[Diskussion] Es 2017

TheDarkness2

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Ich hänge im Moment wirklich hinterher. Aber ich bin noch nicht wirklich nicht fit, also mache ma das beste draus. Stephen Kings Es gilt ja als unverfilmbar. Das hat der 90er Jahre TV Zweiteiler richtig erkannt, nur das Grundgerüst genommen und etwas eigenes daraus geschaffen. Die 2017er Version soll jedoch uns alle das Fürchten lehren und bricht am Box Office wirklich alle Rekorde. Gerechtfertigt? Ich schaue Horror seit Jahrzehnten, genauer gesagt seit ich 9 war und heimlich die Video 2000 Kassetten angeschaut habe. Und ich war wirklich gespannt was Andres Muschietti aus dem Stoff machen würde. Ich fand seinen Film Mama zwar überbewertet, aber trotzdem einen sehr guten Beitrag zum Genre. Und ab hier gelten massive Spoiler ;)

Story:
Der Club der Verlierer versucht unter der Führung von Bill herauszufinden was mit dessen Bruder Georgie vor 1 Jahr passiert ist. Bill glaubt fest daran das dieser verschwunden ist und noch lebt, genau wie die anderen Kinder die verschwunden sind. Dabei kreuzen sich die Wege der Verlierer mit Beverly Ben und Mike die sich schon bald dem Club anschließen. Denn alle haben etwas gemeinsam: Sie werden von einem Gestaltwandler gejagt der meistens in der Form von einem Clown namens Pennywise annimmt. Ben, der seit seiner Ankunft in Derry, die Geschichte des Ortes studiert weiß das Pennywise seit Anbeginn von Derry anwesend war und das es immer Katastrophen und verschwundene Kinder gab. Der Club der Verlierer nimmt es mit dem Gestaltwandler, den sie Es getauft haben, auf. Doch damit endet auch ihre Kindheit und ihre Probleme fangen gerade erst an...

Meinung:
Wie genau schafft man einen Mainstream Horrorfilm der alle Generationen anspricht? Genauso wie man es bei Es getan hat! Kompromisslos, rücksichtslos und gradlinig. Es ist der Transformers unter den Horrorfilmen. Und das sowohl im Positiven wie auch im Negativen, also fangen wir doch einfach mal an. Denn Andres hat für jeden Transformer Kniff ein passendes Zahnrädchen um dieses Vorurteil zu entkräften. Aber alles der Reihe nach.

Kommen wir erstmal zum Club der Verlierer. Der eigentliche Kern besteht aus Bill, dem stotternden und recht furchtlosen Anführer. Stanley, Skeptiker und Jude. Eddie, der kränkliche Junge und Richie das Plappermaul. Hinzu stoßen Beverly, die den Jungs den Kopf verdreht und Ben, der Dicke und Neue. Mike gerät eher per Zufall zur Gruppe, er ist der Schwarze. Da muss es doch mehr zu sagen geben oder? Nein, ehrlich gesagt nicht. Die Charaktere erhalten genau diese Charakterzüge und gehen nicht darüber hinaus. Doch Andres setzt die Zahnrädchen in Gang um den Zuschauer mit den Figuren zu identifizieren. Bills Familie leidet unter dem Tod von Georgie, was einen Keil in die Familie getrieben hat. Stanley leidet unter dem Druck seines Vaters und der bevorstehenden Bar Mitzwa. Eddie wird von seiner Mutter betrogen, als kränklich hingestellt und mit Placebos gefügig gemacht. Richies große Klappe bringt ihn öfter in Bedrängnis. Beverly leidet unter der "Liebe" ihres Vaters. Ben ist der Neue, der keinen Anschluss findet und Mike ist einfach irgendwie da.

