[Frage] Welche Geschichte soll auf Platz Nummer 1?

Welche Geschichte findet ihr am Besten?

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Shishiza

Sehr brave Fee^^
Teammitglied
Mod


Es ist jetzt soweit, die Zeit ist abgelaufen und der Wettbewerb vorbei. Drei Geschichten haben den Weg zu mir gefunden. Jetzt kommt es auf euch an. Kürt die Geschichte mit einer Stimme, die ihr am besten/liebsten/genialsten ... findet. Das bedeutet, ihr dürft eine Stimme abgeben. Die Zeit fürs voten beläuft sich auf vier Wochen, also bis zum 16.11.2016

Geschichte 1
Es war erstaunlich, wie unterschiedlich Shantai auf menschliche Bräuche reagierten. Die einen standen da, ein wenig irritiert, aber amüsiert. Die anderen fanden es reichlich kindisch, ein weiterer Beweis dafür, dass die behaarten Affen von Sol-3 schon vor langer Zeit den Verstand verloren hatten. Wiederum andere fanden es die beste Idee seit der Einführung der irdischen Schokolade.

Für Chiisu Anderson war die Zeit vom Sommer auf den Herbst, jener Wechsel vom warmen, gemütlichen Sommer hinüber zum unausweichlichen Winter mit einem Höhepunkt versehen, der sich seit Jahrhunderten hartnäckig hielt und selbst auf den Kolonien der Menschen gefeiert wurde. Zugegebenermaßen war es etwas infantil, das konnte niemand bestreiten, auch wenn die Wurzeln weit in der Vergangenheit lagen und diverse, religiöse Aspekte diverser irdischer Religionen inkorporiert hatten.

„Warum?“, murmelte Laci’ray und starrte auf die tosende Menge an verkleideten Menschen, aber auch Außerirdischen, die jene Gelegenheit nutzten, sich mit irdischen Köstlichkeiten einzudecken.

„Die Grundidee dahinter ist es, die dunkle Jahreszeit zu empfangen und die darin wohnenden dunklen, bösen Geister zu vertreiben“, erklärte Chiisu und trat neben sie. „Du hast doch nicht etwa Angst vor Monstern, liebe Laci?“ Er musterte sie von der Seite. Natürlich war der Gedanke, dass ausgerechnet Laci’ray Angst vorirgendwas hatte, reichlich amüsant. Er hatte schon selbst gesehen, wie sie Kreaturen - in dem Fall schlichte Aliens oder Wesen von anderen Welten - nur mit einem Messer oder einem Schwert zu Fall gebracht hatte, die sehr gut in diverse Horror- oder Gruselgeschichten gepasst hätten.

Der Blick aus ihren eisblauen Augen, den die Felide im zuwarf, hätte gereicht, selbst die bösesten Monster sich jeden Gedanken an Untaten noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen. „Mach dich nicht lächerlich, Äffchen. Ich habe vor gar nichts Angst. Zumindest nicht vor diesen… lustigen Dingern hier.“

„Es gibt da ein paar… Dinge, vor denen sie Angst hat“, flüsterte Nyrana und schmiegte sich von hinten an Chiisu. „Aber du wirst es bestimmt irgendwann herausfinden.“

„Ich kenne das Geheimnis doch schon längst“, erwiderte Chiisu und drückte seine Wange an die seiner Partnerin. „Sie hat Angst davor, dass irgendwann niemand mehr Angst vor ihr hat.“

Nyrana kicherte. „Das ist eine hübsche Theorie, mein Süßer.“ Sie schielte zu Laci’ray, die den Vorschlag mit einem Schnauben würdigte. „Immerhin gibt es gutes Essen. Das einzig gute an dieser seltsamen Spezies. Ich weiß gar nicht, wie ihr es überhaupt geschafft habt, den Weltraum zu erreichen. Das ist das einzig gruselige hier.“

Sie blickte auf einen Stand, der Verkleidungen mit gewissen eingebauten, technischen Spielereien verkaufte, die allerlei Monster darstellte. Die Masken waren ein kleines, technisches Meisterwerk und verschmolzen beinahe mit dem Gesicht des Trägers, schufen so eine ziemlich gute Illusion.

Laci’ray blickte auf eine Frau, die soeben eine Maske aufsetzte. Ihr Gesicht verwandelte sich in das einer Banshee. Blass, bleich, aufgerissene, funkelnde Augen, das Haar wehte in einem unirdischen Wind.

„Das ist eine Banshee“, erklärte Chiisu als er Nyranas erstaunten Blick sah. „Stammt von einer kleinen Insel nahe dem europäischen Kontinent. Ihr erscheinen kündigt den Tod eines Familienmitglieds an.“

Laci’ray blickte von der Frau zu Chiisu. „Ein Jammer. Für dich.“ Ihre Eckzähne blitzten hervor.

„Du findest, ich gehöre zur Familie? Das ist unglaublich süß von dir, liebe Laci. Komm, ich kauf dir etwas Schoko-Zuckerwatte.“

„Du bist genauso. Ich hatte kein Mitspracherecht und muss dich ertragen. Genau wie Familie.“ Sie schielte zu ihm rüber. „Nyrana nimmt eben alles auf, was klein und süß ist und dann werden wir es nicht wieder los.“ Sie seufzte theatralisch. „Und das mit der Zuckerwatte habe ich gehört.“

Ciantary blickte kauend von ihrer Schokoladenwaffel auf. „Zufferwaffe?“, nuschelte sie und Die blonde Shantai schob sich das letzte Stück Gebäck in den Mund. „Willst du welche?“, fragte Chiisu lachend. Ciantary konnte ohne weiteres Tonnen von Süßigkeiten verdrücken. Sie war bei derartigen Festlichkeiten in ewiger Glückseligkeit.

Nyrana lachte leise und ließ ihren Blick schweifen. Ein Stand war ein kleines, handwerkliches Meisterwerk, zumindest wirkte er uralt, ein wenig verramscht und aus Holz und anderem Material errichtet. Sie zog Chiisu neugierig zu jenem Stand. „Was ist das?“

Chiisu hob eine Augenbraue. „Eine gute Frage, gehen wir hin?“ Im gehen bemerkte er, dass durchaus einige Außerirdische Anwesend waren, um jenes Brauchtumder Menschen zu erkunden. Eine nette, harmlose Art und Weise, eine Fremde Kultur kennenzulernen. So gesehen sorgten solche Festlichkeiten dafür, sich friedlich anzunähern. Eine gute Sache.



Der Stand sah wirklich uralt aus, entweder hatte der Besitzer sich keinerlei Mühe gegeben, ihn zu renovieren, oder er war ein Genie, was die Authentizität anging. Der Mann schien uralt, selbst nach aktuellen, irdischen Maßstäben. Er trug einen schäbigen, schwarzen Zylinder, einen weißen Bart und einen verschlissenen, alten Anzug. „Guten Tag, wunderschöne Dame, mein Herr, wie kann ich Ihnen dienen?“

Neben dem typischen Angebot an kleinen Erinnerungsstücken, Spielzeug und einigen Masken gab es nicht sonderlich viel in jenem Stand. Viel Umsatz konnte er damit wohl kaum machen. „Möchten Sie sich gruseln?“, fragte der Verkäufer verschmitzt lächelnd. „Damit sie ihre wunderschöne junge Begleitung beschützen können, junger Herr?“

Nyrana lächelte ob des Kompliments, Laci’ray schnaubte lediglich. „Würde mich wundern, wenn Sie das schaffen“, murmelte sie halblaut. Nyrana warf ihr einen leicht indignierten Blick zu, sah sich dann aber um. Das meiste Spielzeug war handgemacht, oder wirkte so. Kleine Erinnerungsstücke, aber nichts im vergleich zum holographischen, oder hoch technisierten Spielzeug, dass mit Hologrammen, Tönen oder Richtschall arbeitete.

„Oh, ich höre eine Zweiflerin“, bemerkte der Mann spitz und sah etwas indigniert zu Laci’ray. „Sie glauben also nicht, junge Dame, dass sie sich gruseln könnten?“

Nyrana lachte nun leise. „Das ist bei ihr ziemlich schwierig, müssen Sie wissen.“

Chiisu lachte ebenfalls und sah zur Seite. „Sagt die richtige. Ich habe dich schon Außerirdische niederstarren sehen, die dreimal so schwer und fast doppelt so groß waren, wie du. Ich hätte danach die Unterwäsche wechseln müssen.“

„Es wundert mich, dass du überhaupt noch welche trägst“, murmelte Laci’ray und betrachtete den Inhalt des kleinen Wagens. Sie war offenkundig nicht sehr begeistert, aber behielt es zumindest für sich.

„Ich sage Ihnen was. Wie wäre es mit einer kleinen Wette. Ich schaffe es, dass sie sich heute noch gruseln. So richtig mit Herzrasen, Angst und davonlaufen!“

„Ach das meinen Sie! Das habe ich jedes Mal, wenn der da mit mir kuscheln will, nachdem wir…“ Laci’ray biss sich auf die Zunge. Der Verkäufer lächelte Verschmitzt. „Nun, was sagen Sie drei? Oder gilt das nur für die beiden jungen Damen?“ Sein Blick traf den von Nyrana. Diese zuckte mit den pelzigen Katzenohren. „Das wäre eine ziemliche Herausforderung, mein Herr. Was bieten Sie?“

Der Mann sah sie Ernst an, wie jemand, der herausgefordert worden war. „Das kann ich Ihnen natürlich nicht sagen. Aber ich besitze etwas, was geeignet scheint, ihren kleinen Wunsch nach etwas angemessener Atmosphäre zu befriedigen.“ Er beugte sich nach vorne. „Was denken Sie? Trauen Sie sich?“

Nyrana blickte ihn Augenfunkelnd an. „Wenn Sie das wirklich schaffen… was wollen Sie dafür?“

Der Mann schürzte die Lippen. „Oh, nicht viel. Im Falle meines Sieges, lediglich ein Bild von ihrem erschrockenen Gesicht, junge Dame.“

„Das ist alles?“, lachte Nyrana. Der etwas schrullige alte Mann nickte amüsiert. „Natürlich. Denken Sie nur daran, wenn ich sagen kann, ich hätte eine Shantai erschreckt! Das dürfte mein Geschäft für die nächsten hundert Jahre ankurbeln! Man sagt Ihrer Spezies nämlich nach, nicht sehr leicht beeindruckt zu sein.“

Er griff unter den Tresen und zog ein Blatt Papier heraus. „Aber in Ihrem Fall meine Damen muss ich darauf bestehen, dass Sie mir das hier unterzeichnen. Es ist eine Absicherungserklärung für meine Wenigkeit.“

Nyrana studierte den Vertrag. „Im Falle von Verletzungen…“ murmelte sie und las weiter. „… geistige Gesundheit…“

Laci’ray trat neugierig geworden neben sie. „Mit dem letzten sind sie zu spät dran. Meine leidet dank diesem Kerl da schon lange. Und bei Nyrana bin ich mir da auch nicht so sicher. Immerhin liebt sie ihn, also kann da was nicht ganz…“ Sie unterbrach sich, als sie Nyranas Blick bemerkte. „Schon gut, ich bin ja ruhig.“ Sie sah den Mann an. „Also, was haben Sie zu bieten?“ Sie warf einen Blick auf den Vertrag, der nur wenige Punkte beinhaltete. Ausschluss von Ansprüchen aufgrund von Verletzungen oder gar Tod, außerdem eine Mindestaufenthaltszeit im Haus für mindestens 24 Stunden. Als Preis winkte eine Antwort von Interesse. Was auch immer das heißen sollte.

Nyrana unterzeichnete den kleinen Vertrag stilecht mit einer Feder, die sie ihn ein Tintenfass tauchte. Der Mann nickte anerkennend. „Ich sehe, Sie haben das schon mal gemacht.“ Nyrana zuckte mit den Ohren. „Ja, auf meiner Welt nutzen wir so etwas noch hin und wieder.“ Sie sah sich um. „Los, ihr drei auch. Wenn, machen wir das zusammen!“

Als alle unterzeichnet hatten, faltete der Mann das Dokument zusammen, schob es in eine kleine Holzschatulle und verstaute diese. „Nun, ich muss natürlich noch etwas vorbereiten. Kommen Sie in einer Stunde zu dieser Adresse, ja?“

Er reichte Nyrana eine kleine, antike Papierkarte, auf der eine Adresse ganz in der Nähe verzeichnet war. Inklusive einer kleinen, gezeichneten Karte auf der Rückseite. „In Ordnung, wir…“ Der Mann zog in diesem Moment eine Rollade aus Holz herunter und alles, was vor Nyranas Nase baumelte war ein Ich bin bald wieder da Schild aus Holz.



„Das klingt gruselig!“, murmelte Ciantary und klammerte sich an Chiisus Arm. Dieser tätschelte ihr den Rücken. „Keine Sorge. Ich kenne so was. Das sind holographische Tricks, Richtschall und eventuell Gravitationsmanipulation, um irgendwas schweben zu lassen.“

Nyrana verstaute die Karte. „Ah ja? Du kennst das?“

Chiisu zuckte mit den Schultern. „Naja, so etwas in der Art, ja. Die Technik ermöglicht es mittlerweile, dass wir keine Menschen mehr mit Masken benötigen, auch wenn einige das als Teil des ganzen sehen. Aber diese Spukhäuser und so etwas… das hat Tradition.“

„Warum dann diese Versicherung?“, fragte sie erstaunt.

Chiisu zuckte mit den Schultern. „Eine Vorsichtsmaßnahme. Es gab schon Menschen, die einen Herzinfarkt bekamen, oder vor Schreck irgendwo dagegen gerannt sind. In so einem Fall kann das ungemütlich für den Veranstalter werden.“

„Eigene Dummheit oder Feigheit belohnen? Das kann nur euch Menschen einfallen“, murmelte Laci’ray. Sie schielte zu Chiisu. „Aber gut, sehen wir uns das kleine Spiel an. Zumindest wird mir dein Schreien etwas Freude bereiten.“



Ihr Ziel lag etwas außerhalb der Stadt auf einem offenen Feld. Auch dort gab es zahllose Stände und Outdoor-Aktivitäten, in denen Schausteller aus Dutzenden von Kolonien und Welten alle Sorten von größeren und umfangreicheren Attraktionen errichtet hatten. Ganze Spukhäuser waren über Nacht errichtet worden und hatten die eigentliche Stadt nicht unbeträchtlich vergrößert.

