe hinauf und hinein in das erste Zimmer, das auf der rechten Seite eines langen Korridors lag.
Wir standen in einem großen schön eingerichteten Zimmer, welches durch das Licht, das durch die Türen der anliegenden Terrasse hereinströmte, erleuchtet wurde, als ich in Anbetracht dessen, was ich von dem Anwesen bereits gesehen hatte, eher mittelmäßig überrascht meinen Blick durch das Zimmer schweifen ließ, kam ein Dienstmädchen aus einem Nebenzimmer, das ich bis zu diesem Zeitpunkt noch garnicht registriert hatte, musterte mich kurz und lächelte mir mit einer kleinen Verbeugung entgegen "Das Badewasser ist eingelassen. Bitte sagt mir, wenn ihr etwas braucht.", was mir allerdings ein wenig unangenehm war, jedoch nicht zum Ausdruck bringen konnte, da sich sowohl das Dienstmädchen als auch Lisa mit den Worten "Ich bin gleich im Zimmer nebenan, wenn du mich suchst." unmittelbar danach aus dem Zimmer zurückzogen.
Mir blieb nur wenig Zeit, mich im Zimmer umzusehen, kurz die Beschaffenheit des luxuriösen Betts zu testen und mich wieder zu erheben, um nach dem angrenzenden Badezimmer zu sehen, als auch schon ein schriller Ton losging und dazu plötzlich das Zimmer in ein in regelmäßigen Abständen leuchtendes Rot getaucht wurde, das - wie ich schnell erkannte - von einer über der Türe angebrachten Leuchte herrührte, die ganz offenkundig Bestandteil einer wie auch immer gearteten Alarmvorrichtung war.
"Ich hab' das Gefühl...", murmelte ich ein wenig genervt vor mich hin, "als müsste mein Bad etwas warten.", worauf ich mich einfach aufs Bett warf und den Schritten draußen auf dem Gang lauschte, die nach ca zwei Minuten verstummten, was mich dazu brachte, mich vom Bett zu schwingen und zur Tür zu gehen, um nachzusehen, was vor sich ging.
Vorsichtig machte ich die Tür einen Spalt auf um auf den langgezogenen Flur zu spicken. Ich konnte allerdings nur noch die letzten Schritte von der Kleinen sehen, also machte ich die Tür zu und wendete mich dem Raum zu, wo anscheinend das Badewasser auf mich wartet ...
Etwas gleichgültig und genervt von dem, was mir den ganzen Tag widerfuhr, hinterließ ich auf dem Weg ins Bad eine Spur mit meinen Klamotten, stieg in die Wanne und vergaß alles um mich herum, bis ich nur wenige Minuten später einnickte.
Doch mir sollte kein langes Badevergnügen beschieden bleiben, denn kaum war ich eingenickt, riss mich jemand auch schon wieder äußerst unsanft aus dem Wasser hoch und zerrte mich förmlich aus der Wanne, während eine mir unbekannte männliche Stimme mir ins Ohr zischte: "Du bist wohl von allen guten Geistern verlassen! Hast du den Alarm nicht gehört? Jetzt ist wirklich nicht die Zeit für ein Nickerchen in der Wanne ... Ich glaub's ja nicht ..."
Völlig schlaftrunken ließ ich mich aus der Badewanne ziehen und stand ein paar Sekunden nackt, den Blick aufs Wasser gerichtet, vor dem Mann bis ich wenige Sekunden später unangenehm realisierte, dass ich nichts anhatte und den Mann, der in diesem Moment mit einem Handtuch neben mit auftauchte, im Affekt in die Wanne stieß.
Als ich das perplexe Gesicht des gar nicht mal so unattraktiven Mannes in der Wanne sah, musste ich laut loslachen, was mir einen bitterbösen Blick einbrachte, den der etwa 30Jährige auch noch zeigte, nachdem er sich sehr geschmeidig und flott wieder aus dem Wasser geschwungen hatte, tropfend und sich für einen kurzen Moment schüttelnd wie ein Bernhardiner.

Als wenige Sekunden meines Gelächters später meine Priorität erneut auf die Tatsache, dass ich nackt vor ihm stand, fiel, hörte ich aprupt auf zu lachen und stieß meine Hände nach vorne, um ihn erneut in die Wanne zu stoßen, als mein Blick plötzlich an seinem nassen Shirt hängen blieb, was seinen muskulösen Körper ... verdammt gut zur Geltung brachte, und mein angetzter Stoß endete damit, dass meine Hände ganz sanft auf seinen Oberkörper klatschten und neben meinen Augen jetzt ebenfalls erstmal dort fixiert waren, bis er gefühlte zehn Sekunden später langsam das klatschnasse Handtuch über meine Arme legte, die weiterhin zu seinem Oberkörper ausgerichtet waren.
Nur kurz darauf hatte er mich in wenigen gezielten Bewegungen so um meine eigene Achse gedreht, dass mein Rücken gegen die Vorderseite seines Körper gepresst wurde, während er mit seinem muskulösen Unterarm das nasse Handtuch vor meinem Körper fixierte und mich, meine Arme bewegungslos eingeklemmt, aus dem Zimmer bugsierte.
"Eh... Hey!", rief ich leicht entsetzt, "Nur, weil du gut aussiehst und durchtrainiert bist, gibt dir das nicht das Recht, mich so zu behandeln!", was mir bereits in dem Moment, in dem ich es aussprach, etwas peinlich war, aber offenbar den gewünschten Effekt hatte, da er mich kurz darauf losließ und mir so die Möglichkeit gab mit einem spontanen Anschein, beleidigt zu wirken, meine würde widerherzustellen.
Doch wenn ich gedacht hatte, dass ich nun die Oberhand gewinnen würde, hatte ich mich getäuscht, denn der Mann drehte sich einfach auf dem Absatz um und ließ mich stehen, um gleich darauf mit großen Sätzen die Treppe hinunterzueilen, während er fast wütend ausstieß: "Die hätten dich einfach dort lassen sollen, dann hätten wir ein Problem weniger."
Nach einem kurzen Moment, den ich brauchte, um zu realisieren, dass mein neuer Lieblingsplayboy ein ganz schön großes Arschloch war, rief ich ihm leicht angepisst "Was hast du-" hinterher und stampfte dabei wütend auf die übernächste Stufe auf, um ihm zu folgen, rutschte jedoch aufgrund meiner nassen Füße aus, machte beim Versuch, nicht auf den Hintern zu fallen, einen recht ungeschickten Satz nach vorne und riss uns ein paar Stufen später beide nach unten, wo ich im Gegensatz zu meinem Charmeur relativ weich landete und auf sein anschließendes langes Seufzen nur noch "Nimm das!" murmelte.
Doch fast im gleichen Moment wurde mir die Absurdität der Situation klar und auch, wie tolpatschig ich mich schon wieder einmal benahm und das innerhalb nur weniger Minuten, so dass ich mich an meiner Oberhand, die ich eindeutig schon aus meiner Position heraus besaß, nicht wirklich lange erfreuen konnte, sondern stattdessen lieber das Handtuch schnell um mich schlang, um mich so rasch wie möglich aufzurappeln und einige gehörige Schritte zwischen den von mir zu Fall Gebrachten und mich zu bringen.
Gleich darauf richtete er sich ebenfalls auf, atmete tief ein und stand ein paar Sekunden, mir den Rücken zugewandt, regungslos da, ehe er mich überraschend ausdrucklos ansah, an mir vorbei ging und mir noch im Vorbeigehen sagte: "In deinem Zimmer liegen frische Klamotten. Du solltest dich erstmal umziehen und dann nachkommen.".
Das wiederum ließ mich perplex zurück, denn hatte er nicht gerade noch gedrängt, dass ich mitkommen sollte, mich quasi aus der Wanne gezerrt und mich auf den Alarm aufmerksam gemacht, der - wie ich feststellte - immer noch anhielt und jetzt machte er auf einmal auf cool und überließ es mir, wann ich mich dazu bequemte, nachzukommen?
Ich hatte allerdings keine Lust, groß weiter darüber nachzudenken, zumal ich die Idee mit den Klamotten angesichts des nassen Handtuches, dass ich trug, garnicht so schlecht fand, woraufhin ich mich auf direktem Wege zurück in mein Zimmer machte, mich abtrocknete und bei den Sachen bediente, die auf dem Tisch lagen.

Kaum war ich angezogen, fühlte ich mich wie ein neuer Mensch, Tatendrang durchzog mich und ich verließ ein weiteres Mal das Zimmer, um zu sehen, wo die anderen hin waren, was sich jedoch recht schnell als langwieriger und schwieriger herausstellte als gedacht, da das ganze Haus mit einem Mal wie ausgestorben wirkte und der gleichmäßig schrille Ton, der insbesondere im Treppenhaus mehr als deutlich zu hören war, mir eiskalte Schauer über den Rücken laufen und mich innehalten ließ.
Dieses ganze Szenario ließ mich kurz an Resident Evil denken, als Alice im Krankenhaus aufwachte, was nach genauerem Nachdenken jedoch nicht wirklich vergleichbar war und so entschied ich mich kurz um, den Weg über die Treppe zurück nach unten zu nehmen.
Kurz überlegte ich, ob ich rufen sollte, doch ich beschloss, dass es wohl besser wäre, möglichst leise zu sein, weil ich überhaupt nicht einschätzen konnte, ob es tatsächlich eine Gefahrenlage gab oder ob sich alle nur irgendwo in die Scheune verzogen hatten, um mir einen Streich zu spielen, Gedanken, die mich bei meinem automatisch schleichenden Gang durch das Haus begleiteten, einen Gang, der keinerlei Lebewesen zu Tage förderte, keine Spur von Marie oder den anderen.
Ich beschloss also, mich in Richtung des Eingangs aufzumachen und nahm den Gang, der mich an einer Reihe Fenster über einen Bogen zur Treppe, die hinab ins Erdgeschoss führte, führte, als ich zufällig aus dem Fenster sah und eine große Ansammlung von Leuten erblickte, die sich auf dem Hof vor dem Anwesen versammelt hatten und recht aufgebracht zu sien schienen, woraufhin ich so schnell wie ich konnte nach unten rannte, um zu ihnen zu stoßen.
"Das ist jetzt schon das dritte Mal in diesem Jahr, dass wir von Ihnen wie Verbrecher behandelt werden, nur weil wir uns Ihrem Anwesen nähern", sagte gerade der offensichtliche Rädelsführer, der sich Zustimmung heischend nach seinen Begleitern umblickte, die tatsächlich gleich nickten und mit "Genau", "Richtig", "Das geht so nicht" zustimmten, was Marie, die mit einem Lächeln dastand und sich das Ganze ruhig anhörte, nicht aus der Ruhe zu bringen schien, ganz im Gegenteil wies sie mit der Hand in meine Richtung bzw. in Richtung Eingang und bot sehr ruhig und freundlich an: "Mister Tucker, kommen Sie und auch Ihre Begleitung doch bitte auf ein Glas Tee oder Wein oder was immer Sie möchten herein, dann können wir alles in Ruhe besprechen."

Und so gingen Marie, der Mann, den Marie Mister Tucker nannte und vom Äußeren einem Kriegsveteranen glich, eine sympathische junge Dame, die nicht von seiner Seite wich, und weil ich das dringende Bedürfnis hatte, nicht wieder allein gelassen von seltsamen Typen heimgesucht zu werden, auch ich mit den dreien mit und so befanden wir uns kurze Zeit später erneut in dem Zimmer mit all den Zeitungsartikeln und den Fotos von Martin bzw. dem, der ihm ähnlich sah. Kaum traten wir alle in das Zimmer, sahen wir so viel Dokumente, die an den Wänden hingen, so wie auf den Tischen und anderen Möbelstücke lagen. Wenn wir all das durchschauen wollten, würden wir sehr sehr lange brauchen.
"Nun, Mister Tucker, hätten wir eine Einigung bezüglich einer Zusammenarbeit geschlossen, hätte ich Ihnen einen Schlüssel fürs Gartentürchen geben können und Sie würden nicht jedes Mal den Alarm auslösen.", lockerte Marie die leicht angespannte Stimmung auf, "Aber kommen wir zum Wesentlichen. Ohne Ihre Informationen hätten wir die kleine Marie wohl ihrem Schicksal überlassen müssen.", sagte sie in meine Richtung deutend, was nun auch den Blick der anderen beiden auf mich zog, deren erhellte Blicke mir sagten, dass sie Dinge über mich wussten, die mir selbst noch nicht zugetragen würden, was mich stirnrunzelnd den Blickkontakt mit Marie suchen ließ.
Doch Marie war offenbar zumindest im Moment nicht gewillt, mich weiter aufzuklären, stattdessen sprach sie weiter, was die Blicke der anderen wieder auf sie lenkte: "Hat Ihr Besuch heute also etwas damit zu tun, Mister Tucker oder was möchten Sie dieses Mal?"
"Unser Angebot, über Sie erst nachzudenken wünschten, war, dass wir als gleichgestellte Partner zusammenarbeiten.", erwiderte Mr Tucker, ohne zu zögern, "Die Unterstützung bei der Rettung der jungen Dame war für uns eine Selbstverständlichkeit. Wer wären wir, das als Druckmittel zu verwenden? Wir sind heute hier, weil Jamy Lanusta, der dieses Wochenende eine Kunstausstellung veranstaltet, eine sehr gute Gelegenheit wäre, mit einer Zusammenarbeit zu beginnen.".
Marie lächelte sanft und schwieg einige Augenblicke, bevor sie sehr ruhig erwiderte: "Wir schätzen Sie sehr, Mister Tucker, denn Ihre Informationen haben sich bislang immer als äußerst präzise und nützlich erwiesen. Aber als gleichgestellte Partner zusammenzuarbeiten kommt für uns nicht in Frage, das hatten wir Ihnen bereits mehrfach erläutert. Und was Jamy Lanusta anbelangt, haben wir dieses Wochenende schon andere Pläne."
Relativ emotionslos und offenbar wenig überrascht über Maries Antwort erwiderte Mr. Tucker: "Nun... dann lassen Sie mal hören."
Marie behielt ihr Lächeln bei und antwortete fast augenblicklich: "Sie verstehen sicher, Mr. Tucker, dass wir Sie zum momentanen Zeitpunkt nicht in unsere Pläne für das Wochenende einweihen können. Allerdings gäbe es da etwas, das Sie für uns tun könnten. Es ist nicht ganz ungefährlich und hat mit einem gewissen Herrn zu tun, der uns zunehmend Schwierigkeiten bereitet. Wenn Sie uns auch bei diesem Problem Unterstützung bieten könnten, wäre ich durchaus gewillt über eine Zusammenarbeit in der Zukunft nachzudenken, bei der Sie direkt am jeweiligen Projekt beteiltigt wären."
"Das ist wieder sehr viel Konjunktiv, den sie da verwenden", antwortete Mr Tucker, "Hören Sie, Mrs. Vermillion. Wir wissen beide, dass wir Ihnen viel schulden. Ich bewundere ihren Sinn für Gerechtigkeit sehr. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass wir Ihnen viel effektiver unter die Arme greifen können... Also, wie können wir Sie in der Sache unterstützten?".
Doch Marie kam nicht dazu zu antworten, da just in dem Moment mein Badewannenopfer auf lautlosen Füßen herangetreten war und ihr nun etwas ins Ohr flüsterte, was sie nach einigen Augenblicken des Zuhörens mit einem "Danke, Ryan", quittierte, um daraufhin zu Mister Tucker zu sehen und zu sagen: "Es tut mir Leid, Mister Tucker, aber ich muss Sie für einen Moment allein lassen, wir werden unsere Unterhaltung aber in Kürze fortsetzen. Bis dahin leisten Sie doch bitte Marie Gesellschaft." Während sie das sagte, kam ich nicht umhin, meinen Blick auf dem Ekel aus dem Badezimmer haften zu lassen, der sich als Ryan entpuppt hatte, was mir ohne dass ich es wirklich merkte, ein kleines Lächeln ins Gesicht zauberte, das noch dadurch gefördert wurde, dass Ryan sich in der Zwischenzeit offenkundig umgezogen hatte und nun ein umwerfend blaues Hemd trug, das fantastisch zu seinen ebenso blauen Augen passte.

Er und Marie verließen ohne weitere Ausflüchte den Raum und ließen mich mit Mr Tucker und seiner Begleiterin, die sich allerdings auch selbst gut abzulenken wusste, allein, was mir zunächst etwas unangenehm war, da ich die beiden erst vor wenigen Minuten das erste Mal gesehen hatte und es mir so vor kam, als hätte Marie den Raum mit einer Stimmung verlassen, die nicht im Sinne von Mr Tucker zu sein schien, was mich allerdings nicht von einer ganz bestimmten Frage ablenken konnte und so fragte ich ihn kurzum: "Was meinten Sie als sie sagten, dass sie meiner ... Tante viel schulden?", was nicht nur die Aufmerksamkeit von Mr Tucker, der mich leicht überrascht ansah, sondern auch die seiner jungen Begleiterin weckte. Anscheinend wusste sieauch noch nicht, was da eigentlich alles abging. Und da sie sehr neugierig war, war sie mehr als gespannt.
"Nun ...", begann Mister Tucker und sah mich zunächst so an, als würde er überlegen, wie viel er mir sagen konnte oder auch sagen durfte, bevor er etwas zögerlich fortfuhr: "Sie hat uns vor ein paar Jahren finanziell sehr unter die Arme gegriffen." Er sah zu seiner jugendlichen Begleiterin und ergänzte, nur für sie bestimmt: "Das war als deine Großmutter so schwer krank wurde und diverse Operationen brauchte ..."
"Ich kenne die Geschichte, Vater.", warf Mr. Tuckers Tochter recht emotionslos ein. "Das war doch auch als ihr euch mit einer großen Waffenlobby angelegt habt, was ohne die Unterstützung von Marie und ...Maries Eltern schwer nach hinten losgegangen wäre.", fuhr sie fort und begann mich etwas seltsam anzusehen. "Es ist echt nervig, dass ihr beide Marie heißt. Ich heiß' übrigens Anna und dich nennen wir einfach mal 'Mary'.", sagte sie lächelnd, den Zeigefinger aus dem Handgelenk heraus auf mich gerichtet.
Dass jetzt auch noch Mister Tuckers Tochter Anna anfing, über meinen Kopf hinweg über mich zu entscheiden, ging mir gehörig gegen den Strich und so platzte es aus mir weit unhöflicher heraus als ich es eigentlich wollte: "Nein, keiner nennt mich einfach mal 'Mary'! Und ihr ganz sicher nicht! Mein Name ist Marie und wenn ihr Probleme habt, uns beide auseinanderzuhalten, dann ist das euer Problem!" Passend zu diesem Ausbruch drehte ich mich auf dem Absatz um und folgte meiner Patentante und Ryan aus dem Zimmer.
Anna, die mich während meines kleinen Ausbruchs stirnrunzelnd ansah, fing kurz nach meinem Abgang an zu kichern und rief mir noch "Bis später, Mary!" hinterher. Auf dem Flur entlang laufend wusste ich jedoch nicht einmal, warum genau ich überhaupt so sauer wurde. Dieser Gedankengang wurde jedoch dadurch unterbrochen, dass Ryan sich kurz zu mir umdrehte, mich leicht abfällig ansah und seinen Blick mit einem "Tss!" wieder nach vorn richtete.
Ich ignorierte Anna, die mir mit einem Mal äußerst unsympathisch wurde, ebenso wie Ryan, dessen abfällige Art völlig unangebracht war, zumindest soweit ich das zum jetzigen Zeitpunkt beurteilen konnte, und fragte mich, wieso meine Patentante immer noch im Flur war, obgleich sie doch schon einige Minuten vor mir aus dem Zimmer gegangen war. Doch ich sollte sehr rasch eine Antwort erhalten, da Marie sich zu mir umsah und mich hektisch zu sich winkte.
Marie musste zunächst etwas kichern als ich auf sie zukam und flüsterte mir dann lächelnd ins Ohr: "Deine Mutter bekam auch manchmal schlechte Laune, wenn sie müde war." Sie sah kurz hinüber zu Ryan und musterte mich für ein paar Sekunden. "Du und Ryan habt offenbar einen schlechten Start gehabt. Ich versichere dir jedoch, dass er dich nicht hasst, auch wenn er es durch seine eigenwillige Art gut kaschieren kann. Deine Mutter und Ryan waren sehr gute Freunde, musst du wissen. Aber genug für heute. Ich werde dir morgen erklären, was es mit Jamy Lanusta auf sich hat. Jetzt solltest dich erstmal ausschlafen.", sagte Marie und suchte den Blickkontakt zu Ryan, "Ryan wird dich auf dein Zimmer bringen".
Eigentlich wollte ich nicht, das Ryan mich in mein Zimmer begleitet, aber da ich mich im Moment noch gar nicht in dieser Villa auskannte, fügte ich mich dem sogenannten Schicksal und lies mich von ihm in mein Zimmer bringen. Sie hatte auch recht, weil ich doch, von so viel Aufregung sehr müde war. Morgen war auch noch ein Tag.
Und der kam mit einem Paukenschlag, der es in sich hatte ...
 

Shishiza

Sehr brave Fee^^
Teammitglied
Mod
Nach einem schlechten Start in den Samstag entschied ich mich ( Marie, schwarze Haare, grüne Augen, Körbchengröße 75F), nicht auf Arbeit zu gehen und kehrte durchnässt in meine Wohnung zurück, in der ich bis Sonntag durchschlief.
Ralf, der Freund meines Exfreundes Martin, klingelte an meiner Tür und berichtete, dass mein Ex Martin im Koma liegt. Es ereignete sich wohl drei Wochen zuvor bei einem Motorradunfall. Da ich Martin beim Rumknutschen mit seiner Kollegin Sophie erwischt hatte, hatte ich den Kontakt zu ihm bereits zuvor abgebrochen.
In diesem Zusammenhang machte Ralf einen dummen Witz darüber, dass es sich um einen Doppelgänger oder seinen Zwillingsbruder gehandelt hätte, was ich allerdings nicht ganz so witzig fand wie er.
Gegen meine Motivation überredete Ralf mich letzten Endes, Martin im Unikliniku zu besuchen. Ich fuhr uns mit dem Auto. Dort angekommen machten wir Bekanntschaft mit bewaffneten finsteren Typen. Beim Versuch zu flüchten, töteten sie Ralf, der durch einen Schuss in der Eingangshalle niedergestreckt wurde.
Die Männer zerrten mich in einen schwarzen Bus und nahmen mich mit. Während der Fahrt erwähnten sie, dass sie nach einem "Pawel Walczak" suchten, den ich unter dem Name Martin kennen würde. Offenbar hatten sie Martin im Krankenhaus nicht ausfindig machen können.
Wir machten an einem abgelegenen Gebäude Halt, wo sie mich zum Reden bringen wollten. Als es ungemütlich wurde, wurde unsere Runde von einem Fahrzeug bewaffneter Männer gestört. Sie machten meine Entführer unschädlich und nahmen mich mit.
Voller Erschöpfung schlief ich auf der Fahrt und wachte im leeren Wagen auf dem Hof eines großen Anwesens auf. Dort traf ich meine Patentante Marie, der ich offenbar meinen Name zu verdanken hatte, und ihre kleine Tochter Lisa.
Sie führte mich in ein Zimmer voll mit Karten, Zeichnungen, Fotografien, Skizzen und Zeitungsausschnitten von einer langen Serie von Einbrüchen und Diebstählen. Meine Patentante erzählte, dass sie zusammen mit meinen Eltern die Einbrüche geplant und durchgeführt und dass sie dabei nach ihren eigenen Vorstellungen von Gerechtigkeit gehandelt hätten. Außerdem hingen dort einige Fotos von Martin, die mit den Namen Martin Bauer, Pawel Walczak, Gordon Scott und Francois Michel versehen waren. Erneut wurde mir die Geschichte aufgetischt, dass es sich dabei nicht um Martin, sondern um jemanden, der ihm verdammt ähnlich sah, handelte.

Heute ist Samstag und das Wetter ist grau und kalt. Da möchte man am liebsten direkt nach dem Aufstehen wieder in sein Bett zurück fallen. Was aber nicht geht, da man ja an die Arbeit muss. Ich hasse meinen Beruf! Am allerliebsten wäre ich den ganzen Tag liegen geblieben und hätte den Geräuschen gelauscht, die vor meinem Fenster auftraten. Schlussendlich rappelte ich mich dann auf, schaute auf die Uhr und, oh weh, doch schon so spät. Nun aber schnell rein in die Klamotten und ab zum Bus. Wenn es nicht nur schon wieder regnen würde ... Da ich auch noch Pech habe, werde ich sofort nass, weil ein Auto mich von der Seite nass spritzt. Wirklich ärgerlich, schimpfe dem noch lautstark hinterher, rege mich noch ein wenig wie ein Rohrspatz auf, und sage zu mir: "Es kann nicht schlimmer werden, hilft alles nichts, weiter zum Bus."Triefend vor Nässe und zitternd vor Kälte erreiche ich den schmalen Busstand. Mit einem Blick auf meine Uhr muss ich feststellen, dass diese auch noch stehen geblieben ist. Da ich immer gute 10 Minuten zum Bus brauche, weiß ich jetzt nicht mal wie spät es ist und ich nehme schon immer den Letzten der fährt. Gereizt schüttele ich meinen Kopf, starre auf die gegenüberliegende Gebäudefassade und erblicke schließlich eine Leuchtanzeige, die mir noch nie zuvor aufgefallen war: Sa., 23.02.13 - 8°C - 7.18 Uhr. Verdammt ich wusste, das ich zu spät bin. Sollte um 7 Uhr anfangen zu arbeiten. Der Chef würde mir wieder eine gehörige Standpauke verpassen, aber erstmal musste ich zusehen, dass ich auf die Arbeit kam. Nur wie sollte ich das anstellen ohne Auto? Ein Taxi wäre jetzt das Beste der Wahl, nur leider hatte ich auch noch mein Handy zu Hause liegen lassen und mein Geld auch noch. So blieb mir halt nichts anderes übrig als zu laufen, was nicht das Beste war, besonders bei diesen Temperaturen. "War der blöde Weg schon immer so lang gewesen", war das Einzige, was ich bei dieser Kälte und dem Regen aus mir heraus brachte. Ich schüttelte mich und klemmte meine Haare hinter meine Ohren. "Nicht aufregen Marie, nicht aufregen ...", war das Einzige, was ich zu mir murmelte, als ich geschwind die Straße entlang ging. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich den LKW fast übersehen hätte. So konnte ich noch rechtzeitig zur Seite springen, als der durch eine Pfütze raste. "Verdammt!", entfuhr es mir, während das aufspritzende Wasser auch noch die letzten trockenen Stellen meiner Kleidung durchnässte.Dem LKW-Fahrer warf ich einige Flüche hinterher, doch machen konnte ich nun eh nichts mehr. Ich würde nach Hause gehen und den Tag einfach als "Krank" machen. Morgen dann zum Arzt und dann... schön die nassen Klamotten von meinem Leib zärtlich wegreißen und ein Bad einlaufen lassen. Ein heißes Bad wär jetzt genau das Richtige Ich lasse mich in der Badewanne ''gehen'', schmelze quasi dahin, oh Gott, das Leben kann doch soooo schön sein.. wenn da bloß nicht der ganze Stress wär ... Nur leider habe ich nicht bedacht, dass morgen erst Sonntag war und ich erst am Montag zum Arzt kommen würde. Aber so nass wie ich war, würde ich bestimmt eine Erkältung bekommen. Also zerrte ich mir regelrecht die nassen Klamotten runter und wollte ein Bad einlaufen lassen. Aber, wie der Teufel es will, kam nur eine braune Brühe aus dem Hahn. Vorbei der Traum vom schönen heißen Bad. Und mir war auch noch saukalt. ,,Ach verdammt! Wäre ich heute doch nur zu Hause geblieben!'', ich band mir ein Tuch um und rannte regelrecht auf mein Zimmer, riss den Schrank auf, zog meinen Pyjama an und verschwand unter meiner Bettdecke. Ich hab keine Ahnung, wie lange ich da lag, denn mich weckten ein paar Sonnenstrahlen, die durch mein Fenster schienen. Mein Handy vibrierte unaufhörlich, ich öffnete es und da stand: ,,7 verpasste Anrufe/ Absender: Chef''. Verdutzt darüber, dass dieser so oft angerufen hatte, rieb ich mir mit Unglauben die Augen. "Was zur Hölle will der? Nicht mal einen Tag darf man krank machen? Ha! Morgen zum Arzt und für den Rest der Woche 'n Gelben holen!" Moment, was hatte ich da gesagt? Morgen? Ich hatte den gesamten Samstag verschlafen und es war bereits Sonntag geworden, zumindest wenn ich dem Datum auf meinem Handy trauen konnte. Seufzend blickte ich an die Decke und wischte mir eine Strähne meiner pechschwarzen Haare aus den giftgrünen Augen. "Er bringt mich spätestens am Dienstag so was von um", murmelte ich und begann in meinem Schrank nach einem BH zu suchen. 75F war nicht unbedingt die Größe, in der man viele BHs bekam. Was deutlich wurde als ich das Tablar mit der Unterwäsche ansah. Ich zog das Pyjamaoberteil aus und legte mir den BH an, dann suchte ich mir noch eine passende Unterhose und zog sie ebenfalls an. Aus der hinteren Ecke eine Hose und ein einfaches T-Shirt, zog sie mir an und ging aus meinem Zimmer. ,,Waaaah, wie spät ist es denn jetzt eigentlich?'' sagte ich gähnend als ich die Treppe hinunter ging. Ich ging in die Küche und holte das Müsli aus dem Schrank, füllte es in eine Schüssel, dann machte ich den Kühlschrank auf und nahm die Milch raus.


Ich wollte gerade den Inhalt über mein Müsli kippen, als ich diesen stechenden Geruch wahrnahm.
Ich roch vorsichtshalber noch mal daran, nur um sicher zu gehen. Fehler, mächtig großer Fehler.
Das Zeug stank mir die Bude voll.
Verfluchte Scheiße, jetzt muss ich das Zeug also auskippen.
Als hätte ich nicht so schon genug Stress, muss jetzt auch noch mein Handy klingeln.
Ich schaute aufs Display und wunderte mich, wer denn um alles auf der Welt, meine Nummer kennt, ich beschloss also ran zu gehen und erlitt den Schock meines Lebens.

Der Freund von meinem Ex! Woher kennt der denn bitte meine Nummer!
Bestimmt hat mein Ex meine Nummer ihm gegeben, aber was nun? Ich ging ans Telefon und hörte einen lauten Schrei. Schlagartig fiel mir das Handy aus der Hand.

Scheiße aber auch, was war denn das?
Erst der Freund meines Ex, jetzt auch noch dieser Schrei!
OK, nachdenken, denk nach Marie, denk nach!!!
Ich hob das Telefon und wählte, während ich mich zur Ruhe zwang.

,,Ich rufe ihn jetzt einfach zurück und frage, wo zur Hölle er meine Nummer her habe und warum er ins Telefon schreie'' sage ich mir selbst, doch nix mit zurückrufen. //Ihr Guthaben ist erschöpft, bitte laden Sie es wieder auf um diesen Anruf zu tätigen//, sagte mir die ,,nette'' Stimme des automatischen Services und während das ertönte, schmiss ich mein Handy wieder auf den Boden. ,,Ach scheiß die Wand an!'' schrie ich wutentbrannt bis ich merkte, dass das ein Fehler war. Hektisch hob ich mein Handy wieder vom Boden auf und drückte irgendwelche Tasten, doch nichts regte sich. ,,Ach egal, ich brauche eh ein neues Handy'' versuchte ich mich zu trösten, dass ich nicht in Tränen ausbrach. Irgendwie war jetzt ein Bach geöffnet worden, denn die Tränen flossen wie ein riesiger Wasserfall die Wangen herunter. Nach ein paar Minuten konnte ich mich langsam beruhigen, es war aber echt heute der Teufel los.
Und wie um das zu bestätigen klingelte es plötzlich Sturm an meiner Türe. //Wer kann das denn wieder sein?//

Meine trüben Gedanken waren mit einem Mal wie weggeblasen, und ich eilte mit einer Mischung aus Neugierde, Besorgnis, aber auch dem Gefühl, gar nicht wissen zu wollen, was da schon wieder auf mich zukam, zur Türe und sah zunächst mal durch den Spion. Der Spion war ziemlich benebelt, so das ich gar nicht wirklich gut rausschauen konnte. Also musste ich erahnen, wer draußen stand. Doch nach Rätselraten war mir absolut nicht zumute, daher griff ich beherzt zur Klinke und öffnete die Türe. Mit verheulten Augen und verrotzter Nase schaute ich neugierig aus der Wohnung. Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und blickte überrascht in das Gesicht des Freundes meines Ex. Was um Gottes Willen hatte er hier zu suchen??? Eine gefühlte Ewigkeit starrten wir uns wortlos an, bis mir schließlich der Geduldsfaden riss und ich sagte: "Was um Gottes Willen hast du hier verloren?"
"Du ... Du ... Du bist daran Schuld, Marie!", geiferte er mich plötzlich an, ohne das ich eine Ahnung hatte, was er meinte.
In diesem Moment merkte ich, dass um mich herum alles verschwamm und es dunkel wurde. Langsam machte ich meine Augen wieder auf und blickte in das Gesicht von meinem Ex.
Zeitgleich bemerkte ich einen dumpfen Schmerz an meinem Hinterkopf und tastete den Bereich ab. Ich lag auf meinem Sofa im Wohnzimmer und spürte eine schmerzhafte Beule und getrocknetes Blut zwischen meinen Haaren. Ich musste wohl mit meinem Kopf auf den harten Steinboden des Eingangsbereich meiner Wohnung geprallt sein und dachte in diesem Moment eigentlich eher über die Tatsache nach, dass sich mein Ex offensichtlich in meiner Wohnung befand. "Freund meines Ex ...", korrigierte ich mich in Gedanken und fragte mich gleichzeitig, ob der Schlag auf meinen Kopf mehr als nur eine schmerzende Beule verursacht hatte. Ralfs Gesicht schob sich in mein Blickfeld und eine Mischung aus Wut und Sorge lag darin, wobei die Wut die Oberhand zu gewinnen schien, je länger ich ihn ansah. //Warum war er schon wieder wütend, ich hatte absolut keine Ahnung.//
"Martin - DEIN Ex Martin - liegt im Koma!", warf er mir unvermittelt an den Kopf. Langsam kamen mir wieder die Erinnerungen, ach ja, da war noch was ... Martin ... Martin ... er hatte sich doch nicht etwa etwas angetan ... wegen unserer Trennung?!? Oder war es doch wegen was anderem?? Anstatt weiter wild zu spekulieren und mir alles mögliche vorzustellen, entschied ich mich, Ralf direkt zu fragen und so hob ich die Brauen und wollte wissen: "Martin liegt im Koma ... wieso ... was ist passiert?"
"Er wollte zu dir ... mit dir reden, sich entschuldigen, was weiß ich, ... und er ..." Seine Stimme schien zu versagen. "er hatte einen Unfall ... mit dem Motorrad ... vor drei Wochen." Kopf kratzend überlegte ich, so lange ist das schon her, wo ist nur die Zeit geblieben ...
"Aber wieso kommst du jetzt und was willst du von mir?", konnte ich nicht umhin, Ralf zu fragen, fügten sich die einzelnen Puzzleteilchen für mich noch nicht zu einem ganzen Bild zusammen.
"Verdammt Marie, drei Wochen und du hast dich nicht ein einziges Mal blicken lassen; als wär' er dir völlig egal", warf er mir vor und ich verstand plötzlich seine Wut auf mich, aber wie sollte ich ihm klar machen, dass ich schlicht nichts davon gewusst hatte? Aber wie sollte ich auch, damals vor drei Wochen ist er wutentbrannt aus der Wohnung gestürmt ...
Ich hatte gesehen, wie er seine Kollegin Sophie geküsst hatte - also richtig, LEIDENSCHAFTLICH; hatte er erwartet, dass ich ihm kaum zwei Stunden später seine Ausreden glauben würde?
Ich spürte wie mich der bloße Gedanke daran immer noch aufwühlte, und da mein bisheriger Tag reichlich beschissen gewesen war, mein Schädel brummte und ich keinerlei Lust zu großartigen Erklärungen hatte, sagte ich harsch: "Das ist etwas zwischen Martin und mir und nichts, was dich angeht, Ralf!"
"Es geht mich ganz sicher was an, wenn sich mein bester Freund wegen dir fast in den Tod fährt und es dir offenbar völlig gleich ist."
"Ach ja, dann frage ich dich doch mal, was er dir erzählt hat, von der Sache vor drei Wochen?"
Das schien ihn jetzt doch zumindest kurzzeitig aus der Fassung zu bringen, denn er runzelte die Stirn und war für einen Moment sprachlos, während man sehen konnte, wie es in seinem Kopf arbeitete.
"Ähm ..., ja, Marie", druckste er herum. "Also ..., eins vorweg: ich dachte zuerst auch, er würde lügen, aber warum sollte er mir so eine Geschichte auftischen, wenn er genau weiß, dass wir beide uns noch nie leiden konnten."
"Wovon redest du eigentlich?"
"Martin hat einen ... Doppelgänger, einen eineiigen Zwilling, einen ... ach, keine Ahnung, wer oder was er war, ... jedenfalls war es nicht Martin, den du gesehen hast."
"... Willst du mein Vertrauen wirklich mit solch einer Absurdität erschüttern?" Doppelgänger, eineiiger Zwilling, womöglich gar ein Klon ... dachte ich, während ich spürte, wie bei Ralfs absurder Behauptung etwas in mir hochkochte. Enttäuscht über Ralfs ausbleibende Antwort, warf ich ihm einen verachtenden Blick zu und verschwand, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, im Bad.
Aber ich hatte nicht mit Ralfs Hartnäckigkeit gerechnet, denn er folgte mir und sagte schließlich, in Ton doch sehr einlenkend: "Ich will doch nur, dass du mit mir kommst, Marie ... zu Martin und er deine Anwesenheit spüren kann."
Genervt darüber, dass ich meine kurze Pause nun doch nicht bekam und sich auch noch ein Gefühl von Mitleid in mir anbahnte, ließ ich ein tiefes Seufzen verlauten, schnappte mir die Autoschlüssel und verließ die Wohnung. Dabei wäre es so schön gewesen, einen freien Tag zu haben, aber was solls.
Grade als ich losfahren wollte, bemerkte ich, dass ich keine Ahnung hatte, wo Martin im Moment überhaupt ist, was mich so in Gedanken versinken ließ, dass ich nicht merkte, wie Ralf mir nachlief, bis er schließlich in's Auto stieg, was ich allerdings widerwillig hinnehmen musste, da mein "du-steigst-sofort-aus"-Blick seinem "das-wird-nicht-passieren"-Blick nicht standhalten konnte. Seufzend stieg ich in das Auto, "Wo liegt er?" kam widerwillig die Frage.
"Er ist seit gestern wieder zu Hause.", antwortete Ralf mit strahlendem Gesicht.
"Ich dachte, er liegt im Koma ... wie kann er da zuhause sein?", fragte ich und sah Ralf perplex an.
Ralfs erschrocken Blick nach zu urteilen, nahm ihn die ganze Sache ziemlich mit, wenn er sogar unter so drastischen Realitätsstörungen leidet.
"Ist mit dir alles in Ordnung?", platzte es nun doch aus mir heraus und ich spürte, wie sich auch der letzte Ärger ob seiner Einmischung zu verflüchtigen begann, auch wenn ich das eigentlich gar nicht wollte.
Ralfs nachdenklicher Blick traf auf den meinen, woraufhin er sich gleich wieder von mir abwandte und nach einem längeren Moment der Stille antwortete: "Ja, er... liegt im Uniklinikum.", was mich unmittelbar dazu veranlasste, ordentlich auf's Gas zu treten, In der Hoffnung, dieser nervig erdrückenden Stimmung zu entkommen.
Eine knappe Viertelstunde später betrat ich mit Ralf die Klinik.
Sowie wir in Richtung Empfang gehen wollten, hörten wir das beängstigende Geschrei einer Frau. Das war nun wirklich nicht dazu angetan, meine Stimmung zu heben und mir wurde plötzlich wieder bewusst, welche Aversion ich gegen Krankenhäuser hatte, gegen den Geruch, der sich in den Gängen hielt, gegen die gewienerten Böden, die weißgekittelten Gestalten, die weinenden und bangenden Angehörigen und gegen all das Leid, die Krankheit und der Tod, der einem von überall entgegenwehte, nicht nur von den Kranken, die in ihren Betten teils auf den Gängen auf Untersuchungen warteten.
Wenige Sekunden später riss mich das Ertönen mehrerer Schüssen, die mir klarmachten, das Geschrei falsch beuteilt zu haben, aus meinen Gedanken. Während mein Puls unwillkürlich zu rasen begann, sah ich mich hektisch um, nach einer möglichen Deckung genauso wie nach dem Ursprung der Schüsse, denn ich wollte keinesfalls in ebendiese Richtung laufen. Über den stückweise offenen Gang des ersten Obergeschosses, der unmittelbar über der Rezeption lag, rannten zwei Leute, ein jüngerer Mann und eine Frau mittleren Alters, in den rechten Flügel.
"Was geht da vor?", fragte ich, während ich zeitgleich instinktiv hinter dem Tresen der Rezeption Schutz suchte.
Während weitere, immer präsenter werdende, Schüsse ertönten und wir, an den Tresen gelehnt mit dem Eingang im Blick, mit dem Rücken zum Geschehen hockten, stotterte Ralph, "Wir müssen hier weg!", als plötzlich ein paar Leute, die bisher noch wie angewurzelt im Eingangsbereich standen, mit dem Blick nach oben verzweifelt Schutz suchend in alle Richtungen liefen, was mich dazu veranlasste, es für keine gute Idee zu halten, durch einen kurzen Blick herausfinden zu wollen, was auf dem Durchgang vor sich geht.
Ralph wurde offenkundig von dieser einsetzenden Panik miterfasst, denn er erhob sich und rannte los, hin zum Ausgang, ohne auch nur einen Blick hinter sich zu werfen, was mich trotz der angsteinflößenden Situation den Kopf schütteln ließ, während ich ihm nachrief: "Bleib hier, Ralph, das ist keine gute Idee!"
Kaum hatte ich ihm das zugerufen, musste ich beobachten, wie Ralph, dicht gefolgt von einem weiteren einschneidenden Knall eines unmittelbaren Schusses, ohne jegliche erkennbare Bemühungen, dem Aufprall entgegenzuwirken, im Sprint zu Boden ging, wo er sich nach dem Aufprall noch ein paar Mal überschlug und eine immer größer werdende Blutspur hinterließ.
Fassungslos starrte ich ihn an mit einem plötzlich aufwallenden Gefühl von Unwirklichkeit und dem starken Drang, sofort zu ihm zu sprinten und ihm zu helfen, was jedoch von meinem unmittelbar wieder einsetzenden Verstand verhindert wurde, der Bilder von Filmen vor meinem inneren Auge ablaufen ließ, Bilder, in denen genau solche Rettungsversuche mit dem Tod des Retters belohnt wurden.
Aus meinem äußersten Blickwinkel erkannte ich, begleitend von einem dumpfen Geräusch, wie jemand rechts von mir auf den Tresen landete, wodurch ich meinen Blick langsam in dessen Richtung wandte und in die Augen eines Mannes mit einer geschulterten Schrotflinte blickte, der mich für ein ein paar Sekunden ansah und dann lächelnd sagte, "Du wirst mit uns kommen", was mich nach einigen Sekunden, die ich brauchte, die Situation halbwegs zu erfassen, in leichte Panik versetze und mich veranlasste am ganzen Körper zu zittern, ehe ich beim Versuch aufzustehen, um davonzulaufen, lediglich über mein linkes Knie stolperte und nun regungslos am Boden lag und hoffte, dass es mich nicht auch treffen würde.
Doch dieser Totstellreflex, der im Tierreich oft von Erfolg gekrönt wurde, zeigte bei dem Mann mit der Schrotflinte keinerlei Wirkung, denn er stieß mir den Lauf erst recht unsanft in den Rücken, bevor er mich an den Haaren aus meiner liegenden Position zog, um mich mit einem in mein Ohr geraunten "zum Liegen wirst du noch Gelegenheit genug bekommen ..." mit sich gen Ausgang zu ziehen.
Meine Gedanken, was nun mit mir passieren oder, ob ich das Alles überleben könnte, wurden vom Anblick Ralphs unterbrochen, dessen lebloser Körper in einer immer größer werdenden Blutlache lag und mir die letzte Hoffnung nahm, dass er möglicherweise noch am Leben sein könnte, unterbrochen, bis mir die, vor Angst entstellten Gesichter der Leute, die sich in unmittelbarer Nähe aufhielten, erneut die Ernsthaftigkeit meiner Situation klarmachten und mir Anlass zu der Annahme gaben, dass meine Chancen relativ schlecht stehen würden, wenn ich mich von diesen Leuten einfach mitnehmen lassen würde.
Allerdings war ich Realist genug, um zu wissen, dass mir mit einer immer noch auf mich gerichteten Schrotflinte und den Haaren in der Hand meines Peinigers nicht viele Alternativen blieben, als zumindest im Moment der doch recht brutalen Aufforderung Folge zu leisten, in der Hoffnung, dass sich auf dem weiteren Weg eine Möglichkeit zur Flucht ergeben würde, bevor ich das gleiche Schicksal erleiden würde wie Ralph, dessen nun starr geöffnete Augen mir nachzublicken schienen, obwohl das physisch kaum noch möglich sein konnte.

Draußen angekommen wurden wir bereits von einem schwarzen Bus und drei davor positionierten bewaffneten Männern erwartet, die mir unangenehme Blicke zuwarfen und mir unmittelbar in den Bus folgten, der sich kurz darauf in Bewegung setzte.
Als ich das sah, drängte sich mir unweigerlich der Gedanke auf, dass die es auf mich abgesehen hatten, dass der Überfall auf das Krankenhaus auf irgendeine Weise mir gegolten hatte, auch wenn ich mir keinerlei Reim darauf machen konnte, wieso ein Teil der Verbrecher aus dem ersten Stockwerk gekommen war und was das Ganze überhaupt sollte.
Nach ungefähr einer Minute, die ich zu nutzen versuchte, um wieder halbwegs zur Besinnung zu kommen, sah mich der Typ, der mich in den Wagen zerrte musternd an, während er sich eine Zigarette anzündete, bis er schließlich mit zusammengezogenen Augen und in einem gehässigen Ton fragte: "Na, bist du sauer, weil ich deinen Freund umgelegt habe?"
Für einen Moment war ich perplex und starrte den Mann sprachlos an, doch dann schlüpfte die Frage wie von alleine über meine Lippen: "Du hast ihn umgelegt, weil du denkst, er war meine Freund?"
"Ich hab' ihn umgelegt, weil er dämlich war, weil er geglaubt hat, einer Kugel davonrennen zu können - und weil er unserem Auftrag im Weg stand." Langsam kam mir der Satz im Gehirn an, aber so ungefähr den Sinn verstand ich im ersten Moment nicht, bis es mir so langsam dämmerte.
"Mich entführen ist euer Auftrag?", fragte ich daher auch, wobei ich nicht umhin konnte, vermutlich recht verwirrt und irritiert auszusehen, immerhin hatte ich noch keinerlei blassen Schimmer, was das Ganze wirklich sollte.
"Das würde dir gefallen, nicht wahr Prinzessin?", murmelte einer der anderen Entführer, der mir gegenüber saß, und mir die gesamte Zeit unverblümt auf meine Brüste starrte. Nur kurz streifte mein Blick den Mann, dann entschied ich mich, seine lüsternen Blicke genauso zu ignorieren wie seinen gemurmelten Kommentar und ich sah stattdessen weiterhin auf den Mann, der der Anführer zu sein schien, und fragte: "Und ich bin eurem Auftrag förderlich, was auch immer das für einer ist?"

"Ich hoffe - auch für dich selbst -, dass du uns helfen wirst, jemanden zu finden: Pawel Walczak ... oder für dich vielleicht eher Martin", entgegnete er, wobei er den Namen meines Ex-Freundes abfällig betonte.
Nur sehr langsam sickerte das Gesagte in mein Bewusstsein, während zeitgleich Ralfs Worte durch meinen Kopf schossen: er hat einen Doppelgänger, einen eineiigen Zwilling ..., was mich erst nach einer kurzen Pause, in der sich meine Gedanken wieder sortierten, möglichst unbedarft sagen ließ: "Aber Martin liegt im Krankenhaus, ich wollte ihn dort gerade besuchen ..."
"Du bist nicht sonderlich schlau, oder glaubst du, dass wir dieses Gespräch führen würden, wenn er dort gewesen wäre?"
"Er war nicht da?", fragte ich jetzt doch einigermaßen perplex und sprach weiter: "Aber es ging ihm doch so schlecht, da ist er sicher nicht einfach aus dem Krankenhaus weg ..."
"Pawel war nicht da - und du kannst dir sicher sein, dass meine Männer die Suche sehr genau genommen haben - aber wenn er erfährt, dass wir seine Liebste haben, wird er schon auftauchen."
"Liebste?" Ich lachte auf und meinte mit einem Kopfschütteln: "Da seid ihr völlig unterinformiert, denn er hat längst eine andere ... vielleicht hättet ihr lieber die entführen sollen."
"Meiner Erfahrung nach liegt jemandem, der sich aufgrund einer Frau ins Koma fährt, meistens auch noch was an dieser Frau, glaubst du nicht?"

Ich schüttelte den Kopf und sah aus dem Fenster, denn ich hatte keine Ahnung, wieso Martin tatsächlich diesen Unfall hatte und ob er wirklich zu mir wollte, wie Ralf behauptet hatte, genauso wenig wie dieser Mann es wissen konnte. Der Kleinbus holperte inzwischen durch ein mir unbekanntes Gewerbegebiet mit zugewucherten Bürgersteigen, baufälligen Backsteingebäuden und zerbrochenen Fensterfronten, keine Menschenseele war weit und breit zu sehen. Der Anblick der verlassenen und heruntergekommenen Gegend ließ ein mulmiges Gefühl in mir aufsteigen und auch, wenn ich eben noch den Gedanken an das, was mir bevorstehen mochte, weit nach hinten hatte schieben können, schob er sich jetzt vehement in den Vordergrund. Wenig später bog der Bus in eine Seitengasse und hielt abrupt vor einem massiven Rolltor, dessen einwandfreier Zustand in krassem Kontrast zur Umgebung stand. Nur kurz darauf hob sich das Rolltor und der Bus fuhr ins Innere, das durch mehrere grelle Deckenlampen ausgeleuchtet war und Blick auf eine wenig einladende nüchterne Lagerhalle freigab. Kaum war er hindurch gefahren, wurde die Seitentür aufgerissen und ich sah erneut in den Lauf einer auf mich gerichteten Waffe. "Los, da rein", gab mir der Pistolenträger, der bisher noch keine einzige Silbe gesprochen hatte, den Befehl und damit die Richtung vor, während er mir gleichzeitig die Waffe so fest in den Rücken bohrte, dass ich einen Aufschrei nicht unterdrücken konnte. Die anderen Beiden waren ebenfalls ausgestiegen und gingen vorweg. Einer von ihnen hielt eine schwere Türe auf, hinter der ich einen hell erleuchteten Raum sehen konnte, während der Mann mit der Schrotflinte uns schweigend folgte, möglicherweise um dadurch meine Furcht anzufachen, was aufgegangen wäre, wenn nicht der Pistolenträger erneut das Wort ergriffen hätte: "Setz dich hin!"

Während ich auf einem kalten Metallstuhl Platz nahm, konnte ich durch die offenstehende Tür hindurch sehen, dass der vierte Entführer offenbar noch hinter dem Steuer des Busses saß und ihn wieder aus der Halle hinaus steuerte. "Arme hinter den Rücken", kam es als nächstes vom Pistolenträger, der irgendwie das Kommando übernommen hatte, während der Mann mit der Schrotflinte, der die ganze Fahrt über die Reden geschwungen hatte, den Raum durch eine weitere Stahltüre verließ, nicht ohne vorher einem der anderen beiden verbliebenen etwas ins Ohr zu flüstern, was ich jedoch nicht verstehen konnte. Meine Arme wurden schmerzhaft fest an die Stuhllehne gefesselt, dann zog sich der Entführer einen zweiten Stuhl heran und setzte sich rittlings mir gegenüber hin. Beugte sich vor und begann mir etwas ins Ohr zu flüstern. "Wir haben jetzt eine Menge Zeit und die werden wir beide nutzen", hauchte er an mein Ohr und wenn schon nicht die Art, wie er die Worte quasi in mein Ohr gleiten ließ, einen eisigen Schauer über meinen Rücken laufen ließ, so vermochte dies seine Wange, die er provokant sachte an meiner rieb. Ein Blick von ihm genügte und auch der dritte Mann verließ den Raum und ließ mich mit dem Pistolenträger allein. Der stand von seinem Stuhl auf, drehte diesen herum und setzte sich nun so mir gegenüber, dass seine Beine sich provokant zwischen meine drängten und sie auseinanderschoben, während er sich wieder ganz nah zu mir beugte und mir mit einem süffisanten Grinsen tief in die Augen sah. "Nun, was sollen wir jetzt machen?" kam die sehr einfache Frage, die doch sehr sehr bedrohlich wirkte. Ehe ich mir eine Antwort zurechtlegen konnte, erschütterte eine Explosion die gesamte Lagerhalle, mit quietschenden Reifen schien Augenblicke danach im angrenzenden Raum ein Fahrzeug zum Stehen zu kommen und stakkatoartig ertönten Schüsse.
Grade als ich mir die Frage stellen wollte, in was für einen Alptraum ich da geraten war, sprangen drei Männer von der Ladefläche des Fahrzeugs, eröffneten das Feuer auf mein Gegenüber, was mir ein weiteres ungewolltes Blutbad direkt vor meinen Augen bescherte, wobei eine der Kugeln ein Stück der Rückenlehne meines Stuhles wegriss. Ich konnte mit ansehen, wie eine Kugel durch den Kopf des Mannes schoss, der mir gegenüber saß. "Pass auf, du Idiot!", Schrie einer der Männer, die auf meine sich versteckenden Entführer schießend in meine Richtung rannten, "Stell dir vor, du hättest sie getroffen."
Fassungslos hörte ich die Worte und verstand absolut nichts mehr, was genau ging hier jetzt vor. Ich hatte null Ahnung, was jetzt kommen sollte oder wer diese Männer waren. Doch zunächst war ich dankbar, dass einer von ihnen mich vom Stuhl losschnitt und mir erstaunlich sanft hochhalf, während sich einer der anderen beiden mit gezogener Pistole gehetzt wirkend umsah und dabei ausstieß: "Und jetzt nichts wie raus hier ..."
Obgleich dieser Typ einen ganz schön angsteinflößenden Gesichtsausdruck hatte, kam ich nicht umhin, diese Idee ziemlich gut zu finden, woraufhin ich etwas verängstigt vom Stuhl sprang und wild um mich blickend, ohne ein Wort von mir zu geben, in Richtung des Wagens stolperte. Als ich fast stürzte, packte mich der, der eben noch gerufen hatte, recht unsanft am Arm und zog mich mit sich, was zwar äußerst schmerzhaft war, aber auch verhinderte, dass ich tatsächlich zu Boden ging.
"Habt keine Angst, wir bringen euch in Sicherheit.", sprach er mit fast übertrieben freundlicher Stimme zu mir, während sich seine Hand an meinem Arm lockerte.
Euch ...
wiederholte ich in meinem Kopf und fragte mich, wen er da meinte, war ich immerhin alleine hierherverschleppt worden.
Nachdem ich den Mann für eine Weile mit einer Mischung aus Verwirrtheit und Ängstlichkeit ansah, legte er seine Hand auf meinen Rücken und sagte, "Kommt jetzt bitte, wir erklären euch alles, wenn wir in Sicherheit sind", wodurch ich mir jetzt die Frage stellen musste, ob man mich wohlmöglich verwechselt haben könnte, was ich allerdings nicht unbedingt thematisieren wollte, bevor ich die Gewissheit hatte, in Sicherheit zu sein.
Ich kam auch nicht zu weiteren Überlegungen, denn der Druck in meinem Rücken verstärkte sich jäh und ich wurde vorangetrieben, was auch gut war, denn kaum hatte man mich kurz darauf mehr oder weniger auf der Beifahrerseite in den Wagen bugsiert, brach draußen auch schon die Hölle los ...
"Wir kommen jetzt raus", sprach der Fahrer des Wagens in ein Mikrofon an seinem Körper, woraufhin er den Wagen wenige Sekunden später trotz weiterer Schüsse, die außerhalb des Gebäudes fielen, in Bewegung setzte.
Durch die rasante Anfahrt wurde ich in den Sitz gepresst und griff instinktiv nach dem Sicherheitsgurt, so unsinng das in meiner Situation auch erscheinen mochte und während ich noch nach dem Teil angelte, preschte der Wagen durch das Rolltor, das anders als bei der Herfahrt völlig zerbeult und zerquetscht war, und ließ kurz darauf die noch fallenden Schüsse und das Schreien hinter sich, um mit hohem Tempo durch die verlassene Gegend zu brausen.

Nach einer Weile anhaltender Todesangst, die ich damit zubrachte, mich zu beruhigen, fuhren wir bereits auf dem Highway durch die Stadt und obwohl es für alle offensichtlich sein musste, dass mir unendlich viele Fragen durch den Kopf schossen, brachte ich kein einziges Wort hervor, während ich daran dachte, dass ich vor wenigen Stunden noch zusammen mit Ralph auf der gleichen Straße ins Krankenhaus fuhr.
Die monotone Fahrt, das Schweigen des Fahrers und des Mannes, der mich mit "euch" angeredet hatte und nun ebenfalls neben mir auf der breiten Sitzbank des Wagens saß, sowie die Strapazen des Tages mit all seinen unglaublichen und schrecklichen Wendungen, führten dazu, dass es nicht lange dauerte und ich fiel in einen tiefen Schlaf, in dem wirre Träume mich heimsuchten.
Nach einer gefühlten Ewigkeit wachte ich langsam wieder im leeren Wagen auf und blickte von einem großen Hof aus auf ein großen Anwesen, vor dessen Eingang ein Mann und eine Frau standen, die in meine Richtung blickten, als ich plötzlich durch ein Geräusch neben mir den Kopf zur Seite drehte und ein Mädchen neben mir auf dem Sitzbank sah, das auf ihrem Smartphone tippte.
"Wer bist du?", fragte ich, doch statt einer Antwort hörte das Mädchen auf zu tippen, sah mich mit großen Augen kurz an, bevor sie die Türe öffnete, um sich vom Sitz nach draußen gleiten zu lassen und zu rufen: "Mami, sie ist jetzt wach!"
Nur wenige Sekunden später vernahm ich den Klang von Absätzen, die sich dem Wagen näherten, während mich das kleine Mädchen mit großen Augen angrinste, bis an ihrer Seite eine wunderschöne Frau in schwarzem Blazer und schwarzen Jeans auftauchte und mir entgegenlächelte, "Du musst hungrig sein. Lass uns reingehen.".
Ich brauchte einen Moment, bevor ich reagierte und es fast automatisch über meine Lippen kam: "Wo bin ich hier?", während der Gedanke an etwas zu essen mich mit knurrendem Magen wie von alleine aussteigen ließ.
"Eine sehr enge Freundin deiner verstorbenen Eltern, Marie.", erwiderte die Frau, "Ich war so frei, dich in eine... weniger aufregende Umgebung bringen zu lassen. Aber lass uns drinnen weiter reden".
Eine Freundin meiner Eltern?, fragend sah ich zu der Frau, die sich als Marie vorgestellt hatte, und versuchte, einen Zusammenhang zwischen den Ereignissen von ... ja, von wann? Wieviel Zeit war vergangen?
Trotzdem, oder gerade deshalb, weil ich so viele Fragen hatte, stieg ich aus dem Auto aus und folgte dieser wunderschönen Frau. Das kleine Mädchen ging mit durch die große und einladende Tür.
"Dann...", brach ich die Stille, die ansonsten nur durch die Absätze dieser Frau gestört wurde, "habe ich meinen Name also durch dich bekommen?, woraufhin das kleine Mädchen vor uns auf der Treppe, die wir grad hinaufstiegen, stehen blieb und mich mit großen Augen ansah, "Dann heißt du genauso wie meine Mutti?".
Ich nickte stumm und die Frau erklärte dem Mädchen in freundlichem Ton: "Ja, ihre Eltern haben sie nach mir benannt, weil ich ihre Patentante bin", während ich aus den Augenwinkeln den Mann bemerkte, der zuvor noch vor dem Eingang gestanden hatte und der mich jetzt neugierig von oben bis unten musterte.
"Also wirklich Tom, wie unhöflich von dir, eine junge Dame so anzustarren.", sprach meine Patentante in einem sehr charmanten und belustigten Ton, bis sie sich ihrer Tochter zuwandte: "Lisa, willst du Maria nicht ihr Zimmer zeigen? Mama hat noch etwas zu erledigen."
Der mit Tom Angesprochene zuckte kurz zusammen und wandte sich demonstrativ ab, während das Mädchen mit einem Grinsen nach meiner Hand griff, um mich wohl zum entsprechenden Zimmer zu führen, was ich jedoch mit einem kopfschüttelnden "Ich möchte jetzt kein Zimmer sehen, ich möchte wissen, was das Ganze soll, wieso ich hier bin, welche Rolle Sie spielen", ablehnte, da mir die gehäuften freundlichen Reaktionen der mir völlig fremden Menschen suspekt zu erscheinen begannen.
Für einen kurzen Moment sah mich Marie etwas überrascht an, bis sie ein leichtes Lächeln aussetze und sagte: "Du kommst ganz nach deiner Mutter. Also schön, folge mir. Ich möchte dir etwas zeigen.".
Kurz darauf standen wir in einer Art Arbeitszimmer, dessen Fenster durch herabgelassene Rolläden verdunkelt waren und das durch eine relative nüchterne Deckenbeleuchtung erhellt wurde und die Frau, die sich als Marie vorgestellt hatte, wies mit einer Hand auf eine Wand, die voll gespickt war mit Karten, Zeichnungen, Fotografien, Skizzen, Zeitungsausschnitten und allem, was man aus jedem guten Krimi kannte.
Sowie ich an die Wand herantrat, fielen mir Artikel und Fotos über jene Serie von Einbrüchen und Diebstählen von vor einigen Jahren auf, bei denen Wertsachen und geheime Dokumente in einem Wert von einigen Milliarden entwendet wurden.
Doch dann fiel mein Blick auf ein Foto von Martin oder besser gesagt viele verschiedene Fotos von Martin, bei denen er jedes Mal anders aussah und ich näher herantreten musste, um überhaupt mit Gewissheit sagen zu können, dass es sich um meinen Ex-Freund handelte, was noch dadurch erschwert wurde, dass die Fotos die unterschiedlichsten Namen trugen wie Martin Bauer, Pawel Walczak, Gordon Scott und Francois Michel.
Nach einem anhaltenden Moment der Stille, in dem mein Herz vor paranoiden Gedanken raste, fing Marie zu meinem leichten Entsetzen herzhaft an zu lachen, bis sie sich letzten Endes ein wenig beruhigte, um mir zu erzählen, "So gern ich auch wüsste, was in diesem Moment in deinem Kopf vorgeht, möchte ich dich nicht auf die Folter spannen, denn du musst wissen, dass all diese Diebstähle... deine Eltern und ich geplant haben.", was meinen Puls für einen kurzen Moment gegen Null tendieren ließ, was Marie allerdings nicht davon abhielt, lächelnd fortzufahren, "Versteh' das bitte nicht falsch. Wir sind keine Verbrecher und haben lediglich nach unserem eigenen Gerechtigkeit gehandelt. Denn du musst wissen...", bis ich sie mit einer Frage, die mir plötzlich durch den Kopf schoss, unterbrach: "Martin! ... Was hat er damit zu tun?".
Marie stutzte und ich sah, wie sie für einen kurzen Moment die Fassung verlor, doch sie fing sich rasch wieder und erklärte mit erneut souverän klingender Stimme: "Da ist was aus dem Ruder gelaufen, wir sind noch dabei, die Einzelheiten herauszufinden, aber was wir schon wissen ist, dass es jemanden gibt, der wie Martin aussieht und das zu seinem eigenen Vorteil nutzt."
Das klang so verrückt, dass es nicht erfunden sein konnte, aber dennoch zu verrückt, dass ich die Geschichte einfach glauben könnte, "Du willst mir doch nicht etwa den bösen Zwilling auftischen, oder?".
Marie lachte - auch wenn ihr Lachen ein wenig gezwungen klang - und erwiderte: "Nein, einen biologischen Zwilling konnten wir ausschließen, aber noch nicht vom Tisch ist, dass er Martin einfach ähnlich sieht, aber auch eine Gesichtsoperation können wir nicht ausschließen, genauso wenig, dass er eine sehr gut gemachte, professionelle Maske trägt."
"Ehhh... ", begann ich mit einem Gesichtsausdruck, der ganz offensichtlich erkennen ließ, dass ich absolut nicht verstand, was das alles zu bedeuten hatte, "und was genau macht dieser ... falsche Martin?".
Marie legte einen Arm um meine Schulter, was ich irgendwie mit mir geschehen ließ, und meinte mit einem Lächeln: "Wie wäre es, wenn du dich erst mal ein wenig frisch machst und dich umziehst? Ich richte uns inzwischen etwas zu essen her und dann können wir alles in Ruhe bei einem gemeinsamen Mahl besprechen."
Ich hatte das Gefühl, als könne das noch eine sehr lange Unterhaltung werden und da sich meine Begierde, wissen zu wollen, was hier vor sich geht, in Anbetracht dieser scheinbar verrückten Geschichte deutlich geschmälert hatte und mittlerweile von meinem Hunger überholt wurde, nickte ich nur etwas zögerlich.

"Lisa, zeigst du Marie jetzt ihr Zimmer?", forderte meine Patentante das Mädchen auf, das sich inzwischen an den Schreibtisch gesetzt hatte und dort mit Buntstiften ihrer Kreativität freien Lauf ließ, woraufhin die Kleine mit strahlenden Augen zu mir gelaufen kam, mich völlig vorbehaltlos an der Hand fasste und mich ohne weitere Worte mit sich zog, die Treppe hinauf und hinein in das erste Zimmer, das auf der rechten Seite eines langen Korridors lag.
Wir standen in einem großen schön eingerichteten Zimmer, welches durch das Licht, das durch die Türen der anliegenden Terrasse hereinströmte, erleuchtet wurde, als ich in Anbetracht dessen, was ich von dem Anwesen bereits gesehen hatte, eher mittelmäßig überrascht meinen Blick durch das Zimmer schweifen ließ, kam ein Dienstmädchen aus einem Nebenzimmer, das ich bis zu diesem Zeitpunkt noch garnicht registriert hatte, musterte mich kurz und lächelte mir mit einer kleinen Verbeugung entgegen "Das Badewasser ist eingelassen. Bitte sagt mir, wenn ihr etwas braucht.", was mir allerdings ein wenig unangenehm war, jedoch nicht zum Ausdruck bringen konnte, da sich sowohl das Dienstmädchen als auch Lisa mit den Worten "Ich bin gleich im Zimmer nebenan, wenn du mich suchst." unmittelbar danach aus dem Zimmer zurückzogen.
Mir blieb nur wenig Zeit, mich im Zimmer umzusehen, kurz die Beschaffenheit des luxuriösen Betts zu testen und mich wieder zu erheben, um nach dem angrenzenden Badezimmer zu sehen, als auch schon ein schriller Ton losging und dazu plötzlich das Zimmer in ein in regelmäßigen Abständen leuchtendes Rot getaucht wurde, das - wie ich schnell erkannte - von einer über der Türe angebrachten Leuchte herrührte, die ganz offenkundig Bestandteil einer wie auch immer gearteten Alarmvorrichtung war.
"Ich hab' das Gefühl...", murmelte ich ein wenig genervt vor mich hin, "als müsste mein Bad etwas warten.", worauf ich mich einfach aufs Bett warf und den Schritten draußen auf dem Gang lauschte, die nach ca zwei Minuten verstummten, was mich dazu brachte, mich vom Bett zu schwingen und zur Tür zu gehen, um nachzusehen, was vor sich ging.
Vorsichtig machte ich die Tür einen Spalt auf um auf den langgezogenen Flur zu spicken. Ich konnte allerdings nur noch die letzten Schritte von der Kleinen sehen, also machte ich die Tür zu und wendete mich dem Raum zu, wo anscheinend das Badewasser auf mich wartet ...
Etwas gleichgültig und genervt von dem, was mir den ganzen Tag widerfuhr, hinterließ ich auf dem Weg ins Bad eine Spur mit meinen Klamotten, stieg in die Wanne und vergaß alles um mich herum, bis ich nur wenige Minuten später einnickte.
Doch mir sollte kein langes Badevergnügen beschieden bleiben, denn kaum war ich eingenickt, riss mich jemand auch schon wieder äußerst unsanft aus dem Wasser hoch und zerrte mich förmlich aus der Wanne, während eine mir unbekannte männliche Stimme mir ins Ohr zischte: "Du bist wohl von allen guten Geistern verlassen! Hast du den Alarm nicht gehört? Jetzt ist wirklich nicht die Zeit für ein Nickerchen in der Wanne ... Ich glaub's ja nicht ..."
Völlig schlaftrunken ließ ich mich aus der Badewanne ziehen und stand ein paar Sekunden nackt, den Blick aufs Wasser gerichtet, vor dem Mann bis ich wenige Sekunden später unangenehm realisierte, dass ich nichts anhatte und den Mann, der in diesem Moment mit einem Handtuch neben mit auftauchte, im Affekt in die Wanne stieß.
Als ich das perplexe Gesicht des gar nicht mal so unattraktiven Mannes in der Wanne sah, musste ich laut loslachen, was mir einen bitterbösen Blick einbrachte, den der etwa 30Jährige auch noch zeigte, nachdem er sich sehr geschmeidig und flott wieder aus dem Wasser geschwungen hatte, tropfend und sich für einen kurzen Moment schüttelnd wie ein Bernhardiner.