Damit gelingt Andres eigentlich ein genialer Streich. Die Figuren bleiben blass genug für die Transformers Generation, haben aber auch etwas womit sich jeder identifizieren kann und das klickt. Es funktioniert wunderbar auf allen Ebenen. Und das die Figuren nicht in der Bedeutungslosigkeit verschwinden liegt aber auch an einem anderen Grund: Die Chemie zwischen den Kindern stimmt, diese spielen ihre Rollen mit Hingabe und alles wirkt natürlich wie aus einem Guß. Sie bilden die Front in diesem Film und sie spielen selbst die Truppe aus den 90ern an die Wand. Doch die 90er Truppe hat einen Vorteil: Zeit. In der 2017er Variante spielt die Zeit gegen den Club. Und das obwohl der Film schon Überlänge hat. Es reiht sich Szene an Szene, alles wirkt auf Schnelldurchlauf und durchgehetzt.

Das liegt an den beiden Verbindungspunkten die man dem Club der Verlierer bringt und die Andres sich an der 90er Jahre Version orientieren lässt. Zum einen Henry Bowers und seine Gang, die den Club der Verlierer schikanieren und zum anderen Pennywise. Bowers und seine Gang sind einfach da und im Grunde erhält nur Bowers die Behandlung des Clubs der Verlierer. Bowers ist ein Schläger, ein Nichtsnutz und Rowdy. Doch er wird von seinem Vater misshandelt. Der Rest in der Gang bleibt auf ersterem Stand. Und Andres reicht es Bowers die Behandlung zu geben, so muss er sein Publikum nicht überfordern und kann die Zahl der relevanten Figuren wie es sich für eine Mainstream Produktion gehört auf ein nötiges Minimum reduzieren.

Pennywise ist da schon ein anderes Kaliber. Er ist der böse Geist der Geschichte. Er erscheint jedem Mitglied des Clubs der Verlierer und zeigt diesem dann dessen größte Angst auf. Er würzt sozusagen das Fleisch bevor er frisst. Tim Curry verkörperte den Clown in den 90ern geradezu legendär, Bill Skarsgard bringt seine ganz eigene Version auf die Bühne. Er wirkt harmlos, doch gleichzeitig spürt man die Bedrohung die von ihm ausgeht unnd wenn er die Maske fallen lässt ist es als hätten sich alle Tore der Hölle auf einmal geöffnet. Doch leider funktioniert das Ganze nicht so wie es sich Andres vorgestellt hat. Das liegt vor allem am Budget und der CGI die man verwenden konnte. Manche Effekte wie z. B. die Frau aus dem Bild die Stanley jagt ist definitiv eine Hausmarke und kann einem Schauer über den Rücken jagen. Aber die Szene wo Pennywise sich aus dem Projektor schält, aus dem Kühlschrank in dem Haus oder wo er Georgie den Arm abbeißt wirken einfach nicht echt. Sie reißen einen für einen Moment aus der Illusion. Gleiches gilt für den Leprakranken, dessen Make Up einen eher dazu verleitet die Hand flach auf die Stirn zu hauen.

Allerdings gibt es viele Szenen wo die CGI funktioniert. Wenn Richie im Haus zwischen all den Puppen steckt und Pennywise aus dem Sarg kommt oder Mike den Clown sieht und dessen Augen zu funkeln beginnen. Mit der CGI ist es leider ein zweiseitiges Schwert für das der Schöpfer nichts kann. Er muss in dem Budget arbeiten das ihm gegeben wird und bei dem Erfolg glaube ich das der zweite Teil nicht mehr darunter leiden wird. Licht und Schatten halten sich hier die Waage. Und wie gut CGI mit echten Effekten funktionieren kann zeigt sich später in der Behausung von Pennywise. Doch dazu kommen wir noch.