„Ich wette, dass gehört alles zu einem Masterplan der Menschen“, murmelte Laci’ray düster. „Sie reden uns anderen ein, sie sind harmlose Irre und dann überfallen und erobern sie die Galaxie im Handstreich, weil keiner darauf vorbereitet ist.“

Nyrana kicherte. „Sie sind nicht du, Laci. Ich glaube nicht, dass die Menschen so etwas im Sinn haben, oder mein Süßer?“

„Wenn, hat man mich nicht eingeweiht, meine Liebste. Ich kenne nur den Plan, die Shantai von uns abhängig zu machen, indem wir sie mit Schokolade verführen“, bemerkte er verschwörerisch leise und küsste Nyrana auf die Wange. „Keine Sorge, wenn wir über euch herrschen, bekommst du einen Platz an meiner Seite.“

Nyrana kicherte und fuhr mit den Fingerspitzen an seinem Rücken langsam nach oben, bevor sie die entscheidende Frage flüsterte: „Oh, wie gütig von dir, mein Süßer. Aber denkst du nicht, dass es unklug ist, den Plan zu verraten?“

Chiisu schmunzelte. „Bei deinem Schokoladenkonsum… nein.“ Er blickte auf das durchaus imposante Haus vor ihnen. Es wirkte wie ein altes, englisch-viktorianisches Herrenhaus. Sogar mit einigen, darüber kreisenden Fledermäusen. „Nun, so wie ich das sehe, seid ihr alle schon total verrückt nach Schokolade. Kein Grund, das noch länger zu verheimlichen.“ Er sah zu Laci’ray, die zufrieden ihre Zuckerwatte mit Schokoladenfäden verschlang. „Siehst du?“

Ciantary gab ein begeistertes Geräusch von sich und blickte auf das große, eiserne Tor vor sich. „Das sieht… eindrucksvoll aus“, gab sie zu und legte den Kopf in den Nacken. „Das stimmt, er hat sich Mühe gegeben“, fügte Nyrana zu und tippte gegen das Tor. Wie von Geisterhand schwang es auf, als sie es berührte.

„Das ist wohl unsere Einladung“, bemerkte Chiisu und trat mit den anderen beiden ein. Hinter ihnen schloss sich das Tor wie von Geisterhand. Nicht, dass das irgendwen aufgehalten hätte. Die läppischen zwei Meter Gitterzaun mit den eindrucksvollen Spitzen darauf hätten keine der Shantai, nicht einmal Ciantary, länger als ein paar Sekunden aufgehalten.

Die Türen des Hauses öffneten sich und der ältere Herr trat hinaus. Er trug die gleiche Kleidung, in diesem Fall jedoch einen Gehstock aus weißem Material, dass wohl Knochen darstellen sollte.

„Willkommen! Sie haben sich also entschieden, meine kleine Wette anzunehmen?“ Er zwirbelte mit einer Hand seinen Schnauzbart und nickte anerkennend. „Ich darf Sie alle daran erinnern, dass Ich nicht für eventuelle Verletzungen haftbar zu machen bin. Ziel ist es, mindestens vierundzwanzig Stunden in diesem Haus zu verweilen. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Genau Vierundzwanzig Stunden! Die Uhr schlägt die Stunde! Sind sie zu spät, müssen Sie warten, bis ich mit meiner Schicht fertig bin. Das kann dauern!“

Nyrana zuckte mit den Ohren. „Verstanden, aber ich denke nicht, dass das nötig ist.“

„Das ist auf keinen Fall nötig“, murmelte Laci’ray und betrachtete die beiden Fledermäuse, die um den Kopf des Mannes flogen. „Nett.“ Es klang ein wenig sarkastisch.

„Sagen Sie das nicht, bisher haben noch nicht viele diese kleine Wette gewonnen. Eigentlich ist es sehr lange her…“ Er machte ein nachdenkliches Gesicht. „Sehr lange…“ Nach einem Moment deutete er zur Tür. „Bitte, treten Sie ein. Tun Sie, was Sie möchten. Sie können die Einrichtung benutzen, wenn Sie möchten. Keine falsche Scheu! Nach einem kurzen Zögern blieb er stehen und berührte seine Stirn. „Fast hätte ich das wichtigste vergessen! Wenn Sie aufgeben möchten, dann sagen Sie einfach laut, dass Sie Angst haben.“

„Das wird nicht nötig sein, aber Danke“, erwiderte Nyrana höflich. Offenbar hatte sie, genau wie Laci’ray, Blut geleckt.

„Oh, sagen Sie das nicht…“ Der Mann lächelte nun auf eine gewisse, seltsame Art. „Andererseits, würden Sie eine kleine, zusätzliche Wette eingehen…?“

Nyranas Ohren zuckten. „Was wäre das?“ Sie lachte innerlich auf. Jetzt kam der echte Einsatz. Der Mann blickte sie nachdenklich an. „Sie sind eine intelligente, junge Dame und wie ich annehmen muss, vermögend.“ Er lächelte nun, als Nyrana eine Augenbraue hob. „Keine Sorge, junge Dame, Geld interessiert mich nicht.“ Er räusperte sich und sah ihr in die geschlitzten Katzenaugen, als würde er nach einer Antwort suchen. „Was bedeutet Ihnen viel und wäre ein angemessener Einsatz…“

Laci’ray wackelte plötzlich mit den Katzenohren. „Die Antwort ist einfach. Chiisu. Setzen wir ihn doch ein. Egal wie es ausgeht, wir gewinnen.“ Laci’ray tätschelte seinen Rücken. „Komm schon, es könnte wesentlich schlimmer sein. Der Mann ist doch nett, du wirst dich gut mit ihm verstehen.“

„Na, ich hätte ihn schon ganz gerne wieder“, bemerkte Nyrana spitz und verschränkte ihre Finger mit denen von Chiisu. „Du würdest ihn auch vermissen“, brummte sie in Laci’rays Richtung, die nur mit einem Schnauben antwortete.

Der alte Herr schnipste. „Ich habe es! Sie werden mir schlicht bei meiner nächsten Vorstellung als Helfer dienen, junger Mann. Was denken Sie? Andererseits, diese hübsche junge Dame hier, damit würde ich noch viel mehr Kunden bekommen.“ Er sah zu Nyrana, schüttelte dann den Kopf. „Hm… Nein, ich denke, ich muss mich an den Ablauf halten. Was sagen Sie, junger Mann?“

Chiisu lächelte. „Das klingt gut, einverstanden. Ich helfe ihnen bei ihrer Arbeit.“

Der Mann schnipste und eine der Fledermäuse verwandelte sich in eine Schriftrolle, die andere in eine Feder. Er angelte beides aus der Luft und reichte es Chiisu. „Bitte auf der gepunkteten Linie unterschreiben!“

Chiisu hielt kurz inne. „Was müsste ich eigentlich tun?“

Der Mann lächelte ein wenig ertappt. „Oh, die meisten fragen das gar nicht. Nun…“ Er dachte nach. „Ein wenig sauber machen. Das Haus aufräumen, nachdem Kundschaft dort war. Einige hinterlassen es nicht so, wie sie es vorfinden. Aber keine Sorge, das ist eher die Ausnahme. Nur eine Vorstellung, junger Freund, nicht mehr, nicht weniger! Das geht in Windeseile.“ Chiisu nickte, unterschrieb und reichte Feder und Pergament dem Mann, der es unter seinem Sakko verstaute. „Danke. Nun, herein, herein!“ Mit einem Quietschen öffnete sich die Eingangstür. Er räusperte sich. „Ach ja, noch eine Kleinigkeit. Sie müssen um…“ Er zog eine Taschenuhr aus seiner Hose und blickte darauf. „Um genau 20 Uhr Terranische Zeitrechnung das Haus verlassen, damit ich aufräumen kann. Eine Minute später und sie müssen auf mich warten, weil ich noch weitere Vorstellungen woanders habe.“

Nyrana nickte. „Ich verstehe, das ist kein Problem. Außer wir werden von einem Monster gefressen.“

Der Mann lachte leise. „Nun, in diesem unwahrscheinlichen Fall werde ich Verständnis haben.“ Er hob einen Finger. „Denken Sie daran! 20 Uhr Morgen Abend!“



Sie betraten das Haus und fanden sich in einem Wohnraum wieder, der aus einer Zeit zu stammen schien, in dem elektrisches Licht noch eine neuartige Erfindung war. „Hübsch. Erinnert ein wenig an Zuhause“, bemerkte Nyrana und ließ den Blick schweifen. In einem Kamin flackerte knisternd ein Feuer, an den Wänden hingen Porträts von Landschaften oder finster blickenden Menschen in formeller Kleidung. Große, gepolsterte Sessel standen ebenso bereit, wie eine absolut passende Einrichtung aus verzierten Schränkchen, einem großen Tisch und Möbeln.

„Tatsächlich, ihr habt mal Geschmack besessen… oder zumindest den Hauch. Wann genau habt ihr den verloren?“, fragte Laci’ray und setzte sich in einen der Sessel.

Chiisu lächelte amüsiert. „Eine gute Frage. Soweit ich weiß, beschuldigt jede Generation die Nachkommende, am Verfall der Zivilisation schuld zu sein. Das geht seit etwa 3000 Jahren so.“

Nyrana sah sich neugierig um. „Ich frage mich, was uns hier erschrecken soll…“ Laci’ray deutete auf einen großen Schrank. „Um was wetten wir, dass dort irgendwer oder etwas drin sitzt und darauf wartet, herauszuspringen?“

Sie trat darauf zu und klopfte. „Hallo?“ Natürlich kam keine Antwort. Sie öffnete den Schrank und wider erwarten befanden sich dort nur einige Kleidungsstücke, die zu dem Ambiente passten, darunter ein Zylinder, mehrere Gehstöcke und einige paar Schuhe.

„Immerhin hat er nicht meine Seele gewollt“, bemerkte Chiisu und sah sich um, zog dann eines der Bücher aus einem Schrank und blätterte darin.

„Was meinst du?“, fragte Nyrana und blickte die Treppe hinauf, die in den ersten Stock führte. „Meine Seele. Ein altes irdisches Märchen. Du tauscht deine Seele gegen einen Wunsch oder etwas ein, was du begehrst. Oder setzt sie in einer Wette ein. Wenn du verlierst, gehörst du bis in alle Ewigkeiten dem Teufel. Das ist… das Gegenstück zu unserem Gott.“

„Wer ist so blöd, so was zu verwetten?“, brummte Laci’ray und trat durch eine offene Tür in den Nebenraum und sah sich um. Es war die Küche, wie sie an dem alten Herd, Holzscheiten und einer Spüle mit einer kleinen, mechanischen Pumpe feststellte.

„Das ist der Trick dabei. Die Leute, die sie einsetzen, glauben regelmäßig, sie sind klüger als der Teufel oder Dämon. Es ist eher eine Art Lektion, dass man sich nie zu sicher sein sollte, glaube ich“, erwiderte Chiisu.

„Was hast du da?“, fragte Ciantary und lugte über seine Schulter. „Ein Buch. Sehr alt, in einem terranischen Dialekt geschrieben…“ Er runzelte die Stirn. „Fühlt sich ziemlich echt an, vom Papier her. Also die Ausstattung hier ist ziemlich gut.“

Laci’ray trat in das Wohnzimmer. „Also, in der Küche ist Essen und etwas zu trinken, was mich an Tee erinnert. Alles vakuumversiegelt und verpackt.“

„Denk dran, wir sind vierundzwanzig Stunden hier“, erinnerte Nyrana. Sie sah zu Chiisu. „Du bist der Experte, für so was. Was sollten wir nicht tun?“

Chiisu dachte nach. „Mal sehen. Die gängigsten Klischees sind folgende: Wenn du etwas seltsames hörst, geh nicht alleine in den dunklen Keller. Selbst wenn du etwas verriegelt und gesichert hast, ist nicht sichergestellt, dass dem so bleibt…“ Er schnipste. „Ach ja, falls du gegen ein Monster oder etwas anderes kämpfst, geh niemals davon aus, dass du es getötet hast. In fast allen Filmen, die ich kenne, wird der vermeintliche Gewinner vom Monster hinterrücks ermordet, wenn er sich als Sieger glaubt.“

Ciantary trat zu einer Wand mit einem Bild. „Schaut mal, was Ciantary gefunden hat.“ Sie deutete auf das Gemälde. Es zeigte den Besitzer mit Hut und Gehstock, in einer Pose der Ruhe und einer gewissen Melancholie.

Chiisu trat hinter sie und nickte anerkennend. „Nicht übel. Er hat wirklich einiges hier investiert.“

„Ich mache etwas Tee“, beschloss Nyrana, erhob sich und ging in die Küche. „Wenn ein Monster auftaucht, sagt mir bescheid.“

„Du hörst es, wenn Äffchen anfängt zu schreien“, gluckste Laci’ray und tätschelte dessen Schulter. „Keine Sorge, ich beschütze dich. Vielleicht.“



Tatsächlich vergingen die Nächsten Minuten erstaunlich Ereignislos. Nyrana kam mit der Kanne Tee und einem Tablett aus der Küche und stellte alles auf den Tisch und begann, die Tassen zu füllen. „Wisst ihr, was ich tun würde?“, bemerkte Chiisu und nippte an seiner Tasse. „Beim ersten Anzeichen einer Gefahr schreiend durch die Tür verschwinden?“, fragte Laci’ray und nahm einen Schluck Tee. Anerkennend zuckte sie mit den Ohren. „Nicht schlecht.“

Chiisu schüttelte den Kopf. „Eine kleine Halluzinogene Droge. Im Essen zum Beispiel.“ Laci’ray sah ihn über den Tassenrand an, nahm dann noch einen Schluck.

Nyrana blickte ihn fragend an. „Du bist dir sicher…?“ Chiisu zuckte mit den Schultern. „Im Grunde ist es einerlei, oder? Sie könnten auch ein Gas verwenden. Oder ein Kontaktgift. Aber ich vermute, wenn sie so etwas einsetzen, dann nur eine sehr milde Form. Alles andere wäre ziemlich gewagt.“

„Vergiss nicht die Klausel“, erwiderte Nyrana und trank einen Schluck.

Chiisu zuckte mit den Schultern. „Die wäre irrelevant, wenn sie uns gezielt vergiften. Eine gewisse Vorsorgepflicht ist trotzdem geboten, soweit ich weiß.“

„Sehen wir uns um?“, fragte Nyrana und erhob sich. „Ich will das Haus erkunden.“ Chiisu nickte lächelnd. „Das erste, was jetzt passiert, wäre wohl, dass wir uns aufteilen. Der erste, klassische Fehler.“

„Dann machen wir zwei Gruppen. Ich gehe mit dir, mein Süßer.“ Laci’ray schnaubte. „Gut, dann kümmere ich mich um Ciantary.“ Diese zuckte mit den Ohren. „Keine Sorge, Ciantary beschützt dich, wenn es sein muss.“ Laci’ray verengte die Augen zu schlitzen. „Natürlich.“

Tatsächlich gestaltete sich die Erkundung des Hauses als durchaus interessant. Der Detailreichtum war beeindruckend. Hätte er es nicht besser gewusst, hätte Chiisu geschworen, sich in einem echten, Jahrhundertealten Haus zu befinden. Im zweiten Stock befanden sich neben einem Bad auch mehrere Schlafzimmer, sowie eine Bibliothek von durchaus beeindruckender Größe.

