[Diskussion] Genreklischees und das Problem der Simplifizierung

Terry_Gorga

Der Eine, der Viele ist
Otaku Veteran
Inspiriert durch den Beitrag von redrooster im Thread zu Harem Animes dachte ich, ich antworte ihm noch einmal zu ein paar grundsätzlichen Dingen, habe aber beim Schreiben gemerkt gemerkt, dass ich immer mehr Off-Topic wurde und deshalb habe ich mich jetzt dazu entschieden, ein ganz neues Thema in einem anderen Unterforum aufzumachen, um diesen Aspekt grundsätzlicher diskutieren zu können.
Wie der Titel sagt geht es mir hier im Allgemeinen darum, ob die Eingrenzung von Genres nicht dazu führt, dass Geschichten immer weiter abflachen und immer mehr Klischees entstehen, die letztendlich dazu führen, dass man nur noch einen oberflächlichen, stupiden Einheitsbrei vorgesetzt kriegt, der kommerzieller Unterhaltung dient, aber keinen echten Mehrwert besitzt. Ich möchte auch gar nicht mehr viele Worte darauf verlieren, sondern steige am besten in die Diskussion ein, indem ich das kopiere, was ich im Ursprungsthema zu dem Beitrag schreiben wollte, den redrooster verfasst hatte:

Nunja, das mit derselben Geschichte findet man doch überall. Es sind überall Schablonen, sei es bei den Marvel-Movies, Star Wars, Pornos, Heimatfilmen, Liebesfilmen, Horrormovies oder Krimis, sie allen folgen denselben Schemata von Gut gegen Böse über der "liebe Kerl" bekommt am Ende das Mädel oder der Mörder ist immer der Gärtner (überspitzt gesagt) etc. Man nehme doch nur James Bond als Beispiel.

Es sind die kleinen Unterschiede, die einen fast identischen Ablauf immer und immer wieder neu leicht variieren, das ist bei Animes auch nicht anders als in Hollywood...

Und allein schon die Zuordnung zu einem oder ggf. mehreren Genres, die solche Schemata darstellen, hier also z.B. der Harem, zeigt doch schon, wie sehr schablonenhaft das ganze Business ist, sonst könnte man sich die Zurordnung zu den Genres doch komplett sparen.
Interessant, also würdest du unterschreiben, dass das Schaffen und Eingrenzen von Genres letztendlich zur Verarmung bzw. zur Abflachung der Film- und Fernsehkultur allgemein führt?
Ich persönlich bin ja der Meinung, dass wir es bei Film und Fernsehen mit einer Kunstform zu tun haben, die aber mittlerweile sehr verflacht und schon fast ausgelutscht ist, weil sich alle nur noch althergebrachter Formen (Schablonen finde ich in dem Zusammenhang einen schönen Begriff) bedienen. Wie so eine Schablone funktioniert, kann man tatsächlich bei Marvel sehen: Spiderman 1 und 2 waren sehr gute Filme durch die sich aber eine Art Schablone etabliert hat, von der das Filmstudio nicht mehr abweichen wollte. Spiderman 3 ist, weil er sich an diese Schablone gehalten hat (zurecht) gefloppt und von diesem Totalausfall hat sich der Superheld Spiderman bisher auch nicht mehr erholt. Was sehr schade ist, denn die Grundlage hatte viel Potential und mit ein paar Änderungen im Drehbuch (ich vermute sogar, mit der ursprünglichen Idee des Produzentens, bevor ihm das Filmstudio da reingequatscht und die Zügel aus der Hand genommen hat) wäre es auch ein richtig guter Film geworden. Aber echte Kunst funktioniert nun einmal losgelöst von Vorgaben und Vorschriften und die besonders guten Filme oder Serien zeichnen sich auch immer dadurch aus, dass sie genreübergreifend funktionieren, oder ein Gerne selber neu prägen. Diese neuen Aspekte kann man gerne aufgreifen, variieren, verändern - gar keine Frage. Davon lebt ja auch Entwicklung. Sie aber einfach nur nachzuerzählen zeugt von Ideenlosigkeit, wäre man böswillig könnte man sogar von Plagiatismus reden.
Für solche Formate, die sich dann nur dieses Kopierens bedienen (sei es durch direkte Kopie eines anderen Films/einer anderen Serie) oder durch Eingrenzung in ein Genre, um einen Markt zu bedienen), fehlt mir folglich auch die Akzeptanz. Ich kann sowas nicht als eigenständig, geschweige denn als Kulturgut wahrnehmen, sondern nur als Kommerz. Doch um dies zu rechtfertigen etabliert man dann Genres, als wäre es ein strikter Regelkanon, an den man sich zu halten hat. Was Bullshit ist, denn wie schon zuvor ausgeführt - je mehr man sich einengt, desto mehr leidet die Kunst darunter. Um bei dem Beispiel zu bleiben, das ich im anderen Thread angeführt habe - wenn man ein Genre "Harem" so eng definiert - was will man in dem Bereich denn noch Neues bringen, nachdem es Ranma 1/2 doch im Wesentlichen schon alles gebracht hat? Da kann man doch nicht mehr kreativ, künstlerisch und inhaltlich wirken, sondern nur noch plagiativ und kommerziell.