Als wenige Sekunden meines Gelächters später meine Priorität erneut auf die Tatsache, dass ich nackt vor ihm stand, fiel, hörte ich aprupt auf zu lachen und stieß meine Hände nach vorne, um ihn erneut in die Wanne zu stoßen, als mein Blick plötzlich an seinem nassen Shirt hängen blieb, was seinen muskulösen Körper ... verdammt gut zur Geltung brachte, und mein angetzter Stoß endete damit, dass meine Hände ganz sanft auf seinen Oberkörper klatschten und neben meinen Augen jetzt ebenfalls erstmal dort fixiert waren, bis er gefühlte zehn Sekunden später langsam das klatschnasse Handtuch über meine Arme legte, die weiterhin zu seinem Oberkörper ausgerichtet waren.
Nur kurz darauf hatte er mich in wenigen gezielten Bewegungen so um meine eigene Achse gedreht, dass mein Rücken gegen die Vorderseite seines Körper gepresst wurde, während er mit seinem muskulösen Unterarm das nasse Handtuch vor meinem Körper fixierte und mich, meine Arme bewegungslos eingeklemmt, aus dem Zimmer bugsierte.
"Eh... Hey!", rief ich leicht entsetzt, "Nur, weil du gut aussiehst und durchtrainiert bist, gibt dir das nicht das Recht, mich so zu behandeln!", was mir bereits in dem Moment, in dem ich es aussprach, etwas peinlich war, aber offenbar den gewünschten Effekt hatte, da er mich kurz darauf losließ und mir so die Möglichkeit gab mit einem spontanen Anschein, beleidigt zu wirken, meine würde widerherzustellen.
Doch wenn ich gedacht hatte, dass ich nun die Oberhand gewinnen würde, hatte ich mich getäuscht, denn der Mann drehte sich einfach auf dem Absatz um und ließ mich stehen, um gleich darauf mit großen Sätzen die Treppe hinunterzueilen, während er fast wütend ausstieß: "Die hätten dich einfach dort lassen sollen, dann hätten wir ein Problem weniger."
Nach einem kurzen Moment, den ich brauchte, um zu realisieren, dass mein neuer Lieblingsplayboy ein ganz schön großes Arschloch war, rief ich ihm leicht angepisst "Was hast du-" hinterher und stampfte dabei wütend auf die übernächste Stufe auf, um ihm zu folgen, rutschte jedoch aufgrund meiner nassen Füße aus, machte beim Versuch, nicht auf den Hintern zu fallen, einen recht ungeschickten Satz nach vorne und riss uns ein paar Stufen später beide nach unten, wo ich im Gegensatz zu meinem Charmeur relativ weich landete und auf sein anschließendes langes Seufzen nur noch "Nimm das!" murmelte.
Doch fast im gleichen Moment wurde mir die Absurdität der Situation klar und auch, wie tolpatschig ich mich schon wieder einmal benahm und das innerhalb nur weniger Minuten, so dass ich mich an meiner Oberhand, die ich eindeutig schon aus meiner Position heraus besaß, nicht wirklich lange erfreuen konnte, sondern stattdessen lieber das Handtuch schnell um mich schlang, um mich so rasch wie möglich aufzurappeln und einige gehörige Schritte zwischen den von mir zu Fall Gebrachten und mich zu bringen.
Gleich darauf richtete er sich ebenfalls auf, atmete tief ein und stand ein paar Sekunden, mir den Rücken zugewandt, regungslos da, ehe er mich überraschend ausdrucklos ansah, an mir vorbei ging und mir noch im Vorbeigehen sagte: "In deinem Zimmer liegen frische Klamotten. Du solltest dich erstmal umziehen und dann nachkommen.".
Das wiederum ließ mich perplex zurück, denn hatte er nicht gerade noch gedrängt, dass ich mitkommen sollte, mich quasi aus der Wanne gezerrt und mich auf den Alarm aufmerksam gemacht, der - wie ich feststellte - immer noch anhielt und jetzt machte er auf einmal auf cool und überließ es mir, wann ich mich dazu bequemte, nachzukommen?
Ich hatte allerdings keine Lust, groß weiter darüber nachzudenken, zumal ich die Idee mit den Klamotten angesichts des nassen Handtuches, dass ich trug, garnicht so schlecht fand, woraufhin ich mich auf direktem Wege zurück in mein Zimmer machte, mich abtrocknete und bei den Sachen bediente, die auf dem Tisch lagen.

Kaum war ich angezogen, fühlte ich mich wie ein neuer Mensch, Tatendrang durchzog mich und ich verließ ein weiteres Mal das Zimmer, um zu sehen, wo die anderen hin waren, was sich jedoch recht schnell als langwieriger und schwieriger herausstellte als gedacht, da das ganze Haus mit einem Mal wie ausgestorben wirkte und der gleichmäßig schrille Ton, der insbesondere im Treppenhaus mehr als deutlich zu hören war, mir eiskalte Schauer über den Rücken laufen und mich innehalten ließ.
Dieses ganze Szenario ließ mich kurz an Resident Evil denken, als Alice im Krankenhaus aufwachte, was nach genauerem Nachdenken jedoch nicht wirklich vergleichbar war und so entschied ich mich kurz um, den Weg über die Treppe zurück nach unten zu nehmen.
Kurz überlegte ich, ob ich rufen sollte, doch ich beschloss, dass es wohl besser wäre, möglichst leise zu sein, weil ich überhaupt nicht einschätzen konnte, ob es tatsächlich eine Gefahrenlage gab oder ob sich alle nur irgendwo in die Scheune verzogen hatten, um mir einen Streich zu spielen, Gedanken, die mich bei meinem automatisch schleichenden Gang durch das Haus begleiteten, einen Gang, der keinerlei Lebewesen zu Tage förderte, keine Spur von Marie oder den anderen.
Ich beschloss also, mich in Richtung des Eingangs aufzumachen und nahm den Gang, der mich an einer Reihe Fenster über einen Bogen zur Treppe, die hinab ins Erdgeschoss führte, führte, als ich zufällig aus dem Fenster sah und eine große Ansammlung von Leuten erblickte, die sich auf dem Hof vor dem Anwesen versammelt hatten und recht aufgebracht zu sien schienen, woraufhin ich so schnell wie ich konnte nach unten rannte, um zu ihnen zu stoßen.
"Das ist jetzt schon das dritte Mal in diesem Jahr, dass wir von Ihnen wie Verbrecher behandelt werden, nur weil wir uns Ihrem Anwesen nähern", sagte gerade der offensichtliche Rädelsführer, der sich Zustimmung heischend nach seinen Begleitern umblickte, die tatsächlich gleich nickten und mit "Genau", "Richtig", "Das geht so nicht" zustimmten, was Marie, die mit einem Lächeln dastand und sich das Ganze ruhig anhörte, nicht aus der Ruhe zu bringen schien, ganz im Gegenteil wies sie mit der Hand in meine Richtung bzw. in Richtung Eingang und bot sehr ruhig und freundlich an: "Mister Tucker, kommen Sie und auch Ihre Begleitung doch bitte auf ein Glas Tee oder Wein oder was immer Sie möchten herein, dann können wir alles in Ruhe besprechen."

Und so gingen Marie, der Mann, den Marie Mister Tucker nannte und vom Äußeren einem Kriegsveteranen glich, eine sympathische junge Dame, die nicht von seiner Seite wich, und weil ich das dringende Bedürfnis hatte, nicht wieder allein gelassen von seltsamen Typen heimgesucht zu werden, auch ich mit den dreien mit und so befanden wir uns kurze Zeit später erneut in dem Zimmer mit all den Zeitungsartikeln und den Fotos von Martin bzw. dem, der ihm ähnlich sah. Kaum traten wir alle in das Zimmer, sahen wir so viel Dokumente, die an den Wänden hingen, so wie auf den Tischen und anderen Möbelstücke lagen. Wenn wir all das durchschauen wollten, würden wir sehr sehr lange brauchen.
"Nun, Mister Tucker, hätten wir eine Einigung bezüglich einer Zusammenarbeit geschlossen, hätte ich Ihnen einen Schlüssel fürs Gartentürchen geben können und Sie würden nicht jedes Mal den Alarm auslösen.", lockerte Marie die leicht angespannte Stimmung auf, "Aber kommen wir zum Wesentlichen. Ohne Ihre Informationen hätten wir die kleine Marie wohl ihrem Schicksal überlassen müssen.", sagte sie in meine Richtung deutend, was nun auch den Blick der anderen beiden auf mich zog, deren erhellte Blicke mir sagten, dass sie Dinge über mich wussten, die mir selbst noch nicht zugetragen würden, was mich stirnrunzelnd den Blickkontakt mit Marie suchen ließ.
Doch Marie war offenbar zumindest im Moment nicht gewillt, mich weiter aufzuklären, stattdessen sprach sie weiter, was die Blicke der anderen wieder auf sie lenkte: "Hat Ihr Besuch heute also etwas damit zu tun, Mister Tucker oder was möchten Sie dieses Mal?"
"Unser Angebot, über Sie erst nachzudenken wünschten, war, dass wir als gleichgestellte Partner zusammenarbeiten.", erwiderte Mr Tucker, ohne zu zögern, "Die Unterstützung bei der Rettung der jungen Dame war für uns eine Selbstverständlichkeit. Wer wären wir, das als Druckmittel zu verwenden? Wir sind heute hier, weil Jamy Lanusta, der dieses Wochenende eine Kunstausstellung veranstaltet, eine sehr gute Gelegenheit wäre, mit einer Zusammenarbeit zu beginnen.".
Marie lächelte sanft und schwieg einige Augenblicke, bevor sie sehr ruhig erwiderte: "Wir schätzen Sie sehr, Mister Tucker, denn Ihre Informationen haben sich bislang immer als äußerst präzise und nützlich erwiesen. Aber als gleichgestellte Partner zusammenzuarbeiten kommt für uns nicht in Frage, das hatten wir Ihnen bereits mehrfach erläutert. Und was Jamy Lanusta anbelangt, haben wir dieses Wochenende schon andere Pläne."
Relativ emotionslos und offenbar wenig überrascht über Maries Antwort erwiderte Mr. Tucker: "Nun... dann lassen Sie mal hören."
Marie behielt ihr Lächeln bei und antwortete fast augenblicklich: "Sie verstehen sicher, Mr. Tucker, dass wir Sie zum momentanen Zeitpunkt nicht in unsere Pläne für das Wochenende einweihen können. Allerdings gäbe es da etwas, das Sie für uns tun könnten. Es ist nicht ganz ungefährlich und hat mit einem gewissen Herrn zu tun, der uns zunehmend Schwierigkeiten bereitet. Wenn Sie uns auch bei diesem Problem Unterstützung bieten könnten, wäre ich durchaus gewillt über eine Zusammenarbeit in der Zukunft nachzudenken, bei der Sie direkt am jeweiligen Projekt beteiltigt wären."
"Das ist wieder sehr viel Konjunktiv, den sie da verwenden", antwortete Mr Tucker, "Hören Sie, Mrs. Vermillion. Wir wissen beide, dass wir Ihnen viel schulden. Ich bewundere ihren Sinn für Gerechtigkeit sehr. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass wir Ihnen viel effektiver unter die Arme greifen können... Also, wie können wir Sie in der Sache unterstützten?".
Doch Marie kam nicht dazu zu antworten, da just in dem Moment mein Badewannenopfer auf lautlosen Füßen herangetreten war und ihr nun etwas ins Ohr flüsterte, was sie nach einigen Augenblicken des Zuhörens mit einem "Danke, Ryan", quittierte, um daraufhin zu Mister Tucker zu sehen und zu sagen: "Es tut mir Leid, Mister Tucker, aber ich muss Sie für einen Moment allein lassen, wir werden unsere Unterhaltung aber in Kürze fortsetzen. Bis dahin leisten Sie doch bitte Marie Gesellschaft." Während sie das sagte, kam ich nicht umhin, meinen Blick auf dem Ekel aus dem Badezimmer haften zu lassen, der sich als Ryan entpuppt hatte, was mir ohne dass ich es wirklich merkte, ein kleines Lächeln ins Gesicht zauberte, das noch dadurch gefördert wurde, dass Ryan sich in der Zwischenzeit offenkundig umgezogen hatte und nun ein umwerfend blaues Hemd trug, das fantastisch zu seinen ebenso blauen Augen passte.

Er und Marie verließen ohne weitere Ausflüchte den Raum und ließen mich mit Mr Tucker und seiner Begleiterin, die sich allerdings auch selbst gut abzulenken wusste, allein, was mir zunächst etwas unangenehm war, da ich die beiden erst vor wenigen Minuten das erste Mal gesehen hatte und es mir so vor kam, als hätte Marie den Raum mit einer Stimmung verlassen, die nicht im Sinne von Mr Tucker zu sein schien, was mich allerdings nicht von einer ganz bestimmten Frage ablenken konnte und so fragte ich ihn kurzum: "Was meinten Sie als sie sagten, dass sie meiner ... Tante viel schulden?", was nicht nur die Aufmerksamkeit von Mr Tucker, der mich leicht überrascht ansah, sondern auch die seiner jungen Begleiterin weckte. Anscheinend wusste sieauch noch nicht, was da eigentlich alles abging. Und da sie sehr neugierig war, war sie mehr als gespannt.
"Nun ...", begann Mister Tucker und sah mich zunächst so an, als würde er überlegen, wie viel er mir sagen konnte oder auch sagen durfte, bevor er etwas zögerlich fortfuhr: "Sie hat uns vor ein paar Jahren finanziell sehr unter die Arme gegriffen." Er sah zu seiner jugendlichen Begleiterin und ergänzte, nur für sie bestimmt: "Das war als deine Großmutter so schwer krank wurde und diverse Operationen brauchte ..."
"Ich kenne die Geschichte, Vater.", warf Mr. Tuckers Tochter recht emotionslos ein. "Das war doch auch als ihr euch mit einer großen Waffenlobby angelegt habt, was ohne die Unterstützung von Marie und ...Maries Eltern schwer nach hinten losgegangen wäre.", fuhr sie fort und begann mich etwas seltsam anzusehen. "Es ist echt nervig, dass ihr beide Marie heißt. Ich heiß' übrigens Anna und dich nennen wir einfach mal 'Mary'.", sagte sie lächelnd, den Zeigefinger aus dem Handgelenk heraus auf mich gerichtet.
Dass jetzt auch noch Mister Tuckers Tochter Anna anfing, über meinen Kopf hinweg über mich zu entscheiden, ging mir gehörig gegen den Strich und so platzte es aus mir weit unhöflicher heraus als ich es eigentlich wollte: "Nein, keiner nennt mich einfach mal 'Mary'! Und ihr ganz sicher nicht! Mein Name ist Marie und wenn ihr Probleme habt, uns beide auseinanderzuhalten, dann ist das euer Problem!" Passend zu diesem Ausbruch drehte ich mich auf dem Absatz um und folgte meiner Patentante und Ryan aus dem Zimmer.
Anna, die mich während meines kleinen Ausbruchs stirnrunzelnd ansah, fing kurz nach meinem Abgang an zu kichern und rief mir noch "Bis später, Mary!" hinterher. Auf dem Flur entlang laufend wusste ich jedoch nicht einmal, warum genau ich überhaupt so sauer wurde. Dieser Gedankengang wurde jedoch dadurch unterbrochen, dass Ryan sich kurz zu mir umdrehte, mich leicht abfällig ansah und seinen Blick mit einem "Tss!" wieder nach vorn richtete.
Ich ignorierte Anna, die mir mit einem Mal äußerst unsympathisch wurde, ebenso wie Ryan, dessen abfällige Art völlig unangebracht war, zumindest soweit ich das zum jetzigen Zeitpunkt beurteilen konnte, und fragte mich, wieso meine Patentante immer noch im Flur war, obgleich sie doch schon einige Minuten vor mir aus dem Zimmer gegangen war. Doch ich sollte sehr rasch eine Antwort erhalten, da Marie sich zu mir umsah und mich hektisch zu sich winkte.
Marie musste zunächst etwas kichern als ich auf sie zukam und flüsterte mir dann lächelnd ins Ohr: "Deine Mutter bekam auch manchmal schlechte Laune, wenn sie müde war." Sie sah kurz hinüber zu Ryan und musterte mich für ein paar Sekunden. "Du und Ryan habt offenbar einen schlechten Start gehabt. Ich versichere dir jedoch, dass er dich nicht hasst, auch wenn er es durch seine eigenwillige Art gut kaschieren kann. Deine Mutter und Ryan waren sehr gute Freunde, musst du wissen. Aber genug für heute. Ich werde dir morgen erklären, was es mit Jamy Lanusta auf sich hat. Jetzt solltest dich erstmal ausschlafen.", sagte Marie und suchte den Blickkontakt zu Ryan, "Ryan wird dich auf dein Zimmer bringen".
Eigentlich wollte ich nicht, das Ryan mich in mein Zimmer begleitet, aber da ich mich im Moment noch gar nicht in dieser Villa auskannte, fügte ich mich dem sogenannten Schicksal und lies mich von ihm in mein Zimmer bringen. Sie hatte auch recht, weil ich doch, von so viel Aufregung sehr müde war. Morgen war auch noch ein Tag.
Und der kam mit einem Paukenschlag, der es in sich hatte ...Eigentlich wollte ich in Ruhe schlafen, doch ich wurde mitten in der Nacht von einem lauten Donnerschlag aus dem Bett gerissen und nichts war mehr, wie vorher.
 
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Lia

Don't eat the help! ツ
Otaku Veteran
Nach einem schlechten Start in den Samstag entschied ich mich ( Marie, schwarze Haare, grüne Augen, Körbchengröße 75F), nicht auf Arbeit zu gehen und kehrte durchnässt in meine Wohnung zurück, in der ich bis Sonntag durchschlief.
Ralf, der Freund meines Exfreundes Martin, klingelte an meiner Tür und berichtete, dass mein Ex Martin im Koma liegt. Es ereignete sich wohl drei Wochen zuvor bei einem Motorradunfall. Da ich Martin beim Rumknutschen mit seiner Kollegin Sophie erwischt hatte, hatte ich den Kontakt zu ihm bereits zuvor abgebrochen.
In diesem Zusammenhang machte Ralf einen dummen Witz darüber, dass es sich um einen Doppelgänger oder seinen Zwillingsbruder gehandelt hätte, was ich allerdings nicht ganz so witzig fand wie er.
Gegen meine Motivation überredete Ralf mich letzten Endes, Martin im Unikliniku zu besuchen. Ich fuhr uns mit dem Auto. Dort angekommen machten wir Bekanntschaft mit bewaffneten finsteren Typen. Beim Versuch zu flüchten, töteten sie Ralf, der durch einen Schuss in der Eingangshalle niedergestreckt wurde.
Die Männer zerrten mich in einen schwarzen Bus und nahmen mich mit. Während der Fahrt erwähnten sie, dass sie nach einem "Pawel Walczak" suchten, den ich unter dem Name Martin kennen würde. Offenbar hatten sie Martin im Krankenhaus nicht ausfindig machen können.
Wir machten an einem abgelegenen Gebäude Halt, wo sie mich zum Reden bringen wollten. Als es ungemütlich wurde, wurde unsere Runde von einem Fahrzeug bewaffneter Männer gestört. Sie machten meine Entführer unschädlich und nahmen mich mit.
Voller Erschöpfung schlief ich auf der Fahrt und wachte im leeren Wagen auf dem Hof eines großen Anwesens auf. Dort traf ich meine Patentante Marie, der ich offenbar meinen Name zu verdanken hatte, und ihre kleine Tochter Lisa.
Sie führte mich in ein Zimmer voll mit Karten, Zeichnungen, Fotografien, Skizzen und Zeitungsausschnitten von einer langen Serie von Einbrüchen und Diebstählen. Meine Patentante erzählte, dass sie zusammen mit meinen Eltern die Einbrüche geplant und durchgeführt und dass sie dabei nach ihren eigenen Vorstellungen von Gerechtigkeit gehandelt hätten. Außerdem hingen dort einige Fotos von Martin, die mit den Namen Martin Bauer, Pawel Walczak, Gordon Scott und Francois Michel versehen waren. Erneut wurde mir die Geschichte aufgetischt, dass es sich dabei nicht um Martin, sondern um jemanden, der ihm verdammt ähnlich sah, handelte.

Heute ist Samstag und das Wetter ist grau und kalt. Da möchte man am liebsten direkt nach dem Aufstehen wieder in sein Bett zurück fallen. Was aber nicht geht, da man ja an die Arbeit muss. Ich hasse meinen Beruf! Am allerliebsten wäre ich den ganzen Tag liegen geblieben und hätte den Geräuschen gelauscht, die vor meinem Fenster auftraten. Schlussendlich rappelte ich mich dann auf, schaute auf die Uhr und, oh weh, doch schon so spät. Nun aber schnell rein in die Klamotten und ab zum Bus. Wenn es nicht nur schon wieder regnen würde ... Da ich auch noch Pech habe, werde ich sofort nass, weil ein Auto mich von der Seite nass spritzt. Wirklich ärgerlich, schimpfe dem noch lautstark hinterher, rege mich noch ein wenig wie ein Rohrspatz auf, und sage zu mir: "Es kann nicht schlimmer werden, hilft alles nichts, weiter zum Bus."Triefend vor Nässe und zitternd vor Kälte erreiche ich den schmalen Busstand. Mit einem Blick auf meine Uhr muss ich feststellen, dass diese auch noch stehen geblieben ist. Da ich immer gute 10 Minuten zum Bus brauche, weiß ich jetzt nicht mal wie spät es ist und ich nehme schon immer den Letzten der fährt. Gereizt schüttele ich meinen Kopf, starre auf die gegenüberliegende Gebäudefassade und erblicke schließlich eine Leuchtanzeige, die mir noch nie zuvor aufgefallen war: Sa., 23.02.13 - 8°C - 7.18 Uhr. Verdammt ich wusste, das ich zu spät bin. Sollte um 7 Uhr anfangen zu arbeiten. Der Chef würde mir wieder eine gehörige Standpauke verpassen, aber erstmal musste ich zusehen, dass ich auf die Arbeit kam. Nur wie sollte ich das anstellen ohne Auto? Ein Taxi wäre jetzt das Beste der Wahl, nur leider hatte ich auch noch mein Handy zu Hause liegen lassen und mein Geld auch noch. So blieb mir halt nichts anderes übrig als zu laufen, was nicht das Beste war, besonders bei diesen Temperaturen. "War der blöde Weg schon immer so lang gewesen", war das Einzige, was ich bei dieser Kälte und dem Regen aus mir heraus brachte. Ich schüttelte mich und klemmte meine Haare hinter meine Ohren. "Nicht aufregen Marie, nicht aufregen ...", war das Einzige, was ich zu mir murmelte, als ich geschwind die Straße entlang ging. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich den LKW fast übersehen hätte. So konnte ich noch rechtzeitig zur Seite springen, als der durch eine Pfütze raste. "Verdammt!", entfuhr es mir, während das aufspritzende Wasser auch noch die letzten trockenen Stellen meiner Kleidung durchnässte.Dem LKW-Fahrer warf ich einige Flüche hinterher, doch machen konnte ich nun eh nichts mehr. Ich würde nach Hause gehen und den Tag einfach als "Krank" machen. Morgen dann zum Arzt und dann... schön die nassen Klamotten von meinem Leib zärtlich wegreißen und ein Bad einlaufen lassen. Ein heißes Bad wär jetzt genau das Richtige Ich lasse mich in der Badewanne ''gehen'', schmelze quasi dahin, oh Gott, das Leben kann doch soooo schön sein.. wenn da bloß nicht der ganze Stress wär ... Nur leider habe ich nicht bedacht, dass morgen erst Sonntag war und ich erst am Montag zum Arzt kommen würde. Aber so nass wie ich war, würde ich bestimmt eine Erkältung bekommen. Also zerrte ich mir regelrecht die nassen Klamotten runter und wollte ein Bad einlaufen lassen. Aber, wie der Teufel es will, kam nur eine braune Brühe aus dem Hahn. Vorbei der Traum vom schönen heißen Bad. Und mir war auch noch saukalt. ,,Ach verdammt! Wäre ich heute doch nur zu Hause geblieben!'', ich band mir ein Tuch um und rannte regelrecht auf mein Zimmer, riss den Schrank auf, zog meinen Pyjama an und verschwand unter meiner Bettdecke. Ich hab keine Ahnung, wie lange ich da lag, denn mich weckten ein paar Sonnenstrahlen, die durch mein Fenster schienen. Mein Handy vibrierte unaufhörlich, ich öffnete es und da stand: ,,7 verpasste Anrufe/ Absender: Chef''. Verdutzt darüber, dass dieser so oft angerufen hatte, rieb ich mir mit Unglauben die Augen. "Was zur Hölle will der? Nicht mal einen Tag darf man krank machen? Ha! Morgen zum Arzt und für den Rest der Woche 'n Gelben holen!" Moment, was hatte ich da gesagt? Morgen? Ich hatte den gesamten Samstag verschlafen und es war bereits Sonntag geworden, zumindest wenn ich dem Datum auf meinem Handy trauen konnte. Seufzend blickte ich an die Decke und wischte mir eine Strähne meiner pechschwarzen Haare aus den giftgrünen Augen. "Er bringt mich spätestens am Dienstag so was von um", murmelte ich und begann in meinem Schrank nach einem BH zu suchen. 75F war nicht unbedingt die Größe, in der man viele BHs bekam. Was deutlich wurde als ich das Tablar mit der Unterwäsche ansah. Ich zog das Pyjamaoberteil aus und legte mir den BH an, dann suchte ich mir noch eine passende Unterhose und zog sie ebenfalls an. Aus der hinteren Ecke eine Hose und ein einfaches T-Shirt, zog sie mir an und ging aus meinem Zimmer. ,,Waaaah, wie spät ist es denn jetzt eigentlich?'' sagte ich gähnend als ich die Treppe hinunter ging. Ich ging in die Küche und holte das Müsli aus dem Schrank, füllte es in eine Schüssel, dann machte ich den Kühlschrank auf und nahm die Milch raus.


Ich wollte gerade den Inhalt über mein Müsli kippen, als ich diesen stechenden Geruch wahrnahm.
Ich roch vorsichtshalber noch mal daran, nur um sicher zu gehen. Fehler, mächtig großer Fehler.
Das Zeug stank mir die Bude voll.
Verfluchte Scheiße, jetzt muss ich das Zeug also auskippen.
Als hätte ich nicht so schon genug Stress, muss jetzt auch noch mein Handy klingeln.
Ich schaute aufs Display und wunderte mich, wer denn um alles auf der Welt, meine Nummer kennt, ich beschloss also ran zu gehen und erlitt den Schock meines Lebens.

Der Freund von meinem Ex! Woher kennt der denn bitte meine Nummer!
Bestimmt hat mein Ex meine Nummer ihm gegeben, aber was nun? Ich ging ans Telefon und hörte einen lauten Schrei. Schlagartig fiel mir das Handy aus der Hand.

Scheiße aber auch, was war denn das?
Erst der Freund meines Ex, jetzt auch noch dieser Schrei!
OK, nachdenken, denk nach Marie, denk nach!!!
Ich hob das Telefon und wählte, während ich mich zur Ruhe zwang.

,,Ich rufe ihn jetzt einfach zurück und frage, wo zur Hölle er meine Nummer her habe und warum er ins Telefon schreie'' sage ich mir selbst, doch nix mit zurückrufen. //Ihr Guthaben ist erschöpft, bitte laden Sie es wieder auf um diesen Anruf zu tätigen//, sagte mir die ,,nette'' Stimme des automatischen Services und während das ertönte, schmiss ich mein Handy wieder auf den Boden. ,,Ach scheiß die Wand an!'' schrie ich wutentbrannt bis ich merkte, dass das ein Fehler war. Hektisch hob ich mein Handy wieder vom Boden auf und drückte irgendwelche Tasten, doch nichts regte sich. ,,Ach egal, ich brauche eh ein neues Handy'' versuchte ich mich zu trösten, dass ich nicht in Tränen ausbrach. Irgendwie war jetzt ein Bach geöffnet worden, denn die Tränen flossen wie ein riesiger Wasserfall die Wangen herunter. Nach ein paar Minuten konnte ich mich langsam beruhigen, es war aber echt heute der Teufel los.
Und wie um das zu bestätigen klingelte es plötzlich Sturm an meiner Türe. //Wer kann das denn wieder sein?//

Meine trüben Gedanken waren mit einem Mal wie weggeblasen, und ich eilte mit einer Mischung aus Neugierde, Besorgnis, aber auch dem Gefühl, gar nicht wissen zu wollen, was da schon wieder auf mich zukam, zur Türe und sah zunächst mal durch den Spion. Der Spion war ziemlich benebelt, so das ich gar nicht wirklich gut rausschauen konnte. Also musste ich erahnen, wer draußen stand. Doch nach Rätselraten war mir absolut nicht zumute, daher griff ich beherzt zur Klinke und öffnete die Türe. Mit verheulten Augen und verrotzter Nase schaute ich neugierig aus der Wohnung. Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und blickte überrascht in das Gesicht des Freundes meines Ex. Was um Gottes Willen hatte er hier zu suchen??? Eine gefühlte Ewigkeit starrten wir uns wortlos an, bis mir schließlich der Geduldsfaden riss und ich sagte: "Was um Gottes Willen hast du hier verloren?"
"Du ... Du ... Du bist daran Schuld, Marie!", geiferte er mich plötzlich an, ohne das ich eine Ahnung hatte, was er meinte.
In diesem Moment merkte ich, dass um mich herum alles verschwamm und es dunkel wurde. Langsam machte ich meine Augen wieder auf und blickte in das Gesicht von meinem Ex.
Zeitgleich bemerkte ich einen dumpfen Schmerz an meinem Hinterkopf und tastete den Bereich ab. Ich lag auf meinem Sofa im Wohnzimmer und spürte eine schmerzhafte Beule und getrocknetes Blut zwischen meinen Haaren. Ich musste wohl mit meinem Kopf auf den harten Steinboden des Eingangsbereich meiner Wohnung geprallt sein und dachte in diesem Moment eigentlich eher über die Tatsache nach, dass sich mein Ex offensichtlich in meiner Wohnung befand. "Freund meines Ex ...", korrigierte ich mich in Gedanken und fragte mich gleichzeitig, ob der Schlag auf meinen Kopf mehr als nur eine schmerzende Beule verursacht hatte. Ralfs Gesicht schob sich in mein Blickfeld und eine Mischung aus Wut und Sorge lag darin, wobei die Wut die Oberhand zu gewinnen schien, je länger ich ihn ansah. //Warum war er schon wieder wütend, ich hatte absolut keine Ahnung.//
"Martin - DEIN Ex Martin - liegt im Koma!", warf er mir unvermittelt an den Kopf. Langsam kamen mir wieder die Erinnerungen, ach ja, da war noch was ... Martin ... Martin ... er hatte sich doch nicht etwa etwas angetan ... wegen unserer Trennung?!? Oder war es doch wegen was anderem?? Anstatt weiter wild zu spekulieren und mir alles mögliche vorzustellen, entschied ich mich, Ralf direkt zu fragen und so hob ich die Brauen und wollte wissen: "Martin liegt im Koma ... wieso ... was ist passiert?"
"Er wollte zu dir ... mit dir reden, sich entschuldigen, was weiß ich, ... und er ..." Seine Stimme schien zu versagen. "er hatte einen Unfall ... mit dem Motorrad ... vor drei Wochen." Kopf kratzend überlegte ich, so lange ist das schon her, wo ist nur die Zeit geblieben ...
"Aber wieso kommst du jetzt und was willst du von mir?", konnte ich nicht umhin, Ralf zu fragen, fügten sich die einzelnen Puzzleteilchen für mich noch nicht zu einem ganzen Bild zusammen.
"Verdammt Marie, drei Wochen und du hast dich nicht ein einziges Mal blicken lassen; als wär' er dir völlig egal", warf er mir vor und ich verstand plötzlich seine Wut auf mich, aber wie sollte ich ihm klar machen, dass ich schlicht nichts davon gewusst hatte? Aber wie sollte ich auch, damals vor drei Wochen ist er wutentbrannt aus der Wohnung gestürmt ...
Ich hatte gesehen, wie er seine Kollegin Sophie geküsst hatte - also richtig, LEIDENSCHAFTLICH; hatte er erwartet, dass ich ihm kaum zwei Stunden später seine Ausreden glauben würde?
Ich spürte wie mich der bloße Gedanke daran immer noch aufwühlte, und da mein bisheriger Tag reichlich beschissen gewesen war, mein Schädel brummte und ich keinerlei Lust zu großartigen Erklärungen hatte, sagte ich harsch: "Das ist etwas zwischen Martin und mir und nichts, was dich angeht, Ralf!"
"Es geht mich ganz sicher was an, wenn sich mein bester Freund wegen dir fast in den Tod fährt und es dir offenbar völlig gleich ist."
"Ach ja, dann frage ich dich doch mal, was er dir erzählt hat, von der Sache vor drei Wochen?"
Das schien ihn jetzt doch zumindest kurzzeitig aus der Fassung zu bringen, denn er runzelte die Stirn und war für einen Moment sprachlos, während man sehen konnte, wie es in seinem Kopf arbeitete.
"Ähm ..., ja, Marie", druckste er herum. "Also ..., eins vorweg: ich dachte zuerst auch, er würde lügen, aber warum sollte er mir so eine Geschichte auftischen, wenn er genau weiß, dass wir beide uns noch nie leiden konnten."
"Wovon redest du eigentlich?"
"Martin hat einen ... Doppelgänger, einen eineiigen Zwilling, einen ... ach, keine Ahnung, wer oder was er war, ... jedenfalls war es nicht Martin, den du gesehen hast."
"... Willst du mein Vertrauen wirklich mit solch einer Absurdität erschüttern?" Doppelgänger, eineiiger Zwilling, womöglich gar ein Klon ... dachte ich, während ich spürte, wie bei Ralfs absurder Behauptung etwas in mir hochkochte. Enttäuscht über Ralfs ausbleibende Antwort, warf ich ihm einen verachtenden Blick zu und verschwand, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, im Bad.
Aber ich hatte nicht mit Ralfs Hartnäckigkeit gerechnet, denn er folgte mir und sagte schließlich, in Ton doch sehr einlenkend: "Ich will doch nur, dass du mit mir kommst, Marie ... zu Martin und er deine Anwesenheit spüren kann."
Genervt darüber, dass ich meine kurze Pause nun doch nicht bekam und sich auch noch ein Gefühl von Mitleid in mir anbahnte, ließ ich ein tiefes Seufzen verlauten, schnappte mir die Autoschlüssel und verließ die Wohnung. Dabei wäre es so schön gewesen, einen freien Tag zu haben, aber was solls.
Grade als ich losfahren wollte, bemerkte ich, dass ich keine Ahnung hatte, wo Martin im Moment überhaupt ist, was mich so in Gedanken versinken ließ, dass ich nicht merkte, wie Ralf mir nachlief, bis er schließlich in's Auto stieg, was ich allerdings widerwillig hinnehmen musste, da mein "du-steigst-sofort-aus"-Blick seinem "das-wird-nicht-passieren"-Blick nicht standhalten konnte. Seufzend stieg ich in das Auto, "Wo liegt er?" kam widerwillig die Frage.
"Er ist seit gestern wieder zu Hause.", antwortete Ralf mit strahlendem Gesicht.
"Ich dachte, er liegt im Koma ... wie kann er da zuhause sein?", fragte ich und sah Ralf perplex an.
Ralfs erschrocken Blick nach zu urteilen, nahm ihn die ganze Sache ziemlich mit, wenn er sogar unter so drastischen Realitätsstörungen leidet.
"Ist mit dir alles in Ordnung?", platzte es nun doch aus mir heraus und ich spürte, wie sich auch der letzte Ärger ob seiner Einmischung zu verflüchtigen begann, auch wenn ich das eigentlich gar nicht wollte.
Ralfs nachdenklicher Blick traf auf den meinen, woraufhin er sich gleich wieder von mir abwandte und nach einem längeren Moment der Stille antwortete: "Ja, er... liegt im Uniklinikum.", was mich unmittelbar dazu veranlasste, ordentlich auf's Gas zu treten, In der Hoffnung, dieser nervig erdrückenden Stimmung zu entkommen.
Eine knappe Viertelstunde später betrat ich mit Ralf die Klinik.
Sowie wir in Richtung Empfang gehen wollten, hörten wir das beängstigende Geschrei einer Frau. Das war nun wirklich nicht dazu angetan, meine Stimmung zu heben und mir wurde plötzlich wieder bewusst, welche Aversion ich gegen Krankenhäuser hatte, gegen den Geruch, der sich in den Gängen hielt, gegen die gewienerten Böden, die weißgekittelten Gestalten, die weinenden und bangenden Angehörigen und gegen all das Leid, die Krankheit und der Tod, der einem von überall entgegenwehte, nicht nur von den Kranken, die in ihren Betten teils auf den Gängen auf Untersuchungen warteten.
Wenige Sekunden später riss mich das Ertönen mehrerer Schüssen, die mir klarmachten, das Geschrei falsch beuteilt zu haben, aus meinen Gedanken. Während mein Puls unwillkürlich zu rasen begann, sah ich mich hektisch um, nach einer möglichen Deckung genauso wie nach dem Ursprung der Schüsse, denn ich wollte keinesfalls in ebendiese Richtung laufen. Über den stückweise offenen Gang des ersten Obergeschosses, der unmittelbar über der Rezeption lag, rannten zwei Leute, ein jüngerer Mann und eine Frau mittleren Alters, in den rechten Flügel.
"Was geht da vor?", fragte ich, während ich zeitgleich instinktiv hinter dem Tresen der Rezeption Schutz suchte.
Während weitere, immer präsenter werdende, Schüsse ertönten und wir, an den Tresen gelehnt mit dem Eingang im Blick, mit dem Rücken zum Geschehen hockten, stotterte Ralph, "Wir müssen hier weg!", als plötzlich ein paar Leute, die bisher noch wie angewurzelt im Eingangsbereich standen, mit dem Blick nach oben verzweifelt Schutz suchend in alle Richtungen liefen, was mich dazu veranlasste, es für keine gute Idee zu halten, durch einen kurzen Blick herausfinden zu wollen, was auf dem Durchgang vor sich geht.
Ralph wurde offenkundig von dieser einsetzenden Panik miterfasst, denn er erhob sich und rannte los, hin zum Ausgang, ohne auch nur einen Blick hinter sich zu werfen, was mich trotz der angsteinflößenden Situation den Kopf schütteln ließ, während ich ihm nachrief: "Bleib hier, Ralph, das ist keine gute Idee!"
Kaum hatte ich ihm das zugerufen, musste ich beobachten, wie Ralph, dicht gefolgt von einem weiteren einschneidenden Knall eines unmittelbaren Schusses, ohne jegliche erkennbare Bemühungen, dem Aufprall entgegenzuwirken, im Sprint zu Boden ging, wo er sich nach dem Aufprall noch ein paar Mal überschlug und eine immer größer werdende Blutspur hinterließ.
Fassungslos starrte ich ihn an mit einem plötzlich aufwallenden Gefühl von Unwirklichkeit und dem starken Drang, sofort zu ihm zu sprinten und ihm zu helfen, was jedoch von meinem unmittelbar wieder einsetzenden Verstand verhindert wurde, der Bilder von Filmen vor meinem inneren Auge ablaufen ließ, Bilder, in denen genau solche Rettungsversuche mit dem Tod des Retters belohnt wurden.
Aus meinem äußersten Blickwinkel erkannte ich, begleitend von einem dumpfen Geräusch, wie jemand rechts von mir auf den Tresen landete, wodurch ich meinen Blick langsam in dessen Richtung wandte und in die Augen eines Mannes mit einer geschulterten Schrotflinte blickte, der mich für ein ein paar Sekunden ansah und dann lächelnd sagte, "Du wirst mit uns kommen", was mich nach einigen Sekunden, die ich brauchte, die Situation halbwegs zu erfassen, in leichte Panik versetze und mich veranlasste am ganzen Körper zu zittern, ehe ich beim Versuch aufzustehen, um davonzulaufen, lediglich über mein linkes Knie stolperte und nun regungslos am Boden lag und hoffte, dass es mich nicht auch treffen würde.
Doch dieser Totstellreflex, der im Tierreich oft von Erfolg gekrönt wurde, zeigte bei dem Mann mit der Schrotflinte keinerlei Wirkung, denn er stieß mir den Lauf erst recht unsanft in den Rücken, bevor er mich an den Haaren aus meiner liegenden Position zog, um mich mit einem in mein Ohr geraunten "zum Liegen wirst du noch Gelegenheit genug bekommen ..." mit sich gen Ausgang zu ziehen.
Meine Gedanken, was nun mit mir passieren oder, ob ich das Alles überleben könnte, wurden vom Anblick Ralphs unterbrochen, dessen lebloser Körper in einer immer größer werdenden Blutlache lag und mir die letzte Hoffnung nahm, dass er möglicherweise noch am Leben sein könnte, unterbrochen, bis mir die, vor Angst entstellten Gesichter der Leute, die sich in unmittelbarer Nähe aufhielten, erneut die Ernsthaftigkeit meiner Situation klarmachten und mir Anlass zu der Annahme gaben, dass meine Chancen relativ schlecht stehen würden, wenn ich mich von diesen Leuten einfach mitnehmen lassen würde.
Allerdings war ich Realist genug, um zu wissen, dass mir mit einer immer noch auf mich gerichteten Schrotflinte und den Haaren in der Hand meines Peinigers nicht viele Alternativen blieben, als zumindest im Moment der doch recht brutalen Aufforderung Folge zu leisten, in der Hoffnung, dass sich auf dem weiteren Weg eine Möglichkeit zur Flucht ergeben würde, bevor ich das gleiche Schicksal erleiden würde wie Ralph, dessen nun starr geöffnete Augen mir nachzublicken schienen, obwohl das physisch kaum noch möglich sein konnte.

Draußen angekommen wurden wir bereits von einem schwarzen Bus und drei davor positionierten bewaffneten Männern erwartet, die mir unangenehme Blicke zuwarfen und mir unmittelbar in den Bus folgten, der sich kurz darauf in Bewegung setzte.
Als ich das sah, drängte sich mir unweigerlich der Gedanke auf, dass die es auf mich abgesehen hatten, dass der Überfall auf das Krankenhaus auf irgendeine Weise mir gegolten hatte, auch wenn ich mir keinerlei Reim darauf machen konnte, wieso ein Teil der Verbrecher aus dem ersten Stockwerk gekommen war und was das Ganze überhaupt sollte.
Nach ungefähr einer Minute, die ich zu nutzen versuchte, um wieder halbwegs zur Besinnung zu kommen, sah mich der Typ, der mich in den Wagen zerrte musternd an, während er sich eine Zigarette anzündete, bis er schließlich mit zusammengezogenen Augen und in einem gehässigen Ton fragte: "Na, bist du sauer, weil ich deinen Freund umgelegt habe?"
Für einen Moment war ich perplex und starrte den Mann sprachlos an, doch dann schlüpfte die Frage wie von alleine über meine Lippen: "Du hast ihn umgelegt, weil du denkst, er war meine Freund?"
"Ich hab' ihn umgelegt, weil er dämlich war, weil er geglaubt hat, einer Kugel davonrennen zu können - und weil er unserem Auftrag im Weg stand." Langsam kam mir der Satz im Gehirn an, aber so ungefähr den Sinn verstand ich im ersten Moment nicht, bis es mir so langsam dämmerte.
"Mich entführen ist euer Auftrag?", fragte ich daher auch, wobei ich nicht umhin konnte, vermutlich recht verwirrt und irritiert auszusehen, immerhin hatte ich noch keinerlei blassen Schimmer, was das Ganze wirklich sollte.
"Das würde dir gefallen, nicht wahr Prinzessin?", murmelte einer der anderen Entführer, der mir gegenüber saß, und mir die gesamte Zeit unverblümt auf meine Brüste starrte. Nur kurz streifte mein Blick den Mann, dann entschied ich mich, seine lüsternen Blicke genauso zu ignorieren wie seinen gemurmelten Kommentar und ich sah stattdessen weiterhin auf den Mann, der der Anführer zu sein schien, und fragte: "Und ich bin eurem Auftrag förderlich, was auch immer das für einer ist?"

"Ich hoffe - auch für dich selbst -, dass du uns helfen wirst, jemanden zu finden: Pawel Walczak ... oder für dich vielleicht eher Martin", entgegnete er, wobei er den Namen meines Ex-Freundes abfällig betonte.
Nur sehr langsam sickerte das Gesagte in mein Bewusstsein, während zeitgleich Ralfs Worte durch meinen Kopf schossen: er hat einen Doppelgänger, einen eineiigen Zwilling ..., was mich erst nach einer kurzen Pause, in der sich meine Gedanken wieder sortierten, möglichst unbedarft sagen ließ: "Aber Martin liegt im Krankenhaus, ich wollte ihn dort gerade besuchen ..."
"Du bist nicht sonderlich schlau, oder glaubst du, dass wir dieses Gespräch führen würden, wenn er dort gewesen wäre?"
"Er war nicht da?", fragte ich jetzt doch einigermaßen perplex und sprach weiter: "Aber es ging ihm doch so schlecht, da ist er sicher nicht einfach aus dem Krankenhaus weg ..."
"Pawel war nicht da - und du kannst dir sicher sein, dass meine Männer die Suche sehr genau genommen haben - aber wenn er erfährt, dass wir seine Liebste haben, wird er schon auftauchen."
"Liebste?" Ich lachte auf und meinte mit einem Kopfschütteln: "Da seid ihr völlig unterinformiert, denn er hat längst eine andere ... vielleicht hättet ihr lieber die entführen sollen."
"Meiner Erfahrung nach liegt jemandem, der sich aufgrund einer Frau ins Koma fährt, meistens auch noch was an dieser Frau, glaubst du nicht?"

Ich schüttelte den Kopf und sah aus dem Fenster, denn ich hatte keine Ahnung, wieso Martin tatsächlich diesen Unfall hatte und ob er wirklich zu mir wollte, wie Ralf behauptet hatte, genauso wenig wie dieser Mann es wissen konnte. Der Kleinbus holperte inzwischen durch ein mir unbekanntes Gewerbegebiet mit zugewucherten Bürgersteigen, baufälligen Backsteingebäuden und zerbrochenen Fensterfronten, keine Menschenseele war weit und breit zu sehen. Der Anblick der verlassenen und heruntergekommenen Gegend ließ ein mulmiges Gefühl in mir aufsteigen und auch, wenn ich eben noch den Gedanken an das, was mir bevorstehen mochte, weit nach hinten hatte schieben können, schob er sich jetzt vehement in den Vordergrund. Wenig später bog der Bus in eine Seitengasse und hielt abrupt vor einem massiven Rolltor, dessen einwandfreier Zustand in krassem Kontrast zur Umgebung stand. Nur kurz darauf hob sich das Rolltor und der Bus fuhr ins Innere, das durch mehrere grelle Deckenlampen ausgeleuchtet war und Blick auf eine wenig einladende nüchterne Lagerhalle freigab. Kaum war er hindurch gefahren, wurde die Seitentür aufgerissen und ich sah erneut in den Lauf einer auf mich gerichteten Waffe. "Los, da rein", gab mir der Pistolenträger, der bisher noch keine einzige Silbe gesprochen hatte, den Befehl und damit die Richtung vor, während er mir gleichzeitig die Waffe so fest in den Rücken bohrte, dass ich einen Aufschrei nicht unterdrücken konnte. Die anderen Beiden waren ebenfalls ausgestiegen und gingen vorweg. Einer von ihnen hielt eine schwere Türe auf, hinter der ich einen hell erleuchteten Raum sehen konnte, während der Mann mit der Schrotflinte uns schweigend folgte, möglicherweise um dadurch meine Furcht anzufachen, was aufgegangen wäre, wenn nicht der Pistolenträger erneut das Wort ergriffen hätte: "Setz dich hin!"

Während ich auf einem kalten Metallstuhl Platz nahm, konnte ich durch die offenstehende Tür hindurch sehen, dass der vierte Entführer offenbar noch hinter dem Steuer des Busses saß und ihn wieder aus der Halle hinaus steuerte. "Arme hinter den Rücken", kam es als nächstes vom Pistolenträger, der irgendwie das Kommando übernommen hatte, während der Mann mit der Schrotflinte, der die ganze Fahrt über die Reden geschwungen hatte, den Raum durch eine weitere Stahltüre verließ, nicht ohne vorher einem der anderen beiden verbliebenen etwas ins Ohr zu flüstern, was ich jedoch nicht verstehen konnte. Meine Arme wurden schmerzhaft fest an die Stuhllehne gefesselt, dann zog sich der Entführer einen zweiten Stuhl heran und setzte sich rittlings mir gegenüber hin. Beugte sich vor und begann mir etwas ins Ohr zu flüstern. "Wir haben jetzt eine Menge Zeit und die werden wir beide nutzen", hauchte er an mein Ohr und wenn schon nicht die Art, wie er die Worte quasi in mein Ohr gleiten ließ, einen eisigen Schauer über meinen Rücken laufen ließ, so vermochte dies seine Wange, die er provokant sachte an meiner rieb. Ein Blick von ihm genügte und auch der dritte Mann verließ den Raum und ließ mich mit dem Pistolenträger allein. Der stand von seinem Stuhl auf, drehte diesen herum und setzte sich nun so mir gegenüber, dass seine Beine sich provokant zwischen meine drängten und sie auseinanderschoben, während er sich wieder ganz nah zu mir beugte und mir mit einem süffisanten Grinsen tief in die Augen sah. "Nun, was sollen wir jetzt machen?" kam die sehr einfache Frage, die doch sehr sehr bedrohlich wirkte. Ehe ich mir eine Antwort zurechtlegen konnte, erschütterte eine Explosion die gesamte Lagerhalle, mit quietschenden Reifen schien Augenblicke danach im angrenzenden Raum ein Fahrzeug zum Stehen zu kommen und stakkatoartig ertönten Schüsse.
Grade als ich mir die Frage stellen wollte, in was für einen Alptraum ich da geraten war, sprangen drei Männer von der Ladefläche des Fahrzeugs, eröffneten das Feuer auf mein Gegenüber, was mir ein weiteres ungewolltes Blutbad direkt vor meinen Augen bescherte, wobei eine der Kugeln ein Stück der Rückenlehne meines Stuhles wegriss. Ich konnte mit ansehen, wie eine Kugel durch den Kopf des Mannes schoss, der mir gegenüber saß. "Pass auf, du Idiot!", Schrie einer der Männer, die auf meine sich versteckenden Entführer schießend in meine Richtung rannten, "Stell dir vor, du hättest sie getroffen."
Fassungslos hörte ich die Worte und verstand absolut nichts mehr, was genau ging hier jetzt vor. Ich hatte null Ahnung, was jetzt kommen sollte oder wer diese Männer waren. Doch zunächst war ich dankbar, dass einer von ihnen mich vom Stuhl losschnitt und mir erstaunlich sanft hochhalf, während sich einer der anderen beiden mit gezogener Pistole gehetzt wirkend umsah und dabei ausstieß: "Und jetzt nichts wie raus hier ..."
Obgleich dieser Typ einen ganz schön angsteinflößenden Gesichtsausdruck hatte, kam ich nicht umhin, diese Idee ziemlich gut zu finden, woraufhin ich etwas verängstigt vom Stuhl sprang und wild um mich blickend, ohne ein Wort von mir zu geben, in Richtung des Wagens stolperte. Als ich fast stürzte, packte mich der, der eben noch gerufen hatte, recht unsanft am Arm und zog mich mit sich, was zwar äußerst schmerzhaft war, aber auch verhinderte, dass ich tatsächlich zu Boden ging.
"Habt keine Angst, wir bringen euch in Sicherheit.", sprach er mit fast übertrieben freundlicher Stimme zu mir, während sich seine Hand an meinem Arm lockerte.
Euch ...
wiederholte ich in meinem Kopf und fragte mich, wen er da meinte, war ich immerhin alleine hierherverschleppt worden.
Nachdem ich den Mann für eine Weile mit einer Mischung aus Verwirrtheit und Ängstlichkeit ansah, legte er seine Hand auf meinen Rücken und sagte, "Kommt jetzt bitte, wir erklären euch alles, wenn wir in Sicherheit sind", wodurch ich mir jetzt die Frage stellen musste, ob man mich wohlmöglich verwechselt haben könnte, was ich allerdings nicht unbedingt thematisieren wollte, bevor ich die Gewissheit hatte, in Sicherheit zu sein.
Ich kam auch nicht zu weiteren Überlegungen, denn der Druck in meinem Rücken verstärkte sich jäh und ich wurde vorangetrieben, was auch gut war, denn kaum hatte man mich kurz darauf mehr oder weniger auf der Beifahrerseite in den Wagen bugsiert, brach draußen auch schon die Hölle los ...
"Wir kommen jetzt raus", sprach der Fahrer des Wagens in ein Mikrofon an seinem Körper, woraufhin er den Wagen wenige Sekunden später trotz weiterer Schüsse, die außerhalb des Gebäudes fielen, in Bewegung setzte.
Durch die rasante Anfahrt wurde ich in den Sitz gepresst und griff instinktiv nach dem Sicherheitsgurt, so unsinng das in meiner Situation auch erscheinen mochte und während ich noch nach dem Teil angelte, preschte der Wagen durch das Rolltor, das anders als bei der Herfahrt völlig zerbeult und zerquetscht war, und ließ kurz darauf die noch fallenden Schüsse und das Schreien hinter sich, um mit hohem Tempo durch die verlassene Gegend zu brausen.

Nach einer Weile anhaltender Todesangst, die ich damit zubrachte, mich zu beruhigen, fuhren wir bereits auf dem Highway durch die Stadt und obwohl es für alle offensichtlich sein musste, dass mir unendlich viele Fragen durch den Kopf schossen, brachte ich kein einziges Wort hervor, während ich daran dachte, dass ich vor wenigen Stunden noch zusammen mit Ralph auf der gleichen Straße ins Krankenhaus fuhr.
Die monotone Fahrt, das Schweigen des Fahrers und des Mannes, der mich mit "euch" angeredet hatte und nun ebenfalls neben mir auf der breiten Sitzbank des Wagens saß, sowie die Strapazen des Tages mit all seinen unglaublichen und schrecklichen Wendungen, führten dazu, dass es nicht lange dauerte und ich fiel in einen tiefen Schlaf, in dem wirre Träume mich heimsuchten.
Nach einer gefühlten Ewigkeit wachte ich langsam wieder im leeren Wagen auf und blickte von einem großen Hof aus auf ein großen Anwesen, vor dessen Eingang ein Mann und eine Frau standen, die in meine Richtung blickten, als ich plötzlich durch ein Geräusch neben mir den Kopf zur Seite drehte und ein Mädchen neben mir auf dem Sitzbank sah, das auf ihrem Smartphone tippte.
"Wer bist du?", fragte ich, doch statt einer Antwort hörte das Mädchen auf zu tippen, sah mich mit großen Augen kurz an, bevor sie die Türe öffnete, um sich vom Sitz nach draußen gleiten zu lassen und zu rufen: "Mami, sie ist jetzt wach!"
Nur wenige Sekunden später vernahm ich den Klang von Absätzen, die sich dem Wagen näherten, während mich das kleine Mädchen mit großen Augen angrinste, bis an ihrer Seite eine wunderschöne Frau in schwarzem Blazer und schwarzen Jeans auftauchte und mir entgegenlächelte, "Du musst hungrig sein. Lass uns reingehen.".
Ich brauchte einen Moment, bevor ich reagierte und es fast automatisch über meine Lippen kam: "Wo bin ich hier?", während der Gedanke an etwas zu essen mich mit knurrendem Magen wie von alleine aussteigen ließ.
"Eine sehr enge Freundin deiner verstorbenen Eltern, Marie.", erwiderte die Frau, "Ich war so frei, dich in eine... weniger aufregende Umgebung bringen zu lassen. Aber lass uns drinnen weiter reden".
Eine Freundin meiner Eltern?, fragend sah ich zu der Frau, die sich als Marie vorgestellt hatte, und versuchte, einen Zusammenhang zwischen den Ereignissen von ... ja, von wann? Wieviel Zeit war vergangen?
Trotzdem, oder gerade deshalb, weil ich so viele Fragen hatte, stieg ich aus dem Auto aus und folgte dieser wunderschönen Frau. Das kleine Mädchen ging mit durch die große und einladende Tür.
"Dann...", brach ich die Stille, die ansonsten nur durch die Absätze dieser Frau gestört wurde, "habe ich meinen Name also durch dich bekommen?, woraufhin das kleine Mädchen vor uns auf der Treppe, die wir grad hinaufstiegen, stehen blieb und mich mit großen Augen ansah, "Dann heißt du genauso wie meine Mutti?".
Ich nickte stumm und die Frau erklärte dem Mädchen in freundlichem Ton: "Ja, ihre Eltern haben sie nach mir benannt, weil ich ihre Patentante bin", während ich aus den Augenwinkeln den Mann bemerkte, der zuvor noch vor dem Eingang gestanden hatte und der mich jetzt neugierig von oben bis unten musterte.
"Also wirklich Tom, wie unhöflich von dir, eine junge Dame so anzustarren.", sprach meine Patentante in einem sehr charmanten und belustigten Ton, bis sie sich ihrer Tochter zuwandte: "Lisa, willst du Maria nicht ihr Zimmer zeigen? Mama hat noch etwas zu erledigen."
Der mit Tom Angesprochene zuckte kurz zusammen und wandte sich demonstrativ ab, während das Mädchen mit einem Grinsen nach meiner Hand griff, um mich wohl zum entsprechenden Zimmer zu führen, was ich jedoch mit einem kopfschüttelnden "Ich möchte jetzt kein Zimmer sehen, ich möchte wissen, was das Ganze soll, wieso ich hier bin, welche Rolle Sie spielen", ablehnte, da mir die gehäuften freundlichen Reaktionen der mir völlig fremden Menschen suspekt zu erscheinen begannen.
Für einen kurzen Moment sah mich Marie etwas überrascht an, bis sie ein leichtes Lächeln aussetze und sagte: "Du kommst ganz nach deiner Mutter. Also schön, folge mir. Ich möchte dir etwas zeigen.".
Kurz darauf standen wir in einer Art Arbeitszimmer, dessen Fenster durch herabgelassene Rolläden verdunkelt waren und das durch eine relative nüchterne Deckenbeleuchtung erhellt wurde und die Frau, die sich als Marie vorgestellt hatte, wies mit einer Hand auf eine Wand, die voll gespickt war mit Karten, Zeichnungen, Fotografien, Skizzen, Zeitungsausschnitten und allem, was man aus jedem guten Krimi kannte.
Sowie ich an die Wand herantrat, fielen mir Artikel und Fotos über jene Serie von Einbrüchen und Diebstählen von vor einigen Jahren auf, bei denen Wertsachen und geheime Dokumente in einem Wert von einigen Milliarden entwendet wurden.
Doch dann fiel mein Blick auf ein Foto von Martin oder besser gesagt viele verschiedene Fotos von Martin, bei denen er jedes Mal anders aussah und ich näher herantreten musste, um überhaupt mit Gewissheit sagen zu können, dass es sich um meinen Ex-Freund handelte, was noch dadurch erschwert wurde, dass die Fotos die unterschiedlichsten Namen trugen wie Martin Bauer, Pawel Walczak, Gordon Scott und Francois Michel.
Nach einem anhaltenden Moment der Stille, in dem mein Herz vor paranoiden Gedanken raste, fing Marie zu meinem leichten Entsetzen herzhaft an zu lachen, bis sie sich letzten Endes ein wenig beruhigte, um mir zu erzählen, "So gern ich auch wüsste, was in diesem Moment in deinem Kopf vorgeht, möchte ich dich nicht auf die Folter spannen, denn du musst wissen, dass all diese Diebstähle... deine Eltern und ich geplant haben.", was meinen Puls für einen kurzen Moment gegen Null tendieren ließ, was Marie allerdings nicht davon abhielt, lächelnd fortzufahren, "Versteh' das bitte nicht falsch. Wir sind keine Verbrecher und haben lediglich nach unserem eigenen Gerechtigkeit gehandelt. Denn du musst wissen...", bis ich sie mit einer Frage, die mir plötzlich durch den Kopf schoss, unterbrach: "Martin! ... Was hat er damit zu tun?".
Marie stutzte und ich sah, wie sie für einen kurzen Moment die Fassung verlor, doch sie fing sich rasch wieder und erklärte mit erneut souverän klingender Stimme: "Da ist was aus dem Ruder gelaufen, wir sind noch dabei, die Einzelheiten herauszufinden, aber was wir schon wissen ist, dass es jemanden gibt, der wie Martin aussieht und das zu seinem eigenen Vorteil nutzt."
Das klang so verrückt, dass es nicht erfunden sein konnte, aber dennoch zu verrückt, dass ich die Geschichte einfach glauben könnte, "Du willst mir doch nicht etwa den bösen Zwilling auftischen, oder?".
Marie lachte - auch wenn ihr Lachen ein wenig gezwungen klang - und erwiderte: "Nein, einen biologischen Zwilling konnten wir ausschließen, aber noch nicht vom Tisch ist, dass er Martin einfach ähnlich sieht, aber auch eine Gesichtsoperation können wir nicht ausschließen, genauso wenig, dass er eine sehr gut gemachte, professionelle Maske trägt."
"Ehhh... ", begann ich mit einem Gesichtsausdruck, der ganz offensichtlich erkennen ließ, dass ich absolut nicht verstand, was das alles zu bedeuten hatte, "und was genau macht dieser ... falsche Martin?".
Marie legte einen Arm um meine Schulter, was ich irgendwie mit mir geschehen ließ, und meinte mit einem Lächeln: "Wie wäre es, wenn du dich erst mal ein wenig frisch machst und dich umziehst? Ich richte uns inzwischen etwas zu essen her und dann können wir alles in Ruhe bei einem gemeinsamen Mahl besprechen."
Ich hatte das Gefühl, als könne das noch eine sehr lange Unterhaltung werden und da sich meine Begierde, wissen zu wollen, was hier vor sich geht, in Anbetracht dieser scheinbar verrückten Geschichte deutlich geschmälert hatte und mittlerweile von meinem Hunger überholt wurde, nickte ich nur etwas zögerlich.

"Lisa, zeigst du Marie jetzt ihr Zimmer?", forderte meine Patentante das Mädchen auf, das sich inzwischen an den Schreibtisch gesetzt hatte und dort mit Buntstiften ihrer Kreativität freien Lauf ließ, woraufhin die Kleine mit strahlenden Augen zu mir gelaufen kam, mich völlig vorbehaltlos an der Hand fasste und mich ohne weitere Worte mit sich zog, die Treppe hinauf und hinein in das erste Zimmer, das auf der rechten Seite eines langen Korridors lag.
Wir standen in einem großen schön eingerichteten Zimmer, welches durch das Licht, das durch die Türen der anliegenden Terrasse hereinströmte, erleuchtet wurde, als ich in Anbetracht dessen, was ich von dem Anwesen bereits gesehen hatte, eher mittelmäßig überrascht meinen Blick durch das Zimmer schweifen ließ, kam ein Dienstmädchen aus einem Nebenzimmer, das ich bis zu diesem Zeitpunkt noch garnicht registriert hatte, musterte mich kurz und lächelte mir mit einer kleinen Verbeugung entgegen "Das Badewasser ist eingelassen. Bitte sagt mir, wenn ihr etwas braucht.", was mir allerdings ein wenig unangenehm war, jedoch nicht zum Ausdruck bringen konnte, da sich sowohl das Dienstmädchen als auch Lisa mit den Worten "Ich bin gleich im Zimmer nebenan, wenn du mich suchst." unmittelbar danach aus dem Zimmer zurückzogen.
Mir blieb nur wenig Zeit, mich im Zimmer umzusehen, kurz die Beschaffenheit des luxuriösen Betts zu testen und mich wieder zu erheben, um nach dem angrenzenden Badezimmer zu sehen, als auch schon ein schriller Ton losging und dazu plötzlich das Zimmer in ein in regelmäßigen Abständen leuchtendes Rot getaucht wurde, das - wie ich schnell erkannte - von einer über der Türe angebrachten Leuchte herrührte, die ganz offenkundig Bestandteil einer wie auch immer gearteten Alarmvorrichtung war.
"Ich hab' das Gefühl...", murmelte ich ein wenig genervt vor mich hin, "als müsste mein Bad etwas warten.", worauf ich mich einfach aufs Bett warf und den Schritten draußen auf dem Gang lauschte, die nach ca zwei Minuten verstummten, was mich dazu brachte, mich vom Bett zu schwingen und zur Tür zu gehen, um nachzusehen, was vor sich ging.
Vorsichtig machte ich die Tür einen Spalt auf um auf den langgezogenen Flur zu spicken. Ich konnte allerdings nur noch die letzten Schritte von der Kleinen sehen, also machte ich die Tür zu und wendete mich dem Raum zu, wo anscheinend das Badewasser auf mich wartet ...
Etwas gleichgültig und genervt von dem, was mir den ganzen Tag widerfuhr, hinterließ ich auf dem Weg ins Bad eine Spur mit meinen Klamotten, stieg in die Wanne und vergaß alles um mich herum, bis ich nur wenige Minuten später einnickte.
Doch mir sollte kein langes Badevergnügen beschieden bleiben, denn kaum war ich eingenickt, riss mich jemand auch schon wieder äußerst unsanft aus dem Wasser hoch und zerrte mich förmlich aus der Wanne, während eine mir unbekannte männliche Stimme mir ins Ohr zischte: "Du bist wohl von allen guten Geistern verlassen! Hast du den Alarm nicht gehört? Jetzt ist wirklich nicht die Zeit für ein Nickerchen in der Wanne ... Ich glaub's ja nicht ..."
Völlig schlaftrunken ließ ich mich aus der Badewanne ziehen und stand ein paar Sekunden nackt, den Blick aufs Wasser gerichtet, vor dem Mann bis ich wenige Sekunden später unangenehm realisierte, dass ich nichts anhatte und den Mann, der in diesem Moment mit einem Handtuch neben mit auftauchte, im Affekt in die Wanne stieß.
Als ich das perplexe Gesicht des gar nicht mal so unattraktiven Mannes in der Wanne sah, musste ich laut loslachen, was mir einen bitterbösen Blick einbrachte, den der etwa 30Jährige auch noch zeigte, nachdem er sich sehr geschmeidig und flott wieder aus dem Wasser geschwungen hatte, tropfend und sich für einen kurzen Moment schüttelnd wie ein Bernhardiner.

Als wenige Sekunden meines Gelächters später meine Priorität erneut auf die Tatsache, dass ich nackt vor ihm stand, fiel, hörte ich aprupt auf zu lachen und stieß meine Hände nach vorne, um ihn erneut in die Wanne zu stoßen, als mein Blick plötzlich an seinem nassen Shirt hängen blieb, was seinen muskulösen Körper ... verdammt gut zur Geltung brachte, und mein angetzter Stoß endete damit, dass meine Hände ganz sanft auf seinen Oberkörper klatschten und neben meinen Augen jetzt ebenfalls erstmal dort fixiert waren, bis er gefühlte zehn Sekunden später langsam das klatschnasse Handtuch über meine Arme legte, die weiterhin zu seinem Oberkörper ausgerichtet waren.
Nur kurz darauf hatte er mich in wenigen gezielten Bewegungen so um meine eigene Achse gedreht, dass mein Rücken gegen die Vorderseite seines Körper gepresst wurde, während er mit seinem muskulösen Unterarm das nasse Handtuch vor meinem Körper fixierte und mich, meine Arme bewegungslos eingeklemmt, aus dem Zimmer bugsierte.
"Eh... Hey!", rief ich leicht entsetzt, "Nur, weil du gut aussiehst und durchtrainiert bist, gibt dir das nicht das Recht, mich so zu behandeln!", was mir bereits in dem Moment, in dem ich es aussprach, etwas peinlich war, aber offenbar den gewünschten Effekt hatte, da er mich kurz darauf losließ und mir so die Möglichkeit gab mit einem spontanen Anschein, beleidigt zu wirken, meine würde widerherzustellen.
Doch wenn ich gedacht hatte, dass ich nun die Oberhand gewinnen würde, hatte ich mich getäuscht, denn der Mann drehte sich einfach auf dem Absatz um und ließ mich stehen, um gleich darauf mit großen Sätzen die Treppe hinunterzueilen, während er fast wütend ausstieß: "Die hätten dich einfach dort lassen sollen, dann hätten wir ein Problem weniger."
Nach einem kurzen Moment, den ich brauchte, um zu realisieren, dass mein neuer Lieblingsplayboy ein ganz schön großes Arschloch war, rief ich ihm leicht angepisst "Was hast du-" hinterher und stampfte dabei wütend auf die übernächste Stufe auf, um ihm zu folgen, rutschte jedoch aufgrund meiner nassen Füße aus, machte beim Versuch, nicht auf den Hintern zu fallen, einen recht ungeschickten Satz nach vorne und riss uns ein paar Stufen später beide nach unten, wo ich im Gegensatz zu meinem Charmeur relativ weich landete und auf sein anschließendes langes Seufzen nur noch "Nimm das!" murmelte.
Doch fast im gleichen Moment wurde mir die Absurdität der Situation klar und auch, wie tolpatschig ich mich schon wieder einmal benahm und das innerhalb nur weniger Minuten, so dass ich mich an meiner Oberhand, die ich eindeutig schon aus meiner Position heraus besaß, nicht wirklich lange erfreuen konnte, sondern stattdessen lieber das Handtuch schnell um mich schlang, um mich so rasch wie möglich aufzurappeln und einige gehörige Schritte zwischen den von mir zu Fall Gebrachten und mich zu bringen.
Gleich darauf richtete er sich ebenfalls auf, atmete tief ein und stand ein paar Sekunden, mir den Rücken zugewandt, regungslos da, ehe er mich überraschend ausdrucklos ansah, an mir vorbei ging und mir noch im Vorbeigehen sagte: "In deinem Zimmer liegen frische Klamotten. Du solltest dich erstmal umziehen und dann nachkommen.".
Das wiederum ließ mich perplex zurück, denn hatte er nicht gerade noch gedrängt, dass ich mitkommen sollte, mich quasi aus der Wanne gezerrt und mich auf den Alarm aufmerksam gemacht, der - wie ich feststellte - immer noch anhielt und jetzt machte er auf einmal auf cool und überließ es mir, wann ich mich dazu bequemte, nachzukommen?
Ich hatte allerdings keine Lust, groß weiter darüber nachzudenken, zumal ich die Idee mit den Klamotten angesichts des nassen Handtuches, dass ich trug, garnicht so schlecht fand, woraufhin ich mich auf direktem Wege zurück in mein Zimmer machte, mich abtrocknete und bei den Sachen bediente, die auf dem Tisch lagen.

Kaum war ich angezogen, fühlte ich mich wie ein neuer Mensch, Tatendrang durchzog mich und ich verließ ein weiteres Mal das Zimmer, um zu sehen, wo die anderen hin waren, was sich jedoch recht schnell als langwieriger und schwieriger herausstellte als gedacht, da das ganze Haus mit einem Mal wie ausgestorben wirkte und der gleichmäßig schrille Ton, der insbesondere im Treppenhaus mehr als deutlich zu hören war, mir eiskalte Schauer über den Rücken laufen und mich innehalten ließ.
Dieses ganze Szenario ließ mich kurz an Resident Evil denken, als Alice im Krankenhaus aufwachte, was nach genauerem Nachdenken jedoch nicht wirklich vergleichbar war und so entschied ich mich kurz um, den Weg über die Treppe zurück nach unten zu nehmen.
Kurz überlegte ich, ob ich rufen sollte, doch ich beschloss, dass es wohl besser wäre, möglichst leise zu sein, weil ich überhaupt nicht einschätzen konnte, ob es tatsächlich eine Gefahrenlage gab oder ob sich alle nur irgendwo in die Scheune verzogen hatten, um mir einen Streich zu spielen, Gedanken, die mich bei meinem automatisch schleichenden Gang durch das Haus begleiteten, einen Gang, der keinerlei Lebewesen zu Tage förderte, keine Spur von Marie oder den anderen.
Ich beschloss also, mich in Richtung des Eingangs aufzumachen und nahm den Gang, der mich an einer Reihe Fenster über einen Bogen zur Treppe, die hinab ins Erdgeschoss führte, führte, als ich zufällig aus dem Fenster sah und eine große Ansammlung von Leuten erblickte, die sich auf dem Hof vor dem Anwesen versammelt hatten und recht aufgebracht zu sien schienen, woraufhin ich so schnell wie ich konnte nach unten rannte, um zu ihnen zu stoßen.
"Das ist jetzt schon das dritte Mal in diesem Jahr, dass wir von Ihnen wie Verbrecher behandelt werden, nur weil wir uns Ihrem Anwesen nähern", sagte gerade der offensichtliche Rädelsführer, der sich Zustimmung heischend nach seinen Begleitern umblickte, die tatsächlich gleich nickten und mit "Genau", "Richtig", "Das geht so nicht" zustimmten, was Marie, die mit einem Lächeln dastand und sich das Ganze ruhig anhörte, nicht aus der Ruhe zu bringen schien, ganz im Gegenteil wies sie mit der Hand in meine Richtung bzw. in Richtung Eingang und bot sehr ruhig und freundlich an: "Mister Tucker, kommen Sie und auch Ihre Begleitung doch bitte auf ein Glas Tee oder Wein oder was immer Sie möchten herein, dann können wir alles in Ruhe besprechen."