Als sich beide Gruppen wieder im Erdgeschoss trafen, wirkte Laci’ray eher gelangweilt. „Keine Monster. Offenbar muss man hier selber dafür sorgen, dass jemand schreit.“ Sie fixierte Chiisu, doch dieser schnaubte nur. „Nichts, was du mir nicht bereits angetan hast, könnte mich noch erschrecken. Hoffe ich zumindest.“

„Denkt dran, wir verbringen die Nacht hier“, erinnerte Nyrana. „Warten wir, bis es dunkel wird.“ Sie trat zum Fenster und sah hinaus, stutzte plötzlich. „Was ist das?“

„Es geht los…“, seufzte Laci’ray. „Was ist es? Irgendein Äffchen mit einer bescheuerten Maske? Darf ich es umhauen?“

„Nicht ganz. Seht euch das an.“ Tatsächlich war der kleine Garten, der das Haus umgab, durchaus gepflegt, wenn auch hier und da das Gras wuchs, oder ein paar Wildblumen aus dem Grün ragten, die hier nicht hingehörten. Direkt hinter dem schmiedeeisernen Zaun war ein seltsames, diffuses Flimmern zu sehen. Es war wie die Oberfläche eines Sees, die sich sanft im Wind bewegte.

„Das will ich mir ansehen“, brummte Laci’ray und trat zur Tür. Widererwarten war sie nicht verschlossen, was sie andererseits auch nicht aufgehalten hätte. Direkt hinter dem Haupttor war jener Effekt ebenfalls zu sehen. Ein diffuses, nebelartiges Etwas, dass offenbar das Haus umgab. „Was ist das?“, brummte Laci’ray verwundert, streckte die Hand aus, doch Ciantary packte sie im letzten Moment. „Nicht anfassen!“ Sie schüttelte missbilligend den Kopf. Laci’ray zuckte amüsiert mit den Ohren. „Was soll passieren?“

Ciantary sah sich um, trat zu einem Strauch und brach einen kleinen Ast ab. Sie ging zurück zum Tor und schnipste ihn gegen jenes seltsame, diffuse Etwas. Es gab einen kleinen Lichtblitz, als der Ast das Feld berührte.

Laci’ray zuckte mit den Ohren. „Ein geladenes Inversionsfeld? Nett.“ Sie feuchtete einen Finger an und berührte damit das Feld. Kleine Blitze begannen zu knistern. „Das kitzelt“, erwiderte sie amüsiert. Als sie den Finger zurückziehen wollte, spürte sie plötzlich Widerstand. Sie verstärkte den Griff, doch sie bekam den Finger nicht los. „Was zur…“ murmelte sie und umklammerte mit einer Hand das Handgelenk der anderen. „Es kribbelt stärker“, murmelte sie und zog.

Chiisu trat zu ihr und half ihr zu ziehen. „Verdammt, was ist das?“, murmelte er verblüfft. Laci’ray knurrte. „Verdammt, das ist nicht schlecht.“ Sie sah zu Chiisu. „Dein kleiner Freund ist nicht übel. Was jetzt, großer Kenner der irdischen Mythologie?“

„Wir könnten den Finger abschneiden“, murmelte Chiisu und presste die Lippen zusammen. „Hast du eine bessere Methode?“, brummte Laci’ray. Es gab zwar genug Möglichkeiten, einen Finger zu ersetzen, was im Grunde eine Kleinigkeit war, aber das hier war nicht die ideale Lösung. „Es kribbelt stärker“, murmelte Laci’ray und sah auf ihre Hand, über die kleine Elmsfeuer tanzten.

„Ein Rätsel“, murmelte Chiisu plötzlich. „Das ist ein Rätsel.“ Er hob den Stock auf und drückte ihn gegen die Barriere. Kleine Feuer tanzten über die Spitze. „Es kribbelt.“ Laci’ray sah ihn überrascht an. „Es wird etwas weniger bei mir…“

Chiisu schmunzelte. „Gut. Wir brauchen mehr Stöcke.“ Jeder hatte zwei kleine Äste in der Hand und drückte sie in die Nähe von Laci’rays Finger. „Los, ziehen!“ Mit leisen Geräusch, das danach klang, als würde jemand seinen Finger aus feuchtem, zähen Schleim ziehen, löste sich ihr Finger. Sie betrachtete die leicht schwarze Fingerspitze und rieb mit dem Daumen darüber. „Danke“, murmelte sie und schielte zu Chiisu. „Woher wusstest du das?“

Er zuckte mit den Schultern. „Eine Eingebung.“

„Gehen wir rein. Offenbar sollen wir nicht raus“, beschied Nyrana und schmunzelte. Der kleine Dämpfer für Laci’ray war gar nicht so schlecht in ihren Augen. „Ich frage mich, wie hoch die Stromstärke wohl gegangen wäre“, murmelte Chiisu und sah noch einmal zur Barriere. „Derartige Felder können tödliche Energien abgeben“, erwiderte Ciantary und setzte sich, den Kopf auf einen Arm gestützt. „Das hier war ein ziviles Phasenfeld, das seine Stärke langsam erhöht. Aber der Saugeffekt ist ungewöhnlich…“

Laci’ray streckte sich. „Nun, zumindest ist es nicht langweilig. Was machen wir jetzt? Oder wollen wir Chiisu dagegenwerfen und schauen, ob es irgendwann gut riecht?“

Chiisu sah sie indigniert an, lächelte dann. „Nun, in Ermangelung an einem Bildschirm für ein paar schöne Trivideofilme und der Möglichkeit, Spazieren zu gehen, würde ich sagen, wir schauen uns noch ein wenig um und machen es uns vor dem Kamin gemütlich. Hier gibt es genug Bücher.“

„Du liest uns vor!“, beschied Ciantary und trat zu Chiisu, klammerte sich an seinen Arm. Bitte! Eine Gruselgeschichte!“

Nyrana lachte auf. „Eine wunderbare Idee. Also, was ist? Was hältst du davon?“ Chiisu lächelte amüsiert. „In Ordnung, das ist eine gute Idee. Gruselgeschichten vor dem Kamin mit Tee und Gebäck. Im Obergeschoss gibt es eine große Bibliothek, da findet sich bestimmt etwas.“

„Gut, geh nach oben, such was aus“, brummte Laci’ray und streckte sich. „Eine von uns schaut sich die Küche an und ob dort was halbwegs genießbares zu finden ist.“ Chiisu war beinahe bei der Treppe. „Wenn du ein Monster findest, schrei einfach. Wir nutzen das dann, um zu entkommen, während du gefressen wirst.“ Chiisu schnaubte. „Als ob du dir einen Kampf mit einem Monster entgehen lassen würdest.“

Nyrana schielte zu Laci’ray. „Da hat er recht.“

„Aber total“, murmelte Ciantary und ignorierte den bösen Blick von Laci’ray. „Ja, macht euch nur lustig. Wenn die Monster kommen, schlafe ich einfach weiter, wenn sie euch fressen“, murmelte diese beleidigt und zuckte mit den Katzenohren.

„Ciantary geht nach den Keksen schauen!“ Die blonde Felide sprang auf und verschwand in der Küche. Nyrana schielte zu Laci’ray. „Was ist los?“

„Hm?“, brummte diese und sah auf.

„Du wirkst irgendwie nachdenklich. Was ist, tut dein Finger weh?“

Laci’ray wedelte mit der Hand. „Ach was. Das war meine eigene Dummheit, das passiert mir nicht noch mal.“

„Sei froh, dass Chiisu netter ist als du. Du würdest ihm das die ganze Nacht unter die Nase reiben.“ Laci’ray sagte nichts dazu, sie wusste, dass Nyrana recht hatte. Nach ein paar Minuten kam Ciantary mit einem großen Teller mit Keksen wieder. „Die waren vakuumverpackt, sollten also genießbar sein“, bemerkte sie, nahm einen und schob ihn sich in den Mund. „Köftliff“, murmelte sie mit vollem Mund. Laci’ray erhob sich und nahm einen Keks, ging in Richtung Treppe.

„Was ist? Monsterkontrolle?“, spottete Nyrana und nahm sich ebenfalls einen. „Ich sage doch, du würdest ihn vermissen.“ Laci’ray knurrte leise. „Ach sei doch leise.“ Sie ging einige Schritte nach oben. „Hey Chiisu, noch alles dran, oder schon gefressen?“

„Am Leben, in einem Stück und fasziniert“, erklang es einen Moment später. Nyranas Ohren zuckten amüsiert auf. „Siehst du, er lebt noch. Du kannst ihn also weiterärgern.“ Sie trat neben Laci’ray. „Was ist so spannend, mein Süßer?“

Chiisu trat die Treppe herunter. „Die Bibliothek ist genial. Ich könnte hier Monate verbringen und könnte wohl nur einen Teil der Bücher lesen.“

„Zieh hier ein“, murmelte Laci’ray und kaute nachdenklich auf einem Keks. „Das klingt verlockend, aber nur, wenn Nyrana mitkommt“, erwiderte er lächelnd. „Das da oben sind bestimmt mehrere tausend Bücher mit jeweils mehreren hundert Seiten.“

Ciantary blickte auf. „Wirklich…?“

Chiisu hob eine Augenbraue. „Nun ja, sie haben buchstäblich alles der letzten paar Jahrhunderte, oder sogar Jahrtausende an Spuk- und Geistergeschichten. Ich habe ein paar berühmte Autoren gesehen.“

„Gut, dass will ich sehen“, bemerkte Nyrana, stand auf und ergriff Chiisus Hand. „Wenn hier jemand schon meine Bibliothek zuhause in den Schatten stellt, will ich wissen, was er darin zu bieten hat.“

Laci und Ciantary folgten den beiden und schließlich standen sie in der Bibliothek. Regal reihte sich an Regal, jedes war bis zum letzten Platz mit Büchern vollgestopft. „Beeindruckend“, gestand Nyrana und ging an dem Regal entlang. Eine Tür führte in einen zweiten Raum, der ebenfalls voller Regale stand. Eine Tür am anderen Ende war verschlossen. „Es stimmt nicht“, murmelte Ciantary unvermittelt. „Es stimmt nicht...“ Chiisu hob den Blick von dem Buch, in das er einen Blick geworfen hatte. „Was meinst du? Denkst du nicht, dass das hier Kopien sind? Wenn nicht, stehen wir gerade in einer Bibliothek, die unglaublich wertvoll ist.“

„Für jemanden, der auf Gruselgeschichten steht“, ätzte Laci’ray trocken und zog ein Buch aus dem Schrank. „Kindergeschichten…“, murmelte sie, blätterte darin und stellte es wieder zurück.

Chiisu warf einen Blick darauf. „Sag das nicht. Die Originalgeschichten von diesen beiden Autoren, die im übrigen Brüder waren, sind ziemlich blutig.“ Laci’ray zuckte mit den Ohren. „Oh tatsächlich?“

„Nein, der Raum. Er stimmt nicht“, flüsterte Ciantary, die ihn abgegangen war und dies nun wiederholte. Sie zählte offenbar Schritte.

„Ich kann dir nicht folgen“, bemerkte Chiisu und klappte das Buch zu. Er hatte allerdings mittlerweile gelernt, auf Ciantarys Ahnungen zu hören.

„Die Raumgröße stimmt nicht.“

Nyrana blickte sich um. „Sie hat Recht. Wenn wir die ungefähre Größe des Untergeschosses betrachten und diesen Raum…“

Ciantary nickte, schob eine Hand durch die Tür in den angrenzenden Raum. Vorsichtig trat sie ein, zumindest mit einem Bein. „Mh…“

„Eine Illusion“, ätzte Laci’ray nüchtern. „Das ist eine zweite Wand und der ganze Raum dort ist wahrscheinlich ein Hologramm. Du wirst sehen, der Raum geht nicht viel weiter. Das ist unterschwellige Psychologie, um ein Gefühl der Verwirrung zu erzeugen.“ Sie trat an Ciantary vorbei, den Arm ausgestreckt. „Hier ist gleich eine Wand und…“ Sie ging weiter, stand schließlich am anderen Ende des Raums. „Hm, seltsam…“

Chiisu trat an Ciantary vorbei, sah sich um. „Andere Bücher, soweit ich das sehen kann…“ Er zog eines heraus. „Moment, das hier kenne ich.“ Er schlug es auf. „Destora Ni Geska. Das ist Fedjora, eine Sprache der Fedara. Die Terranische Freie Union hat Handelsbeziehungen mit dieser Spezies, sie sind für ihre Bildhauerei, Malerei und Lieder bekannt, aber haben auch unzählige Epen verfasst. Ich war einmal in einem Theaterstück von einer davon. Vier Stunden lang. Es war imposant.“

„Toll und sie haben bis heute überlebt?“, brummte Laci’ray. In dieser Galaxie überlebten nur die Stärksten. Oder die, die sich zumindest wehren konnten.

„Dafür, dass sie nur etwa einen Meter groß und an pelzige, große Teddybären erinnern, sind sie erstaunlich wehrhaft, glaub mir. Außerdem sind es gute Diplomaten.“ Chiisu wog das Buch in der Hand. „Soweit ich mich erinnere, ist das hier ein Epos.“ Er schlug es auf, blätterte darin. „Offenbar eine Übersetzung…“

„Was mich mehr interessiert wäre, wie sie das mit dem Raum hinbekommen.“ Nyrana trat zu der Tür, die am Gegenüberliegenden Ende lag. Sie öffnete sie und spähte hinein. Ein weiterer Raum voller Bücher. „Also, das ist unmöglich, oder irre ich?“

Laci’ray trat an ihr vorbei, in den Raum hinein. Für einen Moment blieb sie stehen, blickte sich suchend um, hob eine Hand. „Sehr seltsam…“

Chiisu stellte das Buch zurück und blickte sie fragend an. „Was ist?“

„Für einen Moment dachte ich, die Schwerkraft wäre hier anders…“ Sie blinzelte und trat zu einem Fenster, spähte hinaus. „Das ist ungewöhnlich“, konstatierte sie und zuckte mit den Katzenohren.

Chiisu trat zu ihr, blickte auf die Reihen von Büchern und las die Titel. „Das sagt mir alles nichts…“

„Dann erklär mir doch das hier“, forderte Laci’ray ihn auf. Er trat neben sie und sah aus dem Fenster. „Was soll ich mir…“ Er beendete den Satz nicht, denn was sie meinte, war offensichtlich. Am Himmel waren zwei Sonnen zu sehen. „Ein Hologramm?“, brummte er verblüfft. Laci’ray spähte nach draußen. „Seht mal… diese Mauer… sie umschließt zwar das Grundstück, aber oben scheint es offen zu sein.“

Nyrana spähte ebenfalls hinaus. „Das ist ungewöhnlich. Die Erde hat keine zwei Sonnen. Das muss ein Hologramm sein.“

„Nicht zwangsläufig“, widersprach Ciantary und zog ein Buch aus dem Regal, blätterte darin. „Das hier ist Atarische Philosophie.“ Chiisu wandte sich ihr zu. „Was? Das sagt mir nichts.“ Ciantary zuckte mit den Katzenohren. „Eine Spezies, die ausgestorben ist. Sehr gute Mathematiker und auch Philosophen. Sie haben komplexe Rechensyteme mit Philosophischen Betrachtungsweisen im Hinterkopf entwickelt, um die Natur des Universums zu ergründen.“ Sie blätterte in dem Buch. „Das hier… ist das mathematische Theorem der Ewigen Gleichung.“ Sie zuckte aufgeregt mit den Ohren. „Eine Expedition der Shantai hat vor vielen Jahren auf einem Welt Artefakte und Aufzeichnungen gefunden. Sie waren über Hunderttausend Jahre alt. Mindestens.“

Chiisu rieb sich das Kinn. „Wie viele Räume es wohl noch gibt…“ Er öffnete die gegenüberliegende Tür und spähte hinein. „Eine weitere Bibliothek, inklusive Tür. Aber die Bücher sehen seltsam aus…“ Tatsächlich waren die Bücher, die in den Regalen lagen, um ein vielfaches Größer, als die anderen. Etwa einen Meter mal einen Meter und in ein dunkles, rotbraunes Leder gebunden. Es roch muffig und nach etwas undefinierbarem, dass an Alter und Verfall erinnerte.

