Und da heißt es in New York regnet es viel. Jayden seufzte als er aus dem Beifahrerfenster des Streifenwagens schaute.
Er kam vor einigen Tagen in Köln an, weil die dortige Polizei Hilfe von der CIA angefordert hatten, und da war das Wetter auch schon ziemlich mies gewesen. Und genau wie Jaydens Stimmung hat es sich bis jetzt nicht geändert.
7 Tage vorher.
Jayden saß an seinem Schreibtisch, auf den sich die Akten und Mappen schon zu Türmen stapelten, weil er einfach keine Lust hatte sie wegzuräumen und nippte an seinem Kaffee. Um ihn herum herrschte reges Treiben, doch er bemerkte sie nicht.
Captain Cole Norman, Jaydens Vorgesetzter, kam an diesen Morgen zu ihm, legte ihm einen Ordner vor die Nase und sagte ohne auf Jaydens überraschtes Gesicht zu achten: "Der Polizeichef einer deutschen Großstadt und auch zufällig ein guter Freund von mir hat mich heute Morgen in aller Frühe angerufen, weil er Hilfe bei einer Serie von mysteriösen Todesfällen braucht. Er hat mir direkt alle nötigen Informationen mitgeschickt und ich habe ihm einen unseren Agenten versprochen."
Bevor Jayden überhaupt etwas darauf erwidern konnte fuhr Norman fort: "Ich habe da direkt an sie gedacht. Erstens, weil sie einer unserer besten sind. Zweitens, weil ich weiß, dass Sie solche Fälle mögen. Und drittens, das sage ich Ihnen, weil Sie ein Freund sind, könnten Sie einen Tapetenwechsel vertragen. Mal raus aus dem verregneten New York. Mal an was anderes denken als an...Sie wissen schon. Diesem Vorfall."
Norman hatte Recht und das wussten sowohl er als auch Jayden. Seit diesem Vorfall von vor 7 Monaten, verschlechterte sich Jayden Psyche Tag von Tag.
Er hatte Depressionen, Schlafstörungen, Albträume. Manchmal so schlimme, das er Angst davor hat einzuschlafen. Seit einigen Woche verbesserte sich zwar seinen Zustand, aber er könnte jeden Tag rückfällig werden.
Hmpf. Ein Psychologe der krank im Kopf ist. Wie Ironisch. Vielleicht hat Cole ja Recht und dieser Fall lässt mich auf einen anderen Gedanken kommen. Jayden lächelte kurz und nahm den Ordner aus Normans Hand.
Dieser nickte ihn zu und sagte: "Ihr Flug geht in Zwei Stunden. Packen Sie Ihre Sachen und lesen Sie die Akte auf dem Flug nach Köln."
Zwei Stunden saß Jayden in einem Privatjet der CIA, der in Fünf Stunden Deutschland erreicht.
Den Kopf auf den Arm gestützt und die Fotos anstarrend, versuchte er aus den Bildern schlau zu werden.
Auf den Fotos konnte man schrecklich entstellte Leichen erkennen die in zusammengekrampfter Haltung da lagen, so als hätten sie furchtbare Schmerzen erlitten bevor sie gestorben sind.
So was habe ich ja noch nie gesehen. Wer oder was kann einen Menschen so entstellen? Jayden runzelte die Stirn und strich mit der Hand über das Gesicht und massierte sich die Augen.
Kein Mensch kann so was getan haben. Aber was dann?
Jayden war müde. Er hatte in den letzten paar Tagen nicht gut geschlafen, weil ihn Albträume plagten.
Er legte den Ordner beiseite, machte das Licht aus und schloss die Augen. Wenige Augenblicke später versank er in einen unruhigen Schlaf.
Stunden später weckte ihn die Durchsage des Flugkapitäns, dass sie Köln in wenigen Minuten erreichen würden.
Jayden streckte sich kurz, gähnte noch einmal und schaute aus dem Fenster und war sichtlich enttäuscht.
Es regnete nämlich auch hier und das sogar deutlich stärker als in New York.
Na toll. Wieder Regen. Überall das gleiche Scheißwetter.
