[Biete] WH 40k - Der Fünfte

J-Nought

4ever Jack
Eine Geschichte, die ich unbedingt mal auf Papier bringen wollte und doch nie zu Ende brachte. Vielleicht gefällt euch dieser Teil und ich freue mich über Kritik.

Kleine Info noch: Das ist lange Zeit her und nur Warhammer 40k Fans sollten das hier lesen, da andere nicht wissen, was hier los ist ^^

Der Fünfte​

Wissen ist Macht


Die großen Vier
Krieg
Verwesung
Wandel
Dekadenz
Macht gierend
Streitend, regierend,
aber DEN vergessend
DEN sie verstoßen
Ihr Untergang
Wird ER sein
Vergehen werden ihre Reiche
Sterben ihre Anhänger
Denn ER wird rächen das Unrecht
Und siegen
Horcht auf, ihr Vier
DER FÜNFTE ist gekommen!


Gebet der Verdammten


I​

Als Syph in die angenehme Kühle heraustrat, schnürte sie ihren schwarzen Mantel ein wenig enger und rannte los. Trotz der schweren Stiefel, die sie trug, konnte sie ohne Probleme laufen, während ihre Augen über die gewundenen Straßen schweiften. Es war schon spät, dennoch gingen vereinzelt Menschen durch Straßen und manche blickten sie verwundert an, wenn sie das Aufschlagen ihrer Sohlen auf die Pflastersteine hörten. Die wenigen Lichter erhellten die Wege, aber Syph konnte auch in völliger Dunkelheit zu ihrem Ziel finden. Sie besaß einen sehr guten Orientierungssinn, der sie noch nie im Stich gelassen hatte. Sie bog schließlich in eine Gasse ein, als sie entfernt das Schwappen des Wassers vernahm. Am Kai wurde sie schon erwartet. Elegant schwang sie sich in das kleine Boot, das sofort gestartet wurde.
„Kapitän Akkarn begrüßt Sie an Bord seiner berühmten Yacht und wünscht Ihnen viel Vergnügen bei der Fahrt. Leider sind die kühlen Getränke ausgegangen, aber etwas Warmes können Sie vom Kapitän immer noch bekommen. Sie müssen ihn nur lieb darum bitten.“
Syph wendete sich um und funkelte das grinsende hellhäutige Gesicht an. Akkarns rechte Hand holte eine Flasche hervor und schüttelte diese mit dem gleichen Grinsen begleitet Syph entgegen, während seine linke Hand das Boot durch den Kanal steuerte.
„Entweder bringt dich der Alkohol um oder ich selbst werde es tun, Akkarn.“
Das Grinsen wurde zu einer traurigen Grimasse, die tief verletzt mit großen Augen Syph anschaute.
„Aber wie soll ich mich denn warm halten in dieser klirrenden Kälte?“
Syph drehte den Kopf wieder in Fahrtrichtung und schüttelte lächelnd den Kopf. Akkarn trug ein graues Unterhemd sowie eine kurze schwarze Hose und Stiefel. Selbst wenn er nackt draußen gewartet hätte, frieren würde er auf alle Fälle nicht.
Akkarn stammte vom Planeten Sephiris Secundus im Calixis-Sektor. Es war ein lebensfeindlicher Eisplanet mit einem sehr kalten und stürmischen Klima. Das einzige was die Menschen auf diesem kalten Planeten hielt, waren seine Bodenschätze. Seine Exportrate war die höchste im ganzen Sektor. Jeder Bewohner musste sich an diese Bedingungen anpassen sonst wäre er mit Sicherheit zugrunde gegangen.
Das Boot fuhr durch das Wasser, welches fast so dickflüssig wie Öl hin und her waberte. Nur die zähesten Algen und Muscheln überlebten in dieser durch die Menschen vergifteten Brühe und Syph hoffte angewidert nie in diese hineinzufallen. Leider mussten sie ihn so erreichen, da die Kom-Verbindung nicht so weit reichte.
Es fing an leicht zu nieseln.
Ungefähr 10 Minuten später tauchte vor ihr eine Insel inmitten dieses flüssigen Schmutzes auf. Auf der Insel stand ein weißes Gebäude.
Dieses Gebäude war eine der gewaltigsten Opern dieser Zeit und erbaut im alten Stil von Flacenso Van, der ein angesehener Architekt gewesen war und noch immer als einer der Herausragendsten gesehen wird. Die weiße Fassade der Oper wurde durch starke Scheinwerfer erhellt, ebenso wie die große Kuppel mit ihren dunkelroten Verzierungen. Bei der Beleuchtung hielt man sich auch an Van, welcher genau wusste, wie man seine Kreationen perfekt zur Schau stellen konnte, so dass diese noch beeindruckender auf den Betrachter wirkten.
Akkarn steuerte das Boot an einen freien Platz zwischen den vielen Booten und Yachten, die in geordneten Reihen vor der Insel ankerten.
„Wenn ich mir diese Yachten anschaue, hoffe ich, dass ich nicht versenkt werde“ sagte Akkarn und fuhr sich mit der Hand durch seine dunkelblauen Haare. Syph wusste, dass auf seiner Welt die Bewohner diese Haarfärbung nur Kriegern erlaubte. Akkarn blieb seiner Tradition treu.
Sie lächelte über seine Worte, nachdem sie die anderen Boote betrachtet hatte. Jedes von ihnen war ein kostspieliges Schmuckstück: Perfekt geformt, um schnell durch das Wasser gleiten zu können und ein luxuriöses Äußeres. Ganz im Gegenteil zu dem zwar schnellen, aber grauen und unansehnlichen Boot, aus welchem sie gerade heraus gestiegen war.
„Ich werde mich vorsichtshalber in der Nähe der Insel aufhalten. Ich will mit dieser Blechschale kein Aufsehen erregen, aber sobald etwas Unangenehmes…“
„Passiert werden wir dich über Kom sofort informieren“, beendete Syph den Satz.
Akkarn nickte und beide verließen den Ankerplatz so rasch wie sie gekommen waren.
Syph rannte zu dem Eingang des Gebäudes. Als sie angelangt war, wurde sie sofort von einigen Aufsehern gestoppt. Ein großer Mann mit einer blauroten Uniform gefolgt von sechs weiteren trat an sie heran und verlangte die Opernrolle.
Sie händigte ihm die Rolle mit dem Siegel der Oper aus und ein anderer durchsuchte sie einer nach Waffen, während jener das Siegel überprüfte, blickten die Übrigen argwöhnisch mit den Händen am Halfter die junge Frau an. Einer von ihnen wollte seinen Kameraden auf das Gesicht von Syph aufmerksam machen, aber sie funkelte ihn an, so dass er errötet damit aufhörte. Da sie keine Waffen bei sich hatte und das Siegel echt war, konnte sie passieren.
Die Domatu Eso Sacco Oper, das letzte Werk von Van, gab jedem Besucher einer Vorführung eine dieser Rollen mit dem jeweiligen Siegel. Sobald man das Siegel aufbrach, kam eine Auflistung von Informationen über die Vorführung, die Sänger, das Orchester, des Erschaffers und vieles mehr zum Vorschein.
Ein junger Mann mit einem Servitor wollte Syph ihren Mantel abnehmen, als sie an der Garderobe vorbei kam, doch sie schüttelte dankend den Kopf und ließ die beiden ohne weiteres stehen.
Sie rannte den langen Säulengang entlang ohne auf die verschiedenen Gemälde, Statuen und Büsten von ehemaligen Direktoren, Komponisten oder Sänger, die hier verewigt und bewundert zu werden aufgestellt worden waren, zu achten. Einige Servitoren unter Beobachtung von Wächtern reinigten während der Aufführung im Gang die Kunstwerke und den Boden mit seinen schwarzen und weißen Marmorplatten im Karomuster.
Bald konnte Syph Musik und Gesang hören und sie beschleunigte ihren Lauf. Beim Eingang in den Opernsaal wurde sie erneut von einem uniformierten Aufseher aufgehalten. Der Aufseher verlangte wieder ihre Rolle. Er überflog die Rolle und schaute immer wieder zu Syph, als konnte er nicht glauben, dass ihr die Rolle gehörte. Sein arrogantes Gesicht zeigte sein Missfallen über die Gestalt vor ihm. Noch nie war so eine Person in so einem Aufzug erschienen. Diese Frau vor ihm sah eher aus, wie ein Gardesoldat als eine Opernbesucherin. Er hob seinen Kopf leicht und reichte ihr die Rolle zurück, wobei er darauf achtete, dass ihre Hände nicht seine berührten.
„Loge 256. Darf ich Sie dorthin führen, Madame von Heliona?“, antwortete der Mann im blau weißen Anzug.