Einer Eingebung folgend, trat Chiisu zum Fenster, zog die schwarzen Vorhänge zur Seite und spähte hinaus. Gewaltige, schwarze Berge waren zu sehen, deren Spitzen in eine fast undurchdringliche Wolkendecke verschwanden. Wenn die Hölle ein Bild gebraucht hätte, das hier kam ihr sehr nahe.

„Wir sollten zurückgehen“, murmelte Ciantary. Chiisu sah sie an. „Hast du eine Theorie?“ Die blonde Shantai wackelte mit den Ohren. „Ja, aber es ist nur schwer… vorstellbar.“

Nyrana nahm eines der Bücher unter den Arm. „Gehen wir zurück und essen etwas und dann überlegen wir, mit was wir es hier zu tun haben.“

Sie schritten durch die vorherigen Räume zurück, bis sie in der ursprünglichen Bibliothek standen. Chiisu öffnete die Tür zum Flur, zögerte kurz. Wer hatte sie geschlossen? Er ignorierte den Gedanken und sie gingen die Treppe hinunter und setzten sich.

„Was ist das? Ein besonders kluges Hologrammsystem?“ Nyrana sah zur Decke. „Wenn, dann ist es besser als alles, was ich kenne.“

Chiisu zuckte ratlos mit den Schultern. „Das gleiche gilt für mich. Ich wüsste nicht, wie man das simulieren sollte.“ Er sah zu Ciantary. „Du hast eine Idee?“

Die Shantai zögerte kurz. „Es ist keine Simulation.“

Laci’ray schnaubte. „Was denn sonst? Der Raum ist etwa zehn Meter lang. Wir sind durch fünf Räume gegangen. Das sind mindestens fünfzig Meter in eine Richtung. Wir haben uns das Haus von außen angesehen. Das passt nicht, oder bin ich plötzlich so schlecht in räumlicher Orientierung?“

„Die Räume befinden sich nicht am gleichen Ort“, erwiderte Ciantary schlicht und zog die Nase hoch. „Sie sind miteinander verbunden, aber nicht am gleichen Ort.“

„Das ergibt keinen Sinn“, erwiderte Laci’ray gedehnt. „Noch weniger, als sonst.“

„Du willst uns sagen, die Räume sind miteinander verbunden? Mit was? Einer Art Portal? Oder Materiebrücke?“

Ciantary wackelte zustimmend mit den Ohren. „Eine Nullraum-Materiebrücke. Es gibt Theorien darüber…“

„Du meinst, die Räume sind durch den Nullraum verbunden? Aber der hat doch auch eine räumliche Distanz, wenn auch eine andere als hier im normalen Universum“, widersprach Chiisu vorsichtig. Die Distanz von zwei Punkten im Normalraum war wesentlich kürzer im sogenannten Nullraum, oder auch Hyperraum, wie ihn die Menschen bezeichneten. Außerdem fiel im Nullraum die Lichtgeschwindigkeitsbarriere weg, oder wurde zumindest wesentlich verändert, was es ermöglichte, den Nullraum als Abkürzung zu verwenden.

„Das würde bedeuten, wenn wir deiner Theorie glauben, Ciantary, dass diese Räume an unterschiedlichen Orten, sogar anderen Planeten liegen, aber durch jene Nullraumbrücken miteinander verbunden sind. Brücken, die quasi in Nullzeit funktionieren. Das ist…“

„Eine technische Leistung, zu der kein Volk, welches in unserem Teil der Galaxis existiert, auch nur annähernd fähig ist“, vollendete Nyrana Chiisus Satz. Sie sah zu Laci’ray. „Was dein Gefühl mit der Gravitation erklären würde. Zu unserer Sicherheit lässt du die Fenster zu, verstanden?“

Laci’ray blinzelte. „Wieso sollte ich sie öffnen wollen?“

„Weil du genau das vorhattest. Du willst aus dem Fenster klettern, auf das Dach und einen Weg über die Barriere suchen. Was du allerdings vergisst ist die Tatsache, dass auf diesen anderen Welten eine völlig andere Atmosphäre herrschen könnte. Eine, die uns alle sofort umbringt.“

Laci’ray seufzte. „Gut, verstanden.“ Tatsächlich hatte sie genau diesen Plan bereits durchgerechnet. Aber Nyranas Einwand hatte etwas für sich.

„Setzen wir uns vor den Kamin und der liebe Chiisu liest uns etwas vor“, beschied Nyrana und reichte ihm das große Buch. „Das sollte genug Lesestoff sein, sonst holen wir etwas neues.“

Als sie vor dem Kamin saßen, schlug Chiisu das Buch auf. Mit der Hand strich er über die Seite. „Fühlt sich seltsam an…“

Er hob eine Augenbraue. „Aber wieso ist es in terranisch?“ Er sah in die Runde. „Wenn das von einem anderen Planeten kommt, warum ist es in einer Sprache, die ich verstehe?“ Nyrana kicherte leise. „Du bist süß, das ist kein terranisch, sondern unsere Sprache. Aber schön, wenn du sie so gut beherrschst, dass du…“ Sie hielt inne. „Bist du dir sicher?“

Chiisu starrte auf die Wörter. „Das ist ganz normales, wenn auch etwas altertümliches Englisch. Unsere Verkehrssprache. Ich dachte, deswegen hast du das hier gewählt, weil du den Titel gelesen hast und neugierig bist.“ Er starrte auf den Titel, der in tiefgoldenen Lettern eingeprägt war. Die Schatten des Todes aus der Welt der Dunkelheit.

Nyrana kratzte sich an einem Katzenohr. „Das ist… ungewöhnlich. Wieso können wir das beide in der Sprache lesen, mit der wir aufgewachsen sind?“ Ein Holographisches Interface?“ Chiisu starrte auf die Seiten. „Ich sehe nichts dergleichen. Wenn, dann ist es perfekt integriert.“ Er blinzelte, sah zur Decke. „Oder im Raum versteckt.“

„Schön, jemand übersetzt für uns. Ist das so wichtig?“, brummte Laci’ray gelangweilt. „Also, was ist das für ein Buch? Der Titel ist nicht schlecht.“

Er sah zu Ciantary. „Kannst du das hier lesen?“ Ciantary blinzelte ihn fragend an. „Was meinst du?“

„Das ganze Buch. Eine Zusammenfassung. Ich weiß, dass du schnell lesen kannst.“ Ciantary blickte etwas unsicher. „Ja… das wäre wohl möglich…“ Er reichte es ihr. „Bitte, tu uns den Gefallen.“

Ciantary nahm das große Buch entgegen und begann, es zu lesen. Nach ein paar Minuten war sie in einer Art Trance und begann, die Seiten nach nicht einmal zehn Sekunden umzublättern.

Chiisu erhob sich. „Ich hole noch etwas Tee und ein paar Kekse.“ Er ging in Richtung Küche. Einen Moment später stand Nyrana hinter ihm. „Was ist? An was denkst du?“ Er wandte sich halb um, schenkte ihr ein halb ertapptes Lächeln. „Eine dämliche Theorie, nichts weiter. Ich will Laci keine Möglichkeit geben, sich über mich lustig zu machen. Nicht noch mehr.“ Nyrana sah ihn ernst an. „Mein Süßer, was ist los? Ich glaube, es ist wichtig.“ Er sah der Shantai ins Gesicht und strich ihr über die Wange. „Nur ein Gedanke, meine liebe Nyrana. Ich habe einige der Bücher im ersten Raum erkannt. Alles handelt um das Leben nach dem Tod, um Gespenster, Geister, andere Existenzformen. Um das Grauen, das dort lauert. Über Himmel und Hölle, tausende Jahre von menschlicher Angst vor dem Unbekannten, das dort lauert.“ Er seufzte. „Im nächsten Raum war es nicht viel anders. Soweit ich die Titel verstehen und interpretieren konnte.“

„Also, du sagst mir, jemand hat eine Sammlung aller möglichen Gruselgeschichten hier zusammengetragen? Von verschiedensten Planeten? Das ist beeindruckend, aber…“ Chiisu schüttelte den Kopf. „Da ist etwas, was mich stört…“ Er zuckte mit den Schultern. „Und was?“

„Ich weiß es nicht, um ehrlich zu sein. Die Frage, die mich quält ist die Intention dahinter. Warum sammelt jemand so etwas?“

„Er liest vielleicht gerne?“, bemerkte Nyrana und öffnete eine neue Tüte Kekse und verteilte sie auf dem Teller.

„Vielleicht…“, seufzte Chiisu und goss heißes Wasser in die Teekanne und warf das Teesieb mit Teeblättern hinterher. „Aber das ist keine Erklärung, die mich befriedigt.“

Nyrana trat näher. „Oh, was das angeht, finden wir bestimmt eine Lösung“, flüsterte sie verschwörerisch und zwinkerte ihm zu.



Als sie zurück ins Wohnzimmer kamen, saß Ciantary im Schneidersitz in ihrem Sessel und klappte das Buch zu. „Fertig.“

„Und?“, fragte Chiisu und stellte das Tablett auf den Tisch.

„Tod und alle möglichen Versuche, ihn zu überlisten. Mit Magie, Hexerei, Maschinen und allen möglichen Listen.“ Ciantary zuckte mit den Ohren. „Nichts davon hat funktioniert. Die Helden sind schlussendlich alle gescheitert und haben die unausweichlichkeit akzeptiert.“

„Kein Happyend?“, fragte Chiisu. Ciantary schüttelte den Kopf. „Nein.“

Sie besorgten weitere Bücher aus den fünf Räumen und Ciantary las sie quer, fasste den Inhalt zusammen. Seltsamerweise war ein Muster zu erkennen. Selbst die irdischen Varianten zeugten von einem Düsteren Ende, von einer gewissen Morbiden Fantasie. Chiisu las schließlich doch mehrere Geschichten vor und klappte irgendwann das Buch zu, als er geendet hatte. „Ich bin müde“, bemerkte er gähnend. Nyrana hatte ihren Kopf auf seine Schulter gelegt. „Dann gehen wir ins Bett. Oder was meint ihr?“

„Von mir aus“, erwiderte Laci’ray und erhob sich. „Wer nimmt welches Schlafzimmer?“ Chiisu sah sie nachdenklich an. „Ich weiß nicht, ob wir uns trennen sollten…“ Ciantary zuckte mit den Ohren. „Ciantary will nicht alleine schlafen…“ Nyrana sah sie an. „Das halte ich auch für keine gute Idee. Wir schlafen in einem Raum.“

Laci’ray brummte. „Toll, dann darf ich sein Schnarchen wieder ertragen.“

Chiisu erhob sich und klappte das Buch zu. „Keine Sorge, ich habe so das Gefühl, dass wir nicht wirklich zum Schlafen kommen.“

Laci’ray grinste und entblößte spitze Eckzähne. „Wunderbar, dass wollte ich hören, Äffchen.“

Es war nicht sonderlich schwer, die Matratzen von zwei Betten in einen anderen Raum zu bringen. Als sie darauf lagen, starrte Chiisu eine Weile an die Decke. „Eigentlich ist es schade, zu schlafen…“ Er erhob sich und sah sich um. „Seid ihr noch wach?“ Tatsächlich waren die drei Frauen ziemlich schnell eingeschlafen. Vorsichtig berührte er Nyrana an der Schulter. „Süße?“

Sie murmelte leise im Schlaf. Chiisu erhob sich und öffnete leise die Tür. Ich kann hier unmöglich schlafen, wenn dort ein Wissenschaftlicher Schatz wartet, der seinesgleichen sucht…

Nyrana schlug blinzelt die Augen auf. Sie war müde und für einen Moment versuchte sie, sich zu orientieren. Das Spukhaus, dachte sie und rieb sich die Augen. „Chiisu…?“ Als sie neben sich blickte, sah sie, dass das Bett leer war. Sie erhob sich und schlich zur Tür, lauschte. Nichts. Irgendwas in ihr flüsterte, dass etwas nicht stimmte. Irgendwas übersah sie. Die Frage war, was.

„Götter, was ist los?“, brummte Laci’ray und setzte sich auf. Sie rieb sich die Augen. „Was ist? Haben wir jetzt doch Sex? Wieso bin ich so müde…?“

„Irgendwas stimmt nicht. Chiisu ist nicht da“, erwiderte Nyrana flüsternd. Laci’ray brummte. „Toll. Wo ist er? Auf der Toilette? Deswegen schlafe ich so gut, sein Schnarchen fehlt.“

Nyrana schlüpfte in ihre Kleidung. „Nein, hier stimmt was nicht. Ich gehe ihn suchen.“ Laci’ray seufzte. „Denkst du, er bleibt auf einem anderen Planeten zurück?“

„Das ist nicht witzig“, knurrte Nyrana. „Das wäre sogar möglich, oder?“

„Ja, theoretisch schon“, murmelte Ciantary und setzte sich auf. Sie blinzelte plötzlich und erhob sich. „Zeitdilatation…“

„Was?“, brummte Laci’ray und öffnete die Tür, spähte hinaus. „Keine Monster. Schade.“

Nyrana folgte ihr. „Komm, wir suchen Chiisu. Dann kannst du uns das erklären.“ Ciantary wollte etwas sagen, doch Nyrana war bereits durch die Tür und ging in Richtung Bibliothek. Sie öffnete die Tür und trat ein. „Chiisu?“

Keine Antwort. Alles, was auf einen Besucher hinwies, war ein Stuhl, die Lampe an dem kleinen Lesepult, die brannte sowie ein aufgeschlagenes Buch.

Die Tür zum angrenzenden Raum war ebenfalls offen. „Er ist im anderen Raum“, bemerkte Laci’ray. „Gehen wir.“



Sie durchquerten Raum um Raum, bis sie im fünften waren. Auch hier war die Tür in den angrenzenden Raum offen. Chiisu hatte sie offenkundig geöffnet. „Verdammt, ist er taub geworden?“, brummte Nyrana erbost. Sie trat durch die Tür und stand erneut in einer Bibliothek. Auch hier war die Tür offen. Sie ging weiter und weiter. Plötzlich stand sie in einer Bibliothek, die älter wirkte, als die anderen. Die Regale zeigten Zeichen von immensem Alter, die Bücher darauf waren von Spinnweben und Staub bedeckt.

Zu ihrer Erleichterung sah sie Chiisu, der an einem Tisch saß und vorsichtig wie ein Archäologe ein Buch umblätterte.