Jayden lehnte sich zurück und starrte die Decke an.
Vielleicht sollte ich noch ein wenig die Akten durchgehen. Ja, das sollte ich machen.
Plötzlich knisterten die Lautsprecher und die Stimme des Kapitäns ertönte.
„Meine Damen und Herren – eigentlich nur Dame.“, leises Kichern im Hintergrund . „Wir erreichen in wenigen Minuten den Kölner Flughafen und beginnen jetzt mit dem Sinkflug. Bitte stellen Sie Ihren Sitz gerade, schieben Ihren Tablett ein und schnallen sich an.“
„Haha, sehr witzig Frank. Bist ein richtiger Spaßvogel.“, erwiderte Jayden durch die Müdigkeit ein wenig gereizt.
„Oha, da hat wohl jemand schlechte Laune. Hat der Prinzessin den Flug nicht gefallen? “
Bevor Jayden antworten konnte fühlte er eine leichte Schwerelosigkeit, verursacht durch den Sinkflug, sich in seinem Körper breitmachen.
Jayden hasste Landungen. Ihm wurde dabei immer speiübel. So auch diesmal. Um sich nicht zu übergeben hielt er seine Klappe und versuchte Franks Sticheleien zu ignorieren. Als er einsah, dass Jayden nicht antworten würde, hörte er auf Witze zu machen und konzentrierte sich auf die Landung.
Minuten später, die sich für Jayden wie Stunden anfühlten, spürte er den erlösenden Ruck als die Reifen den Boden berührten.
Weitere Minuten vergingen als der Jet in die ihm vorgegebene Position fuhr und endlich still stand.
Jayden hörte wie die Turbinen leiser wurden und stand auf um den Jet zu verlassen. Er nahm seinen Aktenkoffer, rückte seinen Anzug und Krawatte zurecht und ging Richtung Ausgang, wo Frank in seiner Pilotenuniform stand und Kaffee trank.
„Viel Spaß und vergiss nicht: du bist hier nicht auf Urlaub.“, verabschiedete sich Frank grinsend als Jayden an ihm vorbei ging.
Jayden erwiderte mit einem gequälten Lächeln. „Ja, ich weiß. Ich hoffe nur, dass die Leute hier nicht so drauf sind wie ihr Wetter.“
Leider war der Polizeichef nicht da und Polizeiinspektor Thorsten Muhler hatte die Beaufsichtigung über diesen Fall erhalten und seine Laune war viel schlimmer als das Wetter je sein könnte.
Als Jayden Muhler zum ersten Mal traf, war er in einem hitzigen Telefongespräch verwickelt, den Jayden nicht ganz verstand, da Muhler viel zu schnell geredet hatte und Jaydens Deutsch schon mal besser war.
Jedoch verstand er sehr wohl, dass Muhler stinksauer war als er den Telefonhörer mit einem lauten Knall auf die Telefongabel warf und laut „Scheiße!“ rief.
Erst jetzt bemerkte er Jayden und schaute auf.
„Was wollen Sie?“, fragte er gereizt auf Deutsch.
„Mein Name ist Brooks. Jayden Brooks.“, antwortete Jayden auf Englisch und kramte dabei seine Marke raus. „CIA.“
„Was soll das? Können Sie kein Deutsch?“, erwiderte Muhler mit seinem akzentbehaftetem Englisch. „Ist ja auch egal. CIA sagen Sie? Pfff…meiner Meinung nach brauchen wir niemanden der mir hier herumpfuscht aber Befehl ist Befehl. Hier sind die Sachen, die Sie brauchen und fangen Sie jetzt endlich an.“
Muhler drehte sich weg um einen Anruf zu tätigen und war überrascht zu sehen, dass Jayden immer noch da war.
„Was denn noch?“
„Ich habe da noch ein paar Fragen.“
„Die Antworten sind alle in der Akte und den Rest wird Ihnen einer unserer Mitarbeiter beantworten. Der wartet schon vor der Tür. Und jetzt stehlen Sie mir nicht die Zeit, ich habe wichtige Sachen zu erledigen.“, pöbelte er ihn an und scheuchte Jayden aus den Büro.