Als hätte er den Satz auswendig gelernt, dieses arrogante Stück vor mir, dachte sich Syph.
„Nein, vielen Dank. Bitte beschreiben Sie mir nur wie ich dort hinkommen kann.“
„Gehen Sie die linke Treppe bis zum dritten Stockwerk nach oben. Dort angelangt wenden Sie sich nach rechts und folgen dem roten Teppich bis Sie die Nummer Ihrer Loge sehen.“
Syph dankte und hastete ein paar Stufen hinauf.
„Madame von Heliona, bleiben Sie bitte stehen“, hörte sie den Mann rufen.
Syph war stehen geblieben und drehte sich um. Jetzt wusste sie, warum man sie nach Waffen durchsucht hatte. Sonst hätte sie jetzt davon Gebrauch gemacht.
„Ich bitte Sie, seien Sie leise. Die Aufführung hat seit ein paar Stunden begonnen, Madame“, sagte der Mann mit soviel Hochmut in der Stimme, dass Syph wünschte er würde daran ersticken.
Syph lächelte ihm zu und nickte, wodurch sie noch einen abwertenden Blick von dem Aufseher erntete, und schritt dann langsam die Treppen empor.
Nun konnte sie die Wandmosaike und andere Schönheiten betrachten.
Alles war im weißen Marmor verkleidet und die schwarzen Stufen der breiten Treppe wurden von einem dicken goldenen Teppich bedeckt. Am Boden der Treppe waren kleine Lichter angebracht, um im gedämpften Licht besser den Weg finden zu können. Die Gemälde, die in der Größe variierten, zeigten Szenen verschiedener berühmter Stücke. Da war zum Beispiel Trenossos Die Heilige, Atrencs Die Gotteskrieger und natürlich die große Tragödie von Ceilanos Der Tod von Carna. Sie war sehr angetan durch diese ganze Pracht, bei der keine Kosten gescheut worden waren.
Syph zog ein Tuch aus einer Innentasche ihres Mantels und wischte sich den Schweiß, der sich auf ihrer weißen Haut an der Stirn gebildet hatte.
Schließlich stand sie vor der Tür zu der Loge 256. Sie öffnete die Tür.
Ihre weit geöffneten Augen erblickten voller Erstaunen den Opernsaal. Vor ihr tat sich ein Wunder der Architektur auf. Syph musste zugeben, dass Flacensco Van wirklich ein wahrer Meister in seinem Fach gewesen war. Der Opernsaal war eines der besten Werke von Van und sobald man ihn betrat war man sich dessen ganz sicher.
Halbkreisförmig waren die Sitzplätze um die Bühne aufgebaut. Oberhalb die geräumigen Logen, in denen nur die Oberschicht von Werdun anwesend war und jede einzelne von ihnen war anders verziert worden, und hinten mittig war die große Loge des Statthalters über der ein großer vergoldeter Imperiumsadler thronte. Van hatte viele dunkle Rot- und Goldtöne verwendet. Die Bühne wurde von zwei gewaltigen marmornen Statuen, die teils gutmütig teils grimmig blickten, flankiert und mit ihren Armen die Stange für den schweren Vorhang stemmten.
Es waren Astartes. Space Marines.
Die Beschützer des Imperiums, vom Imperator geschaffen und dazu verwendet sein Reich zu vergrößern und zu halten. Soweit Syph wusste, war Van einem begegnet und war so fasziniert, wobei er nicht der einzige war, dass er bei vielen seiner Bauwerke Statuen oder Bildnisse dieser mächtigen Krieger der Menschheit ausgestellt hatte.
Der schwere dunkelrote Vorhang war schon beiseite gezogen worden und die Vorstellung war in vollem Gange. Soweit Syph sehen konnte, war jeder Platz besetzt.
Auf einem Stuhl ganz allein in der Loge saß ein Mann mit langen weißen Haaren, die nach hinten gekämmt waren.
Syph schloss behutsam die Tür hinter sich und ging langsam an den Mann heran.
„Ah, Syph. Schön, dass du gekommen bist.“
Sie wollte gerade etwas sagen, doch der Mann hatte die Hand gehoben, um sie zum Schweigen zu gebieten. Dann senkte er wieder die Hand und hielt sie sich ans Kinn.
„Nun erlebst du die Szene, in der der Gefallene zu dem Imperator spricht. Schweige und lass die Musik dich beeinflussen. Ich bin mir sicher, dass wir beide so etwas nie wieder bestaunen können.“
Mit dem „nie wieder“ lag der Mann vollkommen richtig. Zu dem 1000. Todestag von Vatroon hatte die Ekklesiarchie durch Bitten bewegt erlaubt, dass man sein einziges, aber dafür eindrucksvollstes Werk „Der Fall“ wieder aufgeführt werden durfte. Nur dieses eine Mal.
„Das ganze Werk ist zwar gekürzt worden und ein wenig wurde umgeschrieben, aber das hier ist der einzige Teil, der völlig identisch mit dem Original ist. Nun höre!“
Syph stand nun neben dem Mann und blickte herab zur Bühne. Ein großer Mann in einer Rüstung, die mit Gold überzogen und prächtig verziert worden war, stand am unteren Ende einer Treppe, die zu einem Thron führte. Ein weiterer stieg bedächtig die Stufen herab und sang im Barriton zu dem Anderen. Dieser hatte eine schwarze Rüstung, die mit vielen Stacheln besetzt und bedrohlich anzuschauen war. Beide trugen eine Maske, der Singende in einer dunklen rötlichen Farbe und der Schweigende eine Maske aus Gold. Die Masken waren der Ernsthaftigkeit des Themas wegen hergenommen worden. Die Ecclesiarchie würde es nie dulden dem Horus, dessen verfluchter Name in den Gefallenen von Vatroon selbst umgeändert worden war, geschweige denn dem Imperator das Gesicht eines normalen Menschen zu geben.
Der Gefallene sang über den Imperator, seine Gedanken und seine neuen Götter. Sein Gesang war klar und so harmonisch, dass man ewig dieser Stimme lauschen wollte.
Syph war verwirrt.
„Gerade dieser Teil war unverändert geblieben?“, dachte sie sich fragend.
Der Mann bemerkte ihre Gedanken.
„Vatroon wollte mit voller Absicht den Gefallenen so singen lassen. Warum? Vergiss niemals, die Stimme des Chaos ist süß wie Honig und will dich bezaubern. Genau bei diesem Teil drückte die Ekklesiarchie ein Auge, von den vielen welche es hat, zu. Bei den anderen Teilen hatte sich Vatroon ein wenig vergriffen, wenn du verstehst, was ich meine.“
Syph nickte und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder dem Schauspiel.
Nun begann im kräftigen Tenor der Imperator zu singen. Sie konnte sehen, dass niemand redete oder besser gesagt zu reden wagte. Jeder beobachtete das Schauspiel vor sich mit ehrfürchtiger Stimme.
Der Imperator sang über den Verrat und die Enttäuschung darüber. Er trauerte um seinen Sohn, den er mehr als alle anderen geliebt hatte, sich dem Chaos zugewendet zu haben und man konnte seinen väterlichen Kummer über dieses Schicksal spüren. Sein Gesang klang verletzt, dann aber fest und hart, als er seinen Sohn wegen seiner schändlichen Tat verurteilte.
Nachdem der Goldene seine Arie beendet hatte zog er sein Schwert und nach einem kurzen Kampf mit dem Schwarzen schlug er ihn nieder.
Der weißhaarige Mann fasste die Hand von Syph und drehte ihr seufzend sein kantiges weißes Gesicht zu.
„Jetzt endet das Original. Wir haben jetzt wichtigeres zu tun. Nun, was wolltest du mir vorher mitteilen?“
Seine Stimme war jetzt fast zu einem Flüstern geworden und Syph musste sich von Schauspiel unten auf Bühne losreißen. Es war so ergreifend dargestellt worden, dass man glauben könnte der Imperator und Horus seien wirklich herausragende Sänger gewesen. Obwohl der Gedanke eigentlich völlig absurd war, kam es Syph gleich danach in den Sinn.
Sie sprach nun ebenso so leise wie der Mann.
„Er ist ohne Komplikationen auf dem Rückweg und wir haben herausgefunden, wo dieser Mann wohnt, den sie suchen. Soll ich schon Kontakt mit ihm aufnehmen?“
„Nein. Überlass das mir. Nun muss ich nur noch nach der Vorstellung ein paar Gespräche führen. Es wäre am besten, wenn du ihn erwartest. Ich habe keine Lust, dass er wieder an meinen Sicherheitsvorkehrungen herum experimentiert.“