„Sind dir die Ohren abgefallen?“, brummte sie ärgerlich und trat zu ihm. Chiisu hob den Kopf und sah sie an. „Was? Oh, habe ich dich geweckt? Das tut mir leid.“ Er sah sie entschuldigend an. „Ich war leise, dachte ich zumindest. Ich vergesse manchmal, wie gut diese süßen Ohren an deinem Kopf sind.“

„Schmeichler. Ich habe dich gerufen. In jedem verdammten Raum.“ Sie sah sich um. „Wenn du das hier putzen musst, sehen wir uns erst in ein paar Wochen wieder.“

Chiisu zuckte mit den Schultern. „Und wenn schon. Das würde ich glatt in kauf nehmen.“ Nyrana blinzelte überrascht. „Ach, sind wir jetzt bei dem Punkt, wo ich den Herrn langweile?“ Sie trat näher, ein schiefes Grinsen auf dem Gesicht. Chiisu erhob sich und legte seine Arme um sie. „Dafür hat das Universum nicht genug Zeit übrig, bevor es den Hitzetod stirbt, meine Süße.“ Er drückte sie an sich. „Das hier… sind Bücher, die so alt sind, wenn ich dem Inhalt glauben schenken darf, dass sie…“ Er fröstelte. „Ich rede hier nicht von jahrtausenden, auch nicht von Jahrhunderttausenden. Nicht einmal Millionen von Jahren. Das hier sind Bücher aus den Anfängen unseres Universums. Aus einer Zeit, in der die Sonne deiner Heimat und die meiner noch nicht einmal existiert haben!“

Nyrana blickte an ihm vorbei auf das Buch.

„Zivilisationen, die so uralt sind, dass tausende und abertausende Weitere zwischen ihrem Ende und unserem Entstehen entstanden und wieder vergangen sind! Sie haben Geheimnisse entschlüsselt, von denen wir nicht einmal eine Ahnung haben, dass sie überhaupt existieren! Sie haben Antworten gefunden, deren Fragen wir noch nicht einmal kennen, weil wir nicht hoch genug entwickelt sind.“

Nyrana sah ihm in die Augen. „Das ist wunderbar. Aber langsam glaube ich, dass es hier einen Haken gibt, mein Süßer.“

„Was meinst du?“, fragte er verwirrt, blickte dann wieder auf das Buch. „Das hier handelt über die Entstehung einer Spezies von Wesen, die sich als Quantenträumer bezeichnen. Sie leben außerhalb unseres Raumzeitverständnisses, soweit ich das verstehe…“

„Ja, das ist interessant, aber…“

„Nein, du verstehst nicht, meine Süße. Hier warten die Geheimnisse des Universums! Ich habe vorhin einen Text gelesen, der auf ein Buch hinweist, in dem erklärt wird, wie man eine sterbende Sonne neu entzündet! Es gibt hier Pläne über die Verlängerung von Leben auf Jahrtausende und Aberjahrtausende! Es ist offenbar total einfach. Es hat was mit der Quantenveränderung von Ta-Strings zu tun. Ta Strings - wir haben nicht mal eine Entsprechung dafür. Es sind… Quantenzustände, oder so etwas, glaube ich…“ Chiisu stammelte und Nyrana sah ihn verständnislos an.

Plötzlich trat jemand durch die Tür. „Verdammt, habt ihr hier Sex und ignoriert mich, oder was? Oder seid ihr nur taub geworden?“ Nyrana wandte sich um. „Was ist? Ich habe nichts gehört.“

Laci’ray seufzte. „Taub. In Ordnung, wir lassen deine Ohren untersuchen. Wir müssen los, die Zeit läuft bald ab. Wir frühstücken noch etwas, dann gehen wir. Das war wesentlich einfacher, als gedacht. Nicht mal irgendein Monster…“

„Was?“ Chiisu fuhr aus dem Sessel hoch. „Das ist unmöglich, wir haben noch einen halben Tag, mindestens!“

Laci’ray zuckte mit den Ohren. „Nein, haben wir nicht. Als ich gerade zurück bin, um etwas zu überprüfen, habe ich gesehen, dass die Sonne am Himmel stand.“

„Auf welchem Planeten“, erwiderte Nyrana amüsiert. „Komm, wir gehen zurück, sonst dreht Laci noch durch.“

Chiisu schüttelte den Kopf. „Schaut nach, am besten auf der Uhr im Wohnzimmer. Sagt mir dann bescheid. Ich muss das hier noch zu ende lesen.“

Nyrana seufzte und nickte. „Gut, ein paar Minuten noch. Gehen wir.“



Als sie im Wohnzimmer stand, fröstelte sie plötzlich. Ihr Blick fiel auf die große Standuhr. 15. Uhr. Das ist doch unmöglich. „Wie zur Hölle, als wir aus dem Schlafzimmer sind, war es noch mitten in der Nacht, die Uhr geht falsch!“

Ciantary blickte zur Uhr, dann zur Treppe. „Oh nein…“ Sie wandte sich um und rannte die Treppe hoch. Nyrana und Laci’ray wechselten einen kurzen Blick, dann folgten sie ihr. Wenn Ciantary so rannte, stimmte etwas nicht. Das letzte mal, als sie das getan hatte, hatte sie mit einer Fusionsbatterie jongliert, die exakt zehn Sekunden nach dem Notauswurf aus dem Schiff explodiert war.

„Wenn sie das Tempo beim Training durchhält, werde ich sie nie wieder anschreien“, murmelte Laci’ray. Als Ciantary durch die offene Tür in die nächste Bibliothek stürmte, hielt Laci’ray verdutzt inne. Ciantary war einfach vor ihren Augen verschwunden!

Sie warf Nyrana einen fragenden Blick zu, doch diese stürmte bereits weiter. „Götter, was wisst ihr, was ich nicht weiß?“, brummte Laci’ray und folgte ihrer Freundin. Sie erhaschten kurze Blicke auf Ciantary, die durch die Türen stürmte und dann verschwand.

Als sie alle im letzten Raum standen, keuchte Ciantary. Sie deutete auf eine Tür. „Da… muss er sein.“ Nyrana blickte auf das aufgeschlagene Buch, dann auf die Tür. Sie wusste, dass schreien keinen Sinn hatte. „Gehen wir.“

„Bist du sicher?“, fragte Laci’ray leise. Nyrana wandte sich um. „Ja, das bin ich. Ich gehe dahin, wohin er geht.“

Laci’ray grinste. „Schön. Dann nach mir.“ Sie trat vor und schritt durch die Tür. Unvermittelt stand sie in völliger Dunkelheit. Oder beinahe völliger Dunkelheit. Eine einzige Kerzenflamme erhellte das völlige Nichts. In jenem Licht waren die Umrisse eines Körpers zu sehen. Chiisu.

Nyrana prallte fast gegen Laci’ray, doch auch sie erkannte die Gestalt im letzten Moment. Sie trat in den Raum hinein. Der Boden fühlte sich seltsam an, doch sie ignorierte es. „Chiisu?“

Er hob den Blick. „Das ist der letzte Raum. Die Geheimnisse der Existenz…“ Er starrte auf das Buch, dass vor ihm lag. Es war noch verschlossen.

„Das ist das einzige Buch hier.“

„Was ist das hier?“, flüsterte Nyrana. Chiisu strich mit der Hand über den Einband, schlug das Buch auf. Er las einige Zeilen. „Der Anfang von allem. Oder auch das Ende…?“ Es war ein Flüstern. „Die ultimativen Antworten…“

Nyrana legte ihm die Hände auf die Schultern. „Mein Liebster, wir müssen gehen. Die Zeit verstreicht schneller hier drin, das ist die einzige Möglichkeit.“

„Das liegt daran, dass die Räume nicht nur im Raum, sondern auch in der Zeit verstreut liegen“, sprach Ciantarys Stimme plötzlich.

Das Geräusch eines Streichholzes, dass angerissen wurde, erklang.

Nyrana fuhr herum und erblickte das Gesicht des älteren Mannes. „Richtig geraten. Sehr gut, junge Dame. Ich bin beeindruckt. Ihr Shantai seid ein Novum in diesem Teil der Galaxis. Eure Entwicklungsstufe entspricht nicht eurer geistigen Entwicklung… Die Devnasi hätten ihre Freude an euch. Oder würden sie haben? Gehabt haben würden?“ Er lächelte gequält. „Ich bringe das immer durcheinander.“

„Wer sind Sie?“, fragte Nyrana und ihre Stimme klang verärgert. Der ältere Mann lächelte im Schein des Streichholzes. „Ich? Oh das ist unwichtig. Die Frage sollte anders lauten, junge Dame.“

„Er will Chiisu“, flüsterte Ciantary. Der Mann wandte sich um, musterte Ciantary. „Noch so ein Anachronismus. Du entstammt einer völlig anderen Entwicklungsstufe, die die Shantai noch lange nicht erreicht haben dürften.“ Er musterte Ciantary. „Oh, du bist beschädigt. Ein Protoexemplar also. Sehr interessant…“

„Was soll das heißen, Sie wollen Chiisu?“, fauchte Nyrana.

Der Mann räusperte sich. „Wie sie bereits bemerkt haben, vergeht die Zeit hier anders. Das hat… physikalische Gründe, deren Erklärung wahrscheinlich sehr, sehr lange dauern würde…“ Er lächelte entschuldigend. „Und ich glaube nicht, dass sie sie verstehen würden. Entschuldigung.“

„Können ja mal testen, wie viel Schläge so ein dummes Exemplar wie ich ihnen verpassen kann“, brummte Laci’ray. Der Mann lachte jedoch, hob die Hände. „Oh, bitte nicht. Ich ergebe mich.“ Er lachte großväterlich. „Sie können jederzeit gehen. Die Zeit ist…“ Er zog seine Taschenuhr aus der Hosentasche. „Sie haben noch genug Zeit. Wenn sie ein wenig zügig gehen, natürlich.“ Er blickte zu Chiisu. „Die Frage, die wichtigste Frage allerdings ist, ob sie das möchten.“

Chiisu starrte auf das Buch, als würde jede Sekunde, die er mit sprechen verbrachte, ihn von den Geheimnissen des Universums abhalten. „Wie lange?“, murmelte er.

Der alte Mann sah ihn an. „Bitte?“

„Wie lange geht ihre Schicht?“, fragte er und blätterte um. „Wenn ich bleibe, meine ich. Das war doch die Wette. Wenn ich verliere, soll ich ihnen helfen, nicht wahr?“

Der Mann nickte geflissentlich. „Richtig. Das ist die Wette.“ Er kratzte sich am Kinn. „Mal sehen, drei im Sinn, fünf abgezogen…“ Er murmelte vor sich hin.

„Hören Sie auf, Zeit zu schinden“, knurrte Nyrana erbost. Ein Lachen antwortete. „Ertappt. Nicht lange. Maximal… 300 ihrer Jahre, junger Mann.“

„Vergessen Sie es, so lange lebt ein Äffchen nicht. Das da erst recht nicht…“, zischte Laci’ray amüsiert.

„Oh, für den jungen Mann hier vergeht nicht sehr viel Zeit. Ein paar Tage wahrscheinlich. Es muss einiges sauber gemacht werden, ein paar Kenorr haben eine der anderen Bibliotheken verwüstet, weil sie die Antwort auf die Frage, wie man eine Supernova aufhält, nicht gefunden haben.“ Er schüttelte den Kopf. „Seitentüren. Sie werden fast immer übersehen.“ Er räusperte sich. „Die Kenorr. Ein gewaltiger Intellekt, telepathisch begabt, fähig zu subatomarer Manipulation ihres Körpers… und so eine geringe Toleranzschwelle gegenüber Frustrationen…“

Chiisu sah auf. „Dreihundert Jahre…?“

„Ich hinterlasse dir gerne eine Notiz, in der ich dir detailliert sage, was ich von dieser Idee halte, Äffchen“, brummte Laci’ray. „Kannst sie ja dann später lesen!“

„Das mag lang sein, aber überlegen Sie, junger Mann! Die Geheimnisse, die sie erfahren könnten! Die Einblicke! Sie könnten das Problem der Kenorr noch vor dem Mittagessen lösen! Dreihundert Jahre… das ist doch praktisch keine Zeit! Das ist ein Wimpernschlag in der Geschichte! Im Übrigen eine äußerst interessante Epoche in der Geschichte ihrer Spezies, glaube ich. Ich habe einmal mit den Noffaken gesprochen. Sie können in die Zukunft sehen und kartografieren die Entwicklung tausender Galaxien. Nicht immer genau, zugegeben, aber doch nahe dran! Sehr nette Wesen, für übergroße Pflanzenwesen. Erinnern mich irgendwie an Sonnenblumen der Erde. Dieses Gelb…“

Nyrana trat zu Chiisu und berührte mit beiden Händen seine Wangen. „Hör mir zu, mein Süßer. Einen Moment nur, ja?“ Chiisu sah sie an und blinzelte müde.

„Es ist deine Entscheidung. Aber wenn du hier bleist, sehen wir uns wohl nie wieder…“ Sie sog scharf Luft ein. „Ich kann nur erahnen, was das hier für dich bedeutet. Aber du musst alle Möglichkeiten genau durchdenken. Dieses Angebot, so verlockend es ist, hat seinen Preis. Bist du bereit, ihn zu bezahlen?“

„Das ist deine Möglichkeit, mir zu entkommen, Äffchen. Hierher kann nicht mal ich dir folgen“, beschied Laci’ray nüchtern und trat näher. „Was auch immer das hier ist…“ Sie sah sich um. „Dunkel. Kalt… nicht gerade gemütlich.“

„Chiisu…“ Ciantary trat vor und damit in den Lichtschein des Streichholzes, dass seltsamerweise weiter und weiter brannte, ohne zu verlöschen. „Protogalaxis“, bemerkte der Mann leise und schwenkte das Streichholz.

„Ciantary würde dich vermissen. Sehr sogar… du bist… Ciantarys bester Freund… bitte geh nicht…“ Sie ballte ihre Fäuste und die blonden Zöpfe bebten, als sie sich zusammenkrümmte. Chiisu hob den Blick, sah in Nyranas grüne Katzenaugen, blickte dann zu Laci’ray, zu Ciantary und zuletzt zu dem Buch. Seine Hand wanderte zu dem Buch. „Chiisu…“, flüsterte Nyrana und eine Träne rann über ihre Wange. Chiisu sah ihr nach, wie sie plötzlich zu schweben begann und sich tausendfach teilte. Er blickte zu dem Mann, der auf seine Uhr starrte. „Die Zeit ist so gut wie um. Wie entscheiden Sie sich, junger Mann?“

Chiisu stand auf und schlug das Buch mit einem Ruck zu. „Ein weiser Mann meiner Welt hat einmal eine einfache Frage gestellt…“

„Wir haben die Antwort hier. Mit Sicherheit“, erwiderte der Mann mit voller Überzeugung. Chiisu lächelte. „Die Frage lautete: Verstehen Sie?“ Die Antwort auf diese Frage war noch einfacher. Sie lautete „Nein.“ Wissen Sie, was der weise Mann daraufhin gesagt hat? „Sehr gut, das ist ein Anfang. Es gibt Hoffnung.“

Chiisu nahm Nyranas Hand und drückte sie. „Gehen wir. Ich könnte was zu Essen vertragen, ihr nicht?“

Das Streichholz erlosch. Irgendwo rumpelte es und der Raum begann zu zittern. „Los, raus hier!“, zischte Nyrana. Sie rannten. Sie rannten durch die Räume. Irgendwann fühlte sich Chiisu von Nyrana und Laci’ray mitgerissen.



