@Liliandil: Du weißt aber schon, was 'Gerechtigkeit' bedeutet, oder? Oder was die Iustizia symbolisiert?
Die Augenbinde steht für die Unvoreingenommenheit der Justiz, das Richtschwert für die Bestrafung und die Waage für das abwägen aller Indizien. Um aber das "Für und Wieder", wenn man so will, einzuschätzen, muss jedem Menschen dasselbe Recht zugesprochen werden, sich zu verteidigen, seine Version der Geschichte zu erzählen. Ein Anwalt, der die offensichtlich "Bösen" vertreten mag, muss seine Klienten nicht mögen, aber er ist ein grundlegender Teil des Spiels. Gerechtigkeit heißt nicht, alles Böse abzuschaffen, bis nur noch die Sonne scheint und alle glücklich sind. Gerechtigkeit heißt Ausgleich. Selbe Chancen, selbe Möglichkeiten, keiner wird verurteilt, nur weil es allen Anschein nach so aussieht.
Es ist wichtig, dass es Anwälte gibt, die auch Mörder, Vergewaltiger und andere Verbrecher vertreten, selbst, wenn sie nicht von deren Unschuld überzeugt sind. Denn irgendeiner muss es tun und nur indem sie den Straftätern das Recht für ihre Verteidigung einräumen, verhelfen sie der Gerechtigkeit zu ihrer Legitimität. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass viele solcher Anwälte die ganze Justiz nur noch als Spiel verstehen (und ich kann es ihnen nicht mal verübeln. Es gibt da einen großartigen Film: "...und Gerechtigkeit für alle", der thematisiert genau diese Problematik, den Wahnsinn des Justizsystems.)
Es gibt einfach keine befriedigende Antwort, Gerechtigkeit ist letzten Endes nämlich nur ein Ideal. Aus diesem Grunde fährt jeder Anwalt besser damit, die tagtägliche Scheiße, die er zu sehen bekommt, nicht an sich ranzulassen und es nicht ernst zu nehmen. Mal gewinnt die Justiz und mal verliert sie, im Gerichtssaal gibt es keinen bösen oder guten Anwalt. Was macht es schon aus, ob ein Kinderschänder mehr oder weniger draußen frei rumläuft?