Während Syph zurück zu den Docks lief, beobachtete in einer Loge mit übereinander geschlagenen Beinen ein Mann die Bühne. Seine behandschuhten Finger ruhten verschränkt auf seinem Schoß und seine Lider waren geschlossen. Die Musik drang, aufgefangen durch seine mit exquisiten Ringen geschmückte Ohrmuschel, zu seinem Trommelfell, welches die Schallwellen zu dem formten was der Komponist des Stückes mit seiner Feder erschaffen hatte. All das erfüllte ihn mit einer gewissen Befriedigung.
Er hob leicht seine rechte Hand. In dem Moment, wo er diese gehoben hatte, trat eine Person von hinten neben ihn und senkte ihren Kopf zu ihm nieder.
Ihr ganzer Kopf war eingehüllt in einer eisernen Maske. Die einzigen Öffnungen waren fünf Schlitze und ein großes Loch aus welchem ein blonder stark gebundener Zopf heraushing. Einer dieser Schlitze diente zum Atmen und lag unterhalb der Nase. Die anderen beiden befanden sich an den Ohren und die letzten waren zum Sehen. Die Maske selber war schlicht und glatt ohne jegliche Ornamente.
Der Körper war bedeckt mit einem kostbaren blauen Gewand, welches an den Rändern goldene Stickereien hatte. Dieses war sehr eng anliegend und dadurch konnte ein jeder erkennen, dass es ein schlanker weiblicher Körper war.
Horinzontal auf dem Nacken war in schwarzer Farbe ein Zeichen eintätowiert. Das Zeichen offenbarte, was dieser Mensch war. Ein Sklave. Ebenso zeigte es dem Betrachter, wessen Sklave dieser war. Auf Werdun waren Sklaven nur den Reichen und Adligen vorbehalten, aber jeder Bewohner kannte dieses Zeichen.
„Kazandra, mein Liebes, hol mir bitte etwas zu trinken. Meine Kehle ist vor Aufregung schon ganz trocken.“
Als seine Dienerin sich umkehrte, um den Wunsch ihres Herrn zu erfüllen, blickte er ihr lächelnd hinterher.
Er hatte sie erst seit zwei Jahren für viel Geld gekauft. Trotzdem war sie jede Münze wert. Sie tat alles, was ihr Herr von ihr wünschte. Und wie schon der Händler gesagt hatte: Jeden Wunsch wird sie ohne Widerrede ausführen. Jeden.
Sie kam zurück mit einem Tablett auf dem ein Glas gefüllt mit roter Flüssigkeit stand. Ihr Herr lächelte dankbar das glatte Eisen an und nahm elegant das Glas in seine Hand.
Er schaute nach rechts zu der nächsten Loge saß ein nervös wirkender Mann. Er blickte nicht auf die Bühne, sondern hin und her, so als schiene er in Gedanken vertieft zu sein. Er war in ein dunkelrotes schweres Gewand gehüllt, welches sein Übergewicht eher betonte als verbarg. Ihre Blicke trafen sich.
Er lächelte und hielt ihm sein Glas entgegen. Sein Lächeln wurde leicht erwidert.
Das Glas an seine Lippen haltend, hob er es an die Lippen und die Flüssigkeit rann in seinen Mund.
Blut.
Er schmunzelte vergnügt.
Nein. Es war nur ein vorzüglicher Jahrgang.
Er besaß eine Kiste von diesem Wein, die einen unschätzbaren Wert hatte. Er hatte Grund genug diesen Wein zu genießen.
Den hatte er. Er blickte wieder zu dem nervösen übergewichtigen Mann.
Ja.
Seine strahlend grünen Augen wendete er wieder der Bühne zu und er lauschte voller Erregung jedem Klang.