Als sie vor dem Haus standen, erwartete sie der ältere Herr bereits. Wie auch immer er an ihnen vorbeigekommen war.

„Bedauerlich. Sie wissen hoffentlich, dass dies eine einmalige Chance war?“

Chiisu sah ihn an. „Wer weiß. Aber offensichtlich haben wir gewonnen. Es ging nie darum, Angst zu haben, oder?“

Der Mann lächelte. „Angst ist ein Wort, dass viele Dinge beschreibt. Es ist die menschliche Sprache, die zu unvollkommen ist, es richtig auszudrücken.“

„Ich hatte Angst“, flüsterte Nyrana und klammerte sich an Chiisus Arm. Sie sah ihn an. „Angst, dass du dich entscheidest, zu bleiben.“

Ciantary trat vor. „Ja… Ciantary hatte auch Angst…“

Laci’ray seufzte. „Angst…? Ich würde sagen, das Gefühl, dass mir etwas fehlen könnte…“ Sie schielte zu Chiisu. „Ich hab mich an dein Gesicht gewöhnt, in Ordnung? Wer weiß, wen Nyrana als Ersatz anschleppen würde. Das nächste Mal lässt sie mich nicht mitreden, wetten das?“

„Wir haben gewonnen, also was ist mit dem Preis?“, fragte Nyrana plötzlich. Der Mann zuckte mit den Schultern. „Sicher. Die Frage von Interesse. Bitte sehr.“ Er stützte sich auf den Gehstock. „Beliebt in so einem Fall ist Was ist der Sinn des Lebens? oder auch Was ist das Geheimnis der Unsterblichkeit? Sie würden sich wundern, wie banal die Antwort ist.“ Er lächelte verschmitzt. „Ich könnte Ihnen auch verraten, wo sie Artefakte von Wert finden. Für sie natürlich, nicht für mich. Sie könnten damit die Galaxie beherrschen. Und die nächste auch noch.“

„Sie lenken ab“, beschied Nyrana schlicht. „Das sind alles Fragen von Interesse, aber es gibt wesentlich interessantere Dinge.“

Der Mann nickte. „Sicher, sicher. Das ist immer eine Frage des Standpunkts. Ich kannte mal einen Mann, zumindest glaube ich, dass es ein Mann war, der wollte wissen, ob er in die Geschichte eingehen würde… Soll ich ihnen verraten, was passiert ist, als ich das verneint habe?“

Chiisu lächelte plötzlich. „Ich weiß eine Frage. Warum ich? Warum bieten Sie ausgerechnet mir so eine Gelegenheit an? Warum bin ich so wichtig?“

Das Lächeln des Mannes gefror, er presste die Lippen zusammen. „Weil Sie ein winziges, wie ungleich wichtiges Rädchen im Universum sind. Eines, dass verbindet. Eines dass den Lauf dieser Galaxis und darüber hinaus mitlenkt. Nicht persönlich, aber Sie sind der Anfang!“ Er trat näher und blickte auf Chiisu herunter. Mit einem Mal wirkte er absolut nicht mehr alt und gebrechlich. „Sehr mächtige Persönlichkeiten haben sehr viel geopfert um dies hier in Bewegung zu bringen. Es ist bedauerlich, dass das offenbar umsonst war.“

„Ich schätze nicht, dass Sie mir sagen, wer diese Persönlichkeiten sind und warum sie das getan haben, oder?“

Der Mann schüttelte den Kopf. „Eine Frage. Eine einzige. Die haben Sie verbraucht, tut mir leid.“

Er wandte sich um und ging auf die Haustür zu. „Aber eine Sache kann ich Ihnen prophezeien, junger Mann, genau wie Ihnen, junge Dame. Sie werden noch von mir hören. Oder besser, Ihre Urenkel werden es. In etwa 70 Jahren auf einem Planeten in am Rande dieser kleinen, beschaulichen Galaxie in einem Sonnensystem mit vier künstlichen Sonnen. Dann werden wir dieses Spiel erneut spielen. Vielleicht sind zumindest Ihre Urenkel nicht ganz so stur und ich kann meinen Auftrag doch noch erfüllen.“

Er hob eine Hand, lüftete seinen Zylinder. „Einen schönen Tag, danke für diese Erfahrung. Gehaben Sie sich alle wohl, meine Damen, mein Herr.“

Mit diesen Worten trat er durch die Tür und diese fiel ins Schloss. Laci’ray starrte ihm nach. „Was war das denn?“, murmelte sie.

„Ein Angebot des Teufels“, murmelte Chiisu und rieb sich die Augen. „Der Preis war beinahe meine Seele und die Zukunft der Galaxie, wie es scheint.“

Nyrana umarmte ihn und drückte ihre Lippen auf seine. Sie blickte in seine Augen. „Ich bin glücklich, dass du hier bleibst. Bei mir. Ich liebe dich.“

„Du hast den Mann gehört, es stehen noch wichtige Aufgaben vor uns“, erwiderte er und küsste sie erneut. „Du bist wichtiger, als alle Fragen des Universums, meine Süße.“

„Er hat auch gesagt, du bist unwichtig, Äffchen“, brummte Laci’ray und stieß mit dem Fuß gegen die Tür, die aufschwang. Sie starrte in den Raum, der völlig leer gefegt war. Die Wände waren kahl, die Möbel fehlten. Die Magie war verschwunden.

„Er hat auch gesagt, dass wir uns wiedersehen. Oder besser, unsere Urenkel…“, murmelte Chiisu plötzlich.

Unsere?, wiederholte Nyrana und lächelte verschmitzt.

„Er hat uns beide gemeint“, flüsterte Chiisu und küsste sie abermals.

Laci’ray seufzte laut und eindringlich. „Alles klar, er hat irgendwie doch noch gewonnen. Dieser Gedanke, dass ihr zwei Kinder bekommt und das in meiner Lebenszeit, der macht mir wirklich Angst.“

Geschichte 2

Wie jeden Morgen war das Erste, was er nach dem Aufwachen tat, ans Fenster zu treten und hinauszusehen. Und wie jeden Morgen in den vergangenen Tagen, Wochen und Monaten bot sich ihm der gleiche Anblick: Die große Eiche, die in seinem Garten stand, war genauso kahl und grau wie all die anderen Bäume, die er von seinem Fenster aus sehen konnte.

„Und?", kam es verschlafen aus Richtung Bett.

Er zuckte nur mit den Achseln, auch wenn seine Freundin dies beim Dämmerlicht, das in ihrem Schlafzimmer herrschte, kaum sehen konnte. Jegliches Wort war zu viel, konnte er sich sparen, denn es hatte sich nichts draußen verändert, zumindest nicht zum Positiven. Das Gras war abgestorben, die Büsche und Hecken tot, genauso wie alle anderen Pflanzen hier, in der ganzen Stadt, in allen anderen Ländern, überall auf dem Planeten. Und dies bereits seit fast einem Jahr.

Er konnte sich noch gut erinnern, wie sie zuerst dachten, dass sich der Frühling in diesem Jahr spät einstellen würde. Doch als auch nach Wochen noch keinerlei Regung in der Natur zu sehen war, keinerlei Grün sich an Bäumen und Sträuchern zeigte, wussten sie alle, dass etwas passiert war, etwas Unbegreifliches, etwas so Einschneidendes, das ihr Leben grundlegend verändern würde, auch wenn sie die Folgen für sich, für alles Leben auf dem Planeten, für jeden Einzelnen zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht absehen und begreifen konnten.

„Also nichts ...", seufzte seine Freundin vom Bett aus und sie drehte sich um, weg vom Fenster, die Decke über sich ziehend.

Auch wenn er schon seit Wochen wusste und langsam zu akzeptieren begann, dass ihr aller Ende nahte, hatte sie bis vorgestern noch unbeirrbar an ihrer positiven Einstellung festgehalten. Immer wieder hatte sie erklärt, dass die Wissenschaftler die Ursache finden und rechtzeitig beheben würden. Dass die Natur sich durchsetzen und die Bäume und Pflanzen sich erholen würden. Doch inzwischen war auch in ihr ein Wandel eingetreten. Sie hörte sich zwar immer noch so viele Sendungen zu dem Thema wie möglich an, saß stundenlang am Computer und verfolgte die Nachrichten und Diskussionen auf den verschiedensten Seiten. Doch es ging eine nicht zu übersehene Wandlung in ihr vor. Ihr Lächeln wurde weniger, ihre Miene starrer. Sie lag früh länger im Bett, brauchte viel Zeit, um aufzustehen und nachts saß sie fast wie apathisch in ihrem Sessel, kam daraus kaum mehr hoch und wollte nicht ins Bett. Und er vermochte nichts, aber auch gar nichts dagegen zu unternehmen, denn es gab nichts, was er ihr Tröstendes sagen konnte, denn inzwischen war klar und offiziell bestätigt, dass sie alle sterben würden.

Das Ausbleiben des Wechsels der Jahreszeiten, vom Winter hin zum Frühling, war in vielen Ländern in den gemäßigten Breiten der Nordhalbkugel das erste Zeichen, in vielen anderen Ländern war es das plötzliche Absterben der Pflanzen, das Welken und Verdorren, ohne dass es einen erkennbaren Grund dafür gegeben hätte. Die Wissenschaftler überall auf der Welt standen vor einem Rätsel, Untersuchungen wurden mit Hochdruck initiiert, Geld spielte keine Rolle und doch hatte all dies nichts ergeben, sie hatten die Ursache für das Sterben der Pflanzenwelt nicht finden können. Theorien gab es viele, sogar absurde wie Magie und Zauberei, oder die Bestrafung durch eine höhere Macht, die die Menschheit für ihre Vergehen büßen lassen wollte. Doch keine konnte bewiesen werden und alle Versuche, die Pflanzen vor dem Sterben zu retten, neue Pflanzen zu säen und zum Leben zu bringen, waren gescheitert.

Und so hatte die unerbittliche Todesspirale begonnen, denn ohne Pflanzen gab es für viele Lebewesen keine ausreichende Nahrung und es gab keinen ausreichenden Nachschub an Sauerstoff. Zuerst verendeten die Tiere in der freien Wildbahn, später die gezüchteten und von Menschen versorgten Tiere. Die Luftqualität wurde immer schlechter, Krankheiten griffen um sich und alte, kränkliche Menschen starben zuerst, genauso wie die Kinder. Die pflanzlichen Nahrungsreserven wurden schnell aufgebraucht und führten zu Kämpfen nicht nur innerhalb der Bevölkerung, sondern auch zwischen den Regierungen der einzelnen Länder. Anstelle sich zusammenzutun, um gemeinsam gegen die Krise vorzugehen, taten die Regierungschefs alles, ihre eigenen Leute versorgt zu wissen und das bedeutete nicht immer, dass sie sich um die Bevölkerung Gedanken machten, sondern um ihre eigene Familie, um die, die ihnen wirklich nahestanden. Eine Folge waren immer stärker werdende Ausschreitungen, Kriege, Mord und Totschlag. Als wenn das Schicksal der Menschheit nicht schon durch das Sterben der Pflanzen besiegelt gewesen wäre, hatte die Menschheit es durch die anschließenden Ausschreitungen noch beschleunigt.

Inzwischen stand fest, dass der Planet am Sterben war, man war sich nur nicht einig, wie viele Tage oder Wochen der Menschheit noch bleiben würden. Und so versuchte jeder, mit diesem Wissen auf seine ganz eigene Weise umzugehen. Viele waren ausgeflippt, dem Wahnsinn anheimgefallen, viele hatten jegliche ihrer Moralvorstellungen aufgegeben und waren zu Dieben und Mördern geworden, viele hatten sich in die Depression zurückgezogen und nur noch sehr wenige taten etwas, das dem Allgemeinwohl diente, sei es im Krankenhaus zu arbeiten, für das Aufrechterhalten der Stromversorgung zu sorgen oder ähnliches.

Er öffnete das Fenster, doch was hereinkam, war der Vorgeschmack des Todes, eine stickige Luft, die nach Verwesung und Verfall roch. Angewidert schloss er das Fenster wieder und das Vorhaben, das er bereits seit Tagen in seinem Kopf mit sich trug, begann sich klarer abzuzeichnen. Er warf einen Blick auf seine Freundin, die unter der Bettdecke leise weinte und er wusste, dass er es tun musste. Und er wusste, dass er es auch tun würde, sich und seine Freundin umzubringen, bevor sie elendiglich und jämmerlich sterben mussten.

***

Viele Lichtjahre von der Erde entfernt, auf einer Raumstation, die um einen violett schillernden Planeten kreiste, sah das schlanke, großgewachsene Wesen mit den dürren Armen und Beinen fasziniert auf den Monitor, auf dem in verschiedenen Abschnitten Tiere zu sehen waren, die sich in qualvollem Todeskampf wanden, Menschen, die am Boden lagen und röchelten und zuckten, Menschen, die Waffen aufeinander richteten und sie auch ohne zu zögern abfeuerten, aber auch Menschen, die sich einfach nur ins Bett legten und das Atmen aufhörten.

Eine Weile verfolgte es die immer wieder neuen Bilder, bis auf keinem von ihnen mehr eine Regung zu sehen war. Erst dann fragte es in einer gutturalen Sprache, die mit keiner der irdischen Sprachen etwas gemein hatte: „Wie lange dauert es, vom Einsatz der Waffe bis zur vollständige Vernichtung?"

Das glubschäugige kleine Wesen, das vor dem Monitor kauerte, wischte mit fingerartigen knubbeligen Auswüchsen über eine silbrige Platte und antwortete in einem leisen Singsang: „94 Kraseks."

„Das ist zu lang, reduziere es auf höchstens 12 Kraseks", kam es in unangenehm hartem Tonfall von dem Großen, der den Glubschäugigen zusammenzucken und auf devote Weise erwidern ließ: „Ich tue, was auch immer Ihr wünscht. Aber die Anpassung wird dauern."

„Ich will die nächste Simulation morgen sehen", kam es im Befehlston von dem Großen, der sich ohne auf eine Erwiderung zu warten umdrehte und förmlich aus dem Raum entschwebte, während der Glubschäugige mit einigen Wischbewegungen neue Bilder auf dem Monitor entstehen ließ, auf denen blühende Wiesen, saftige Weiden, wohlgenährte Kühe und lachende Kinder zu sehen waren.