Und so gingen Marie, der Mann, den Marie Mister Tucker nannte und vom Äußeren einem Kriegsveteranen glich, eine sympathische junge Dame, die nicht von seiner Seite wich, und weil ich das dringende Bedürfnis hatte, nicht wieder allein gelassen von seltsamen Typen heimgesucht zu werden, auch ich mit den dreien mit und so befanden wir uns kurze Zeit später erneut in dem Zimmer mit all den Zeitungsartikeln und den Fotos von Martin bzw. dem, der ihm ähnlich sah. Kaum traten wir alle in das Zimmer, sahen wir so viel Dokumente, die an den Wänden hingen, so wie auf den Tischen und anderen Möbelstücke lagen. Wenn wir all das durchschauen wollten, würden wir sehr sehr lange brauchen.
"Nun, Mister Tucker, hätten wir eine Einigung bezüglich einer Zusammenarbeit geschlossen, hätte ich Ihnen einen Schlüssel fürs Gartentürchen geben können und Sie würden nicht jedes Mal den Alarm auslösen.", lockerte Marie die leicht angespannte Stimmung auf, "Aber kommen wir zum Wesentlichen. Ohne Ihre Informationen hätten wir die kleine Marie wohl ihrem Schicksal überlassen müssen.", sagte sie in meine Richtung deutend, was nun auch den Blick der anderen beiden auf mich zog, deren erhellte Blicke mir sagten, dass sie Dinge über mich wussten, die mir selbst noch nicht zugetragen würden, was mich stirnrunzelnd den Blickkontakt mit Marie suchen ließ.
Doch Marie war offenbar zumindest im Moment nicht gewillt, mich weiter aufzuklären, stattdessen sprach sie weiter, was die Blicke der anderen wieder auf sie lenkte: "Hat Ihr Besuch heute also etwas damit zu tun, Mister Tucker oder was möchten Sie dieses Mal?"
"Unser Angebot, über Sie erst nachzudenken wünschten, war, dass wir als gleichgestellte Partner zusammenarbeiten.", erwiderte Mr Tucker, ohne zu zögern, "Die Unterstützung bei der Rettung der jungen Dame war für uns eine Selbstverständlichkeit. Wer wären wir, das als Druckmittel zu verwenden? Wir sind heute hier, weil Jamy Lanusta, der dieses Wochenende eine Kunstausstellung veranstaltet, eine sehr gute Gelegenheit wäre, mit einer Zusammenarbeit zu beginnen.".
Marie lächelte sanft und schwieg einige Augenblicke, bevor sie sehr ruhig erwiderte: "Wir schätzen Sie sehr, Mister Tucker, denn Ihre Informationen haben sich bislang immer als äußerst präzise und nützlich erwiesen. Aber als gleichgestellte Partner zusammenzuarbeiten kommt für uns nicht in Frage, das hatten wir Ihnen bereits mehrfach erläutert. Und was Jamy Lanusta anbelangt, haben wir dieses Wochenende schon andere Pläne."
Relativ emotionslos und offenbar wenig überrascht über Maries Antwort erwiderte Mr. Tucker: "Nun... dann lassen Sie mal hören."
Marie behielt ihr Lächeln bei und antwortete fast augenblicklich: "Sie verstehen sicher, Mr. Tucker, dass wir Sie zum momentanen Zeitpunkt nicht in unsere Pläne für das Wochenende einweihen können. Allerdings gäbe es da etwas, das Sie für uns tun könnten. Es ist nicht ganz ungefährlich und hat mit einem gewissen Herrn zu tun, der uns zunehmend Schwierigkeiten bereitet. Wenn Sie uns auch bei diesem Problem Unterstützung bieten könnten, wäre ich durchaus gewillt über eine Zusammenarbeit in der Zukunft nachzudenken, bei der Sie direkt am jeweiligen Projekt beteiltigt wären."
"Das ist wieder sehr viel Konjunktiv, den sie da verwenden", antwortete Mr Tucker, "Hören Sie, Mrs. Vermillion. Wir wissen beide, dass wir Ihnen viel schulden. Ich bewundere ihren Sinn für Gerechtigkeit sehr. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass wir Ihnen viel effektiver unter die Arme greifen können... Also, wie können wir Sie in der Sache unterstützten?".
Doch Marie kam nicht dazu zu antworten, da just in dem Moment mein Badewannenopfer auf lautlosen Füßen herangetreten war und ihr nun etwas ins Ohr flüsterte, was sie nach einigen Augenblicken des Zuhörens mit einem "Danke, Ryan", quittierte, um daraufhin zu Mister Tucker zu sehen und zu sagen: "Es tut mir Leid, Mister Tucker, aber ich muss Sie für einen Moment allein lassen, wir werden unsere Unterhaltung aber in Kürze fortsetzen. Bis dahin leisten Sie doch bitte Marie Gesellschaft." Während sie das sagte, kam ich nicht umhin, meinen Blick auf dem Ekel aus dem Badezimmer haften zu lassen, der sich als Ryan entpuppt hatte, was mir ohne dass ich es wirklich merkte, ein kleines Lächeln ins Gesicht zauberte, das noch dadurch gefördert wurde, dass Ryan sich in der Zwischenzeit offenkundig umgezogen hatte und nun ein umwerfend blaues Hemd trug, das fantastisch zu seinen ebenso blauen Augen passte.

Er und Marie verließen ohne weitere Ausflüchte den Raum und ließen mich mit Mr Tucker und seiner Begleiterin, die sich allerdings auch selbst gut abzulenken wusste, allein, was mir zunächst etwas unangenehm war, da ich die beiden erst vor wenigen Minuten das erste Mal gesehen hatte und es mir so vor kam, als hätte Marie den Raum mit einer Stimmung verlassen, die nicht im Sinne von Mr Tucker zu sein schien, was mich allerdings nicht von einer ganz bestimmten Frage ablenken konnte und so fragte ich ihn kurzum: "Was meinten Sie als sie sagten, dass sie meiner ... Tante viel schulden?", was nicht nur die Aufmerksamkeit von Mr Tucker, der mich leicht überrascht ansah, sondern auch die seiner jungen Begleiterin weckte. Anscheinend wusste sieauch noch nicht, was da eigentlich alles abging. Und da sie sehr neugierig war, war sie mehr als gespannt.
"Nun ...", begann Mister Tucker und sah mich zunächst so an, als würde er überlegen, wie viel er mir sagen konnte oder auch sagen durfte, bevor er etwas zögerlich fortfuhr: "Sie hat uns vor ein paar Jahren finanziell sehr unter die Arme gegriffen." Er sah zu seiner jugendlichen Begleiterin und ergänzte, nur für sie bestimmt: "Das war als deine Großmutter so schwer krank wurde und diverse Operationen brauchte ..."
"Ich kenne die Geschichte, Vater.", warf Mr. Tuckers Tochter recht emotionslos ein. "Das war doch auch als ihr euch mit einer großen Waffenlobby angelegt habt, was ohne die Unterstützung von Marie und ...Maries Eltern schwer nach hinten losgegangen wäre.", fuhr sie fort und begann mich etwas seltsam anzusehen. "Es ist echt nervig, dass ihr beide Marie heißt. Ich heiß' übrigens Anna und dich nennen wir einfach mal 'Mary'.", sagte sie lächelnd, den Zeigefinger aus dem Handgelenk heraus auf mich gerichtet.
Dass jetzt auch noch Mister Tuckers Tochter Anna anfing, über meinen Kopf hinweg über mich zu entscheiden, ging mir gehörig gegen den Strich und so platzte es aus mir weit unhöflicher heraus als ich es eigentlich wollte: "Nein, keiner nennt mich einfach mal 'Mary'! Und ihr ganz sicher nicht! Mein Name ist Marie und wenn ihr Probleme habt, uns beide auseinanderzuhalten, dann ist das euer Problem!" Passend zu diesem Ausbruch drehte ich mich auf dem Absatz um und folgte meiner Patentante und Ryan aus dem Zimmer.
Anna, die mich während meines kleinen Ausbruchs stirnrunzelnd ansah, fing kurz nach meinem Abgang an zu kichern und rief mir noch "Bis später, Mary!" hinterher. Auf dem Flur entlang laufend wusste ich jedoch nicht einmal, warum genau ich überhaupt so sauer wurde. Dieser Gedankengang wurde jedoch dadurch unterbrochen, dass Ryan sich kurz zu mir umdrehte, mich leicht abfällig ansah und seinen Blick mit einem "Tss!" wieder nach vorn richtete.
Ich ignorierte Anna, die mir mit einem Mal äußerst unsympathisch wurde, ebenso wie Ryan, dessen abfällige Art völlig unangebracht war, zumindest soweit ich das zum jetzigen Zeitpunkt beurteilen konnte, und fragte mich, wieso meine Patentante immer noch im Flur war, obgleich sie doch schon einige Minuten vor mir aus dem Zimmer gegangen war. Doch ich sollte sehr rasch eine Antwort erhalten, da Marie sich zu mir umsah und mich hektisch zu sich winkte.
Marie musste zunächst etwas kichern als ich auf sie zukam und flüsterte mir dann lächelnd ins Ohr: "Deine Mutter bekam auch manchmal schlechte Laune, wenn sie müde war." Sie sah kurz hinüber zu Ryan und musterte mich für ein paar Sekunden. "Du und Ryan habt offenbar einen schlechten Start gehabt. Ich versichere dir jedoch, dass er dich nicht hasst, auch wenn er es durch seine eigenwillige Art gut kaschieren kann. Deine Mutter und Ryan waren sehr gute Freunde, musst du wissen. Aber genug für heute. Ich werde dir morgen erklären, was es mit Jamy Lanusta auf sich hat. Jetzt solltest dich erstmal ausschlafen.", sagte Marie und suchte den Blickkontakt zu Ryan, "Ryan wird dich auf dein Zimmer bringen".
Eigentlich wollte ich nicht, das Ryan mich in mein Zimmer begleitet, aber da ich mich im Moment noch gar nicht in dieser Villa auskannte, fügte ich mich dem sogenannten Schicksal und lies mich von ihm in mein Zimmer bringen. Sie hatte auch recht, weil ich doch, von so viel Aufregung sehr müde war. Morgen war auch noch ein Tag.
Und der kam mit einem Paukenschlag, der es in sich hatte ...Eigentlich wollte ich in Ruhe schlafen, doch ich wurde mitten in der Nacht von einem lauten Donnerschlag aus dem Bett gerissen und nichts war mehr, wie vorher.
Ohne mich entsinnen zu können, mich aufgerichtet zu haben, saß ich plötzlich im Bett und versuchte im Halbschlaf meine Gedanken zu ordnen, um herauszufinden, ob es tatsächlich einen lauten Knall gab, oder ich nur geträumt hatte. Ich bemerkte ein rotes Flimmern, das sich im Fenster reflektierte, woraufhin ich es aufriss und ein Feuer im Innenhof sah. Ohne nachzudenken sprang ich aus dem Bett, schnappte mir noch eine Jacke vom Stuhl und rannte zur Treppe, um in Erfahrung zu bringen, was da vor sich ging.
 

Akira Akarui

Super-Moderator
Teammitglied
SMods
Nach einem schlechten Start in den Samstag entschied ich mich ( Marie, schwarze Haare, grüne Augen, Körbchengröße 75F), nicht auf Arbeit zu gehen und kehrte durchnässt in meine Wohnung zurück, in der ich bis Sonntag durchschlief.
Ralf, der Freund meines Exfreundes Martin, klingelte an meiner Tür und berichtete, dass mein Ex Martin im Koma liegt. Es ereignete sich wohl drei Wochen zuvor bei einem Motorradunfall. Da ich Martin beim Rumknutschen mit seiner Kollegin Sophie erwischt hatte, hatte ich den Kontakt zu ihm bereits zuvor abgebrochen.
In diesem Zusammenhang machte Ralf einen dummen Witz darüber, dass es sich um einen Doppelgänger oder seinen Zwillingsbruder gehandelt hätte, was ich allerdings nicht ganz so witzig fand wie er.
Gegen meine Motivation überredete Ralf mich letzten Endes, Martin im Unikliniku zu besuchen. Ich fuhr uns mit dem Auto. Dort angekommen machten wir Bekanntschaft mit bewaffneten finsteren Typen. Beim Versuch zu flüchten, töteten sie Ralf, der durch einen Schuss in der Eingangshalle niedergestreckt wurde.
Die Männer zerrten mich in einen schwarzen Bus und nahmen mich mit. Während der Fahrt erwähnten sie, dass sie nach einem "Pawel Walczak" suchten, den ich unter dem Name Martin kennen würde. Offenbar hatten sie Martin im Krankenhaus nicht ausfindig machen können.
Wir machten an einem abgelegenen Gebäude Halt, wo sie mich zum Reden bringen wollten. Als es ungemütlich wurde, wurde unsere Runde von einem Fahrzeug bewaffneter Männer gestört. Sie machten meine Entführer unschädlich und nahmen mich mit.
Voller Erschöpfung schlief ich auf der Fahrt und wachte im leeren Wagen auf dem Hof eines großen Anwesens auf. Dort traf ich meine Patentante Marie, der ich offenbar meinen Name zu verdanken hatte, und ihre kleine Tochter Lisa.
Sie führte mich in ein Zimmer voll mit Karten, Zeichnungen, Fotografien, Skizzen und Zeitungsausschnitten von einer langen Serie von Einbrüchen und Diebstählen. Meine Patentante erzählte, dass sie zusammen mit meinen Eltern die Einbrüche geplant und durchgeführt und dass sie dabei nach ihren eigenen Vorstellungen von Gerechtigkeit gehandelt hätten. Außerdem hingen dort einige Fotos von Martin, die mit den Namen Martin Bauer, Pawel Walczak, Gordon Scott und Francois Michel versehen waren. Erneut wurde mir die Geschichte aufgetischt, dass es sich dabei nicht um Martin, sondern um jemanden, der ihm verdammt ähnlich sah, handelte.

Heute ist Samstag und das Wetter ist grau und kalt. Da möchte man am liebsten direkt nach dem Aufstehen wieder in sein Bett zurück fallen. Was aber nicht geht, da man ja an die Arbeit muss. Ich hasse meinen Beruf! Am allerliebsten wäre ich den ganzen Tag liegen geblieben und hätte den Geräuschen gelauscht, die vor meinem Fenster auftraten. Schlussendlich rappelte ich mich dann auf, schaute auf die Uhr und, oh weh, doch schon so spät. Nun aber schnell rein in die Klamotten und ab zum Bus. Wenn es nicht nur schon wieder regnen würde ... Da ich auch noch Pech habe, werde ich sofort nass, weil ein Auto mich von der Seite nass spritzt. Wirklich ärgerlich, schimpfe dem noch lautstark hinterher, rege mich noch ein wenig wie ein Rohrspatz auf, und sage zu mir: "Es kann nicht schlimmer werden, hilft alles nichts, weiter zum Bus."Triefend vor Nässe und zitternd vor Kälte erreiche ich den schmalen Busstand. Mit einem Blick auf meine Uhr muss ich feststellen, dass diese auch noch stehen geblieben ist. Da ich immer gute 10 Minuten zum Bus brauche, weiß ich jetzt nicht mal wie spät es ist und ich nehme schon immer den Letzten der fährt. Gereizt schüttele ich meinen Kopf, starre auf die gegenüberliegende Gebäudefassade und erblicke schließlich eine Leuchtanzeige, die mir noch nie zuvor aufgefallen war: Sa., 23.02.13 - 8°C - 7.18 Uhr. Verdammt ich wusste, das ich zu spät bin. Sollte um 7 Uhr anfangen zu arbeiten. Der Chef würde mir wieder eine gehörige Standpauke verpassen, aber erstmal musste ich zusehen, dass ich auf die Arbeit kam. Nur wie sollte ich das anstellen ohne Auto? Ein Taxi wäre jetzt das Beste der Wahl, nur leider hatte ich auch noch mein Handy zu Hause liegen lassen und mein Geld auch noch. So blieb mir halt nichts anderes übrig als zu laufen, was nicht das Beste war, besonders bei diesen Temperaturen. "War der blöde Weg schon immer so lang gewesen", war das Einzige, was ich bei dieser Kälte und dem Regen aus mir heraus brachte. Ich schüttelte mich und klemmte meine Haare hinter meine Ohren. "Nicht aufregen Marie, nicht aufregen ...", war das Einzige, was ich zu mir murmelte, als ich geschwind die Straße entlang ging. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich den LKW fast übersehen hätte. So konnte ich noch rechtzeitig zur Seite springen, als der durch eine Pfütze raste. "Verdammt!", entfuhr es mir, während das aufspritzende Wasser auch noch die letzten trockenen Stellen meiner Kleidung durchnässte.Dem LKW-Fahrer warf ich einige Flüche hinterher, doch machen konnte ich nun eh nichts mehr. Ich würde nach Hause gehen und den Tag einfach als "Krank" machen. Morgen dann zum Arzt und dann... schön die nassen Klamotten von meinem Leib zärtlich wegreißen und ein Bad einlaufen lassen. Ein heißes Bad wär jetzt genau das Richtige Ich lasse mich in der Badewanne ''gehen'', schmelze quasi dahin, oh Gott, das Leben kann doch soooo schön sein.. wenn da bloß nicht der ganze Stress wär ... Nur leider habe ich nicht bedacht, dass morgen erst Sonntag war und ich erst am Montag zum Arzt kommen würde. Aber so nass wie ich war, würde ich bestimmt eine Erkältung bekommen. Also zerrte ich mir regelrecht die nassen Klamotten runter und wollte ein Bad einlaufen lassen. Aber, wie der Teufel es will, kam nur eine braune Brühe aus dem Hahn. Vorbei der Traum vom schönen heißen Bad. Und mir war auch noch saukalt. ,,Ach verdammt! Wäre ich heute doch nur zu Hause geblieben!'', ich band mir ein Tuch um und rannte regelrecht auf mein Zimmer, riss den Schrank auf, zog meinen Pyjama an und verschwand unter meiner Bettdecke. Ich hab keine Ahnung, wie lange ich da lag, denn mich weckten ein paar Sonnenstrahlen, die durch mein Fenster schienen. Mein Handy vibrierte unaufhörlich, ich öffnete es und da stand: ,,7 verpasste Anrufe/ Absender: Chef''. Verdutzt darüber, dass dieser so oft angerufen hatte, rieb ich mir mit Unglauben die Augen. "Was zur Hölle will der? Nicht mal einen Tag darf man krank machen? Ha! Morgen zum Arzt und für den Rest der Woche 'n Gelben holen!" Moment, was hatte ich da gesagt? Morgen? Ich hatte den gesamten Samstag verschlafen und es war bereits Sonntag geworden, zumindest wenn ich dem Datum auf meinem Handy trauen konnte. Seufzend blickte ich an die Decke und wischte mir eine Strähne meiner pechschwarzen Haare aus den giftgrünen Augen. "Er bringt mich spätestens am Dienstag so was von um", murmelte ich und begann in meinem Schrank nach einem BH zu suchen. 75F war nicht unbedingt die Größe, in der man viele BHs bekam. Was deutlich wurde als ich das Tablar mit der Unterwäsche ansah. Ich zog das Pyjamaoberteil aus und legte mir den BH an, dann suchte ich mir noch eine passende Unterhose und zog sie ebenfalls an. Aus der hinteren Ecke eine Hose und ein einfaches T-Shirt, zog sie mir an und ging aus meinem Zimmer. ,,Waaaah, wie spät ist es denn jetzt eigentlich?'' sagte ich gähnend als ich die Treppe hinunter ging. Ich ging in die Küche und holte das Müsli aus dem Schrank, füllte es in eine Schüssel, dann machte ich den Kühlschrank auf und nahm die Milch raus.


Ich wollte gerade den Inhalt über mein Müsli kippen, als ich diesen stechenden Geruch wahrnahm.
Ich roch vorsichtshalber noch mal daran, nur um sicher zu gehen. Fehler, mächtig großer Fehler.
Das Zeug stank mir die Bude voll.
Verfluchte Scheiße, jetzt muss ich das Zeug also auskippen.
Als hätte ich nicht so schon genug Stress, muss jetzt auch noch mein Handy klingeln.
Ich schaute aufs Display und wunderte mich, wer denn um alles auf der Welt, meine Nummer kennt, ich beschloss also ran zu gehen und erlitt den Schock meines Lebens.

Der Freund von meinem Ex! Woher kennt der denn bitte meine Nummer!
Bestimmt hat mein Ex meine Nummer ihm gegeben, aber was nun? Ich ging ans Telefon und hörte einen lauten Schrei. Schlagartig fiel mir das Handy aus der Hand.

Scheiße aber auch, was war denn das?
Erst der Freund meines Ex, jetzt auch noch dieser Schrei!
OK, nachdenken, denk nach Marie, denk nach!!!
Ich hob das Telefon und wählte, während ich mich zur Ruhe zwang.

,,Ich rufe ihn jetzt einfach zurück und frage, wo zur Hölle er meine Nummer her habe und warum er ins Telefon schreie'' sage ich mir selbst, doch nix mit zurückrufen. //Ihr Guthaben ist erschöpft, bitte laden Sie es wieder auf um diesen Anruf zu tätigen//, sagte mir die ,,nette'' Stimme des automatischen Services und während das ertönte, schmiss ich mein Handy wieder auf den Boden. ,,Ach scheiß die Wand an!'' schrie ich wutentbrannt bis ich merkte, dass das ein Fehler war. Hektisch hob ich mein Handy wieder vom Boden auf und drückte irgendwelche Tasten, doch nichts regte sich. ,,Ach egal, ich brauche eh ein neues Handy'' versuchte ich mich zu trösten, dass ich nicht in Tränen ausbrach. Irgendwie war jetzt ein Bach geöffnet worden, denn die Tränen flossen wie ein riesiger Wasserfall die Wangen herunter. Nach ein paar Minuten konnte ich mich langsam beruhigen, es war aber echt heute der Teufel los.
Und wie um das zu bestätigen klingelte es plötzlich Sturm an meiner Türe. //Wer kann das denn wieder sein?//

Meine trüben Gedanken waren mit einem Mal wie weggeblasen, und ich eilte mit einer Mischung aus Neugierde, Besorgnis, aber auch dem Gefühl, gar nicht wissen zu wollen, was da schon wieder auf mich zukam, zur Türe und sah zunächst mal durch den Spion. Der Spion war ziemlich benebelt, so das ich gar nicht wirklich gut rausschauen konnte. Also musste ich erahnen, wer draußen stand. Doch nach Rätselraten war mir absolut nicht zumute, daher griff ich beherzt zur Klinke und öffnete die Türe. Mit verheulten Augen und verrotzter Nase schaute ich neugierig aus der Wohnung. Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und blickte überrascht in das Gesicht des Freundes meines Ex. Was um Gottes Willen hatte er hier zu suchen??? Eine gefühlte Ewigkeit starrten wir uns wortlos an, bis mir schließlich der Geduldsfaden riss und ich sagte: "Was um Gottes Willen hast du hier verloren?"
"Du ... Du ... Du bist daran Schuld, Marie!", geiferte er mich plötzlich an, ohne das ich eine Ahnung hatte, was er meinte.
In diesem Moment merkte ich, dass um mich herum alles verschwamm und es dunkel wurde. Langsam machte ich meine Augen wieder auf und blickte in das Gesicht von meinem Ex.
Zeitgleich bemerkte ich einen dumpfen Schmerz an meinem Hinterkopf und tastete den Bereich ab. Ich lag auf meinem Sofa im Wohnzimmer und spürte eine schmerzhafte Beule und getrocknetes Blut zwischen meinen Haaren. Ich musste wohl mit meinem Kopf auf den harten Steinboden des Eingangsbereich meiner Wohnung geprallt sein und dachte in diesem Moment eigentlich eher über die Tatsache nach, dass sich mein Ex offensichtlich in meiner Wohnung befand. "Freund meines Ex ...", korrigierte ich mich in Gedanken und fragte mich gleichzeitig, ob der Schlag auf meinen Kopf mehr als nur eine schmerzende Beule verursacht hatte. Ralfs Gesicht schob sich in mein Blickfeld und eine Mischung aus Wut und Sorge lag darin, wobei die Wut die Oberhand zu gewinnen schien, je länger ich ihn ansah. //Warum war er schon wieder wütend, ich hatte absolut keine Ahnung.//
"Martin - DEIN Ex Martin - liegt im Koma!", warf er mir unvermittelt an den Kopf. Langsam kamen mir wieder die Erinnerungen, ach ja, da war noch was ... Martin ... Martin ... er hatte sich doch nicht etwa etwas angetan ... wegen unserer Trennung?!? Oder war es doch wegen was anderem?? Anstatt weiter wild zu spekulieren und mir alles mögliche vorzustellen, entschied ich mich, Ralf direkt zu fragen und so hob ich die Brauen und wollte wissen: "Martin liegt im Koma ... wieso ... was ist passiert?"
"Er wollte zu dir ... mit dir reden, sich entschuldigen, was weiß ich, ... und er ..." Seine Stimme schien zu versagen. "er hatte einen Unfall ... mit dem Motorrad ... vor drei Wochen." Kopf kratzend überlegte ich, so lange ist das schon her, wo ist nur die Zeit geblieben ...
"Aber wieso kommst du jetzt und was willst du von mir?", konnte ich nicht umhin, Ralf zu fragen, fügten sich die einzelnen Puzzleteilchen für mich noch nicht zu einem ganzen Bild zusammen.
"Verdammt Marie, drei Wochen und du hast dich nicht ein einziges Mal blicken lassen; als wär' er dir völlig egal", warf er mir vor und ich verstand plötzlich seine Wut auf mich, aber wie sollte ich ihm klar machen, dass ich schlicht nichts davon gewusst hatte? Aber wie sollte ich auch, damals vor drei Wochen ist er wutentbrannt aus der Wohnung gestürmt ...
Ich hatte gesehen, wie er seine Kollegin Sophie geküsst hatte - also richtig, LEIDENSCHAFTLICH; hatte er erwartet, dass ich ihm kaum zwei Stunden später seine Ausreden glauben würde?
Ich spürte wie mich der bloße Gedanke daran immer noch aufwühlte, und da mein bisheriger Tag reichlich beschissen gewesen war, mein Schädel brummte und ich keinerlei Lust zu großartigen Erklärungen hatte, sagte ich harsch: "Das ist etwas zwischen Martin und mir und nichts, was dich angeht, Ralf!"
"Es geht mich ganz sicher was an, wenn sich mein bester Freund wegen dir fast in den Tod fährt und es dir offenbar völlig gleich ist."
"Ach ja, dann frage ich dich doch mal, was er dir erzählt hat, von der Sache vor drei Wochen?"
Das schien ihn jetzt doch zumindest kurzzeitig aus der Fassung zu bringen, denn er runzelte die Stirn und war für einen Moment sprachlos, während man sehen konnte, wie es in seinem Kopf arbeitete.
"Ähm ..., ja, Marie", druckste er herum. "Also ..., eins vorweg: ich dachte zuerst auch, er würde lügen, aber warum sollte er mir so eine Geschichte auftischen, wenn er genau weiß, dass wir beide uns noch nie leiden konnten."
"Wovon redest du eigentlich?"
"Martin hat einen ... Doppelgänger, einen eineiigen Zwilling, einen ... ach, keine Ahnung, wer oder was er war, ... jedenfalls war es nicht Martin, den du gesehen hast."
"... Willst du mein Vertrauen wirklich mit solch einer Absurdität erschüttern?" Doppelgänger, eineiiger Zwilling, womöglich gar ein Klon ... dachte ich, während ich spürte, wie bei Ralfs absurder Behauptung etwas in mir hochkochte. Enttäuscht über Ralfs ausbleibende Antwort, warf ich ihm einen verachtenden Blick zu und verschwand, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, im Bad.
Aber ich hatte nicht mit Ralfs Hartnäckigkeit gerechnet, denn er folgte mir und sagte schließlich, in Ton doch sehr einlenkend: "Ich will doch nur, dass du mit mir kommst, Marie ... zu Martin und er deine Anwesenheit spüren kann."
Genervt darüber, dass ich meine kurze Pause nun doch nicht bekam und sich auch noch ein Gefühl von Mitleid in mir anbahnte, ließ ich ein tiefes Seufzen verlauten, schnappte mir die Autoschlüssel und verließ die Wohnung. Dabei wäre es so schön gewesen, einen freien Tag zu haben, aber was solls.
Grade als ich losfahren wollte, bemerkte ich, dass ich keine Ahnung hatte, wo Martin im Moment überhaupt ist, was mich so in Gedanken versinken ließ, dass ich nicht merkte, wie Ralf mir nachlief, bis er schließlich in's Auto stieg, was ich allerdings widerwillig hinnehmen musste, da mein "du-steigst-sofort-aus"-Blick seinem "das-wird-nicht-passieren"-Blick nicht standhalten konnte. Seufzend stieg ich in das Auto, "Wo liegt er?" kam widerwillig die Frage.
"Er ist seit gestern wieder zu Hause.", antwortete Ralf mit strahlendem Gesicht.
"Ich dachte, er liegt im Koma ... wie kann er da zuhause sein?", fragte ich und sah Ralf perplex an.
Ralfs erschrocken Blick nach zu urteilen, nahm ihn die ganze Sache ziemlich mit, wenn er sogar unter so drastischen Realitätsstörungen leidet.
"Ist mit dir alles in Ordnung?", platzte es nun doch aus mir heraus und ich spürte, wie sich auch der letzte Ärger ob seiner Einmischung zu verflüchtigen begann, auch wenn ich das eigentlich gar nicht wollte.
Ralfs nachdenklicher Blick traf auf den meinen, woraufhin er sich gleich wieder von mir abwandte und nach einem längeren Moment der Stille antwortete: "Ja, er... liegt im Uniklinikum.", was mich unmittelbar dazu veranlasste, ordentlich auf's Gas zu treten, In der Hoffnung, dieser nervig erdrückenden Stimmung zu entkommen.
Eine knappe Viertelstunde später betrat ich mit Ralf die Klinik.
Sowie wir in Richtung Empfang gehen wollten, hörten wir das beängstigende Geschrei einer Frau. Das war nun wirklich nicht dazu angetan, meine Stimmung zu heben und mir wurde plötzlich wieder bewusst, welche Aversion ich gegen Krankenhäuser hatte, gegen den Geruch, der sich in den Gängen hielt, gegen die gewienerten Böden, die weißgekittelten Gestalten, die weinenden und bangenden Angehörigen und gegen all das Leid, die Krankheit und der Tod, der einem von überall entgegenwehte, nicht nur von den Kranken, die in ihren Betten teils auf den Gängen auf Untersuchungen warteten.
Wenige Sekunden später riss mich das Ertönen mehrerer Schüssen, die mir klarmachten, das Geschrei falsch beuteilt zu haben, aus meinen Gedanken. Während mein Puls unwillkürlich zu rasen begann, sah ich mich hektisch um, nach einer möglichen Deckung genauso wie nach dem Ursprung der Schüsse, denn ich wollte keinesfalls in ebendiese Richtung laufen. Über den stückweise offenen Gang des ersten Obergeschosses, der unmittelbar über der Rezeption lag, rannten zwei Leute, ein jüngerer Mann und eine Frau mittleren Alters, in den rechten Flügel.
"Was geht da vor?", fragte ich, während ich zeitgleich instinktiv hinter dem Tresen der Rezeption Schutz suchte.
Während weitere, immer präsenter werdende, Schüsse ertönten und wir, an den Tresen gelehnt mit dem Eingang im Blick, mit dem Rücken zum Geschehen hockten, stotterte Ralph, "Wir müssen hier weg!", als plötzlich ein paar Leute, die bisher noch wie angewurzelt im Eingangsbereich standen, mit dem Blick nach oben verzweifelt Schutz suchend in alle Richtungen liefen, was mich dazu veranlasste, es für keine gute Idee zu halten, durch einen kurzen Blick herausfinden zu wollen, was auf dem Durchgang vor sich geht.
Ralph wurde offenkundig von dieser einsetzenden Panik miterfasst, denn er erhob sich und rannte los, hin zum Ausgang, ohne auch nur einen Blick hinter sich zu werfen, was mich trotz der angsteinflößenden Situation den Kopf schütteln ließ, während ich ihm nachrief: "Bleib hier, Ralph, das ist keine gute Idee!"
Kaum hatte ich ihm das zugerufen, musste ich beobachten, wie Ralph, dicht gefolgt von einem weiteren einschneidenden Knall eines unmittelbaren Schusses, ohne jegliche erkennbare Bemühungen, dem Aufprall entgegenzuwirken, im Sprint zu Boden ging, wo er sich nach dem Aufprall noch ein paar Mal überschlug und eine immer größer werdende Blutspur hinterließ.
Fassungslos starrte ich ihn an mit einem plötzlich aufwallenden Gefühl von Unwirklichkeit und dem starken Drang, sofort zu ihm zu sprinten und ihm zu helfen, was jedoch von meinem unmittelbar wieder einsetzenden Verstand verhindert wurde, der Bilder von Filmen vor meinem inneren Auge ablaufen ließ, Bilder, in denen genau solche Rettungsversuche mit dem Tod des Retters belohnt wurden.
Aus meinem äußersten Blickwinkel erkannte ich, begleitend von einem dumpfen Geräusch, wie jemand rechts von mir auf den Tresen landete, wodurch ich meinen Blick langsam in dessen Richtung wandte und in die Augen eines Mannes mit einer geschulterten Schrotflinte blickte, der mich für ein ein paar Sekunden ansah und dann lächelnd sagte, "Du wirst mit uns kommen", was mich nach einigen Sekunden, die ich brauchte, die Situation halbwegs zu erfassen, in leichte Panik versetze und mich veranlasste am ganzen Körper zu zittern, ehe ich beim Versuch aufzustehen, um davonzulaufen, lediglich über mein linkes Knie stolperte und nun regungslos am Boden lag und hoffte, dass es mich nicht auch treffen würde.
Doch dieser Totstellreflex, der im Tierreich oft von Erfolg gekrönt wurde, zeigte bei dem Mann mit der Schrotflinte keinerlei Wirkung, denn er stieß mir den Lauf erst recht unsanft in den Rücken, bevor er mich an den Haaren aus meiner liegenden Position zog, um mich mit einem in mein Ohr geraunten "zum Liegen wirst du noch Gelegenheit genug bekommen ..." mit sich gen Ausgang zu ziehen.
Meine Gedanken, was nun mit mir passieren oder, ob ich das Alles überleben könnte, wurden vom Anblick Ralphs unterbrochen, dessen lebloser Körper in einer immer größer werdenden Blutlache lag und mir die letzte Hoffnung nahm, dass er möglicherweise noch am Leben sein könnte, unterbrochen, bis mir die, vor Angst entstellten Gesichter der Leute, die sich in unmittelbarer Nähe aufhielten, erneut die Ernsthaftigkeit meiner Situation klarmachten und mir Anlass zu der Annahme gaben, dass meine Chancen relativ schlecht stehen würden, wenn ich mich von diesen Leuten einfach mitnehmen lassen würde.
Allerdings war ich Realist genug, um zu wissen, dass mir mit einer immer noch auf mich gerichteten Schrotflinte und den Haaren in der Hand meines Peinigers nicht viele Alternativen blieben, als zumindest im Moment der doch recht brutalen Aufforderung Folge zu leisten, in der Hoffnung, dass sich auf dem weiteren Weg eine Möglichkeit zur Flucht ergeben würde, bevor ich das gleiche Schicksal erleiden würde wie Ralph, dessen nun starr geöffnete Augen mir nachzublicken schienen, obwohl das physisch kaum noch möglich sein konnte.

Draußen angekommen wurden wir bereits von einem schwarzen Bus und drei davor positionierten bewaffneten Männern erwartet, die mir unangenehme Blicke zuwarfen und mir unmittelbar in den Bus folgten, der sich kurz darauf in Bewegung setzte.
Als ich das sah, drängte sich mir unweigerlich der Gedanke auf, dass die es auf mich abgesehen hatten, dass der Überfall auf das Krankenhaus auf irgendeine Weise mir gegolten hatte, auch wenn ich mir keinerlei Reim darauf machen konnte, wieso ein Teil der Verbrecher aus dem ersten Stockwerk gekommen war und was das Ganze überhaupt sollte.
Nach ungefähr einer Minute, die ich zu nutzen versuchte, um wieder halbwegs zur Besinnung zu kommen, sah mich der Typ, der mich in den Wagen zerrte musternd an, während er sich eine Zigarette anzündete, bis er schließlich mit zusammengezogenen Augen und in einem gehässigen Ton fragte: "Na, bist du sauer, weil ich deinen Freund umgelegt habe?"
Für einen Moment war ich perplex und starrte den Mann sprachlos an, doch dann schlüpfte die Frage wie von alleine über meine Lippen: "Du hast ihn umgelegt, weil du denkst, er war meine Freund?"
"Ich hab' ihn umgelegt, weil er dämlich war, weil er geglaubt hat, einer Kugel davonrennen zu können - und weil er unserem Auftrag im Weg stand." Langsam kam mir der Satz im Gehirn an, aber so ungefähr den Sinn verstand ich im ersten Moment nicht, bis es mir so langsam dämmerte.
"Mich entführen ist euer Auftrag?", fragte ich daher auch, wobei ich nicht umhin konnte, vermutlich recht verwirrt und irritiert auszusehen, immerhin hatte ich noch keinerlei blassen Schimmer, was das Ganze wirklich sollte.
"Das würde dir gefallen, nicht wahr Prinzessin?", murmelte einer der anderen Entführer, der mir gegenüber saß, und mir die gesamte Zeit unverblümt auf meine Brüste starrte. Nur kurz streifte mein Blick den Mann, dann entschied ich mich, seine lüsternen Blicke genauso zu ignorieren wie seinen gemurmelten Kommentar und ich sah stattdessen weiterhin auf den Mann, der der Anführer zu sein schien, und fragte: "Und ich bin eurem Auftrag förderlich, was auch immer das für einer ist?"

"Ich hoffe - auch für dich selbst -, dass du uns helfen wirst, jemanden zu finden: Pawel Walczak ... oder für dich vielleicht eher Martin", entgegnete er, wobei er den Namen meines Ex-Freundes abfällig betonte.
Nur sehr langsam sickerte das Gesagte in mein Bewusstsein, während zeitgleich Ralfs Worte durch meinen Kopf schossen: er hat einen Doppelgänger, einen eineiigen Zwilling ..., was mich erst nach einer kurzen Pause, in der sich meine Gedanken wieder sortierten, möglichst unbedarft sagen ließ: "Aber Martin liegt im Krankenhaus, ich wollte ihn dort gerade besuchen ..."
"Du bist nicht sonderlich schlau, oder glaubst du, dass wir dieses Gespräch führen würden, wenn er dort gewesen wäre?"
"Er war nicht da?", fragte ich jetzt doch einigermaßen perplex und sprach weiter: "Aber es ging ihm doch so schlecht, da ist er sicher nicht einfach aus dem Krankenhaus weg ..."
"Pawel war nicht da - und du kannst dir sicher sein, dass meine Männer die Suche sehr genau genommen haben - aber wenn er erfährt, dass wir seine Liebste haben, wird er schon auftauchen."
"Liebste?" Ich lachte auf und meinte mit einem Kopfschütteln: "Da seid ihr völlig unterinformiert, denn er hat längst eine andere ... vielleicht hättet ihr lieber die entführen sollen."
"Meiner Erfahrung nach liegt jemandem, der sich aufgrund einer Frau ins Koma fährt, meistens auch noch was an dieser Frau, glaubst du nicht?"

Ich schüttelte den Kopf und sah aus dem Fenster, denn ich hatte keine Ahnung, wieso Martin tatsächlich diesen Unfall hatte und ob er wirklich zu mir wollte, wie Ralf behauptet hatte, genauso wenig wie dieser Mann es wissen konnte. Der Kleinbus holperte inzwischen durch ein mir unbekanntes Gewerbegebiet mit zugewucherten Bürgersteigen, baufälligen Backsteingebäuden und zerbrochenen Fensterfronten, keine Menschenseele war weit und breit zu sehen. Der Anblick der verlassenen und heruntergekommenen Gegend ließ ein mulmiges Gefühl in mir aufsteigen und auch, wenn ich eben noch den Gedanken an das, was mir bevorstehen mochte, weit nach hinten hatte schieben können, schob er sich jetzt vehement in den Vordergrund. Wenig später bog der Bus in eine Seitengasse und hielt abrupt vor einem massiven Rolltor, dessen einwandfreier Zustand in krassem Kontrast zur Umgebung stand. Nur kurz darauf hob sich das Rolltor und der Bus fuhr ins Innere, das durch mehrere grelle Deckenlampen ausgeleuchtet war und Blick auf eine wenig einladende nüchterne Lagerhalle freigab. Kaum war er hindurch gefahren, wurde die Seitentür aufgerissen und ich sah erneut in den Lauf einer auf mich gerichteten Waffe. "Los, da rein", gab mir der Pistolenträger, der bisher noch keine einzige Silbe gesprochen hatte, den Befehl und damit die Richtung vor, während er mir gleichzeitig die Waffe so fest in den Rücken bohrte, dass ich einen Aufschrei nicht unterdrücken konnte. Die anderen Beiden waren ebenfalls ausgestiegen und gingen vorweg. Einer von ihnen hielt eine schwere Türe auf, hinter der ich einen hell erleuchteten Raum sehen konnte, während der Mann mit der Schrotflinte uns schweigend folgte, möglicherweise um dadurch meine Furcht anzufachen, was aufgegangen wäre, wenn nicht der Pistolenträger erneut das Wort ergriffen hätte: "Setz dich hin!"

Während ich auf einem kalten Metallstuhl Platz nahm, konnte ich durch die offenstehende Tür hindurch sehen, dass der vierte Entführer offenbar noch hinter dem Steuer des Busses saß und ihn wieder aus der Halle hinaus steuerte. "Arme hinter den Rücken", kam es als nächstes vom Pistolenträger, der irgendwie das Kommando übernommen hatte, während der Mann mit der Schrotflinte, der die ganze Fahrt über die Reden geschwungen hatte, den Raum durch eine weitere Stahltüre verließ, nicht ohne vorher einem der anderen beiden verbliebenen etwas ins Ohr zu flüstern, was ich jedoch nicht verstehen konnte. Meine Arme wurden schmerzhaft fest an die Stuhllehne gefesselt, dann zog sich der Entführer einen zweiten Stuhl heran und setzte sich rittlings mir gegenüber hin. Beugte sich vor und begann mir etwas ins Ohr zu flüstern. "Wir haben jetzt eine Menge Zeit und die werden wir beide nutzen", hauchte er an mein Ohr und wenn schon nicht die Art, wie er die Worte quasi in mein Ohr gleiten ließ, einen eisigen Schauer über meinen Rücken laufen ließ, so vermochte dies seine Wange, die er provokant sachte an meiner rieb. Ein Blick von ihm genügte und auch der dritte Mann verließ den Raum und ließ mich mit dem Pistolenträger allein. Der stand von seinem Stuhl auf, drehte diesen herum und setzte sich nun so mir gegenüber, dass seine Beine sich provokant zwischen meine drängten und sie auseinanderschoben, während er sich wieder ganz nah zu mir beugte und mir mit einem süffisanten Grinsen tief in die Augen sah. "Nun, was sollen wir jetzt machen?" kam die sehr einfache Frage, die doch sehr sehr bedrohlich wirkte. Ehe ich mir eine Antwort zurechtlegen konnte, erschütterte eine Explosion die gesamte Lagerhalle, mit quietschenden Reifen schien Augenblicke danach im angrenzenden Raum ein Fahrzeug zum Stehen zu kommen und stakkatoartig ertönten Schüsse.
Grade als ich mir die Frage stellen wollte, in was für einen Alptraum ich da geraten war, sprangen drei Männer von der Ladefläche des Fahrzeugs, eröffneten das Feuer auf mein Gegenüber, was mir ein weiteres ungewolltes Blutbad direkt vor meinen Augen bescherte, wobei eine der Kugeln ein Stück der Rückenlehne meines Stuhles wegriss. Ich konnte mit ansehen, wie eine Kugel durch den Kopf des Mannes schoss, der mir gegenüber saß. "Pass auf, du Idiot!", Schrie einer der Männer, die auf meine sich versteckenden Entführer schießend in meine Richtung rannten, "Stell dir vor, du hättest sie getroffen."
Fassungslos hörte ich die Worte und verstand absolut nichts mehr, was genau ging hier jetzt vor. Ich hatte null Ahnung, was jetzt kommen sollte oder wer diese Männer waren. Doch zunächst war ich dankbar, dass einer von ihnen mich vom Stuhl losschnitt und mir erstaunlich sanft hochhalf, während sich einer der anderen beiden mit gezogener Pistole gehetzt wirkend umsah und dabei ausstieß: "Und jetzt nichts wie raus hier ..."
Obgleich dieser Typ einen ganz schön angsteinflößenden Gesichtsausdruck hatte, kam ich nicht umhin, diese Idee ziemlich gut zu finden, woraufhin ich etwas verängstigt vom Stuhl sprang und wild um mich blickend, ohne ein Wort von mir zu geben, in Richtung des Wagens stolperte. Als ich fast stürzte, packte mich der, der eben noch gerufen hatte, recht unsanft am Arm und zog mich mit sich, was zwar äußerst schmerzhaft war, aber auch verhinderte, dass ich tatsächlich zu Boden ging.
"Habt keine Angst, wir bringen euch in Sicherheit.", sprach er mit fast übertrieben freundlicher Stimme zu mir, während sich seine Hand an meinem Arm lockerte.
Euch ...
wiederholte ich in meinem Kopf und fragte mich, wen er da meinte, war ich immerhin alleine hierherverschleppt worden.
Nachdem ich den Mann für eine Weile mit einer Mischung aus Verwirrtheit und Ängstlichkeit ansah, legte er seine Hand auf meinen Rücken und sagte, "Kommt jetzt bitte, wir erklären euch alles, wenn wir in Sicherheit sind", wodurch ich mir jetzt die Frage stellen musste, ob man mich wohlmöglich verwechselt haben könnte, was ich allerdings nicht unbedingt thematisieren wollte, bevor ich die Gewissheit hatte, in Sicherheit zu sein.
Ich kam auch nicht zu weiteren Überlegungen, denn der Druck in meinem Rücken verstärkte sich jäh und ich wurde vorangetrieben, was auch gut war, denn kaum hatte man mich kurz darauf mehr oder weniger auf der Beifahrerseite in den Wagen bugsiert, brach draußen auch schon die Hölle los ...
"Wir kommen jetzt raus", sprach der Fahrer des Wagens in ein Mikrofon an seinem Körper, woraufhin er den Wagen wenige Sekunden später trotz weiterer Schüsse, die außerhalb des Gebäudes fielen, in Bewegung setzte.
Durch die rasante Anfahrt wurde ich in den Sitz gepresst und griff instinktiv nach dem Sicherheitsgurt, so unsinng das in meiner Situation auch erscheinen mochte und während ich noch nach dem Teil angelte, preschte der Wagen durch das Rolltor, das anders als bei der Herfahrt völlig zerbeult und zerquetscht war, und ließ kurz darauf die noch fallenden Schüsse und das Schreien hinter sich, um mit hohem Tempo durch die verlassene Gegend zu brausen.

Nach einer Weile anhaltender Todesangst, die ich damit zubrachte, mich zu beruhigen, fuhren wir bereits auf dem Highway durch die Stadt und obwohl es für alle offensichtlich sein musste, dass mir unendlich viele Fragen durch den Kopf schossen, brachte ich kein einziges Wort hervor, während ich daran dachte, dass ich vor wenigen Stunden noch zusammen mit Ralph auf der gleichen Straße ins Krankenhaus fuhr.
Die monotone Fahrt, das Schweigen des Fahrers und des Mannes, der mich mit "euch" angeredet hatte und nun ebenfalls neben mir auf der breiten Sitzbank des Wagens saß, sowie die Strapazen des Tages mit all seinen unglaublichen und schrecklichen Wendungen, führten dazu, dass es nicht lange dauerte und ich fiel in einen tiefen Schlaf, in dem wirre Träume mich heimsuchten.
Nach einer gefühlten Ewigkeit wachte ich langsam wieder im leeren Wagen auf und blickte von einem großen Hof aus auf ein großen Anwesen, vor dessen Eingang ein Mann und eine Frau standen, die in meine Richtung blickten, als ich plötzlich durch ein Geräusch neben mir den Kopf zur Seite drehte und ein Mädchen neben mir auf dem Sitzbank sah, das auf ihrem Smartphone tippte.
"Wer bist du?", fragte ich, doch statt einer Antwort hörte das Mädchen auf zu tippen, sah mich mit großen Augen kurz an, bevor sie die Türe öffnete, um sich vom Sitz nach draußen gleiten zu lassen und zu rufen: "Mami, sie ist jetzt wach!"
Nur wenige Sekunden später vernahm ich den Klang von Absätzen, die sich dem Wagen näherten, während mich das kleine Mädchen mit großen Augen angrinste, bis an ihrer Seite eine wunderschöne Frau in schwarzem Blazer und schwarzen Jeans auftauchte und mir entgegenlächelte, "Du musst hungrig sein. Lass uns reingehen.".
Ich brauchte einen Moment, bevor ich reagierte und es fast automatisch über meine Lippen kam: "Wo bin ich hier?", während der Gedanke an etwas zu essen mich mit knurrendem Magen wie von alleine aussteigen ließ.
"Eine sehr enge Freundin deiner verstorbenen Eltern, Marie.", erwiderte die Frau, "Ich war so frei, dich in eine... weniger aufregende Umgebung bringen zu lassen. Aber lass uns drinnen weiter reden".
Eine Freundin meiner Eltern?, fragend sah ich zu der Frau, die sich als Marie vorgestellt hatte, und versuchte, einen Zusammenhang zwischen den Ereignissen von ... ja, von wann? Wieviel Zeit war vergangen?
Trotzdem, oder gerade deshalb, weil ich so viele Fragen hatte, stieg ich aus dem Auto aus und folgte dieser wunderschönen Frau. Das kleine Mädchen ging mit durch die große und einladende Tür.
"Dann...", brach ich die Stille, die ansonsten nur durch die Absätze dieser Frau gestört wurde, "habe ich meinen Name also durch dich bekommen?, woraufhin das kleine Mädchen vor uns auf der Treppe, die wir grad hinaufstiegen, stehen blieb und mich mit großen Augen ansah, "Dann heißt du genauso wie meine Mutti?".
Ich nickte stumm und die Frau erklärte dem Mädchen in freundlichem Ton: "Ja, ihre Eltern haben sie nach mir benannt, weil ich ihre Patentante bin", während ich aus den Augenwinkeln den Mann bemerkte, der zuvor noch vor dem Eingang gestanden hatte und der mich jetzt neugierig von oben bis unten musterte.
"Also wirklich Tom, wie unhöflich von dir, eine junge Dame so anzustarren.", sprach meine Patentante in einem sehr charmanten und belustigten Ton, bis sie sich ihrer Tochter zuwandte: "Lisa, willst du Maria nicht ihr Zimmer zeigen? Mama hat noch etwas zu erledigen."
Der mit Tom Angesprochene zuckte kurz zusammen und wandte sich demonstrativ ab, während das Mädchen mit einem Grinsen nach meiner Hand griff, um mich wohl zum entsprechenden Zimmer zu führen, was ich jedoch mit einem kopfschüttelnden "Ich möchte jetzt kein Zimmer sehen, ich möchte wissen, was das Ganze soll, wieso ich hier bin, welche Rolle Sie spielen", ablehnte, da mir die gehäuften freundlichen Reaktionen der mir völlig fremden Menschen suspekt zu erscheinen begannen.
Für einen kurzen Moment sah mich Marie etwas überrascht an, bis sie ein leichtes Lächeln aussetze und sagte: "Du kommst ganz nach deiner Mutter. Also schön, folge mir. Ich möchte dir etwas zeigen.".
Kurz darauf standen wir in einer Art Arbeitszimmer, dessen Fenster durch herabgelassene Rolläden verdunkelt waren und das durch eine relative nüchterne Deckenbeleuchtung erhellt wurde und die Frau, die sich als Marie vorgestellt hatte, wies mit einer Hand auf eine Wand, die voll gespickt war mit Karten, Zeichnungen, Fotografien, Skizzen, Zeitungsausschnitten und allem, was man aus jedem guten Krimi kannte.
Sowie ich an die Wand herantrat, fielen mir Artikel und Fotos über jene Serie von Einbrüchen und Diebstählen von vor einigen Jahren auf, bei denen Wertsachen und geheime Dokumente in einem Wert von einigen Milliarden entwendet wurden.
Doch dann fiel mein Blick auf ein Foto von Martin oder besser gesagt viele verschiedene Fotos von Martin, bei denen er jedes Mal anders aussah und ich näher herantreten musste, um überhaupt mit Gewissheit sagen zu können, dass es sich um meinen Ex-Freund handelte, was noch dadurch erschwert wurde, dass die Fotos die unterschiedlichsten Namen trugen wie Martin Bauer, Pawel Walczak, Gordon Scott und Francois Michel.
Nach einem anhaltenden Moment der Stille, in dem mein Herz vor paranoiden Gedanken raste, fing Marie zu meinem leichten Entsetzen herzhaft an zu lachen, bis sie sich letzten Endes ein wenig beruhigte, um mir zu erzählen, "So gern ich auch wüsste, was in diesem Moment in deinem Kopf vorgeht, möchte ich dich nicht auf die Folter spannen, denn du musst wissen, dass all diese Diebstähle... deine Eltern und ich geplant haben.", was meinen Puls für einen kurzen Moment gegen Null tendieren ließ, was Marie allerdings nicht davon abhielt, lächelnd fortzufahren, "Versteh' das bitte nicht falsch. Wir sind keine Verbrecher und haben lediglich nach unserem eigenen Gerechtigkeit gehandelt. Denn du musst wissen...", bis ich sie mit einer Frage, die mir plötzlich durch den Kopf schoss, unterbrach: "Martin! ... Was hat er damit zu tun?".
Marie stutzte und ich sah, wie sie für einen kurzen Moment die Fassung verlor, doch sie fing sich rasch wieder und erklärte mit erneut souverän klingender Stimme: "Da ist was aus dem Ruder gelaufen, wir sind noch dabei, die Einzelheiten herauszufinden, aber was wir schon wissen ist, dass es jemanden gibt, der wie Martin aussieht und das zu seinem eigenen Vorteil nutzt."
Das klang so verrückt, dass es nicht erfunden sein konnte, aber dennoch zu verrückt, dass ich die Geschichte einfach glauben könnte, "Du willst mir doch nicht etwa den bösen Zwilling auftischen, oder?".
Marie lachte - auch wenn ihr Lachen ein wenig gezwungen klang - und erwiderte: "Nein, einen biologischen Zwilling konnten wir ausschließen, aber noch nicht vom Tisch ist, dass er Martin einfach ähnlich sieht, aber auch eine Gesichtsoperation können wir nicht ausschließen, genauso wenig, dass er eine sehr gut gemachte, professionelle Maske trägt."
"Ehhh... ", begann ich mit einem Gesichtsausdruck, der ganz offensichtlich erkennen ließ, dass ich absolut nicht verstand, was das alles zu bedeuten hatte, "und was genau macht dieser ... falsche Martin?".
Marie legte einen Arm um meine Schulter, was ich irgendwie mit mir geschehen ließ, und meinte mit einem Lächeln: "Wie wäre es, wenn du dich erst mal ein wenig frisch machst und dich umziehst? Ich richte uns inzwischen etwas zu essen her und dann können wir alles in Ruhe bei einem gemeinsamen Mahl besprechen."
Ich hatte das Gefühl, als könne das noch eine sehr lange Unterhaltung werden und da sich meine Begierde, wissen zu wollen, was hier vor sich geht, in Anbetracht dieser scheinbar verrückten Geschichte deutlich geschmälert hatte und mittlerweile von meinem Hunger überholt wurde, nickte ich nur etwas zögerlich.

"Lisa, zeigst du Marie jetzt ihr Zimmer?", forderte meine Patentante das Mädchen auf, das sich inzwischen an den Schreibtisch gesetzt hatte und dort mit Buntstiften ihrer Kreativität freien Lauf ließ, woraufhin die Kleine mit strahlenden Augen zu mir gelaufen kam, mich völlig vorbehaltlos an der Hand fasste und mich ohne weitere Worte mit sich zog, die Treppe hinauf und hinein in das erste Zimmer, das auf der rechten Seite eines langen Korridors lag.
Wir standen in einem großen schön eingerichteten Zimmer, welches durch das Licht, das durch die Türen der anliegenden Terrasse hereinströmte, erleuchtet wurde, als ich in Anbetracht dessen, was ich von dem Anwesen bereits gesehen hatte, eher mittelmäßig überrascht meinen Blick durch das Zimmer schweifen ließ, kam ein Dienstmädchen aus einem Nebenzimmer, das ich bis zu diesem Zeitpunkt noch garnicht registriert hatte, musterte mich kurz und lächelte mir mit einer kleinen Verbeugung entgegen "Das Badewasser ist eingelassen. Bitte sagt mir, wenn ihr etwas braucht.", was mir allerdings ein wenig unangenehm war, jedoch nicht zum Ausdruck bringen konnte, da sich sowohl das Dienstmädchen als auch Lisa mit den Worten "Ich bin gleich im Zimmer nebenan, wenn du mich suchst." unmittelbar danach aus dem Zimmer zurückzogen.
Mir blieb nur wenig Zeit, mich im Zimmer umzusehen, kurz die Beschaffenheit des luxuriösen Betts zu testen und mich wieder zu erheben, um nach dem angrenzenden Badezimmer zu sehen, als auch schon ein schriller Ton losging und dazu plötzlich das Zimmer in ein in regelmäßigen Abständen leuchtendes Rot getaucht wurde, das - wie ich schnell erkannte - von einer über der Türe angebrachten Leuchte herrührte, die ganz offenkundig Bestandteil einer wie auch immer gearteten Alarmvorrichtung war.
"Ich hab' das Gefühl...", murmelte ich ein wenig genervt vor mich hin, "als müsste mein Bad etwas warten.", worauf ich mich einfach aufs Bett warf und den Schritten draußen auf dem Gang lauschte, die nach ca zwei Minuten verstummten, was mich dazu brachte, mich vom Bett zu schwingen und zur Tür zu gehen, um nachzusehen, was vor sich ging.
Vorsichtig machte ich die Tür einen Spalt auf um auf den langgezogenen Flur zu spicken. Ich konnte allerdings nur noch die letzten Schritte von der Kleinen sehen, also machte ich die Tür zu und wendete mich dem Raum zu, wo anscheinend das Badewasser auf mich wartet ...
Etwas gleichgültig und genervt von dem, was mir den ganzen Tag widerfuhr, hinterließ ich auf dem Weg ins Bad eine Spur mit meinen Klamotten, stieg in die Wanne und vergaß alles um mich herum, bis ich nur wenige Minuten später einnickte.
Doch mir sollte kein langes Badevergnügen beschieden bleiben, denn kaum war ich eingenickt, riss mich jemand auch schon wieder äußerst unsanft aus dem Wasser hoch und zerrte mich förmlich aus der Wanne, während eine mir unbekannte männliche Stimme mir ins Ohr zischte: "Du bist wohl von allen guten Geistern verlassen! Hast du den Alarm nicht gehört? Jetzt ist wirklich nicht die Zeit für ein Nickerchen in der Wanne ... Ich glaub's ja nicht ..."
Völlig schlaftrunken ließ ich mich aus der Badewanne ziehen und stand ein paar Sekunden nackt, den Blick aufs Wasser gerichtet, vor dem Mann bis ich wenige Sekunden später unangenehm realisierte, dass ich nichts anhatte und den Mann, der in diesem Moment mit einem Handtuch neben mit auftauchte, im Affekt in die Wanne stieß.
Als ich das perplexe Gesicht des gar nicht mal so unattraktiven Mannes in der Wanne sah, musste ich laut loslachen, was mir einen bitterbösen Blick einbrachte, den der etwa 30Jährige auch noch zeigte, nachdem er sich sehr geschmeidig und flott wieder aus dem Wasser geschwungen hatte, tropfend und sich für einen kurzen Moment schüttelnd wie ein Bernhardiner.

Als wenige Sekunden meines Gelächters später meine Priorität erneut auf die Tatsache, dass ich nackt vor ihm stand, fiel, hörte ich aprupt auf zu lachen und stieß meine Hände nach vorne, um ihn erneut in die Wanne zu stoßen, als mein Blick plötzlich an seinem nassen Shirt hängen blieb, was seinen muskulösen Körper ... verdammt gut zur Geltung brachte, und mein angetzter Stoß endete damit, dass meine Hände ganz sanft auf seinen Oberkörper klatschten und neben meinen Augen jetzt ebenfalls erstmal dort fixiert waren, bis er gefühlte zehn Sekunden später langsam das klatschnasse Handtuch über meine Arme legte, die weiterhin zu seinem Oberkörper ausgerichtet waren.
Nur kurz darauf hatte er mich in wenigen gezielten Bewegungen so um meine eigene Achse gedreht, dass mein Rücken gegen die Vorderseite seines Körper gepresst wurde, während er mit seinem muskulösen Unterarm das nasse Handtuch vor meinem Körper fixierte und mich, meine Arme bewegungslos eingeklemmt, aus dem Zimmer bugsierte.
"Eh... Hey!", rief ich leicht entsetzt, "Nur, weil du gut aussiehst und durchtrainiert bist, gibt dir das nicht das Recht, mich so zu behandeln!", was mir bereits in dem Moment, in dem ich es aussprach, etwas peinlich war, aber offenbar den gewünschten Effekt hatte, da er mich kurz darauf losließ und mir so die Möglichkeit gab mit einem spontanen Anschein, beleidigt zu wirken, meine würde widerherzustellen.
Doch wenn ich gedacht hatte, dass ich nun die Oberhand gewinnen würde, hatte ich mich getäuscht, denn der Mann drehte sich einfach auf dem Absatz um und ließ mich stehen, um gleich darauf mit großen Sätzen die Treppe hinunterzueilen, während er fast wütend ausstieß: "Die hätten dich einfach dort lassen sollen, dann hätten wir ein Problem weniger."
Nach einem kurzen Moment, den ich brauchte, um zu realisieren, dass mein neuer Lieblingsplayboy ein ganz schön großes Arschloch war, rief ich ihm leicht angepisst "Was hast du-" hinterher und stampfte dabei wütend auf die übernächste Stufe auf, um ihm zu folgen, rutschte jedoch aufgrund meiner nassen Füße aus, machte beim Versuch, nicht auf den Hintern zu fallen, einen recht ungeschickten Satz nach vorne und riss uns ein paar Stufen später beide nach unten, wo ich im Gegensatz zu meinem Charmeur relativ weich landete und auf sein anschließendes langes Seufzen nur noch "Nimm das!" murmelte.
Doch fast im gleichen Moment wurde mir die Absurdität der Situation klar und auch, wie tolpatschig ich mich schon wieder einmal benahm und das innerhalb nur weniger Minuten, so dass ich mich an meiner Oberhand, die ich eindeutig schon aus meiner Position heraus besaß, nicht wirklich lange erfreuen konnte, sondern stattdessen lieber das Handtuch schnell um mich schlang, um mich so rasch wie möglich aufzurappeln und einige gehörige Schritte zwischen den von mir zu Fall Gebrachten und mich zu bringen.
Gleich darauf richtete er sich ebenfalls auf, atmete tief ein und stand ein paar Sekunden, mir den Rücken zugewandt, regungslos da, ehe er mich überraschend ausdrucklos ansah, an mir vorbei ging und mir noch im Vorbeigehen sagte: "In deinem Zimmer liegen frische Klamotten. Du solltest dich erstmal umziehen und dann nachkommen.".
Das wiederum ließ mich perplex zurück, denn hatte er nicht gerade noch gedrängt, dass ich mitkommen sollte, mich quasi aus der Wanne gezerrt und mich auf den Alarm aufmerksam gemacht, der - wie ich feststellte - immer noch anhielt und jetzt machte er auf einmal auf cool und überließ es mir, wann ich mich dazu bequemte, nachzukommen?
Ich hatte allerdings keine Lust, groß weiter darüber nachzudenken, zumal ich die Idee mit den Klamotten angesichts des nassen Handtuches, dass ich trug, garnicht so schlecht fand, woraufhin ich mich auf direktem Wege zurück in mein Zimmer machte, mich abtrocknete und bei den Sachen bediente, die auf dem Tisch lagen.

Kaum war ich angezogen, fühlte ich mich wie ein neuer Mensch, Tatendrang durchzog mich und ich verließ ein weiteres Mal das Zimmer, um zu sehen, wo die anderen hin waren, was sich jedoch recht schnell als langwieriger und schwieriger herausstellte als gedacht, da das ganze Haus mit einem Mal wie ausgestorben wirkte und der gleichmäßig schrille Ton, der insbesondere im Treppenhaus mehr als deutlich zu hören war, mir eiskalte Schauer über den Rücken laufen und mich innehalten ließ.
Dieses ganze Szenario ließ mich kurz an Resident Evil denken, als Alice im Krankenhaus aufwachte, was nach genauerem Nachdenken jedoch nicht wirklich vergleichbar war und so entschied ich mich kurz um, den Weg über die Treppe zurück nach unten zu nehmen.
Kurz überlegte ich, ob ich rufen sollte, doch ich beschloss, dass es wohl besser wäre, möglichst leise zu sein, weil ich überhaupt nicht einschätzen konnte, ob es tatsächlich eine Gefahrenlage gab oder ob sich alle nur irgendwo in die Scheune verzogen hatten, um mir einen Streich zu spielen, Gedanken, die mich bei meinem automatisch schleichenden Gang durch das Haus begleiteten, einen Gang, der keinerlei Lebewesen zu Tage förderte, keine Spur von Marie oder den anderen.
Ich beschloss also, mich in Richtung des Eingangs aufzumachen und nahm den Gang, der mich an einer Reihe Fenster über einen Bogen zur Treppe, die hinab ins Erdgeschoss führte, führte, als ich zufällig aus dem Fenster sah und eine große Ansammlung von Leuten erblickte, die sich auf dem Hof vor dem Anwesen versammelt hatten und recht aufgebracht zu sien schienen, woraufhin ich so schnell wie ich konnte nach unten rannte, um zu ihnen zu stoßen.
"Das ist jetzt schon das dritte Mal in diesem Jahr, dass wir von Ihnen wie Verbrecher behandelt werden, nur weil wir uns Ihrem Anwesen nähern", sagte gerade der offensichtliche Rädelsführer, der sich Zustimmung heischend nach seinen Begleitern umblickte, die tatsächlich gleich nickten und mit "Genau", "Richtig", "Das geht so nicht" zustimmten, was Marie, die mit einem Lächeln dastand und sich das Ganze ruhig anhörte, nicht aus der Ruhe zu bringen schien, ganz im Gegenteil wies sie mit der Hand in meine Richtung bzw. in Richtung Eingang und bot sehr ruhig und freundlich an: "Mister Tucker, kommen Sie und auch Ihre Begleitung doch bitte auf ein Glas Tee oder Wein oder was immer Sie möchten herein, dann können wir alles in Ruhe besprechen."

Und so gingen Marie, der Mann, den Marie Mister Tucker nannte und vom Äußeren einem Kriegsveteranen glich, eine sympathische junge Dame, die nicht von seiner Seite wich, und weil ich das dringende Bedürfnis hatte, nicht wieder allein gelassen von seltsamen Typen heimgesucht zu werden, auch ich mit den dreien mit und so befanden wir uns kurze Zeit später erneut in dem Zimmer mit all den Zeitungsartikeln und den Fotos von Martin bzw. dem, der ihm ähnlich sah. Kaum traten wir alle in das Zimmer, sahen wir so viel Dokumente, die an den Wänden hingen, so wie auf den Tischen und anderen Möbelstücke lagen. Wenn wir all das durchschauen wollten, würden wir sehr sehr lange brauchen.
"Nun, Mister Tucker, hätten wir eine Einigung bezüglich einer Zusammenarbeit geschlossen, hätte ich Ihnen einen Schlüssel fürs Gartentürchen geben können und Sie würden nicht jedes Mal den Alarm auslösen.", lockerte Marie die leicht angespannte Stimmung auf, "Aber kommen wir zum Wesentlichen. Ohne Ihre Informationen hätten wir die kleine Marie wohl ihrem Schicksal überlassen müssen.", sagte sie in meine Richtung deutend, was nun auch den Blick der anderen beiden auf mich zog, deren erhellte Blicke mir sagten, dass sie Dinge über mich wussten, die mir selbst noch nicht zugetragen würden, was mich stirnrunzelnd den Blickkontakt mit Marie suchen ließ.
Doch Marie war offenbar zumindest im Moment nicht gewillt, mich weiter aufzuklären, stattdessen sprach sie weiter, was die Blicke der anderen wieder auf sie lenkte: "Hat Ihr Besuch heute also etwas damit zu tun, Mister Tucker oder was möchten Sie dieses Mal?"
"Unser Angebot, über Sie erst nachzudenken wünschten, war, dass wir als gleichgestellte Partner zusammenarbeiten.", erwiderte Mr Tucker, ohne zu zögern, "Die Unterstützung bei der Rettung der jungen Dame war für uns eine Selbstverständlichkeit. Wer wären wir, das als Druckmittel zu verwenden? Wir sind heute hier, weil Jamy Lanusta, der dieses Wochenende eine Kunstausstellung veranstaltet, eine sehr gute Gelegenheit wäre, mit einer Zusammenarbeit zu beginnen.".
Marie lächelte sanft und schwieg einige Augenblicke, bevor sie sehr ruhig erwiderte: "Wir schätzen Sie sehr, Mister Tucker, denn Ihre Informationen haben sich bislang immer als äußerst präzise und nützlich erwiesen. Aber als gleichgestellte Partner zusammenzuarbeiten kommt für uns nicht in Frage, das hatten wir Ihnen bereits mehrfach erläutert. Und was Jamy Lanusta anbelangt, haben wir dieses Wochenende schon andere Pläne."
Relativ emotionslos und offenbar wenig überrascht über Maries Antwort erwiderte Mr. Tucker: "Nun... dann lassen Sie mal hören."
Marie behielt ihr Lächeln bei und antwortete fast augenblicklich: "Sie verstehen sicher, Mr. Tucker, dass wir Sie zum momentanen Zeitpunkt nicht in unsere Pläne für das Wochenende einweihen können. Allerdings gäbe es da etwas, das Sie für uns tun könnten. Es ist nicht ganz ungefährlich und hat mit einem gewissen Herrn zu tun, der uns zunehmend Schwierigkeiten bereitet. Wenn Sie uns auch bei diesem Problem Unterstützung bieten könnten, wäre ich durchaus gewillt über eine Zusammenarbeit in der Zukunft nachzudenken, bei der Sie direkt am jeweiligen Projekt beteiltigt wären."
"Das ist wieder sehr viel Konjunktiv, den sie da verwenden", antwortete Mr Tucker, "Hören Sie, Mrs. Vermillion. Wir wissen beide, dass wir Ihnen viel schulden. Ich bewundere ihren Sinn für Gerechtigkeit sehr. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass wir Ihnen viel effektiver unter die Arme greifen können... Also, wie können wir Sie in der Sache unterstützten?".
Doch Marie kam nicht dazu zu antworten, da just in dem Moment mein Badewannenopfer auf lautlosen Füßen herangetreten war und ihr nun etwas ins Ohr flüsterte, was sie nach einigen Augenblicken des Zuhörens mit einem "Danke, Ryan", quittierte, um daraufhin zu Mister Tucker zu sehen und zu sagen: "Es tut mir Leid, Mister Tucker, aber ich muss Sie für einen Moment allein lassen, wir werden unsere Unterhaltung aber in Kürze fortsetzen. Bis dahin leisten Sie doch bitte Marie Gesellschaft." Während sie das sagte, kam ich nicht umhin, meinen Blick auf dem Ekel aus dem Badezimmer haften zu lassen, der sich als Ryan entpuppt hatte, was mir ohne dass ich es wirklich merkte, ein kleines Lächeln ins Gesicht zauberte, das noch dadurch gefördert wurde, dass Ryan sich in der Zwischenzeit offenkundig umgezogen hatte und nun ein umwerfend blaues Hemd trug, das fantastisch zu seinen ebenso blauen Augen passte.