Ein sanfter Windstoß ließ Sandkörner gegen die Zeltplanen der kleinen drei Zelte schlagen. Das Flattern der Plane schreckte Tira auf und sie wendete sich von dem Tisch, auf der verschiedene Karten ausgebreitet lagen, ab. Mit den Fingern an ihrer linken Hand rieb sie sich ihre müden Augen. Sie ordnete die Karten zu Stapeln und nahm den Wasserkanister vom Boden. Sie trank bis ihr Durst gestillt war, dann legte sie den Kanister wieder auf den gelben Sand. Mit einem Gähnen verließ sie das Zelt und blickte unter ihrer linke Hand, die sie schützend wegen des starken Sonnenlichts gehoben hatte, auf das in den Fels geschlagene Tempelgebäude. Verteilt standen Personen an der Fassade und gingen den von ihr aufgetragenen Arbeiten nach. Bis auf eine. Tiras weiße Kutte wehte mit den vereinzelten Windstößen, als sie sich dieser Person, die im Schneidersitz ein Gewehr quer auf ihren Beinen liegend auf einer umgestürzten Säule saß, näherte.
„Juno, was tust da bitte?“
Die Angesprochene drehte sich zu ihr und runzelte die Stirn über die an sie gestellte Frage.
Tira zeigte mit ihrem rechten Zeigefinger an der bionischen Hand auf das Messer in der Hand der Anderen.
Juno betrachtete ihr Messer auf dem ein Skorpion aufgespießt noch ein wenig zuckte um schließlich zu sterben.
„Ich soll doch Gefahren ausschalten. Oder habe ich etwas falsch verstanden?“
„Mit Gefahren meinte ich richtige Gefahren, Juno. Keine Skorpione!“
Den Schwanz vom Skorpion abbrechend sprach Juno.
„Wissen Sie, Tira, wie tödlich die Flüssigkeit in diesem kleinen Stachel ist?“
Sie drehte den Schwanz hin und her, während sie diesen genau begutachtete.
„In 7 Minuten liegen Sie röchelnd am Boden und ersticken an Ihrem eigenen hervorquellenden Blut.“
Während Juno redete, würdigte sie Tira nicht mit einem einzigen Blick.
Nach kurzer Stille legte Tira ihre Hände an ihre Hüfte und redete im ernsten Ton zu Juno.
„Solang Theodor…“
„Für uns alle und auch für Sie immer noch Inquisitor Monterral.“, unterbrach Juno immer noch den Skorpion betrachtend.
„Solang Theodor abwesend ist, habe ich das Kommando! Du unterstehst Theodor! Er hat mir das Kommando übergeben und du folgst diesem auch! Verstanden?“
Tira hatte fast schon geschrien, fasste sich dann wieder und blickte zornig Juno an.
Diese entfernte den Skorpion von ihrem Messer und warf ihn samt dem Schwanz in den gelben Sand. Dann schob sie das Messer in ihre Lederscheide am rechten Oberschenkel, hob langsam ihr langes Gewehr und hielt es so senkrecht, dass die Spitze in den strahlend blauen Himmel wies.
„Verzeiht.“
Nach diesem Wort zog sie die Kapuze ihres weißen Mantels über die kurzen schwarzen Haare auf ihrem Kopf und spähte Juno hinaus in die Leere der Wüste.
Tira stampfte mit zusammengeballten Fäusten leise fluchend auf eine Person in einer langen dunkelgrünen Kutte zu. Neben der Person scannte ein Servitor die Schriftzüge auf einer schweren Steintafel, die dann auf dem Bildschirm der Datentafel, die mit dem Servitor in der Hand dieser Person deutlich erschienen.
„Schon wieder eine unangenehme Auseinandersetzung mit Juno?“, begann die Person mit rauer Stimme.
Tira schwieg und betrachtete die Schriftzeichen auf dem Bildschirm.
Juno und sie hatten schon immer Auseinandersetzungen. Juno nannte jeden im Stab mit seinem Nachnamen und Titel. Sie duzte niemanden, denn das war ihrer Meinung nach Inkorrekt. Außer Tira. Juno sprach Tira immer mit ihrem Vornamen an, wie es alle taten, nur dass Juno diesen in einem herabwürdigenden Ton aussprach. Als Tira sie einmal darauf ansprach, warum sie das tue, antwortete sie, dass sie nur Mitglieder respektiere werde, die sich im Kampf bewiesen haben. Tatsächlich hatte Tira kaum an Kampfhandlungen teilgenommen, da sie fast immer mit Untersuchungen beschäftigt gewesen war. Sie war schon immer mehr Gelehrte als Kämpferin gewesen. Seitdem hoffte sie jedoch insgeheim, sich irgendwann zu beweisen.
„Wie laufen die Aufzeichnungen, Ciru?“
Ciru atmete tief ein, wodurch er ein rasselndes Geräusch von sich gab.
„Die Schrift ist alt. Sehr alt. Welche Art von Xenos können es sein?“
„Ich habe diese Zeichen schon mit anderen Aufzeichnungen aus deinem Archiv verglichen. Bis jetzt konnte ich keine ähnlichen Zeichen entdecken.“
Tira runzelte nachdenklich die Stirn und konzentrierte sich auf die Datentafel in der behandschuhten Hand von Ciru.
Die Kapuze vom Kopf ziehend reichte er Tira die Datentafel und fuhr sich mit der Hand über seinen kahlgeschorenen Kopf aus dem hinten Kabel und Schläuche heraus in seine Kutte hineinliefen. Tira strich mit dem Zeigefinger ihrer linken bionischen Hand über den Bildschirm, um durch die aufgezeichneten Schriftzeichen zu wechseln.
„Ich schätze, dass Theodor sicher mehr wissen wird als wir zwei.“
Tira nickte zustimmend. Sie beobachtete aus ihrem Augenwinkel heraus, wie Ciru sich zu dem Eingang des Tempels bewegte. Er blieb davor stehen und blickte in das dunkle Innere.
„Ich hoffe, er wird bald zurück sein. Wir waren noch nicht sehr tief im Tempelkomplex.“
Der Servitor beendete seinen Scanvorgang und verkabelte ihre bionische Hand mit der Tafel. Die ganzen Aufzeichnungen wurden auf ihre Hand gespeichert. Ciru hatte speziell für sie diese Hand entworfen, als sie sich selbst die Hand abgeschlagen hatte, nachdem sie bei der Untersuchung eines Eldarrelikts im Dschungel von Deyron von einer giftigen Schlange in diese gebissen worden war. Das Gift der Schlange hätte ihr den sicheren Tod beschert, aber Tira wollte lieber eine Hand verlieren als ihr Leben. Die Hand war ein Datenspeicher, der ein enormes Speichervermögen und noch weitere Eigenschaften besaß falls jemand gewaltsam an das Gespeicherte wollte.
„Haben wir nun alle äußeren Tafeln registriert und aufgenommen?“
Ciru antwortete jedoch nicht, sondern blickte ohne die geringste Regung weiter in das Dunkeln.
„Ciru?“
Ciru wendete sich um und Tira betrachtete ihn forschend.
Er war Techpriester vom Adeptus Mechanicus. Es war nur beim Ordo Xenos üblich, dass es eine Zusammenarbeit von Inquisition und dem Adeptus gab.
Ciru war bis auf den bleichen Kopf vollständig eine Maschine geworden, dessen Urheber er selbst war. Es war üblich bei den Adeptus Mechanicus Anhängern mit bionischen Erweiterungen die fleischlichen Teile zu ersetzen.
Er war stets in einen dunkelgrüne Kutte mit Kapuze gehüllt. Aus seinem breiten Rücken gingen ein Servoarm und einige Kabelstränge heraus. Tira glaubte, dass viel mehr als diese Sachen in seinem mechanischen Körper waren und jedes hatte einen bestimmten Zweck.
Nur ein einziges Mal hatte sie ihn bei der Arbeit beobachtet. Nämlich während der Anbringung ihrer bionischen Hand. Es war ein interessantes Schauspiel. Sie besaß schon vorher eine bionische Hand, doch als Ciru diese bemerkte, kam ein rasselndes Geräusch aus seiner stählernen verkabelten Maske, die den Mund und die ganze untere Gesichtshälfte bedeckte, was Tira als Lachen deutete. Danach bot er ihr an eine Neue an ihr anzubringen und fertigte ihr seine Version von einem Bionic an.
Tira vernahm Schritte im Sand hinter sich.
Es war Darge. Darge der Soldat.
Eigentlich lautete sein Vorname Axayoyn, aber seit Juno ihn wegen ihrer Korrektheit immer mit dem Nachnamen anredete, folgte bald jeder ihrem Beispiel, da jedem der Name besser gefiel und vor allem leichter auszusprechen war. In Darges urtümlicher Sprache musste man diesen kompliziert betonen, was jedem schwer gefallen war.
„Was gibt es, Darge?“, fragte Tira.
„Juno hat einen Flieger ausgemacht.“
„Theodor?“
„Dem Flugstil nach zu urteilen, so Juno, ist es mit Sicherheit Gho. Bestimmt wird auch Theodor in dem Flieger sein.“
Langsam landete der schwarze Flieger und drehte sein Heck gen Tempel. Wie immer richtete Juno ihr Gewehr auf die Ausstiegsluke des Fliegers. Sie war immer sehr argwöhnisch und vertraute nur Theodor. Tira gefolgt von Darge näherten sich beide mit einer Hand den aufwirbelnden Sand abwehrend dem Flieger. Die Luke öffnete sich zischend und schwarzlederne Stiefel schlugen auf diese, als eine Person aus dem Flieger hinausging.
Ein Meter dreiundachtzig groß, junges attraktives Gesicht, kurze blonde Haare und muskulöse Statur zeichneten diese Person äußerlich aus.
„Theodor“, sagte Tira.
„Ich grüße euch“, sagte Theodor warm, doch dann nahm seine Stimme einen strengen befehlenden Ton an.
„Tira, du bereitest alle wichtigen Werkzeuge vor und verteilst sie an Juno und Darge. Darge und Juno, ihr beide prüft eure Waffen und schafft die Servitoren in den Flieger. Ciru, ich bin sicher, du weißt was du tun sollst. Ich will, dass es schnell geht! Also los!“