Geschichte 3

Verschwommen und krisselig nahm sie die Umgebung im ersten Moment wahr. Catherine zwinkerte mehrmals, dann schärfte sich ihr Blick und sie erkannte einen untersetzten Mann in grüner OP-Kleidung. Ein zweiter in einer dunkelgrauen Uniform schaute auf ein Display, das neben dem Bett angebracht war, in dem sie lag. Er nickte zufrieden, bevor er sich ihr zuwandte.
«Der Arzt sagt, es hat alles bestens geklappt, Cathy», meinte er, wobei er ihr aufmunternd zulächelte. Catherine zog sich in eine sitzende Position hoch. «Es könnte noch ein paar Stunden kribbeln, bis sich dein Sehnerv an die Veränderung gewöhnt hat. Aber prinzipiell kannst du sofort aufstehen und bist einsatzfähig.»
«Danke Rick, ...» Sie wollte noch mehr sagen, aber in diesem Moment drehte er sich weg. Während Rick abwesend ins Nichts starrte, stand Catherine auf. In einem Wandspiegel begutachtete sie ihr Gesicht: helle Haut, schulterlange braune Haare und dunkle mandelförmige Augen mit einem vom Leben gehärteten Blick. Die Nase mit dem kleinen Höcker, darunter schmale Lippen, die sich kurz zu einem gekünstelten Grinsen verzogen. Außerdem entdeckte sie ein Pflaster, das eine Schnittwunde hinter ihrem Ohr bedeckte.
«Zieh dich an, wir müssen los. Joe will uns sehen. Sofort! Unser Auftrag beginnt noch heute Abend», informierte Rick sie, nachdem er offenbar telefoniert hatte.
«Das Finanzielle hatte ich schon mit ihm geklärt, als du geschlafen hast», sagte er, als Catherine die Abwesenheit des Arztes bemerkte.
Schnell tauschte Catherine das dünne OP-Oberteil gegen ihr dunkles Shirt und die Uniformjacke, die über einer Stuhllehne hingen. Danach zog sie ihre Stiefel an. Die graue, mit unregelmäßigen Mustern bedruckte Hose hatte sie während des ambulanten Eingriffs anbehalten. Rick stand bereits in der offenen Tür, als sie zuletzt das Holster mit der Pistole anlegte.
Zusammen gingen sie einen kurzen Gang entlang, an dessen Ende ein Notausgang-Schild über einer schweren Feuerschutztür flackerte. Catherine schlug ihren Kragen hoch, als sie nach draußen trat und ein kalter Wind sie erfasste. Gräuliches Laub trieb die leere Straße entlang und sammelte sich unter kränklich verkümmerten Bäumen. Zwei Passanten, den Mundschutz vors Gesicht gepresst, hasteten vorbei, den Blick zu Boden gerichtet.
Catherine eilte auf den schmutzig-blauen Wagen zu, an dessen Steuer Rick bereits ungeduldig auf sie wartete. Kaum hatte sie Platz genommen, ließ er den Motor aufheulen und schwenkte auf die Straße ein.

«Die Menschheit trägt die Konsequenzen, obwohl der Großteil dieser Menschen nicht zu den Übeltätern gehört. Sie sind wie unschuldige Kinder», mahnte ein drahtiger Mann mit Dreitagebart. Er stand auf einer improvisierten Bühne, die vor der Rückwand einer Lagerhalle errichtet worden war. Schwaches Licht drang durch die dreckigen Dachfenster und die Oberlichter in der Backsteinmauer. Catherine befand sich zwischen etwa 50 Männern und Frauen, die ihm gebannt zuhörten. Praktisch alle trugen Schusswaffen, viele waren auch mit anderer militärischer Ausrüstung ausgestattet: Tarnkleidung, Taser, schusssichere Westen, Nachtsichtgeräte, Kampfstiefel und vieles mehr konnte Catherine entdecken.
Als sie kurz ihren Kopf drehte, sah sie Ricks blonden Bürstenschnitt weiter hinten. Er trug ebenfalls Tarnkleidung in Grau und Schwarz sowie eine Sonnenbrille, die er sich in die Haare geschoben hatte. Er stand in der hintersten Reihe und hatte fast unmerklich die linke Augenbraue angehoben.
«Die eigentlichen Schuldigen verstecken sich in Bunkern und sogenannten Regierungsgebäuden, obwohl es gar keine von uns, dem Volk, autorisierte Regierung gibt», fuhr der Mann fort. «Doch wir werden die Verbrecher aus ihren Schlupfwinkeln ans Licht zerren, auf dass sie sich ihrer Verantwortung stellen und für ihre Taten mit Blut bezahlen. So wie wir es zu Unrecht seit Jahren an ihrer Stelle tun.» Beifall und zustimmende Ausrufe wurden laut und füllten die rhetorische Pause.
«In allen Ecken der Welt haben sich unzählige Patrioten zusammengefunden und die Politiker gerichtet. Die NATO, die UN und die ganzen anderen kriegstreiberischen Vereinigungen sind zerschlagen und am Boden und nun ist es an uns, unseren Teil dazu beizutragen.
Wir wissen, wo sich die Verantwortlichen verkrochen haben. Wo sie sich von ihren Soldaten und Polizisten beschützen lassen, die eigentlich uns vor ihnen schützen sollten. Während wir hungern und an Krankheiten verrecken, leben sie von Vorräten, die sie uns Bürgern vorenthalten. Sie haben Medikamente gegen den Fallout und die Seuchen, haben Lebensmittel und sauberes Wasser. Alles geschaffen durch unsere harte Arbeit, während sie nur danach gestrebt haben, das Volk weiter auszubeuten und schlussendlich dem Untergang zu weihen.
Mit der Hilfe unserer Unterstützer haben wir jetzt die Mittel sie alle zu vernichten. Wir werden nicht weiter zusehen! Der Tod ist die einzig gerechte Strafe für die Reste der sogenannten Regierung und ihre Handlanger. Wir werden diejenigen sein, die das Urteil vollstrecken werden. Und wir werden nicht länger zögern!»
Erneut brandete Beifall auf und der Redner lächelte zufrieden. Catherine schüttelte leicht den Kopf und schob sich vorsichtig durch die Reihen der grölenden Zuhörer, um zu Rick zu gelangen.

Der Lichtkegel einer Taschenlampe beleuchtete mehrere olivgrüne Kisten im untersten Fach eines Regals. In den Fächern darüber stapelten sich Sturmgewehre, Pistolen, Handgranaten, Munition und andere Gegenstände militärischen Ursprungs.
«Fass mal mit an», raunte Rick, der soeben nach einer der Kisten griff. Zusammen zogen sie sie soweit vor, dass er den Deckel anheben konnte.
«Was wollt ihr hier? Ihr habt hier nichts verloren!» Fahles Licht fiel durch die geöffnete Tür. Im Rahmen stand der Mann, der zuvor die Rede gehalten hatte. Die erhobene Pistole in seiner Hand war als dunkler Schemen zu erkennen. «Ihr beiden. Ich wusste, dass was mit euch nicht stimmt. Ihr steht also auf der Seite der Massenmörder und Volksverräter. Ihr ...»
Geistesgegenwärtig griff Rick nach einer Handgranate und warf sie in Richtung des Mannes. Der sprang entsetzt zurück, doch im selben Moment hechtete Rick auf ihn zu und schleuderte ihn gegen die Wand hinter ihm. Mit einem einzigen Fausthieb schlug er ihn bewusstlos.
«Los jetzt Cathy! Worauf wartest du? Wir sind aufgeflogen!», rief er. Dann griff er nach der am Boden liegenden Granate und zog den Sicherungsstift. Kaum war Catherine an ihm vorbeigerannt, warf er die scharfe Granate in den Raum hinein, schlug die Tür zu und hastete ihr hinterher. Als sie Sekunden später eine Treppe erreicht hatten und die ersten Stufen nahmen, sprengte die Explosion die Tür aus den Angeln. Die Wucht rammte sie gegen die gegenüberliegende Wand, von wo sie knirschend zur Seite kippte. Weitere kleine Detonationen folgten und füllten den Gang rasch mit Qualm und Staub.
Am oberen Ende der Stufen stieß Catherine eine Tür auf und gefolgt von Rick, rannte sie in die Dunkelheit hinaus. Die Rufe, die hinter ihnen ertönten, wurden vom Zufallen der Stahltür verschluckt.

«Scheiße Cathy, wo hat uns Joe hier reingezogen?» Dichte Regentropfen peitschten über die gesplitterte Frontscheibe, während Rick das Auto mit ruppigen Schaltmanövern durch die Nacht jagte. Brennende Mülltonnen spiegelten sich auf der regennassen Fahrbahn und Barrikaden versperrten viele der abzweigenden Seitenstraßen. Dunkle Gestalten schienen in ihrer Nähe zu lauern, verschwanden aber, als das Licht der Scheinwerfer sie erfasste.
Catherine blickte in den Rückspiegel und sah ein zweites Fahrzeug um eine Kurve schleudern. Sie lehnte sich aus dem Fenster und begann, auf ihre Verfolger zu schießen. Mündungsfeuer blitzte auf, als ihre Schüsse erwidert wurden. Querschläger spritzten als helle Funken vom Straßenpflaster in die Dunkelheit davon.
«Ich bin durchgeschossen, Rick», rief Catherine, als der Schlitten ihrer Pistole in geöffneter Position stehen blieb.
«Schau im Handschuhfach nach. Unter deinem Sitz sollte auch noch 'ne Schrotflinte sein.» Rick riss das Steuer hart nach links, als vor ihnen eine weitere Barrikade die Fahrbahn blockierte. Catherine wurde gegen die Beifahrertür gedrückt, als das Auto quer vor die Straßensperre rutschte und fast zum Stehen kam. Rick gab erneut Vollgas und ließ die Reifen durchdrehen. Im selben Moment zerplatzte das hintere Seitenfenster unter den Schüssen ihrer Verfolger.
Das Fahrzeug kam schnell näher. Catherine hatte ein letztes Magazin im Handschuhfach gefunden, ihre Pistole geladen und zielte jetzt durch das geborstene Fenster. Der andere Fahrer, Kimme und Korn bildeten für einen entscheidenden Augenblick eine Linie, als sie abdrückte.
Die Reifen bekamen abrupt Bodenhaftung und ihr Wagen machte einen Satz nach vorn, schoss rettende Meter vorwärts. Denn das andere Auto krachte ungebremst in die Barrikade. An der Stelle, an der sich soeben noch Rick und Catherine befunden hatten. Im Rückspiegel konnte Catherine sehen, wie der leblose Fahrer von der Motorhaube rutschte, auf die er durch den Aufprall geschleudert wurde. Flammen züngelten aus der deformierten Front.
«Wohin jetzt, Cathy?», fragte Rick, als sie sich einige Straßen entfernt hatten.
Catherine schaute auf ein Display an ihrem Handgelenk, dann hielt sie es in Richtung der Frontscheibe. «Mist, kein GPS. Wo zur Hölle sind wir eigentlich, Rick?», fluchte sie. «Wir müssen zurück zur Zentrale, um jemanden zu warnen. Joe muss die Informationen sofort nach oben weitergeben, sonst bricht auch bei uns der letzte Rest Organisation zusammen!»
«Kannst du vergessen. Wenn das stimmt, was die Typen geplant haben, ist in der Zentrale die Kacke schon längst am Dampfen. Wir können nur hoffen, dass Joe nicht dort ist.»
«Aber wir können ihn ... sie alle doch nicht im Stich lassen. Wir müssen ihnen helfen. Das ist unsere verdammte Pflicht.»
«Sag mal, hast du den Spinnern eigentlich zugehört? Es wird keinen Angriff geben, keinen unorganisierten Mob, den wir mit Waffengewalt vertreiben könnten. Die verdeckte Mission die letzten Tage, die Explosion in dem Lager, hat überhaupt gar nichts geändert. Die haben immer noch so viel Sprengstoff, damit müssen sie nicht mal aufs Gelände kommen. Es reicht, wenn sie ihre Bomben zwei Straßen weiter zünden. Die machen einfach den ganzen Block platt.»
«Aber ...»
«Scheiß auf 'Aber'! Scheiß auf den Job! Scheiß auf unsere Verantwortung! Wir müssen hier weg! Verstehst du? Wach auf! Es gibt längst keine Polizei mehr, keine Regierung, nur noch dich und mich!» Rick warf ihr einen resignierten Blick zu, während er das Auto, jetzt etwas langsamer, durch den anhaltenden Regen steuerte. «Was wir, Joe und die anderen hier noch machen, ist ...»
Eine feuerrote Blase wuchs in einiger Entfernung in die Höhe. Einen Wimpernschlag später eine zweite weiter rechts am Horizont, dann eine dritte. Sekundenlanger Donner grollte kurz darauf durch die Dunkelheit.
«Scheiße ...», entfuhr es Rick und Catherine wie aus einem Mund.

«Sie haben die Wahl: Erschießung als Deserteurin oder Sie machen das, was Sie am besten können: Sie gehen als Informantin in die Tornado-Zone.» Catherine befand sich in einem kargen Verhörraum. Ihr gegenüber saß ein uniformierter Mann ohne Rangabzeichen. Trotz seiner Drohung klang seine Stimme mehr hoffnungslos als aggressiv.
«Wohin?», fragte sie verständnislos. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt.
«Die Tornado-Zone», erklärte er ihr. «Ein loser Zusammenschluss unabhängiger Unterwasserstationen im Süd-Atlantik und dem Ost-Pazifik. Hauptsächlich mariner Bergbau. Viele Flüchtlinge, die in den anderen Aquatorien abgelehnt wurden, gehen inzwischen dorthin. Dafür verkaufen sie ihr letztes Hemd und wenn es sein muss, auch ihre Kinder.» Müde strich sich der Mann über die Stirn, bevor er fortfuhr. «Wir haben keinen Überblick mehr über die Personen, die sich dort befinden oder auf dem Weg sind. Aber wir müssen verhindern, dass diese Terroristen ihren Scheiß mit nach unten nehmen und dort einfach weiter machen. Dafür ist das alles zu wichtig.»
«Und dort soll ich was? Gibt es eine Zielperson? Irgendwelche Anhaltspunkte? Eine Kontaktperson?»
«Nein. Halten Sie einfach die Ohren auf. Halten Sie sich bedeckt, integrieren Sie sich und sammeln und ordnen Sie alles, was Sie mitbekommen. Die entsprechenden Stellen des Nordatlantischen Verbundes werden sich mit Ihnen in Verbindung setzen. Geben Sie denen alles weiter, was von Interesse sein könnte. Mehr wurde mir auch nicht gesagt. Der NAV ist längst autonom und hat inzwischen mehr Macht als wir hier oben - zumindest was die Atlantikregion anbetrifft. Ich denke, wenn die Zeit reif ist, sollten Sie sich den Leuten in Neopolis anschließen. - Oder Sie machen Ihr eigenes Ding.»
«Ganz ehrlich», sprach er leise weiter. «Wir wissen eigentlich gar nichts davon, was da unten abgeht. Wer einmal unten ist, kommt logischerweise nicht wieder. Sehen Sie's als Chance. Versuchen Sie, über die Runden zu kommen.
Hier oben ist das Ende doch längst abzusehen. Die koreanische Halbinsel, der Nahe Osten, der Kaukasus, die Kaschmir-Region ... Verdammt, gut die Hälfte der Erde ist bereits unbewohnbar, die andere Hälfte leidet unter dem zunehmenden Fallout. Dazu der nukleare Winter, die Seuchen, die Anarchie. Glauben Sie mir einfach, wenn ich Ihnen sage, dass es in zwanzig Jahren kein Leben mehr an der Oberfläche geben wird. Die Transporte in die Aquatorien werden schon jetzt stark begrenzt. Auch die Tornado-Zone wird bald niemanden mehr aufnehmen. Die Warlords werden schon dafür sorgen. Wer dann noch hier ist, kann sich genauso gut aufhängen.»
«Und was ist mit Ihnen?», fragte Catherine vorsichtig. Die Resignation des Mannes war deutlich spürbar gewesen.
«Ich habe einen Hirntumor, groß wie 'ne Walnuss. Ich erleb' das alles nicht mehr. Ich glaub', das ist auch besser so.»
Catherine nickte bedrückt, dann erklärte sie nach kurzer Überlegung: «Ich mach's. Unter einer Bedingung: Rick wird mich begleiten.»

