[Hinweis] Falsche Geständnisse, nach Verbrechen, in Japan häufig -> Todesstrafe für Unschuldige?

yurai-yukimura

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Falsche Geständnisse nach Verbrechen in Japan häufig
In Japan werden so wenige Verbrechen begangen wie fast nirgends sonst auf der Welt - und die Aufklärungsrate ist eine der höchsten. 99 Prozent der angezeigten Kriminalfälle enden mit einem Schuldspruch. Doch vor allem in den letzten Monaten wurden zahlreiche Fälle bekannt, in denen Verdächtige fälschlicherweise verurteilt wurden. Belastet haben sich viele selber: Häufig gestehen Unschuldige Verbrechen, mit denen sie nichts zu tun haben. Schuld daran sind nicht selten die brutalen Verhörmethoden der Polizei.



Todesstrafe für Unschuldige?
Nirgends auf der Welt werden so viele Verbrechen gestanden wie in Japan. Bei einer der niedrigsten Kriminalitätsraten hat das Land eine der weltweit höchsten Aufklärungsraten. Doch nicht selten basieren die Verurteilungen auf falschen Geständnissen, berichtet die BBC: Immer wieder wird Kritik am Polizeiapparat und am Justizsystem laut, weil zahlreiche Unschuldige verurteilt werden.

Gefährliche Drohungen im Internet waren der jüngste Auslöser der Debatte. Auf mehreren Websites wurden Anfang des Jahres Amokläufe in Schulen angekündigt und Morddrohungen gegen Prominente wie die Enkelkinder des Kaisers ausgesprochen. Die polizeilichen Ermittlungen führten zur Verhaftung von vier Verdächtigen. Zwei, darunter ein 19-jähriger Student, gestanden, für die Einträge verantwortlich zu sein.

Im Oktober enthüllte der wahre Verfasser der Drohungen gegenüber seinem Anwalt, Yoji Ochichai, und lokalen Medien seine Identität. Er erklärte im Detail, wie er sich Kontrolle über die Computer der Verurteilten verschafft habe und damit Unzulänglichkeiten des japanischen Rechtssytems aufzeigen haben wolle.

Das sei ihm auch gelungen, erklärte Ochiai gegenüber der BBC. Man müsse sich die Frage stellen, warum sich Unschuldige zu Verbrechen bekennen, die sie nicht verübt haben und unter welchem Druck sie ihre Aussagen gemacht hätten.



„Es kann jedem passieren“
Es hätte ihn nicht gewundert, dass Unbeteiligte die Tat gestanden hätten, so der Anwalt, es sei bekannt, dass es viele falsche Verurteilungen gebe. „Aber anders als in den meisten Fällen schürt der Umstand, dass diese Vorfälle Menschen betreffen, die nichtsahnend ihre Computer benutzt haben, die Angst, dass das wirklich jedem passieren kann.“

Ein Grund für die hohe Zahl falscher Geständnisse ist der hohe Druck, unter dem die japanische Polizei ihre Verdächtigen verhört. Noch bevor ein Festgenommener zum ersten Mal mit einem Anwalt Kontakt aufnehmen kann, ist er in einem „Ersatzgefängnis“ auf der Polizeiwache, in denen Verdächtige tagelang sitzen, bevor sie zum ersten Mal mit einem Anwalt Kontakt aufnehmen können.



Folter an der Tagesordnung
Dort sind sie Polizeibeamten ausgeliefert, die nach Angaben der Anwaltsvereinigung in Tokio „eine außergewöhnliche Fülle von Techniken entwickelt haben, Schmerz und Terrorisierung des Opfers zu maximieren und gleichzeitig sichtbare Verletzungen zu minimalisieren“. Viele dieser Techniken wurden in Berichten detailliert beschrieben. Die Wirkung ist jedenfalls so, dass schließlich in aller Regel die erwarteten Geständnisse vorliegen - oft gleich mehrfach, um dem Richter das Schuldurteil „zu erleichtern“.

Ein weiterer Punkt, warum in Japan schneller Geständnisse abgelegt werden als anderswo, ist für Anwalt Ochiai in der Mentalität des Landes begründet. „Menschen glauben traditionell, dass sie sich nicht gegen Autoritäten auflehnen dürfen, dazu zählt auch die Polizei.“ Dennoch - heutzutage wissen viel mehr Menschen über ihre Rechte Bescheid als in den letzten Jahrzehnten - gehe auch die Rate der Geständnisse - egal ob echt oder falsch - zurück.



Nach über 40 Jahren Haft freigesprochen
Immer wieder werden aber Verfahren wieder aufgenommen, in denen Verurteilte ihre Geständnisse widerrufen. So hat ein japanisches Gericht 2011 zwei vor gut vier Jahrzehnten inhaftierte Männer vom Vorwurf des Raubmords freigesprochen. Das Gericht des Distrikts Mito entschied in einer Wiederaufnahme des Verfahrens, dass keine ausreichenden Beweise gegen die Männer vorlägen und die Zeugenaussagen in ihrem Prozess nicht glaubwürdig seien. Die beiden heute 66-Jährigen waren 1967 festgenommen und drei Jahre später wegen eines Raubmords an einem 62-jährigen Tischler zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

In dem Verfahren, dessen Urteil 1978 vom Obersten Gericht des Landes bestätigt worden war, hatten die Männer auf nicht schuldig plädiert und erklärt, von der Polizei zu einem Geständnis gezwungen worden zu sein. Kurz davor hatte ein Gericht einem früheren Busfahrer eine Entschädigung von umgerechnet 785.000 Euro zugesprochen, nachdem er fälschlicherweise des Mordes an einem Kind beschuldigt und 17 Jahre inhaftiert worden war.

In manchen Fällen kommt eine Rehabilitation jedoch zu spät: Neben den USA gehört Japan zu den wenigen Industrieländern, die an der Todesstrafe festhalten. Auch Todesurteile stützen sich nicht selten auf Geständnisse, die später - meist erfolglos - widerrufen werden.



Quelle: orf.at
 
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