Der stahlverkleidete Gang war von einigen Lampen schwach erhellt und das wenige Licht, das sie warfen, spiegelte sich in den vereinzelten Pfützen auf dem schmutzigen Boden. Das Aufschlagen von schweren Stiefeln hallte durch den sonst so stillen Gang. Plötzlich stoppte das Geräusch. Es folgte ein kaum zu vernehmendes Surren.
Nach einiger Zeit erschien aus einem dunklen Teil des Ganges ein roter Punkt. Daraufhin wurde der Besitzer der Stiefel kurz in einen roten Lichtschein getaucht. Ein Klicken leitete ein weiteres Surren ein. Dann nach und nach schälte sich aus dem Schwarz ein schwebender Servoschädel. Dieser flog langsam in den Schein einer Lampe, wo er dann in der Luft stehen blieb.
„8317 erkannt. Zutritt freigegeben“, kam es rasselnd aus dem Schädel.
Nun schlugen die dicken Sohlen wieder in dem gleichen monotonen Rhythmus auf den stählernen Boden auf. Vor einer stählernen Tür verstummten die Stiefel schließlich wieder. Feingliedrige Finger flogen über digitale Zeichen auf einem kleinen grünen Bildschirm neben der Tür. Mit einem Zischen öffnete sich diese.
Syph trat in einen Vorraum, in welchem sie wiederholt in rotes Licht getaucht wurde. Sie fuhr sich mit der rechten Hand durch ihre langen kastanienbraunen Haare und wartete auf das Signal. Mit einem weiteren Klicken schwang die zweite dicke Stahltür auf und offenbarte einen großen Raum, in den Syph hineinging.
Mit dem Rücken zur der gerade sich wieder schließenden Türe saß ein Mann auf einem grauen schlichten Stuhl.
„Wie bist du diesmal eingedrungen?“
Strahlend blaue Augen beobachteten die eingetretene Person aufmerksam.
„Oh Syph.. Wie geht es dir?“
Syph zog den schwarzen Mantel aus und legte ihn über einen der grauen Stühle, die an dem Tisch, der in mitten des spartanisch eingerichteten Raumes standen.
„Lüftungsschacht, Nummer 3. Der Alarmlaser war lächerlich. Das war Akkarn, richtig?“
Mit einem bejahenden Nicken verließ den Raum und betrat einen anderen, in welchem Bildschirme an die Wände angebracht waren. Jeder zeigte Aufnahmen von Kameras und Servoschädeln, die dazu dienten, dass keine Überraschungen eintrafen.
„Jedenfalls habe ich den Laser modifiziert und sobald jemand ihn ausschalten will… Bumm!“
Er grinste sie schief an und entblößte seine weißen Zähne.
„An was arbeitest du da?"
Auf dem Tisch verstreut lagen verschiedene Zahnräder, Kabel und andere verschiedene mechanische Gegenstände von denen der Mann immer wieder eines nahm und in seine Konstruktion baute.
„Einen Störsender. Einen Verbesserten. Den hätte ich gebraucht, dann wäre es nicht so kompliziert gewesen dort einzudringen. Ich werde ihn sicher das nächste Mal gebrauchen.“
Die Finger der weißen Hände des Mannes waren geschickt und wussten, was sie taten. Obwohl der Adeptus Mechanicus ihn dafür zum Ketzer erklärt hätte, wenn er etwas davon erfahren würde..
„Wenn es ein nächstes Mal geben wird“, murmelte Syph und rieb sich ihre Augen und schritt gähnend vom Tisch weg.
„Oho! Das wird es, das wird es.“
Syph drehte sich um.
„Claenn, wie meinst du das?“
„Ganz einfach so, wie ich es dir gerade gesagt habe, Syph. Ich habe nämlich nichts gefunden, was den Verdacht von Constantin bestätigen konnte.“
„Hast du Bilder gemacht?“
„Sicher.“
Mit seinem schiefen Grinsen überreichte er ihr den Apparat.
Sie wollte diesen gerade einschalten, als ein Summen ertönte und das rote Lämpchen an der Tür grün aufleuchtete. Die Stahltür schwang auf und ein großer breiter Mann mit kurzen blonden Haaren, die streng nach hinten gekämmt waren, trat mit einer Tasche in einer Hand, die an jedem Finger einen goldenen Ring trug, ein.
„Syph. Claenn.“
Der Mann nickte.
„Wie immer sehr gesprächig, Konrad“, sagte Syph trocken.
„Schweigen ist Gold.“
Syph betrachtete ihn kurz, wie er die Tasche auf einen Stuhl legte und in einen anderen Raum ging, um sich dann wieder dem Apparat zu widmen. Sie schaltete ihn ein.
„Welchen Raum wollte Constantin sehen?“
„Den Rubinsaal.“
Syph klickte durch die Bilder. Die Innenarchitektur erklärte, warum der Raum diesen Namen trug. Er war in Rot ausgekleidet. Rötlicher Marmor sowie rote Kerzen, waren viele andere Sachen ebenso rot.
„Ein sehr schöner Raum.“
Syph hielt inne, überrascht durch ihre Worte, die sie an etwas erinnerten.
„Du hast doch etwa nichts geklaut?“
Sie funkelte Claenn an. Dieser stoppte seine Arbeit und warf Syph einen verwirrten Blick zu.
„Nein… Nein, ich bin mir sicher, dass ich nichts geklaut habe.“
Er vertiefte sich wieder in seine Arbeit. Sie nickte, studierte aber immer noch seine Züge, um eine Lüge zu finden.
Claenn war Kleptomane. Es war krankhaft. Er musste stehlen und er wusste von seiner Leidenschaft, der er ohne über Konsequenzen nachzudenken schon zu oft nachgegangen war. Es hatte ihn zu einem meisterhaften Dieb gemacht. Er konnte perfekt Schlösser, Codes und Systeme knacken. Constantin hatte diese Eigenschaften erkannt, welche er unbedingt benötigte und ein Zufall brachte Claenn zu ihm. Der Zufall nannte sich Versagen.
Konrad Maecenas betrat den Raum wieder. Er hatte seinen Mantel ausgezogen, so dass man seine eng anliegende Lederweste und die unbedeckten muskulösen Oberarme sehen konnte.
„Wo ist Akkarn?“
„Constantin hat ihm befohlen sich in der Nähe aufzuhalten.“
Konrad nickte. Syph reichte ihm den Apparat mit den Bildern zu. Er schaute sie verwundert an.
„Es sind die Bilder von dem Raum.“
Er nahm den Apparat in seine Hände und Syph wartete auf eine Antwort von ihm, während im Hintergrund Claenn herumhantierte.
„Ich erkenne nichts Auffälliges.“
„Constantin wird die Bilder sicher auch sehen wollen. Ich bin sehr gespannt, ob er fündig wird, damit wir gegen ihn vorgehen können.“
„Hoffentlich.“
„Konrad, glaub mir. Wir sind erst drei Monate hier und ich kann diesen Planeten nicht mehr ausstehen.“