Catherine schaute sich aufmerksam um, während sie sich mit Rick einen Weg durch die Menschen bahnte, die allein oder grüppchenweise zwischen den Betonabsperrungen standen. Manche hatten Koffer dabei, die meisten nur, was sie am Leib trugen.
Zwei leblose Körper lagen auf halbem Weg zwischen den Absperrungen und der Anlegestelle. Blut klebte an mehreren Einschusslöchern und eine dunkle Pfütze hatte sich auf dem Kopfsteinpflaster gebildet.
Eine Gruppe bewaffneter Männer mit grimmigen Gesichtern bildete einen schützenden Halbkreis um die Anlegestelle, deren Steg unruhig im Wasser tanzte. Daran festgemacht war eine Fähre, groß genug für vielleicht vierzig Leute.
Zwei der Männer richteten ihre Gewehre auf Catherine und Rick, als sie sich näherten.
«Stehen bleiben und Papiere so halten, dass ich sie sehen kann!», rief ein dritter, der als einziger keinen Helm trug. Ein wenige Millimeter kurzer Irokesenschnitt thronte auf seinem sonst glänzend rasierten Kopf. «Und keine schnellen Bewegungen!» Einige der Wartenden schauten interessiert in ihre Richtung.
Mit Daumen und Zeigefinger holte Catherine vorsichtig drei Blätter aus ihrer Jacke hervor, faltete sie auseinander und hielt sie in Richtung des Mannes. Der richtete eine UV-Lampe auf die Dokumente und schien fürs Erste zufrieden, als einige der darauf befindlichen Siegel bunt aufleuchteten.
«Kommen Sie langsam näher. Halten Sie Ihre Hände immer schön so, dass ich sie sehen kann.»
Catherine machte ein paar Schritte vorwärts, bevor sie innehielt. «Was soll das? Wo sind deine Dokumente?», fragte sie Rick, als er keine Anstalten machte, ebenfalls Papiere hervorzuholen und ihr zu folgen. «Du hast keine ... Du kommst nicht mit?», stellte sie entsetzt fest, als er den Kopf schüttelte.
«Nein, Cathy. Ich werde nicht mitkommen.»
Ihre Verwirrung und ihr Entsetzen schlugen in Wut um. «Die Arschlöcher haben uns betrogen. Es war von Anfang an alles gelogen», schrie sie mit geballten Fäusten.
«Nein, Cathy. Ich habe es gewusst und so gewollt. Für dich. Ich werde einen anderen Weg finden. Ich ...»
«Dann werde ich auch nicht gehen. Sollen die Wichser doch sehen, wer da unten ihren Informanten mimt», entgegnete Catherine, ohne auf seine Worte zu hören. «Komm Rick, wir sollten zurück zum Auto und ...»
Sie hatte nach Ricks Arm gegriffen und wollte ihn in Richtung der Absperrungen ziehen. Doch er riss sich los und umfasste ihre Schultern.
«Verdammt noch mal, Cathy», brüllte er sie an. Seine Geduld war klar am Ende. Angst spiegelte sich in seinen Augen. «Jetzt steig auf dieses scheiß Boot. Das ist deine letzte Chance. Hier oben gibt es keine Zukunft mehr. Für niemanden. Nicht für dich, nicht für mich und erst recht nicht für uns beide. Sieh es ein: Wir Menschen haben es verkackt, aber diesmal richtig.»
«Den Rest meines Lebens dort unten?» Catherines Entschlossenheit bröckelte unter seinen Worten. «Umgeben von Stahlwänden und tausende Meter Wasser über mir. Ohne Sonne, ohne Bäume, ohne Vögel, ohne ...?»
«Mach dir doch nichts vor! Wann hast du das letzte Mal Vögel gesehen? Grüne Bäume, die Sonne? Und ich mein nicht diese blasse Scheibe da oben. Cathy, es ist September, Herbst, der letzte Herbst. Wenn erst mal Schnee fällt, wird es auf absehbare Zeit keinen Frühling mehr geben.»
«Und was wird mit dir? Wann sehen wir uns wieder?» Tränen traten in Catherines Augen.
«Mach dir keine Sorgen. Ich komme irgendwie nach Neopolis. Ich habe Kontakte, das weißt du doch. Ich werde dich finden und sehen, dass du schnellstmöglich auch dorthin kommst.»
Rick lockerte seinen Griff. Dann schloss er Catherine sanft in seine Arme.
«Wird das heut' noch was?», schnauzte der Irokese. «Entweder Sie haben eine Transportberechtigung oder nicht. Wenn nicht, dann verschwinden Sie.» Inzwischen hatten alle Wartenden mitbekommen, dass jemand auf die Fähre durfte. Erste zornige Rufe wurden laut und die bewaffneten Männer wurden zusehends unruhiger.
Rick drückte Catherine ein letztes Mal. Behutsam schob er sie in Richtung Anleger. «Ich werde auf dich warten», versprach sie schluchzend, während sie sich weiter an ihn klammerte.
«Viel Glück, Cathy», verabschiedete sich Rick. «Wir werden uns wiedersehen. Ich verspreche es.» Dann löste er sich aus ihren Armen. Zögerlich ging Catherine auf den Steg zu. Sie gab dem Befehlshaber die Dokumente, der sie intensiv studierte. Als sie sich umdrehte, schob sich Rick bereits eilig durch die Menge, die ihn mit bösen Blicken bedachte, jedoch keine Anstalten machte, ihn aufzuhalten. Sie verfolgte ihn, bis er hinter den Wartenden verschwunden war.
«He, los jetzt», blaffte der Irokese sie plötzlich an, wobei er ihr auffordernd die Papiere hinhielt. Er hatte seinen Soldaten bereits ein Zeichen gegeben, einen Durchgang für Catherine zu öffnen. Mit wackeligem Schritt ging sie über die schwankende Gangway, bis sie die Fähre erreicht hatte, die sie zu dem weiter draußen schwimmenden U-Boot bringen würde.

Catherine stand gedrängt zwischen anderen Passagieren vor dem winzigen Heckfenster, das einen Blick auf die graue Kulisse der Stadt erlaubte. Einen letzten Blick auf die Oberwelt, die sie nie wieder sehen würde. Eine erste Welle schlug gegen die Scheibe, als das U-Boot zu tauchen begann. Momente später stieg der Wasserspiegel daran hinauf, bis das Wasser schließlich über dem Boot zusammenschlug. Ab jetzt war Catherine Teil dieser neuen Welt. Ein Teil Aquas.

Ein kurzes Rauschen füllte den Bildschirm. Als in großen Lettern «No Signal» aufblinkte, beendete Kate Coldwell die Aufnahme. Sie hatte ein Vermögen ausgegeben, um dieses Video in die Finger zu bekommen. Trotzdem war sie enttäuscht von dem, was sie gerade gesehen hatte. Bruchstücke einer längst vergangenen Zeit, die für sie aus einer komplett anderen Welt stammten. Und doch spürte sie tief in ihrem Innern, dass etwas sie mit Catherine verband. Etwas, das auch heute noch von Bedeutung war. Nun musste sie herausfinden, was es war.

Ich wünsche allen Teilnehmern jetzt viel Glück. Die, die daran teilgenommen haben dürfen nicht für ihre Geschichte selber stimmen, die Umfrage ist öffentlich.
 

Shishiza

Sehr brave Fee^^
Teammitglied
Mod
Es wäre schön, wenn ihr auch dazu noch eine Bemerkung schreiben könnt, damit die Leute wissen, warum ihr euch für diese eine Geschichte entschieden habt. So kann derjenige, das für die Zukunft ändern, wenn er das möchte.
 

Mezelmoerder3D

Diplompsychopath mit *
VIP
Erstmal Zeit finden zu lese ^^dann gibt's auch wie immer von mir ne schelle links und rechts... und anschliesend ne verarztung. Wie in der Schweiz

Gesendet von meinem HUAWEI VNS-L31 mit Tapatalk
 

Shishiza

Sehr brave Fee^^
Teammitglied
Mod
So, ich habe die drei Geschichten gelesen und ich werde aber erst am Ende der Veranstaltung, wenn das Abstimmen fertig ist, meine Meinung dazu posten, weil ich einfach niemanden damit beeinflussen möchte. (da ich ja der Mod bin ^^ ) Ich kann nur soviel sagen das ich von allen dreien sehr begeistert bin und froh bin, das diese eingeschickt worden sind. Ich freue mich, wenn die Geschichten in der Zukunft genauso so toll sind, wie diese.
 

Holzi

...
Auch wenn ich schon wieder nicht mitgemacht habe, möchte ich mich nun hier an der Abstimmung beteiligen, wenn Ihr erlaubt.

Mir hat die Stimmung in allen drei Geschichten gut gefallen. Schon irgendwie interessant, dass es nichts mit fröhlichem Frühling oder Sommer gibt...
`Todesspirale´ und insbesondere `Der letzte Herbst´ halte ich für vielversprechende Anfänge, allerdings auch nicht für wirklich geschlossene Geschichten. Darauf basierend könnte man einige interessante Sachen schreiben. Und aus seiner Entscheidung, nicht nur sich, sondern gleich auch seine Freundin umbringen zu wollen (Todesspirale), könnte man eine kontroverse Diskussion machen. Das geht ja gar nicht...:oO:, hat aber Potenzial.

Aus verschiedenen Gründen hat mir `Existenz´ am besten gefallen. Natürlich hat der Autor den Vorteil, dass man und insbesondere er selbst die Charaktere schon kennt und so merkt man, dass die Persönlichkeit haben.
Das Thema Jahreszeit wurde zwar allenfalls so gerade eben tangiert, aber das reicht ja. Die Geschichte ist gut aufgebaut und entwickelt sich langsam und vor allem in eine eher unerwartete Richtung. Keine möglichst schaurigen Monster, die aus dem Schrank springen und Angst anders definiert als von den Charakteren erwartet.
Der auch wieder dezent gesetzte Humor hat mir ebenfalls gut gefallen. Nicht so gut wie die Sache mit dem Christkind damals:), aber auch lustig.
Die wissenschaftlichen Ansätze sind interessant (Nullzeit) und klingen sogar nachvollziehbar.
Schließlich spricht für mich auch für die Geschichte, dass sie einen Anfang und ein Ende hat.

Eine Sache hat mich ziemlich gestört. Kann aber auch sein, dass ich das nur nicht gecheckt habe...:oO:
Chiisu droht dreihundert Jahre in dieser Falle zu sitzen. Ja, das würde ihm vielleicht (völlig nutzlose) Erkenntnisse bringen, aber sein normales Leben wäre vorbei. Insbesondere seine Beziehung mit Nyrana. Und die sagt dazu: „Es ist deine Entscheidung. Aber wenn du hier bleibst, sehen wir uns wohl nie wieder…“
:confused: Ist das das Katzen-Mädchen-Verständnis von Liebe ? Tja, schade, aber wenn du hierbleiben willst, dann mach das. Schönen Tach noch.
Oder Selbstlosigkeit ? Ich habe ja gar nichts gegen eine gewisse Selbstlosigkeit in der Liebe, aber das scheint mir dann doch sehr beliebig. Sollte ich mal mit so nem Katzenmädchen zusammen kommen, wäre ich auf jeden Fall sehr vorsichtig, was verlieben angeht:oO:
Oder hätten die ihn noch gepackt und rausgezerrt ?
Vielleicht kannst Du das bei Gelegenheit erklären. Ich mag Helden, die ganze Galaxien zerstören, um ihre Liebe zu retten, irgendwie lieber:-D
 

Shishiza

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Bisher haben noch wenige abgestimmt, es wäre also schön, wenn sich mehr Leute zu mindestens die Geschichten durchlesen würden und dann auch vouten. Jede Geschichte hat seinen Reiz und ich wäre froh, wenn mehr mitmachen würden.
 

Shishiza

Sehr brave Fee^^
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Wir haben jetzt den 12. 11.
Die Zeit läuft ab und es haben bisher nur 2 Leute für die Geschichten gestimmt. Wäre schade, wenn es nur so wenige bleiben würden.
Also rafft euch auf, liest die Geschichten und votet!!
 

Hoellenspass

Ordenspriester
Für mich ist "Existenz" ganz klar die beste Geschichte. Nicht dass die anderen beiden schlecht wären, aber irgendwie hat man den Eindrck genau das auch schon mal als Teil eines Films gesehen oder Buchs gelesen zu haben. "Todesspirale" wirkt sogar fast wie eine Halloween-Folge der Simpsons, wenn dann übergeblendet wird zu den Außerirdischen :) Was mir vor allem an "Existenz" gefallen hat, ist die Ausarbeitung der Charaktere, die ist wirklich gelungen. Allerdings finde ich etwas schade, dass es schon wieder dieselben sind, wie schon in Deinen vorigen Geschichten. Da hätte ich mir etwas mehr Einfallsreichtum gewünscht, insbesondere weil die Geschichten unter sich ja gar keinen inhaltlichen Bezug zu einander haben. Eine kleine Anmerkung aber noch: Am Anfang schreibst du etwas über die "behaarten Affen" von Sol-3 (wobei ich allerdings nur die Schreibweise "Sol III" kenne, aber das nur nebenbei). Ich vermutete mal Du meinst eher das berühmte Zitat "nackter Affe". Ein behaarter Affe ist... naja, ein normaler Affe :)
 

Shishiza

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So, die Zeit ist abgelaufen, und auch wenn nur vier Leute abgestimmt haben, ist doch das Vouting einstimmig ausgegangen.

Sieger: CatgirlFanatic

Ihre Geschichte war absolut spitze und kann mich dem nur zustimmen. Aber auch alle anderen Ideen waren mehr als gut gemacht und es wäre für mich ziemlich schwer gefallen, mich wirklich zu entscheiden.

@CatgirlFanatic melde dich doch bitte per PN bei mir, wegen dem Gewinn.


Trotzdem an alle anderen, wenn ihr noch eure Meinung posten wollt, könnt ihr das noch machen, auch wenn die Umfrage schon geschlossen ist.
 
Herzlichen Glückwunsch zum einstimmigen und völlig verdienten ersten Platz :yo:!
Sehr stimmige und spannende Geschichte, zudem tadellos in der Ausführung. Absolut klasse.
 

Shishiza

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Ich hoffe es einfach, schade, das es diesmal nicht ganz so geklappt hat. Ich werde es wieder anbieten und hoffen, das ein paar mehr Leute mitmachen. Schade, das so wenige gevoutet haben. Wäre auf jedenfalls spannender gewesen.
 

Shishiza

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Werde ich auf jeden Fall in die Wege leiten, damit viel mehr das mitbekommen, ich denke, das es auch daran lag.
 
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