Ich habe bis jetzt keine Vergleiche zum Buch angestellt, was nicht nötig ist da sich die 2017er Version einfach näher an der 90er Version bewegt. Der Aufbau ist identisch, aber der TV Zweiteiler hat trotz all seiner Schwächen der 2017er Version eins voraus: Die Szenen wirken ausgearbeitet. So attackiert Henry in beiden Versionen Ben und versucht diesem seinen Namen in den Bauch zu ritzen. Die 90er Version erklärte genau wie es dazu kam, hier ist es nur eine Szene von vielen. Die Steinschlacht zwischen dem Club der Verlierer und Henrys Gang ist ebenfalls eine solche Szene. War sie noch relevant, wichtig und entscheidend so wird sie in der 2017er Version einfach abgefrühstückt. So ergeht es vielen Szenen, Kenner des Buches werden einige wiedererkennen und diejenigen die die 90er Version kennen werden sich wundern warum man soviel Potenzial verschenkt, vor allem da es nur einige Minuten gewesen wären um der Szene Tiefe und eine Erklärung zu geben.

Wie in der 90er Version arbeitet sich Andres vor: Jeder der Verlierer wird mit Pennywise konfrontiert und hat seine eigene Art damit umzugehen. Was die Gruppe zusammenschweißt und wo Andres richtig gut seine Karten ausspielt sind die Szenen wo der Club zusammenwächst, erstarkt und sich entscheidet gegen Es vorzugehen. Diese Szenen sind es die den Film so hervorheben, die ihm seine Stärke geben und ihn davor bewahren in ein bedeutungsloses Nichts abzudriften. Man kann die schauspielerische Leistung der Kinder nicht genug loben. Es passt einfach und die Chemie klickt einfach.

Im Gegensatz zu 90er Version geht Andres jedoch weiter und schafft zwei zentrale Kämpfe gegen Pennywise die den Club formen. Die erste Begegnung zwischen dem Club und Pennywise in der Garage von Bills Vater dient dabei nur als Auftakt um den Club der Verlierer mit der Anwesenheit von Pennywise zu konfrontieren und die Weichen zu stellen das sie es mit dieser Abnormität aufnehmen müssen. Jeder der Verlierer muss Pennywise sehen, die Szene in der Garage fand ich dabei besser als die Szene mit dem Buch in der 90er Variante. Auch wenn das CGI hier viel versaut. Der erste Kampf folgt im Haus der Neighbolt Street. Die Verlierer versuchen Es aufzuscheuchen, wobei sich das Haus in einen einzigen Alptraum verwandelt und am Ende können sie Pennywise verletzten zahlen aber einen hohen Preis: Der Club zerbricht augenscheinlich. Und zum Anderen als Beverlys Vater Beverly vergewaltigen will, wehrt sich diese und tötet scheinbar ihren Vater woraufhin sie von Es entführt wird. Das schweißt den Club wieder zusammen, Eddie stellt sich gegen seine Mutter und alle kommen noch einmal zusammen um den schlimmsten Alptraum überhaupt zu erledigen. Zum Showdown gesellt sich auch Henry, der vorher seinen Vater getötet hat unter dem Einfluss von Pennywise und von Mike dann unspektakulär erledigt wird.

Kommen wir jetzt zum Horror. Gehen wir die Szenen einfach durch. Stanleys Angst vor der Frau im Bild ist beeindruckend umgesetzt und jagt diesen selbst noch als die Verlierer sich der Behausung von Es nähern. Diese Frau, ihr Aussehen, ihre Bewegung und ihre bedrohliche Ausstrahlung bleiben im Gedächtnis. Ben der durch die Bücherei gejagt wird ist Standart Kost. Mike der wieder mitansieht wie seine Eltern gebruzelt werden wirkt beklemmend. Die Szene zwischen Bill und Pennywise, wo Pennywise Georgie als Handpuppe missbraucht ist unglaublich stark und brennt sich ins Gedächtnis ein. Die berühmte Szene mit Beverly und dem Blut im Bad wird routiniert umgesetzt, wirkt aber etwas überladen. Die gesamte Szenen bei dem ersten Besuch in der Neibolt Street bleiben im Gedächtnis. Das Haus an sich wirkt schon wie eine Bedrohung und was darin vorgeht haut einen regelrecht um.