Vahid rannte. Er rannte trotz der Mittagshitze, in der die Sonne erbarmungslos auf die zahlreichen Lehmhäuser und den trockenen, wassergierigen Boden brannte, durch die verwinkelten Gassen. Er befürchtete das Schlimmste und hoffte dennoch insgeheim, dass dies nicht der Fall war. Schon am Morgen hatte er dieses Gefühl gehabt und es hatte ihn noch nie betrogen. Doch hatte er es ignoriert. Wie es sich herausstellte, hatte sich das jetzt gerächt.
Als seine Frau sich meldete, erkannte er, dass er keine Zeit verlieren durfte.
Er war beim Markt, wo Tücher, die über die Straße aufgespannt worden waren, Schatten spendeten, angekommen und musste seinen Lauf verlangsamen. Auf dem Markt wimmelten es vor Händlern und Käufern, obwohl es Mittagszeit war und so musste sich Vahid durch die Menschen drängen so gut es ging. Er wurde nervös. Was wenn er zu spät kam? Was wenn SIE es bemerken würden?
Er stieß die Leute nun gröber beiseite, ohne darauf zu achten, ob er deswegen beschimpft und angeschrien wurde. Er konnte nicht den ganzen Tag damit verbringen, sich behutsam an den Menschen vorbei zuschieben, dafür hatte er keine Zeit.
Endlich hatte er sich durch die Marktgasse gestoßen und gedrängt.
Er durfte nicht zu spät sein. Er musste noch vor IHNEN da sein!
Plötzlich spürte wie jemand seine weiße Kaftane festhielt.
„Lass mich los, du…!“, schrie er verärgert auf und wandte sich mit geballten Fäusten um.
Seine Worte blieben ihm im Hals stecken.