Er und Marie verließen ohne weitere Ausflüchte den Raum und ließen mich mit Mr Tucker und seiner Begleiterin, die sich allerdings auch selbst gut abzulenken wusste, allein, was mir zunächst etwas unangenehm war, da ich die beiden erst vor wenigen Minuten das erste Mal gesehen hatte und es mir so vor kam, als hätte Marie den Raum mit einer Stimmung verlassen, die nicht im Sinne von Mr Tucker zu sein schien, was mich allerdings nicht von einer ganz bestimmten Frage ablenken konnte und so fragte ich ihn kurzum: "Was meinten Sie als sie sagten, dass sie meiner ... Tante viel schulden?", was nicht nur die Aufmerksamkeit von Mr Tucker, der mich leicht überrascht ansah, sondern auch die seiner jungen Begleiterin weckte. Anscheinend wusste sieauch noch nicht, was da eigentlich alles abging. Und da sie sehr neugierig war, war sie mehr als gespannt.
"Nun ...", begann Mister Tucker und sah mich zunächst so an, als würde er überlegen, wie viel er mir sagen konnte oder auch sagen durfte, bevor er etwas zögerlich fortfuhr: "Sie hat uns vor ein paar Jahren finanziell sehr unter die Arme gegriffen." Er sah zu seiner jugendlichen Begleiterin und ergänzte, nur für sie bestimmt: "Das war als deine Großmutter so schwer krank wurde und diverse Operationen brauchte ..."
"Ich kenne die Geschichte, Vater.", warf Mr. Tuckers Tochter recht emotionslos ein. "Das war doch auch als ihr euch mit einer großen Waffenlobby angelegt habt, was ohne die Unterstützung von Marie und ...Maries Eltern schwer nach hinten losgegangen wäre.", fuhr sie fort und begann mich etwas seltsam anzusehen. "Es ist echt nervig, dass ihr beide Marie heißt. Ich heiß' übrigens Anna und dich nennen wir einfach mal 'Mary'.", sagte sie lächelnd, den Zeigefinger aus dem Handgelenk heraus auf mich gerichtet.
Dass jetzt auch noch Mister Tuckers Tochter Anna anfing, über meinen Kopf hinweg über mich zu entscheiden, ging mir gehörig gegen den Strich und so platzte es aus mir weit unhöflicher heraus als ich es eigentlich wollte: "Nein, keiner nennt mich einfach mal 'Mary'! Und ihr ganz sicher nicht! Mein Name ist Marie und wenn ihr Probleme habt, uns beide auseinanderzuhalten, dann ist das euer Problem!" Passend zu diesem Ausbruch drehte ich mich auf dem Absatz um und folgte meiner Patentante und Ryan aus dem Zimmer.
Anna, die mich während meines kleinen Ausbruchs stirnrunzelnd ansah, fing kurz nach meinem Abgang an zu kichern und rief mir noch "Bis später, Mary!" hinterher. Auf dem Flur entlang laufend wusste ich jedoch nicht einmal, warum genau ich überhaupt so sauer wurde. Dieser Gedankengang wurde jedoch dadurch unterbrochen, dass Ryan sich kurz zu mir umdrehte, mich leicht abfällig ansah und seinen Blick mit einem "Tss!" wieder nach vorn richtete.
Ich ignorierte Anna, die mir mit einem Mal äußerst unsympathisch wurde, ebenso wie Ryan, dessen abfällige Art völlig unangebracht war, zumindest soweit ich das zum jetzigen Zeitpunkt beurteilen konnte, und fragte mich, wieso meine Patentante immer noch im Flur war, obgleich sie doch schon einige Minuten vor mir aus dem Zimmer gegangen war. Doch ich sollte sehr rasch eine Antwort erhalten, da Marie sich zu mir umsah und mich hektisch zu sich winkte.
Marie musste zunächst etwas kichern als ich auf sie zukam und flüsterte mir dann lächelnd ins Ohr: "Deine Mutter bekam auch manchmal schlechte Laune, wenn sie müde war." Sie sah kurz hinüber zu Ryan und musterte mich für ein paar Sekunden. "Du und Ryan habt offenbar einen schlechten Start gehabt. Ich versichere dir jedoch, dass er dich nicht hasst, auch wenn er es durch seine eigenwillige Art gut kaschieren kann. Deine Mutter und Ryan waren sehr gute Freunde, musst du wissen. Aber genug für heute. Ich werde dir morgen erklären, was es mit Jamy Lanusta auf sich hat. Jetzt solltest dich erstmal ausschlafen.", sagte Marie und suchte den Blickkontakt zu Ryan, "Ryan wird dich auf dein Zimmer bringen".
Eigentlich wollte ich nicht, das Ryan mich in mein Zimmer begleitet, aber da ich mich im Moment noch gar nicht in dieser Villa auskannte, fügte ich mich dem sogenannten Schicksal und lies mich von ihm in mein Zimmer bringen. Sie hatte auch recht, weil ich doch, von so viel Aufregung sehr müde war. Morgen war auch noch ein Tag.
Und der kam mit einem Paukenschlag, der es in sich hatte ...Eigentlich wollte ich in Ruhe schlafen, doch ich wurde mitten in der Nacht von einem lauten Donnerschlag aus dem Bett gerissen und nichts war mehr, wie vorher.
Ohne mich entsinnen zu können, mich aufgerichtet zu haben, saß ich plötzlich im Bett und versuchte im Halbschlaf meine Gedanken zu ordnen, um herauszufinden, ob es tatsächlich einen lauten Knall gab, oder ich nur geträumt hatte. Ich bemerkte ein rotes Flimmern, das sich im Fenster reflektierte, woraufhin ich es aufriss und ein Feuer im Innenhof sah. Ohne nachzudenken sprang ich aus dem Bett, schnappte mir noch eine Jacke vom Stuhl und rannte zur Treppe, um in Erfahrung zu bringen, was da vor sich ging.
Doch im Treppenhaus war niemand zu sehen, so dass ich flugs aus der Eingangstüre im Erdgeschoss ins Freie trat, wo der Erste, auf den ich stieß, - wie konnte es anders sein - Ryan war, der mit verschränkten Armen und finsterer Miene auf das Feuer blickte, das rund ein Dutzend Helfer offenbar bereits unter Kontrolle gebracht hatten. Ohne mich anzusehen murmelte er: "Seit du da bist, gibt es nichts als Ärger ..." "Wie meinen?", entschlüpfte es mir sofort und ich setzte nach: "So wie ich meine Patentante verstanden habe, habt ihr schon seit Längerem Ärger und das hat nichts, aber auch absolut nichts mit mir zu tun ..."
 

Shishiza

Sehr brave Fee^^
Teammitglied
Mod
Nach einem schlechten Start in den Samstag entschied ich mich ( Marie, schwarze Haare, grüne Augen, Körbchengröße 75F), nicht auf Arbeit zu gehen und kehrte durchnässt in meine Wohnung zurück, in der ich bis Sonntag durchschlief.
Ralf, der Freund meines Exfreundes Martin, klingelte an meiner Tür und berichtete, dass mein Ex Martin im Koma liegt. Es ereignete sich wohl drei Wochen zuvor bei einem Motorradunfall. Da ich Martin beim Rumknutschen mit seiner Kollegin Sophie erwischt hatte, hatte ich den Kontakt zu ihm bereits zuvor abgebrochen.
In diesem Zusammenhang machte Ralf einen dummen Witz darüber, dass es sich um einen Doppelgänger oder seinen Zwillingsbruder gehandelt hätte, was ich allerdings nicht ganz so witzig fand wie er.
Gegen meine Motivation überredete Ralf mich letzten Endes, Martin im Unikliniku zu besuchen. Ich fuhr uns mit dem Auto. Dort angekommen machten wir Bekanntschaft mit bewaffneten finsteren Typen. Beim Versuch zu flüchten, töteten sie Ralf, der durch einen Schuss in der Eingangshalle niedergestreckt wurde.
Die Männer zerrten mich in einen schwarzen Bus und nahmen mich mit. Während der Fahrt erwähnten sie, dass sie nach einem "Pawel Walczak" suchten, den ich unter dem Name Martin kennen würde. Offenbar hatten sie Martin im Krankenhaus nicht ausfindig machen können.
Wir machten an einem abgelegenen Gebäude Halt, wo sie mich zum Reden bringen wollten. Als es ungemütlich wurde, wurde unsere Runde von einem Fahrzeug bewaffneter Männer gestört. Sie machten meine Entführer unschädlich und nahmen mich mit.
Voller Erschöpfung schlief ich auf der Fahrt und wachte im leeren Wagen auf dem Hof eines großen Anwesens auf. Dort traf ich meine Patentante Marie, der ich offenbar meinen Name zu verdanken hatte, und ihre kleine Tochter Lisa.
Sie führte mich in ein Zimmer voll mit Karten, Zeichnungen, Fotografien, Skizzen und Zeitungsausschnitten von einer langen Serie von Einbrüchen und Diebstählen. Meine Patentante erzählte, dass sie zusammen mit meinen Eltern die Einbrüche geplant und durchgeführt und dass sie dabei nach ihren eigenen Vorstellungen von Gerechtigkeit gehandelt hätten. Außerdem hingen dort einige Fotos von Martin, die mit den Namen Martin Bauer, Pawel Walczak, Gordon Scott und Francois Michel versehen waren. Erneut wurde mir die Geschichte aufgetischt, dass es sich dabei nicht um Martin, sondern um jemanden, der ihm verdammt ähnlich sah, handelte.

Heute ist Samstag und das Wetter ist grau und kalt. Da möchte man am liebsten direkt nach dem Aufstehen wieder in sein Bett zurück fallen. Was aber nicht geht, da man ja an die Arbeit muss. Ich hasse meinen Beruf! Am allerliebsten wäre ich den ganzen Tag liegen geblieben und hätte den Geräuschen gelauscht, die vor meinem Fenster auftraten. Schlussendlich rappelte ich mich dann auf, schaute auf die Uhr und, oh weh, doch schon so spät. Nun aber schnell rein in die Klamotten und ab zum Bus. Wenn es nicht nur schon wieder regnen würde ... Da ich auch noch Pech habe, werde ich sofort nass, weil ein Auto mich von der Seite nass spritzt. Wirklich ärgerlich, schimpfe dem noch lautstark hinterher, rege mich noch ein wenig wie ein Rohrspatz auf, und sage zu mir: "Es kann nicht schlimmer werden, hilft alles nichts, weiter zum Bus."Triefend vor Nässe und zitternd vor Kälte erreiche ich den schmalen Busstand. Mit einem Blick auf meine Uhr muss ich feststellen, dass diese auch noch stehen geblieben ist. Da ich immer gute 10 Minuten zum Bus brauche, weiß ich jetzt nicht mal wie spät es ist und ich nehme schon immer den Letzten der fährt. Gereizt schüttele ich meinen Kopf, starre auf die gegenüberliegende Gebäudefassade und erblicke schließlich eine Leuchtanzeige, die mir noch nie zuvor aufgefallen war: Sa., 23.02.13 - 8°C - 7.18 Uhr. Verdammt ich wusste, das ich zu spät bin. Sollte um 7 Uhr anfangen zu arbeiten. Der Chef würde mir wieder eine gehörige Standpauke verpassen, aber erstmal musste ich zusehen, dass ich auf die Arbeit kam. Nur wie sollte ich das anstellen ohne Auto? Ein Taxi wäre jetzt das Beste der Wahl, nur leider hatte ich auch noch mein Handy zu Hause liegen lassen und mein Geld auch noch. So blieb mir halt nichts anderes übrig als zu laufen, was nicht das Beste war, besonders bei diesen Temperaturen. "War der blöde Weg schon immer so lang gewesen", war das Einzige, was ich bei dieser Kälte und dem Regen aus mir heraus brachte. Ich schüttelte mich und klemmte meine Haare hinter meine Ohren. "Nicht aufregen Marie, nicht aufregen ...", war das Einzige, was ich zu mir murmelte, als ich geschwind die Straße entlang ging. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich den LKW fast übersehen hätte. So konnte ich noch rechtzeitig zur Seite springen, als der durch eine Pfütze raste. "Verdammt!", entfuhr es mir, während das aufspritzende Wasser auch noch die letzten trockenen Stellen meiner Kleidung durchnässte.Dem LKW-Fahrer warf ich einige Flüche hinterher, doch machen konnte ich nun eh nichts mehr. Ich würde nach Hause gehen und den Tag einfach als "Krank" machen. Morgen dann zum Arzt und dann... schön die nassen Klamotten von meinem Leib zärtlich wegreißen und ein Bad einlaufen lassen. Ein heißes Bad wär jetzt genau das Richtige Ich lasse mich in der Badewanne ''gehen'', schmelze quasi dahin, oh Gott, das Leben kann doch soooo schön sein.. wenn da bloß nicht der ganze Stress wär ... Nur leider habe ich nicht bedacht, dass morgen erst Sonntag war und ich erst am Montag zum Arzt kommen würde. Aber so nass wie ich war, würde ich bestimmt eine Erkältung bekommen. Also zerrte ich mir regelrecht die nassen Klamotten runter und wollte ein Bad einlaufen lassen. Aber, wie der Teufel es will, kam nur eine braune Brühe aus dem Hahn. Vorbei der Traum vom schönen heißen Bad. Und mir war auch noch saukalt. ,,Ach verdammt! Wäre ich heute doch nur zu Hause geblieben!'', ich band mir ein Tuch um und rannte regelrecht auf mein Zimmer, riss den Schrank auf, zog meinen Pyjama an und verschwand unter meiner Bettdecke. Ich hab keine Ahnung, wie lange ich da lag, denn mich weckten ein paar Sonnenstrahlen, die durch mein Fenster schienen. Mein Handy vibrierte unaufhörlich, ich öffnete es und da stand: ,,7 verpasste Anrufe/ Absender: Chef''. Verdutzt darüber, dass dieser so oft angerufen hatte, rieb ich mir mit Unglauben die Augen. "Was zur Hölle will der? Nicht mal einen Tag darf man krank machen? Ha! Morgen zum Arzt und für den Rest der Woche 'n Gelben holen!" Moment, was hatte ich da gesagt? Morgen? Ich hatte den gesamten Samstag verschlafen und es war bereits Sonntag geworden, zumindest wenn ich dem Datum auf meinem Handy trauen konnte. Seufzend blickte ich an die Decke und wischte mir eine Strähne meiner pechschwarzen Haare aus den giftgrünen Augen. "Er bringt mich spätestens am Dienstag so was von um", murmelte ich und begann in meinem Schrank nach einem BH zu suchen. 75F war nicht unbedingt die Größe, in der man viele BHs bekam. Was deutlich wurde als ich das Tablar mit der Unterwäsche ansah. Ich zog das Pyjamaoberteil aus und legte mir den BH an, dann suchte ich mir noch eine passende Unterhose und zog sie ebenfalls an. Aus der hinteren Ecke eine Hose und ein einfaches T-Shirt, zog sie mir an und ging aus meinem Zimmer. ,,Waaaah, wie spät ist es denn jetzt eigentlich?'' sagte ich gähnend als ich die Treppe hinunter ging. Ich ging in die Küche und holte das Müsli aus dem Schrank, füllte es in eine Schüssel, dann machte ich den Kühlschrank auf und nahm die Milch raus.


Ich wollte gerade den Inhalt über mein Müsli kippen, als ich diesen stechenden Geruch wahrnahm.
Ich roch vorsichtshalber noch mal daran, nur um sicher zu gehen. Fehler, mächtig großer Fehler.
Das Zeug stank mir die Bude voll.
Verfluchte Scheiße, jetzt muss ich das Zeug also auskippen.
Als hätte ich nicht so schon genug Stress, muss jetzt auch noch mein Handy klingeln.
Ich schaute aufs Display und wunderte mich, wer denn um alles auf der Welt, meine Nummer kennt, ich beschloss also ran zu gehen und erlitt den Schock meines Lebens.

Der Freund von meinem Ex! Woher kennt der denn bitte meine Nummer!
Bestimmt hat mein Ex meine Nummer ihm gegeben, aber was nun? Ich ging ans Telefon und hörte einen lauten Schrei. Schlagartig fiel mir das Handy aus der Hand.

Scheiße aber auch, was war denn das?
Erst der Freund meines Ex, jetzt auch noch dieser Schrei!
OK, nachdenken, denk nach Marie, denk nach!!!
Ich hob das Telefon und wählte, während ich mich zur Ruhe zwang.

,,Ich rufe ihn jetzt einfach zurück und frage, wo zur Hölle er meine Nummer her habe und warum er ins Telefon schreie'' sage ich mir selbst, doch nix mit zurückrufen. //Ihr Guthaben ist erschöpft, bitte laden Sie es wieder auf um diesen Anruf zu tätigen//, sagte mir die ,,nette'' Stimme des automatischen Services und während das ertönte, schmiss ich mein Handy wieder auf den Boden. ,,Ach scheiß die Wand an!'' schrie ich wutentbrannt bis ich merkte, dass das ein Fehler war. Hektisch hob ich mein Handy wieder vom Boden auf und drückte irgendwelche Tasten, doch nichts regte sich. ,,Ach egal, ich brauche eh ein neues Handy'' versuchte ich mich zu trösten, dass ich nicht in Tränen ausbrach. Irgendwie war jetzt ein Bach geöffnet worden, denn die Tränen flossen wie ein riesiger Wasserfall die Wangen herunter. Nach ein paar Minuten konnte ich mich langsam beruhigen, es war aber echt heute der Teufel los.
Und wie um das zu bestätigen klingelte es plötzlich Sturm an meiner Türe. //Wer kann das denn wieder sein?//

Meine trüben Gedanken waren mit einem Mal wie weggeblasen, und ich eilte mit einer Mischung aus Neugierde, Besorgnis, aber auch dem Gefühl, gar nicht wissen zu wollen, was da schon wieder auf mich zukam, zur Türe und sah zunächst mal durch den Spion. Der Spion war ziemlich benebelt, so das ich gar nicht wirklich gut rausschauen konnte. Also musste ich erahnen, wer draußen stand. Doch nach Rätselraten war mir absolut nicht zumute, daher griff ich beherzt zur Klinke und öffnete die Türe. Mit verheulten Augen und verrotzter Nase schaute ich neugierig aus der Wohnung. Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und blickte überrascht in das Gesicht des Freundes meines Ex. Was um Gottes Willen hatte er hier zu suchen??? Eine gefühlte Ewigkeit starrten wir uns wortlos an, bis mir schließlich der Geduldsfaden riss und ich sagte: "Was um Gottes Willen hast du hier verloren?"
"Du ... Du ... Du bist daran Schuld, Marie!", geiferte er mich plötzlich an, ohne das ich eine Ahnung hatte, was er meinte.
In diesem Moment merkte ich, dass um mich herum alles verschwamm und es dunkel wurde. Langsam machte ich meine Augen wieder auf und blickte in das Gesicht von meinem Ex.
Zeitgleich bemerkte ich einen dumpfen Schmerz an meinem Hinterkopf und tastete den Bereich ab. Ich lag auf meinem Sofa im Wohnzimmer und spürte eine schmerzhafte Beule und getrocknetes Blut zwischen meinen Haaren. Ich musste wohl mit meinem Kopf auf den harten Steinboden des Eingangsbereich meiner Wohnung geprallt sein und dachte in diesem Moment eigentlich eher über die Tatsache nach, dass sich mein Ex offensichtlich in meiner Wohnung befand. "Freund meines Ex ...", korrigierte ich mich in Gedanken und fragte mich gleichzeitig, ob der Schlag auf meinen Kopf mehr als nur eine schmerzende Beule verursacht hatte. Ralfs Gesicht schob sich in mein Blickfeld und eine Mischung aus Wut und Sorge lag darin, wobei die Wut die Oberhand zu gewinnen schien, je länger ich ihn ansah. //Warum war er schon wieder wütend, ich hatte absolut keine Ahnung.//
"Martin - DEIN Ex Martin - liegt im Koma!", warf er mir unvermittelt an den Kopf. Langsam kamen mir wieder die Erinnerungen, ach ja, da war noch was ... Martin ... Martin ... er hatte sich doch nicht etwa etwas angetan ... wegen unserer Trennung?!? Oder war es doch wegen was anderem?? Anstatt weiter wild zu spekulieren und mir alles mögliche vorzustellen, entschied ich mich, Ralf direkt zu fragen und so hob ich die Brauen und wollte wissen: "Martin liegt im Koma ... wieso ... was ist passiert?"
"Er wollte zu dir ... mit dir reden, sich entschuldigen, was weiß ich, ... und er ..." Seine Stimme schien zu versagen. "er hatte einen Unfall ... mit dem Motorrad ... vor drei Wochen." Kopf kratzend überlegte ich, so lange ist das schon her, wo ist nur die Zeit geblieben ...
"Aber wieso kommst du jetzt und was willst du von mir?", konnte ich nicht umhin, Ralf zu fragen, fügten sich die einzelnen Puzzleteilchen für mich noch nicht zu einem ganzen Bild zusammen.
"Verdammt Marie, drei Wochen und du hast dich nicht ein einziges Mal blicken lassen; als wär' er dir völlig egal", warf er mir vor und ich verstand plötzlich seine Wut auf mich, aber wie sollte ich ihm klar machen, dass ich schlicht nichts davon gewusst hatte? Aber wie sollte ich auch, damals vor drei Wochen ist er wutentbrannt aus der Wohnung gestürmt ...
Ich hatte gesehen, wie er seine Kollegin Sophie geküsst hatte - also richtig, LEIDENSCHAFTLICH; hatte er erwartet, dass ich ihm kaum zwei Stunden später seine Ausreden glauben würde?
Ich spürte wie mich der bloße Gedanke daran immer noch aufwühlte, und da mein bisheriger Tag reichlich beschissen gewesen war, mein Schädel brummte und ich keinerlei Lust zu großartigen Erklärungen hatte, sagte ich harsch: "Das ist etwas zwischen Martin und mir und nichts, was dich angeht, Ralf!"
"Es geht mich ganz sicher was an, wenn sich mein bester Freund wegen dir fast in den Tod fährt und es dir offenbar völlig gleich ist."
"Ach ja, dann frage ich dich doch mal, was er dir erzählt hat, von der Sache vor drei Wochen?"
Das schien ihn jetzt doch zumindest kurzzeitig aus der Fassung zu bringen, denn er runzelte die Stirn und war für einen Moment sprachlos, während man sehen konnte, wie es in seinem Kopf arbeitete.
"Ähm ..., ja, Marie", druckste er herum. "Also ..., eins vorweg: ich dachte zuerst auch, er würde lügen, aber warum sollte er mir so eine Geschichte auftischen, wenn er genau weiß, dass wir beide uns noch nie leiden konnten."
"Wovon redest du eigentlich?"
"Martin hat einen ... Doppelgänger, einen eineiigen Zwilling, einen ... ach, keine Ahnung, wer oder was er war, ... jedenfalls war es nicht Martin, den du gesehen hast."
"... Willst du mein Vertrauen wirklich mit solch einer Absurdität erschüttern?" Doppelgänger, eineiiger Zwilling, womöglich gar ein Klon ... dachte ich, während ich spürte, wie bei Ralfs absurder Behauptung etwas in mir hochkochte. Enttäuscht über Ralfs ausbleibende Antwort, warf ich ihm einen verachtenden Blick zu und verschwand, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, im Bad.
Aber ich hatte nicht mit Ralfs Hartnäckigkeit gerechnet, denn er folgte mir und sagte schließlich, in Ton doch sehr einlenkend: "Ich will doch nur, dass du mit mir kommst, Marie ... zu Martin und er deine Anwesenheit spüren kann."
Genervt darüber, dass ich meine kurze Pause nun doch nicht bekam und sich auch noch ein Gefühl von Mitleid in mir anbahnte, ließ ich ein tiefes Seufzen verlauten, schnappte mir die Autoschlüssel und verließ die Wohnung. Dabei wäre es so schön gewesen, einen freien Tag zu haben, aber was solls.
Grade als ich losfahren wollte, bemerkte ich, dass ich keine Ahnung hatte, wo Martin im Moment überhaupt ist, was mich so in Gedanken versinken ließ, dass ich nicht merkte, wie Ralf mir nachlief, bis er schließlich in's Auto stieg, was ich allerdings widerwillig hinnehmen musste, da mein "du-steigst-sofort-aus"-Blick seinem "das-wird-nicht-passieren"-Blick nicht standhalten konnte. Seufzend stieg ich in das Auto, "Wo liegt er?" kam widerwillig die Frage.
"Er ist seit gestern wieder zu Hause.", antwortete Ralf mit strahlendem Gesicht.
"Ich dachte, er liegt im Koma ... wie kann er da zuhause sein?", fragte ich und sah Ralf perplex an.
Ralfs erschrocken Blick nach zu urteilen, nahm ihn die ganze Sache ziemlich mit, wenn er sogar unter so drastischen Realitätsstörungen leidet.
"Ist mit dir alles in Ordnung?", platzte es nun doch aus mir heraus und ich spürte, wie sich auch der letzte Ärger ob seiner Einmischung zu verflüchtigen begann, auch wenn ich das eigentlich gar nicht wollte.
Ralfs nachdenklicher Blick traf auf den meinen, woraufhin er sich gleich wieder von mir abwandte und nach einem längeren Moment der Stille antwortete: "Ja, er... liegt im Uniklinikum.", was mich unmittelbar dazu veranlasste, ordentlich auf's Gas zu treten, In der Hoffnung, dieser nervig erdrückenden Stimmung zu entkommen.
Eine knappe Viertelstunde später betrat ich mit Ralf die Klinik.
Sowie wir in Richtung Empfang gehen wollten, hörten wir das beängstigende Geschrei einer Frau. Das war nun wirklich nicht dazu angetan, meine Stimmung zu heben und mir wurde plötzlich wieder bewusst, welche Aversion ich gegen Krankenhäuser hatte, gegen den Geruch, der sich in den Gängen hielt, gegen die gewienerten Böden, die weißgekittelten Gestalten, die weinenden und bangenden Angehörigen und gegen all das Leid, die Krankheit und der Tod, der einem von überall entgegenwehte, nicht nur von den Kranken, die in ihren Betten teils auf den Gängen auf Untersuchungen warteten.
Wenige Sekunden später riss mich das Ertönen mehrerer Schüssen, die mir klarmachten, das Geschrei falsch beuteilt zu haben, aus meinen Gedanken. Während mein Puls unwillkürlich zu rasen begann, sah ich mich hektisch um, nach einer möglichen Deckung genauso wie nach dem Ursprung der Schüsse, denn ich wollte keinesfalls in ebendiese Richtung laufen. Über den stückweise offenen Gang des ersten Obergeschosses, der unmittelbar über der Rezeption lag, rannten zwei Leute, ein jüngerer Mann und eine Frau mittleren Alters, in den rechten Flügel.
"Was geht da vor?", fragte ich, während ich zeitgleich instinktiv hinter dem Tresen der Rezeption Schutz suchte.
Während weitere, immer präsenter werdende, Schüsse ertönten und wir, an den Tresen gelehnt mit dem Eingang im Blick, mit dem Rücken zum Geschehen hockten, stotterte Ralph, "Wir müssen hier weg!", als plötzlich ein paar Leute, die bisher noch wie angewurzelt im Eingangsbereich standen, mit dem Blick nach oben verzweifelt Schutz suchend in alle Richtungen liefen, was mich dazu veranlasste, es für keine gute Idee zu halten, durch einen kurzen Blick herausfinden zu wollen, was auf dem Durchgang vor sich geht.
Ralph wurde offenkundig von dieser einsetzenden Panik miterfasst, denn er erhob sich und rannte los, hin zum Ausgang, ohne auch nur einen Blick hinter sich zu werfen, was mich trotz der angsteinflößenden Situation den Kopf schütteln ließ, während ich ihm nachrief: "Bleib hier, Ralph, das ist keine gute Idee!"
Kaum hatte ich ihm das zugerufen, musste ich beobachten, wie Ralph, dicht gefolgt von einem weiteren einschneidenden Knall eines unmittelbaren Schusses, ohne jegliche erkennbare Bemühungen, dem Aufprall entgegenzuwirken, im Sprint zu Boden ging, wo er sich nach dem Aufprall noch ein paar Mal überschlug und eine immer größer werdende Blutspur hinterließ.
Fassungslos starrte ich ihn an mit einem plötzlich aufwallenden Gefühl von Unwirklichkeit und dem starken Drang, sofort zu ihm zu sprinten und ihm zu helfen, was jedoch von meinem unmittelbar wieder einsetzenden Verstand verhindert wurde, der Bilder von Filmen vor meinem inneren Auge ablaufen ließ, Bilder, in denen genau solche Rettungsversuche mit dem Tod des Retters belohnt wurden.
Aus meinem äußersten Blickwinkel erkannte ich, begleitend von einem dumpfen Geräusch, wie jemand rechts von mir auf den Tresen landete, wodurch ich meinen Blick langsam in dessen Richtung wandte und in die Augen eines Mannes mit einer geschulterten Schrotflinte blickte, der mich für ein ein paar Sekunden ansah und dann lächelnd sagte, "Du wirst mit uns kommen", was mich nach einigen Sekunden, die ich brauchte, die Situation halbwegs zu erfassen, in leichte Panik versetze und mich veranlasste am ganzen Körper zu zittern, ehe ich beim Versuch aufzustehen, um davonzulaufen, lediglich über mein linkes Knie stolperte und nun regungslos am Boden lag und hoffte, dass es mich nicht auch treffen würde.
Doch dieser Totstellreflex, der im Tierreich oft von Erfolg gekrönt wurde, zeigte bei dem Mann mit der Schrotflinte keinerlei Wirkung, denn er stieß mir den Lauf erst recht unsanft in den Rücken, bevor er mich an den Haaren aus meiner liegenden Position zog, um mich mit einem in mein Ohr geraunten "zum Liegen wirst du noch Gelegenheit genug bekommen ..." mit sich gen Ausgang zu ziehen.
Meine Gedanken, was nun mit mir passieren oder, ob ich das Alles überleben könnte, wurden vom Anblick Ralphs unterbrochen, dessen lebloser Körper in einer immer größer werdenden Blutlache lag und mir die letzte Hoffnung nahm, dass er möglicherweise noch am Leben sein könnte, unterbrochen, bis mir die, vor Angst entstellten Gesichter der Leute, die sich in unmittelbarer Nähe aufhielten, erneut die Ernsthaftigkeit meiner Situation klarmachten und mir Anlass zu der Annahme gaben, dass meine Chancen relativ schlecht stehen würden, wenn ich mich von diesen Leuten einfach mitnehmen lassen würde.
Allerdings war ich Realist genug, um zu wissen, dass mir mit einer immer noch auf mich gerichteten Schrotflinte und den Haaren in der Hand meines Peinigers nicht viele Alternativen blieben, als zumindest im Moment der doch recht brutalen Aufforderung Folge zu leisten, in der Hoffnung, dass sich auf dem weiteren Weg eine Möglichkeit zur Flucht ergeben würde, bevor ich das gleiche Schicksal erleiden würde wie Ralph, dessen nun starr geöffnete Augen mir nachzublicken schienen, obwohl das physisch kaum noch möglich sein konnte.

Draußen angekommen wurden wir bereits von einem schwarzen Bus und drei davor positionierten bewaffneten Männern erwartet, die mir unangenehme Blicke zuwarfen und mir unmittelbar in den Bus folgten, der sich kurz darauf in Bewegung setzte.
Als ich das sah, drängte sich mir unweigerlich der Gedanke auf, dass die es auf mich abgesehen hatten, dass der Überfall auf das Krankenhaus auf irgendeine Weise mir gegolten hatte, auch wenn ich mir keinerlei Reim darauf machen konnte, wieso ein Teil der Verbrecher aus dem ersten Stockwerk gekommen war und was das Ganze überhaupt sollte.
Nach ungefähr einer Minute, die ich zu nutzen versuchte, um wieder halbwegs zur Besinnung zu kommen, sah mich der Typ, der mich in den Wagen zerrte musternd an, während er sich eine Zigarette anzündete, bis er schließlich mit zusammengezogenen Augen und in einem gehässigen Ton fragte: "Na, bist du sauer, weil ich deinen Freund umgelegt habe?"
Für einen Moment war ich perplex und starrte den Mann sprachlos an, doch dann schlüpfte die Frage wie von alleine über meine Lippen: "Du hast ihn umgelegt, weil du denkst, er war meine Freund?"
"Ich hab' ihn umgelegt, weil er dämlich war, weil er geglaubt hat, einer Kugel davonrennen zu können - und weil er unserem Auftrag im Weg stand." Langsam kam mir der Satz im Gehirn an, aber so ungefähr den Sinn verstand ich im ersten Moment nicht, bis es mir so langsam dämmerte.
"Mich entführen ist euer Auftrag?", fragte ich daher auch, wobei ich nicht umhin konnte, vermutlich recht verwirrt und irritiert auszusehen, immerhin hatte ich noch keinerlei blassen Schimmer, was das Ganze wirklich sollte.
"Das würde dir gefallen, nicht wahr Prinzessin?", murmelte einer der anderen Entführer, der mir gegenüber saß, und mir die gesamte Zeit unverblümt auf meine Brüste starrte. Nur kurz streifte mein Blick den Mann, dann entschied ich mich, seine lüsternen Blicke genauso zu ignorieren wie seinen gemurmelten Kommentar und ich sah stattdessen weiterhin auf den Mann, der der Anführer zu sein schien, und fragte: "Und ich bin eurem Auftrag förderlich, was auch immer das für einer ist?"

"Ich hoffe - auch für dich selbst -, dass du uns helfen wirst, jemanden zu finden: Pawel Walczak ... oder für dich vielleicht eher Martin", entgegnete er, wobei er den Namen meines Ex-Freundes abfällig betonte.
Nur sehr langsam sickerte das Gesagte in mein Bewusstsein, während zeitgleich Ralfs Worte durch meinen Kopf schossen: er hat einen Doppelgänger, einen eineiigen Zwilling ..., was mich erst nach einer kurzen Pause, in der sich meine Gedanken wieder sortierten, möglichst unbedarft sagen ließ: "Aber Martin liegt im Krankenhaus, ich wollte ihn dort gerade besuchen ..."
"Du bist nicht sonderlich schlau, oder glaubst du, dass wir dieses Gespräch führen würden, wenn er dort gewesen wäre?"
"Er war nicht da?", fragte ich jetzt doch einigermaßen perplex und sprach weiter: "Aber es ging ihm doch so schlecht, da ist er sicher nicht einfach aus dem Krankenhaus weg ..."
"Pawel war nicht da - und du kannst dir sicher sein, dass meine Männer die Suche sehr genau genommen haben - aber wenn er erfährt, dass wir seine Liebste haben, wird er schon auftauchen."
"Liebste?" Ich lachte auf und meinte mit einem Kopfschütteln: "Da seid ihr völlig unterinformiert, denn er hat längst eine andere ... vielleicht hättet ihr lieber die entführen sollen."
"Meiner Erfahrung nach liegt jemandem, der sich aufgrund einer Frau ins Koma fährt, meistens auch noch was an dieser Frau, glaubst du nicht?"

Ich schüttelte den Kopf und sah aus dem Fenster, denn ich hatte keine Ahnung, wieso Martin tatsächlich diesen Unfall hatte und ob er wirklich zu mir wollte, wie Ralf behauptet hatte, genauso wenig wie dieser Mann es wissen konnte. Der Kleinbus holperte inzwischen durch ein mir unbekanntes Gewerbegebiet mit zugewucherten Bürgersteigen, baufälligen Backsteingebäuden und zerbrochenen Fensterfronten, keine Menschenseele war weit und breit zu sehen. Der Anblick der verlassenen und heruntergekommenen Gegend ließ ein mulmiges Gefühl in mir aufsteigen und auch, wenn ich eben noch den Gedanken an das, was mir bevorstehen mochte, weit nach hinten hatte schieben können, schob er sich jetzt vehement in den Vordergrund. Wenig später bog der Bus in eine Seitengasse und hielt abrupt vor einem massiven Rolltor, dessen einwandfreier Zustand in krassem Kontrast zur Umgebung stand. Nur kurz darauf hob sich das Rolltor und der Bus fuhr ins Innere, das durch mehrere grelle Deckenlampen ausgeleuchtet war und Blick auf eine wenig einladende nüchterne Lagerhalle freigab. Kaum war er hindurch gefahren, wurde die Seitentür aufgerissen und ich sah erneut in den Lauf einer auf mich gerichteten Waffe. "Los, da rein", gab mir der Pistolenträger, der bisher noch keine einzige Silbe gesprochen hatte, den Befehl und damit die Richtung vor, während er mir gleichzeitig die Waffe so fest in den Rücken bohrte, dass ich einen Aufschrei nicht unterdrücken konnte. Die anderen Beiden waren ebenfalls ausgestiegen und gingen vorweg. Einer von ihnen hielt eine schwere Türe auf, hinter der ich einen hell erleuchteten Raum sehen konnte, während der Mann mit der Schrotflinte uns schweigend folgte, möglicherweise um dadurch meine Furcht anzufachen, was aufgegangen wäre, wenn nicht der Pistolenträger erneut das Wort ergriffen hätte: "Setz dich hin!"

Während ich auf einem kalten Metallstuhl Platz nahm, konnte ich durch die offenstehende Tür hindurch sehen, dass der vierte Entführer offenbar noch hinter dem Steuer des Busses saß und ihn wieder aus der Halle hinaus steuerte. "Arme hinter den Rücken", kam es als nächstes vom Pistolenträger, der irgendwie das Kommando übernommen hatte, während der Mann mit der Schrotflinte, der die ganze Fahrt über die Reden geschwungen hatte, den Raum durch eine weitere Stahltüre verließ, nicht ohne vorher einem der anderen beiden verbliebenen etwas ins Ohr zu flüstern, was ich jedoch nicht verstehen konnte. Meine Arme wurden schmerzhaft fest an die Stuhllehne gefesselt, dann zog sich der Entführer einen zweiten Stuhl heran und setzte sich rittlings mir gegenüber hin. Beugte sich vor und begann mir etwas ins Ohr zu flüstern. "Wir haben jetzt eine Menge Zeit und die werden wir beide nutzen", hauchte er an mein Ohr und wenn schon nicht die Art, wie er die Worte quasi in mein Ohr gleiten ließ, einen eisigen Schauer über meinen Rücken laufen ließ, so vermochte dies seine Wange, die er provokant sachte an meiner rieb. Ein Blick von ihm genügte und auch der dritte Mann verließ den Raum und ließ mich mit dem Pistolenträger allein. Der stand von seinem Stuhl auf, drehte diesen herum und setzte sich nun so mir gegenüber, dass seine Beine sich provokant zwischen meine drängten und sie auseinanderschoben, während er sich wieder ganz nah zu mir beugte und mir mit einem süffisanten Grinsen tief in die Augen sah. "Nun, was sollen wir jetzt machen?" kam die sehr einfache Frage, die doch sehr sehr bedrohlich wirkte. Ehe ich mir eine Antwort zurechtlegen konnte, erschütterte eine Explosion die gesamte Lagerhalle, mit quietschenden Reifen schien Augenblicke danach im angrenzenden Raum ein Fahrzeug zum Stehen zu kommen und stakkatoartig ertönten Schüsse.
Grade als ich mir die Frage stellen wollte, in was für einen Alptraum ich da geraten war, sprangen drei Männer von der Ladefläche des Fahrzeugs, eröffneten das Feuer auf mein Gegenüber, was mir ein weiteres ungewolltes Blutbad direkt vor meinen Augen bescherte, wobei eine der Kugeln ein Stück der Rückenlehne meines Stuhles wegriss. Ich konnte mit ansehen, wie eine Kugel durch den Kopf des Mannes schoss, der mir gegenüber saß. "Pass auf, du Idiot!", Schrie einer der Männer, die auf meine sich versteckenden Entführer schießend in meine Richtung rannten, "Stell dir vor, du hättest sie getroffen."
Fassungslos hörte ich die Worte und verstand absolut nichts mehr, was genau ging hier jetzt vor. Ich hatte null Ahnung, was jetzt kommen sollte oder wer diese Männer waren. Doch zunächst war ich dankbar, dass einer von ihnen mich vom Stuhl losschnitt und mir erstaunlich sanft hochhalf, während sich einer der anderen beiden mit gezogener Pistole gehetzt wirkend umsah und dabei ausstieß: "Und jetzt nichts wie raus hier ..."
Obgleich dieser Typ einen ganz schön angsteinflößenden Gesichtsausdruck hatte, kam ich nicht umhin, diese Idee ziemlich gut zu finden, woraufhin ich etwas verängstigt vom Stuhl sprang und wild um mich blickend, ohne ein Wort von mir zu geben, in Richtung des Wagens stolperte. Als ich fast stürzte, packte mich der, der eben noch gerufen hatte, recht unsanft am Arm und zog mich mit sich, was zwar äußerst schmerzhaft war, aber auch verhinderte, dass ich tatsächlich zu Boden ging.
"Habt keine Angst, wir bringen euch in Sicherheit.", sprach er mit fast übertrieben freundlicher Stimme zu mir, während sich seine Hand an meinem Arm lockerte.
Euch ...
wiederholte ich in meinem Kopf und fragte mich, wen er da meinte, war ich immerhin alleine hierherverschleppt worden.
Nachdem ich den Mann für eine Weile mit einer Mischung aus Verwirrtheit und Ängstlichkeit ansah, legte er seine Hand auf meinen Rücken und sagte, "Kommt jetzt bitte, wir erklären euch alles, wenn wir in Sicherheit sind", wodurch ich mir jetzt die Frage stellen musste, ob man mich wohlmöglich verwechselt haben könnte, was ich allerdings nicht unbedingt thematisieren wollte, bevor ich die Gewissheit hatte, in Sicherheit zu sein.
Ich kam auch nicht zu weiteren Überlegungen, denn der Druck in meinem Rücken verstärkte sich jäh und ich wurde vorangetrieben, was auch gut war, denn kaum hatte man mich kurz darauf mehr oder weniger auf der Beifahrerseite in den Wagen bugsiert, brach draußen auch schon die Hölle los ...
"Wir kommen jetzt raus", sprach der Fahrer des Wagens in ein Mikrofon an seinem Körper, woraufhin er den Wagen wenige Sekunden später trotz weiterer Schüsse, die außerhalb des Gebäudes fielen, in Bewegung setzte.
Durch die rasante Anfahrt wurde ich in den Sitz gepresst und griff instinktiv nach dem Sicherheitsgurt, so unsinng das in meiner Situation auch erscheinen mochte und während ich noch nach dem Teil angelte, preschte der Wagen durch das Rolltor, das anders als bei der Herfahrt völlig zerbeult und zerquetscht war, und ließ kurz darauf die noch fallenden Schüsse und das Schreien hinter sich, um mit hohem Tempo durch die verlassene Gegend zu brausen.

Nach einer Weile anhaltender Todesangst, die ich damit zubrachte, mich zu beruhigen, fuhren wir bereits auf dem Highway durch die Stadt und obwohl es für alle offensichtlich sein musste, dass mir unendlich viele Fragen durch den Kopf schossen, brachte ich kein einziges Wort hervor, während ich daran dachte, dass ich vor wenigen Stunden noch zusammen mit Ralph auf der gleichen Straße ins Krankenhaus fuhr.
Die monotone Fahrt, das Schweigen des Fahrers und des Mannes, der mich mit "euch" angeredet hatte und nun ebenfalls neben mir auf der breiten Sitzbank des Wagens saß, sowie die Strapazen des Tages mit all seinen unglaublichen und schrecklichen Wendungen, führten dazu, dass es nicht lange dauerte und ich fiel in einen tiefen Schlaf, in dem wirre Träume mich heimsuchten.
Nach einer gefühlten Ewigkeit wachte ich langsam wieder im leeren Wagen auf und blickte von einem großen Hof aus auf ein großen Anwesen, vor dessen Eingang ein Mann und eine Frau standen, die in meine Richtung blickten, als ich plötzlich durch ein Geräusch neben mir den Kopf zur Seite drehte und ein Mädchen neben mir auf dem Sitzbank sah, das auf ihrem Smartphone tippte.
"Wer bist du?", fragte ich, doch statt einer Antwort hörte das Mädchen auf zu tippen, sah mich mit großen Augen kurz an, bevor sie die Türe öffnete, um sich vom Sitz nach draußen gleiten zu lassen und zu rufen: "Mami, sie ist jetzt wach!"
Nur wenige Sekunden später vernahm ich den Klang von Absätzen, die sich dem Wagen näherten, während mich das kleine Mädchen mit großen Augen angrinste, bis an ihrer Seite eine wunderschöne Frau in schwarzem Blazer und schwarzen Jeans auftauchte und mir entgegenlächelte, "Du musst hungrig sein. Lass uns reingehen.".
Ich brauchte einen Moment, bevor ich reagierte und es fast automatisch über meine Lippen kam: "Wo bin ich hier?", während der Gedanke an etwas zu essen mich mit knurrendem Magen wie von alleine aussteigen ließ.
"Eine sehr enge Freundin deiner verstorbenen Eltern, Marie.", erwiderte die Frau, "Ich war so frei, dich in eine... weniger aufregende Umgebung bringen zu lassen. Aber lass uns drinnen weiter reden".
Eine Freundin meiner Eltern?, fragend sah ich zu der Frau, die sich als Marie vorgestellt hatte, und versuchte, einen Zusammenhang zwischen den Ereignissen von ... ja, von wann? Wieviel Zeit war vergangen?
Trotzdem, oder gerade deshalb, weil ich so viele Fragen hatte, stieg ich aus dem Auto aus und folgte dieser wunderschönen Frau. Das kleine Mädchen ging mit durch die große und einladende Tür.
"Dann...", brach ich die Stille, die ansonsten nur durch die Absätze dieser Frau gestört wurde, "habe ich meinen Name also durch dich bekommen?, woraufhin das kleine Mädchen vor uns auf der Treppe, die wir grad hinaufstiegen, stehen blieb und mich mit großen Augen ansah, "Dann heißt du genauso wie meine Mutti?".
Ich nickte stumm und die Frau erklärte dem Mädchen in freundlichem Ton: "Ja, ihre Eltern haben sie nach mir benannt, weil ich ihre Patentante bin", während ich aus den Augenwinkeln den Mann bemerkte, der zuvor noch vor dem Eingang gestanden hatte und der mich jetzt neugierig von oben bis unten musterte.
"Also wirklich Tom, wie unhöflich von dir, eine junge Dame so anzustarren.", sprach meine Patentante in einem sehr charmanten und belustigten Ton, bis sie sich ihrer Tochter zuwandte: "Lisa, willst du Maria nicht ihr Zimmer zeigen? Mama hat noch etwas zu erledigen."
Der mit Tom Angesprochene zuckte kurz zusammen und wandte sich demonstrativ ab, während das Mädchen mit einem Grinsen nach meiner Hand griff, um mich wohl zum entsprechenden Zimmer zu führen, was ich jedoch mit einem kopfschüttelnden "Ich möchte jetzt kein Zimmer sehen, ich möchte wissen, was das Ganze soll, wieso ich hier bin, welche Rolle Sie spielen", ablehnte, da mir die gehäuften freundlichen Reaktionen der mir völlig fremden Menschen suspekt zu erscheinen begannen.
Für einen kurzen Moment sah mich Marie etwas überrascht an, bis sie ein leichtes Lächeln aussetze und sagte: "Du kommst ganz nach deiner Mutter. Also schön, folge mir. Ich möchte dir etwas zeigen.".
Kurz darauf standen wir in einer Art Arbeitszimmer, dessen Fenster durch herabgelassene Rolläden verdunkelt waren und das durch eine relative nüchterne Deckenbeleuchtung erhellt wurde und die Frau, die sich als Marie vorgestellt hatte, wies mit einer Hand auf eine Wand, die voll gespickt war mit Karten, Zeichnungen, Fotografien, Skizzen, Zeitungsausschnitten und allem, was man aus jedem guten Krimi kannte.
Sowie ich an die Wand herantrat, fielen mir Artikel und Fotos über jene Serie von Einbrüchen und Diebstählen von vor einigen Jahren auf, bei denen Wertsachen und geheime Dokumente in einem Wert von einigen Milliarden entwendet wurden.
Doch dann fiel mein Blick auf ein Foto von Martin oder besser gesagt viele verschiedene Fotos von Martin, bei denen er jedes Mal anders aussah und ich näher herantreten musste, um überhaupt mit Gewissheit sagen zu können, dass es sich um meinen Ex-Freund handelte, was noch dadurch erschwert wurde, dass die Fotos die unterschiedlichsten Namen trugen wie Martin Bauer, Pawel Walczak, Gordon Scott und Francois Michel.
Nach einem anhaltenden Moment der Stille, in dem mein Herz vor paranoiden Gedanken raste, fing Marie zu meinem leichten Entsetzen herzhaft an zu lachen, bis sie sich letzten Endes ein wenig beruhigte, um mir zu erzählen, "So gern ich auch wüsste, was in diesem Moment in deinem Kopf vorgeht, möchte ich dich nicht auf die Folter spannen, denn du musst wissen, dass all diese Diebstähle... deine Eltern und ich geplant haben.", was meinen Puls für einen kurzen Moment gegen Null tendieren ließ, was Marie allerdings nicht davon abhielt, lächelnd fortzufahren, "Versteh' das bitte nicht falsch. Wir sind keine Verbrecher und haben lediglich nach unserem eigenen Gerechtigkeit gehandelt. Denn du musst wissen...", bis ich sie mit einer Frage, die mir plötzlich durch den Kopf schoss, unterbrach: "Martin! ... Was hat er damit zu tun?".
Marie stutzte und ich sah, wie sie für einen kurzen Moment die Fassung verlor, doch sie fing sich rasch wieder und erklärte mit erneut souverän klingender Stimme: "Da ist was aus dem Ruder gelaufen, wir sind noch dabei, die Einzelheiten herauszufinden, aber was wir schon wissen ist, dass es jemanden gibt, der wie Martin aussieht und das zu seinem eigenen Vorteil nutzt."
Das klang so verrückt, dass es nicht erfunden sein konnte, aber dennoch zu verrückt, dass ich die Geschichte einfach glauben könnte, "Du willst mir doch nicht etwa den bösen Zwilling auftischen, oder?".
Marie lachte - auch wenn ihr Lachen ein wenig gezwungen klang - und erwiderte: "Nein, einen biologischen Zwilling konnten wir ausschließen, aber noch nicht vom Tisch ist, dass er Martin einfach ähnlich sieht, aber auch eine Gesichtsoperation können wir nicht ausschließen, genauso wenig, dass er eine sehr gut gemachte, professionelle Maske trägt."
"Ehhh... ", begann ich mit einem Gesichtsausdruck, der ganz offensichtlich erkennen ließ, dass ich absolut nicht verstand, was das alles zu bedeuten hatte, "und was genau macht dieser ... falsche Martin?".
Marie legte einen Arm um meine Schulter, was ich irgendwie mit mir geschehen ließ, und meinte mit einem Lächeln: "Wie wäre es, wenn du dich erst mal ein wenig frisch machst und dich umziehst? Ich richte uns inzwischen etwas zu essen her und dann können wir alles in Ruhe bei einem gemeinsamen Mahl besprechen."
Ich hatte das Gefühl, als könne das noch eine sehr lange Unterhaltung werden und da sich meine Begierde, wissen zu wollen, was hier vor sich geht, in Anbetracht dieser scheinbar verrückten Geschichte deutlich geschmälert hatte und mittlerweile von meinem Hunger überholt wurde, nickte ich nur etwas zögerlich.

"Lisa, zeigst du Marie jetzt ihr Zimmer?", forderte meine Patentante das Mädchen auf, das sich inzwischen an den Schreibtisch gesetzt hatte und dort mit Buntstiften ihrer Kreativität freien Lauf ließ, woraufhin die Kleine mit strahlenden Augen zu mir gelaufen kam, mich völlig vorbehaltlos an der Hand fasste und mich ohne weitere Worte mit sich zog, die Treppe hinauf und hinein in das erste Zimmer, das auf der rechten Seite eines langen Korridors lag.
Wir standen in einem großen schön eingerichteten Zimmer, welches durch das Licht, das durch die Türen der anliegenden Terrasse hereinströmte, erleuchtet wurde, als ich in Anbetracht dessen, was ich von dem Anwesen bereits gesehen hatte, eher mittelmäßig überrascht meinen Blick durch das Zimmer schweifen ließ, kam ein Dienstmädchen aus einem Nebenzimmer, das ich bis zu diesem Zeitpunkt noch garnicht registriert hatte, musterte mich kurz und lächelte mir mit einer kleinen Verbeugung entgegen "Das Badewasser ist eingelassen. Bitte sagt mir, wenn ihr etwas braucht.", was mir allerdings ein wenig unangenehm war, jedoch nicht zum Ausdruck bringen konnte, da sich sowohl das Dienstmädchen als auch Lisa mit den Worten "Ich bin gleich im Zimmer nebenan, wenn du mich suchst." unmittelbar danach aus dem Zimmer zurückzogen.
Mir blieb nur wenig Zeit, mich im Zimmer umzusehen, kurz die Beschaffenheit des luxuriösen Betts zu testen und mich wieder zu erheben, um nach dem angrenzenden Badezimmer zu sehen, als auch schon ein schriller Ton losging und dazu plötzlich das Zimmer in ein in regelmäßigen Abständen leuchtendes Rot getaucht wurde, das - wie ich schnell erkannte - von einer über der Türe angebrachten Leuchte herrührte, die ganz offenkundig Bestandteil einer wie auch immer gearteten Alarmvorrichtung war.
"Ich hab' das Gefühl...", murmelte ich ein wenig genervt vor mich hin, "als müsste mein Bad etwas warten.", worauf ich mich einfach aufs Bett warf und den Schritten draußen auf dem Gang lauschte, die nach ca zwei Minuten verstummten, was mich dazu brachte, mich vom Bett zu schwingen und zur Tür zu gehen, um nachzusehen, was vor sich ging.
Vorsichtig machte ich die Tür einen Spalt auf um auf den langgezogenen Flur zu spicken. Ich konnte allerdings nur noch die letzten Schritte von der Kleinen sehen, also machte ich die Tür zu und wendete mich dem Raum zu, wo anscheinend das Badewasser auf mich wartet ...
Etwas gleichgültig und genervt von dem, was mir den ganzen Tag widerfuhr, hinterließ ich auf dem Weg ins Bad eine Spur mit meinen Klamotten, stieg in die Wanne und vergaß alles um mich herum, bis ich nur wenige Minuten später einnickte.
Doch mir sollte kein langes Badevergnügen beschieden bleiben, denn kaum war ich eingenickt, riss mich jemand auch schon wieder äußerst unsanft aus dem Wasser hoch und zerrte mich förmlich aus der Wanne, während eine mir unbekannte männliche Stimme mir ins Ohr zischte: "Du bist wohl von allen guten Geistern verlassen! Hast du den Alarm nicht gehört? Jetzt ist wirklich nicht die Zeit für ein Nickerchen in der Wanne ... Ich glaub's ja nicht ..."
Völlig schlaftrunken ließ ich mich aus der Badewanne ziehen und stand ein paar Sekunden nackt, den Blick aufs Wasser gerichtet, vor dem Mann bis ich wenige Sekunden später unangenehm realisierte, dass ich nichts anhatte und den Mann, der in diesem Moment mit einem Handtuch neben mit auftauchte, im Affekt in die Wanne stieß.
Als ich das perplexe Gesicht des gar nicht mal so unattraktiven Mannes in der Wanne sah, musste ich laut loslachen, was mir einen bitterbösen Blick einbrachte, den der etwa 30Jährige auch noch zeigte, nachdem er sich sehr geschmeidig und flott wieder aus dem Wasser geschwungen hatte, tropfend und sich für einen kurzen Moment schüttelnd wie ein Bernhardiner.

Als wenige Sekunden meines Gelächters später meine Priorität erneut auf die Tatsache, dass ich nackt vor ihm stand, fiel, hörte ich aprupt auf zu lachen und stieß meine Hände nach vorne, um ihn erneut in die Wanne zu stoßen, als mein Blick plötzlich an seinem nassen Shirt hängen blieb, was seinen muskulösen Körper ... verdammt gut zur Geltung brachte, und mein angetzter Stoß endete damit, dass meine Hände ganz sanft auf seinen Oberkörper klatschten und neben meinen Augen jetzt ebenfalls erstmal dort fixiert waren, bis er gefühlte zehn Sekunden später langsam das klatschnasse Handtuch über meine Arme legte, die weiterhin zu seinem Oberkörper ausgerichtet waren.
Nur kurz darauf hatte er mich in wenigen gezielten Bewegungen so um meine eigene Achse gedreht, dass mein Rücken gegen die Vorderseite seines Körper gepresst wurde, während er mit seinem muskulösen Unterarm das nasse Handtuch vor meinem Körper fixierte und mich, meine Arme bewegungslos eingeklemmt, aus dem Zimmer bugsierte.
"Eh... Hey!", rief ich leicht entsetzt, "Nur, weil du gut aussiehst und durchtrainiert bist, gibt dir das nicht das Recht, mich so zu behandeln!", was mir bereits in dem Moment, in dem ich es aussprach, etwas peinlich war, aber offenbar den gewünschten Effekt hatte, da er mich kurz darauf losließ und mir so die Möglichkeit gab mit einem spontanen Anschein, beleidigt zu wirken, meine würde widerherzustellen.
Doch wenn ich gedacht hatte, dass ich nun die Oberhand gewinnen würde, hatte ich mich getäuscht, denn der Mann drehte sich einfach auf dem Absatz um und ließ mich stehen, um gleich darauf mit großen Sätzen die Treppe hinunterzueilen, während er fast wütend ausstieß: "Die hätten dich einfach dort lassen sollen, dann hätten wir ein Problem weniger."
Nach einem kurzen Moment, den ich brauchte, um zu realisieren, dass mein neuer Lieblingsplayboy ein ganz schön großes Arschloch war, rief ich ihm leicht angepisst "Was hast du-" hinterher und stampfte dabei wütend auf die übernächste Stufe auf, um ihm zu folgen, rutschte jedoch aufgrund meiner nassen Füße aus, machte beim Versuch, nicht auf den Hintern zu fallen, einen recht ungeschickten Satz nach vorne und riss uns ein paar Stufen später beide nach unten, wo ich im Gegensatz zu meinem Charmeur relativ weich landete und auf sein anschließendes langes Seufzen nur noch "Nimm das!" murmelte.
Doch fast im gleichen Moment wurde mir die Absurdität der Situation klar und auch, wie tolpatschig ich mich schon wieder einmal benahm und das innerhalb nur weniger Minuten, so dass ich mich an meiner Oberhand, die ich eindeutig schon aus meiner Position heraus besaß, nicht wirklich lange erfreuen konnte, sondern stattdessen lieber das Handtuch schnell um mich schlang, um mich so rasch wie möglich aufzurappeln und einige gehörige Schritte zwischen den von mir zu Fall Gebrachten und mich zu bringen.
Gleich darauf richtete er sich ebenfalls auf, atmete tief ein und stand ein paar Sekunden, mir den Rücken zugewandt, regungslos da, ehe er mich überraschend ausdrucklos ansah, an mir vorbei ging und mir noch im Vorbeigehen sagte: "In deinem Zimmer liegen frische Klamotten. Du solltest dich erstmal umziehen und dann nachkommen.".
Das wiederum ließ mich perplex zurück, denn hatte er nicht gerade noch gedrängt, dass ich mitkommen sollte, mich quasi aus der Wanne gezerrt und mich auf den Alarm aufmerksam gemacht, der - wie ich feststellte - immer noch anhielt und jetzt machte er auf einmal auf cool und überließ es mir, wann ich mich dazu bequemte, nachzukommen?
Ich hatte allerdings keine Lust, groß weiter darüber nachzudenken, zumal ich die Idee mit den Klamotten angesichts des nassen Handtuches, dass ich trug, garnicht so schlecht fand, woraufhin ich mich auf direktem Wege zurück in mein Zimmer machte, mich abtrocknete und bei den Sachen bediente, die auf dem Tisch lagen.

Kaum war ich angezogen, fühlte ich mich wie ein neuer Mensch, Tatendrang durchzog mich und ich verließ ein weiteres Mal das Zimmer, um zu sehen, wo die anderen hin waren, was sich jedoch recht schnell als langwieriger und schwieriger herausstellte als gedacht, da das ganze Haus mit einem Mal wie ausgestorben wirkte und der gleichmäßig schrille Ton, der insbesondere im Treppenhaus mehr als deutlich zu hören war, mir eiskalte Schauer über den Rücken laufen und mich innehalten ließ.
Dieses ganze Szenario ließ mich kurz an Resident Evil denken, als Alice im Krankenhaus aufwachte, was nach genauerem Nachdenken jedoch nicht wirklich vergleichbar war und so entschied ich mich kurz um, den Weg über die Treppe zurück nach unten zu nehmen.
Kurz überlegte ich, ob ich rufen sollte, doch ich beschloss, dass es wohl besser wäre, möglichst leise zu sein, weil ich überhaupt nicht einschätzen konnte, ob es tatsächlich eine Gefahrenlage gab oder ob sich alle nur irgendwo in die Scheune verzogen hatten, um mir einen Streich zu spielen, Gedanken, die mich bei meinem automatisch schleichenden Gang durch das Haus begleiteten, einen Gang, der keinerlei Lebewesen zu Tage förderte, keine Spur von Marie oder den anderen.
Ich beschloss also, mich in Richtung des Eingangs aufzumachen und nahm den Gang, der mich an einer Reihe Fenster über einen Bogen zur Treppe, die hinab ins Erdgeschoss führte, führte, als ich zufällig aus dem Fenster sah und eine große Ansammlung von Leuten erblickte, die sich auf dem Hof vor dem Anwesen versammelt hatten und recht aufgebracht zu sien schienen, woraufhin ich so schnell wie ich konnte nach unten rannte, um zu ihnen zu stoßen.
"Das ist jetzt schon das dritte Mal in diesem Jahr, dass wir von Ihnen wie Verbrecher behandelt werden, nur weil wir uns Ihrem Anwesen nähern", sagte gerade der offensichtliche Rädelsführer, der sich Zustimmung heischend nach seinen Begleitern umblickte, die tatsächlich gleich nickten und mit "Genau", "Richtig", "Das geht so nicht" zustimmten, was Marie, die mit einem Lächeln dastand und sich das Ganze ruhig anhörte, nicht aus der Ruhe zu bringen schien, ganz im Gegenteil wies sie mit der Hand in meine Richtung bzw. in Richtung Eingang und bot sehr ruhig und freundlich an: "Mister Tucker, kommen Sie und auch Ihre Begleitung doch bitte auf ein Glas Tee oder Wein oder was immer Sie möchten herein, dann können wir alles in Ruhe besprechen."

Und so gingen Marie, der Mann, den Marie Mister Tucker nannte und vom Äußeren einem Kriegsveteranen glich, eine sympathische junge Dame, die nicht von seiner Seite wich, und weil ich das dringende Bedürfnis hatte, nicht wieder allein gelassen von seltsamen Typen heimgesucht zu werden, auch ich mit den dreien mit und so befanden wir uns kurze Zeit später erneut in dem Zimmer mit all den Zeitungsartikeln und den Fotos von Martin bzw. dem, der ihm ähnlich sah. Kaum traten wir alle in das Zimmer, sahen wir so viel Dokumente, die an den Wänden hingen, so wie auf den Tischen und anderen Möbelstücke lagen. Wenn wir all das durchschauen wollten, würden wir sehr sehr lange brauchen.
"Nun, Mister Tucker, hätten wir eine Einigung bezüglich einer Zusammenarbeit geschlossen, hätte ich Ihnen einen Schlüssel fürs Gartentürchen geben können und Sie würden nicht jedes Mal den Alarm auslösen.", lockerte Marie die leicht angespannte Stimmung auf, "Aber kommen wir zum Wesentlichen. Ohne Ihre Informationen hätten wir die kleine Marie wohl ihrem Schicksal überlassen müssen.", sagte sie in meine Richtung deutend, was nun auch den Blick der anderen beiden auf mich zog, deren erhellte Blicke mir sagten, dass sie Dinge über mich wussten, die mir selbst noch nicht zugetragen würden, was mich stirnrunzelnd den Blickkontakt mit Marie suchen ließ.
Doch Marie war offenbar zumindest im Moment nicht gewillt, mich weiter aufzuklären, stattdessen sprach sie weiter, was die Blicke der anderen wieder auf sie lenkte: "Hat Ihr Besuch heute also etwas damit zu tun, Mister Tucker oder was möchten Sie dieses Mal?"
"Unser Angebot, über Sie erst nachzudenken wünschten, war, dass wir als gleichgestellte Partner zusammenarbeiten.", erwiderte Mr Tucker, ohne zu zögern, "Die Unterstützung bei der Rettung der jungen Dame war für uns eine Selbstverständlichkeit. Wer wären wir, das als Druckmittel zu verwenden? Wir sind heute hier, weil Jamy Lanusta, der dieses Wochenende eine Kunstausstellung veranstaltet, eine sehr gute Gelegenheit wäre, mit einer Zusammenarbeit zu beginnen.".
Marie lächelte sanft und schwieg einige Augenblicke, bevor sie sehr ruhig erwiderte: "Wir schätzen Sie sehr, Mister Tucker, denn Ihre Informationen haben sich bislang immer als äußerst präzise und nützlich erwiesen. Aber als gleichgestellte Partner zusammenzuarbeiten kommt für uns nicht in Frage, das hatten wir Ihnen bereits mehrfach erläutert. Und was Jamy Lanusta anbelangt, haben wir dieses Wochenende schon andere Pläne."
Relativ emotionslos und offenbar wenig überrascht über Maries Antwort erwiderte Mr. Tucker: "Nun... dann lassen Sie mal hören."
Marie behielt ihr Lächeln bei und antwortete fast augenblicklich: "Sie verstehen sicher, Mr. Tucker, dass wir Sie zum momentanen Zeitpunkt nicht in unsere Pläne für das Wochenende einweihen können. Allerdings gäbe es da etwas, das Sie für uns tun könnten. Es ist nicht ganz ungefährlich und hat mit einem gewissen Herrn zu tun, der uns zunehmend Schwierigkeiten bereitet. Wenn Sie uns auch bei diesem Problem Unterstützung bieten könnten, wäre ich durchaus gewillt über eine Zusammenarbeit in der Zukunft nachzudenken, bei der Sie direkt am jeweiligen Projekt beteiltigt wären."
"Das ist wieder sehr viel Konjunktiv, den sie da verwenden", antwortete Mr Tucker, "Hören Sie, Mrs. Vermillion. Wir wissen beide, dass wir Ihnen viel schulden. Ich bewundere ihren Sinn für Gerechtigkeit sehr. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass wir Ihnen viel effektiver unter die Arme greifen können... Also, wie können wir Sie in der Sache unterstützten?".
Doch Marie kam nicht dazu zu antworten, da just in dem Moment mein Badewannenopfer auf lautlosen Füßen herangetreten war und ihr nun etwas ins Ohr flüsterte, was sie nach einigen Augenblicken des Zuhörens mit einem "Danke, Ryan", quittierte, um daraufhin zu Mister Tucker zu sehen und zu sagen: "Es tut mir Leid, Mister Tucker, aber ich muss Sie für einen Moment allein lassen, wir werden unsere Unterhaltung aber in Kürze fortsetzen. Bis dahin leisten Sie doch bitte Marie Gesellschaft." Während sie das sagte, kam ich nicht umhin, meinen Blick auf dem Ekel aus dem Badezimmer haften zu lassen, der sich als Ryan entpuppt hatte, was mir ohne dass ich es wirklich merkte, ein kleines Lächeln ins Gesicht zauberte, das noch dadurch gefördert wurde, dass Ryan sich in der Zwischenzeit offenkundig umgezogen hatte und nun ein umwerfend blaues Hemd trug, das fantastisch zu seinen ebenso blauen Augen passte.
Er und Marie verließen ohne weitere Ausflüchte den Raum und ließen mich mit Mr Tucker und seiner Begleiterin, die sich allerdings auch selbst gut abzulenken wusste, allein, was mir zunächst etwas unangenehm war, da ich die beiden erst vor wenigen Minuten das erste Mal gesehen hatte und es mir so vor kam, als hätte Marie den Raum mit einer Stimmung verlassen, die nicht im Sinne von Mr Tucker zu sein schien, was mich allerdings nicht von einer ganz bestimmten Frage ablenken konnte und so fragte ich ihn kurzum: "Was meinten Sie als sie sagten, dass sie meiner ... Tante viel schulden?", was nicht nur die Aufmerksamkeit von Mr Tucker, der mich leicht überrascht ansah, sondern auch die seiner jungen Begleiterin weckte. Anscheinend wusste sieauch noch nicht, was da eigentlich alles abging. Und da sie sehr neugierig war, war sie mehr als gespannt.
"Nun ...", begann Mister Tucker und sah mich zunächst so an, als würde er überlegen, wie viel er mir sagen konnte oder auch sagen durfte, bevor er etwas zögerlich fortfuhr: "Sie hat uns vor ein paar Jahren finanziell sehr unter die Arme gegriffen." Er sah zu seiner jugendlichen Begleiterin und ergänzte, nur für sie bestimmt: "Das war als deine Großmutter so schwer krank wurde und diverse Operationen brauchte ..."
"Ich kenne die Geschichte, Vater.", warf Mr. Tuckers Tochter recht emotionslos ein. "Das war doch auch als ihr euch mit einer großen Waffenlobby angelegt habt, was ohne die Unterstützung von Marie und ...Maries Eltern schwer nach hinten losgegangen wäre.", fuhr sie fort und begann mich etwas seltsam anzusehen. "Es ist echt nervig, dass ihr beide Marie heißt. Ich heiß' übrigens Anna und dich nennen wir einfach mal 'Mary'.", sagte sie lächelnd, den Zeigefinger aus dem Handgelenk heraus auf mich gerichtet.
Dass jetzt auch noch Mister Tuckers Tochter Anna anfing, über meinen Kopf hinweg über mich zu entscheiden, ging mir gehörig gegen den Strich und so platzte es aus mir weit unhöflicher heraus als ich es eigentlich wollte: "Nein, keiner nennt mich einfach mal 'Mary'! Und ihr ganz sicher nicht! Mein Name ist Marie und wenn ihr Probleme habt, uns beide auseinanderzuhalten, dann ist das euer Problem!" Passend zu diesem Ausbruch drehte ich mich auf dem Absatz um und folgte meiner Patentante und Ryan aus dem Zimmer.
Anna, die mich während meines kleinen Ausbruchs stirnrunzelnd ansah, fing kurz nach meinem Abgang an zu kichern und rief mir noch "Bis später, Mary!" hinterher. Auf dem Flur entlang laufend wusste ich jedoch nicht einmal, warum genau ich überhaupt so sauer wurde. Dieser Gedankengang wurde jedoch dadurch unterbrochen, dass Ryan sich kurz zu mir umdrehte, mich leicht abfällig ansah und seinen Blick mit einem "Tss!" wieder nach vorn richtete.
Ich ignorierte Anna, die mir mit einem Mal äußerst unsympathisch wurde, ebenso wie Ryan, dessen abfällige Art völlig unangebracht war, zumindest soweit ich das zum jetzigen Zeitpunkt beurteilen konnte, und fragte mich, wieso meine Patentante immer noch im Flur war, obgleich sie doch schon einige Minuten vor mir aus dem Zimmer gegangen war. Doch ich sollte sehr rasch eine Antwort erhalten, da Marie sich zu mir umsah und mich hektisch zu sich winkte.
Marie musste zunächst etwas kichern als ich auf sie zukam und flüsterte mir dann lächelnd ins Ohr: "Deine Mutter bekam auch manchmal schlechte Laune, wenn sie müde war." Sie sah kurz hinüber zu Ryan und musterte mich für ein paar Sekunden. "Du und Ryan habt offenbar einen schlechten Start gehabt. Ich versichere dir jedoch, dass er dich nicht hasst, auch wenn er es durch seine eigenwillige Art gut kaschieren kann. Deine Mutter und Ryan waren sehr gute Freunde, musst du wissen. Aber genug für heute. Ich werde dir morgen erklären, was es mit Jamy Lanusta auf sich hat. Jetzt solltest dich erstmal ausschlafen.", sagte Marie und suchte den Blickkontakt zu Ryan, "Ryan wird dich auf dein Zimmer bringen".
Eigentlich wollte ich nicht, das Ryan mich in mein Zimmer begleitet, aber da ich mich im Moment noch gar nicht in dieser Villa auskannte, fügte ich mich dem sogenannten Schicksal und lies mich von ihm in mein Zimmer bringen. Sie hatte auch recht, weil ich doch, von so viel Aufregung sehr müde war. Morgen war auch noch ein Tag.
Und der kam mit einem Paukenschlag, der es in sich hatte ...Eigentlich wollte ich in Ruhe schlafen, doch ich wurde mitten in der Nacht von einem lauten Donnerschlag aus dem Bett gerissen und nichts war mehr, wie vorher.
Ohne mich entsinnen zu können, mich aufgerichtet zu haben, saß ich plötzlich im Bett und versuchte im Halbschlaf meine Gedanken zu ordnen, um herauszufinden, ob es tatsächlich einen lauten Knall gab, oder ich nur geträumt hatte. Ich bemerkte ein rotes Flimmern, das sich im Fenster reflektierte, woraufhin ich es aufriss und ein Feuer im Innenhof sah. Ohne nachzudenken sprang ich aus dem Bett, schnappte mir noch eine Jacke vom Stuhl und rannte zur Treppe, um in Erfahrung zu bringen, was da vor sich ging.
Doch im Treppenhaus war niemand zu sehen, so dass ich flugs aus der Eingangstüre im Erdgeschoss ins Freie trat, wo der Erste, auf den ich stieß, - wie konnte es anders sein - Ryan war, der mit verschränkten Armen und finsterer Miene auf das Feuer blickte, das rund ein Dutzend Helfer offenbar bereits unter Kontrolle gebracht hatten. Ohne mich anzusehen murmelte er: "Seit du da bist, gibt es nichts als Ärger ..." "Wie meinen?", entschlüpfte es mir sofort und ich setzte nach: "So wie ich meine Patentante verstanden habe, habt ihr schon seit Längerem Ärger und das hat nichts, aber auch absolut nichts mit mir zu tun ..." "Nein, ... da hast du Recht, aber trotzdem ... so viel Unglück in letzter Zeit ..." er zeigte dabei auf das Feuer, das sie langsam bekämpften.
 