„Amerikaner.“ Hörte er noch bevor die Tür ins Schloss fiel.
Jayden konnte seine Verärgerung nur mit Mühe zurückhalten.
Nicht hier, nicht jetzt. Wenn ich ihn anschreie, kann er meinen Vorgesetzen anrufen und sagen ich hätte Scheiße gebaut. Er hätte dann keine Wahl als mich von diesem Fall abzuziehen und das kann ich mir nicht leisten. Schlucks einfach runter. Denk an die Übungen im Tai-Chi.
Jayden schloss die Augen, atmete tief ein dann aus und spürte wie seine Wut langsam abflaute.
Plötzlich spürte er eine Hand auf der Schulter.
Jayden drehte überrascht sich um und schaute in das Gesicht eines jungen Polizeibeamten.
Er hatte kurze, blonde Haare, grüne Augen, ein etwas rundliches, glatt rasiertes Gesicht und ein Lächeln auf den Lippen. Er sah aus wie Anfang 20.
„Entschuldigung? Sind Sie Mr. Brooks?“, fragte er im perfektem Englisch.
„Ja, das bin ich.“, antwortete Jayden ein wenig verblüfft über das akzentlose Englisch. „Woher weißt du das?“, fügte er schnell hinzu.
„Oh. Sie standen hier so alleine und hilflos in der Gegend herum und die Leute sind alle an Ihnen vorbeigegangen und da dachte ich, dass Sie vielleicht der sind, der mir heute Morgen angekündigt wurde.“
„Ach, tatsächlich?“
Jayden wusste nicht genau was er sagen sollte. Man hatte ihn nämlich gerade dezent darauf hingewiesen, dass er den anderen Leuten im Weg stand.
„Werner. Lukas Werner.“, stellte sich der junge Mann vor.
„Jayden Brooks.“ Er schüttelte Werners dargebotene Hand.
„Ab heute bin ich Ihr Partner.“, setzte Werner hinzu.
„Wie bitte? Mein Partner?“ Jayden ließ die Hand perplex los.
Was soll das? Ich habe nicht um einen Partner gebeten.
Werner bemerkte es nicht oder tat so als hätte er es nicht bemerkt.
„Ja, Inspektor Muhler hat mich zu Ihrem Partner ernannt. Ich soll Ihnen bei allen Fragen zur Seite stehen und Entwicklungen zum Fall sofort an ihn weiterreichen.“, erklärte Werner übereifrig und auch mit Stolz.
Soso, Partner. Das ich nicht lache. Eher ein Spitzel. Dieser Muhler traut mir wohl nicht über den Weg und schickt mir hier einen hinterher der mich ausspionieren soll. Hmpf... gut machen wir es auf deiner Weise.
„Was sind die Befehle, Partner?“ Jayden betonte das letzte Wort extra anders, doch Werner merkte es nicht oder ignorierte es gekonnt.
„Streife fahren. Muhler meint, dass es jederzeit zu einem weiteren Todesfall kommen könnte und wir sollen die Augen offen halten.“
Jayden war nicht überrascht und fragte sarkastisch.
„Streife fahren? Echt jetzt? Sollten wir nicht eher zum Gerichtsmediziner und uns die Leichen ansehen?“
„Nein. Davon hat er nichts gesagt.“
So ist das also, Muhler. Du hältst mich hier extra hin, damit ich dir nicht den Fall wegschnappe. Du mieses Arschloch.
Doch was sollte er schon dagegen machen können? Eine Beschwerde einreichen? Bestimmt nicht. Jayden konnte also nichts anderes machen als den Befehlen zu folgen und darauf zu hoffen, dass er beim nächsten Todesfall persönlich vor Ort sein kann.
Und da saß er nun. Eine Woche später, an diesen verregneten Tag mit Werner im Streifenwagen.
Seit er hier angekommen war, hörte es nicht auf zu regnen und das spiegelte auch Jaydens Laune wieder, denn er hat bisher nichts Neues herausfinden können, da es weder neue Todesfälle noch neue Beweise gab und Werners Enthusiasmus und unaufhörlicher Gebrabbel raubte ihm den letzten Nerv.
