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Das Desaster von Fukushima hat zum Umdenken geführt - jetzt auch in Japan: Ministerpräsident Naoto Kan will stufenweise auf Kernenergie verzichten. Derzeit decken Atommeiler noch 30 Prozent des Bedarfs.
Tokio - Das Ausstiegs-Virus hat jetzt auch Japan erreicht: Noch vor zwei Wochen hatte sich Japan auf der Sonderkonferenz der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA vehement gegen verbindliche Kontrollen für sämtliche Atommeiler gewehrt . Eine Woche darauf beugte sich die Regierung den Protesten der Bevölkerung und ordnete Stresstests für alle AKW im Land an .
Jetzt vollführt die Regierung endgültig die Kehrtwende: Vier Monate nach dem nuklearen Desaster von Fukushima kündigte Naoto Kan an, Japan wolle in "Etappen" aus der Atomkraft aussteigen. Einen Fahrplan nannte er bei der Pressekonferenz am Mittwoch zwar nicht. Kan aber sprach große Worte. Sein Land werde "eine zukünftige Gesellschaft ohne Kernkraftwerke schaffen", sagte der Premierminister und forderte, Japan solle solle an einer Gesellschaft arbeiten, die nicht von der Atomkraft abhängig sei.
Der Plan bedeutet eine Abkehr von der früheren Regierungslinie. Japan bezieht zurzeit etwa 30 Prozent der Energie aus Atomkraft und hatte vor der Katastrophe vom 11. März geplant, diesen Anteil bis zum Jahr 2030 auf 53 Prozent zu erhöhen. Kan sprach sich bereits in den vergangenen Wochen für eine Verringerung des Anteils der Atomenergie aus. Am Dienstag sagte er vor Parlamentsabgeordneten, seine Regierung habe "keine andere Wahl" als die geplante Erhöhung zu Grabe zu tragen.
Bürgerproteste im Land gegen die Regierung haben wohl zu diesem Umdenken geführt. Dabei hatte Japan noch vor der Katastrophe sich für seinen Atomkurs stark gemacht. Der Plan sah vor, den Anteil der Atomenergie sogar auf 50 Prozent auszuweiten - stattdessen kommt nun offenbar der schrittweise Ausstieg.
Wie Kan auf der Pressekonferenz erklärte, habe die von einem Erdbeben und einem Tsunami ausgelöste Katastrophe in Fukushima ihm erst die großen Risiken der Atomkraft bewusst gemacht. Zehntausende Bewohner mussten ihre Häuser verlassen, die Behörden ordneten ein Sperrgebiet im Umkreis von 20 Kilometern um den zerstörten Meiler an.
Nun solle Japan erneuerbare Energien wie Solar- und Windenergie sowie Energie aus Biomasse vorantreiben, sagte er. Der zweite Pfeiler der japanischen Energiepolitik solle das Energiesparen sein. Kan erklärte, er habe zuvor gelaubt, die Atomenergie sei nützlich, solange ausreichende Sicherheitsmaßnahmen getroffen würden. Die Atomkatastrophe in Fukushima habe ihn eines Besseren belehrt. Allerdings fügte er hinzu, dass es nicht um einen sofortigen Ausstieg aus dem Atomstrom gehe.
Nach dem Erdbeben versagten die Kühlsysteme im Katastrophenmeiler. Aufgrund einer teilweisen Kernschmelze in drei der sechs Reaktoren gelangten große Mengen an radioaktiven Substanzen in die Umwelt.
Von den insgesamt 54 Reaktoren des Landes sind derzeit nur 19 am Netz. Es wird immer wieder vor möglichen Energieengpässen gewarnt. Deshalb drängte die Regierung darauf, zur Inspektion heruntergefahrene Atomkraftwerke noch im Sommer wieder in Betrieb zu nehmen. Seither steht Japans Atompolitik jedoch unter heftiger Kritik.
http://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/0,1518,774303,00.html