Lia

Don't eat the help! ツ
Otaku Veteran
Nach einem schlechten Start in den Samstag entschied ich mich ( Marie, schwarze Haare, grüne Augen, Körbchengröße 75F), nicht auf Arbeit zu gehen und kehrte durchnässt in meine Wohnung zurück, in der ich bis Sonntag durchschlief.
Ralf, der Freund meines Exfreundes Martin, klingelte an meiner Tür und berichtete, dass mein Ex Martin im Koma liegt. Es ereignete sich wohl drei Wochen zuvor bei einem Motorradunfall. Da ich Martin beim Rumknutschen mit seiner Kollegin Sophie erwischt hatte, hatte ich den Kontakt zu ihm bereits zuvor abgebrochen.
In diesem Zusammenhang machte Ralf einen dummen Witz darüber, dass es sich um einen Doppelgänger oder seinen Zwillingsbruder gehandelt hätte, was ich allerdings nicht ganz so witzig fand wie er.
Gegen meine Motivation überredete Ralf mich letzten Endes, Martin im Unikliniku zu besuchen. Ich fuhr uns mit dem Auto. Dort angekommen machten wir Bekanntschaft mit bewaffneten finsteren Typen. Beim Versuch zu flüchten, töteten sie Ralf, der durch einen Schuss in der Eingangshalle niedergestreckt wurde.
Die Männer zerrten mich in einen schwarzen Bus und nahmen mich mit. Während der Fahrt erwähnten sie, dass sie nach einem "Pawel Walczak" suchten, den ich unter dem Name Martin kennen würde. Offenbar hatten sie Martin im Krankenhaus nicht ausfindig machen können.
Wir machten an einem abgelegenen Gebäude Halt, wo sie mich zum Reden bringen wollten. Als es ungemütlich wurde, wurde unsere Runde von einem Fahrzeug bewaffneter Männer gestört. Sie machten meine Entführer unschädlich und nahmen mich mit.
Voller Erschöpfung schlief ich auf der Fahrt und wachte im leeren Wagen auf dem Hof eines großen Anwesens auf. Dort traf ich meine Patentante Marie, der ich offenbar meinen Name zu verdanken hatte, und ihre kleine Tochter Lisa.
Sie führte mich in ein Zimmer voll mit Karten, Zeichnungen, Fotografien, Skizzen und Zeitungsausschnitten von einer langen Serie von Einbrüchen und Diebstählen. Meine Patentante erzählte, dass sie zusammen mit meinen Eltern die Einbrüche geplant und durchgeführt und dass sie dabei nach ihren eigenen Vorstellungen von Gerechtigkeit gehandelt hätten. Außerdem hingen dort einige Fotos von Martin, die mit den Namen Martin Bauer, Pawel Walczak, Gordon Scott und Francois Michel versehen waren. Erneut wurde mir die Geschichte aufgetischt, dass es sich dabei nicht um Martin, sondern um jemanden, der ihm verdammt ähnlich sah, handelte.

Heute ist Samstag und das Wetter ist grau und kalt. Da möchte man am liebsten direkt nach dem Aufstehen wieder in sein Bett zurück fallen. Was aber nicht geht, da man ja an die Arbeit muss. Ich hasse meinen Beruf! Am allerliebsten wäre ich den ganzen Tag liegen geblieben und hätte den Geräuschen gelauscht, die vor meinem Fenster auftraten. Schlussendlich rappelte ich mich dann auf, schaute auf die Uhr und, oh weh, doch schon so spät. Nun aber schnell rein in die Klamotten und ab zum Bus. Wenn es nicht nur schon wieder regnen würde ... Da ich auch noch Pech habe, werde ich sofort nass, weil ein Auto mich von der Seite nass spritzt. Wirklich ärgerlich, schimpfe dem noch lautstark hinterher, rege mich noch ein wenig wie ein Rohrspatz auf, und sage zu mir: "Es kann nicht schlimmer werden, hilft alles nichts, weiter zum Bus."Triefend vor Nässe und zitternd vor Kälte erreiche ich den schmalen Busstand. Mit einem Blick auf meine Uhr muss ich feststellen, dass diese auch noch stehen geblieben ist. Da ich immer gute 10 Minuten zum Bus brauche, weiß ich jetzt nicht mal wie spät es ist und ich nehme schon immer den Letzten der fährt. Gereizt schüttele ich meinen Kopf, starre auf die gegenüberliegende Gebäudefassade und erblicke schließlich eine Leuchtanzeige, die mir noch nie zuvor aufgefallen war: Sa., 23.02.13 - 8°C - 7.18 Uhr. Verdammt ich wusste, das ich zu spät bin. Sollte um 7 Uhr anfangen zu arbeiten. Der Chef würde mir wieder eine gehörige Standpauke verpassen, aber erstmal musste ich zusehen, dass ich auf die Arbeit kam. Nur wie sollte ich das anstellen ohne Auto? Ein Taxi wäre jetzt das Beste der Wahl, nur leider hatte ich auch noch mein Handy zu Hause liegen lassen und mein Geld auch noch. So blieb mir halt nichts anderes übrig als zu laufen, was nicht das Beste war, besonders bei diesen Temperaturen. "War der blöde Weg schon immer so lang gewesen", war das Einzige, was ich bei dieser Kälte und dem Regen aus mir heraus brachte. Ich schüttelte mich und klemmte meine Haare hinter meine Ohren. "Nicht aufregen Marie, nicht aufregen ...", war das Einzige, was ich zu mir murmelte, als ich geschwind die Straße entlang ging. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich den LKW fast übersehen hätte. So konnte ich noch rechtzeitig zur Seite springen, als der durch eine Pfütze raste. "Verdammt!", entfuhr es mir, während das aufspritzende Wasser auch noch die letzten trockenen Stellen meiner Kleidung durchnässte.Dem LKW-Fahrer warf ich einige Flüche hinterher, doch machen konnte ich nun eh nichts mehr. Ich würde nach Hause gehen und den Tag einfach als "Krank" machen. Morgen dann zum Arzt und dann... schön die nassen Klamotten von meinem Leib zärtlich wegreißen und ein Bad einlaufen lassen. Ein heißes Bad wär jetzt genau das Richtige Ich lasse mich in der Badewanne ''gehen'', schmelze quasi dahin, oh Gott, das Leben kann doch soooo schön sein.. wenn da bloß nicht der ganze Stress wär ... Nur leider habe ich nicht bedacht, dass morgen erst Sonntag war und ich erst am Montag zum Arzt kommen würde. Aber so nass wie ich war, würde ich bestimmt eine Erkältung bekommen. Also zerrte ich mir regelrecht die nassen Klamotten runter und wollte ein Bad einlaufen lassen. Aber, wie der Teufel es will, kam nur eine braune Brühe aus dem Hahn. Vorbei der Traum vom schönen heißen Bad. Und mir war auch noch saukalt. ,,Ach verdammt! Wäre ich heute doch nur zu Hause geblieben!'', ich band mir ein Tuch um und rannte regelrecht auf mein Zimmer, riss den Schrank auf, zog meinen Pyjama an und verschwand unter meiner Bettdecke. Ich hab keine Ahnung, wie lange ich da lag, denn mich weckten ein paar Sonnenstrahlen, die durch mein Fenster schienen. Mein Handy vibrierte unaufhörlich, ich öffnete es und da stand: ,,7 verpasste Anrufe/ Absender: Chef''. Verdutzt darüber, dass dieser so oft angerufen hatte, rieb ich mir mit Unglauben die Augen. "Was zur Hölle will der? Nicht mal einen Tag darf man krank machen? Ha! Morgen zum Arzt und für den Rest der Woche 'n Gelben holen!" Moment, was hatte ich da gesagt? Morgen? Ich hatte den gesamten Samstag verschlafen und es war bereits Sonntag geworden, zumindest wenn ich dem Datum auf meinem Handy trauen konnte. Seufzend blickte ich an die Decke und wischte mir eine Strähne meiner pechschwarzen Haare aus den giftgrünen Augen. "Er bringt mich spätestens am Dienstag so was von um", murmelte ich und begann in meinem Schrank nach einem BH zu suchen. 75F war nicht unbedingt die Größe, in der man viele BHs bekam. Was deutlich wurde als ich das Tablar mit der Unterwäsche ansah. Ich zog das Pyjamaoberteil aus und legte mir den BH an, dann suchte ich mir noch eine passende Unterhose und zog sie ebenfalls an. Aus der hinteren Ecke eine Hose und ein einfaches T-Shirt, zog sie mir an und ging aus meinem Zimmer. ,,Waaaah, wie spät ist es denn jetzt eigentlich?'' sagte ich gähnend als ich die Treppe hinunter ging. Ich ging in die Küche und holte das Müsli aus dem Schrank, füllte es in eine Schüssel, dann machte ich den Kühlschrank auf und nahm die Milch raus.


Ich wollte gerade den Inhalt über mein Müsli kippen, als ich diesen stechenden Geruch wahrnahm.
Ich roch vorsichtshalber noch mal daran, nur um sicher zu gehen. Fehler, mächtig großer Fehler.
Das Zeug stank mir die Bude voll.
Verfluchte Scheiße, jetzt muss ich das Zeug also auskippen.
Als hätte ich nicht so schon genug Stress, muss jetzt auch noch mein Handy klingeln.
Ich schaute aufs Display und wunderte mich, wer denn um alles auf der Welt, meine Nummer kennt, ich beschloss also ran zu gehen und erlitt den Schock meines Lebens.

Der Freund von meinem Ex! Woher kennt der denn bitte meine Nummer!
Bestimmt hat mein Ex meine Nummer ihm gegeben, aber was nun? Ich ging ans Telefon und hörte einen lauten Schrei. Schlagartig fiel mir das Handy aus der Hand.

Scheiße aber auch, was war denn das?
Erst der Freund meines Ex, jetzt auch noch dieser Schrei!
OK, nachdenken, denk nach Marie, denk nach!!!
Ich hob das Telefon und wählte, während ich mich zur Ruhe zwang.

,,Ich rufe ihn jetzt einfach zurück und frage, wo zur Hölle er meine Nummer her habe und warum er ins Telefon schreie'' sage ich mir selbst, doch nix mit zurückrufen. //Ihr Guthaben ist erschöpft, bitte laden Sie es wieder auf um diesen Anruf zu tätigen//, sagte mir die ,,nette'' Stimme des automatischen Services und während das ertönte, schmiss ich mein Handy wieder auf den Boden. ,,Ach scheiß die Wand an!'' schrie ich wutentbrannt bis ich merkte, dass das ein Fehler war. Hektisch hob ich mein Handy wieder vom Boden auf und drückte irgendwelche Tasten, doch nichts regte sich. ,,Ach egal, ich brauche eh ein neues Handy'' versuchte ich mich zu trösten, dass ich nicht in Tränen ausbrach. Irgendwie war jetzt ein Bach geöffnet worden, denn die Tränen flossen wie ein riesiger Wasserfall die Wangen herunter. Nach ein paar Minuten konnte ich mich langsam beruhigen, es war aber echt heute der Teufel los.
Und wie um das zu bestätigen klingelte es plötzlich Sturm an meiner Türe. //Wer kann das denn wieder sein?//

Meine trüben Gedanken waren mit einem Mal wie weggeblasen, und ich eilte mit einer Mischung aus Neugierde, Besorgnis, aber auch dem Gefühl, gar nicht wissen zu wollen, was da schon wieder auf mich zukam, zur Türe und sah zunächst mal durch den Spion. Der Spion war ziemlich benebelt, so das ich gar nicht wirklich gut rausschauen konnte. Also musste ich erahnen, wer draußen stand. Doch nach Rätselraten war mir absolut nicht zumute, daher griff ich beherzt zur Klinke und öffnete die Türe. Mit verheulten Augen und verrotzter Nase schaute ich neugierig aus der Wohnung. Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und blickte überrascht in das Gesicht des Freundes meines Ex. Was um Gottes Willen hatte er hier zu suchen??? Eine gefühlte Ewigkeit starrten wir uns wortlos an, bis mir schließlich der Geduldsfaden riss und ich sagte: "Was um Gottes Willen hast du hier verloren?"
"Du ... Du ... Du bist daran Schuld, Marie!", geiferte er mich plötzlich an, ohne das ich eine Ahnung hatte, was er meinte.
In diesem Moment merkte ich, dass um mich herum alles verschwamm und es dunkel wurde. Langsam machte ich meine Augen wieder auf und blickte in das Gesicht von meinem Ex.
Zeitgleich bemerkte ich einen dumpfen Schmerz an meinem Hinterkopf und tastete den Bereich ab. Ich lag auf meinem Sofa im Wohnzimmer und spürte eine schmerzhafte Beule und getrocknetes Blut zwischen meinen Haaren. Ich musste wohl mit meinem Kopf auf den harten Steinboden des Eingangsbereich meiner Wohnung geprallt sein und dachte in diesem Moment eigentlich eher über die Tatsache nach, dass sich mein Ex offensichtlich in meiner Wohnung befand. "Freund meines Ex ...", korrigierte ich mich in Gedanken und fragte mich gleichzeitig, ob der Schlag auf meinen Kopf mehr als nur eine schmerzende Beule verursacht hatte. Ralfs Gesicht schob sich in mein Blickfeld und eine Mischung aus Wut und Sorge lag darin, wobei die Wut die Oberhand zu gewinnen schien, je länger ich ihn ansah. //Warum war er schon wieder wütend, ich hatte absolut keine Ahnung.//
"Martin - DEIN Ex Martin - liegt im Koma!", warf er mir unvermittelt an den Kopf. Langsam kamen mir wieder die Erinnerungen, ach ja, da war noch was ... Martin ... Martin ... er hatte sich doch nicht etwa etwas angetan ... wegen unserer Trennung?!? Oder war es doch wegen was anderem?? Anstatt weiter wild zu spekulieren und mir alles mögliche vorzustellen, entschied ich mich, Ralf direkt zu fragen und so hob ich die Brauen und wollte wissen: "Martin liegt im Koma ... wieso ... was ist passiert?"
"Er wollte zu dir ... mit dir reden, sich entschuldigen, was weiß ich, ... und er ..." Seine Stimme schien zu versagen. "er hatte einen Unfall ... mit dem Motorrad ... vor drei Wochen." Kopf kratzend überlegte ich, so lange ist das schon her, wo ist nur die Zeit geblieben ...
"Aber wieso kommst du jetzt und was willst du von mir?", konnte ich nicht umhin, Ralf zu fragen, fügten sich die einzelnen Puzzleteilchen für mich noch nicht zu einem ganzen Bild zusammen.
"Verdammt Marie, drei Wochen und du hast dich nicht ein einziges Mal blicken lassen; als wär' er dir völlig egal", warf er mir vor und ich verstand plötzlich seine Wut auf mich, aber wie sollte ich ihm klar machen, dass ich schlicht nichts davon gewusst hatte? Aber wie sollte ich auch, damals vor drei Wochen ist er wutentbrannt aus der Wohnung gestürmt ...
Ich hatte gesehen, wie er seine Kollegin Sophie geküsst hatte - also richtig, LEIDENSCHAFTLICH; hatte er erwartet, dass ich ihm kaum zwei Stunden später seine Ausreden glauben würde?
Ich spürte wie mich der bloße Gedanke daran immer noch aufwühlte, und da mein bisheriger Tag reichlich beschissen gewesen war, mein Schädel brummte und ich keinerlei Lust zu großartigen Erklärungen hatte, sagte ich harsch: "Das ist etwas zwischen Martin und mir und nichts, was dich angeht, Ralf!"
"Es geht mich ganz sicher was an, wenn sich mein bester Freund wegen dir fast in den Tod fährt und es dir offenbar völlig gleich ist."
"Ach ja, dann frage ich dich doch mal, was er dir erzählt hat, von der Sache vor drei Wochen?"
Das schien ihn jetzt doch zumindest kurzzeitig aus der Fassung zu bringen, denn er runzelte die Stirn und war für einen Moment sprachlos, während man sehen konnte, wie es in seinem Kopf arbeitete.
"Ähm ..., ja, Marie", druckste er herum. "Also ..., eins vorweg: ich dachte zuerst auch, er würde lügen, aber warum sollte er mir so eine Geschichte auftischen, wenn er genau weiß, dass wir beide uns noch nie leiden konnten."
"Wovon redest du eigentlich?"
"Martin hat einen ... Doppelgänger, einen eineiigen Zwilling, einen ... ach, keine Ahnung, wer oder was er war, ... jedenfalls war es nicht Martin, den du gesehen hast."
"... Willst du mein Vertrauen wirklich mit solch einer Absurdität erschüttern?" Doppelgänger, eineiiger Zwilling, womöglich gar ein Klon ... dachte ich, während ich spürte, wie bei Ralfs absurder Behauptung etwas in mir hochkochte. Enttäuscht über Ralfs ausbleibende Antwort, warf ich ihm einen verachtenden Blick zu und verschwand, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, im Bad.
Aber ich hatte nicht mit Ralfs Hartnäckigkeit gerechnet, denn er folgte mir und sagte schließlich, in Ton doch sehr einlenkend: "Ich will doch nur, dass du mit mir kommst, Marie ... zu Martin und er deine Anwesenheit spüren kann."
Genervt darüber, dass ich meine kurze Pause nun doch nicht bekam und sich auch noch ein Gefühl von Mitleid in mir anbahnte, ließ ich ein tiefes Seufzen verlauten, schnappte mir die Autoschlüssel und verließ die Wohnung. Dabei wäre es so schön gewesen, einen freien Tag zu haben, aber was solls.
Grade als ich losfahren wollte, bemerkte ich, dass ich keine Ahnung hatte, wo Martin im Moment überhaupt ist, was mich so in Gedanken versinken ließ, dass ich nicht merkte, wie Ralf mir nachlief, bis er schließlich in's Auto stieg, was ich allerdings widerwillig hinnehmen musste, da mein "du-steigst-sofort-aus"-Blick seinem "das-wird-nicht-passieren"-Blick nicht standhalten konnte. Seufzend stieg ich in das Auto, "Wo liegt er?" kam widerwillig die Frage.
"Er ist seit gestern wieder zu Hause.", antwortete Ralf mit strahlendem Gesicht.
"Ich dachte, er liegt im Koma ... wie kann er da zuhause sein?", fragte ich und sah Ralf perplex an.
Ralfs erschrocken Blick nach zu urteilen, nahm ihn die ganze Sache ziemlich mit, wenn er sogar unter so drastischen Realitätsstörungen leidet.
"Ist mit dir alles in Ordnung?", platzte es nun doch aus mir heraus und ich spürte, wie sich auch der letzte Ärger ob seiner Einmischung zu verflüchtigen begann, auch wenn ich das eigentlich gar nicht wollte.
Ralfs nachdenklicher Blick traf auf den meinen, woraufhin er sich gleich wieder von mir abwandte und nach einem längeren Moment der Stille antwortete: "Ja, er... liegt im Uniklinikum.", was mich unmittelbar dazu veranlasste, ordentlich auf's Gas zu treten, In der Hoffnung, dieser nervig erdrückenden Stimmung zu entkommen.
Eine knappe Viertelstunde später betrat ich mit Ralf die Klinik.
Sowie wir in Richtung Empfang gehen wollten, hörten wir das beängstigende Geschrei einer Frau. Das war nun wirklich nicht dazu angetan, meine Stimmung zu heben und mir wurde plötzlich wieder bewusst, welche Aversion ich gegen Krankenhäuser hatte, gegen den Geruch, der sich in den Gängen hielt, gegen die gewienerten Böden, die weißgekittelten Gestalten, die weinenden und bangenden Angehörigen und gegen all das Leid, die Krankheit und der Tod, der einem von überall entgegenwehte, nicht nur von den Kranken, die in ihren Betten teils auf den Gängen auf Untersuchungen warteten.
Wenige Sekunden später riss mich das Ertönen mehrerer Schüssen, die mir klarmachten, das Geschrei falsch beuteilt zu haben, aus meinen Gedanken. Während mein Puls unwillkürlich zu rasen begann, sah ich mich hektisch um, nach einer möglichen Deckung genauso wie nach dem Ursprung der Schüsse, denn ich wollte keinesfalls in ebendiese Richtung laufen. Über den stückweise offenen Gang des ersten Obergeschosses, der unmittelbar über der Rezeption lag, rannten zwei Leute, ein jüngerer Mann und eine Frau mittleren Alters, in den rechten Flügel.
"Was geht da vor?", fragte ich, während ich zeitgleich instinktiv hinter dem Tresen der Rezeption Schutz suchte.
Während weitere, immer präsenter werdende, Schüsse ertönten und wir, an den Tresen gelehnt mit dem Eingang im Blick, mit dem Rücken zum Geschehen hockten, stotterte Ralph, "Wir müssen hier weg!", als plötzlich ein paar Leute, die bisher noch wie angewurzelt im Eingangsbereich standen, mit dem Blick nach oben verzweifelt Schutz suchend in alle Richtungen liefen, was mich dazu veranlasste, es für keine gute Idee zu halten, durch einen kurzen Blick herausfinden zu wollen, was auf dem Durchgang vor sich geht.
Ralph wurde offenkundig von dieser einsetzenden Panik miterfasst, denn er erhob sich und rannte los, hin zum Ausgang, ohne auch nur einen Blick hinter sich zu werfen, was mich trotz der angsteinflößenden Situation den Kopf schütteln ließ, während ich ihm nachrief: "Bleib hier, Ralph, das ist keine gute Idee!"
Kaum hatte ich ihm das zugerufen, musste ich beobachten, wie Ralph, dicht gefolgt von einem weiteren einschneidenden Knall eines unmittelbaren Schusses, ohne jegliche erkennbare Bemühungen, dem Aufprall entgegenzuwirken, im Sprint zu Boden ging, wo er sich nach dem Aufprall noch ein paar Mal überschlug und eine immer größer werdende Blutspur hinterließ.
Fassungslos starrte ich ihn an mit einem plötzlich aufwallenden Gefühl von Unwirklichkeit und dem starken Drang, sofort zu ihm zu sprinten und ihm zu helfen, was jedoch von meinem unmittelbar wieder einsetzenden Verstand verhindert wurde, der Bilder von Filmen vor meinem inneren Auge ablaufen ließ, Bilder, in denen genau solche Rettungsversuche mit dem Tod des Retters belohnt wurden.
Aus meinem äußersten Blickwinkel erkannte ich, begleitend von einem dumpfen Geräusch, wie jemand rechts von mir auf den Tresen landete, wodurch ich meinen Blick langsam in dessen Richtung wandte und in die Augen eines Mannes mit einer geschulterten Schrotflinte blickte, der mich für ein ein paar Sekunden ansah und dann lächelnd sagte, "Du wirst mit uns kommen", was mich nach einigen Sekunden, die ich brauchte, die Situation halbwegs zu erfassen, in leichte Panik versetze und mich veranlasste am ganzen Körper zu zittern, ehe ich beim Versuch aufzustehen, um davonzulaufen, lediglich über mein linkes Knie stolperte und nun regungslos am Boden lag und hoffte, dass es mich nicht auch treffen würde.
Doch dieser Totstellreflex, der im Tierreich oft von Erfolg gekrönt wurde, zeigte bei dem Mann mit der Schrotflinte keinerlei Wirkung, denn er stieß mir den Lauf erst recht unsanft in den Rücken, bevor er mich an den Haaren aus meiner liegenden Position zog, um mich mit einem in mein Ohr geraunten "zum Liegen wirst du noch Gelegenheit genug bekommen ..." mit sich gen Ausgang zu ziehen.
Meine Gedanken, was nun mit mir passieren oder, ob ich das Alles überleben könnte, wurden vom Anblick Ralphs unterbrochen, dessen lebloser Körper in einer immer größer werdenden Blutlache lag und mir die letzte Hoffnung nahm, dass er möglicherweise noch am Leben sein könnte, unterbrochen, bis mir die, vor Angst entstellten Gesichter der Leute, die sich in unmittelbarer Nähe aufhielten, erneut die Ernsthaftigkeit meiner Situation klarmachten und mir Anlass zu der Annahme gaben, dass meine Chancen relativ schlecht stehen würden, wenn ich mich von diesen Leuten einfach mitnehmen lassen würde.
Allerdings war ich Realist genug, um zu wissen, dass mir mit einer immer noch auf mich gerichteten Schrotflinte und den Haaren in der Hand meines Peinigers nicht viele Alternativen blieben, als zumindest im Moment der doch recht brutalen Aufforderung Folge zu leisten, in der Hoffnung, dass sich auf dem weiteren Weg eine Möglichkeit zur Flucht ergeben würde, bevor ich das gleiche Schicksal erleiden würde wie Ralph, dessen nun starr geöffnete Augen mir nachzublicken schienen, obwohl das physisch kaum noch möglich sein konnte.

Draußen angekommen wurden wir bereits von einem schwarzen Bus und drei davor positionierten bewaffneten Männern erwartet, die mir unangenehme Blicke zuwarfen und mir unmittelbar in den Bus folgten, der sich kurz darauf in Bewegung setzte.
Als ich das sah, drängte sich mir unweigerlich der Gedanke auf, dass die es auf mich abgesehen hatten, dass der Überfall auf das Krankenhaus auf irgendeine Weise mir gegolten hatte, auch wenn ich mir keinerlei Reim darauf machen konnte, wieso ein Teil der Verbrecher aus dem ersten Stockwerk gekommen war und was das Ganze überhaupt sollte.
Nach ungefähr einer Minute, die ich zu nutzen versuchte, um wieder halbwegs zur Besinnung zu kommen, sah mich der Typ, der mich in den Wagen zerrte musternd an, während er sich eine Zigarette anzündete, bis er schließlich mit zusammengezogenen Augen und in einem gehässigen Ton fragte: "Na, bist du sauer, weil ich deinen Freund umgelegt habe?"
Für einen Moment war ich perplex und starrte den Mann sprachlos an, doch dann schlüpfte die Frage wie von alleine über meine Lippen: "Du hast ihn umgelegt, weil du denkst, er war meine Freund?"
"Ich hab' ihn umgelegt, weil er dämlich war, weil er geglaubt hat, einer Kugel davonrennen zu können - und weil er unserem Auftrag im Weg stand." Langsam kam mir der Satz im Gehirn an, aber so ungefähr den Sinn verstand ich im ersten Moment nicht, bis es mir so langsam dämmerte.
"Mich entführen ist euer Auftrag?", fragte ich daher auch, wobei ich nicht umhin konnte, vermutlich recht verwirrt und irritiert auszusehen, immerhin hatte ich noch keinerlei blassen Schimmer, was das Ganze wirklich sollte.
"Das würde dir gefallen, nicht wahr Prinzessin?", murmelte einer der anderen Entführer, der mir gegenüber saß, und mir die gesamte Zeit unverblümt auf meine Brüste starrte. Nur kurz streifte mein Blick den Mann, dann entschied ich mich, seine lüsternen Blicke genauso zu ignorieren wie seinen gemurmelten Kommentar und ich sah stattdessen weiterhin auf den Mann, der der Anführer zu sein schien, und fragte: "Und ich bin eurem Auftrag förderlich, was auch immer das für einer ist?"

"Ich hoffe - auch für dich selbst -, dass du uns helfen wirst, jemanden zu finden: Pawel Walczak ... oder für dich vielleicht eher Martin", entgegnete er, wobei er den Namen meines Ex-Freundes abfällig betonte.
Nur sehr langsam sickerte das Gesagte in mein Bewusstsein, während zeitgleich Ralfs Worte durch meinen Kopf schossen: er hat einen Doppelgänger, einen eineiigen Zwilling ..., was mich erst nach einer kurzen Pause, in der sich meine Gedanken wieder sortierten, möglichst unbedarft sagen ließ: "Aber Martin liegt im Krankenhaus, ich wollte ihn dort gerade besuchen ..."
"Du bist nicht sonderlich schlau, oder glaubst du, dass wir dieses Gespräch führen würden, wenn er dort gewesen wäre?"
"Er war nicht da?", fragte ich jetzt doch einigermaßen perplex und sprach weiter: "Aber es ging ihm doch so schlecht, da ist er sicher nicht einfach aus dem Krankenhaus weg ..."
"Pawel war nicht da - und du kannst dir sicher sein, dass meine Männer die Suche sehr genau genommen haben - aber wenn er erfährt, dass wir seine Liebste haben, wird er schon auftauchen."
"Liebste?" Ich lachte auf und meinte mit einem Kopfschütteln: "Da seid ihr völlig unterinformiert, denn er hat längst eine andere ... vielleicht hättet ihr lieber die entführen sollen."
"Meiner Erfahrung nach liegt jemandem, der sich aufgrund einer Frau ins Koma fährt, meistens auch noch was an dieser Frau, glaubst du nicht?"

Ich schüttelte den Kopf und sah aus dem Fenster, denn ich hatte keine Ahnung, wieso Martin tatsächlich diesen Unfall hatte und ob er wirklich zu mir wollte, wie Ralf behauptet hatte, genauso wenig wie dieser Mann es wissen konnte. Der Kleinbus holperte inzwischen durch ein mir unbekanntes Gewerbegebiet mit zugewucherten Bürgersteigen, baufälligen Backsteingebäuden und zerbrochenen Fensterfronten, keine Menschenseele war weit und breit zu sehen. Der Anblick der verlassenen und heruntergekommenen Gegend ließ ein mulmiges Gefühl in mir aufsteigen und auch, wenn ich eben noch den Gedanken an das, was mir bevorstehen mochte, weit nach hinten hatte schieben können, schob er sich jetzt vehement in den Vordergrund. Wenig später bog der Bus in eine Seitengasse und hielt abrupt vor einem massiven Rolltor, dessen einwandfreier Zustand in krassem Kontrast zur Umgebung stand. Nur kurz darauf hob sich das Rolltor und der Bus fuhr ins Innere, das durch mehrere grelle Deckenlampen ausgeleuchtet war und Blick auf eine wenig einladende nüchterne Lagerhalle freigab. Kaum war er hindurch gefahren, wurde die Seitentür aufgerissen und ich sah erneut in den Lauf einer auf mich gerichteten Waffe. "Los, da rein", gab mir der Pistolenträger, der bisher noch keine einzige Silbe gesprochen hatte, den Befehl und damit die Richtung vor, während er mir gleichzeitig die Waffe so fest in den Rücken bohrte, dass ich einen Aufschrei nicht unterdrücken konnte. Die anderen Beiden waren ebenfalls ausgestiegen und gingen vorweg. Einer von ihnen hielt eine schwere Türe auf, hinter der ich einen hell erleuchteten Raum sehen konnte, während der Mann mit der Schrotflinte uns schweigend folgte, möglicherweise um dadurch meine Furcht anzufachen, was aufgegangen wäre, wenn nicht der Pistolenträger erneut das Wort ergriffen hätte: "Setz dich hin!"

Während ich auf einem kalten Metallstuhl Platz nahm, konnte ich durch die offenstehende Tür hindurch sehen, dass der vierte Entführer offenbar noch hinter dem Steuer des Busses saß und ihn wieder aus der Halle hinaus steuerte. "Arme hinter den Rücken", kam es als nächstes vom Pistolenträger, der irgendwie das Kommando übernommen hatte, während der Mann mit der Schrotflinte, der die ganze Fahrt über die Reden geschwungen hatte, den Raum durch eine weitere Stahltüre verließ, nicht ohne vorher einem der anderen beiden verbliebenen etwas ins Ohr zu flüstern, was ich jedoch nicht verstehen konnte. Meine Arme wurden schmerzhaft fest an die Stuhllehne gefesselt, dann zog sich der Entführer einen zweiten Stuhl heran und setzte sich rittlings mir gegenüber hin. Beugte sich vor und begann mir etwas ins Ohr zu flüstern. "Wir haben jetzt eine Menge Zeit und die werden wir beide nutzen", hauchte er an mein Ohr und wenn schon nicht die Art, wie er die Worte quasi in mein Ohr gleiten ließ, einen eisigen Schauer über meinen Rücken laufen ließ, so vermochte dies seine Wange, die er provokant sachte an meiner rieb. Ein Blick von ihm genügte und auch der dritte Mann verließ den Raum und ließ mich mit dem Pistolenträger allein. Der stand von seinem Stuhl auf, drehte diesen herum und setzte sich nun so mir gegenüber, dass seine Beine sich provokant zwischen meine drängten und sie auseinanderschoben, während er sich wieder ganz nah zu mir beugte und mir mit einem süffisanten Grinsen tief in die Augen sah. "Nun, was sollen wir jetzt machen?" kam die sehr einfache Frage, die doch sehr sehr bedrohlich wirkte. Ehe ich mir eine Antwort zurechtlegen konnte, erschütterte eine Explosion die gesamte Lagerhalle, mit quietschenden Reifen schien Augenblicke danach im angrenzenden Raum ein Fahrzeug zum Stehen zu kommen und stakkatoartig ertönten Schüsse.
Grade als ich mir die Frage stellen wollte, in was für einen Alptraum ich da geraten war, sprangen drei Männer von der Ladefläche des Fahrzeugs, eröffneten das Feuer auf mein Gegenüber, was mir ein weiteres ungewolltes Blutbad direkt vor meinen Augen bescherte, wobei eine der Kugeln ein Stück der Rückenlehne meines Stuhles wegriss. Ich konnte mit ansehen, wie eine Kugel durch den Kopf des Mannes schoss, der mir gegenüber saß. "Pass auf, du Idiot!", Schrie einer der Männer, die auf meine sich versteckenden Entführer schießend in meine Richtung rannten, "Stell dir vor, du hättest sie getroffen."
Fassungslos hörte ich die Worte und verstand absolut nichts mehr, was genau ging hier jetzt vor. Ich hatte null Ahnung, was jetzt kommen sollte oder wer diese Männer waren. Doch zunächst war ich dankbar, dass einer von ihnen mich vom Stuhl losschnitt und mir erstaunlich sanft hochhalf, während sich einer der anderen beiden mit gezogener Pistole gehetzt wirkend umsah und dabei ausstieß: "Und jetzt nichts wie raus hier ..."
Obgleich dieser Typ einen ganz schön angsteinflößenden Gesichtsausdruck hatte, kam ich nicht umhin, diese Idee ziemlich gut zu finden, woraufhin ich etwas verängstigt vom Stuhl sprang und wild um mich blickend, ohne ein Wort von mir zu geben, in Richtung des Wagens stolperte. Als ich fast stürzte, packte mich der, der eben noch gerufen hatte, recht unsanft am Arm und zog mich mit sich, was zwar äußerst schmerzhaft war, aber auch verhinderte, dass ich tatsächlich zu Boden ging.
"Habt keine Angst, wir bringen euch in Sicherheit.", sprach er mit fast übertrieben freundlicher Stimme zu mir, während sich seine Hand an meinem Arm lockerte.
Euch ...
wiederholte ich in meinem Kopf und fragte mich, wen er da meinte, war ich immerhin alleine hierherverschleppt worden.
Nachdem ich den Mann für eine Weile mit einer Mischung aus Verwirrtheit und Ängstlichkeit ansah, legte er seine Hand auf meinen Rücken und sagte, "Kommt jetzt bitte, wir erklären euch alles, wenn wir in Sicherheit sind", wodurch ich mir jetzt die Frage stellen musste, ob man mich wohlmöglich verwechselt haben könnte, was ich allerdings nicht unbedingt thematisieren wollte, bevor ich die Gewissheit hatte, in Sicherheit zu sein.
Ich kam auch nicht zu weiteren Überlegungen, denn der Druck in meinem Rücken verstärkte sich jäh und ich wurde vorangetrieben, was auch gut war, denn kaum hatte man mich kurz darauf mehr oder weniger auf der Beifahrerseite in den Wagen bugsiert, brach draußen auch schon die Hölle los ...
"Wir kommen jetzt raus", sprach der Fahrer des Wagens in ein Mikrofon an seinem Körper, woraufhin er den Wagen wenige Sekunden später trotz weiterer Schüsse, die außerhalb des Gebäudes fielen, in Bewegung setzte.
Durch die rasante Anfahrt wurde ich in den Sitz gepresst und griff instinktiv nach dem Sicherheitsgurt, so unsinng das in meiner Situation auch erscheinen mochte und während ich noch nach dem Teil angelte, preschte der Wagen durch das Rolltor, das anders als bei der Herfahrt völlig zerbeult und zerquetscht war, und ließ kurz darauf die noch fallenden Schüsse und das Schreien hinter sich, um mit hohem Tempo durch die verlassene Gegend zu brausen.

Nach einer Weile anhaltender Todesangst, die ich damit zubrachte, mich zu beruhigen, fuhren wir bereits auf dem Highway durch die Stadt und obwohl es für alle offensichtlich sein musste, dass mir unendlich viele Fragen durch den Kopf schossen, brachte ich kein einziges Wort hervor, während ich daran dachte, dass ich vor wenigen Stunden noch zusammen mit Ralph auf der gleichen Straße ins Krankenhaus fuhr.
Die monotone Fahrt, das Schweigen des Fahrers und des Mannes, der mich mit "euch" angeredet hatte und nun ebenfalls neben mir auf der breiten Sitzbank des Wagens saß, sowie die Strapazen des Tages mit all seinen unglaublichen und schrecklichen Wendungen, führten dazu, dass es nicht lange dauerte und ich fiel in einen tiefen Schlaf, in dem wirre Träume mich heimsuchten.
Nach einer gefühlten Ewigkeit wachte ich langsam wieder im leeren Wagen auf und blickte von einem großen Hof aus auf ein großen Anwesen, vor dessen Eingang ein Mann und eine Frau standen, die in meine Richtung blickten, als ich plötzlich durch ein Geräusch neben mir den Kopf zur Seite drehte und ein Mädchen neben mir auf dem Sitzbank sah, das auf ihrem Smartphone tippte.
"Wer bist du?", fragte ich, doch statt einer Antwort hörte das Mädchen auf zu tippen, sah mich mit großen Augen kurz an, bevor sie die Türe öffnete, um sich vom Sitz nach draußen gleiten zu lassen und zu rufen: "Mami, sie ist jetzt wach!"
Nur wenige Sekunden später vernahm ich den Klang von Absätzen, die sich dem Wagen näherten, während mich das kleine Mädchen mit großen Augen angrinste, bis an ihrer Seite eine wunderschöne Frau in schwarzem Blazer und schwarzen Jeans auftauchte und mir entgegenlächelte, "Du musst hungrig sein. Lass uns reingehen.".
Ich brauchte einen Moment, bevor ich reagierte und es fast automatisch über meine Lippen kam: "Wo bin ich hier?", während der Gedanke an etwas zu essen mich mit knurrendem Magen wie von alleine aussteigen ließ.
"Eine sehr enge Freundin deiner verstorbenen Eltern, Marie.", erwiderte die Frau, "Ich war so frei, dich in eine... weniger aufregende Umgebung bringen zu lassen. Aber lass uns drinnen weiter reden".
Eine Freundin meiner Eltern?, fragend sah ich zu der Frau, die sich als Marie vorgestellt hatte, und versuchte, einen Zusammenhang zwischen den Ereignissen von ... ja, von wann? Wieviel Zeit war vergangen?
Trotzdem, oder gerade deshalb, weil ich so viele Fragen hatte, stieg ich aus dem Auto aus und folgte dieser wunderschönen Frau. Das kleine Mädchen ging mit durch die große und einladende Tür.
"Dann...", brach ich die Stille, die ansonsten nur durch die Absätze dieser Frau gestört wurde, "habe ich meinen Name also durch dich bekommen?, woraufhin das kleine Mädchen vor uns auf der Treppe, die wir grad hinaufstiegen, stehen blieb und mich mit großen Augen ansah, "Dann heißt du genauso wie meine Mutti?".
Ich nickte stumm und die Frau erklärte dem Mädchen in freundlichem Ton: "Ja, ihre Eltern haben sie nach mir benannt, weil ich ihre Patentante bin", während ich aus den Augenwinkeln den Mann bemerkte, der zuvor noch vor dem Eingang gestanden hatte und der mich jetzt neugierig von oben bis unten musterte.
"Also wirklich Tom, wie unhöflich von dir, eine junge Dame so anzustarren.", sprach meine Patentante in einem sehr charmanten und belustigten Ton, bis sie sich ihrer Tochter zuwandte: "Lisa, willst du Maria nicht ihr Zimmer zeigen? Mama hat noch etwas zu erledigen."
Der mit Tom Angesprochene zuckte kurz zusammen und wandte sich demonstrativ ab, während das Mädchen mit einem Grinsen nach meiner Hand griff, um mich wohl zum entsprechenden Zimmer zu führen, was ich jedoch mit einem kopfschüttelnden "Ich möchte jetzt kein Zimmer sehen, ich möchte wissen, was das Ganze soll, wieso ich hier bin, welche Rolle Sie spielen", ablehnte, da mir die gehäuften freundlichen Reaktionen der mir völlig fremden Menschen suspekt zu erscheinen begannen.
Für einen kurzen Moment sah mich Marie etwas überrascht an, bis sie ein leichtes Lächeln aussetze und sagte: "Du kommst ganz nach deiner Mutter. Also schön, folge mir. Ich möchte dir etwas zeigen.".
Kurz darauf standen wir in einer Art Arbeitszimmer, dessen Fenster durch herabgelassene Rolläden verdunkelt waren und das durch eine relative nüchterne Deckenbeleuchtung erhellt wurde und die Frau, die sich als Marie vorgestellt hatte, wies mit einer Hand auf eine Wand, die voll gespickt war mit Karten, Zeichnungen, Fotografien, Skizzen, Zeitungsausschnitten und allem, was man aus jedem guten Krimi kannte.
Sowie ich an die Wand herantrat, fielen mir Artikel und Fotos über jene Serie von Einbrüchen und Diebstählen von vor einigen Jahren auf, bei denen Wertsachen und geheime Dokumente in einem Wert von einigen Milliarden entwendet wurden.
Doch dann fiel mein Blick auf ein Foto von Martin oder besser gesagt viele verschiedene Fotos von Martin, bei denen er jedes Mal anders aussah und ich näher herantreten musste, um überhaupt mit Gewissheit sagen zu können, dass es sich um meinen Ex-Freund handelte, was noch dadurch erschwert wurde, dass die Fotos die unterschiedlichsten Namen trugen wie Martin Bauer, Pawel Walczak, Gordon Scott und Francois Michel.
Nach einem anhaltenden Moment der Stille, in dem mein Herz vor paranoiden Gedanken raste, fing Marie zu meinem leichten Entsetzen herzhaft an zu lachen, bis sie sich letzten Endes ein wenig beruhigte, um mir zu erzählen, "So gern ich auch wüsste, was in diesem Moment in deinem Kopf vorgeht, möchte ich dich nicht auf die Folter spannen, denn du musst wissen, dass all diese Diebstähle... deine Eltern und ich geplant haben.", was meinen Puls für einen kurzen Moment gegen Null tendieren ließ, was Marie allerdings nicht davon abhielt, lächelnd fortzufahren, "Versteh' das bitte nicht falsch. Wir sind keine Verbrecher und haben lediglich nach unserem eigenen Gerechtigkeit gehandelt. Denn du musst wissen...", bis ich sie mit einer Frage, die mir plötzlich durch den Kopf schoss, unterbrach: "Martin! ... Was hat er damit zu tun?".
Marie stutzte und ich sah, wie sie für einen kurzen Moment die Fassung verlor, doch sie fing sich rasch wieder und erklärte mit erneut souverän klingender Stimme: "Da ist was aus dem Ruder gelaufen, wir sind noch dabei, die Einzelheiten herauszufinden, aber was wir schon wissen ist, dass es jemanden gibt, der wie Martin aussieht und das zu seinem eigenen Vorteil nutzt."
Das klang so verrückt, dass es nicht erfunden sein konnte, aber dennoch zu verrückt, dass ich die Geschichte einfach glauben könnte, "Du willst mir doch nicht etwa den bösen Zwilling auftischen, oder?".
Marie lachte - auch wenn ihr Lachen ein wenig gezwungen klang - und erwiderte: "Nein, einen biologischen Zwilling konnten wir ausschließen, aber noch nicht vom Tisch ist, dass er Martin einfach ähnlich sieht, aber auch eine Gesichtsoperation können wir nicht ausschließen, genauso wenig, dass er eine sehr gut gemachte, professionelle Maske trägt."
"Ehhh... ", begann ich mit einem Gesichtsausdruck, der ganz offensichtlich erkennen ließ, dass ich absolut nicht verstand, was das alles zu bedeuten hatte, "und was genau macht dieser ... falsche Martin?".
Marie legte einen Arm um meine Schulter, was ich irgendwie mit mir geschehen ließ, und meinte mit einem Lächeln: "Wie wäre es, wenn du dich erst mal ein wenig frisch machst und dich umziehst? Ich richte uns inzwischen etwas zu essen her und dann können wir alles in Ruhe bei einem gemeinsamen Mahl besprechen."
Ich hatte das Gefühl, als könne das noch eine sehr lange Unterhaltung werden und da sich meine Begierde, wissen zu wollen, was hier vor sich geht, in Anbetracht dieser scheinbar verrückten Geschichte deutlich geschmälert hatte und mittlerweile von meinem Hunger überholt wurde, nickte ich nur etwas zögerlich.

"Lisa, zeigst du Marie jetzt ihr Zimmer?", forderte meine Patentante das Mädchen auf, das sich inzwischen an den Schreibtisch gesetzt hatte und dort mit Buntstiften ihrer Kreativität freien Lauf ließ, woraufhin die Kleine mit strahlenden Augen zu mir gelaufen kam, mich völlig vorbehaltlos an der Hand fasste und mich ohne weitere Worte mit sich zog, die Treppe hinauf und hinein in das erste Zimmer, das auf der rechten Seite eines langen Korridors lag.
Wir standen in einem großen schön eingerichteten Zimmer, welches durch das Licht, das durch die Türen der anliegenden Terrasse hereinströmte, erleuchtet wurde, als ich in Anbetracht dessen, was ich von dem Anwesen bereits gesehen hatte, eher mittelmäßig überrascht meinen Blick durch das Zimmer schweifen ließ, kam ein Dienstmädchen aus einem Nebenzimmer, das ich bis zu diesem Zeitpunkt noch garnicht registriert hatte, musterte mich kurz und lächelte mir mit einer kleinen Verbeugung entgegen "Das Badewasser ist eingelassen. Bitte sagt mir, wenn ihr etwas braucht.", was mir allerdings ein wenig unangenehm war, jedoch nicht zum Ausdruck bringen konnte, da sich sowohl das Dienstmädchen als auch Lisa mit den Worten "Ich bin gleich im Zimmer nebenan, wenn du mich suchst." unmittelbar danach aus dem Zimmer zurückzogen.
Mir blieb nur wenig Zeit, mich im Zimmer umzusehen, kurz die Beschaffenheit des luxuriösen Betts zu testen und mich wieder zu erheben, um nach dem angrenzenden Badezimmer zu sehen, als auch schon ein schriller Ton losging und dazu plötzlich das Zimmer in ein in regelmäßigen Abständen leuchtendes Rot getaucht wurde, das - wie ich schnell erkannte - von einer über der Türe angebrachten Leuchte herrührte, die ganz offenkundig Bestandteil einer wie auch immer gearteten Alarmvorrichtung war.
"Ich hab' das Gefühl...", murmelte ich ein wenig genervt vor mich hin, "als müsste mein Bad etwas warten.", worauf ich mich einfach aufs Bett warf und den Schritten draußen auf dem Gang lauschte, die nach ca zwei Minuten verstummten, was mich dazu brachte, mich vom Bett zu schwingen und zur Tür zu gehen, um nachzusehen, was vor sich ging.
Vorsichtig machte ich die Tür einen Spalt auf um auf den langgezogenen Flur zu spicken. Ich konnte allerdings nur noch die letzten Schritte von der Kleinen sehen, also machte ich die Tür zu und wendete mich dem Raum zu, wo anscheinend das Badewasser auf mich wartet ...
Etwas gleichgültig und genervt von dem, was mir den ganzen Tag widerfuhr, hinterließ ich auf dem Weg ins Bad eine Spur mit meinen Klamotten, stieg in die Wanne und vergaß alles um mich herum, bis ich nur wenige Minuten später einnickte.
Doch mir sollte kein langes Badevergnügen beschieden bleiben, denn kaum war ich eingenickt, riss mich jemand auch schon wieder äußerst unsanft aus dem Wasser hoch und zerrte mich förmlich aus der Wanne, während eine mir unbekannte männliche Stimme mir ins Ohr zischte: "Du bist wohl von allen guten Geistern verlassen! Hast du den Alarm nicht gehört? Jetzt ist wirklich nicht die Zeit für ein Nickerchen in der Wanne ... Ich glaub's ja nicht ..."
Völlig schlaftrunken ließ ich mich aus der Badewanne ziehen und stand ein paar Sekunden nackt, den Blick aufs Wasser gerichtet, vor dem Mann bis ich wenige Sekunden später unangenehm realisierte, dass ich nichts anhatte und den Mann, der in diesem Moment mit einem Handtuch neben mit auftauchte, im Affekt in die Wanne stieß.
Als ich das perplexe Gesicht des gar nicht mal so unattraktiven Mannes in der Wanne sah, musste ich laut loslachen, was mir einen bitterbösen Blick einbrachte, den der etwa 30Jährige auch noch zeigte, nachdem er sich sehr geschmeidig und flott wieder aus dem Wasser geschwungen hatte, tropfend und sich für einen kurzen Moment schüttelnd wie ein Bernhardiner.

Als wenige Sekunden meines Gelächters später meine Priorität erneut auf die Tatsache, dass ich nackt vor ihm stand, fiel, hörte ich aprupt auf zu lachen und stieß meine Hände nach vorne, um ihn erneut in die Wanne zu stoßen, als mein Blick plötzlich an seinem nassen Shirt hängen blieb, was seinen muskulösen Körper ... verdammt gut zur Geltung brachte, und mein angetzter Stoß endete damit, dass meine Hände ganz sanft auf seinen Oberkörper klatschten und neben meinen Augen jetzt ebenfalls erstmal dort fixiert waren, bis er gefühlte zehn Sekunden später langsam das klatschnasse Handtuch über meine Arme legte, die weiterhin zu seinem Oberkörper ausgerichtet waren.
Nur kurz darauf hatte er mich in wenigen gezielten Bewegungen so um meine eigene Achse gedreht, dass mein Rücken gegen die Vorderseite seines Körper gepresst wurde, während er mit seinem muskulösen Unterarm das nasse Handtuch vor meinem Körper fixierte und mich, meine Arme bewegungslos eingeklemmt, aus dem Zimmer bugsierte.
"Eh... Hey!", rief ich leicht entsetzt, "Nur, weil du gut aussiehst und durchtrainiert bist, gibt dir das nicht das Recht, mich so zu behandeln!", was mir bereits in dem Moment, in dem ich es aussprach, etwas peinlich war, aber offenbar den gewünschten Effekt hatte, da er mich kurz darauf losließ und mir so die Möglichkeit gab mit einem spontanen Anschein, beleidigt zu wirken, meine würde widerherzustellen.
Doch wenn ich gedacht hatte, dass ich nun die Oberhand gewinnen würde, hatte ich mich getäuscht, denn der Mann drehte sich einfach auf dem Absatz um und ließ mich stehen, um gleich darauf mit großen Sätzen die Treppe hinunterzueilen, während er fast wütend ausstieß: "Die hätten dich einfach dort lassen sollen, dann hätten wir ein Problem weniger."
Nach einem kurzen Moment, den ich brauchte, um zu realisieren, dass mein neuer Lieblingsplayboy ein ganz schön großes Arschloch war, rief ich ihm leicht angepisst "Was hast du-" hinterher und stampfte dabei wütend auf die übernächste Stufe auf, um ihm zu folgen, rutschte jedoch aufgrund meiner nassen Füße aus, machte beim Versuch, nicht auf den Hintern zu fallen, einen recht ungeschickten Satz nach vorne und riss uns ein paar Stufen später beide nach unten, wo ich im Gegensatz zu meinem Charmeur relativ weich landete und auf sein anschließendes langes Seufzen nur noch "Nimm das!" murmelte.
Doch fast im gleichen Moment wurde mir die Absurdität der Situation klar und auch, wie tolpatschig ich mich schon wieder einmal benahm und das innerhalb nur weniger Minuten, so dass ich mich an meiner Oberhand, die ich eindeutig schon aus meiner Position heraus besaß, nicht wirklich lange erfreuen konnte, sondern stattdessen lieber das Handtuch schnell um mich schlang, um mich so rasch wie möglich aufzurappeln und einige gehörige Schritte zwischen den von mir zu Fall Gebrachten und mich zu bringen.
Gleich darauf richtete er sich ebenfalls auf, atmete tief ein und stand ein paar Sekunden, mir den Rücken zugewandt, regungslos da, ehe er mich überraschend ausdrucklos ansah, an mir vorbei ging und mir noch im Vorbeigehen sagte: "In deinem Zimmer liegen frische Klamotten. Du solltest dich erstmal umziehen und dann nachkommen.".
Das wiederum ließ mich perplex zurück, denn hatte er nicht gerade noch gedrängt, dass ich mitkommen sollte, mich quasi aus der Wanne gezerrt und mich auf den Alarm aufmerksam gemacht, der - wie ich feststellte - immer noch anhielt und jetzt machte er auf einmal auf cool und überließ es mir, wann ich mich dazu bequemte, nachzukommen?
Ich hatte allerdings keine Lust, groß weiter darüber nachzudenken, zumal ich die Idee mit den Klamotten angesichts des nassen Handtuches, dass ich trug, garnicht so schlecht fand, woraufhin ich mich auf direktem Wege zurück in mein Zimmer machte, mich abtrocknete und bei den Sachen bediente, die auf dem Tisch lagen.

Kaum war ich angezogen, fühlte ich mich wie ein neuer Mensch, Tatendrang durchzog mich und ich verließ ein weiteres Mal das Zimmer, um zu sehen, wo die anderen hin waren, was sich jedoch recht schnell als langwieriger und schwieriger herausstellte als gedacht, da das ganze Haus mit einem Mal wie ausgestorben wirkte und der gleichmäßig schrille Ton, der insbesondere im Treppenhaus mehr als deutlich zu hören war, mir eiskalte Schauer über den Rücken laufen und mich innehalten ließ.
Dieses ganze Szenario ließ mich kurz an Resident Evil denken, als Alice im Krankenhaus aufwachte, was nach genauerem Nachdenken jedoch nicht wirklich vergleichbar war und so entschied ich mich kurz um, den Weg über die Treppe zurück nach unten zu nehmen.
Kurz überlegte ich, ob ich rufen sollte, doch ich beschloss, dass es wohl besser wäre, möglichst leise zu sein, weil ich überhaupt nicht einschätzen konnte, ob es tatsächlich eine Gefahrenlage gab oder ob sich alle nur irgendwo in die Scheune verzogen hatten, um mir einen Streich zu spielen, Gedanken, die mich bei meinem automatisch schleichenden Gang durch das Haus begleiteten, einen Gang, der keinerlei Lebewesen zu Tage förderte, keine Spur von Marie oder den anderen.
Ich beschloss also, mich in Richtung des Eingangs aufzumachen und nahm den Gang, der mich an einer Reihe Fenster über einen Bogen zur Treppe, die hinab ins Erdgeschoss führte, führte, als ich zufällig aus dem Fenster sah und eine große Ansammlung von Leuten erblickte, die sich auf dem Hof vor dem Anwesen versammelt hatten und recht aufgebracht zu sien schienen, woraufhin ich so schnell wie ich konnte nach unten rannte, um zu ihnen zu stoßen.
"Das ist jetzt schon das dritte Mal in diesem Jahr, dass wir von Ihnen wie Verbrecher behandelt werden, nur weil wir uns Ihrem Anwesen nähern", sagte gerade der offensichtliche Rädelsführer, der sich Zustimmung heischend nach seinen Begleitern umblickte, die tatsächlich gleich nickten und mit "Genau", "Richtig", "Das geht so nicht" zustimmten, was Marie, die mit einem Lächeln dastand und sich das Ganze ruhig anhörte, nicht aus der Ruhe zu bringen schien, ganz im Gegenteil wies sie mit der Hand in meine Richtung bzw. in Richtung Eingang und bot sehr ruhig und freundlich an: "Mister Tucker, kommen Sie und auch Ihre Begleitung doch bitte auf ein Glas Tee oder Wein oder was immer Sie möchten herein, dann können wir alles in Ruhe besprechen."

Und so gingen Marie, der Mann, den Marie Mister Tucker nannte und vom Äußeren einem Kriegsveteranen glich, eine sympathische junge Dame, die nicht von seiner Seite wich, und weil ich das dringende Bedürfnis hatte, nicht wieder allein gelassen von seltsamen Typen heimgesucht zu werden, auch ich mit den dreien mit und so befanden wir uns kurze Zeit später erneut in dem Zimmer mit all den Zeitungsartikeln und den Fotos von Martin bzw. dem, der ihm ähnlich sah. Kaum traten wir alle in das Zimmer, sahen wir so viel Dokumente, die an den Wänden hingen, so wie auf den Tischen und anderen Möbelstücke lagen. Wenn wir all das durchschauen wollten, würden wir sehr sehr lange brauchen.
"Nun, Mister Tucker, hätten wir eine Einigung bezüglich einer Zusammenarbeit geschlossen, hätte ich Ihnen einen Schlüssel fürs Gartentürchen geben können und Sie würden nicht jedes Mal den Alarm auslösen.", lockerte Marie die leicht angespannte Stimmung auf, "Aber kommen wir zum Wesentlichen. Ohne Ihre Informationen hätten wir die kleine Marie wohl ihrem Schicksal überlassen müssen.", sagte sie in meine Richtung deutend, was nun auch den Blick der anderen beiden auf mich zog, deren erhellte Blicke mir sagten, dass sie Dinge über mich wussten, die mir selbst noch nicht zugetragen würden, was mich stirnrunzelnd den Blickkontakt mit Marie suchen ließ.
Doch Marie war offenbar zumindest im Moment nicht gewillt, mich weiter aufzuklären, stattdessen sprach sie weiter, was die Blicke der anderen wieder auf sie lenkte: "Hat Ihr Besuch heute also etwas damit zu tun, Mister Tucker oder was möchten Sie dieses Mal?"
"Unser Angebot, über Sie erst nachzudenken wünschten, war, dass wir als gleichgestellte Partner zusammenarbeiten.", erwiderte Mr Tucker, ohne zu zögern, "Die Unterstützung bei der Rettung der jungen Dame war für uns eine Selbstverständlichkeit. Wer wären wir, das als Druckmittel zu verwenden? Wir sind heute hier, weil Jamy Lanusta, der dieses Wochenende eine Kunstausstellung veranstaltet, eine sehr gute Gelegenheit wäre, mit einer Zusammenarbeit zu beginnen.".
Marie lächelte sanft und schwieg einige Augenblicke, bevor sie sehr ruhig erwiderte: "Wir schätzen Sie sehr, Mister Tucker, denn Ihre Informationen haben sich bislang immer als äußerst präzise und nützlich erwiesen. Aber als gleichgestellte Partner zusammenzuarbeiten kommt für uns nicht in Frage, das hatten wir Ihnen bereits mehrfach erläutert. Und was Jamy Lanusta anbelangt, haben wir dieses Wochenende schon andere Pläne."
Relativ emotionslos und offenbar wenig überrascht über Maries Antwort erwiderte Mr. Tucker: "Nun... dann lassen Sie mal hören."
Marie behielt ihr Lächeln bei und antwortete fast augenblicklich: "Sie verstehen sicher, Mr. Tucker, dass wir Sie zum momentanen Zeitpunkt nicht in unsere Pläne für das Wochenende einweihen können. Allerdings gäbe es da etwas, das Sie für uns tun könnten. Es ist nicht ganz ungefährlich und hat mit einem gewissen Herrn zu tun, der uns zunehmend Schwierigkeiten bereitet. Wenn Sie uns auch bei diesem Problem Unterstützung bieten könnten, wäre ich durchaus gewillt über eine Zusammenarbeit in der Zukunft nachzudenken, bei der Sie direkt am jeweiligen Projekt beteiltigt wären."
"Das ist wieder sehr viel Konjunktiv, den sie da verwenden", antwortete Mr Tucker, "Hören Sie, Mrs. Vermillion. Wir wissen beide, dass wir Ihnen viel schulden. Ich bewundere ihren Sinn für Gerechtigkeit sehr. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass wir Ihnen viel effektiver unter die Arme greifen können... Also, wie können wir Sie in der Sache unterstützten?".
Doch Marie kam nicht dazu zu antworten, da just in dem Moment mein Badewannenopfer auf lautlosen Füßen herangetreten war und ihr nun etwas ins Ohr flüsterte, was sie nach einigen Augenblicken des Zuhörens mit einem "Danke, Ryan", quittierte, um daraufhin zu Mister Tucker zu sehen und zu sagen: "Es tut mir Leid, Mister Tucker, aber ich muss Sie für einen Moment allein lassen, wir werden unsere Unterhaltung aber in Kürze fortsetzen. Bis dahin leisten Sie doch bitte Marie Gesellschaft." Während sie das sagte, kam ich nicht umhin, meinen Blick auf dem Ekel aus dem Badezimmer haften zu lassen, der sich als Ryan entpuppt hatte, was mir ohne dass ich es wirklich merkte, ein kleines Lächeln ins Gesicht zauberte, das noch dadurch gefördert wurde, dass Ryan sich in der Zwischenzeit offenkundig umgezogen hatte und nun ein umwerfend blaues Hemd trug, das fantastisch zu seinen ebenso blauen Augen passte.
Er und Marie verließen ohne weitere Ausflüchte den Raum und ließen mich mit Mr Tucker und seiner Begleiterin, die sich allerdings auch selbst gut abzulenken wusste, allein, was mir zunächst etwas unangenehm war, da ich die beiden erst vor wenigen Minuten das erste Mal gesehen hatte und es mir so vor kam, als hätte Marie den Raum mit einer Stimmung verlassen, die nicht im Sinne von Mr Tucker zu sein schien, was mich allerdings nicht von einer ganz bestimmten Frage ablenken konnte und so fragte ich ihn kurzum: "Was meinten Sie als sie sagten, dass sie meiner ... Tante viel schulden?", was nicht nur die Aufmerksamkeit von Mr Tucker, der mich leicht überrascht ansah, sondern auch die seiner jungen Begleiterin weckte. Anscheinend wusste sieauch noch nicht, was da eigentlich alles abging. Und da sie sehr neugierig war, war sie mehr als gespannt.
"Nun ...", begann Mister Tucker und sah mich zunächst so an, als würde er überlegen, wie viel er mir sagen konnte oder auch sagen durfte, bevor er etwas zögerlich fortfuhr: "Sie hat uns vor ein paar Jahren finanziell sehr unter die Arme gegriffen." Er sah zu seiner jugendlichen Begleiterin und ergänzte, nur für sie bestimmt: "Das war als deine Großmutter so schwer krank wurde und diverse Operationen brauchte ..."
"Ich kenne die Geschichte, Vater.", warf Mr. Tuckers Tochter recht emotionslos ein. "Das war doch auch als ihr euch mit einer großen Waffenlobby angelegt habt, was ohne die Unterstützung von Marie und ...Maries Eltern schwer nach hinten losgegangen wäre.", fuhr sie fort und begann mich etwas seltsam anzusehen. "Es ist echt nervig, dass ihr beide Marie heißt. Ich heiß' übrigens Anna und dich nennen wir einfach mal 'Mary'.", sagte sie lächelnd, den Zeigefinger aus dem Handgelenk heraus auf mich gerichtet.
Dass jetzt auch noch Mister Tuckers Tochter Anna anfing, über meinen Kopf hinweg über mich zu entscheiden, ging mir gehörig gegen den Strich und so platzte es aus mir weit unhöflicher heraus als ich es eigentlich wollte: "Nein, keiner nennt mich einfach mal 'Mary'! Und ihr ganz sicher nicht! Mein Name ist Marie und wenn ihr Probleme habt, uns beide auseinanderzuhalten, dann ist das euer Problem!" Passend zu diesem Ausbruch drehte ich mich auf dem Absatz um und folgte meiner Patentante und Ryan aus dem Zimmer.
Anna, die mich während meines kleinen Ausbruchs stirnrunzelnd ansah, fing kurz nach meinem Abgang an zu kichern und rief mir noch "Bis später, Mary!" hinterher. Auf dem Flur entlang laufend wusste ich jedoch nicht einmal, warum genau ich überhaupt so sauer wurde. Dieser Gedankengang wurde jedoch dadurch unterbrochen, dass Ryan sich kurz zu mir umdrehte, mich leicht abfällig ansah und seinen Blick mit einem "Tss!" wieder nach vorn richtete.
Ich ignorierte Anna, die mir mit einem Mal äußerst unsympathisch wurde, ebenso wie Ryan, dessen abfällige Art völlig unangebracht war, zumindest soweit ich das zum jetzigen Zeitpunkt beurteilen konnte, und fragte mich, wieso meine Patentante immer noch im Flur war, obgleich sie doch schon einige Minuten vor mir aus dem Zimmer gegangen war. Doch ich sollte sehr rasch eine Antwort erhalten, da Marie sich zu mir umsah und mich hektisch zu sich winkte.
Marie musste zunächst etwas kichern als ich auf sie zukam und flüsterte mir dann lächelnd ins Ohr: "Deine Mutter bekam auch manchmal schlechte Laune, wenn sie müde war." Sie sah kurz hinüber zu Ryan und musterte mich für ein paar Sekunden. "Du und Ryan habt offenbar einen schlechten Start gehabt. Ich versichere dir jedoch, dass er dich nicht hasst, auch wenn er es durch seine eigenwillige Art gut kaschieren kann. Deine Mutter und Ryan waren sehr gute Freunde, musst du wissen. Aber genug für heute. Ich werde dir morgen erklären, was es mit Jamy Lanusta auf sich hat. Jetzt solltest dich erstmal ausschlafen.", sagte Marie und suchte den Blickkontakt zu Ryan, "Ryan wird dich auf dein Zimmer bringen".
Eigentlich wollte ich nicht, das Ryan mich in mein Zimmer begleitet, aber da ich mich im Moment noch gar nicht in dieser Villa auskannte, fügte ich mich dem sogenannten Schicksal und lies mich von ihm in mein Zimmer bringen. Sie hatte auch recht, weil ich doch, von so viel Aufregung sehr müde war. Morgen war auch noch ein Tag.
Und der kam mit einem Paukenschlag, der es in sich hatte ...Eigentlich wollte ich in Ruhe schlafen, doch ich wurde mitten in der Nacht von einem lauten Donnerschlag aus dem Bett gerissen und nichts war mehr, wie vorher.
Ohne mich entsinnen zu können, mich aufgerichtet zu haben, saß ich plötzlich im Bett und versuchte im Halbschlaf meine Gedanken zu ordnen, um herauszufinden, ob es tatsächlich einen lauten Knall gab, oder ich nur geträumt hatte. Ich bemerkte ein rotes Flimmern, das sich im Fenster reflektierte, woraufhin ich es aufriss und ein Feuer im Innenhof sah. Ohne nachzudenken sprang ich aus dem Bett, schnappte mir noch eine Jacke vom Stuhl und rannte zur Treppe, um in Erfahrung zu bringen, was da vor sich ging.
Doch im Treppenhaus war niemand zu sehen, so dass ich flugs aus der Eingangstüre im Erdgeschoss ins Freie trat, wo der Erste, auf den ich stieß, - wie konnte es anders sein - Ryan war, der mit verschränkten Armen und finsterer Miene auf das Feuer blickte, das rund ein Dutzend Helfer offenbar bereits unter Kontrolle gebracht hatten. Ohne mich anzusehen murmelte er: "Seit du da bist, gibt es nichts als Ärger ..." "Wie meinen?", entschlüpfte es mir sofort und ich setzte nach: "So wie ich meine Patentante verstanden habe, habt ihr schon seit Längerem Ärger und das hat nichts, aber auch absolut nichts mit mir zu tun ..." "Nein, ... da hast du Recht, aber trotzdem ... so viel Unglück in letzter Zeit ..." er zeigte dabei auf das Feuer, das sie langsam bekämpften.
"Nun mach' es doch nicht dramatischer, als es eigentlich ist.", ertönte die Stimme meiner Tante, die in aller Ruhe zu uns stieß und das Feuer beobachtete, als würde sie das überhaupt nichts angehen, hinter mir. Wir haben eines unser Spielzeuge, das wir für unseren Freund Jamy Lanusta vorbereitet haben, ausprobiert, wodurch einer unserer Tanks Feuer gefangen hat. Sie sah mich lächelnd an und sagte: "Es ist alles gut. Niemand wurde dabei verletzt. Entschuldige, dass du wach geworden bist. Geh' ruhig wieder ins Bett."
 