Wenigstens konnte ich in den letzten Tagen mein Deutsch verbessern. Jayden seufzte und starrte aus dem Fenster.
Und da heißt es in New York regnet es viel. Er beobachtete wie die Wassertropfen Linien auf dem Fenster zeichneten als es im Funk knisterte. Jayden erkannte Muhlers Stimme
„An alle verfügbaren Einheiten! Begeben Sie sich sofort zur Universität! Es gab einen weiteren Todesfall! Wiederhole! Alle verfügbaren Einheiten zur Universität! Schicken Sie auch den CIA Typen hin.“
Jayden setze sich mit einem Ruck gerade hin.
„Los Werner, fahren Sie!“, herrschte er ihn an.
Ohne zu antworten schaltete Werner die Sirene an, legte einen Gang ein und trat aufs Gas. Mit quietschenden Reifen raste der Wagen Richtung Universität.
Keine Fünf Minuten später erreichten sie das Gelände. Studenten rannten panisch aus dem Hauptgebäude. Jayden und Werner stiegen aus den Wagen und schlängelten sich durch die Massen an Studenten in das Gebäude.
Lange mussten sie nicht nach dem Opfer suchen, denn sie lag mitten auf dem Hauptgang. Die Wände waren blutverschmiert und eine riesige Blutlache lag um den Körper.
Wie die anderen Leichen war auch diese zusammengekrümmt und mit schmerzverzehrtem Gesicht.
„Werner, zeigen Sie mir was Sie in der Ausbildung gelernt haben. Sperren Sie den Bereich ab und suchen Sie nach Zeugen. Bringen Sie mir diese, damit ich sie später befragen kann.“
Werner beeilte sich diese Aufgaben auszuführen.
Jayden kniete sich neben der Leiche hin, zog seine Handschuhe an, schaltete sein Rekorder ein und untersuchte sie nach Hinweisen. Er fand in ihrer Innentasche ein Portemonnaie mit einem blutverschmierten Ausweis darin.
„Opfer ist Camilla Lighters. Weiß, weiblich, 24 Jahre alt, braune Haare, grüne Augen.“ Jayden drehte die Leiche auf den Rücken und betrachtete das blutige Loch in der Mitte des Körpers. „Tod durch zerfetzte Luftröhre. Brustkorb sowie Rippen wurden zerschmettert. Wunde weist auf extreme Krafteinwirkung hin.“
Jayden schüttelte unglaubwürdig den Kopf.
Was zum Teufel kann einem die Luftröhre rausreißen? Menschen können es nicht und Tiere machen es nicht. Monster? Wird nicht albern. Aber was sonst?
Jayden wandte sich von der Leiche ab und durchsuchte den Gang nach weiteren Hinweisen ab.
„Keine Fußspuren, keine Tatwaffe. Zu diesem Zeitpunkt habe ich nicht genug Hinweise um den Tathergang zu rekonstruieren. Werde erst die Zeugen vernehmen und die Berichte der Spurensicherung sowie die des Gerichtsmediziners abwarten müssen um weitere Schritte einleiten zu können.“
Jayden blickte auf und schaltete mit einem Klick den Rekorder aus.
Ich sollte mal nachsehen wie weit Werner ist. Und wo zum Teufel ist der Gerichtsmediziner überhaupt?
Kaum als er den Gedanken fertig gedacht hatte, vernahm er Sirenengeheul und Sekunden später hörte er die geblafften Befehle von Muhler.
Da kommt ja die Kavallerie. Wie immer zu spät. Aber wer ist das?
Mitten zwischen den Polizisten sah er einen Mann in einem eleganten Ledermantel mit dem Inspektor sprechen. Jayden wusste sofort, dass er nicht zur Polizei gehörte, denn dafür war er zu geschmackvoll und gepflegt angezogen. Der Mann sah auf und starrte Jayden direkt in die Augen. Mit einem leicht amüsiertem lächeln kam er auf Jayden zu.