Friedhof der Kuscheltiere
Puppenliebe auf Japanisch
Wie findet ihr das, absurd oder eher eine gute Idee?
Wer in Japan einen Tempel aufsucht, dem kann es passieren, dass er eine wundersame Trauergemeinde vorfindet. Stilecht, mit allem was bei einer Trauerfeier dazu gehört. Nur die, um die getrauert wird, passen nicht so recht ins Bild.
Auf dem Altar sind die traditionellen Opfergaben aufgebaut: frische Früchte und ein Fisch. Viele Trauergäste sind zu dem Tempel in Koshigaya gekommen. Mit stillen Gebeten und brennenden Räucherstäbchen gedenken sie der Verstorbenen, schicken deren Seelen auf Wanderschaft. Erst bei genauerem Hinsehen wird dem uneingeweihten Betrachter klar, dass es sich nicht um eine normale Trauerfeier handelt. Denn hier werden keine Menschen betrauert, sondern deren Liebsten: ihre Puppen und Kuscheltiere.
"Nicht einfach wegwerfen!"
"Auch Puppen haben Seelen und sind keine Gebrauchsgegenstände", erklärt Asahina Makato vom Berufsverband der Puppenbauer: "Man kann sie nicht einfach wegwerfen." Deshalb ruft der Verband einmal im Jahr zum Puppen-Massenbegräbnis auf. Dann kommen die Japaner in Scharen zu den buddhistischen Tempeln und Shinto-Schreinen des Landes, um dort ihren Puppen das letzte Geleit zu geben. Umgerechnet fünf Euro kostet das im Schnitt pro Puppennase.
Auch Knuddelaffen und Schmusehunde müssen gehen.
Viele kommen, um die Spielzimmer ihrer Kinder von Plüschtieren zu befreien: "Das sind einfach zu viele geworden", erklärt ein junger Mann: "Meine Tochter ist längst schon in der Schule und spielt gar nicht mehr mit ihnen." Doch die meisten bringen keine Kuscheltiere, sondern handgefertigte Puppen in Glasvitrinen.
Puppen haben eine lange Tradition
Puppen sind in Japan nicht bloß Spielzeug. Sie haben eine lange Tradition, werden geradezu als ein Teil der Familie angesehen. In jedem Haushalt steht eine, meistens aber gleich ein ganzer Hofstaat - mit Damen, Fürsten, Kriegern und Musikern. Ursprünglich drückte dies die Loyalität gegenüber dem Kaiser aus. Das soll der Familie Glück bringen. "Puppen tragen die Hoffnungen und Wünsche der Menschen in sich", so Puppenmacher Asahina.
Auf dem Nebenhof geht es den Puppen an den Kragen.
"Schade, dass er gehen muss", sagt ein Pärchen, das einen kleinen, tapferen Krieger mit weißem Pferd in der Hand hält: "Aber wir sind ihm dankbar, dass er unseren Sohn so viele Jahre begleitet und beschützt hat."
Persönliche Glücksbringer
Die Puppen, die an diesem Tag abgegeben werden, sind feinste Handarbeit. Viele von ihnen sind nicht unter 2000 Euro zu bekommen. Doch obwohl die meisten noch aussehen wie neu, dürfen sie nicht anderweitig genutzt oder weiterverkauft werden. Das ist für die Puppenbauer Ehrensache: "Puppen sind ganz persönliche Glücksbringer. Untrennbar und für alle Ewigkeit mit ihrem Besitzer verbunden. Niemand außer ihm kann etwas mit ihnen anfangen." Und deshalb kommen die Kunstwerke an diesem Tag allesamt in die Müllwagen. Aber natürlich erst, nachdem ihre Seelen die Puppenkörper verlassen haben.