Als die Verlierer dann in die Kanalisation gelangen um Beverly zu retten, hat diese Bekanntschaft mit den Todeslichtern gemacht und nur ein Kuss von Ben kann sie retten. Die Szene zwischen Pennywise und Beverly ist sehr intensiv dargestellt. Die Behausung von Pennywise ist ein düsterer Alptraum aus Spielzeug, fliegenden Kindern und Finsternis. Natürlich findet hier auch der große Showdown statt bei dem jeder der Verlierer seine Angst überwindet die Pennywise ihm entgegenspeit und am Ende ist es Pennywise der Angst hat. Die Verlierer haben ihn entmachtet und das weiß Es. Also zieht es sich zurück und Bill erlangt auch Gewissheit das Georgie endgültig tot ist.

Kommen wir gerade nochmal zu einem wesentlichen Problem das ich mit diesem Film habe: Verschenktes Potenial. Warum müssen die Nebenfiguren so blass bleiben? Bestes Beispiel ist Patrick. Der Bully aus Henrys Gang ist eigentlich der schlimmste Soziopath der frei herumläuft. Er tötet seinen Bruder als er ein Baby ist mit dem Kopfkissen weil dieses verdammte Ding von Baby den Familienabauf durcheinanderbringt. Er ist schlimmer als Henry und die Konfrontation mit diesem ist schaurig. Und hier? Patrick wird einfach mal kurzerhand unspektakulär getötet. Die Situation rund um Beverly wirkt zwar unangenehm, es wird angedeutet und man spürt es auch in den entsprechenden Szenen. Aber weder wird der Name des Vaters genannt, noch erhält er genügend Screentime um auf diesem Fundament aufzubauen. Der gesamte Club der Verlierer hätte mehr Tiefe verdient, ebenso hätte man die bedeutungsvollen Szenen aus dem Bucht nicht einfach so abfrühstücken sollen sondern ihnen Gewicht geben sollen. Ich könnte noch eine Weile so weitermachen. Unter der Oberfläche brodelt geradezu eine Menge Kapital, aber es gelingt nicht dieses ausreichend zu nutzen oder gar ein Fundament daraus zu bauen. Es muss alles schnell gehen, alles darf keine Zeit haben zu sacken. Was im Grunde ironisch ist, da die Szenen wo der Club zusammenwächst sich genau diese Zeit nimmt.

Das leitet mich zu einer Annahme: Es ist ein Coming of Age Film. Denn in diesen Aspekten spielt der Film seine Stärken am Besten aus. Der Horror ist eher beiläufig und dank CGI nicht immer sehr effektiv. Manchmal driftet er auch ins Lächerliche ab, wenn z. B. Mike von Henry drangsaliert wird und Pennywise mit einem abgetrennten Arm winkt. Das wirkt so bizarr und nicht aus dieser Welt das man einfach lachen muss. In der Neibolt Street und anschließend in der Kanalisation findet der Film dann mehr zu seinen Horrorwurzeln, allerdings ein eher atmosphärischer Horror. Was auch von den Jump Scares und den Schockmomenten unterstützt wird. Die Verschmelzung dieser beiden Gegensätze ist nicht immer einwandfrei und es wirkt ein wenig unrund.

Der Film funktioniert so effektiv weil er A) Die Transformers Generation voll bedient, B) sich davon gleichzeitig mit kleinen Kniffen abgrenzt die auch andere Generationen ansprechen und C) den Horror mehr auf der Insidious und Paranormal Activity Schiene fährt. Das funktioniert so gut das der Film wirklich alle Rekorde im Moment bricht und ein Ende ist noch nicht abzusehen. Er spricht sehr viele unterschiedliche Generationen an und liefert genau das was im Vorhinein gesagt wurde. Nicht mehr und nicht weniger.

Fazit:
Auch wenn das Ganze jetzt recht negativ geklungen haben mag, der Film unterhält über die Bank quer durch die über 2 Stunden. Ich kann eine Schauempfehlung geben, auch wenn nicht alles Gold ist was glänzt. Aber das war bei Mama ja nicht anders.
 
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