Akira Akarui

Super-Moderator
Teammitglied
SMods
Nach einem schlechten Start in den Samstag entschied ich mich ( Marie, schwarze Haare, grüne Augen, Körbchengröße 75F), nicht auf Arbeit zu gehen und kehrte durchnässt in meine Wohnung zurück, in der ich bis Sonntag durchschlief.
Ralf, der Freund meines Exfreundes Martin, klingelte an meiner Tür und berichtete, dass mein Ex Martin im Koma liegt. Es ereignete sich wohl drei Wochen zuvor bei einem Motorradunfall. Da ich Martin beim Rumknutschen mit seiner Kollegin Sophie erwischt hatte, hatte ich den Kontakt zu ihm bereits zuvor abgebrochen.
In diesem Zusammenhang machte Ralf einen dummen Witz darüber, dass es sich um einen Doppelgänger oder seinen Zwillingsbruder gehandelt hätte, was ich allerdings nicht ganz so witzig fand wie er.
Gegen meine Motivation überredete Ralf mich letzten Endes, Martin im Unikliniku zu besuchen. Ich fuhr uns mit dem Auto. Dort angekommen machten wir Bekanntschaft mit bewaffneten finsteren Typen. Beim Versuch zu flüchten, töteten sie Ralf, der durch einen Schuss in der Eingangshalle niedergestreckt wurde.
Die Männer zerrten mich in einen schwarzen Bus und nahmen mich mit. Während der Fahrt erwähnten sie, dass sie nach einem "Pawel Walczak" suchten, den ich unter dem Name Martin kennen würde. Offenbar hatten sie Martin im Krankenhaus nicht ausfindig machen können.
Wir machten an einem abgelegenen Gebäude Halt, wo sie mich zum Reden bringen wollten. Als es ungemütlich wurde, wurde unsere Runde von einem Fahrzeug bewaffneter Männer gestört. Sie machten meine Entführer unschädlich und nahmen mich mit.
Voller Erschöpfung schlief ich auf der Fahrt und wachte im leeren Wagen auf dem Hof eines großen Anwesens auf. Dort traf ich meine Patentante Marie, der ich offenbar meinen Name zu verdanken hatte, und ihre kleine Tochter Lisa.
Sie führte mich in ein Zimmer voll mit Karten, Zeichnungen, Fotografien, Skizzen und Zeitungsausschnitten von einer langen Serie von Einbrüchen und Diebstählen. Meine Patentante erzählte, dass sie zusammen mit meinen Eltern die Einbrüche geplant und durchgeführt und dass sie dabei nach ihren eigenen Vorstellungen von Gerechtigkeit gehandelt hätten. Außerdem hingen dort einige Fotos von Martin, die mit den Namen Martin Bauer, Pawel Walczak, Gordon Scott und Francois Michel versehen waren. Erneut wurde mir die Geschichte aufgetischt, dass es sich dabei nicht um Martin, sondern um jemanden, der ihm verdammt ähnlich sah, handelte.

Heute ist Samstag und das Wetter ist grau und kalt. Da möchte man am liebsten direkt nach dem Aufstehen wieder in sein Bett zurück fallen. Was aber nicht geht, da man ja an die Arbeit muss. Ich hasse meinen Beruf! Am allerliebsten wäre ich den ganzen Tag liegen geblieben und hätte den Geräuschen gelauscht, die vor meinem Fenster auftraten. Schlussendlich rappelte ich mich dann auf, schaute auf die Uhr und, oh weh, doch schon so spät. Nun aber schnell rein in die Klamotten und ab zum Bus. Wenn es nicht nur schon wieder regnen würde ... Da ich auch noch Pech habe, werde ich sofort nass, weil ein Auto mich von der Seite nass spritzt. Wirklich ärgerlich, schimpfe dem noch lautstark hinterher, rege mich noch ein wenig wie ein Rohrspatz auf, und sage zu mir: "Es kann nicht schlimmer werden, hilft alles nichts, weiter zum Bus."Triefend vor Nässe und zitternd vor Kälte erreiche ich den schmalen Busstand. Mit einem Blick auf meine Uhr muss ich feststellen, dass diese auch noch stehen geblieben ist. Da ich immer gute 10 Minuten zum Bus brauche, weiß ich jetzt nicht mal wie spät es ist und ich nehme schon immer den Letzten der fährt. Gereizt schüttele ich meinen Kopf, starre auf die gegenüberliegende Gebäudefassade und erblicke schließlich eine Leuchtanzeige, die mir noch nie zuvor aufgefallen war: Sa., 23.02.13 - 8°C - 7.18 Uhr. Verdammt ich wusste, das ich zu spät bin. Sollte um 7 Uhr anfangen zu arbeiten. Der Chef würde mir wieder eine gehörige Standpauke verpassen, aber erstmal musste ich zusehen, dass ich auf die Arbeit kam. Nur wie sollte ich das anstellen ohne Auto? Ein Taxi wäre jetzt das Beste der Wahl, nur leider hatte ich auch noch mein Handy zu Hause liegen lassen und mein Geld auch noch. So blieb mir halt nichts anderes übrig als zu laufen, was nicht das Beste war, besonders bei diesen Temperaturen. "War der blöde Weg schon immer so lang gewesen", war das Einzige, was ich bei dieser Kälte und dem Regen aus mir heraus brachte. Ich schüttelte mich und klemmte meine Haare hinter meine Ohren. "Nicht aufregen Marie, nicht aufregen ...", war das Einzige, was ich zu mir murmelte, als ich geschwind die Straße entlang ging. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich den LKW fast übersehen hätte. So konnte ich noch rechtzeitig zur Seite springen, als der durch eine Pfütze raste. "Verdammt!", entfuhr es mir, während das aufspritzende Wasser auch noch die letzten trockenen Stellen meiner Kleidung durchnässte.Dem LKW-Fahrer warf ich einige Flüche hinterher, doch machen konnte ich nun eh nichts mehr. Ich würde nach Hause gehen und den Tag einfach als "Krank" machen. Morgen dann zum Arzt und dann... schön die nassen Klamotten von meinem Leib zärtlich wegreißen und ein Bad einlaufen lassen. Ein heißes Bad wär jetzt genau das Richtige Ich lasse mich in der Badewanne ''gehen'', schmelze quasi dahin, oh Gott, das Leben kann doch soooo schön sein.. wenn da bloß nicht der ganze Stress wär ... Nur leider habe ich nicht bedacht, dass morgen erst Sonntag war und ich erst am Montag zum Arzt kommen würde. Aber so nass wie ich war, würde ich bestimmt eine Erkältung bekommen. Also zerrte ich mir regelrecht die nassen Klamotten runter und wollte ein Bad einlaufen lassen. Aber, wie der Teufel es will, kam nur eine braune Brühe aus dem Hahn. Vorbei der Traum vom schönen heißen Bad. Und mir war auch noch saukalt. ,,Ach verdammt! Wäre ich heute doch nur zu Hause geblieben!'', ich band mir ein Tuch um und rannte regelrecht auf mein Zimmer, riss den Schrank auf, zog meinen Pyjama an und verschwand unter meiner Bettdecke. Ich hab keine Ahnung, wie lange ich da lag, denn mich weckten ein paar Sonnenstrahlen, die durch mein Fenster schienen. Mein Handy vibrierte unaufhörlich, ich öffnete es und da stand: ,,7 verpasste Anrufe/ Absender: Chef''. Verdutzt darüber, dass dieser so oft angerufen hatte, rieb ich mir mit Unglauben die Augen. "Was zur Hölle will der? Nicht mal einen Tag darf man krank machen? Ha! Morgen zum Arzt und für den Rest der Woche 'n Gelben holen!" Moment, was hatte ich da gesagt? Morgen? Ich hatte den gesamten Samstag verschlafen und es war bereits Sonntag geworden, zumindest wenn ich dem Datum auf meinem Handy trauen konnte. Seufzend blickte ich an die Decke und wischte mir eine Strähne meiner pechschwarzen Haare aus den giftgrünen Augen. "Er bringt mich spätestens am Dienstag so was von um", murmelte ich und begann in meinem Schrank nach einem BH zu suchen. 75F war nicht unbedingt die Größe, in der man viele BHs bekam. Was deutlich wurde als ich das Tablar mit der Unterwäsche ansah. Ich zog das Pyjamaoberteil aus und legte mir den BH an, dann suchte ich mir noch eine passende Unterhose und zog sie ebenfalls an. Aus der hinteren Ecke eine Hose und ein einfaches T-Shirt, zog sie mir an und ging aus meinem Zimmer. ,,Waaaah, wie spät ist es denn jetzt eigentlich?'' sagte ich gähnend als ich die Treppe hinunter ging. Ich ging in die Küche und holte das Müsli aus dem Schrank, füllte es in eine Schüssel, dann machte ich den Kühlschrank auf und nahm die Milch raus.


Ich wollte gerade den Inhalt über mein Müsli kippen, als ich diesen stechenden Geruch wahrnahm.
Ich roch vorsichtshalber noch mal daran, nur um sicher zu gehen. Fehler, mächtig großer Fehler.
Das Zeug stank mir die Bude voll.
Verfluchte Scheiße, jetzt muss ich das Zeug also auskippen.
Als hätte ich nicht so schon genug Stress, muss jetzt auch noch mein Handy klingeln.
Ich schaute aufs Display und wunderte mich, wer denn um alles auf der Welt, meine Nummer kennt, ich beschloss also ran zu gehen und erlitt den Schock meines Lebens.

Der Freund von meinem Ex! Woher kennt der denn bitte meine Nummer!
Bestimmt hat mein Ex meine Nummer ihm gegeben, aber was nun? Ich ging ans Telefon und hörte einen lauten Schrei. Schlagartig fiel mir das Handy aus der Hand.

Scheiße aber auch, was war denn das?
Erst der Freund meines Ex, jetzt auch noch dieser Schrei!
OK, nachdenken, denk nach Marie, denk nach!!!
Ich hob das Telefon und wählte, während ich mich zur Ruhe zwang.

,,Ich rufe ihn jetzt einfach zurück und frage, wo zur Hölle er meine Nummer her habe und warum er ins Telefon schreie'' sage ich mir selbst, doch nix mit zurückrufen. //Ihr Guthaben ist erschöpft, bitte laden Sie es wieder auf um diesen Anruf zu tätigen//, sagte mir die ,,nette'' Stimme des automatischen Services und während das ertönte, schmiss ich mein Handy wieder auf den Boden. ,,Ach scheiß die Wand an!'' schrie ich wutentbrannt bis ich merkte, dass das ein Fehler war. Hektisch hob ich mein Handy wieder vom Boden auf und drückte irgendwelche Tasten, doch nichts regte sich. ,,Ach egal, ich brauche eh ein neues Handy'' versuchte ich mich zu trösten, dass ich nicht in Tränen ausbrach. Irgendwie war jetzt ein Bach geöffnet worden, denn die Tränen flossen wie ein riesiger Wasserfall die Wangen herunter. Nach ein paar Minuten konnte ich mich langsam beruhigen, es war aber echt heute der Teufel los.
Und wie um das zu bestätigen klingelte es plötzlich Sturm an meiner Türe. //Wer kann das denn wieder sein?//

Meine trüben Gedanken waren mit einem Mal wie weggeblasen, und ich eilte mit einer Mischung aus Neugierde, Besorgnis, aber auch dem Gefühl, gar nicht wissen zu wollen, was da schon wieder auf mich zukam, zur Türe und sah zunächst mal durch den Spion. Der Spion war ziemlich benebelt, so das ich gar nicht wirklich gut rausschauen konnte. Also musste ich erahnen, wer draußen stand. Doch nach Rätselraten war mir absolut nicht zumute, daher griff ich beherzt zur Klinke und öffnete die Türe. Mit verheulten Augen und verrotzter Nase schaute ich neugierig aus der Wohnung. Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und blickte überrascht in das Gesicht des Freundes meines Ex. Was um Gottes Willen hatte er hier zu suchen??? Eine gefühlte Ewigkeit starrten wir uns wortlos an, bis mir schließlich der Geduldsfaden riss und ich sagte: "Was um Gottes Willen hast du hier verloren?"
"Du ... Du ... Du bist daran Schuld, Marie!", geiferte er mich plötzlich an, ohne das ich eine Ahnung hatte, was er meinte.
In diesem Moment merkte ich, dass um mich herum alles verschwamm und es dunkel wurde. Langsam machte ich meine Augen wieder auf und blickte in das Gesicht von meinem Ex.
Zeitgleich bemerkte ich einen dumpfen Schmerz an meinem Hinterkopf und tastete den Bereich ab. Ich lag auf meinem Sofa im Wohnzimmer und spürte eine schmerzhafte Beule und getrocknetes Blut zwischen meinen Haaren. Ich musste wohl mit meinem Kopf auf den harten Steinboden des Eingangsbereich meiner Wohnung geprallt sein und dachte in diesem Moment eigentlich eher über die Tatsache nach, dass sich mein Ex offensichtlich in meiner Wohnung befand. "Freund meines Ex ...", korrigierte ich mich in Gedanken und fragte mich gleichzeitig, ob der Schlag auf meinen Kopf mehr als nur eine schmerzende Beule verursacht hatte. Ralfs Gesicht schob sich in mein Blickfeld und eine Mischung aus Wut und Sorge lag darin, wobei die Wut die Oberhand zu gewinnen schien, je länger ich ihn ansah. //Warum war er schon wieder wütend, ich hatte absolut keine Ahnung.//
"Martin - DEIN Ex Martin - liegt im Koma!", warf er mir unvermittelt an den Kopf. Langsam kamen mir wieder die Erinnerungen, ach ja, da war noch was ... Martin ... Martin ... er hatte sich doch nicht etwa etwas angetan ... wegen unserer Trennung?!? Oder war es doch wegen was anderem?? Anstatt weiter wild zu spekulieren und mir alles mögliche vorzustellen, entschied ich mich, Ralf direkt zu fragen und so hob ich die Brauen und wollte wissen: "Martin liegt im Koma ... wieso ... was ist passiert?"
"Er wollte zu dir ... mit dir reden, sich entschuldigen, was weiß ich, ... und er ..." Seine Stimme schien zu versagen. "er hatte einen Unfall ... mit dem Motorrad ... vor drei Wochen." Kopf kratzend überlegte ich, so lange ist das schon her, wo ist nur die Zeit geblieben ...
"Aber wieso kommst du jetzt und was willst du von mir?", konnte ich nicht umhin, Ralf zu fragen, fügten sich die einzelnen Puzzleteilchen für mich noch nicht zu einem ganzen Bild zusammen.
"Verdammt Marie, drei Wochen und du hast dich nicht ein einziges Mal blicken lassen; als wär' er dir völlig egal", warf er mir vor und ich verstand plötzlich seine Wut auf mich, aber wie sollte ich ihm klar machen, dass ich schlicht nichts davon gewusst hatte? Aber wie sollte ich auch, damals vor drei Wochen ist er wutentbrannt aus der Wohnung gestürmt ...
Ich hatte gesehen, wie er seine Kollegin Sophie geküsst hatte - also richtig, LEIDENSCHAFTLICH; hatte er erwartet, dass ich ihm kaum zwei Stunden später seine Ausreden glauben würde?
Ich spürte wie mich der bloße Gedanke daran immer noch aufwühlte, und da mein bisheriger Tag reichlich beschissen gewesen war, mein Schädel brummte und ich keinerlei Lust zu großartigen Erklärungen hatte, sagte ich harsch: "Das ist etwas zwischen Martin und mir und nichts, was dich angeht, Ralf!"
"Es geht mich ganz sicher was an, wenn sich mein bester Freund wegen dir fast in den Tod fährt und es dir offenbar völlig gleich ist."
"Ach ja, dann frage ich dich doch mal, was er dir erzählt hat, von der Sache vor drei Wochen?"
Das schien ihn jetzt doch zumindest kurzzeitig aus der Fassung zu bringen, denn er runzelte die Stirn und war für einen Moment sprachlos, während man sehen konnte, wie es in seinem Kopf arbeitete.
"Ähm ..., ja, Marie", druckste er herum. "Also ..., eins vorweg: ich dachte zuerst auch, er würde lügen, aber warum sollte er mir so eine Geschichte auftischen, wenn er genau weiß, dass wir beide uns noch nie leiden konnten."
"Wovon redest du eigentlich?"
"Martin hat einen ... Doppelgänger, einen eineiigen Zwilling, einen ... ach, keine Ahnung, wer oder was er war, ... jedenfalls war es nicht Martin, den du gesehen hast."
"... Willst du mein Vertrauen wirklich mit solch einer Absurdität erschüttern?" Doppelgänger, eineiiger Zwilling, womöglich gar ein Klon ... dachte ich, während ich spürte, wie bei Ralfs absurder Behauptung etwas in mir hochkochte. Enttäuscht über Ralfs ausbleibende Antwort, warf ich ihm einen verachtenden Blick zu und verschwand, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, im Bad.
Aber ich hatte nicht mit Ralfs Hartnäckigkeit gerechnet, denn er folgte mir und sagte schließlich, in Ton doch sehr einlenkend: "Ich will doch nur, dass du mit mir kommst, Marie ... zu Martin und er deine Anwesenheit spüren kann."
Genervt darüber, dass ich meine kurze Pause nun doch nicht bekam und sich auch noch ein Gefühl von Mitleid in mir anbahnte, ließ ich ein tiefes Seufzen verlauten, schnappte mir die Autoschlüssel und verließ die Wohnung. Dabei wäre es so schön gewesen, einen freien Tag zu haben, aber was solls.
Grade als ich losfahren wollte, bemerkte ich, dass ich keine Ahnung hatte, wo Martin im Moment überhaupt ist, was mich so in Gedanken versinken ließ, dass ich nicht merkte, wie Ralf mir nachlief, bis er schließlich in's Auto stieg, was ich allerdings widerwillig hinnehmen musste, da mein "du-steigst-sofort-aus"-Blick seinem "das-wird-nicht-passieren"-Blick nicht standhalten konnte. Seufzend stieg ich in das Auto, "Wo liegt er?" kam widerwillig die Frage.
"Er ist seit gestern wieder zu Hause.", antwortete Ralf mit strahlendem Gesicht.
"Ich dachte, er liegt im Koma ... wie kann er da zuhause sein?", fragte ich und sah Ralf perplex an.
Ralfs erschrocken Blick nach zu urteilen, nahm ihn die ganze Sache ziemlich mit, wenn er sogar unter so drastischen Realitätsstörungen leidet.
"Ist mit dir alles in Ordnung?", platzte es nun doch aus mir heraus und ich spürte, wie sich auch der letzte Ärger ob seiner Einmischung zu verflüchtigen begann, auch wenn ich das eigentlich gar nicht wollte.
Ralfs nachdenklicher Blick traf auf den meinen, woraufhin er sich gleich wieder von mir abwandte und nach einem längeren Moment der Stille antwortete: "Ja, er... liegt im Uniklinikum.", was mich unmittelbar dazu veranlasste, ordentlich auf's Gas zu treten, In der Hoffnung, dieser nervig erdrückenden Stimmung zu entkommen.
Eine knappe Viertelstunde später betrat ich mit Ralf die Klinik.
Sowie wir in Richtung Empfang gehen wollten, hörten wir das beängstigende Geschrei einer Frau. Das war nun wirklich nicht dazu angetan, meine Stimmung zu heben und mir wurde plötzlich wieder bewusst, welche Aversion ich gegen Krankenhäuser hatte, gegen den Geruch, der sich in den Gängen hielt, gegen die gewienerten Böden, die weißgekittelten Gestalten, die weinenden und bangenden Angehörigen und gegen all das Leid, die Krankheit und der Tod, der einem von überall entgegenwehte, nicht nur von den Kranken, die in ihren Betten teils auf den Gängen auf Untersuchungen warteten.
Wenige Sekunden später riss mich das Ertönen mehrerer Schüssen, die mir klarmachten, das Geschrei falsch beuteilt zu haben, aus meinen Gedanken. Während mein Puls unwillkürlich zu rasen begann, sah ich mich hektisch um, nach einer möglichen Deckung genauso wie nach dem Ursprung der Schüsse, denn ich wollte keinesfalls in ebendiese Richtung laufen. Über den stückweise offenen Gang des ersten Obergeschosses, der unmittelbar über der Rezeption lag, rannten zwei Leute, ein jüngerer Mann und eine Frau mittleren Alters, in den rechten Flügel.
"Was geht da vor?", fragte ich, während ich zeitgleich instinktiv hinter dem Tresen der Rezeption Schutz suchte.
Während weitere, immer präsenter werdende, Schüsse ertönten und wir, an den Tresen gelehnt mit dem Eingang im Blick, mit dem Rücken zum Geschehen hockten, stotterte Ralph, "Wir müssen hier weg!", als plötzlich ein paar Leute, die bisher noch wie angewurzelt im Eingangsbereich standen, mit dem Blick nach oben verzweifelt Schutz suchend in alle Richtungen liefen, was mich dazu veranlasste, es für keine gute Idee zu halten, durch einen kurzen Blick herausfinden zu wollen, was auf dem Durchgang vor sich geht.
Ralph wurde offenkundig von dieser einsetzenden Panik miterfasst, denn er erhob sich und rannte los, hin zum Ausgang, ohne auch nur einen Blick hinter sich zu werfen, was mich trotz der angsteinflößenden Situation den Kopf schütteln ließ, während ich ihm nachrief: "Bleib hier, Ralph, das ist keine gute Idee!"
Kaum hatte ich ihm das zugerufen, musste ich beobachten, wie Ralph, dicht gefolgt von einem weiteren einschneidenden Knall eines unmittelbaren Schusses, ohne jegliche erkennbare Bemühungen, dem Aufprall entgegenzuwirken, im Sprint zu Boden ging, wo er sich nach dem Aufprall noch ein paar Mal überschlug und eine immer größer werdende Blutspur hinterließ.
Fassungslos starrte ich ihn an mit einem plötzlich aufwallenden Gefühl von Unwirklichkeit und dem starken Drang, sofort zu ihm zu sprinten und ihm zu helfen, was jedoch von meinem unmittelbar wieder einsetzenden Verstand verhindert wurde, der Bilder von Filmen vor meinem inneren Auge ablaufen ließ, Bilder, in denen genau solche Rettungsversuche mit dem Tod des Retters belohnt wurden.
Aus meinem äußersten Blickwinkel erkannte ich, begleitend von einem dumpfen Geräusch, wie jemand rechts von mir auf den Tresen landete, wodurch ich meinen Blick langsam in dessen Richtung wandte und in die Augen eines Mannes mit einer geschulterten Schrotflinte blickte, der mich für ein ein paar Sekunden ansah und dann lächelnd sagte, "Du wirst mit uns kommen", was mich nach einigen Sekunden, die ich brauchte, die Situation halbwegs zu erfassen, in leichte Panik versetze und mich veranlasste am ganzen Körper zu zittern, ehe ich beim Versuch aufzustehen, um davonzulaufen, lediglich über mein linkes Knie stolperte und nun regungslos am Boden lag und hoffte, dass es mich nicht auch treffen würde.
Doch dieser Totstellreflex, der im Tierreich oft von Erfolg gekrönt wurde, zeigte bei dem Mann mit der Schrotflinte keinerlei Wirkung, denn er stieß mir den Lauf erst recht unsanft in den Rücken, bevor er mich an den Haaren aus meiner liegenden Position zog, um mich mit einem in mein Ohr geraunten "zum Liegen wirst du noch Gelegenheit genug bekommen ..." mit sich gen Ausgang zu ziehen.
Meine Gedanken, was nun mit mir passieren oder, ob ich das Alles überleben könnte, wurden vom Anblick Ralphs unterbrochen, dessen lebloser Körper in einer immer größer werdenden Blutlache lag und mir die letzte Hoffnung nahm, dass er möglicherweise noch am Leben sein könnte, unterbrochen, bis mir die, vor Angst entstellten Gesichter der Leute, die sich in unmittelbarer Nähe aufhielten, erneut die Ernsthaftigkeit meiner Situation klarmachten und mir Anlass zu der Annahme gaben, dass meine Chancen relativ schlecht stehen würden, wenn ich mich von diesen Leuten einfach mitnehmen lassen würde.
Allerdings war ich Realist genug, um zu wissen, dass mir mit einer immer noch auf mich gerichteten Schrotflinte und den Haaren in der Hand meines Peinigers nicht viele Alternativen blieben, als zumindest im Moment der doch recht brutalen Aufforderung Folge zu leisten, in der Hoffnung, dass sich auf dem weiteren Weg eine Möglichkeit zur Flucht ergeben würde, bevor ich das gleiche Schicksal erleiden würde wie Ralph, dessen nun starr geöffnete Augen mir nachzublicken schienen, obwohl das physisch kaum noch möglich sein konnte.

Draußen angekommen wurden wir bereits von einem schwarzen Bus und drei davor positionierten bewaffneten Männern erwartet, die mir unangenehme Blicke zuwarfen und mir unmittelbar in den Bus folgten, der sich kurz darauf in Bewegung setzte.
Als ich das sah, drängte sich mir unweigerlich der Gedanke auf, dass die es auf mich abgesehen hatten, dass der Überfall auf das Krankenhaus auf irgendeine Weise mir gegolten hatte, auch wenn ich mir keinerlei Reim darauf machen konnte, wieso ein Teil der Verbrecher aus dem ersten Stockwerk gekommen war und was das Ganze überhaupt sollte.
Nach ungefähr einer Minute, die ich zu nutzen versuchte, um wieder halbwegs zur Besinnung zu kommen, sah mich der Typ, der mich in den Wagen zerrte musternd an, während er sich eine Zigarette anzündete, bis er schließlich mit zusammengezogenen Augen und in einem gehässigen Ton fragte: "Na, bist du sauer, weil ich deinen Freund umgelegt habe?"
Für einen Moment war ich perplex und starrte den Mann sprachlos an, doch dann schlüpfte die Frage wie von alleine über meine Lippen: "Du hast ihn umgelegt, weil du denkst, er war meine Freund?"
"Ich hab' ihn umgelegt, weil er dämlich war, weil er geglaubt hat, einer Kugel davonrennen zu können - und weil er unserem Auftrag im Weg stand." Langsam kam mir der Satz im Gehirn an, aber so ungefähr den Sinn verstand ich im ersten Moment nicht, bis es mir so langsam dämmerte.
"Mich entführen ist euer Auftrag?", fragte ich daher auch, wobei ich nicht umhin konnte, vermutlich recht verwirrt und irritiert auszusehen, immerhin hatte ich noch keinerlei blassen Schimmer, was das Ganze wirklich sollte.
"Das würde dir gefallen, nicht wahr Prinzessin?", murmelte einer der anderen Entführer, der mir gegenüber saß, und mir die gesamte Zeit unverblümt auf meine Brüste starrte. Nur kurz streifte mein Blick den Mann, dann entschied ich mich, seine lüsternen Blicke genauso zu ignorieren wie seinen gemurmelten Kommentar und ich sah stattdessen weiterhin auf den Mann, der der Anführer zu sein schien, und fragte: "Und ich bin eurem Auftrag förderlich, was auch immer das für einer ist?"

"Ich hoffe - auch für dich selbst -, dass du uns helfen wirst, jemanden zu finden: Pawel Walczak ... oder für dich vielleicht eher Martin", entgegnete er, wobei er den Namen meines Ex-Freundes abfällig betonte.
Nur sehr langsam sickerte das Gesagte in mein Bewusstsein, während zeitgleich Ralfs Worte durch meinen Kopf schossen: er hat einen Doppelgänger, einen eineiigen Zwilling ..., was mich erst nach einer kurzen Pause, in der sich meine Gedanken wieder sortierten, möglichst unbedarft sagen ließ: "Aber Martin liegt im Krankenhaus, ich wollte ihn dort gerade besuchen ..."
"Du bist nicht sonderlich schlau, oder glaubst du, dass wir dieses Gespräch führen würden, wenn er dort gewesen wäre?"
"Er war nicht da?", fragte ich jetzt doch einigermaßen perplex und sprach weiter: "Aber es ging ihm doch so schlecht, da ist er sicher nicht einfach aus dem Krankenhaus weg ..."
"Pawel war nicht da - und du kannst dir sicher sein, dass meine Männer die Suche sehr genau genommen haben - aber wenn er erfährt, dass wir seine Liebste haben, wird er schon auftauchen."
"Liebste?" Ich lachte auf und meinte mit einem Kopfschütteln: "Da seid ihr völlig unterinformiert, denn er hat längst eine andere ... vielleicht hättet ihr lieber die entführen sollen."
"Meiner Erfahrung nach liegt jemandem, der sich aufgrund einer Frau ins Koma fährt, meistens auch noch was an dieser Frau, glaubst du nicht?"

Ich schüttelte den Kopf und sah aus dem Fenster, denn ich hatte keine Ahnung, wieso Martin tatsächlich diesen Unfall hatte und ob er wirklich zu mir wollte, wie Ralf behauptet hatte, genauso wenig wie dieser Mann es wissen konnte. Der Kleinbus holperte inzwischen durch ein mir unbekanntes Gewerbegebiet mit zugewucherten Bürgersteigen, baufälligen Backsteingebäuden und zerbrochenen Fensterfronten, keine Menschenseele war weit und breit zu sehen. Der Anblick der verlassenen und heruntergekommenen Gegend ließ ein mulmiges Gefühl in mir aufsteigen und auch, wenn ich eben noch den Gedanken an das, was mir bevorstehen mochte, weit nach hinten hatte schieben können, schob er sich jetzt vehement in den Vordergrund. Wenig später bog der Bus in eine Seitengasse und hielt abrupt vor einem massiven Rolltor, dessen einwandfreier Zustand in krassem Kontrast zur Umgebung stand. Nur kurz darauf hob sich das Rolltor und der Bus fuhr ins Innere, das durch mehrere grelle Deckenlampen ausgeleuchtet war und Blick auf eine wenig einladende nüchterne Lagerhalle freigab. Kaum war er hindurch gefahren, wurde die Seitentür aufgerissen und ich sah erneut in den Lauf einer auf mich gerichteten Waffe. "Los, da rein", gab mir der Pistolenträger, der bisher noch keine einzige Silbe gesprochen hatte, den Befehl und damit die Richtung vor, während er mir gleichzeitig die Waffe so fest in den Rücken bohrte, dass ich einen Aufschrei nicht unterdrücken konnte. Die anderen Beiden waren ebenfalls ausgestiegen und gingen vorweg. Einer von ihnen hielt eine schwere Türe auf, hinter der ich einen hell erleuchteten Raum sehen konnte, während der Mann mit der Schrotflinte uns schweigend folgte, möglicherweise um dadurch meine Furcht anzufachen, was aufgegangen wäre, wenn nicht der Pistolenträger erneut das Wort ergriffen hätte: "Setz dich hin!"

Während ich auf einem kalten Metallstuhl Platz nahm, konnte ich durch die offenstehende Tür hindurch sehen, dass der vierte Entführer offenbar noch hinter dem Steuer des Busses saß und ihn wieder aus der Halle hinaus steuerte. "Arme hinter den Rücken", kam es als nächstes vom Pistolenträger, der irgendwie das Kommando übernommen hatte, während der Mann mit der Schrotflinte, der die ganze Fahrt über die Reden geschwungen hatte, den Raum durch eine weitere Stahltüre verließ, nicht ohne vorher einem der anderen beiden verbliebenen etwas ins Ohr zu flüstern, was ich jedoch nicht verstehen konnte. Meine Arme wurden schmerzhaft fest an die Stuhllehne gefesselt, dann zog sich der Entführer einen zweiten Stuhl heran und setzte sich rittlings mir gegenüber hin. Beugte sich vor und begann mir etwas ins Ohr zu flüstern. "Wir haben jetzt eine Menge Zeit und die werden wir beide nutzen", hauchte er an mein Ohr und wenn schon nicht die Art, wie er die Worte quasi in mein Ohr gleiten ließ, einen eisigen Schauer über meinen Rücken laufen ließ, so vermochte dies seine Wange, die er provokant sachte an meiner rieb. Ein Blick von ihm genügte und auch der dritte Mann verließ den Raum und ließ mich mit dem Pistolenträger allein. Der stand von seinem Stuhl auf, drehte diesen herum und setzte sich nun so mir gegenüber, dass seine Beine sich provokant zwischen meine drängten und sie auseinanderschoben, während er sich wieder ganz nah zu mir beugte und mir mit einem süffisanten Grinsen tief in die Augen sah. "Nun, was sollen wir jetzt machen?" kam die sehr einfache Frage, die doch sehr sehr bedrohlich wirkte. Ehe ich mir eine Antwort zurechtlegen konnte, erschütterte eine Explosion die gesamte Lagerhalle, mit quietschenden Reifen schien Augenblicke danach im angrenzenden Raum ein Fahrzeug zum Stehen zu kommen und stakkatoartig ertönten Schüsse.
Grade als ich mir die Frage stellen wollte, in was für einen Alptraum ich da geraten war, sprangen drei Männer von der Ladefläche des Fahrzeugs, eröffneten das Feuer auf mein Gegenüber, was mir ein weiteres ungewolltes Blutbad direkt vor meinen Augen bescherte, wobei eine der Kugeln ein Stück der Rückenlehne meines Stuhles wegriss. Ich konnte mit ansehen, wie eine Kugel durch den Kopf des Mannes schoss, der mir gegenüber saß. "Pass auf, du Idiot!", Schrie einer der Männer, die auf meine sich versteckenden Entführer schießend in meine Richtung rannten, "Stell dir vor, du hättest sie getroffen."
Fassungslos hörte ich die Worte und verstand absolut nichts mehr, was genau ging hier jetzt vor. Ich hatte null Ahnung, was jetzt kommen sollte oder wer diese Männer waren. Doch zunächst war ich dankbar, dass einer von ihnen mich vom Stuhl losschnitt und mir erstaunlich sanft hochhalf, während sich einer der anderen beiden mit gezogener Pistole gehetzt wirkend umsah und dabei ausstieß: "Und jetzt nichts wie raus hier ..."
Obgleich dieser Typ einen ganz schön angsteinflößenden Gesichtsausdruck hatte, kam ich nicht umhin, diese Idee ziemlich gut zu finden, woraufhin ich etwas verängstigt vom Stuhl sprang und wild um mich blickend, ohne ein Wort von mir zu geben, in Richtung des Wagens stolperte. Als ich fast stürzte, packte mich der, der eben noch gerufen hatte, recht unsanft am Arm und zog mich mit sich, was zwar äußerst schmerzhaft war, aber auch verhinderte, dass ich tatsächlich zu Boden ging.
"Habt keine Angst, wir bringen euch in Sicherheit.", sprach er mit fast übertrieben freundlicher Stimme zu mir, während sich seine Hand an meinem Arm lockerte.
Euch ...
wiederholte ich in meinem Kopf und fragte mich, wen er da meinte, war ich immerhin alleine hierherverschleppt worden.
Nachdem ich den Mann für eine Weile mit einer Mischung aus Verwirrtheit und Ängstlichkeit ansah, legte er seine Hand auf meinen Rücken und sagte, "Kommt jetzt bitte, wir erklären euch alles, wenn wir in Sicherheit sind", wodurch ich mir jetzt die Frage stellen musste, ob man mich wohlmöglich verwechselt haben könnte, was ich allerdings nicht unbedingt thematisieren wollte, bevor ich die Gewissheit hatte, in Sicherheit zu sein.
Ich kam auch nicht zu weiteren Überlegungen, denn der Druck in meinem Rücken verstärkte sich jäh und ich wurde vorangetrieben, was auch gut war, denn kaum hatte man mich kurz darauf mehr oder weniger auf der Beifahrerseite in den Wagen bugsiert, brach draußen auch schon die Hölle los ...
"Wir kommen jetzt raus", sprach der Fahrer des Wagens in ein Mikrofon an seinem Körper, woraufhin er den Wagen wenige Sekunden später trotz weiterer Schüsse, die außerhalb des Gebäudes fielen, in Bewegung setzte.
Durch die rasante Anfahrt wurde ich in den Sitz gepresst und griff instinktiv nach dem Sicherheitsgurt, so unsinng das in meiner Situation auch erscheinen mochte und während ich noch nach dem Teil angelte, preschte der Wagen durch das Rolltor, das anders als bei der Herfahrt völlig zerbeult und zerquetscht war, und ließ kurz darauf die noch fallenden Schüsse und das Schreien hinter sich, um mit hohem Tempo durch die verlassene Gegend zu brausen.

Nach einer Weile anhaltender Todesangst, die ich damit zubrachte, mich zu beruhigen, fuhren wir bereits auf dem Highway durch die Stadt und obwohl es für alle offensichtlich sein musste, dass mir unendlich viele Fragen durch den Kopf schossen, brachte ich kein einziges Wort hervor, während ich daran dachte, dass ich vor wenigen Stunden noch zusammen mit Ralph auf der gleichen Straße ins Krankenhaus fuhr.
Die monotone Fahrt, das Schweigen des Fahrers und des Mannes, der mich mit "euch" angeredet hatte und nun ebenfalls neben mir auf der breiten Sitzbank des Wagens saß, sowie die Strapazen des Tages mit all seinen unglaublichen und schrecklichen Wendungen, führten dazu, dass es nicht lange dauerte und ich fiel in einen tiefen Schlaf, in dem wirre Träume mich heimsuchten.
Nach einer gefühlten Ewigkeit wachte ich langsam wieder im leeren Wagen auf und blickte von einem großen Hof aus auf ein großen Anwesen, vor dessen Eingang ein Mann und eine Frau standen, die in meine Richtung blickten, als ich plötzlich durch ein Geräusch neben mir den Kopf zur Seite drehte und ein Mädchen neben mir auf dem Sitzbank sah, das auf ihrem Smartphone tippte.
"Wer bist du?", fragte ich, doch statt einer Antwort hörte das Mädchen auf zu tippen, sah mich mit großen Augen kurz an, bevor sie die Türe öffnete, um sich vom Sitz nach draußen gleiten zu lassen und zu rufen: "Mami, sie ist jetzt wach!"
Nur wenige Sekunden später vernahm ich den Klang von Absätzen, die sich dem Wagen näherten, während mich das kleine Mädchen mit großen Augen angrinste, bis an ihrer Seite eine wunderschöne Frau in schwarzem Blazer und schwarzen Jeans auftauchte und mir entgegenlächelte, "Du musst hungrig sein. Lass uns reingehen.".
Ich brauchte einen Moment, bevor ich reagierte und es fast automatisch über meine Lippen kam: "Wo bin ich hier?", während der Gedanke an etwas zu essen mich mit knurrendem Magen wie von alleine aussteigen ließ.
"Eine sehr enge Freundin deiner verstorbenen Eltern, Marie.", erwiderte die Frau, "Ich war so frei, dich in eine... weniger aufregende Umgebung bringen zu lassen. Aber lass uns drinnen weiter reden".
Eine Freundin meiner Eltern?, fragend sah ich zu der Frau, die sich als Marie vorgestellt hatte, und versuchte, einen Zusammenhang zwischen den Ereignissen von ... ja, von wann? Wieviel Zeit war vergangen?
Trotzdem, oder gerade deshalb, weil ich so viele Fragen hatte, stieg ich aus dem Auto aus und folgte dieser wunderschönen Frau. Das kleine Mädchen ging mit durch die große und einladende Tür.
"Dann...", brach ich die Stille, die ansonsten nur durch die Absätze dieser Frau gestört wurde, "habe ich meinen Name also durch dich bekommen?, woraufhin das kleine Mädchen vor uns auf der Treppe, die wir grad hinaufstiegen, stehen blieb und mich mit großen Augen ansah, "Dann heißt du genauso wie meine Mutti?".
Ich nickte stumm und die Frau erklärte dem Mädchen in freundlichem Ton: "Ja, ihre Eltern haben sie nach mir benannt, weil ich ihre Patentante bin", während ich aus den Augenwinkeln den Mann bemerkte, der zuvor noch vor dem Eingang gestanden hatte und der mich jetzt neugierig von oben bis unten musterte.
"Also wirklich Tom, wie unhöflich von dir, eine junge Dame so anzustarren.", sprach meine Patentante in einem sehr charmanten und belustigten Ton, bis sie sich ihrer Tochter zuwandte: "Lisa, willst du Maria nicht ihr Zimmer zeigen? Mama hat noch etwas zu erledigen."
Der mit Tom Angesprochene zuckte kurz zusammen und wandte sich demonstrativ ab, während das Mädchen mit einem Grinsen nach meiner Hand griff, um mich wohl zum entsprechenden Zimmer zu führen, was ich jedoch mit einem kopfschüttelnden "Ich möchte jetzt kein Zimmer sehen, ich möchte wissen, was das Ganze soll, wieso ich hier bin, welche Rolle Sie spielen", ablehnte, da mir die gehäuften freundlichen Reaktionen der mir völlig fremden Menschen suspekt zu erscheinen begannen.
Für einen kurzen Moment sah mich Marie etwas überrascht an, bis sie ein leichtes Lächeln aussetze und sagte: "Du kommst ganz nach deiner Mutter. Also schön, folge mir. Ich möchte dir etwas zeigen.".
Kurz darauf standen wir in einer Art Arbeitszimmer, dessen Fenster durch herabgelassene Rolläden verdunkelt waren und das durch eine relative nüchterne Deckenbeleuchtung erhellt wurde und die Frau, die sich als Marie vorgestellt hatte, wies mit einer Hand auf eine Wand, die voll gespickt war mit Karten, Zeichnungen, Fotografien, Skizzen, Zeitungsausschnitten und allem, was man aus jedem guten Krimi kannte.
Sowie ich an die Wand herantrat, fielen mir Artikel und Fotos über jene Serie von Einbrüchen und Diebstählen von vor einigen Jahren auf, bei denen Wertsachen und geheime Dokumente in einem Wert von einigen Milliarden entwendet wurden.
Doch dann fiel mein Blick auf ein Foto von Martin oder besser gesagt viele verschiedene Fotos von Martin, bei denen er jedes Mal anders aussah und ich näher herantreten musste, um überhaupt mit Gewissheit sagen zu können, dass es sich um meinen Ex-Freund handelte, was noch dadurch erschwert wurde, dass die Fotos die unterschiedlichsten Namen trugen wie Martin Bauer, Pawel Walczak, Gordon Scott und Francois Michel.
Nach einem anhaltenden Moment der Stille, in dem mein Herz vor paranoiden Gedanken raste, fing Marie zu meinem leichten Entsetzen herzhaft an zu lachen, bis sie sich letzten Endes ein wenig beruhigte, um mir zu erzählen, "So gern ich auch wüsste, was in diesem Moment in deinem Kopf vorgeht, möchte ich dich nicht auf die Folter spannen, denn du musst wissen, dass all diese Diebstähle... deine Eltern und ich geplant haben.", was meinen Puls für einen kurzen Moment gegen Null tendieren ließ, was Marie allerdings nicht davon abhielt, lächelnd fortzufahren, "Versteh' das bitte nicht falsch. Wir sind keine Verbrecher und haben lediglich nach unserem eigenen Gerechtigkeit gehandelt. Denn du musst wissen...", bis ich sie mit einer Frage, die mir plötzlich durch den Kopf schoss, unterbrach: "Martin! ... Was hat er damit zu tun?".
Marie stutzte und ich sah, wie sie für einen kurzen Moment die Fassung verlor, doch sie fing sich rasch wieder und erklärte mit erneut souverän klingender Stimme: "Da ist was aus dem Ruder gelaufen, wir sind noch dabei, die Einzelheiten herauszufinden, aber was wir schon wissen ist, dass es jemanden gibt, der wie Martin aussieht und das zu seinem eigenen Vorteil nutzt."
Das klang so verrückt, dass es nicht erfunden sein konnte, aber dennoch zu verrückt, dass ich die Geschichte einfach glauben könnte, "Du willst mir doch nicht etwa den bösen Zwilling auftischen, oder?".
Marie lachte - auch wenn ihr Lachen ein wenig gezwungen klang - und erwiderte: "Nein, einen biologischen Zwilling konnten wir ausschließen, aber noch nicht vom Tisch ist, dass er Martin einfach ähnlich sieht, aber auch eine Gesichtsoperation können wir nicht ausschließen, genauso wenig, dass er eine sehr gut gemachte, professionelle Maske trägt."
"Ehhh... ", begann ich mit einem Gesichtsausdruck, der ganz offensichtlich erkennen ließ, dass ich absolut nicht verstand, was das alles zu bedeuten hatte, "und was genau macht dieser ... falsche Martin?".
Marie legte einen Arm um meine Schulter, was ich irgendwie mit mir geschehen ließ, und meinte mit einem Lächeln: "Wie wäre es, wenn du dich erst mal ein wenig frisch machst und dich umziehst? Ich richte uns inzwischen etwas zu essen her und dann können wir alles in Ruhe bei einem gemeinsamen Mahl besprechen."
Ich hatte das Gefühl, als könne das noch eine sehr lange Unterhaltung werden und da sich meine Begierde, wissen zu wollen, was hier vor sich geht, in Anbetracht dieser scheinbar verrückten Geschichte deutlich geschmälert hatte und mittlerweile von meinem Hunger überholt wurde, nickte ich nur etwas zögerlich.

"Lisa, zeigst du Marie jetzt ihr Zimmer?", forderte meine Patentante das Mädchen auf, das sich inzwischen an den Schreibtisch gesetzt hatte und dort mit Buntstiften ihrer Kreativität freien Lauf ließ, woraufhin die Kleine mit strahlenden Augen zu mir gelaufen kam, mich völlig vorbehaltlos an der Hand fasste und mich ohne weitere Worte mit sich zog, die Treppe hinauf und hinein in das erste Zimmer, das auf der rechten Seite eines langen Korridors lag.
Wir standen in einem großen schön eingerichteten Zimmer, welches durch das Licht, das durch die Türen der anliegenden Terrasse hereinströmte, erleuchtet wurde, als ich in Anbetracht dessen, was ich von dem Anwesen bereits gesehen hatte, eher mittelmäßig überrascht meinen Blick durch das Zimmer schweifen ließ, kam ein Dienstmädchen aus einem Nebenzimmer, das ich bis zu diesem Zeitpunkt noch garnicht registriert hatte, musterte mich kurz und lächelte mir mit einer kleinen Verbeugung entgegen "Das Badewasser ist eingelassen. Bitte sagt mir, wenn ihr etwas braucht.", was mir allerdings ein wenig unangenehm war, jedoch nicht zum Ausdruck bringen konnte, da sich sowohl das Dienstmädchen als auch Lisa mit den Worten "Ich bin gleich im Zimmer nebenan, wenn du mich suchst." unmittelbar danach aus dem Zimmer zurückzogen.
Mir blieb nur wenig Zeit, mich im Zimmer umzusehen, kurz die Beschaffenheit des luxuriösen Betts zu testen und mich wieder zu erheben, um nach dem angrenzenden Badezimmer zu sehen, als auch schon ein schriller Ton losging und dazu plötzlich das Zimmer in ein in regelmäßigen Abständen leuchtendes Rot getaucht wurde, das - wie ich schnell erkannte - von einer über der Türe angebrachten Leuchte herrührte, die ganz offenkundig Bestandteil einer wie auch immer gearteten Alarmvorrichtung war.
"Ich hab' das Gefühl...", murmelte ich ein wenig genervt vor mich hin, "als müsste mein Bad etwas warten.", worauf ich mich einfach aufs Bett warf und den Schritten draußen auf dem Gang lauschte, die nach ca zwei Minuten verstummten, was mich dazu brachte, mich vom Bett zu schwingen und zur Tür zu gehen, um nachzusehen, was vor sich ging.
Vorsichtig machte ich die Tür einen Spalt auf um auf den langgezogenen Flur zu spicken. Ich konnte allerdings nur noch die letzten Schritte von der Kleinen sehen, also machte ich die Tür zu und wendete mich dem Raum zu, wo anscheinend das Badewasser auf mich wartet ...
Etwas gleichgültig und genervt von dem, was mir den ganzen Tag widerfuhr, hinterließ ich auf dem Weg ins Bad eine Spur mit meinen Klamotten, stieg in die Wanne und vergaß alles um mich herum, bis ich nur wenige Minuten später einnickte.
Doch mir sollte kein langes Badevergnügen beschieden bleiben, denn kaum war ich eingenickt, riss mich jemand auch schon wieder äußerst unsanft aus dem Wasser hoch und zerrte mich förmlich aus der Wanne, während eine mir unbekannte männliche Stimme mir ins Ohr zischte: "Du bist wohl von allen guten Geistern verlassen! Hast du den Alarm nicht gehört? Jetzt ist wirklich nicht die Zeit für ein Nickerchen in der Wanne ... Ich glaub's ja nicht ..."
Völlig schlaftrunken ließ ich mich aus der Badewanne ziehen und stand ein paar Sekunden nackt, den Blick aufs Wasser gerichtet, vor dem Mann bis ich wenige Sekunden später unangenehm realisierte, dass ich nichts anhatte und den Mann, der in diesem Moment mit einem Handtuch neben mit auftauchte, im Affekt in die Wanne stieß.
Als ich das perplexe Gesicht des gar nicht mal so unattraktiven Mannes in der Wanne sah, musste ich laut loslachen, was mir einen bitterbösen Blick einbrachte, den der etwa 30Jährige auch noch zeigte, nachdem er sich sehr geschmeidig und flott wieder aus dem Wasser geschwungen hatte, tropfend und sich für einen kurzen Moment schüttelnd wie ein Bernhardiner.

Als wenige Sekunden meines Gelächters später meine Priorität erneut auf die Tatsache, dass ich nackt vor ihm stand, fiel, hörte ich aprupt auf zu lachen und stieß meine Hände nach vorne, um ihn erneut in die Wanne zu stoßen, als mein Blick plötzlich an seinem nassen Shirt hängen blieb, was seinen muskulösen Körper ... verdammt gut zur Geltung brachte, und mein angetzter Stoß endete damit, dass meine Hände ganz sanft auf seinen Oberkörper klatschten und neben meinen Augen jetzt ebenfalls erstmal dort fixiert waren, bis er gefühlte zehn Sekunden später langsam das klatschnasse Handtuch über meine Arme legte, die weiterhin zu seinem Oberkörper ausgerichtet waren.
Nur kurz darauf hatte er mich in wenigen gezielten Bewegungen so um meine eigene Achse gedreht, dass mein Rücken gegen die Vorderseite seines Körper gepresst wurde, während er mit seinem muskulösen Unterarm das nasse Handtuch vor meinem Körper fixierte und mich, meine Arme bewegungslos eingeklemmt, aus dem Zimmer bugsierte.
"Eh... Hey!", rief ich leicht entsetzt, "Nur, weil du gut aussiehst und durchtrainiert bist, gibt dir das nicht das Recht, mich so zu behandeln!", was mir bereits in dem Moment, in dem ich es aussprach, etwas peinlich war, aber offenbar den gewünschten Effekt hatte, da er mich kurz darauf losließ und mir so die Möglichkeit gab mit einem spontanen Anschein, beleidigt zu wirken, meine würde widerherzustellen.
Doch wenn ich gedacht hatte, dass ich nun die Oberhand gewinnen würde, hatte ich mich getäuscht, denn der Mann drehte sich einfach auf dem Absatz um und ließ mich stehen, um gleich darauf mit großen Sätzen die Treppe hinunterzueilen, während er fast wütend ausstieß: "Die hätten dich einfach dort lassen sollen, dann hätten wir ein Problem weniger."
Nach einem kurzen Moment, den ich brauchte, um zu realisieren, dass mein neuer Lieblingsplayboy ein ganz schön großes Arschloch war, rief ich ihm leicht angepisst "Was hast du-" hinterher und stampfte dabei wütend auf die übernächste Stufe auf, um ihm zu folgen, rutschte jedoch aufgrund meiner nassen Füße aus, machte beim Versuch, nicht auf den Hintern zu fallen, einen recht ungeschickten Satz nach vorne und riss uns ein paar Stufen später beide nach unten, wo ich im Gegensatz zu meinem Charmeur relativ weich landete und auf sein anschließendes langes Seufzen nur noch "Nimm das!" murmelte.
Doch fast im gleichen Moment wurde mir die Absurdität der Situation klar und auch, wie tolpatschig ich mich schon wieder einmal benahm und das innerhalb nur weniger Minuten, so dass ich mich an meiner Oberhand, die ich eindeutig schon aus meiner Position heraus besaß, nicht wirklich lange erfreuen konnte, sondern stattdessen lieber das Handtuch schnell um mich schlang, um mich so rasch wie möglich aufzurappeln und einige gehörige Schritte zwischen den von mir zu Fall Gebrachten und mich zu bringen.
Gleich darauf richtete er sich ebenfalls auf, atmete tief ein und stand ein paar Sekunden, mir den Rücken zugewandt, regungslos da, ehe er mich überraschend ausdrucklos ansah, an mir vorbei ging und mir noch im Vorbeigehen sagte: "In deinem Zimmer liegen frische Klamotten. Du solltest dich erstmal umziehen und dann nachkommen.".
Das wiederum ließ mich perplex zurück, denn hatte er nicht gerade noch gedrängt, dass ich mitkommen sollte, mich quasi aus der Wanne gezerrt und mich auf den Alarm aufmerksam gemacht, der - wie ich feststellte - immer noch anhielt und jetzt machte er auf einmal auf cool und überließ es mir, wann ich mich dazu bequemte, nachzukommen?
Ich hatte allerdings keine Lust, groß weiter darüber nachzudenken, zumal ich die Idee mit den Klamotten angesichts des nassen Handtuches, dass ich trug, garnicht so schlecht fand, woraufhin ich mich auf direktem Wege zurück in mein Zimmer machte, mich abtrocknete und bei den Sachen bediente, die auf dem Tisch lagen.

Kaum war ich angezogen, fühlte ich mich wie ein neuer Mensch, Tatendrang durchzog mich und ich verließ ein weiteres Mal das Zimmer, um zu sehen, wo die anderen hin waren, was sich jedoch recht schnell als langwieriger und schwieriger herausstellte als gedacht, da das ganze Haus mit einem Mal wie ausgestorben wirkte und der gleichmäßig schrille Ton, der insbesondere im Treppenhaus mehr als deutlich zu hören war, mir eiskalte Schauer über den Rücken laufen und mich innehalten ließ.
Dieses ganze Szenario ließ mich kurz an Resident Evil denken, als Alice im Krankenhaus aufwachte, was nach genauerem Nachdenken jedoch nicht wirklich vergleichbar war und so entschied ich mich kurz um, den Weg über die Treppe zurück nach unten zu nehmen.
Kurz überlegte ich, ob ich rufen sollte, doch ich beschloss, dass es wohl besser wäre, möglichst leise zu sein, weil ich überhaupt nicht einschätzen konnte, ob es tatsächlich eine Gefahrenlage gab oder ob sich alle nur irgendwo in die Scheune verzogen hatten, um mir einen Streich zu spielen, Gedanken, die mich bei meinem automatisch schleichenden Gang durch das Haus begleiteten, einen Gang, der keinerlei Lebewesen zu Tage förderte, keine Spur von Marie oder den anderen.
Ich beschloss also, mich in Richtung des Eingangs aufzumachen und nahm den Gang, der mich an einer Reihe Fenster über einen Bogen zur Treppe, die hinab ins Erdgeschoss führte, führte, als ich zufällig aus dem Fenster sah und eine große Ansammlung von Leuten erblickte, die sich auf dem Hof vor dem Anwesen versammelt hatten und recht aufgebracht zu sien schienen, woraufhin ich so schnell wie ich konnte nach unten rannte, um zu ihnen zu stoßen.
"Das ist jetzt schon das dritte Mal in diesem Jahr, dass wir von Ihnen wie Verbrecher behandelt werden, nur weil wir uns Ihrem Anwesen nähern", sagte gerade der offensichtliche Rädelsführer, der sich Zustimmung heischend nach seinen Begleitern umblickte, die tatsächlich gleich nickten und mit "Genau", "Richtig", "Das geht so nicht" zustimmten, was Marie, die mit einem Lächeln dastand und sich das Ganze ruhig anhörte, nicht aus der Ruhe zu bringen schien, ganz im Gegenteil wies sie mit der Hand in meine Richtung bzw. in Richtung Eingang und bot sehr ruhig und freundlich an: "Mister Tucker, kommen Sie und auch Ihre Begleitung doch bitte auf ein Glas Tee oder Wein oder was immer Sie möchten herein, dann können wir alles in Ruhe besprechen."

Und so gingen Marie, der Mann, den Marie Mister Tucker nannte und vom Äußeren einem Kriegsveteranen glich, eine sympathische junge Dame, die nicht von seiner Seite wich, und weil ich das dringende Bedürfnis hatte, nicht wieder allein gelassen von seltsamen Typen heimgesucht zu werden, auch ich mit den dreien mit und so befanden wir uns kurze Zeit später erneut in dem Zimmer mit all den Zeitungsartikeln und den Fotos von Martin bzw. dem, der ihm ähnlich sah. Kaum traten wir alle in das Zimmer, sahen wir so viel Dokumente, die an den Wänden hingen, so wie auf den Tischen und anderen Möbelstücke lagen. Wenn wir all das durchschauen wollten, würden wir sehr sehr lange brauchen.
"Nun, Mister Tucker, hätten wir eine Einigung bezüglich einer Zusammenarbeit geschlossen, hätte ich Ihnen einen Schlüssel fürs Gartentürchen geben können und Sie würden nicht jedes Mal den Alarm auslösen.", lockerte Marie die leicht angespannte Stimmung auf, "Aber kommen wir zum Wesentlichen. Ohne Ihre Informationen hätten wir die kleine Marie wohl ihrem Schicksal überlassen müssen.", sagte sie in meine Richtung deutend, was nun auch den Blick der anderen beiden auf mich zog, deren erhellte Blicke mir sagten, dass sie Dinge über mich wussten, die mir selbst noch nicht zugetragen würden, was mich stirnrunzelnd den Blickkontakt mit Marie suchen ließ.
Doch Marie war offenbar zumindest im Moment nicht gewillt, mich weiter aufzuklären, stattdessen sprach sie weiter, was die Blicke der anderen wieder auf sie lenkte: "Hat Ihr Besuch heute also etwas damit zu tun, Mister Tucker oder was möchten Sie dieses Mal?"
"Unser Angebot, über Sie erst nachzudenken wünschten, war, dass wir als gleichgestellte Partner zusammenarbeiten.", erwiderte Mr Tucker, ohne zu zögern, "Die Unterstützung bei der Rettung der jungen Dame war für uns eine Selbstverständlichkeit. Wer wären wir, das als Druckmittel zu verwenden? Wir sind heute hier, weil Jamy Lanusta, der dieses Wochenende eine Kunstausstellung veranstaltet, eine sehr gute Gelegenheit wäre, mit einer Zusammenarbeit zu beginnen.".
Marie lächelte sanft und schwieg einige Augenblicke, bevor sie sehr ruhig erwiderte: "Wir schätzen Sie sehr, Mister Tucker, denn Ihre Informationen haben sich bislang immer als äußerst präzise und nützlich erwiesen. Aber als gleichgestellte Partner zusammenzuarbeiten kommt für uns nicht in Frage, das hatten wir Ihnen bereits mehrfach erläutert. Und was Jamy Lanusta anbelangt, haben wir dieses Wochenende schon andere Pläne."
Relativ emotionslos und offenbar wenig überrascht über Maries Antwort erwiderte Mr. Tucker: "Nun... dann lassen Sie mal hören."
Marie behielt ihr Lächeln bei und antwortete fast augenblicklich: "Sie verstehen sicher, Mr. Tucker, dass wir Sie zum momentanen Zeitpunkt nicht in unsere Pläne für das Wochenende einweihen können. Allerdings gäbe es da etwas, das Sie für uns tun könnten. Es ist nicht ganz ungefährlich und hat mit einem gewissen Herrn zu tun, der uns zunehmend Schwierigkeiten bereitet. Wenn Sie uns auch bei diesem Problem Unterstützung bieten könnten, wäre ich durchaus gewillt über eine Zusammenarbeit in der Zukunft nachzudenken, bei der Sie direkt am jeweiligen Projekt beteiltigt wären."
"Das ist wieder sehr viel Konjunktiv, den sie da verwenden", antwortete Mr Tucker, "Hören Sie, Mrs. Vermillion. Wir wissen beide, dass wir Ihnen viel schulden. Ich bewundere ihren Sinn für Gerechtigkeit sehr. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass wir Ihnen viel effektiver unter die Arme greifen können... Also, wie können wir Sie in der Sache unterstützten?".
Doch Marie kam nicht dazu zu antworten, da just in dem Moment mein Badewannenopfer auf lautlosen Füßen herangetreten war und ihr nun etwas ins Ohr flüsterte, was sie nach einigen Augenblicken des Zuhörens mit einem "Danke, Ryan", quittierte, um daraufhin zu Mister Tucker zu sehen und zu sagen: "Es tut mir Leid, Mister Tucker, aber ich muss Sie für einen Moment allein lassen, wir werden unsere Unterhaltung aber in Kürze fortsetzen. Bis dahin leisten Sie doch bitte Marie Gesellschaft." Während sie das sagte, kam ich nicht umhin, meinen Blick auf dem Ekel aus dem Badezimmer haften zu lassen, der sich als Ryan entpuppt hatte, was mir ohne dass ich es wirklich merkte, ein kleines Lächeln ins Gesicht zauberte, das noch dadurch gefördert wurde, dass Ryan sich in der Zwischenzeit offenkundig umgezogen hatte und nun ein umwerfend blaues Hemd trug, das fantastisch zu seinen ebenso blauen Augen passte.
Er und Marie verließen ohne weitere Ausflüchte den Raum und ließen mich mit Mr Tucker und seiner Begleiterin, die sich allerdings auch selbst gut abzulenken wusste, allein, was mir zunächst etwas unangenehm war, da ich die beiden erst vor wenigen Minuten das erste Mal gesehen hatte und es mir so vor kam, als hätte Marie den Raum mit einer Stimmung verlassen, die nicht im Sinne von Mr Tucker zu sein schien, was mich allerdings nicht von einer ganz bestimmten Frage ablenken konnte und so fragte ich ihn kurzum: "Was meinten Sie als sie sagten, dass sie meiner ... Tante viel schulden?", was nicht nur die Aufmerksamkeit von Mr Tucker, der mich leicht überrascht ansah, sondern auch die seiner jungen Begleiterin weckte. Anscheinend wusste sieauch noch nicht, was da eigentlich alles abging. Und da sie sehr neugierig war, war sie mehr als gespannt.
"Nun ...", begann Mister Tucker und sah mich zunächst so an, als würde er überlegen, wie viel er mir sagen konnte oder auch sagen durfte, bevor er etwas zögerlich fortfuhr: "Sie hat uns vor ein paar Jahren finanziell sehr unter die Arme gegriffen." Er sah zu seiner jugendlichen Begleiterin und ergänzte, nur für sie bestimmt: "Das war als deine Großmutter so schwer krank wurde und diverse Operationen brauchte ..."
"Ich kenne die Geschichte, Vater.", warf Mr. Tuckers Tochter recht emotionslos ein. "Das war doch auch als ihr euch mit einer großen Waffenlobby angelegt habt, was ohne die Unterstützung von Marie und ...Maries Eltern schwer nach hinten losgegangen wäre.", fuhr sie fort und begann mich etwas seltsam anzusehen. "Es ist echt nervig, dass ihr beide Marie heißt. Ich heiß' übrigens Anna und dich nennen wir einfach mal 'Mary'.", sagte sie lächelnd, den Zeigefinger aus dem Handgelenk heraus auf mich gerichtet.
Dass jetzt auch noch Mister Tuckers Tochter Anna anfing, über meinen Kopf hinweg über mich zu entscheiden, ging mir gehörig gegen den Strich und so platzte es aus mir weit unhöflicher heraus als ich es eigentlich wollte: "Nein, keiner nennt mich einfach mal 'Mary'! Und ihr ganz sicher nicht! Mein Name ist Marie und wenn ihr Probleme habt, uns beide auseinanderzuhalten, dann ist das euer Problem!" Passend zu diesem Ausbruch drehte ich mich auf dem Absatz um und folgte meiner Patentante und Ryan aus dem Zimmer.
Anna, die mich während meines kleinen Ausbruchs stirnrunzelnd ansah, fing kurz nach meinem Abgang an zu kichern und rief mir noch "Bis später, Mary!" hinterher. Auf dem Flur entlang laufend wusste ich jedoch nicht einmal, warum genau ich überhaupt so sauer wurde. Dieser Gedankengang wurde jedoch dadurch unterbrochen, dass Ryan sich kurz zu mir umdrehte, mich leicht abfällig ansah und seinen Blick mit einem "Tss!" wieder nach vorn richtete.
Ich ignorierte Anna, die mir mit einem Mal äußerst unsympathisch wurde, ebenso wie Ryan, dessen abfällige Art völlig unangebracht war, zumindest soweit ich das zum jetzigen Zeitpunkt beurteilen konnte, und fragte mich, wieso meine Patentante immer noch im Flur war, obgleich sie doch schon einige Minuten vor mir aus dem Zimmer gegangen war. Doch ich sollte sehr rasch eine Antwort erhalten, da Marie sich zu mir umsah und mich hektisch zu sich winkte.
Marie musste zunächst etwas kichern als ich auf sie zukam und flüsterte mir dann lächelnd ins Ohr: "Deine Mutter bekam auch manchmal schlechte Laune, wenn sie müde war." Sie sah kurz hinüber zu Ryan und musterte mich für ein paar Sekunden. "Du und Ryan habt offenbar einen schlechten Start gehabt. Ich versichere dir jedoch, dass er dich nicht hasst, auch wenn er es durch seine eigenwillige Art gut kaschieren kann. Deine Mutter und Ryan waren sehr gute Freunde, musst du wissen. Aber genug für heute. Ich werde dir morgen erklären, was es mit Jamy Lanusta auf sich hat. Jetzt solltest dich erstmal ausschlafen.", sagte Marie und suchte den Blickkontakt zu Ryan, "Ryan wird dich auf dein Zimmer bringen".
Eigentlich wollte ich nicht, das Ryan mich in mein Zimmer begleitet, aber da ich mich im Moment noch gar nicht in dieser Villa auskannte, fügte ich mich dem sogenannten Schicksal und lies mich von ihm in mein Zimmer bringen. Sie hatte auch recht, weil ich doch, von so viel Aufregung sehr müde war. Morgen war auch noch ein Tag.
Und der kam mit einem Paukenschlag, der es in sich hatte ...Eigentlich wollte ich in Ruhe schlafen, doch ich wurde mitten in der Nacht von einem lauten Donnerschlag aus dem Bett gerissen und nichts war mehr, wie vorher.
Ohne mich entsinnen zu können, mich aufgerichtet zu haben, saß ich plötzlich im Bett und versuchte im Halbschlaf meine Gedanken zu ordnen, um herauszufinden, ob es tatsächlich einen lauten Knall gab, oder ich nur geträumt hatte. Ich bemerkte ein rotes Flimmern, das sich im Fenster reflektierte, woraufhin ich es aufriss und ein Feuer im Innenhof sah. Ohne nachzudenken sprang ich aus dem Bett, schnappte mir noch eine Jacke vom Stuhl und rannte zur Treppe, um in Erfahrung zu bringen, was da vor sich ging.
Doch im Treppenhaus war niemand zu sehen, so dass ich flugs aus der Eingangstüre im Erdgeschoss ins Freie trat, wo der Erste, auf den ich stieß, - wie konnte es anders sein - Ryan war, der mit verschränkten Armen und finsterer Miene auf das Feuer blickte, das rund ein Dutzend Helfer offenbar bereits unter Kontrolle gebracht hatten. Ohne mich anzusehen murmelte er: "Seit du da bist, gibt es nichts als Ärger ..." "Wie meinen?", entschlüpfte es mir sofort und ich setzte nach: "So wie ich meine Patentante verstanden habe, habt ihr schon seit Längerem Ärger und das hat nichts, aber auch absolut nichts mit mir zu tun ..." "Nein, ... da hast du Recht, aber trotzdem ... so viel Unglück in letzter Zeit ..." er zeigte dabei auf das Feuer, das sie langsam bekämpften.
"Nun mach' es doch nicht dramatischer, als es eigentlich ist.", ertönte die Stimme meiner Tante, die in aller Ruhe zu uns stieß und das Feuer beobachtete, als würde sie das überhaupt nichts angehen, hinter mir. Wir haben eines unser Spielzeuge, das wir für unseren Freund Jamy Lanusta vorbereitet haben, ausprobiert, wodurch einer unserer Tanks Feuer gefangen hat. Sie sah mich lächelnd an und sagte: "Es ist alles gut. Niemand wurde dabei verletzt. Entschuldige, dass du wach geworden bist. Geh' ruhig wieder ins Bett."
Ich schüttelte vehement den Kopf, zum einen, weil ich es leid war, wieder einmal abgeschoben zu werden, zum anderen, weil ich mittlerweile putzmunter war und keinerlei Bedürfnis verspürte, mich wieder hinzulegen, weshalb ich auch sagte: "Du wolltest mir morgen sagen, was es mit diesem Jamy Lanusta auf sich hat ... jetzt ist bereits morgen und mich würde das brennend interessieren, schon alleine, weil ihr wegen ihm so ein Spektakel veranstaltet habt."
 