Nachdem der Applaus sein Ende gefunden hatte, schloss sich der Vorhang und der Saal leerte sich langsam. Wegen des Festtages und der Aufführung von Vatroons Werk hatte das Opernhaus ein Festessen, welches ein großes Büffet enthielt, vorbereitet. Während der Großteil der Zuschauer das Opernhaus verließ, versammelten sich die Ehrengäste sowie die, die in den gehobenen Logen das Schauspiel beobachtet hatten, in dem großen Saal unter der mächtigen Glaskuppel. Verschiedene erlesene Spezialitäten vom ganzen Planeten waren auf einem langen Tisch in der Mitte verteilt und Opernangestellte servierten diese auf teuren Porzellantellern den Gästen. Kellner schritten mit immer vollen Tabletten, auf denen alkoholische wie alkoholfreie Getränke in Kristallgläsern standen, herum und boten sie mit einem freundlichen Lächeln an.
Während die Gäste hungrig und gierig sich um diesen Tisch versammelten, schritt ein Mann mit einem langen hellblauen Gewand um sie herum und beobachtete sie mit gelangweilter Miene. Bis jetzt hatte er noch keine Spezialität, die seinem Geschmack entsprach, gefunden. Er sehnte sich an seine Gemächer, aber es wurde von ihm verlangt den Abend hier zu verbringen. Er hasste solche Abende.
Da stand sein Vater und unterhielt sich mit dem Oberhaupt der Phaprinas. Auf seinen Gehstock gestützt, redete er mit seiner festen klaren Stimme, als er bemerkte, dass sein Sohn ihn ansah. Er entschuldigte sich kurz bei seinem Gesprächspartner und mit leicht gebeugtem Gang ging er auf ihn zu. Seine Augen verengten sich abfällig und blickten sich bohrend in die seines Sohnes. Er ergriff eines seiner Handgelenke, welches er trotz seines hohen Alters, so fest drückte, dass es schmerzte.
„Willst du mich blamieren? Ich will nicht, dass mein ältester Sohn wie ein Hund, um den Tisch herumläuft. Benimm dich wie ein würdiger Lorrzano und nicht wie einer dieser neureichen Bastarde der Jalghar“, sagte er leise im strengen Tonfall.
Er löste seinen Griff.
„Estiel, du tust, was ich dir befehle oder ich schicke dich nach Al-Barham. Dort kann dir die heiße Sonne vielleicht deine Vermessenheit aus deinem Hirn ausbrennen.“
Sein Vater blies verächtlich durch seine spitze Nase und wendete sich von seinem Sohn ab, um wieder das Gespräch mit dem Phaprina weiterzuführen.
Das große Adelsgeschlecht der Lorrzano war eines der fünf großen Häuser auf Werdun. Estiel war der Älteste von drei Söhnen von Rhamon, dem Oberhaupt dieses Hauses. Er war der legitime Nachfolger und wurde von seinem Vater streng überwacht, damit er auch ein würdiger Nachfolger wird. Er hatte zwar Freiheiten, aber wenn er zu einer öffentlichen Veranstaltung musste, durfte er keinen Befehl seines Vaters verweigern.
Al-Barham.
Estiel rieb sich verärgert das Handgelenk und bewegte sich in Richtung des Buffets.
Vor ein paar Jahren hatte er sich seinem Vater widersetzt und er wurde in diese Stadt in der Wüste
geschickt. Dort besaß das Lorrzanohaus Ölquellen und Estiel übernahm die Verwaltung anstelle eines normalen Dieners des Hauses.
Er hatte es gehasst. Mehr als diese Abende, mehr als alles.
Die ständige Hitze hatte seiner weißen Haut oft Verbrennung beschert und hatte ihm fast den Verstand geraubt. Doch hatte er stur sich geweigert, sich bei seinem Vater zu entschuldigen.
Nach einem halben Jahr war er gebrochen.
Etwas, dass immer noch an Estiel nagte und für was er sich, vor allem aber seinen Vater verfluchte.
Als er seinen Teller mit dem Dîn-Tar, ein in kleine Portionen geschnittenes Herz eines großen Vogels aus den Wäldern von Werdun, bekommen hatte, steuerte er mit diesem in der Hand eines der Gemälde an der Marmorwand an. Das Gemälde prüfend stocherte er mit seiner Silbergabel im Teller herum und dachte an sein Vorhaben. Seine Laune verbesserte sich, nur an den Gedanken daran.
Wie würden die Leute ihn bewundern, wenn sie erfahren würden, was er in Auftrag gestellt hatte.
Er lächelte.
Sein Blick wanderte nun wieder durch den Saal und er studierte ihn sowie die Menschen.
Die gewaltige Kuppel wurde durch kreisförmig angeordnete Marmorsäulen getragen. Es gab zwei verschiedene Arten von Säulen, welche von Flacenso ausgesucht worden waren: Spiral- und Normalförmige. Der Wechsel der Säulen fand von innen nach außen statt. Der Architekt war ein Liebhaber der Ästhetik und Symmetrie gewesen und seine Bauwerke zeigten das sehr deutlich. Aber er war auch ein wenig größenwahnsinnig gewesen in seiner Leidenschaft. Viele Auftraggeber standen plötzlich vor horrenden Summen, als das Gebäude fertig gestellt worden war. Das hatte ihm Feinde unter diesen gebracht, aber Verehrer unter denen, die seine Werke gesehen hatten.
Die Menschen, verunreinigten aber diese Schönheit. Er verachtete die Gesellschaft unter der er sein musste. Eine reine Inzuchtgesellschaft, mehr nicht, dachte er sich und schüttelte seufzend den Kopf.
Allerdings war Estiel nie ein Menschenfreund gewesen. Er liebte nur sich selbst und die Kunst.
