Bei dem Thema bin ich geteilter Meinung. Einerseits bin ich dafür, dass Palästina den Status eines souveränen Staates im Stand eines Vollmitglieds der UNO (ca. 128 Staaten erkennen bereits Palästina als Staat an) erhält, wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Allerdings muss auch die Frage erlaubt sein, ob die Voraussetzungen dafür wirklich schon geschaffen sind. Und damit meine ich nichtmal einen Friedensvertrag zwischen Palästina und Israel, der als Grundvoraussetzung für eine Anerkennung als Vollmitglied, von vielen anderen Staaten gefordert wird. Ich meine eher die innenpolitischen Zustände in den Gebieten unter den Palästinensern untereinander.
Zur Zeit haben wir doch zwei Palästinas. Einmal den, von der Hamas regierten Gazastreifen und einmal das von der Fatah regierte Westjordanland. Das diese beiden Gruppierungen aufeinander regieren wie ein Vampir aufs Weihwasser sollte bekannt sein. Beide Organisationen verbindet eigentlich nur das Streben nach einem eigenständigen Staat. Das war es dann aber auch schon. Daran ändert meiner Meinung nach auch nicht das sogenannte Versöhnungsabkommen.
- Die Hamas sehen den Terrorismus als legitimes Mittel, duldet kein Existenzrecht für Israel, betrachtet den Holocaust als Geschichtsfälschung und wird von vielen EU Staaten und USA als terroristische Vereinigung betrachtet.
- Die Fatha erkannte im Oslo-Friedensprozess das Existenzrecht Israels an und es wurde die Abkehr vom Terrorismus erklärt. Ferner sieht deren Programm (zumindest offiziel) vor, einen unabhängigen demokratischen Staat zu schaffen, in dem allen Bürgern gleiche Rechte zugestanden werden, ohne rassische oder religiöse Diskriminierung.
Wovon reden wir also, wenn wir heutzutage von Palästina reden? Vom Gazastreifen? Vom Westjordanland? Von beidem? Kann man noch von einem Palästina reden? Bei dem derzeitigem Status Quo mMn nicht. Also wer ist denn nun in die UNESCO aufgenommen worden? Völkerrechtlich betrachtet natürlich die "Palästinensischen Autonomiegebiete" als ganzes. Völkerrechtlich gibt es ja keinen Unterschied zwischen den einzelnen Zonen.
Ich habe keine Schwierigkeiten damit, wenn das Westjordanland in den Genuss der Vorzüge einer UNESCO-Mitgliedschaft kommt. Beim Gazastreifen habe ich aber Bauchschmerzen, dass dort eventuell Gelder hinfließen könnten. Ich sehe es jedenfalls, bei den Zielen der Hamas, nicht unbedingt gegeben, dass Gelder oder andere Leistungen wirklich dazu dienen werden Ziele, im Sinne der UNESCO-Ideale, nämlich z.B. für eine demokratische Erziehung auf Basis der Menschenrechte etc, zu erreichen. Wie soll/wird sich die UNESCO denn nun zukünftig verhalten? Dem Westjordanland Hilfe zukommen lassen und den Gazastreifen leer ausgehen lassen. Was hätte das wiederum für Folgen? Oder Gelder für den Gazastreifen bewilligen und dann Gefahr laufen, dass diese Gelder dort zweckentfremdet, gegen die Ziele der UNESCO eingesetzt werden? Schwierig, schwierig..
Im übrigen kapier ich die Reaktionen auf die Feststellung, dass die USA nun keine Gelder mehr an die UNESCO überweist, nicht. Jedem Mitglied der UNESCO, welches für eine Aufnahme Palästinas stimmte, musste es von Vornherein klar sein, dass die USA, auf Grund ihrer gesetzlichen Bestimmungen, die Zahlungen an die UNESCO einstellen würden. Das wurde der UNESCO auch im Vorfeld des Beschlusses bereits mitgeteilt. Bereits seit den 90er Jahren gibt es in den USA Gesetze, die die finanzielle Unterstützung von Organisationen, in denen Palästina (und/oder andere) Mitglied ist, verbieten. Für diese Gesetze ist, in einem hohen Masse, eben auch das Verhalten und die Ziele der Hamas verantwortlich. Die USA wollen eben nicht das Risiko eingehen, dass Gelder, die sie an Organisationen zahlen, über Umwege dann terroristische Vereinigungen unterstützen. Wenn man dann noch betrachtet, wie sich die Hamas zu den USA äußert und welche Haltung sie zu diesen einnimmt, sollten solche Gesetze nicht wirklich verwunderlich sein, oder?