Lia

Don't eat the help! ツ
Otaku Veteran
Nach einem schlechten Start in den Samstag entschied ich mich ( Marie, schwarze Haare, grüne Augen, Körbchengröße 75F), nicht auf Arbeit zu gehen und kehrte durchnässt in meine Wohnung zurück, in der ich bis Sonntag durchschlief.
Ralf, der Freund meines Exfreundes Martin, klingelte an meiner Tür und berichtete, dass mein Ex Martin im Koma liegt. Es ereignete sich wohl drei Wochen zuvor bei einem Motorradunfall. Da ich Martin beim Rumknutschen mit seiner Kollegin Sophie erwischt hatte, hatte ich den Kontakt zu ihm bereits zuvor abgebrochen.
In diesem Zusammenhang machte Ralf einen dummen Witz darüber, dass es sich um einen Doppelgänger oder seinen Zwillingsbruder gehandelt hätte, was ich allerdings nicht ganz so witzig fand wie er.
Gegen meine Motivation überredete Ralf mich letzten Endes, Martin im Unikliniku zu besuchen. Ich fuhr uns mit dem Auto. Dort angekommen machten wir Bekanntschaft mit bewaffneten finsteren Typen. Beim Versuch zu flüchten, töteten sie Ralf, der durch einen Schuss in der Eingangshalle niedergestreckt wurde.
Die Männer zerrten mich in einen schwarzen Bus und nahmen mich mit. Während der Fahrt erwähnten sie, dass sie nach einem "Pawel Walczak" suchten, den ich unter dem Name Martin kennen würde. Offenbar hatten sie Martin im Krankenhaus nicht ausfindig machen können.
Wir machten an einem abgelegenen Gebäude Halt, wo sie mich zum Reden bringen wollten. Als es ungemütlich wurde, wurde unsere Runde von einem Fahrzeug bewaffneter Männer gestört. Sie machten meine Entführer unschädlich und nahmen mich mit.
Voller Erschöpfung schlief ich auf der Fahrt und wachte im leeren Wagen auf dem Hof eines großen Anwesens auf. Dort traf ich meine Patentante Marie, der ich offenbar meinen Name zu verdanken hatte, und ihre kleine Tochter Lisa.
Sie führte mich in ein Zimmer voll mit Karten, Zeichnungen, Fotografien, Skizzen und Zeitungsausschnitten von einer langen Serie von Einbrüchen und Diebstählen. Meine Patentante erzählte, dass sie zusammen mit meinen Eltern die Einbrüche geplant und durchgeführt und dass sie dabei nach ihren eigenen Vorstellungen von Gerechtigkeit gehandelt hätten. Außerdem hingen dort einige Fotos von Martin, die mit den Namen Martin Bauer, Pawel Walczak, Gordon Scott und Francois Michel versehen waren. Erneut wurde mir die Geschichte aufgetischt, dass es sich dabei nicht um Martin, sondern um jemanden, der ihm verdammt ähnlich sah, handelte.

Heute ist Samstag und das Wetter ist grau und kalt. Da möchte man am liebsten direkt nach dem Aufstehen wieder in sein Bett zurück fallen. Was aber nicht geht, da man ja an die Arbeit muss. Ich hasse meinen Beruf! Am allerliebsten wäre ich den ganzen Tag liegen geblieben und hätte den Geräuschen gelauscht, die vor meinem Fenster auftraten. Schlussendlich rappelte ich mich dann auf, schaute auf die Uhr und, oh weh, doch schon so spät. Nun aber schnell rein in die Klamotten und ab zum Bus. Wenn es nicht nur schon wieder regnen würde ... Da ich auch noch Pech habe, werde ich sofort nass, weil ein Auto mich von der Seite nass spritzt. Wirklich ärgerlich, schimpfe dem noch lautstark hinterher, rege mich noch ein wenig wie ein Rohrspatz auf, und sage zu mir: "Es kann nicht schlimmer werden, hilft alles nichts, weiter zum Bus."Triefend vor Nässe und zitternd vor Kälte erreiche ich den schmalen Busstand. Mit einem Blick auf meine Uhr muss ich feststellen, dass diese auch noch stehen geblieben ist. Da ich immer gute 10 Minuten zum Bus brauche, weiß ich jetzt nicht mal wie spät es ist und ich nehme schon immer den Letzten der fährt. Gereizt schüttele ich meinen Kopf, starre auf die gegenüberliegende Gebäudefassade und erblicke schließlich eine Leuchtanzeige, die mir noch nie zuvor aufgefallen war: Sa., 23.02.13 - 8°C - 7.18 Uhr. Verdammt ich wusste, das ich zu spät bin. Sollte um 7 Uhr anfangen zu arbeiten. Der Chef würde mir wieder eine gehörige Standpauke verpassen, aber erstmal musste ich zusehen, dass ich auf die Arbeit kam. Nur wie sollte ich das anstellen ohne Auto? Ein Taxi wäre jetzt das Beste der Wahl, nur leider hatte ich auch noch mein Handy zu Hause liegen lassen und mein Geld auch noch. So blieb mir halt nichts anderes übrig als zu laufen, was nicht das Beste war, besonders bei diesen Temperaturen. "War der blöde Weg schon immer so lang gewesen", war das Einzige, was ich bei dieser Kälte und dem Regen aus mir heraus brachte. Ich schüttelte mich und klemmte meine Haare hinter meine Ohren. "Nicht aufregen Marie, nicht aufregen ...", war das Einzige, was ich zu mir murmelte, als ich geschwind die Straße entlang ging. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich den LKW fast übersehen hätte. So konnte ich noch rechtzeitig zur Seite springen, als der durch eine Pfütze raste. "Verdammt!", entfuhr es mir, während das aufspritzende Wasser auch noch die letzten trockenen Stellen meiner Kleidung durchnässte.Dem LKW-Fahrer warf ich einige Flüche hinterher, doch machen konnte ich nun eh nichts mehr. Ich würde nach Hause gehen und den Tag einfach als "Krank" machen. Morgen dann zum Arzt und dann... schön die nassen Klamotten von meinem Leib zärtlich wegreißen und ein Bad einlaufen lassen. Ein heißes Bad wär jetzt genau das Richtige Ich lasse mich in der Badewanne ''gehen'', schmelze quasi dahin, oh Gott, das Leben kann doch soooo schön sein.. wenn da bloß nicht der ganze Stress wär ... Nur leider habe ich nicht bedacht, dass morgen erst Sonntag war und ich erst am Montag zum Arzt kommen würde. Aber so nass wie ich war, würde ich bestimmt eine Erkältung bekommen. Also zerrte ich mir regelrecht die nassen Klamotten runter und wollte ein Bad einlaufen lassen. Aber, wie der Teufel es will, kam nur eine braune Brühe aus dem Hahn. Vorbei der Traum vom schönen heißen Bad. Und mir war auch noch saukalt. ,,Ach verdammt! Wäre ich heute doch nur zu Hause geblieben!'', ich band mir ein Tuch um und rannte regelrecht auf mein Zimmer, riss den Schrank auf, zog meinen Pyjama an und verschwand unter meiner Bettdecke. Ich hab keine Ahnung, wie lange ich da lag, denn mich weckten ein paar Sonnenstrahlen, die durch mein Fenster schienen. Mein Handy vibrierte unaufhörlich, ich öffnete es und da stand: ,,7 verpasste Anrufe/ Absender: Chef''. Verdutzt darüber, dass dieser so oft angerufen hatte, rieb ich mir mit Unglauben die Augen. "Was zur Hölle will der? Nicht mal einen Tag darf man krank machen? Ha! Morgen zum Arzt und für den Rest der Woche 'n Gelben holen!" Moment, was hatte ich da gesagt? Morgen? Ich hatte den gesamten Samstag verschlafen und es war bereits Sonntag geworden, zumindest wenn ich dem Datum auf meinem Handy trauen konnte. Seufzend blickte ich an die Decke und wischte mir eine Strähne meiner pechschwarzen Haare aus den giftgrünen Augen. "Er bringt mich spätestens am Dienstag so was von um", murmelte ich und begann in meinem Schrank nach einem BH zu suchen. 75F war nicht unbedingt die Größe, in der man viele BHs bekam. Was deutlich wurde als ich das Tablar mit der Unterwäsche ansah. Ich zog das Pyjamaoberteil aus und legte mir den BH an, dann suchte ich mir noch eine passende Unterhose und zog sie ebenfalls an. Aus der hinteren Ecke eine Hose und ein einfaches T-Shirt, zog sie mir an und ging aus meinem Zimmer. ,,Waaaah, wie spät ist es denn jetzt eigentlich?'' sagte ich gähnend als ich die Treppe hinunter ging. Ich ging in die Küche und holte das Müsli aus dem Schrank, füllte es in eine Schüssel, dann machte ich den Kühlschrank auf und nahm die Milch raus.


Ich wollte gerade den Inhalt über mein Müsli kippen, als ich diesen stechenden Geruch wahrnahm.
Ich roch vorsichtshalber noch mal daran, nur um sicher zu gehen. Fehler, mächtig großer Fehler.
Das Zeug stank mir die Bude voll.
Verfluchte Scheiße, jetzt muss ich das Zeug also auskippen.
Als hätte ich nicht so schon genug Stress, muss jetzt auch noch mein Handy klingeln.
Ich schaute aufs Display und wunderte mich, wer denn um alles auf der Welt, meine Nummer kennt, ich beschloss also ran zu gehen und erlitt den Schock meines Lebens.

Der Freund von meinem Ex! Woher kennt der denn bitte meine Nummer!
Bestimmt hat mein Ex meine Nummer ihm gegeben, aber was nun? Ich ging ans Telefon und hörte einen lauten Schrei. Schlagartig fiel mir das Handy aus der Hand.

Scheiße aber auch, was war denn das?
Erst der Freund meines Ex, jetzt auch noch dieser Schrei!
OK, nachdenken, denk nach Marie, denk nach!!!
Ich hob das Telefon und wählte, während ich mich zur Ruhe zwang.

,,Ich rufe ihn jetzt einfach zurück und frage, wo zur Hölle er meine Nummer her habe und warum er ins Telefon schreie'' sage ich mir selbst, doch nix mit zurückrufen. //Ihr Guthaben ist erschöpft, bitte laden Sie es wieder auf um diesen Anruf zu tätigen//, sagte mir die ,,nette'' Stimme des automatischen Services und während das ertönte, schmiss ich mein Handy wieder auf den Boden. ,,Ach scheiß die Wand an!'' schrie ich wutentbrannt bis ich merkte, dass das ein Fehler war. Hektisch hob ich mein Handy wieder vom Boden auf und drückte irgendwelche Tasten, doch nichts regte sich. ,,Ach egal, ich brauche eh ein neues Handy'' versuchte ich mich zu trösten, dass ich nicht in Tränen ausbrach. Irgendwie war jetzt ein Bach geöffnet worden, denn die Tränen flossen wie ein riesiger Wasserfall die Wangen herunter. Nach ein paar Minuten konnte ich mich langsam beruhigen, es war aber echt heute der Teufel los.
Und wie um das zu bestätigen klingelte es plötzlich Sturm an meiner Türe. //Wer kann das denn wieder sein?//

Meine trüben Gedanken waren mit einem Mal wie weggeblasen, und ich eilte mit einer Mischung aus Neugierde, Besorgnis, aber auch dem Gefühl, gar nicht wissen zu wollen, was da schon wieder auf mich zukam, zur Türe und sah zunächst mal durch den Spion. Der Spion war ziemlich benebelt, so das ich gar nicht wirklich gut rausschauen konnte. Also musste ich erahnen, wer draußen stand. Doch nach Rätselraten war mir absolut nicht zumute, daher griff ich beherzt zur Klinke und öffnete die Türe. Mit verheulten Augen und verrotzter Nase schaute ich neugierig aus der Wohnung. Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und blickte überrascht in das Gesicht des Freundes meines Ex. Was um Gottes Willen hatte er hier zu suchen??? Eine gefühlte Ewigkeit starrten wir uns wortlos an, bis mir schließlich der Geduldsfaden riss und ich sagte: "Was um Gottes Willen hast du hier verloren?"
"Du ... Du ... Du bist daran Schuld, Marie!", geiferte er mich plötzlich an, ohne das ich eine Ahnung hatte, was er meinte.
In diesem Moment merkte ich, dass um mich herum alles verschwamm und es dunkel wurde. Langsam machte ich meine Augen wieder auf und blickte in das Gesicht von meinem Ex.
Zeitgleich bemerkte ich einen dumpfen Schmerz an meinem Hinterkopf und tastete den Bereich ab. Ich lag auf meinem Sofa im Wohnzimmer und spürte eine schmerzhafte Beule und getrocknetes Blut zwischen meinen Haaren. Ich musste wohl mit meinem Kopf auf den harten Steinboden des Eingangsbereich meiner Wohnung geprallt sein und dachte in diesem Moment eigentlich eher über die Tatsache nach, dass sich mein Ex offensichtlich in meiner Wohnung befand. "Freund meines Ex ...", korrigierte ich mich in Gedanken und fragte mich gleichzeitig, ob der Schlag auf meinen Kopf mehr als nur eine schmerzende Beule verursacht hatte. Ralfs Gesicht schob sich in mein Blickfeld und eine Mischung aus Wut und Sorge lag darin, wobei die Wut die Oberhand zu gewinnen schien, je länger ich ihn ansah. //Warum war er schon wieder wütend, ich hatte absolut keine Ahnung.//
"Martin - DEIN Ex Martin - liegt im Koma!", warf er mir unvermittelt an den Kopf. Langsam kamen mir wieder die Erinnerungen, ach ja, da war noch was ... Martin ... Martin ... er hatte sich doch nicht etwa etwas angetan ... wegen unserer Trennung?!? Oder war es doch wegen was anderem?? Anstatt weiter wild zu spekulieren und mir alles mögliche vorzustellen, entschied ich mich, Ralf direkt zu fragen und so hob ich die Brauen und wollte wissen: "Martin liegt im Koma ... wieso ... was ist passiert?"
"Er wollte zu dir ... mit dir reden, sich entschuldigen, was weiß ich, ... und er ..." Seine Stimme schien zu versagen. "er hatte einen Unfall ... mit dem Motorrad ... vor drei Wochen." Kopf kratzend überlegte ich, so lange ist das schon her, wo ist nur die Zeit geblieben ...
"Aber wieso kommst du jetzt und was willst du von mir?", konnte ich nicht umhin, Ralf zu fragen, fügten sich die einzelnen Puzzleteilchen für mich noch nicht zu einem ganzen Bild zusammen.
"Verdammt Marie, drei Wochen und du hast dich nicht ein einziges Mal blicken lassen; als wär' er dir völlig egal", warf er mir vor und ich verstand plötzlich seine Wut auf mich, aber wie sollte ich ihm klar machen, dass ich schlicht nichts davon gewusst hatte? Aber wie sollte ich auch, damals vor drei Wochen ist er wutentbrannt aus der Wohnung gestürmt ...
Ich hatte gesehen, wie er seine Kollegin Sophie geküsst hatte - also richtig, LEIDENSCHAFTLICH; hatte er erwartet, dass ich ihm kaum zwei Stunden später seine Ausreden glauben würde?
Ich spürte wie mich der bloße Gedanke daran immer noch aufwühlte, und da mein bisheriger Tag reichlich beschissen gewesen war, mein Schädel brummte und ich keinerlei Lust zu großartigen Erklärungen hatte, sagte ich harsch: "Das ist etwas zwischen Martin und mir und nichts, was dich angeht, Ralf!"
"Es geht mich ganz sicher was an, wenn sich mein bester Freund wegen dir fast in den Tod fährt und es dir offenbar völlig gleich ist."
"Ach ja, dann frage ich dich doch mal, was er dir erzählt hat, von der Sache vor drei Wochen?"
Das schien ihn jetzt doch zumindest kurzzeitig aus der Fassung zu bringen, denn er runzelte die Stirn und war für einen Moment sprachlos, während man sehen konnte, wie es in seinem Kopf arbeitete.
"Ähm ..., ja, Marie", druckste er herum. "Also ..., eins vorweg: ich dachte zuerst auch, er würde lügen, aber warum sollte er mir so eine Geschichte auftischen, wenn er genau weiß, dass wir beide uns noch nie leiden konnten."
"Wovon redest du eigentlich?"
"Martin hat einen ... Doppelgänger, einen eineiigen Zwilling, einen ... ach, keine Ahnung, wer oder was er war, ... jedenfalls war es nicht Martin, den du gesehen hast."
"... Willst du mein Vertrauen wirklich mit solch einer Absurdität erschüttern?" Doppelgänger, eineiiger Zwilling, womöglich gar ein Klon ... dachte ich, während ich spürte, wie bei Ralfs absurder Behauptung etwas in mir hochkochte. Enttäuscht über Ralfs ausbleibende Antwort, warf ich ihm einen verachtenden Blick zu und verschwand, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, im Bad.
Aber ich hatte nicht mit Ralfs Hartnäckigkeit gerechnet, denn er folgte mir und sagte schließlich, in Ton doch sehr einlenkend: "Ich will doch nur, dass du mit mir kommst, Marie ... zu Martin und er deine Anwesenheit spüren kann."
Genervt darüber, dass ich meine kurze Pause nun doch nicht bekam und sich auch noch ein Gefühl von Mitleid in mir anbahnte, ließ ich ein tiefes Seufzen verlauten, schnappte mir die Autoschlüssel und verließ die Wohnung. Dabei wäre es so schön gewesen, einen freien Tag zu haben, aber was solls.
Grade als ich losfahren wollte, bemerkte ich, dass ich keine Ahnung hatte, wo Martin im Moment überhaupt ist, was mich so in Gedanken versinken ließ, dass ich nicht merkte, wie Ralf mir nachlief, bis er schließlich in's Auto stieg, was ich allerdings widerwillig hinnehmen musste, da mein "du-steigst-sofort-aus"-Blick seinem "das-wird-nicht-passieren"-Blick nicht standhalten konnte. Seufzend stieg ich in das Auto, "Wo liegt er?" kam widerwillig die Frage.
"Er ist seit gestern wieder zu Hause.", antwortete Ralf mit strahlendem Gesicht.
"Ich dachte, er liegt im Koma ... wie kann er da zuhause sein?", fragte ich und sah Ralf perplex an.
Ralfs erschrocken Blick nach zu urteilen, nahm ihn die ganze Sache ziemlich mit, wenn er sogar unter so drastischen Realitätsstörungen leidet.
"Ist mit dir alles in Ordnung?", platzte es nun doch aus mir heraus und ich spürte, wie sich auch der letzte Ärger ob seiner Einmischung zu verflüchtigen begann, auch wenn ich das eigentlich gar nicht wollte.
Ralfs nachdenklicher Blick traf auf den meinen, woraufhin er sich gleich wieder von mir abwandte und nach einem längeren Moment der Stille antwortete: "Ja, er... liegt im Uniklinikum.", was mich unmittelbar dazu veranlasste, ordentlich auf's Gas zu treten, In der Hoffnung, dieser nervig erdrückenden Stimmung zu entkommen.
Eine knappe Viertelstunde später betrat ich mit Ralf die Klinik.
Sowie wir in Richtung Empfang gehen wollten, hörten wir das beängstigende Geschrei einer Frau. Das war nun wirklich nicht dazu angetan, meine Stimmung zu heben und mir wurde plötzlich wieder bewusst, welche Aversion ich gegen Krankenhäuser hatte, gegen den Geruch, der sich in den Gängen hielt, gegen die gewienerten Böden, die weißgekittelten Gestalten, die weinenden und bangenden Angehörigen und gegen all das Leid, die Krankheit und der Tod, der einem von überall entgegenwehte, nicht nur von den Kranken, die in ihren Betten teils auf den Gängen auf Untersuchungen warteten.
Wenige Sekunden später riss mich das Ertönen mehrerer Schüssen, die mir klarmachten, das Geschrei falsch beuteilt zu haben, aus meinen Gedanken. Während mein Puls unwillkürlich zu rasen begann, sah ich mich hektisch um, nach einer möglichen Deckung genauso wie nach dem Ursprung der Schüsse, denn ich wollte keinesfalls in ebendiese Richtung laufen. Über den stückweise offenen Gang des ersten Obergeschosses, der unmittelbar über der Rezeption lag, rannten zwei Leute, ein jüngerer Mann und eine Frau mittleren Alters, in den rechten Flügel.
"Was geht da vor?", fragte ich, während ich zeitgleich instinktiv hinter dem Tresen der Rezeption Schutz suchte.
Während weitere, immer präsenter werdende, Schüsse ertönten und wir, an den Tresen gelehnt mit dem Eingang im Blick, mit dem Rücken zum Geschehen hockten, stotterte Ralph, "Wir müssen hier weg!", als plötzlich ein paar Leute, die bisher noch wie angewurzelt im Eingangsbereich standen, mit dem Blick nach oben verzweifelt Schutz suchend in alle Richtungen liefen, was mich dazu veranlasste, es für keine gute Idee zu halten, durch einen kurzen Blick herausfinden zu wollen, was auf dem Durchgang vor sich geht.
Ralph wurde offenkundig von dieser einsetzenden Panik miterfasst, denn er erhob sich und rannte los, hin zum Ausgang, ohne auch nur einen Blick hinter sich zu werfen, was mich trotz der angsteinflößenden Situation den Kopf schütteln ließ, während ich ihm nachrief: "Bleib hier, Ralph, das ist keine gute Idee!"
Kaum hatte ich ihm das zugerufen, musste ich beobachten, wie Ralph, dicht gefolgt von einem weiteren einschneidenden Knall eines unmittelbaren Schusses, ohne jegliche erkennbare Bemühungen, dem Aufprall entgegenzuwirken, im Sprint zu Boden ging, wo er sich nach dem Aufprall noch ein paar Mal überschlug und eine immer größer werdende Blutspur hinterließ.
Fassungslos starrte ich ihn an mit einem plötzlich aufwallenden Gefühl von Unwirklichkeit und dem starken Drang, sofort zu ihm zu sprinten und ihm zu helfen, was jedoch von meinem unmittelbar wieder einsetzenden Verstand verhindert wurde, der Bilder von Filmen vor meinem inneren Auge ablaufen ließ, Bilder, in denen genau solche Rettungsversuche mit dem Tod des Retters belohnt wurden.
Aus meinem äußersten Blickwinkel erkannte ich, begleitend von einem dumpfen Geräusch, wie jemand rechts von mir auf den Tresen landete, wodurch ich meinen Blick langsam in dessen Richtung wandte und in die Augen eines Mannes mit einer geschulterten Schrotflinte blickte, der mich für ein ein paar Sekunden ansah und dann lächelnd sagte, "Du wirst mit uns kommen", was mich nach einigen Sekunden, die ich brauchte, die Situation halbwegs zu erfassen, in leichte Panik versetze und mich veranlasste am ganzen Körper zu zittern, ehe ich beim Versuch aufzustehen, um davonzulaufen, lediglich über mein linkes Knie stolperte und nun regungslos am Boden lag und hoffte, dass es mich nicht auch treffen würde.
Doch dieser Totstellreflex, der im Tierreich oft von Erfolg gekrönt wurde, zeigte bei dem Mann mit der Schrotflinte keinerlei Wirkung, denn er stieß mir den Lauf erst recht unsanft in den Rücken, bevor er mich an den Haaren aus meiner liegenden Position zog, um mich mit einem in mein Ohr geraunten "zum Liegen wirst du noch Gelegenheit genug bekommen ..." mit sich gen Ausgang zu ziehen.
Meine Gedanken, was nun mit mir passieren oder, ob ich das Alles überleben könnte, wurden vom Anblick Ralphs unterbrochen, dessen lebloser Körper in einer immer größer werdenden Blutlache lag und mir die letzte Hoffnung nahm, dass er möglicherweise noch am Leben sein könnte, unterbrochen, bis mir die, vor Angst entstellten Gesichter der Leute, die sich in unmittelbarer Nähe aufhielten, erneut die Ernsthaftigkeit meiner Situation klarmachten und mir Anlass zu der Annahme gaben, dass meine Chancen relativ schlecht stehen würden, wenn ich mich von diesen Leuten einfach mitnehmen lassen würde.
Allerdings war ich Realist genug, um zu wissen, dass mir mit einer immer noch auf mich gerichteten Schrotflinte und den Haaren in der Hand meines Peinigers nicht viele Alternativen blieben, als zumindest im Moment der doch recht brutalen Aufforderung Folge zu leisten, in der Hoffnung, dass sich auf dem weiteren Weg eine Möglichkeit zur Flucht ergeben würde, bevor ich das gleiche Schicksal erleiden würde wie Ralph, dessen nun starr geöffnete Augen mir nachzublicken schienen, obwohl das physisch kaum noch möglich sein konnte.

Draußen angekommen wurden wir bereits von einem schwarzen Bus und drei davor positionierten bewaffneten Männern erwartet, die mir unangenehme Blicke zuwarfen und mir unmittelbar in den Bus folgten, der sich kurz darauf in Bewegung setzte.
Als ich das sah, drängte sich mir unweigerlich der Gedanke auf, dass die es auf mich abgesehen hatten, dass der Überfall auf das Krankenhaus auf irgendeine Weise mir gegolten hatte, auch wenn ich mir keinerlei Reim darauf machen konnte, wieso ein Teil der Verbrecher aus dem ersten Stockwerk gekommen war und was das Ganze überhaupt sollte.
Nach ungefähr einer Minute, die ich zu nutzen versuchte, um wieder halbwegs zur Besinnung zu kommen, sah mich der Typ, der mich in den Wagen zerrte musternd an, während er sich eine Zigarette anzündete, bis er schließlich mit zusammengezogenen Augen und in einem gehässigen Ton fragte: "Na, bist du sauer, weil ich deinen Freund umgelegt habe?"
Für einen Moment war ich perplex und starrte den Mann sprachlos an, doch dann schlüpfte die Frage wie von alleine über meine Lippen: "Du hast ihn umgelegt, weil du denkst, er war meine Freund?"
"Ich hab' ihn umgelegt, weil er dämlich war, weil er geglaubt hat, einer Kugel davonrennen zu können - und weil er unserem Auftrag im Weg stand." Langsam kam mir der Satz im Gehirn an, aber so ungefähr den Sinn verstand ich im ersten Moment nicht, bis es mir so langsam dämmerte.
"Mich entführen ist euer Auftrag?", fragte ich daher auch, wobei ich nicht umhin konnte, vermutlich recht verwirrt und irritiert auszusehen, immerhin hatte ich noch keinerlei blassen Schimmer, was das Ganze wirklich sollte.
"Das würde dir gefallen, nicht wahr Prinzessin?", murmelte einer der anderen Entführer, der mir gegenüber saß, und mir die gesamte Zeit unverblümt auf meine Brüste starrte. Nur kurz streifte mein Blick den Mann, dann entschied ich mich, seine lüsternen Blicke genauso zu ignorieren wie seinen gemurmelten Kommentar und ich sah stattdessen weiterhin auf den Mann, der der Anführer zu sein schien, und fragte: "Und ich bin eurem Auftrag förderlich, was auch immer das für einer ist?"

"Ich hoffe - auch für dich selbst -, dass du uns helfen wirst, jemanden zu finden: Pawel Walczak ... oder für dich vielleicht eher Martin", entgegnete er, wobei er den Namen meines Ex-Freundes abfällig betonte.
Nur sehr langsam sickerte das Gesagte in mein Bewusstsein, während zeitgleich Ralfs Worte durch meinen Kopf schossen: er hat einen Doppelgänger, einen eineiigen Zwilling ..., was mich erst nach einer kurzen Pause, in der sich meine Gedanken wieder sortierten, möglichst unbedarft sagen ließ: "Aber Martin liegt im Krankenhaus, ich wollte ihn dort gerade besuchen ..."
"Du bist nicht sonderlich schlau, oder glaubst du, dass wir dieses Gespräch führen würden, wenn er dort gewesen wäre?"
"Er war nicht da?", fragte ich jetzt doch einigermaßen perplex und sprach weiter: "Aber es ging ihm doch so schlecht, da ist er sicher nicht einfach aus dem Krankenhaus weg ..."
"Pawel war nicht da - und du kannst dir sicher sein, dass meine Männer die Suche sehr genau genommen haben - aber wenn er erfährt, dass wir seine Liebste haben, wird er schon auftauchen."
"Liebste?" Ich lachte auf und meinte mit einem Kopfschütteln: "Da seid ihr völlig unterinformiert, denn er hat längst eine andere ... vielleicht hättet ihr lieber die entführen sollen."
"Meiner Erfahrung nach liegt jemandem, der sich aufgrund einer Frau ins Koma fährt, meistens auch noch was an dieser Frau, glaubst du nicht?"

Ich schüttelte den Kopf und sah aus dem Fenster, denn ich hatte keine Ahnung, wieso Martin tatsächlich diesen Unfall hatte und ob er wirklich zu mir wollte, wie Ralf behauptet hatte, genauso wenig wie dieser Mann es wissen konnte. Der Kleinbus holperte inzwischen durch ein mir unbekanntes Gewerbegebiet mit zugewucherten Bürgersteigen, baufälligen Backsteingebäuden und zerbrochenen Fensterfronten, keine Menschenseele war weit und breit zu sehen. Der Anblick der verlassenen und heruntergekommenen Gegend ließ ein mulmiges Gefühl in mir aufsteigen und auch, wenn ich eben noch den Gedanken an das, was mir bevorstehen mochte, weit nach hinten hatte schieben können, schob er sich jetzt vehement in den Vordergrund. Wenig später bog der Bus in eine Seitengasse und hielt abrupt vor einem massiven Rolltor, dessen einwandfreier Zustand in krassem Kontrast zur Umgebung stand. Nur kurz darauf hob sich das Rolltor und der Bus fuhr ins Innere, das durch mehrere grelle Deckenlampen ausgeleuchtet war und Blick auf eine wenig einladende nüchterne Lagerhalle freigab. Kaum war er hindurch gefahren, wurde die Seitentür aufgerissen und ich sah erneut in den Lauf einer auf mich gerichteten Waffe. "Los, da rein", gab mir der Pistolenträger, der bisher noch keine einzige Silbe gesprochen hatte, den Befehl und damit die Richtung vor, während er mir gleichzeitig die Waffe so fest in den Rücken bohrte, dass ich einen Aufschrei nicht unterdrücken konnte. Die anderen Beiden waren ebenfalls ausgestiegen und gingen vorweg. Einer von ihnen hielt eine schwere Türe auf, hinter der ich einen hell erleuchteten Raum sehen konnte, während der Mann mit der Schrotflinte uns schweigend folgte, möglicherweise um dadurch meine Furcht anzufachen, was aufgegangen wäre, wenn nicht der Pistolenträger erneut das Wort ergriffen hätte: "Setz dich hin!"

Während ich auf einem kalten Metallstuhl Platz nahm, konnte ich durch die offenstehende Tür hindurch sehen, dass der vierte Entführer offenbar noch hinter dem Steuer des Busses saß und ihn wieder aus der Halle hinaus steuerte. "Arme hinter den Rücken", kam es als nächstes vom Pistolenträger, der irgendwie das Kommando übernommen hatte, während der Mann mit der Schrotflinte, der die ganze Fahrt über die Reden geschwungen hatte, den Raum durch eine weitere Stahltüre verließ, nicht ohne vorher einem der anderen beiden verbliebenen etwas ins Ohr zu flüstern, was ich jedoch nicht verstehen konnte. Meine Arme wurden schmerzhaft fest an die Stuhllehne gefesselt, dann zog sich der Entführer einen zweiten Stuhl heran und setzte sich rittlings mir gegenüber hin. Beugte sich vor und begann mir etwas ins Ohr zu flüstern. "Wir haben jetzt eine Menge Zeit und die werden wir beide nutzen", hauchte er an mein Ohr und wenn schon nicht die Art, wie er die Worte quasi in mein Ohr gleiten ließ, einen eisigen Schauer über meinen Rücken laufen ließ, so vermochte dies seine Wange, die er provokant sachte an meiner rieb. Ein Blick von ihm genügte und auch der dritte Mann verließ den Raum und ließ mich mit dem Pistolenträger allein. Der stand von seinem Stuhl auf, drehte diesen herum und setzte sich nun so mir gegenüber, dass seine Beine sich provokant zwischen meine drängten und sie auseinanderschoben, während er sich wieder ganz nah zu mir beugte und mir mit einem süffisanten Grinsen tief in die Augen sah. "Nun, was sollen wir jetzt machen?" kam die sehr einfache Frage, die doch sehr sehr bedrohlich wirkte. Ehe ich mir eine Antwort zurechtlegen konnte, erschütterte eine Explosion die gesamte Lagerhalle, mit quietschenden Reifen schien Augenblicke danach im angrenzenden Raum ein Fahrzeug zum Stehen zu kommen und stakkatoartig ertönten Schüsse.
Grade als ich mir die Frage stellen wollte, in was für einen Alptraum ich da geraten war, sprangen drei Männer von der Ladefläche des Fahrzeugs, eröffneten das Feuer auf mein Gegenüber, was mir ein weiteres ungewolltes Blutbad direkt vor meinen Augen bescherte, wobei eine der Kugeln ein Stück der Rückenlehne meines Stuhles wegriss. Ich konnte mit ansehen, wie eine Kugel durch den Kopf des Mannes schoss, der mir gegenüber saß. "Pass auf, du Idiot!", Schrie einer der Männer, die auf meine sich versteckenden Entführer schießend in meine Richtung rannten, "Stell dir vor, du hättest sie getroffen."
Fassungslos hörte ich die Worte und verstand absolut nichts mehr, was genau ging hier jetzt vor. Ich hatte null Ahnung, was jetzt kommen sollte oder wer diese Männer waren. Doch zunächst war ich dankbar, dass einer von ihnen mich vom Stuhl losschnitt und mir erstaunlich sanft hochhalf, während sich einer der anderen beiden mit gezogener Pistole gehetzt wirkend umsah und dabei ausstieß: "Und jetzt nichts wie raus hier ..."
Obgleich dieser Typ einen ganz schön angsteinflößenden Gesichtsausdruck hatte, kam ich nicht umhin, diese Idee ziemlich gut zu finden, woraufhin ich etwas verängstigt vom Stuhl sprang und wild um mich blickend, ohne ein Wort von mir zu geben, in Richtung des Wagens stolperte. Als ich fast stürzte, packte mich der, der eben noch gerufen hatte, recht unsanft am Arm und zog mich mit sich, was zwar äußerst schmerzhaft war, aber auch verhinderte, dass ich tatsächlich zu Boden ging.
"Habt keine Angst, wir bringen euch in Sicherheit.", sprach er mit fast übertrieben freundlicher Stimme zu mir, während sich seine Hand an meinem Arm lockerte.
Euch ...
wiederholte ich in meinem Kopf und fragte mich, wen er da meinte, war ich immerhin alleine hierherverschleppt worden.
Nachdem ich den Mann für eine Weile mit einer Mischung aus Verwirrtheit und Ängstlichkeit ansah, legte er seine Hand auf meinen Rücken und sagte, "Kommt jetzt bitte, wir erklären euch alles, wenn wir in Sicherheit sind", wodurch ich mir jetzt die Frage stellen musste, ob man mich wohlmöglich verwechselt haben könnte, was ich allerdings nicht unbedingt thematisieren wollte, bevor ich die Gewissheit hatte, in Sicherheit zu sein.
Ich kam auch nicht zu weiteren Überlegungen, denn der Druck in meinem Rücken verstärkte sich jäh und ich wurde vorangetrieben, was auch gut war, denn kaum hatte man mich kurz darauf mehr oder weniger auf der Beifahrerseite in den Wagen bugsiert, brach draußen auch schon die Hölle los ...
"Wir kommen jetzt raus", sprach der Fahrer des Wagens in ein Mikrofon an seinem Körper, woraufhin er den Wagen wenige Sekunden später trotz weiterer Schüsse, die außerhalb des Gebäudes fielen, in Bewegung setzte.
Durch die rasante Anfahrt wurde ich in den Sitz gepresst und griff instinktiv nach dem Sicherheitsgurt, so unsinng das in meiner Situation auch erscheinen mochte und während ich noch nach dem Teil angelte, preschte der Wagen durch das Rolltor, das anders als bei der Herfahrt völlig zerbeult und zerquetscht war, und ließ kurz darauf die noch fallenden Schüsse und das Schreien hinter sich, um mit hohem Tempo durch die verlassene Gegend zu brausen.

Nach einer Weile anhaltender Todesangst, die ich damit zubrachte, mich zu beruhigen, fuhren wir bereits auf dem Highway durch die Stadt und obwohl es für alle offensichtlich sein musste, dass mir unendlich viele Fragen durch den Kopf schossen, brachte ich kein einziges Wort hervor, während ich daran dachte, dass ich vor wenigen Stunden noch zusammen mit Ralph auf der gleichen Straße ins Krankenhaus fuhr.
Die monotone Fahrt, das Schweigen des Fahrers und des Mannes, der mich mit "euch" angeredet hatte und nun ebenfalls neben mir auf der breiten Sitzbank des Wagens saß, sowie die Strapazen des Tages mit all seinen unglaublichen und schrecklichen Wendungen, führten dazu, dass es nicht lange dauerte und ich fiel in einen tiefen Schlaf, in dem wirre Träume mich heimsuchten.
Nach einer gefühlten Ewigkeit wachte ich langsam wieder im leeren Wagen auf und blickte von einem großen Hof aus auf ein großen Anwesen, vor dessen Eingang ein Mann und eine Frau standen, die in meine Richtung blickten, als ich plötzlich durch ein Geräusch neben mir den Kopf zur Seite drehte und ein Mädchen neben mir auf dem Sitzbank sah, das auf ihrem Smartphone tippte.
"Wer bist du?", fragte ich, doch statt einer Antwort hörte das Mädchen auf zu tippen, sah mich mit großen Augen kurz an, bevor sie die Türe öffnete, um sich vom Sitz nach draußen gleiten zu lassen und zu rufen: "Mami, sie ist jetzt wach!"
Nur wenige Sekunden später vernahm ich den Klang von Absätzen, die sich dem Wagen näherten, während mich das kleine Mädchen mit großen Augen angrinste, bis an ihrer Seite eine wunderschöne Frau in schwarzem Blazer und schwarzen Jeans auftauchte und mir entgegenlächelte, "Du musst hungrig sein. Lass uns reingehen.".
Ich brauchte einen Moment, bevor ich reagierte und es fast automatisch über meine Lippen kam: "Wo bin ich hier?", während der Gedanke an etwas zu essen mich mit knurrendem Magen wie von alleine aussteigen ließ.
"Eine sehr enge Freundin deiner verstorbenen Eltern, Marie.", erwiderte die Frau, "Ich war so frei, dich in eine... weniger aufregende Umgebung bringen zu lassen. Aber lass uns drinnen weiter reden".
Eine Freundin meiner Eltern?, fragend sah ich zu der Frau, die sich als Marie vorgestellt hatte, und versuchte, einen Zusammenhang zwischen den Ereignissen von ... ja, von wann? Wieviel Zeit war vergangen?
Trotzdem, oder gerade deshalb, weil ich so viele Fragen hatte, stieg ich aus dem Auto aus und folgte dieser wunderschönen Frau. Das kleine Mädchen ging mit durch die große und einladende Tür.
"Dann...", brach ich die Stille, die ansonsten nur durch die Absätze dieser Frau gestört wurde, "habe ich meinen Name also durch dich bekommen?, woraufhin das kleine Mädchen vor uns auf der Treppe, die wir grad hinaufstiegen, stehen blieb und mich mit großen Augen ansah, "Dann heißt du genauso wie meine Mutti?".
Ich nickte stumm und die Frau erklärte dem Mädchen in freundlichem Ton: "Ja, ihre Eltern haben sie nach mir benannt, weil ich ihre Patentante bin", während ich aus den Augenwinkeln den Mann bemerkte, der zuvor noch vor dem Eingang gestanden hatte und der mich jetzt neugierig von oben bis unten musterte.
"Also wirklich Tom, wie unhöflich von dir, eine junge Dame so anzustarren.", sprach meine Patentante in einem sehr charmanten und belustigten Ton, bis sie sich ihrer Tochter zuwandte: "Lisa, willst du Maria nicht ihr Zimmer zeigen? Mama hat noch etwas zu erledigen."
Der mit Tom Angesprochene zuckte kurz zusammen und wandte sich demonstrativ ab, während das Mädchen mit einem Grinsen nach meiner Hand griff, um mich wohl zum entsprechenden Zimmer zu führen, was ich jedoch mit einem kopfschüttelnden "Ich möchte jetzt kein Zimmer sehen, ich möchte wissen, was das Ganze soll, wieso ich hier bin, welche Rolle Sie spielen", ablehnte, da mir die gehäuften freundlichen Reaktionen der mir völlig fremden Menschen suspekt zu erscheinen begannen.
Für einen kurzen Moment sah mich Marie etwas überrascht an, bis sie ein leichtes Lächeln aussetze und sagte: "Du kommst ganz nach deiner Mutter. Also schön, folge mir. Ich möchte dir etwas zeigen.".
Kurz darauf standen wir in einer Art Arbeitszimmer, dessen Fenster durch herabgelassene Rolläden verdunkelt waren und das durch eine relative nüchterne Deckenbeleuchtung erhellt wurde und die Frau, die sich als Marie vorgestellt hatte, wies mit einer Hand auf eine Wand, die voll gespickt war mit Karten, Zeichnungen, Fotografien, Skizzen, Zeitungsausschnitten und allem, was man aus jedem guten Krimi kannte.
Sowie ich an die Wand herantrat, fielen mir Artikel und Fotos über jene Serie von Einbrüchen und Diebstählen von vor einigen Jahren auf, bei denen Wertsachen und geheime Dokumente in einem Wert von einigen Milliarden entwendet wurden.
Doch dann fiel mein Blick auf ein Foto von Martin oder besser gesagt viele verschiedene Fotos von Martin, bei denen er jedes Mal anders aussah und ich näher herantreten musste, um überhaupt mit Gewissheit sagen zu können, dass es sich um meinen Ex-Freund handelte, was noch dadurch erschwert wurde, dass die Fotos die unterschiedlichsten Namen trugen wie Martin Bauer, Pawel Walczak, Gordon Scott und Francois Michel.
Nach einem anhaltenden Moment der Stille, in dem mein Herz vor paranoiden Gedanken raste, fing Marie zu meinem leichten Entsetzen herzhaft an zu lachen, bis sie sich letzten Endes ein wenig beruhigte, um mir zu erzählen, "So gern ich auch wüsste, was in diesem Moment in deinem Kopf vorgeht, möchte ich dich nicht auf die Folter spannen, denn du musst wissen, dass all diese Diebstähle... deine Eltern und ich geplant haben.", was meinen Puls für einen kurzen Moment gegen Null tendieren ließ, was Marie allerdings nicht davon abhielt, lächelnd fortzufahren, "Versteh' das bitte nicht falsch. Wir sind keine Verbrecher und haben lediglich nach unserem eigenen Gerechtigkeit gehandelt. Denn du musst wissen...", bis ich sie mit einer Frage, die mir plötzlich durch den Kopf schoss, unterbrach: "Martin! ... Was hat er damit zu tun?".
Marie stutzte und ich sah, wie sie für einen kurzen Moment die Fassung verlor, doch sie fing sich rasch wieder und erklärte mit erneut souverän klingender Stimme: "Da ist was aus dem Ruder gelaufen, wir sind noch dabei, die Einzelheiten herauszufinden, aber was wir schon wissen ist, dass es jemanden gibt, der wie Martin aussieht und das zu seinem eigenen Vorteil nutzt."
Das klang so verrückt, dass es nicht erfunden sein konnte, aber dennoch zu verrückt, dass ich die Geschichte einfach glauben könnte, "Du willst mir doch nicht etwa den bösen Zwilling auftischen, oder?".
Marie lachte - auch wenn ihr Lachen ein wenig gezwungen klang - und erwiderte: "Nein, einen biologischen Zwilling konnten wir ausschließen, aber noch nicht vom Tisch ist, dass er Martin einfach ähnlich sieht, aber auch eine Gesichtsoperation können wir nicht ausschließen, genauso wenig, dass er eine sehr gut gemachte, professionelle Maske trägt."
"Ehhh... ", begann ich mit einem Gesichtsausdruck, der ganz offensichtlich erkennen ließ, dass ich absolut nicht verstand, was das alles zu bedeuten hatte, "und was genau macht dieser ... falsche Martin?".
Marie legte einen Arm um meine Schulter, was ich irgendwie mit mir geschehen ließ, und meinte mit einem Lächeln: "Wie wäre es, wenn du dich erst mal ein wenig frisch machst und dich umziehst? Ich richte uns inzwischen etwas zu essen her und dann können wir alles in Ruhe bei einem gemeinsamen Mahl besprechen."
Ich hatte das Gefühl, als könne das noch eine sehr lange Unterhaltung werden und da sich meine Begierde, wissen zu wollen, was hier vor sich geht, in Anbetracht dieser scheinbar verrückten Geschichte deutlich geschmälert hatte und mittlerweile von meinem Hunger überholt wurde, nickte ich nur etwas zögerlich.

"Lisa, zeigst du Marie jetzt ihr Zimmer?", forderte meine Patentante das Mädchen auf, das sich inzwischen an den Schreibtisch gesetzt hatte und dort mit Buntstiften ihrer Kreativität freien Lauf ließ, woraufhin die Kleine mit strahlenden Augen zu mir gelaufen kam, mich völlig vorbehaltlos an der Hand fasste und mich ohne weitere Worte mit sich zog, die Treppe hinauf und hinein in das erste Zimmer, das auf der rechten Seite eines langen Korridors lag.
Wir standen in einem großen schön eingerichteten Zimmer, welches durch das Licht, das durch die Türen der anliegenden Terrasse hereinströmte, erleuchtet wurde, als ich in Anbetracht dessen, was ich von dem Anwesen bereits gesehen hatte, eher mittelmäßig überrascht meinen Blick durch das Zimmer schweifen ließ, kam ein Dienstmädchen aus einem Nebenzimmer, das ich bis zu diesem Zeitpunkt noch garnicht registriert hatte, musterte mich kurz und lächelte mir mit einer kleinen Verbeugung entgegen "Das Badewasser ist eingelassen. Bitte sagt mir, wenn ihr etwas braucht.", was mir allerdings ein wenig unangenehm war, jedoch nicht zum Ausdruck bringen konnte, da sich sowohl das Dienstmädchen als auch Lisa mit den Worten "Ich bin gleich im Zimmer nebenan, wenn du mich suchst." unmittelbar danach aus dem Zimmer zurückzogen.
Mir blieb nur wenig Zeit, mich im Zimmer umzusehen, kurz die Beschaffenheit des luxuriösen Betts zu testen und mich wieder zu erheben, um nach dem angrenzenden Badezimmer zu sehen, als auch schon ein schriller Ton losging und dazu plötzlich das Zimmer in ein in regelmäßigen Abständen leuchtendes Rot getaucht wurde, das - wie ich schnell erkannte - von einer über der Türe angebrachten Leuchte herrührte, die ganz offenkundig Bestandteil einer wie auch immer gearteten Alarmvorrichtung war.
"Ich hab' das Gefühl...", murmelte ich ein wenig genervt vor mich hin, "als müsste mein Bad etwas warten.", worauf ich mich einfach aufs Bett warf und den Schritten draußen auf dem Gang lauschte, die nach ca zwei Minuten verstummten, was mich dazu brachte, mich vom Bett zu schwingen und zur Tür zu gehen, um nachzusehen, was vor sich ging.
Vorsichtig machte ich die Tür einen Spalt auf um auf den langgezogenen Flur zu spicken. Ich konnte allerdings nur noch die letzten Schritte von der Kleinen sehen, also machte ich die Tür zu und wendete mich dem Raum zu, wo anscheinend das Badewasser auf mich wartet ...
Etwas gleichgültig und genervt von dem, was mir den ganzen Tag widerfuhr, hinterließ ich auf dem Weg ins Bad eine Spur mit meinen Klamotten, stieg in die Wanne und vergaß alles um mich herum, bis ich nur wenige Minuten später einnickte.
Doch mir sollte kein langes Badevergnügen beschieden bleiben, denn kaum war ich eingenickt, riss mich jemand auch schon wieder äußerst unsanft aus dem Wasser hoch und zerrte mich förmlich aus der Wanne, während eine mir unbekannte männliche Stimme mir ins Ohr zischte: "Du bist wohl von allen guten Geistern verlassen! Hast du den Alarm nicht gehört? Jetzt ist wirklich nicht die Zeit für ein Nickerchen in der Wanne ... Ich glaub's ja nicht ..."
Völlig schlaftrunken ließ ich mich aus der Badewanne ziehen und stand ein paar Sekunden nackt, den Blick aufs Wasser gerichtet, vor dem Mann bis ich wenige Sekunden später unangenehm realisierte, dass ich nichts anhatte und den Mann, der in diesem Moment mit einem Handtuch neben mit auftauchte, im Affekt in die Wanne stieß.
Als ich das perplexe Gesicht des gar nicht mal so unattraktiven Mannes in der Wanne sah, musste ich laut loslachen, was mir einen bitterbösen Blick einbrachte, den der etwa 30Jährige auch noch zeigte, nachdem er sich sehr geschmeidig und flott wieder aus dem Wasser geschwungen hatte, tropfend und sich für einen kurzen Moment schüttelnd wie ein Bernhardiner.

Als wenige Sekunden meines Gelächters später meine Priorität erneut auf die Tatsache, dass ich nackt vor ihm stand, fiel, hörte ich aprupt auf zu lachen und stieß meine Hände nach vorne, um ihn erneut in die Wanne zu stoßen, als mein Blick plötzlich an seinem nassen Shirt hängen blieb, was seinen muskulösen Körper ... verdammt gut zur Geltung brachte, und mein angetzter Stoß endete damit, dass meine Hände ganz sanft auf seinen Oberkörper klatschten und neben meinen Augen jetzt ebenfalls erstmal dort fixiert waren, bis er gefühlte zehn Sekunden später langsam das klatschnasse Handtuch über meine Arme legte, die weiterhin zu seinem Oberkörper ausgerichtet waren.
Nur kurz darauf hatte er mich in wenigen gezielten Bewegungen so um meine eigene Achse gedreht, dass mein Rücken gegen die Vorderseite seines Körper gepresst wurde, während er mit seinem muskulösen Unterarm das nasse Handtuch vor meinem Körper fixierte und mich, meine Arme bewegungslos eingeklemmt, aus dem Zimmer bugsierte.
"Eh... Hey!", rief ich leicht entsetzt, "Nur, weil du gut aussiehst und durchtrainiert bist, gibt dir das nicht das Recht, mich so zu behandeln!", was mir bereits in dem Moment, in dem ich es aussprach, etwas peinlich war, aber offenbar den gewünschten Effekt hatte, da er mich kurz darauf losließ und mir so die Möglichkeit gab mit einem spontanen Anschein, beleidigt zu wirken, meine würde widerherzustellen.
Doch wenn ich gedacht hatte, dass ich nun die Oberhand gewinnen würde, hatte ich mich getäuscht, denn der Mann drehte sich einfach auf dem Absatz um und ließ mich stehen, um gleich darauf mit großen Sätzen die Treppe hinunterzueilen, während er fast wütend ausstieß: "Die hätten dich einfach dort lassen sollen, dann hätten wir ein Problem weniger."
Nach einem kurzen Moment, den ich brauchte, um zu realisieren, dass mein neuer Lieblingsplayboy ein ganz schön großes Arschloch war, rief ich ihm leicht angepisst "Was hast du-" hinterher und stampfte dabei wütend auf die übernächste Stufe auf, um ihm zu folgen, rutschte jedoch aufgrund meiner nassen Füße aus, machte beim Versuch, nicht auf den Hintern zu fallen, einen recht ungeschickten Satz nach vorne und riss uns ein paar Stufen später beide nach unten, wo ich im Gegensatz zu meinem Charmeur relativ weich landete und auf sein anschließendes langes Seufzen nur noch "Nimm das!" murmelte.
Doch fast im gleichen Moment wurde mir die Absurdität der Situation klar und auch, wie tolpatschig ich mich schon wieder einmal benahm und das innerhalb nur weniger Minuten, so dass ich mich an meiner Oberhand, die ich eindeutig schon aus meiner Position heraus besaß, nicht wirklich lange erfreuen konnte, sondern stattdessen lieber das Handtuch schnell um mich schlang, um mich so rasch wie möglich aufzurappeln und einige gehörige Schritte zwischen den von mir zu Fall Gebrachten und mich zu bringen.
Gleich darauf richtete er sich ebenfalls auf, atmete tief ein und stand ein paar Sekunden, mir den Rücken zugewandt, regungslos da, ehe er mich überraschend ausdrucklos ansah, an mir vorbei ging und mir noch im Vorbeigehen sagte: "In deinem Zimmer liegen frische Klamotten. Du solltest dich erstmal umziehen und dann nachkommen.".
Das wiederum ließ mich perplex zurück, denn hatte er nicht gerade noch gedrängt, dass ich mitkommen sollte, mich quasi aus der Wanne gezerrt und mich auf den Alarm aufmerksam gemacht, der - wie ich feststellte - immer noch anhielt und jetzt machte er auf einmal auf cool und überließ es mir, wann ich mich dazu bequemte, nachzukommen?
Ich hatte allerdings keine Lust, groß weiter darüber nachzudenken, zumal ich die Idee mit den Klamotten angesichts des nassen Handtuches, dass ich trug, garnicht so schlecht fand, woraufhin ich mich auf direktem Wege zurück in mein Zimmer machte, mich abtrocknete und bei den Sachen bediente, die auf dem Tisch lagen.

Kaum war ich angezogen, fühlte ich mich wie ein neuer Mensch, Tatendrang durchzog mich und ich verließ ein weiteres Mal das Zimmer, um zu sehen, wo die anderen hin waren, was sich jedoch recht schnell als langwieriger und schwieriger herausstellte als gedacht, da das ganze Haus mit einem Mal wie ausgestorben wirkte und der gleichmäßig schrille Ton, der insbesondere im Treppenhaus mehr als deutlich zu hören war, mir eiskalte Schauer über den Rücken laufen und mich innehalten ließ.
Dieses ganze Szenario ließ mich kurz an Resident Evil denken, als Alice im Krankenhaus aufwachte, was nach genauerem Nachdenken jedoch nicht wirklich vergleichbar war und so entschied ich mich kurz um, den Weg über die Treppe zurück nach unten zu nehmen.
Kurz überlegte ich, ob ich rufen sollte, doch ich beschloss, dass es wohl besser wäre, möglichst leise zu sein, weil ich überhaupt nicht einschätzen konnte, ob es tatsächlich eine Gefahrenlage gab oder ob sich alle nur irgendwo in die Scheune verzogen hatten, um mir einen Streich zu spielen, Gedanken, die mich bei meinem automatisch schleichenden Gang durch das Haus begleiteten, einen Gang, der keinerlei Lebewesen zu Tage förderte, keine Spur von Marie oder den anderen.
Ich beschloss also, mich in Richtung des Eingangs aufzumachen und nahm den Gang, der mich an einer Reihe Fenster über einen Bogen zur Treppe, die hinab ins Erdgeschoss führte, führte, als ich zufällig aus dem Fenster sah und eine große Ansammlung von Leuten erblickte, die sich auf dem Hof vor dem Anwesen versammelt hatten und recht aufgebracht zu sien schienen, woraufhin ich so schnell wie ich konnte nach unten rannte, um zu ihnen zu stoßen.
"Das ist jetzt schon das dritte Mal in diesem Jahr, dass wir von Ihnen wie Verbrecher behandelt werden, nur weil wir uns Ihrem Anwesen nähern", sagte gerade der offensichtliche Rädelsführer, der sich Zustimmung heischend nach seinen Begleitern umblickte, die tatsächlich gleich nickten und mit "Genau", "Richtig", "Das geht so nicht" zustimmten, was Marie, die mit einem Lächeln dastand und sich das Ganze ruhig anhörte, nicht aus der Ruhe zu bringen schien, ganz im Gegenteil wies sie mit der Hand in meine Richtung bzw. in Richtung Eingang und bot sehr ruhig und freundlich an: "Mister Tucker, kommen Sie und auch Ihre Begleitung doch bitte auf ein Glas Tee oder Wein oder was immer Sie möchten herein, dann können wir alles in Ruhe besprechen."

Und so gingen Marie, der Mann, den Marie Mister Tucker nannte und vom Äußeren einem Kriegsveteranen glich, eine sympathische junge Dame, die nicht von seiner Seite wich, und weil ich das dringende Bedürfnis hatte, nicht wieder allein gelassen von seltsamen Typen heimgesucht zu werden, auch ich mit den dreien mit und so befanden wir uns kurze Zeit später erneut in dem Zimmer mit all den Zeitungsartikeln und den Fotos von Martin bzw. dem, der ihm ähnlich sah. Kaum traten wir alle in das Zimmer, sahen wir so viel Dokumente, die an den Wänden hingen, so wie auf den Tischen und anderen Möbelstücke lagen. Wenn wir all das durchschauen wollten, würden wir sehr sehr lange brauchen.
"Nun, Mister Tucker, hätten wir eine Einigung bezüglich einer Zusammenarbeit geschlossen, hätte ich Ihnen einen Schlüssel fürs Gartentürchen geben können und Sie würden nicht jedes Mal den Alarm auslösen.", lockerte Marie die leicht angespannte Stimmung auf, "Aber kommen wir zum Wesentlichen. Ohne Ihre Informationen hätten wir die kleine Marie wohl ihrem Schicksal überlassen müssen.", sagte sie in meine Richtung deutend, was nun auch den Blick der anderen beiden auf mich zog, deren erhellte Blicke mir sagten, dass sie Dinge über mich wussten, die mir selbst noch nicht zugetragen würden, was mich stirnrunzelnd den Blickkontakt mit Marie suchen ließ.
Doch Marie war offenbar zumindest im Moment nicht gewillt, mich weiter aufzuklären, stattdessen sprach sie weiter, was die Blicke der anderen wieder auf sie lenkte: "Hat Ihr Besuch heute also etwas damit zu tun, Mister Tucker oder was möchten Sie dieses Mal?"
"Unser Angebot, über Sie erst nachzudenken wünschten, war, dass wir als gleichgestellte Partner zusammenarbeiten.", erwiderte Mr Tucker, ohne zu zögern, "Die Unterstützung bei der Rettung der jungen Dame war für uns eine Selbstverständlichkeit. Wer wären wir, das als Druckmittel zu verwenden? Wir sind heute hier, weil Jamy Lanusta, der dieses Wochenende eine Kunstausstellung veranstaltet, eine sehr gute Gelegenheit wäre, mit einer Zusammenarbeit zu beginnen.".
Marie lächelte sanft und schwieg einige Augenblicke, bevor sie sehr ruhig erwiderte: "Wir schätzen Sie sehr, Mister Tucker, denn Ihre Informationen haben sich bislang immer als äußerst präzise und nützlich erwiesen. Aber als gleichgestellte Partner zusammenzuarbeiten kommt für uns nicht in Frage, das hatten wir Ihnen bereits mehrfach erläutert. Und was Jamy Lanusta anbelangt, haben wir dieses Wochenende schon andere Pläne."
Relativ emotionslos und offenbar wenig überrascht über Maries Antwort erwiderte Mr. Tucker: "Nun... dann lassen Sie mal hören."
Marie behielt ihr Lächeln bei und antwortete fast augenblicklich: "Sie verstehen sicher, Mr. Tucker, dass wir Sie zum momentanen Zeitpunkt nicht in unsere Pläne für das Wochenende einweihen können. Allerdings gäbe es da etwas, das Sie für uns tun könnten. Es ist nicht ganz ungefährlich und hat mit einem gewissen Herrn zu tun, der uns zunehmend Schwierigkeiten bereitet. Wenn Sie uns auch bei diesem Problem Unterstützung bieten könnten, wäre ich durchaus gewillt über eine Zusammenarbeit in der Zukunft nachzudenken, bei der Sie direkt am jeweiligen Projekt beteiltigt wären."
"Das ist wieder sehr viel Konjunktiv, den sie da verwenden", antwortete Mr Tucker, "Hören Sie, Mrs. Vermillion. Wir wissen beide, dass wir Ihnen viel schulden. Ich bewundere ihren Sinn für Gerechtigkeit sehr. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass wir Ihnen viel effektiver unter die Arme greifen können... Also, wie können wir Sie in der Sache unterstützten?".
Doch Marie kam nicht dazu zu antworten, da just in dem Moment mein Badewannenopfer auf lautlosen Füßen herangetreten war und ihr nun etwas ins Ohr flüsterte, was sie nach einigen Augenblicken des Zuhörens mit einem "Danke, Ryan", quittierte, um daraufhin zu Mister Tucker zu sehen und zu sagen: "Es tut mir Leid, Mister Tucker, aber ich muss Sie für einen Moment allein lassen, wir werden unsere Unterhaltung aber in Kürze fortsetzen. Bis dahin leisten Sie doch bitte Marie Gesellschaft." Während sie das sagte, kam ich nicht umhin, meinen Blick auf dem Ekel aus dem Badezimmer haften zu lassen, der sich als Ryan entpuppt hatte, was mir ohne dass ich es wirklich merkte, ein kleines Lächeln ins Gesicht zauberte, das noch dadurch gefördert wurde, dass Ryan sich in der Zwischenzeit offenkundig umgezogen hatte und nun ein umwerfend blaues Hemd trug, das fantastisch zu seinen ebenso blauen Augen passte.
Er und Marie verließen ohne weitere Ausflüchte den Raum und ließen mich mit Mr Tucker und seiner Begleiterin, die sich allerdings auch selbst gut abzulenken wusste, allein, was mir zunächst etwas unangenehm war, da ich die beiden erst vor wenigen Minuten das erste Mal gesehen hatte und es mir so vor kam, als hätte Marie den Raum mit einer Stimmung verlassen, die nicht im Sinne von Mr Tucker zu sein schien, was mich allerdings nicht von einer ganz bestimmten Frage ablenken konnte und so fragte ich ihn kurzum: "Was meinten Sie als sie sagten, dass sie meiner ... Tante viel schulden?", was nicht nur die Aufmerksamkeit von Mr Tucker, der mich leicht überrascht ansah, sondern auch die seiner jungen Begleiterin weckte. Anscheinend wusste sieauch noch nicht, was da eigentlich alles abging. Und da sie sehr neugierig war, war sie mehr als gespannt.
"Nun ...", begann Mister Tucker und sah mich zunächst so an, als würde er überlegen, wie viel er mir sagen konnte oder auch sagen durfte, bevor er etwas zögerlich fortfuhr: "Sie hat uns vor ein paar Jahren finanziell sehr unter die Arme gegriffen." Er sah zu seiner jugendlichen Begleiterin und ergänzte, nur für sie bestimmt: "Das war als deine Großmutter so schwer krank wurde und diverse Operationen brauchte ..."
"Ich kenne die Geschichte, Vater.", warf Mr. Tuckers Tochter recht emotionslos ein. "Das war doch auch als ihr euch mit einer großen Waffenlobby angelegt habt, was ohne die Unterstützung von Marie und ...Maries Eltern schwer nach hinten losgegangen wäre.", fuhr sie fort und begann mich etwas seltsam anzusehen. "Es ist echt nervig, dass ihr beide Marie heißt. Ich heiß' übrigens Anna und dich nennen wir einfach mal 'Mary'.", sagte sie lächelnd, den Zeigefinger aus dem Handgelenk heraus auf mich gerichtet.
Dass jetzt auch noch Mister Tuckers Tochter Anna anfing, über meinen Kopf hinweg über mich zu entscheiden, ging mir gehörig gegen den Strich und so platzte es aus mir weit unhöflicher heraus als ich es eigentlich wollte: "Nein, keiner nennt mich einfach mal 'Mary'! Und ihr ganz sicher nicht! Mein Name ist Marie und wenn ihr Probleme habt, uns beide auseinanderzuhalten, dann ist das euer Problem!" Passend zu diesem Ausbruch drehte ich mich auf dem Absatz um und folgte meiner Patentante und Ryan aus dem Zimmer.
Anna, die mich während meines kleinen Ausbruchs stirnrunzelnd ansah, fing kurz nach meinem Abgang an zu kichern und rief mir noch "Bis später, Mary!" hinterher. Auf dem Flur entlang laufend wusste ich jedoch nicht einmal, warum genau ich überhaupt so sauer wurde. Dieser Gedankengang wurde jedoch dadurch unterbrochen, dass Ryan sich kurz zu mir umdrehte, mich leicht abfällig ansah und seinen Blick mit einem "Tss!" wieder nach vorn richtete.
Ich ignorierte Anna, die mir mit einem Mal äußerst unsympathisch wurde, ebenso wie Ryan, dessen abfällige Art völlig unangebracht war, zumindest soweit ich das zum jetzigen Zeitpunkt beurteilen konnte, und fragte mich, wieso meine Patentante immer noch im Flur war, obgleich sie doch schon einige Minuten vor mir aus dem Zimmer gegangen war. Doch ich sollte sehr rasch eine Antwort erhalten, da Marie sich zu mir umsah und mich hektisch zu sich winkte.
Marie musste zunächst etwas kichern als ich auf sie zukam und flüsterte mir dann lächelnd ins Ohr: "Deine Mutter bekam auch manchmal schlechte Laune, wenn sie müde war." Sie sah kurz hinüber zu Ryan und musterte mich für ein paar Sekunden. "Du und Ryan habt offenbar einen schlechten Start gehabt. Ich versichere dir jedoch, dass er dich nicht hasst, auch wenn er es durch seine eigenwillige Art gut kaschieren kann. Deine Mutter und Ryan waren sehr gute Freunde, musst du wissen. Aber genug für heute. Ich werde dir morgen erklären, was es mit Jamy Lanusta auf sich hat. Jetzt solltest dich erstmal ausschlafen.", sagte Marie und suchte den Blickkontakt zu Ryan, "Ryan wird dich auf dein Zimmer bringen".
Eigentlich wollte ich nicht, das Ryan mich in mein Zimmer begleitet, aber da ich mich im Moment noch gar nicht in dieser Villa auskannte, fügte ich mich dem sogenannten Schicksal und lies mich von ihm in mein Zimmer bringen. Sie hatte auch recht, weil ich doch, von so viel Aufregung sehr müde war. Morgen war auch noch ein Tag.
Und der kam mit einem Paukenschlag, der es in sich hatte ...Eigentlich wollte ich in Ruhe schlafen, doch ich wurde mitten in der Nacht von einem lauten Donnerschlag aus dem Bett gerissen und nichts war mehr, wie vorher.
Ohne mich entsinnen zu können, mich aufgerichtet zu haben, saß ich plötzlich im Bett und versuchte im Halbschlaf meine Gedanken zu ordnen, um herauszufinden, ob es tatsächlich einen lauten Knall gab, oder ich nur geträumt hatte. Ich bemerkte ein rotes Flimmern, das sich im Fenster reflektierte, woraufhin ich es aufriss und ein Feuer im Innenhof sah. Ohne nachzudenken sprang ich aus dem Bett, schnappte mir noch eine Jacke vom Stuhl und rannte zur Treppe, um in Erfahrung zu bringen, was da vor sich ging.
Doch im Treppenhaus war niemand zu sehen, so dass ich flugs aus der Eingangstüre im Erdgeschoss ins Freie trat, wo der Erste, auf den ich stieß, - wie konnte es anders sein - Ryan war, der mit verschränkten Armen und finsterer Miene auf das Feuer blickte, das rund ein Dutzend Helfer offenbar bereits unter Kontrolle gebracht hatten. Ohne mich anzusehen murmelte er: "Seit du da bist, gibt es nichts als Ärger ..." "Wie meinen?", entschlüpfte es mir sofort und ich setzte nach: "So wie ich meine Patentante verstanden habe, habt ihr schon seit Längerem Ärger und das hat nichts, aber auch absolut nichts mit mir zu tun ..." "Nein, ... da hast du Recht, aber trotzdem ... so viel Unglück in letzter Zeit ..." er zeigte dabei auf das Feuer, das sie langsam bekämpften.
"Nun mach' es doch nicht dramatischer, als es eigentlich ist.", ertönte die Stimme meiner Tante, die in aller Ruhe zu uns stieß und das Feuer beobachtete, als würde sie das überhaupt nichts angehen, hinter mir. Wir haben eines unser Spielzeuge, das wir für unseren Freund Jamy Lanusta vorbereitet haben, ausprobiert, wodurch einer unserer Tanks Feuer gefangen hat. Sie sah mich lächelnd an und sagte: "Es ist alles gut. Niemand wurde dabei verletzt. Entschuldige, dass du wach geworden bist. Geh' ruhig wieder ins Bett."
Ich schüttelte vehement den Kopf, zum einen, weil ich es leid war, wieder einmal abgeschoben zu werden, zum anderen, weil ich mittlerweile putzmunter war und keinerlei Bedürfnis verspürte, mich wieder hinzulegen, weshalb ich auch sagte: "Du wolltest mir morgen sagen, was es mit diesem Jamy Lanusta auf sich hat ... jetzt ist bereits morgen und mich würde das brennend interessieren, schon alleine, weil ihr wegen ihm so ein Spektakel veranstaltet habt."
Nach einem Moment des Zögerns, als meine Tante ansetzen wollte, es mir zu erzählen, übernahm Ryan plötzich das Wort: "Der Mann ist ein Schmuggler. Er benutzt seine Kunstausstellungen als Vorwand, um Geschäfte mit Waffen zu machen. Er schreckt nicht einmal davor zurück, an Kinder zu verkaufen... Vor einigen Wochen wurden zwei 15 Jährige von einem ihrer Mitschüler erschossen, der eine seiner Glocks bei sich trug. Wir werden diesen Mistkerl auffliegen lassen und ihn mit zu uns nehmen, um in Erfahrung zu bringen, wer über ihm steht und ihm sehr schmerzvoll zum Verständnis zu geben, was er falsch gemacht hat. Dieser Mistkerl lässt sich allerdings äußert gut und zahlreich bewachen. Wir haben diese Aktion bereits lange und sorgfältig geplant. In zwei Tagen wird er nie wieder eine Waffe in der Hand halten!" Ein Moment der Stille, in dem nur das Knistern des Feuers zwischen uns stand, setzte ein. Zu diesem Zeitpunkt fing ich erstmals an, Sympathie für Ryan, der sich mir erstmals so emotional und empathisch offenbarte, zu empfinden.
 