So, jetzt habe ich ganz schön viel Dampf abgelassen, jetzt frage ich mich, ob ihr anderen hier das auch so seht. Haltet ihr die Etablierung bestimmter Genres für genauso gescheitert, wie ich? Seid ihr auch der Meinung, dass dadurch keine Kunst mehr stattfindet, sondern nur noch Kommerz?
Oder vertretet ihr eine andere Meinung? Haltet ihr Genres für nützlich, hilfreich oder sogar für förderlich? Oder habt ihr den Eindruck, dass es bestimmte Genres gibt, auf die das, was ich geschildert habe zutrifft, bei anderen aber genau das Gegenteil zutrifft?
Bin auf eure Meinungen sehr gespannt und würde mich über eine rege Diskussion freuen :)
 

mir

Otaku
Tja, irgentwann ist das Thema halt ausgelutscht, und eignet sich hervorragend für Parodien.
Die Gute bekommt den Kerl, die böse bekommt den Kerl, alle bekommen den Kerl!
Solange sichs verkauft wirds weiter produziert und dann auch auf künstlerichen Anspruch verzichtet.
Mir persönlich hat es sowieso zuviel Romance gedöns.
Aber das geht vielen eng gefassten Genren so, Innovation Fehlanzeige.

Und zu Bond Batman und Co: Rette die Maid rette die Statt und rette die Welt, dieses Muster wird uns seit Jahrzehnten verkauft und die Leute werden nicht satt.
Auf den psychologichen Hintergrund möchte ich hier gar nicht eingehen Die fortschreitende Entwicklung des Machbaren zeigt uns immer neue Verpackungen, was im Haremanime nicht mehr möglich ist. Zu eng gefasst!
 
Zuletzt bearbeitet:

Sylverblack

Bred in Captivity
Otaku Veteran
Spiderman 1 und 2 waren sehr gute Filme durch die sich aber eine Art Schablone etabliert hat, von der das Filmstudio nicht mehr abweichen wollte. Spiderman 3 ist, weil er sich an diese Schablone gehalten hat (zurecht) gefloppt und von diesem Totalausfall hat sich der Superheld Spiderman bisher auch nicht mehr erholt.
Ich würde Spiderman 3 nicht als gefloppt bezeichnen. Ist er auch nicht. Er war, relativ betrachtet (Kosten-Einspielergebnis-Vergleich) nur etwas weniger erfolgreich als sein direkter Vorgänger (3,919$ Kinoumsatz pro investiertem $ bei SM2; 3,453$ Umsatz pro investiertem $ bei SM3).
https://en.wikipedia.org/wiki/Spider-Man_3#Box_office
Oder meintest du bzgl. der Kritiken?