Zeline Tara Phaprina tänzelte leichtfüßig zu ihm. Ihr langes blondes Haar bewegte sich sanft zu ihrem Schritt. Sie war die älteste Tochter des Oberhauptes der Phaprinas und auch die wunderhübscheste wie alle sagten. Estiel wusste, dass sie ihn interessierte. Nicht aber er für sie.
„Einen schönen Abend, Estiel“, sagte sie mit ihrer hellen und klaren Stimme, wobei sie ihm ihre weiße Hand entgegenstreckte.
„Ja, sehr schön“, sagte Estiel monoton und berührte mit seinen Lippen leicht ihre zarte Haut auf dem Handrücken.
„Sie standen da so allein und ich dachte, ich geselle mich zu Ihnen.“
„Ach, dachten Sie das?“
Zeline ignorierte seine Antwort und ließ ihren Blick schweifen. Estiel seufzte und spießte mit seiner Gabel ein Stück, welches er zu seinem Mund, auf seinem Teller auf.
„Ihr Vater redete vor ein paar Minuten mit mir.“
Estiel unterdrückte eine sarkastische Bemerkung, als er die strengen Augen seines Vaters, die auf ihn gerichtet waren, erblickte.
„Ein seltsamer Mann rempelte aber Ihren Vater und fing dadurch ein Gespräch mit ihm an.“
„Ein seltsamer Mann?“
„Ja, er redet immer noch mit Ihrem Vater.“
Sie deutete auf einen Mann mit gerader Haltung der mit verschränkten Händen hinter dem Rücken mit seinem Vater sprach. Estiel war er zuvor nicht aufgefallen. Der Mann war alt, vielleicht fast so alt wie sein Vater.
„Sie scheinen sich irgendwie sehr ähnlich zu sein.“
Überraschenderweise musste Estiel Zeline zustimmen. Beide strahlten eine gewisse Stärke, trotz ihres hohen Alters, aus, beide waren gleich groß und beide hatten sehr ähnliche Gesichtszüge. Estiel besah sich den Mann nun mehr. Er ließ Zeline allein stehen und ging ein paar Schritte auf eine Säule zu, um ihn besser zu sehen.
Der Mann war in einen dunkelroten Mantel mit Goldrand, der seine Haltung nur noch mehr betonte, gehüllt und trug schwarze Lackstiefel. Sein langes weißes Haar war nach hinten gekämmt und hing in seinen hohen Mantelkragen hinein. Offensichtlich führten die beiden ein interessantes Gespräch miteinander.
Estiel blinzelte überrascht, als ihm auffiel, dass der Mann ihn mit seinen matten blauen Augen anschaute. Sein Vater wies auf Estiel und beide gingen auf ihn zu.
„Wahrlich ihre Behauptungen über unsere Wirtschaft sind bemerkenswert. Sie sind mit Sicherheit der Einzige von diesem verkommenen Haufen, der weiß, wie es um unseren Planeten steht. Ach, darf ich Ihnen meinen Ältesten vorstellen? Estiel ist sein Name.“
Der Mann nickte ihm lächelnd zu, ohne die Hände hinter seinem Rücken hervorzuholen.
„Sehr erfreut“, sagte er mit fester Stimme.
„Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Herr…?“, entgegnete ihm Estiel.
Der Vater beantwortete seine Frage.
„Herr Arhu van Gonn. Ihn zog die Aufführung an und er spielt mit dem Gedanken sich hier wirtschaftlich zu integrieren.“
Die Augen des Mannes studierten Estiel. Er konnte es fühlen. Fast so als würde er in seinen Verstand eindringen wollen. Estiel mochte so etwas nicht im Geringsten. Er musste diesen Mann ablenken.
„Wie lange haben Sie entschieden uns mit Ihrer Anwesenheit zu beglücken?“
„So lange wie nötig“, sagte dieser Gonn und lachte auf.
Sein Vater fiel ein. Estiel beschränkte sich auf ein Lächeln.
„Nun muss ich Sie aber leider verlassen. Ich würde gerne noch bleiben, leider rufen geschäftliche Angelegenheiten nach mir.“
Sein Vater legte ihm eine Hand auf die Schulter. Estiel verwunderte das Verhalten seines Vaters immer mehr. Erst lachte er mit, wo er bei anderen nur lächelnd nickte und dann diese freundschaftliche Geste, die nie bei ihm vorkam.
„Ich bitte Sie, uns die Freude zu bereiten, morgen am Nachmittag mit uns zu speisen.“
Verblüfft über diese Worte hob Estiel seine Augenbrauen.
„Ich würde mich gerne noch länger über unsere Themen unterhalten, da wir beide die selben Gedanken haben und Ihnen, falls Sie immer noch Interesse haben, zeigen, wo ihr Geld am besten aufgehoben ist.“
„Es ist mir eine Ehre. Kann ich das denn annehmen?“
„Natürlich, Verehrtester.“
„Dann nehme ich ihr Angebot an.“
„Gut, ich erwarte Sie am späten Nachmittag im Hause Lorranzo. Sie werden leicht hinfinden. Jeder in der Stadt kennt das Gebäude.“
„Vielen Dank, ich wünsche Ihnen einen schönen Abend, Vater Lorranzo.“
Der Mann schritt bedächtig in Richtung Ausgang, während Estiel ihm nachsah. In seinem ganzen Leben war er noch nie Zeuge einer solchen Begebenheit gewesen und konnte es immer noch nicht fassen. Sein misstrauischer Vater hatte diesen fremden Mann in sein Haus eingeladen, was manche Bekannte noch immer nicht erreicht hatten.
„Ein bemerkenswerter Mann“, sagte sein Vater und wendete sich um, da er angesprochen worden war.
Unterdessen war der Mann beim Ausgang angelangt und ein anderer großer Mann, mit einem langen schwarzen Ledermantel mit hohem Kragen, schälte sich aus einer dunklen Nische hervor. Er ging nun neben dem Mann aus dem Saal heraus.
Ja, ein bemerkenswerter Mann, dachte sich Estiel. Wirklich bemerkenswert.

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