Akira Akarui

Super-Moderator
Teammitglied
SMods
Nach einem schlechten Start in den Samstag entschied ich mich ( Marie, schwarze Haare, grüne Augen, Körbchengröße 75F), nicht auf Arbeit zu gehen und kehrte durchnässt in meine Wohnung zurück, in der ich bis Sonntag durchschlief.
Ralf, der Freund meines Exfreundes Martin, klingelte an meiner Tür und berichtete, dass mein Ex Martin im Koma liegt. Es ereignete sich wohl drei Wochen zuvor bei einem Motorradunfall. Da ich Martin beim Rumknutschen mit seiner Kollegin Sophie erwischt hatte, hatte ich den Kontakt zu ihm bereits zuvor abgebrochen.
In diesem Zusammenhang machte Ralf einen dummen Witz darüber, dass es sich um einen Doppelgänger oder seinen Zwillingsbruder gehandelt hätte, was ich allerdings nicht ganz so witzig fand wie er.
Gegen meine Motivation überredete Ralf mich letzten Endes, Martin im Unikliniku zu besuchen. Ich fuhr uns mit dem Auto. Dort angekommen machten wir Bekanntschaft mit bewaffneten finsteren Typen. Beim Versuch zu flüchten, töteten sie Ralf, der durch einen Schuss in der Eingangshalle niedergestreckt wurde.
Die Männer zerrten mich in einen schwarzen Bus und nahmen mich mit. Während der Fahrt erwähnten sie, dass sie nach einem "Pawel Walczak" suchten, den ich unter dem Name Martin kennen würde. Offenbar hatten sie Martin im Krankenhaus nicht ausfindig machen können.
Wir machten an einem abgelegenen Gebäude Halt, wo sie mich zum Reden bringen wollten. Als es ungemütlich wurde, wurde unsere Runde von einem Fahrzeug bewaffneter Männer gestört. Sie machten meine Entführer unschädlich und nahmen mich mit.
Voller Erschöpfung schlief ich auf der Fahrt und wachte im leeren Wagen auf dem Hof eines großen Anwesens auf. Dort traf ich meine Patentante Marie, der ich offenbar meinen Name zu verdanken hatte, und ihre kleine Tochter Lisa.
Sie führte mich in ein Zimmer voll mit Karten, Zeichnungen, Fotografien, Skizzen und Zeitungsausschnitten von einer langen Serie von Einbrüchen und Diebstählen. Meine Patentante erzählte, dass sie zusammen mit meinen Eltern die Einbrüche geplant und durchgeführt und dass sie dabei nach ihren eigenen Vorstellungen von Gerechtigkeit gehandelt hätten. Außerdem hingen dort einige Fotos von Martin, die mit den Namen Martin Bauer, Pawel Walczak, Gordon Scott und Francois Michel versehen waren. Erneut wurde mir die Geschichte aufgetischt, dass es sich dabei nicht um Martin, sondern um jemanden, der ihm verdammt ähnlich sah, handelte.

Heute ist Samstag und das Wetter ist grau und kalt. Da möchte man am liebsten direkt nach dem Aufstehen wieder in sein Bett zurück fallen. Was aber nicht geht, da man ja an die Arbeit muss. Ich hasse meinen Beruf! Am allerliebsten wäre ich den ganzen Tag liegen geblieben und hätte den Geräuschen gelauscht, die vor meinem Fenster auftraten. Schlussendlich rappelte ich mich dann auf, schaute auf die Uhr und, oh weh, doch schon so spät. Nun aber schnell rein in die Klamotten und ab zum Bus. Wenn es nicht nur schon wieder regnen würde ... Da ich auch noch Pech habe, werde ich sofort nass, weil ein Auto mich von der Seite nass spritzt. Wirklich ärgerlich, schimpfe dem noch lautstark hinterher, rege mich noch ein wenig wie ein Rohrspatz auf, und sage zu mir: "Es kann nicht schlimmer werden, hilft alles nichts, weiter zum Bus."Triefend vor Nässe und zitternd vor Kälte erreiche ich den schmalen Busstand. Mit einem Blick auf meine Uhr muss ich feststellen, dass diese auch noch stehen geblieben ist. Da ich immer gute 10 Minuten zum Bus brauche, weiß ich jetzt nicht mal wie spät es ist und ich nehme schon immer den Letzten der fährt. Gereizt schüttele ich meinen Kopf, starre auf die gegenüberliegende Gebäudefassade und erblicke schließlich eine Leuchtanzeige, die mir noch nie zuvor aufgefallen war: Sa., 23.02.13 - 8°C - 7.18 Uhr. Verdammt ich wusste, das ich zu spät bin. Sollte um 7 Uhr anfangen zu arbeiten. Der Chef würde mir wieder eine gehörige Standpauke verpassen, aber erstmal musste ich zusehen, dass ich auf die Arbeit kam. Nur wie sollte ich das anstellen ohne Auto? Ein Taxi wäre jetzt das Beste der Wahl, nur leider hatte ich auch noch mein Handy zu Hause liegen lassen und mein Geld auch noch. So blieb mir halt nichts anderes übrig als zu laufen, was nicht das Beste war, besonders bei diesen Temperaturen. "War der blöde Weg schon immer so lang gewesen", war das Einzige, was ich bei dieser Kälte und dem Regen aus mir heraus brachte. Ich schüttelte mich und klemmte meine Haare hinter meine Ohren. "Nicht aufregen Marie, nicht aufregen ...", war das Einzige, was ich zu mir murmelte, als ich geschwind die Straße entlang ging. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich den LKW fast übersehen hätte. So konnte ich noch rechtzeitig zur Seite springen, als der durch eine Pfütze raste. "Verdammt!", entfuhr es mir, während das aufspritzende Wasser auch noch die letzten trockenen Stellen meiner Kleidung durchnässte.Dem LKW-Fahrer warf ich einige Flüche hinterher, doch machen konnte ich nun eh nichts mehr. Ich würde nach Hause gehen und den Tag einfach als "Krank" machen. Morgen dann zum Arzt und dann... schön die nassen Klamotten von meinem Leib zärtlich wegreißen und ein Bad einlaufen lassen. Ein heißes Bad wär jetzt genau das Richtige Ich lasse mich in der Badewanne ''gehen'', schmelze quasi dahin, oh Gott, das Leben kann doch soooo schön sein.. wenn da bloß nicht der ganze Stress wär ... Nur leider habe ich nicht bedacht, dass morgen erst Sonntag war und ich erst am Montag zum Arzt kommen würde. Aber so nass wie ich war, würde ich bestimmt eine Erkältung bekommen. Also zerrte ich mir regelrecht die nassen Klamotten runter und wollte ein Bad einlaufen lassen. Aber, wie der Teufel es will, kam nur eine braune Brühe aus dem Hahn. Vorbei der Traum vom schönen heißen Bad. Und mir war auch noch saukalt. ,,Ach verdammt! Wäre ich heute doch nur zu Hause geblieben!'', ich band mir ein Tuch um und rannte regelrecht auf mein Zimmer, riss den Schrank auf, zog meinen Pyjama an und verschwand unter meiner Bettdecke. Ich hab keine Ahnung, wie lange ich da lag, denn mich weckten ein paar Sonnenstrahlen, die durch mein Fenster schienen. Mein Handy vibrierte unaufhörlich, ich öffnete es und da stand: ,,7 verpasste Anrufe/ Absender: Chef''. Verdutzt darüber, dass dieser so oft angerufen hatte, rieb ich mir mit Unglauben die Augen. "Was zur Hölle will der? Nicht mal einen Tag darf man krank machen? Ha! Morgen zum Arzt und für den Rest der Woche 'n Gelben holen!" Moment, was hatte ich da gesagt? Morgen? Ich hatte den gesamten Samstag verschlafen und es war bereits Sonntag geworden, zumindest wenn ich dem Datum auf meinem Handy trauen konnte. Seufzend blickte ich an die Decke und wischte mir eine Strähne meiner pechschwarzen Haare aus den giftgrünen Augen. "Er bringt mich spätestens am Dienstag so was von um", murmelte ich und begann in meinem Schrank nach einem BH zu suchen. 75F war nicht unbedingt die Größe, in der man viele BHs bekam. Was deutlich wurde als ich das Tablar mit der Unterwäsche ansah. Ich zog das Pyjamaoberteil aus und legte mir den BH an, dann suchte ich mir noch eine passende Unterhose und zog sie ebenfalls an. Aus der hinteren Ecke eine Hose und ein einfaches T-Shirt, zog sie mir an und ging aus meinem Zimmer. ,,Waaaah, wie spät ist es denn jetzt eigentlich?'' sagte ich gähnend als ich die Treppe hinunter ging. Ich ging in die Küche und holte das Müsli aus dem Schrank, füllte es in eine Schüssel, dann machte ich den Kühlschrank auf und nahm die Milch raus.


Ich wollte gerade den Inhalt über mein Müsli kippen, als ich diesen stechenden Geruch wahrnahm.
Ich roch vorsichtshalber noch mal daran, nur um sicher zu gehen. Fehler, mächtig großer Fehler.
Das Zeug stank mir die Bude voll.
Verfluchte Scheiße, jetzt muss ich das Zeug also auskippen.
Als hätte ich nicht so schon genug Stress, muss jetzt auch noch mein Handy klingeln.
Ich schaute aufs Display und wunderte mich, wer denn um alles auf der Welt, meine Nummer kennt, ich beschloss also ran zu gehen und erlitt den Schock meines Lebens.

Der Freund von meinem Ex! Woher kennt der denn bitte meine Nummer!
Bestimmt hat mein Ex meine Nummer ihm gegeben, aber was nun? Ich ging ans Telefon und hörte einen lauten Schrei. Schlagartig fiel mir das Handy aus der Hand.

Scheiße aber auch, was war denn das?
Erst der Freund meines Ex, jetzt auch noch dieser Schrei!
OK, nachdenken, denk nach Marie, denk nach!!!
Ich hob das Telefon und wählte, während ich mich zur Ruhe zwang.

,,Ich rufe ihn jetzt einfach zurück und frage, wo zur Hölle er meine Nummer her habe und warum er ins Telefon schreie'' sage ich mir selbst, doch nix mit zurückrufen. //Ihr Guthaben ist erschöpft, bitte laden Sie es wieder auf um diesen Anruf zu tätigen//, sagte mir die ,,nette'' Stimme des automatischen Services und während das ertönte, schmiss ich mein Handy wieder auf den Boden. ,,Ach scheiß die Wand an!'' schrie ich wutentbrannt bis ich merkte, dass das ein Fehler war. Hektisch hob ich mein Handy wieder vom Boden auf und drückte irgendwelche Tasten, doch nichts regte sich. ,,Ach egal, ich brauche eh ein neues Handy'' versuchte ich mich zu trösten, dass ich nicht in Tränen ausbrach. Irgendwie war jetzt ein Bach geöffnet worden, denn die Tränen flossen wie ein riesiger Wasserfall die Wangen herunter. Nach ein paar Minuten konnte ich mich langsam beruhigen, es war aber echt heute der Teufel los.
Und wie um das zu bestätigen klingelte es plötzlich Sturm an meiner Türe. //Wer kann das denn wieder sein?//

Meine trüben Gedanken waren mit einem Mal wie weggeblasen, und ich eilte mit einer Mischung aus Neugierde, Besorgnis, aber auch dem Gefühl, gar nicht wissen zu wollen, was da schon wieder auf mich zukam, zur Türe und sah zunächst mal durch den Spion. Der Spion war ziemlich benebelt, so das ich gar nicht wirklich gut rausschauen konnte. Also musste ich erahnen, wer draußen stand. Doch nach Rätselraten war mir absolut nicht zumute, daher griff ich beherzt zur Klinke und öffnete die Türe. Mit verheulten Augen und verrotzter Nase schaute ich neugierig aus der Wohnung. Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und blickte überrascht in das Gesicht des Freundes meines Ex. Was um Gottes Willen hatte er hier zu suchen??? Eine gefühlte Ewigkeit starrten wir uns wortlos an, bis mir schließlich der Geduldsfaden riss und ich sagte: "Was um Gottes Willen hast du hier verloren?"
"Du ... Du ... Du bist daran Schuld, Marie!", geiferte er mich plötzlich an, ohne das ich eine Ahnung hatte, was er meinte.
In diesem Moment merkte ich, dass um mich herum alles verschwamm und es dunkel wurde. Langsam machte ich meine Augen wieder auf und blickte in das Gesicht von meinem Ex.
Zeitgleich bemerkte ich einen dumpfen Schmerz an meinem Hinterkopf und tastete den Bereich ab. Ich lag auf meinem Sofa im Wohnzimmer und spürte eine schmerzhafte Beule und getrocknetes Blut zwischen meinen Haaren. Ich musste wohl mit meinem Kopf auf den harten Steinboden des Eingangsbereich meiner Wohnung geprallt sein und dachte in diesem Moment eigentlich eher über die Tatsache nach, dass sich mein Ex offensichtlich in meiner Wohnung befand. "Freund meines Ex ...", korrigierte ich mich in Gedanken und fragte mich gleichzeitig, ob der Schlag auf meinen Kopf mehr als nur eine schmerzende Beule verursacht hatte. Ralfs Gesicht schob sich in mein Blickfeld und eine Mischung aus Wut und Sorge lag darin, wobei die Wut die Oberhand zu gewinnen schien, je länger ich ihn ansah. //Warum war er schon wieder wütend, ich hatte absolut keine Ahnung.//
"Martin - DEIN Ex Martin - liegt im Koma!", warf er mir unvermittelt an den Kopf. Langsam kamen mir wieder die Erinnerungen, ach ja, da war noch was ... Martin ... Martin ... er hatte sich doch nicht etwa etwas angetan ... wegen unserer Trennung?!? Oder war es doch wegen was anderem?? Anstatt weiter wild zu spekulieren und mir alles mögliche vorzustellen, entschied ich mich, Ralf direkt zu fragen und so hob ich die Brauen und wollte wissen: "Martin liegt im Koma ... wieso ... was ist passiert?"
"Er wollte zu dir ... mit dir reden, sich entschuldigen, was weiß ich, ... und er ..." Seine Stimme schien zu versagen. "er hatte einen Unfall ... mit dem Motorrad ... vor drei Wochen." Kopf kratzend überlegte ich, so lange ist das schon her, wo ist nur die Zeit geblieben ...
"Aber wieso kommst du jetzt und was willst du von mir?", konnte ich nicht umhin, Ralf zu fragen, fügten sich die einzelnen Puzzleteilchen für mich noch nicht zu einem ganzen Bild zusammen.
"Verdammt Marie, drei Wochen und du hast dich nicht ein einziges Mal blicken lassen; als wär' er dir völlig egal", warf er mir vor und ich verstand plötzlich seine Wut auf mich, aber wie sollte ich ihm klar machen, dass ich schlicht nichts davon gewusst hatte? Aber wie sollte ich auch, damals vor drei Wochen ist er wutentbrannt aus der Wohnung gestürmt ...
Ich hatte gesehen, wie er seine Kollegin Sophie geküsst hatte - also richtig, LEIDENSCHAFTLICH; hatte er erwartet, dass ich ihm kaum zwei Stunden später seine Ausreden glauben würde?
Ich spürte wie mich der bloße Gedanke daran immer noch aufwühlte, und da mein bisheriger Tag reichlich beschissen gewesen war, mein Schädel brummte und ich keinerlei Lust zu großartigen Erklärungen hatte, sagte ich harsch: "Das ist etwas zwischen Martin und mir und nichts, was dich angeht, Ralf!"
"Es geht mich ganz sicher was an, wenn sich mein bester Freund wegen dir fast in den Tod fährt und es dir offenbar völlig gleich ist."
"Ach ja, dann frage ich dich doch mal, was er dir erzählt hat, von der Sache vor drei Wochen?"
Das schien ihn jetzt doch zumindest kurzzeitig aus der Fassung zu bringen, denn er runzelte die Stirn und war für einen Moment sprachlos, während man sehen konnte, wie es in seinem Kopf arbeitete.
"Ähm ..., ja, Marie", druckste er herum. "Also ..., eins vorweg: ich dachte zuerst auch, er würde lügen, aber warum sollte er mir so eine Geschichte auftischen, wenn er genau weiß, dass wir beide uns noch nie leiden konnten."
"Wovon redest du eigentlich?"
"Martin hat einen ... Doppelgänger, einen eineiigen Zwilling, einen ... ach, keine Ahnung, wer oder was er war, ... jedenfalls war es nicht Martin, den du gesehen hast."
"... Willst du mein Vertrauen wirklich mit solch einer Absurdität erschüttern?" Doppelgänger, eineiiger Zwilling, womöglich gar ein Klon ... dachte ich, während ich spürte, wie bei Ralfs absurder Behauptung etwas in mir hochkochte. Enttäuscht über Ralfs ausbleibende Antwort, warf ich ihm einen verachtenden Blick zu und verschwand, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, im Bad.
Aber ich hatte nicht mit Ralfs Hartnäckigkeit gerechnet, denn er folgte mir und sagte schließlich, in Ton doch sehr einlenkend: "Ich will doch nur, dass du mit mir kommst, Marie ... zu Martin und er deine Anwesenheit spüren kann."
Genervt darüber, dass ich meine kurze Pause nun doch nicht bekam und sich auch noch ein Gefühl von Mitleid in mir anbahnte, ließ ich ein tiefes Seufzen verlauten, schnappte mir die Autoschlüssel und verließ die Wohnung. Dabei wäre es so schön gewesen, einen freien Tag zu haben, aber was solls.
Grade als ich losfahren wollte, bemerkte ich, dass ich keine Ahnung hatte, wo Martin im Moment überhaupt ist, was mich so in Gedanken versinken ließ, dass ich nicht merkte, wie Ralf mir nachlief, bis er schließlich in's Auto stieg, was ich allerdings widerwillig hinnehmen musste, da mein "du-steigst-sofort-aus"-Blick seinem "das-wird-nicht-passieren"-Blick nicht standhalten konnte. Seufzend stieg ich in das Auto, "Wo liegt er?" kam widerwillig die Frage.
"Er ist seit gestern wieder zu Hause.", antwortete Ralf mit strahlendem Gesicht.
"Ich dachte, er liegt im Koma ... wie kann er da zuhause sein?", fragte ich und sah Ralf perplex an.
Ralfs erschrocken Blick nach zu urteilen, nahm ihn die ganze Sache ziemlich mit, wenn er sogar unter so drastischen Realitätsstörungen leidet.
"Ist mit dir alles in Ordnung?", platzte es nun doch aus mir heraus und ich spürte, wie sich auch der letzte Ärger ob seiner Einmischung zu verflüchtigen begann, auch wenn ich das eigentlich gar nicht wollte.
Ralfs nachdenklicher Blick traf auf den meinen, woraufhin er sich gleich wieder von mir abwandte und nach einem längeren Moment der Stille antwortete: "Ja, er... liegt im Uniklinikum.", was mich unmittelbar dazu veranlasste, ordentlich auf's Gas zu treten, In der Hoffnung, dieser nervig erdrückenden Stimmung zu entkommen.
Eine knappe Viertelstunde später betrat ich mit Ralf die Klinik.
Sowie wir in Richtung Empfang gehen wollten, hörten wir das beängstigende Geschrei einer Frau. Das war nun wirklich nicht dazu angetan, meine Stimmung zu heben und mir wurde plötzlich wieder bewusst, welche Aversion ich gegen Krankenhäuser hatte, gegen den Geruch, der sich in den Gängen hielt, gegen die gewienerten Böden, die weißgekittelten Gestalten, die weinenden und bangenden Angehörigen und gegen all das Leid, die Krankheit und der Tod, der einem von überall entgegenwehte, nicht nur von den Kranken, die in ihren Betten teils auf den Gängen auf Untersuchungen warteten.
Wenige Sekunden später riss mich das Ertönen mehrerer Schüssen, die mir klarmachten, das Geschrei falsch beuteilt zu haben, aus meinen Gedanken. Während mein Puls unwillkürlich zu rasen begann, sah ich mich hektisch um, nach einer möglichen Deckung genauso wie nach dem Ursprung der Schüsse, denn ich wollte keinesfalls in ebendiese Richtung laufen. Über den stückweise offenen Gang des ersten Obergeschosses, der unmittelbar über der Rezeption lag, rannten zwei Leute, ein jüngerer Mann und eine Frau mittleren Alters, in den rechten Flügel.
"Was geht da vor?", fragte ich, während ich zeitgleich instinktiv hinter dem Tresen der Rezeption Schutz suchte.
Während weitere, immer präsenter werdende, Schüsse ertönten und wir, an den Tresen gelehnt mit dem Eingang im Blick, mit dem Rücken zum Geschehen hockten, stotterte Ralph, "Wir müssen hier weg!", als plötzlich ein paar Leute, die bisher noch wie angewurzelt im Eingangsbereich standen, mit dem Blick nach oben verzweifelt Schutz suchend in alle Richtungen liefen, was mich dazu veranlasste, es für keine gute Idee zu halten, durch einen kurzen Blick herausfinden zu wollen, was auf dem Durchgang vor sich geht.
Ralph wurde offenkundig von dieser einsetzenden Panik miterfasst, denn er erhob sich und rannte los, hin zum Ausgang, ohne auch nur einen Blick hinter sich zu werfen, was mich trotz der angsteinflößenden Situation den Kopf schütteln ließ, während ich ihm nachrief: "Bleib hier, Ralph, das ist keine gute Idee!"
Kaum hatte ich ihm das zugerufen, musste ich beobachten, wie Ralph, dicht gefolgt von einem weiteren einschneidenden Knall eines unmittelbaren Schusses, ohne jegliche erkennbare Bemühungen, dem Aufprall entgegenzuwirken, im Sprint zu Boden ging, wo er sich nach dem Aufprall noch ein paar Mal überschlug und eine immer größer werdende Blutspur hinterließ.
Fassungslos starrte ich ihn an mit einem plötzlich aufwallenden Gefühl von Unwirklichkeit und dem starken Drang, sofort zu ihm zu sprinten und ihm zu helfen, was jedoch von meinem unmittelbar wieder einsetzenden Verstand verhindert wurde, der Bilder von Filmen vor meinem inneren Auge ablaufen ließ, Bilder, in denen genau solche Rettungsversuche mit dem Tod des Retters belohnt wurden.
Aus meinem äußersten Blickwinkel erkannte ich, begleitend von einem dumpfen Geräusch, wie jemand rechts von mir auf den Tresen landete, wodurch ich meinen Blick langsam in dessen Richtung wandte und in die Augen eines Mannes mit einer geschulterten Schrotflinte blickte, der mich für ein ein paar Sekunden ansah und dann lächelnd sagte, "Du wirst mit uns kommen", was mich nach einigen Sekunden, die ich brauchte, die Situation halbwegs zu erfassen, in leichte Panik versetze und mich veranlasste am ganzen Körper zu zittern, ehe ich beim Versuch aufzustehen, um davonzulaufen, lediglich über mein linkes Knie stolperte und nun regungslos am Boden lag und hoffte, dass es mich nicht auch treffen würde.
Doch dieser Totstellreflex, der im Tierreich oft von Erfolg gekrönt wurde, zeigte bei dem Mann mit der Schrotflinte keinerlei Wirkung, denn er stieß mir den Lauf erst recht unsanft in den Rücken, bevor er mich an den Haaren aus meiner liegenden Position zog, um mich mit einem in mein Ohr geraunten "zum Liegen wirst du noch Gelegenheit genug bekommen ..." mit sich gen Ausgang zu ziehen.
Meine Gedanken, was nun mit mir passieren oder, ob ich das Alles überleben könnte, wurden vom Anblick Ralphs unterbrochen, dessen lebloser Körper in einer immer größer werdenden Blutlache lag und mir die letzte Hoffnung nahm, dass er möglicherweise noch am Leben sein könnte, unterbrochen, bis mir die, vor Angst entstellten Gesichter der Leute, die sich in unmittelbarer Nähe aufhielten, erneut die Ernsthaftigkeit meiner Situation klarmachten und mir Anlass zu der Annahme gaben, dass meine Chancen relativ schlecht stehen würden, wenn ich mich von diesen Leuten einfach mitnehmen lassen würde.
Allerdings war ich Realist genug, um zu wissen, dass mir mit einer immer noch auf mich gerichteten Schrotflinte und den Haaren in der Hand meines Peinigers nicht viele Alternativen blieben, als zumindest im Moment der doch recht brutalen Aufforderung Folge zu leisten, in der Hoffnung, dass sich auf dem weiteren Weg eine Möglichkeit zur Flucht ergeben würde, bevor ich das gleiche Schicksal erleiden würde wie Ralph, dessen nun starr geöffnete Augen mir nachzublicken schienen, obwohl das physisch kaum noch möglich sein konnte.

Draußen angekommen wurden wir bereits von einem schwarzen Bus und drei davor positionierten bewaffneten Männern erwartet, die mir unangenehme Blicke zuwarfen und mir unmittelbar in den Bus folgten, der sich kurz darauf in Bewegung setzte.
Als ich das sah, drängte sich mir unweigerlich der Gedanke auf, dass die es auf mich abgesehen hatten, dass der Überfall auf das Krankenhaus auf irgendeine Weise mir gegolten hatte, auch wenn ich mir keinerlei Reim darauf machen konnte, wieso ein Teil der Verbrecher aus dem ersten Stockwerk gekommen war und was das Ganze überhaupt sollte.
Nach ungefähr einer Minute, die ich zu nutzen versuchte, um wieder halbwegs zur Besinnung zu kommen, sah mich der Typ, der mich in den Wagen zerrte musternd an, während er sich eine Zigarette anzündete, bis er schließlich mit zusammengezogenen Augen und in einem gehässigen Ton fragte: "Na, bist du sauer, weil ich deinen Freund umgelegt habe?"
Für einen Moment war ich perplex und starrte den Mann sprachlos an, doch dann schlüpfte die Frage wie von alleine über meine Lippen: "Du hast ihn umgelegt, weil du denkst, er war meine Freund?"
"Ich hab' ihn umgelegt, weil er dämlich war, weil er geglaubt hat, einer Kugel davonrennen zu können - und weil er unserem Auftrag im Weg stand." Langsam kam mir der Satz im Gehirn an, aber so ungefähr den Sinn verstand ich im ersten Moment nicht, bis es mir so langsam dämmerte.
"Mich entführen ist euer Auftrag?", fragte ich daher auch, wobei ich nicht umhin konnte, vermutlich recht verwirrt und irritiert auszusehen, immerhin hatte ich noch keinerlei blassen Schimmer, was das Ganze wirklich sollte.
"Das würde dir gefallen, nicht wahr Prinzessin?", murmelte einer der anderen Entführer, der mir gegenüber saß, und mir die gesamte Zeit unverblümt auf meine Brüste starrte. Nur kurz streifte mein Blick den Mann, dann entschied ich mich, seine lüsternen Blicke genauso zu ignorieren wie seinen gemurmelten Kommentar und ich sah stattdessen weiterhin auf den Mann, der der Anführer zu sein schien, und fragte: "Und ich bin eurem Auftrag förderlich, was auch immer das für einer ist?"

"Ich hoffe - auch für dich selbst -, dass du uns helfen wirst, jemanden zu finden: Pawel Walczak ... oder für dich vielleicht eher Martin", entgegnete er, wobei er den Namen meines Ex-Freundes abfällig betonte.
Nur sehr langsam sickerte das Gesagte in mein Bewusstsein, während zeitgleich Ralfs Worte durch meinen Kopf schossen: er hat einen Doppelgänger, einen eineiigen Zwilling ..., was mich erst nach einer kurzen Pause, in der sich meine Gedanken wieder sortierten, möglichst unbedarft sagen ließ: "Aber Martin liegt im Krankenhaus, ich wollte ihn dort gerade besuchen ..."
"Du bist nicht sonderlich schlau, oder glaubst du, dass wir dieses Gespräch führen würden, wenn er dort gewesen wäre?"
"Er war nicht da?", fragte ich jetzt doch einigermaßen perplex und sprach weiter: "Aber es ging ihm doch so schlecht, da ist er sicher nicht einfach aus dem Krankenhaus weg ..."
"Pawel war nicht da - und du kannst dir sicher sein, dass meine Männer die Suche sehr genau genommen haben - aber wenn er erfährt, dass wir seine Liebste haben, wird er schon auftauchen."
"Liebste?" Ich lachte auf und meinte mit einem Kopfschütteln: "Da seid ihr völlig unterinformiert, denn er hat längst eine andere ... vielleicht hättet ihr lieber die entführen sollen."
"Meiner Erfahrung nach liegt jemandem, der sich aufgrund einer Frau ins Koma fährt, meistens auch noch was an dieser Frau, glaubst du nicht?"

Ich schüttelte den Kopf und sah aus dem Fenster, denn ich hatte keine Ahnung, wieso Martin tatsächlich diesen Unfall hatte und ob er wirklich zu mir wollte, wie Ralf behauptet hatte, genauso wenig wie dieser Mann es wissen konnte. Der Kleinbus holperte inzwischen durch ein mir unbekanntes Gewerbegebiet mit zugewucherten Bürgersteigen, baufälligen Backsteingebäuden und zerbrochenen Fensterfronten, keine Menschenseele war weit und breit zu sehen. Der Anblick der verlassenen und heruntergekommenen Gegend ließ ein mulmiges Gefühl in mir aufsteigen und auch, wenn ich eben noch den Gedanken an das, was mir bevorstehen mochte, weit nach hinten hatte schieben können, schob er sich jetzt vehement in den Vordergrund. Wenig später bog der Bus in eine Seitengasse und hielt abrupt vor einem massiven Rolltor, dessen einwandfreier Zustand in krassem Kontrast zur Umgebung stand. Nur kurz darauf hob sich das Rolltor und der Bus fuhr ins Innere, das durch mehrere grelle Deckenlampen ausgeleuchtet war und Blick auf eine wenig einladende nüchterne Lagerhalle freigab. Kaum war er hindurch gefahren, wurde die Seitentür aufgerissen und ich sah erneut in den Lauf einer auf mich gerichteten Waffe. "Los, da rein", gab mir der Pistolenträger, der bisher noch keine einzige Silbe gesprochen hatte, den Befehl und damit die Richtung vor, während er mir gleichzeitig die Waffe so fest in den Rücken bohrte, dass ich einen Aufschrei nicht unterdrücken konnte. Die anderen Beiden waren ebenfalls ausgestiegen und gingen vorweg. Einer von ihnen hielt eine schwere Türe auf, hinter der ich einen hell erleuchteten Raum sehen konnte, während der Mann mit der Schrotflinte uns schweigend folgte, möglicherweise um dadurch meine Furcht anzufachen, was aufgegangen wäre, wenn nicht der Pistolenträger erneut das Wort ergriffen hätte: "Setz dich hin!"

Während ich auf einem kalten Metallstuhl Platz nahm, konnte ich durch die offenstehende Tür hindurch sehen, dass der vierte Entführer offenbar noch hinter dem Steuer des Busses saß und ihn wieder aus der Halle hinaus steuerte. "Arme hinter den Rücken", kam es als nächstes vom Pistolenträger, der irgendwie das Kommando übernommen hatte, während der Mann mit der Schrotflinte, der die ganze Fahrt über die Reden geschwungen hatte, den Raum durch eine weitere Stahltüre verließ, nicht ohne vorher einem der anderen beiden verbliebenen etwas ins Ohr zu flüstern, was ich jedoch nicht verstehen konnte. Meine Arme wurden schmerzhaft fest an die Stuhllehne gefesselt, dann zog sich der Entführer einen zweiten Stuhl heran und setzte sich rittlings mir gegenüber hin. Beugte sich vor und begann mir etwas ins Ohr zu flüstern. "Wir haben jetzt eine Menge Zeit und die werden wir beide nutzen", hauchte er an mein Ohr und wenn schon nicht die Art, wie er die Worte quasi in mein Ohr gleiten ließ, einen eisigen Schauer über meinen Rücken laufen ließ, so vermochte dies seine Wange, die er provokant sachte an meiner rieb. Ein Blick von ihm genügte und auch der dritte Mann verließ den Raum und ließ mich mit dem Pistolenträger allein. Der stand von seinem Stuhl auf, drehte diesen herum und setzte sich nun so mir gegenüber, dass seine Beine sich provokant zwischen meine drängten und sie auseinanderschoben, während er sich wieder ganz nah zu mir beugte und mir mit einem süffisanten Grinsen tief in die Augen sah. "Nun, was sollen wir jetzt machen?" kam die sehr einfache Frage, die doch sehr sehr bedrohlich wirkte. Ehe ich mir eine Antwort zurechtlegen konnte, erschütterte eine Explosion die gesamte Lagerhalle, mit quietschenden Reifen schien Augenblicke danach im angrenzenden Raum ein Fahrzeug zum Stehen zu kommen und stakkatoartig ertönten Schüsse.
Grade als ich mir die Frage stellen wollte, in was für einen Alptraum ich da geraten war, sprangen drei Männer von der Ladefläche des Fahrzeugs, eröffneten das Feuer auf mein Gegenüber, was mir ein weiteres ungewolltes Blutbad direkt vor meinen Augen bescherte, wobei eine der Kugeln ein Stück der Rückenlehne meines Stuhles wegriss. Ich konnte mit ansehen, wie eine Kugel durch den Kopf des Mannes schoss, der mir gegenüber saß. "Pass auf, du Idiot!", Schrie einer der Männer, die auf meine sich versteckenden Entführer schießend in meine Richtung rannten, "Stell dir vor, du hättest sie getroffen."
Fassungslos hörte ich die Worte und verstand absolut nichts mehr, was genau ging hier jetzt vor. Ich hatte null Ahnung, was jetzt kommen sollte oder wer diese Männer waren. Doch zunächst war ich dankbar, dass einer von ihnen mich vom Stuhl losschnitt und mir erstaunlich sanft hochhalf, während sich einer der anderen beiden mit gezogener Pistole gehetzt wirkend umsah und dabei ausstieß: "Und jetzt nichts wie raus hier ..."
Obgleich dieser Typ einen ganz schön angsteinflößenden Gesichtsausdruck hatte, kam ich nicht umhin, diese Idee ziemlich gut zu finden, woraufhin ich etwas verängstigt vom Stuhl sprang und wild um mich blickend, ohne ein Wort von mir zu geben, in Richtung des Wagens stolperte. Als ich fast stürzte, packte mich der, der eben noch gerufen hatte, recht unsanft am Arm und zog mich mit sich, was zwar äußerst schmerzhaft war, aber auch verhinderte, dass ich tatsächlich zu Boden ging.
"Habt keine Angst, wir bringen euch in Sicherheit.", sprach er mit fast übertrieben freundlicher Stimme zu mir, während sich seine Hand an meinem Arm lockerte.
Euch ...
wiederholte ich in meinem Kopf und fragte mich, wen er da meinte, war ich immerhin alleine hierherverschleppt worden.
Nachdem ich den Mann für eine Weile mit einer Mischung aus Verwirrtheit und Ängstlichkeit ansah, legte er seine Hand auf meinen Rücken und sagte, "Kommt jetzt bitte, wir erklären euch alles, wenn wir in Sicherheit sind", wodurch ich mir jetzt die Frage stellen musste, ob man mich wohlmöglich verwechselt haben könnte, was ich allerdings nicht unbedingt thematisieren wollte, bevor ich die Gewissheit hatte, in Sicherheit zu sein.
Ich kam auch nicht zu weiteren Überlegungen, denn der Druck in meinem Rücken verstärkte sich jäh und ich wurde vorangetrieben, was auch gut war, denn kaum hatte man mich kurz darauf mehr oder weniger auf der Beifahrerseite in den Wagen bugsiert, brach draußen auch schon die Hölle los ...
"Wir kommen jetzt raus", sprach der Fahrer des Wagens in ein Mikrofon an seinem Körper, woraufhin er den Wagen wenige Sekunden später trotz weiterer Schüsse, die außerhalb des Gebäudes fielen, in Bewegung setzte.
Durch die rasante Anfahrt wurde ich in den Sitz gepresst und griff instinktiv nach dem Sicherheitsgurt, so unsinng das in meiner Situation auch erscheinen mochte und während ich noch nach dem Teil angelte, preschte der Wagen durch das Rolltor, das anders als bei der Herfahrt völlig zerbeult und zerquetscht war, und ließ kurz darauf die noch fallenden Schüsse und das Schreien hinter sich, um mit hohem Tempo durch die verlassene Gegend zu brausen.

Nach einer Weile anhaltender Todesangst, die ich damit zubrachte, mich zu beruhigen, fuhren wir bereits auf dem Highway durch die Stadt und obwohl es für alle offensichtlich sein musste, dass mir unendlich viele Fragen durch den Kopf schossen, brachte ich kein einziges Wort hervor, während ich daran dachte, dass ich vor wenigen Stunden noch zusammen mit Ralph auf der gleichen Straße ins Krankenhaus fuhr.
Die monotone Fahrt, das Schweigen des Fahrers und des Mannes, der mich mit "euch" angeredet hatte und nun ebenfalls neben mir auf der breiten Sitzbank des Wagens saß, sowie die Strapazen des Tages mit all seinen unglaublichen und schrecklichen Wendungen, führten dazu, dass es nicht lange dauerte und ich fiel in einen tiefen Schlaf, in dem wirre Träume mich heimsuchten.
Nach einer gefühlten Ewigkeit wachte ich langsam wieder im leeren Wagen auf und blickte von einem großen Hof aus auf ein großen Anwesen, vor dessen Eingang ein Mann und eine Frau standen, die in meine Richtung blickten, als ich plötzlich durch ein Geräusch neben mir den Kopf zur Seite drehte und ein Mädchen neben mir auf dem Sitzbank sah, das auf ihrem Smartphone tippte.
"Wer bist du?", fragte ich, doch statt einer Antwort hörte das Mädchen auf zu tippen, sah mich mit großen Augen kurz an, bevor sie die Türe öffnete, um sich vom Sitz nach draußen gleiten zu lassen und zu rufen: "Mami, sie ist jetzt wach!"
Nur wenige Sekunden später vernahm ich den Klang von Absätzen, die sich dem Wagen näherten, während mich das kleine Mädchen mit großen Augen angrinste, bis an ihrer Seite eine wunderschöne Frau in schwarzem Blazer und schwarzen Jeans auftauchte und mir entgegenlächelte, "Du musst hungrig sein. Lass uns reingehen.".
Ich brauchte einen Moment, bevor ich reagierte und es fast automatisch über meine Lippen kam: "Wo bin ich hier?", während der Gedanke an etwas zu essen mich mit knurrendem Magen wie von alleine aussteigen ließ.
"Eine sehr enge Freundin deiner verstorbenen Eltern, Marie.", erwiderte die Frau, "Ich war so frei, dich in eine... weniger aufregende Umgebung bringen zu lassen. Aber lass uns drinnen weiter reden".
Eine Freundin meiner Eltern?, fragend sah ich zu der Frau, die sich als Marie vorgestellt hatte, und versuchte, einen Zusammenhang zwischen den Ereignissen von ... ja, von wann? Wieviel Zeit war vergangen?
Trotzdem, oder gerade deshalb, weil ich so viele Fragen hatte, stieg ich aus dem Auto aus und folgte dieser wunderschönen Frau. Das kleine Mädchen ging mit durch die große und einladende Tür.
"Dann...", brach ich die Stille, die ansonsten nur durch die Absätze dieser Frau gestört wurde, "habe ich meinen Name also durch dich bekommen?, woraufhin das kleine Mädchen vor uns auf der Treppe, die wir grad hinaufstiegen, stehen blieb und mich mit großen Augen ansah, "Dann heißt du genauso wie meine Mutti?".
Ich nickte stumm und die Frau erklärte dem Mädchen in freundlichem Ton: "Ja, ihre Eltern haben sie nach mir benannt, weil ich ihre Patentante bin", während ich aus den Augenwinkeln den Mann bemerkte, der zuvor noch vor dem Eingang gestanden hatte und der mich jetzt neugierig von oben bis unten musterte.
"Also wirklich Tom, wie unhöflich von dir, eine junge Dame so anzustarren.", sprach meine Patentante in einem sehr charmanten und belustigten Ton, bis sie sich ihrer Tochter zuwandte: "Lisa, willst du Maria nicht ihr Zimmer zeigen? Mama hat noch etwas zu erledigen."
Der mit Tom Angesprochene zuckte kurz zusammen und wandte sich demonstrativ ab, während das Mädchen mit einem Grinsen nach meiner Hand griff, um mich wohl zum entsprechenden Zimmer zu führen, was ich jedoch mit einem kopfschüttelnden "Ich möchte jetzt kein Zimmer sehen, ich möchte wissen, was das Ganze soll, wieso ich hier bin, welche Rolle Sie spielen", ablehnte, da mir die gehäuften freundlichen Reaktionen der mir völlig fremden Menschen suspekt zu erscheinen begannen.
Für einen kurzen Moment sah mich Marie etwas überrascht an, bis sie ein leichtes Lächeln aussetze und sagte: "Du kommst ganz nach deiner Mutter. Also schön, folge mir. Ich möchte dir etwas zeigen.".
Kurz darauf standen wir in einer Art Arbeitszimmer, dessen Fenster durch herabgelassene Rolläden verdunkelt waren und das durch eine relative nüchterne Deckenbeleuchtung erhellt wurde und die Frau, die sich als Marie vorgestellt hatte, wies mit einer Hand auf eine Wand, die voll gespickt war mit Karten, Zeichnungen, Fotografien, Skizzen, Zeitungsausschnitten und allem, was man aus jedem guten Krimi kannte.
Sowie ich an die Wand herantrat, fielen mir Artikel und Fotos über jene Serie von Einbrüchen und Diebstählen von vor einigen Jahren auf, bei denen Wertsachen und geheime Dokumente in einem Wert von einigen Milliarden entwendet wurden.
Doch dann fiel mein Blick auf ein Foto von Martin oder besser gesagt viele verschiedene Fotos von Martin, bei denen er jedes Mal anders aussah und ich näher herantreten musste, um überhaupt mit Gewissheit sagen zu können, dass es sich um meinen Ex-Freund handelte, was noch dadurch erschwert wurde, dass die Fotos die unterschiedlichsten Namen trugen wie Martin Bauer, Pawel Walczak, Gordon Scott und Francois Michel.
Nach einem anhaltenden Moment der Stille, in dem mein Herz vor paranoiden Gedanken raste, fing Marie zu meinem leichten Entsetzen herzhaft an zu lachen, bis sie sich letzten Endes ein wenig beruhigte, um mir zu erzählen, "So gern ich auch wüsste, was in diesem Moment in deinem Kopf vorgeht, möchte ich dich nicht auf die Folter spannen, denn du musst wissen, dass all diese Diebstähle... deine Eltern und ich geplant haben.", was meinen Puls für einen kurzen Moment gegen Null tendieren ließ, was Marie allerdings nicht davon abhielt, lächelnd fortzufahren, "Versteh' das bitte nicht falsch. Wir sind keine Verbrecher und haben lediglich nach unserem eigenen Gerechtigkeit gehandelt. Denn du musst wissen...", bis ich sie mit einer Frage, die mir plötzlich durch den Kopf schoss, unterbrach: "Martin! ... Was hat er damit zu tun?".
Marie stutzte und ich sah, wie sie für einen kurzen Moment die Fassung verlor, doch sie fing sich rasch wieder und erklärte mit erneut souverän klingender Stimme: "Da ist was aus dem Ruder gelaufen, wir sind noch dabei, die Einzelheiten herauszufinden, aber was wir schon wissen ist, dass es jemanden gibt, der wie Martin aussieht und das zu seinem eigenen Vorteil nutzt."
Das klang so verrückt, dass es nicht erfunden sein konnte, aber dennoch zu verrückt, dass ich die Geschichte einfach glauben könnte, "Du willst mir doch nicht etwa den bösen Zwilling auftischen, oder?".
Marie lachte - auch wenn ihr Lachen ein wenig gezwungen klang - und erwiderte: "Nein, einen biologischen Zwilling konnten wir ausschließen, aber noch nicht vom Tisch ist, dass er Martin einfach ähnlich sieht, aber auch eine Gesichtsoperation können wir nicht ausschließen, genauso wenig, dass er eine sehr gut gemachte, professionelle Maske trägt."
"Ehhh... ", begann ich mit einem Gesichtsausdruck, der ganz offensichtlich erkennen ließ, dass ich absolut nicht verstand, was das alles zu bedeuten hatte, "und was genau macht dieser ... falsche Martin?".
Marie legte einen Arm um meine Schulter, was ich irgendwie mit mir geschehen ließ, und meinte mit einem Lächeln: "Wie wäre es, wenn du dich erst mal ein wenig frisch machst und dich umziehst? Ich richte uns inzwischen etwas zu essen her und dann können wir alles in Ruhe bei einem gemeinsamen Mahl besprechen."
Ich hatte das Gefühl, als könne das noch eine sehr lange Unterhaltung werden und da sich meine Begierde, wissen zu wollen, was hier vor sich geht, in Anbetracht dieser scheinbar verrückten Geschichte deutlich geschmälert hatte und mittlerweile von meinem Hunger überholt wurde, nickte ich nur etwas zögerlich.

"Lisa, zeigst du Marie jetzt ihr Zimmer?", forderte meine Patentante das Mädchen auf, das sich inzwischen an den Schreibtisch gesetzt hatte und dort mit Buntstiften ihrer Kreativität freien Lauf ließ, woraufhin die Kleine mit strahlenden Augen zu mir gelaufen kam, mich völlig vorbehaltlos an der Hand fasste und mich ohne weitere Worte mit sich zog, die Treppe hinauf und hinein in das erste Zimmer, das auf der rechten Seite eines langen Korridors lag.
Wir standen in einem großen schön eingerichteten Zimmer, welches durch das Licht, das durch die Türen der anliegenden Terrasse hereinströmte, erleuchtet wurde, als ich in Anbetracht dessen, was ich von dem Anwesen bereits gesehen hatte, eher mittelmäßig überrascht meinen Blick durch das Zimmer schweifen ließ, kam ein Dienstmädchen aus einem Nebenzimmer, das ich bis zu diesem Zeitpunkt noch garnicht registriert hatte, musterte mich kurz und lächelte mir mit einer kleinen Verbeugung entgegen "Das Badewasser ist eingelassen. Bitte sagt mir, wenn ihr etwas braucht.", was mir allerdings ein wenig unangenehm war, jedoch nicht zum Ausdruck bringen konnte, da sich sowohl das Dienstmädchen als auch Lisa mit den Worten "Ich bin gleich im Zimmer nebenan, wenn du mich suchst." unmittelbar danach aus dem Zimmer zurückzogen.
Mir blieb nur wenig Zeit, mich im Zimmer umzusehen, kurz die Beschaffenheit des luxuriösen Betts zu testen und mich wieder zu erheben, um nach dem angrenzenden Badezimmer zu sehen, als auch schon ein schriller Ton losging und dazu plötzlich das Zimmer in ein in regelmäßigen Abständen leuchtendes Rot getaucht wurde, das - wie ich schnell erkannte - von einer über der Türe angebrachten Leuchte herrührte, die ganz offenkundig Bestandteil einer wie auch immer gearteten Alarmvorrichtung war.
"Ich hab' das Gefühl...", murmelte ich ein wenig genervt vor mich hin, "als müsste mein Bad etwas warten.", worauf ich mich einfach aufs Bett warf und den Schritten draußen auf dem Gang lauschte, die nach ca zwei Minuten verstummten, was mich dazu brachte, mich vom Bett zu schwingen und zur Tür zu gehen, um nachzusehen, was vor sich ging.
Vorsichtig machte ich die Tür einen Spalt auf um auf den langgezogenen Flur zu spicken. Ich konnte allerdings nur noch die letzten Schritte von der Kleinen sehen, also machte ich die Tür zu und wendete mich dem Raum zu, wo anscheinend das Badewasser auf mich wartet ...
Etwas gleichgültig und genervt von dem, was mir den ganzen Tag widerfuhr, hinterließ ich auf dem Weg ins Bad eine Spur mit meinen Klamotten, stieg in die Wanne und vergaß alles um mich herum, bis ich nur wenige Minuten später einnickte.
Doch mir sollte kein langes Badevergnügen beschieden bleiben, denn kaum war ich eingenickt, riss mich jemand auch schon wieder äußerst unsanft aus dem Wasser hoch und zerrte mich förmlich aus der Wanne, während eine mir unbekannte männliche Stimme mir ins Ohr zischte: "Du bist wohl von allen guten Geistern verlassen! Hast du den Alarm nicht gehört? Jetzt ist wirklich nicht die Zeit für ein Nickerchen in der Wanne ... Ich glaub's ja nicht ..."
Völlig schlaftrunken ließ ich mich aus der Badewanne ziehen und stand ein paar Sekunden nackt, den Blick aufs Wasser gerichtet, vor dem Mann bis ich wenige Sekunden später unangenehm realisierte, dass ich nichts anhatte und den Mann, der in diesem Moment mit einem Handtuch neben mit auftauchte, im Affekt in die Wanne stieß.
Als ich das perplexe Gesicht des gar nicht mal so unattraktiven Mannes in der Wanne sah, musste ich laut loslachen, was mir einen bitterbösen Blick einbrachte, den der etwa 30Jährige auch noch zeigte, nachdem er sich sehr geschmeidig und flott wieder aus dem Wasser geschwungen hatte, tropfend und sich für einen kurzen Moment schüttelnd wie ein Bernhardiner.

Als wenige Sekunden meines Gelächters später meine Priorität erneut auf die Tatsache, dass ich nackt vor ihm stand, fiel, hörte ich aprupt auf zu lachen und stieß meine Hände nach vorne, um ihn erneut in die Wanne zu stoßen, als mein Blick plötzlich an seinem nassen Shirt hängen blieb, was seinen muskulösen Körper ... verdammt gut zur Geltung brachte, und mein angetzter Stoß endete damit, dass meine Hände ganz sanft auf seinen Oberkörper klatschten und neben meinen Augen jetzt ebenfalls erstmal dort fixiert waren, bis er gefühlte zehn Sekunden später langsam das klatschnasse Handtuch über meine Arme legte, die weiterhin zu seinem Oberkörper ausgerichtet waren.
Nur kurz darauf hatte er mich in wenigen gezielten Bewegungen so um meine eigene Achse gedreht, dass mein Rücken gegen die Vorderseite seines Körper gepresst wurde, während er mit seinem muskulösen Unterarm das nasse Handtuch vor meinem Körper fixierte und mich, meine Arme bewegungslos eingeklemmt, aus dem Zimmer bugsierte.
"Eh... Hey!", rief ich leicht entsetzt, "Nur, weil du gut aussiehst und durchtrainiert bist, gibt dir das nicht das Recht, mich so zu behandeln!", was mir bereits in dem Moment, in dem ich es aussprach, etwas peinlich war, aber offenbar den gewünschten Effekt hatte, da er mich kurz darauf losließ und mir so die Möglichkeit gab mit einem spontanen Anschein, beleidigt zu wirken, meine würde widerherzustellen.
Doch wenn ich gedacht hatte, dass ich nun die Oberhand gewinnen würde, hatte ich mich getäuscht, denn der Mann drehte sich einfach auf dem Absatz um und ließ mich stehen, um gleich darauf mit großen Sätzen die Treppe hinunterzueilen, während er fast wütend ausstieß: "Die hätten dich einfach dort lassen sollen, dann hätten wir ein Problem weniger."
Nach einem kurzen Moment, den ich brauchte, um zu realisieren, dass mein neuer Lieblingsplayboy ein ganz schön großes Arschloch war, rief ich ihm leicht angepisst "Was hast du-" hinterher und stampfte dabei wütend auf die übernächste Stufe auf, um ihm zu folgen, rutschte jedoch aufgrund meiner nassen Füße aus, machte beim Versuch, nicht auf den Hintern zu fallen, einen recht ungeschickten Satz nach vorne und riss uns ein paar Stufen später beide nach unten, wo ich im Gegensatz zu meinem Charmeur relativ weich landete und auf sein anschließendes langes Seufzen nur noch "Nimm das!" murmelte.
Doch fast im gleichen Moment wurde mir die Absurdität der Situation klar und auch, wie tolpatschig ich mich schon wieder einmal benahm und das innerhalb nur weniger Minuten, so dass ich mich an meiner Oberhand, die ich eindeutig schon aus meiner Position heraus besaß, nicht wirklich lange erfreuen konnte, sondern stattdessen lieber das Handtuch schnell um mich schlang, um mich so rasch wie möglich aufzurappeln und einige gehörige Schritte zwischen den von mir zu Fall Gebrachten und mich zu bringen.
Gleich darauf richtete er sich ebenfalls auf, atmete tief ein und stand ein paar Sekunden, mir den Rücken zugewandt, regungslos da, ehe er mich überraschend ausdrucklos ansah, an mir vorbei ging und mir noch im Vorbeigehen sagte: "In deinem Zimmer liegen frische Klamotten. Du solltest dich erstmal umziehen und dann nachkommen.".
Das wiederum ließ mich perplex zurück, denn hatte er nicht gerade noch gedrängt, dass ich mitkommen sollte, mich quasi aus der Wanne gezerrt und mich auf den Alarm aufmerksam gemacht, der - wie ich feststellte - immer noch anhielt und jetzt machte er auf einmal auf cool und überließ es mir, wann ich mich dazu bequemte, nachzukommen?
Ich hatte allerdings keine Lust, groß weiter darüber nachzudenken, zumal ich die Idee mit den Klamotten angesichts des nassen Handtuches, dass ich trug, garnicht so schlecht fand, woraufhin ich mich auf direktem Wege zurück in mein Zimmer machte, mich abtrocknete und bei den Sachen bediente, die auf dem Tisch lagen.

Kaum war ich angezogen, fühlte ich mich wie ein neuer Mensch, Tatendrang durchzog mich und ich verließ ein weiteres Mal das Zimmer, um zu sehen, wo die anderen hin waren, was sich jedoch recht schnell als langwieriger und schwieriger herausstellte als gedacht, da das ganze Haus mit einem Mal wie ausgestorben wirkte und der gleichmäßig schrille Ton, der insbesondere im Treppenhaus mehr als deutlich zu hören war, mir eiskalte Schauer über den Rücken laufen und mich innehalten ließ.
Dieses ganze Szenario ließ mich kurz an Resident Evil denken, als Alice im Krankenhaus aufwachte, was nach genauerem Nachdenken jedoch nicht wirklich vergleichbar war und so entschied ich mich kurz um, den Weg über die Treppe zurück nach unten zu nehmen.
Kurz überlegte ich, ob ich rufen sollte, doch ich beschloss, dass es wohl besser wäre, möglichst leise zu sein, weil ich überhaupt nicht einschätzen konnte, ob es tatsächlich eine Gefahrenlage gab oder ob sich alle nur irgendwo in die Scheune verzogen hatten, um mir einen Streich zu spielen, Gedanken, die mich bei meinem automatisch schleichenden Gang durch das Haus begleiteten, einen Gang, der keinerlei Lebewesen zu Tage förderte, keine Spur von Marie oder den anderen.
Ich beschloss also, mich in Richtung des Eingangs aufzumachen und nahm den Gang, der mich an einer Reihe Fenster über einen Bogen zur Treppe, die hinab ins Erdgeschoss führte, führte, als ich zufällig aus dem Fenster sah und eine große Ansammlung von Leuten erblickte, die sich auf dem Hof vor dem Anwesen versammelt hatten und recht aufgebracht zu sien schienen, woraufhin ich so schnell wie ich konnte nach unten rannte, um zu ihnen zu stoßen.
"Das ist jetzt schon das dritte Mal in diesem Jahr, dass wir von Ihnen wie Verbrecher behandelt werden, nur weil wir uns Ihrem Anwesen nähern", sagte gerade der offensichtliche Rädelsführer, der sich Zustimmung heischend nach seinen Begleitern umblickte, die tatsächlich gleich nickten und mit "Genau", "Richtig", "Das geht so nicht" zustimmten, was Marie, die mit einem Lächeln dastand und sich das Ganze ruhig anhörte, nicht aus der Ruhe zu bringen schien, ganz im Gegenteil wies sie mit der Hand in meine Richtung bzw. in Richtung Eingang und bot sehr ruhig und freundlich an: "Mister Tucker, kommen Sie und auch Ihre Begleitung doch bitte auf ein Glas Tee oder Wein oder was immer Sie möchten herein, dann können wir alles in Ruhe besprechen."

Und so gingen Marie, der Mann, den Marie Mister Tucker nannte und vom Äußeren einem Kriegsveteranen glich, eine sympathische junge Dame, die nicht von seiner Seite wich, und weil ich das dringende Bedürfnis hatte, nicht wieder allein gelassen von seltsamen Typen heimgesucht zu werden, auch ich mit den dreien mit und so befanden wir uns kurze Zeit später erneut in dem Zimmer mit all den Zeitungsartikeln und den Fotos von Martin bzw. dem, der ihm ähnlich sah. Kaum traten wir alle in das Zimmer, sahen wir so viel Dokumente, die an den Wänden hingen, so wie auf den Tischen und anderen Möbelstücke lagen. Wenn wir all das durchschauen wollten, würden wir sehr sehr lange brauchen.
"Nun, Mister Tucker, hätten wir eine Einigung bezüglich einer Zusammenarbeit geschlossen, hätte ich Ihnen einen Schlüssel fürs Gartentürchen geben können und Sie würden nicht jedes Mal den Alarm auslösen.", lockerte Marie die leicht angespannte Stimmung auf, "Aber kommen wir zum Wesentlichen. Ohne Ihre Informationen hätten wir die kleine Marie wohl ihrem Schicksal überlassen müssen.", sagte sie in meine Richtung deutend, was nun auch den Blick der anderen beiden auf mich zog, deren erhellte Blicke mir sagten, dass sie Dinge über mich wussten, die mir selbst noch nicht zugetragen würden, was mich stirnrunzelnd den Blickkontakt mit Marie suchen ließ.
Doch Marie war offenbar zumindest im Moment nicht gewillt, mich weiter aufzuklären, stattdessen sprach sie weiter, was die Blicke der anderen wieder auf sie lenkte: "Hat Ihr Besuch heute also etwas damit zu tun, Mister Tucker oder was möchten Sie dieses Mal?"
"Unser Angebot, über Sie erst nachzudenken wünschten, war, dass wir als gleichgestellte Partner zusammenarbeiten.", erwiderte Mr Tucker, ohne zu zögern, "Die Unterstützung bei der Rettung der jungen Dame war für uns eine Selbstverständlichkeit. Wer wären wir, das als Druckmittel zu verwenden? Wir sind heute hier, weil Jamy Lanusta, der dieses Wochenende eine Kunstausstellung veranstaltet, eine sehr gute Gelegenheit wäre, mit einer Zusammenarbeit zu beginnen.".
Marie lächelte sanft und schwieg einige Augenblicke, bevor sie sehr ruhig erwiderte: "Wir schätzen Sie sehr, Mister Tucker, denn Ihre Informationen haben sich bislang immer als äußerst präzise und nützlich erwiesen. Aber als gleichgestellte Partner zusammenzuarbeiten kommt für uns nicht in Frage, das hatten wir Ihnen bereits mehrfach erläutert. Und was Jamy Lanusta anbelangt, haben wir dieses Wochenende schon andere Pläne."
Relativ emotionslos und offenbar wenig überrascht über Maries Antwort erwiderte Mr. Tucker: "Nun... dann lassen Sie mal hören."
Marie behielt ihr Lächeln bei und antwortete fast augenblicklich: "Sie verstehen sicher, Mr. Tucker, dass wir Sie zum momentanen Zeitpunkt nicht in unsere Pläne für das Wochenende einweihen können. Allerdings gäbe es da etwas, das Sie für uns tun könnten. Es ist nicht ganz ungefährlich und hat mit einem gewissen Herrn zu tun, der uns zunehmend Schwierigkeiten bereitet. Wenn Sie uns auch bei diesem Problem Unterstützung bieten könnten, wäre ich durchaus gewillt über eine Zusammenarbeit in der Zukunft nachzudenken, bei der Sie direkt am jeweiligen Projekt beteiltigt wären."
"Das ist wieder sehr viel Konjunktiv, den sie da verwenden", antwortete Mr Tucker, "Hören Sie, Mrs. Vermillion. Wir wissen beide, dass wir Ihnen viel schulden. Ich bewundere ihren Sinn für Gerechtigkeit sehr. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass wir Ihnen viel effektiver unter die Arme greifen können... Also, wie können wir Sie in der Sache unterstützten?".
Doch Marie kam nicht dazu zu antworten, da just in dem Moment mein Badewannenopfer auf lautlosen Füßen herangetreten war und ihr nun etwas ins Ohr flüsterte, was sie nach einigen Augenblicken des Zuhörens mit einem "Danke, Ryan", quittierte, um daraufhin zu Mister Tucker zu sehen und zu sagen: "Es tut mir Leid, Mister Tucker, aber ich muss Sie für einen Moment allein lassen, wir werden unsere Unterhaltung aber in Kürze fortsetzen. Bis dahin leisten Sie doch bitte Marie Gesellschaft." Während sie das sagte, kam ich nicht umhin, meinen Blick auf dem Ekel aus dem Badezimmer haften zu lassen, der sich als Ryan entpuppt hatte, was mir ohne dass ich es wirklich merkte, ein kleines Lächeln ins Gesicht zauberte, das noch dadurch gefördert wurde, dass Ryan sich in der Zwischenzeit offenkundig umgezogen hatte und nun ein umwerfend blaues Hemd trug, das fantastisch zu seinen ebenso blauen Augen passte.
Er und Marie verließen ohne weitere Ausflüchte den Raum und ließen mich mit Mr Tucker und seiner Begleiterin, die sich allerdings auch selbst gut abzulenken wusste, allein, was mir zunächst etwas unangenehm war, da ich die beiden erst vor wenigen Minuten das erste Mal gesehen hatte und es mir so vor kam, als hätte Marie den Raum mit einer Stimmung verlassen, die nicht im Sinne von Mr Tucker zu sein schien, was mich allerdings nicht von einer ganz bestimmten Frage ablenken konnte und so fragte ich ihn kurzum: "Was meinten Sie als sie sagten, dass sie meiner ... Tante viel schulden?", was nicht nur die Aufmerksamkeit von Mr Tucker, der mich leicht überrascht ansah, sondern auch die seiner jungen Begleiterin weckte. Anscheinend wusste sieauch noch nicht, was da eigentlich alles abging. Und da sie sehr neugierig war, war sie mehr als gespannt.
"Nun ...", begann Mister Tucker und sah mich zunächst so an, als würde er überlegen, wie viel er mir sagen konnte oder auch sagen durfte, bevor er etwas zögerlich fortfuhr: "Sie hat uns vor ein paar Jahren finanziell sehr unter die Arme gegriffen." Er sah zu seiner jugendlichen Begleiterin und ergänzte, nur für sie bestimmt: "Das war als deine Großmutter so schwer krank wurde und diverse Operationen brauchte ..."
"Ich kenne die Geschichte, Vater.", warf Mr. Tuckers Tochter recht emotionslos ein. "Das war doch auch als ihr euch mit einer großen Waffenlobby angelegt habt, was ohne die Unterstützung von Marie und ...Maries Eltern schwer nach hinten losgegangen wäre.", fuhr sie fort und begann mich etwas seltsam anzusehen. "Es ist echt nervig, dass ihr beide Marie heißt. Ich heiß' übrigens Anna und dich nennen wir einfach mal 'Mary'.", sagte sie lächelnd, den Zeigefinger aus dem Handgelenk heraus auf mich gerichtet.
Dass jetzt auch noch Mister Tuckers Tochter Anna anfing, über meinen Kopf hinweg über mich zu entscheiden, ging mir gehörig gegen den Strich und so platzte es aus mir weit unhöflicher heraus als ich es eigentlich wollte: "Nein, keiner nennt mich einfach mal 'Mary'! Und ihr ganz sicher nicht! Mein Name ist Marie und wenn ihr Probleme habt, uns beide auseinanderzuhalten, dann ist das euer Problem!" Passend zu diesem Ausbruch drehte ich mich auf dem Absatz um und folgte meiner Patentante und Ryan aus dem Zimmer.
Anna, die mich während meines kleinen Ausbruchs stirnrunzelnd ansah, fing kurz nach meinem Abgang an zu kichern und rief mir noch "Bis später, Mary!" hinterher. Auf dem Flur entlang laufend wusste ich jedoch nicht einmal, warum genau ich überhaupt so sauer wurde. Dieser Gedankengang wurde jedoch dadurch unterbrochen, dass Ryan sich kurz zu mir umdrehte, mich leicht abfällig ansah und seinen Blick mit einem "Tss!" wieder nach vorn richtete.
Ich ignorierte Anna, die mir mit einem Mal äußerst unsympathisch wurde, ebenso wie Ryan, dessen abfällige Art völlig unangebracht war, zumindest soweit ich das zum jetzigen Zeitpunkt beurteilen konnte, und fragte mich, wieso meine Patentante immer noch im Flur war, obgleich sie doch schon einige Minuten vor mir aus dem Zimmer gegangen war. Doch ich sollte sehr rasch eine Antwort erhalten, da Marie sich zu mir umsah und mich hektisch zu sich winkte.
Marie musste zunächst etwas kichern als ich auf sie zukam und flüsterte mir dann lächelnd ins Ohr: "Deine Mutter bekam auch manchmal schlechte Laune, wenn sie müde war." Sie sah kurz hinüber zu Ryan und musterte mich für ein paar Sekunden. "Du und Ryan habt offenbar einen schlechten Start gehabt. Ich versichere dir jedoch, dass er dich nicht hasst, auch wenn er es durch seine eigenwillige Art gut kaschieren kann. Deine Mutter und Ryan waren sehr gute Freunde, musst du wissen. Aber genug für heute. Ich werde dir morgen erklären, was es mit Jamy Lanusta auf sich hat. Jetzt solltest dich erstmal ausschlafen.", sagte Marie und suchte den Blickkontakt zu Ryan, "Ryan wird dich auf dein Zimmer bringen".
Eigentlich wollte ich nicht, das Ryan mich in mein Zimmer begleitet, aber da ich mich im Moment noch gar nicht in dieser Villa auskannte, fügte ich mich dem sogenannten Schicksal und lies mich von ihm in mein Zimmer bringen. Sie hatte auch recht, weil ich doch, von so viel Aufregung sehr müde war. Morgen war auch noch ein Tag.
Und der kam mit einem Paukenschlag, der es in sich hatte ...Eigentlich wollte ich in Ruhe schlafen, doch ich wurde mitten in der Nacht von einem lauten Donnerschlag aus dem Bett gerissen und nichts war mehr, wie vorher.
Ohne mich entsinnen zu können, mich aufgerichtet zu haben, saß ich plötzlich im Bett und versuchte im Halbschlaf meine Gedanken zu ordnen, um herauszufinden, ob es tatsächlich einen lauten Knall gab, oder ich nur geträumt hatte. Ich bemerkte ein rotes Flimmern, das sich im Fenster reflektierte, woraufhin ich es aufriss und ein Feuer im Innenhof sah. Ohne nachzudenken sprang ich aus dem Bett, schnappte mir noch eine Jacke vom Stuhl und rannte zur Treppe, um in Erfahrung zu bringen, was da vor sich ging.
Doch im Treppenhaus war niemand zu sehen, so dass ich flugs aus der Eingangstüre im Erdgeschoss ins Freie trat, wo der Erste, auf den ich stieß, - wie konnte es anders sein - Ryan war, der mit verschränkten Armen und finsterer Miene auf das Feuer blickte, das rund ein Dutzend Helfer offenbar bereits unter Kontrolle gebracht hatten. Ohne mich anzusehen murmelte er: "Seit du da bist, gibt es nichts als Ärger ..." "Wie meinen?", entschlüpfte es mir sofort und ich setzte nach: "So wie ich meine Patentante verstanden habe, habt ihr schon seit Längerem Ärger und das hat nichts, aber auch absolut nichts mit mir zu tun ..." "Nein, ... da hast du Recht, aber trotzdem ... so viel Unglück in letzter Zeit ..." er zeigte dabei auf das Feuer, das sie langsam bekämpften.
"Nun mach' es doch nicht dramatischer, als es eigentlich ist.", ertönte die Stimme meiner Tante, die in aller Ruhe zu uns stieß und das Feuer beobachtete, als würde sie das überhaupt nichts angehen, hinter mir. Wir haben eines unser Spielzeuge, das wir für unseren Freund Jamy Lanusta vorbereitet haben, ausprobiert, wodurch einer unserer Tanks Feuer gefangen hat. Sie sah mich lächelnd an und sagte: "Es ist alles gut. Niemand wurde dabei verletzt. Entschuldige, dass du wach geworden bist. Geh' ruhig wieder ins Bett."
Ich schüttelte vehement den Kopf, zum einen, weil ich es leid war, wieder einmal abgeschoben zu werden, zum anderen, weil ich mittlerweile putzmunter war und keinerlei Bedürfnis verspürte, mich wieder hinzulegen, weshalb ich auch sagte: "Du wolltest mir morgen sagen, was es mit diesem Jamy Lanusta auf sich hat ... jetzt ist bereits morgen und mich würde das brennend interessieren, schon alleine, weil ihr wegen ihm so ein Spektakel veranstaltet habt."
Nach einem Moment des Zögerns, als meine Tante ansetzen wollte, es mir zu erzählen, übernahm Ryan plötzich das Wort: "Der Mann ist ein Schmuggler. Er benutzt seine Kunstausstellungen als Vorwand, um Geschäfte mit Waffen zu machen. Er schreckt nicht einmal davor zurück, an Kinder zu verkaufen... Vor einigen Wochen wurden zwei 15 Jährige von einem ihrer Mitschüler erschossen, der eine seiner Glocks bei sich trug. Wir werden diesen Mistkerl auffliegen lassen und ihn mit zu uns nehmen, um in Erfahrung zu bringen, wer über ihm steht und ihm sehr schmerzvoll zum Verständnis zu geben, was er falsch gemacht hat. Dieser Mistkerl lässt sich allerdings äußert gut und zahlreich bewachen. Wir haben diese Aktion bereits lange und sorgfältig geplant. In zwei Tagen wird er nie wieder eine Waffe in der Hand halten!" Ein Moment der Stille, in dem nur das Knistern des Feuers zwischen uns stand, setzte ein. Zu diesem Zeitpunkt fing ich erstmals an, Sympathie für Ryan, der sich mir erstmals so emotional und empathisch offenbarte, zu empfinden.
Ich sah aber nicht nur Ryan in einem anderen Licht, auch meine Tante und alles, was ich bisher gehört hatte, bekam eine ganz andere Bedeutung und ich war das erste Mal seit Langem absolut sprachlos, verspürte gleichzeitig aber auch das Bedürfnis, alleine zu sein, das Gehörte zu verdauen und mir zu überlegen, wo ich überhaupt stand. Daher nickte ich nur, drehte mich auf dem Absatz um und ging auf direktem Wege zurück zu dem mir zugewiesenen Zimmer, wobei ich die Blicke auf mir spüren konnte, die meine Tante, aber insbesondere auch Ryan mir zuwarfen, ebenso aber auch den stummen Austausch der beiden untereinander, die sich erst wieder bewegten, um sich vermutlich weiter um das Feuer zu kümmern, als ich das Haus betrat.
 
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