Davon lebt ja auch Entwicklung. Sie aber einfach nur nachzuerzählen zeugt von Ideenlosigkeit, wäre man böswillig könnte man sogar von Plagiatismus reden.
Die Grundzüge aller Geschichten wurden bereits vor Jahrtausenden niedergeschrieben und jede heutige Story unterscheidet sich in diesen nicht stark von diesen. Es sind einfach dramaturgische Grundlagen der Geschichtenerzählung an sich. Die Abstufung, inwieweit sich eine Handlung einer anderen annähert, erfolgt, wenn überhaupt, in Graustufen und lässt sich nicht ohne Weiteres in "Nacherzählung" und "Neuheit" kategorisieren.
Jede Heldengeschichte bspw., auch die von vom dir als Referenzwerk betrachteten Spiderman 1, basiert auf altgermanischen, wenn nicht sogar schon auf altgriechischen Heldenepen. Es fanden seitdem immer nur mehr oder minder große Variationen im dramaturgischen Handlungsverlauf statt.

Haltet ihr die Etablierung bestimmter Genres für genauso gescheitert, wie ich? Seid ihr auch der Meinung, dass dadurch keine Kunst mehr stattfindet, sondern nur noch Kommerz?
Oder vertretet ihr eine andere Meinung? Haltet ihr Genres für nützlich, hilfreich oder sogar für förderlich? Oder habt ihr den Eindruck, dass es bestimmte Genres gibt, auf die das, was ich geschildert habe zutrifft, bei anderen aber genau das Gegenteil zutrifft?
Bin auf eure Meinungen sehr gespannt und würde mich über eine rege Diskussion freuen :)
Genres sind insofern nützlich, weil sie dem Menschen eine Kategorisierung des (wenngleich spezifischen) Inhalts ermöglichen. Dadurch ist er in der Lage, Vorhersagen treffen zu können, um seine Einstellung oder sein Handeln entsprechend abzuwägen. Ich schaue z.B. sehr wenige Filme aus dem Genre der Komödien, weil ich aus der Erfahrung weiß, dass ich mit dieser filmischen Gattung wenig anfangen kann.
Psychologisch betrachtet sind Kategorisierungen sinnvoll, weil sie eine Vereinfachung eines komplexen Sachverhalts darstellen. Der Mensch kann somit schneller in seinem persönlichen Sinne agieren und reagieren. Deswegen ist für uns auch so schwer, bspw. Vorurteile loszuwerden obwohl wir reflektierend wissen, dass sie womöglich nicht zutreffend sind.
Trotzdem sollte eine Geschichte nicht einem Genre entsprechen wollen. Sie sollte umgekehrt von Leuten, die sich mit ihr auseinandergesetzt haben, in ein Genre (mit mehr oder weniger großer Mühe) eingeordnet werden können. Es ist dabei überhaupt nicht verkehrt, wenn sie genreübergreifend ist.

Nicht, dass wir aneinander vorbeireden: Was du als Genrekritik bezeichnest würde ich eher als Drehbuchkritik o.ä. bezeichnen, weil es gar nicht um ein Genre an sich geht (das übrigens eher unspezifisch bzgl. seines Szenarios sein sollte: Ich würde Science-Fiction und Harem nicht als Genre, sondern als Setting oder Szenario bezeichnen), sondern um bestimmte Settings, wozu eben auch Harem gehören kann.
Tatsächlich sind Genres imo szenarienübergreifend, sodass bspw. ein Thriller genausogut im Hier und Jetzt, in einer Fantasywelt oder in einem Science-Fiction-Szenario stattfinden kann. Für Tragödien, Komödien usw. gilt das natürlich ebenso.
Diese Settings sind insofern ausgereizt, weil eine bestimmte Art der Umsetzung (z.B. der Aufbau eines bestimmten Drehbuchs) kommerziell erfolgreich war und daher von Seiten der Produzenten die Strategie verfolgt wird, alle nachfolgenden Vertreter, die zu diesem Setting gehören, nach (mehr oder weniger) exakt demselben Muster zu kreieren, um den kommerziellen Erfolg zu wiederholen (weshalb einem z.B. alle aktuellen Superheldenfilme als "gleich" vorkommen können). Das betrifft aber alle künstlerischen Bereiche, in denen sich viel Geld verdienen lässt (Filme, Bücher, Serien/Animes, Musik, Computerspiele,...).
 
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