Genauso wundert mich das deutsche Abstimmungsverhalten nicht (was nicht heißt, dass ich es gut hieße). Das folgte der Logik der bisherigen Nahost-Politik in Bezug auf die Förderung Palästinas. Offiziell unterstützt man die Bemühungen Palästinas auf einen eigenen Staat. Natürlich ohne dabei Israel großartig auf die Füße zu treten. Es wundert mich, dass der Siedlungsbau Israels von deutscher Seite aus kritisiert wird. Ich sehe es auch so, dass die deutsche Politik sich viel zu sehr vom Holocaust beeinflussen lässt. Viele Israelis sehen dieses Verhalten der deutschen Politik übrigens mittlerweile eher amüsiert. So nach dem Motto: "Hey, wenn die deutschen Politiker sich für das verantwortlich fühlen, was vor ca. 70 Jahren geschah, müssen wir das zwar nicht verstehen, uns würde es schon reichen, wenn sie dafür sorgen würden, dass so etwas nie wieder mit uns geschieht, aber wenn sie meinen, sollen sie sich ruhig so schuldbewusst verhalten. Einfacher kann es für unsere Politiker doch gar nicht sein, mit Hilfe Deutschlands ihren Willen durchzusetzen. Wir wären doch blöd wenn wir das nicht nutzen würden". Und dieses "Nein" von Deutschland passt doch auch prima in die EU-Politik. Die EU hat schließlich 2006 auch erst mal einen großen Teil ihre Zahlungen, die über die palästinensischen Behörden abgewickelt wurden, eingefroren. Umgeht aber dieses Einfrieren nun dadurch, dass Gelder nicht auf dem behördlichen Wege ausgezahlt werden, sondern direkt irgendwo investiert werden. Ob ich das jetzt geschickt oder verlogen finden soll, weiß ich nicht so recht.
Alles in allem befürchte ich, dass die Aufnahme Palästinas in die UNESCO eventuell nicht der erhoffte Ölzweig ist, sondern sich eher zu ner Lunte im Pulverfass, in diesem schwierigen politischen Kontext werden könnte. Durch die Aufnahme in die UNESCO hat diese, wenn auch nur indirekt, Palästina als souveränen Staat anerkannt. Die UNESCO spricht nämlich immer von Mitgliedsstaaten. Ob diese, quasi durch die Hintertür, erreichte Anerkennung als Staat sich aber wirklich positiv für den weiteren Verlauf, die Vollmitgliedschaft für die Autonomiegebiete als Staat bei den Vereinten Nationen erreichen zu wollen erweisen wird, sehe ich mit sehr zwiespältigen Gefühlen.
Ich hätte es als besser empfunden einen anderen Weg zu gehen. Nämlich erst den Weg über den Status eines "Nichtmitgliedstaates ohne Stimmrecht" zu beschreiten und dann anderen UN-Organisationen und selbstständigen Sonderorganisationen beizutreten, was sich dann deutlich unproblematischer gestalten würde. Ich kann daher den Schritt, in die UNESCO aufgenommen worden zu sein, bevor nicht wenigstens der Status eines "Nichtmitgliedstaates ohne Stimmrecht" gegeben ist, auch noch nicht richtig verstehen. Jedenfalls nicht auf internationaler Ebene. Hier scheint mir das zu mehr Problemen als zu Lösungen zu führen. Bestenfalls erkenne ich innenpolitische Vorteile für Teile der Regierung der Autonomiegebiete.