Auch so ein Thema, das mich sehr umtreibt momentan. Ich versuche mal wieder, das etwas zu strukturieren:
Gesetzliche Lage:
Die gesetzliche Regelung ist relativ klar: Artikel 5 des Grundgesetzes sagt: "Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt."
Klar, es gibt einschränkende Regelungen: Jugendschutz, Schutz der persönlichen Ehre z.B. Wer also hofft, seine beleidigenden Pöbeleien seien von der Meinungsfreiheit gedeckt, wird enttäuscht werden. Diese Regelungen sind auch sinnvoll, denn sie garantieren ein Mindestmaß an gesellschaftlichem Zusammenhalt, so wie es auch der Sinn und Zweck aller vorhandenen Einschränkungen persönlicher Freiheit ist. Die Verfassung fordert also auch eine gewisse Selbstreflexion und -kontrolle, indem sie die Grenzen der Meinungsfreiheit relativ weit fasst.
Im Allgemeinen bedeutet das aber: Jeder darf in diesem Lande sagen und denken, was er will, solange er damit niemand anderem schadet.
Beeinflussung der öffentlichen Meinung durch den Staat:
Als Beispiel muss hier mein "Lieblingsthema" Gender Mainstreaming herhalten. Aus Sicht der Befürworter der Gender-Theorie sind alle Menschen, die hetreosexuell sind und das normal finden, gefangen in einer sog. "Zwangsheteronormativität". Dieser Wort meint: Heterosexualität sei nur eine gesellschaftliche Norm, die veränderbar ist, und durch die Gesellschaft im Laufe der Jahrhunderte mehr oder weniger "einstudiert" wurde. Anspruch dieser Bewegung ist das Aufbrechen dieser "traditionellen Rollenschemata" und die "Befreiung" all derer, die eingepfercht sind in ihren sexuellen goldenen Käfig. Sprich: Eine Änderung der Norm und damit auch der öffentlichen Meinung.
Man könnte dies schnell als universitäre Spinnerei abtun, wenn es denn nicht eine staatliche Handlungsmaxime wäre. Die Beeinflussung erfolgt v.a. durch das Konzept der "Visibility", d.h. der Sichtbarmachung. Alle möglichen Beziehungsformen, Familienbegriffe und auch sexuellen Spielarten werden nebeneinander gestellt und sollen beiläufig Einzug finden in z.B. Schulbücher. Dadurch wird die Illusion erzeugt, eine Norm gebe es gar nicht, denn Diskriminierung beginne nicht erst bei Benachteilugung bestimmter Gruppen, sondern bereits bei der Unterscheidung. D.h. wenn man dies nicht täte, wäre es zum Schaden der 10% der Gesellschaft, die nicht heterosexuell sind. Man bezieht sich also in gewisser Weise auf die Klausel, die die Meinungsfreiheit einschränkt, wenn man anderen Personen schadet.
Man sieht an diesem Beispiel: So wichtig und richtig diese Klausel an sich ist, so biegsam ist sie leider auch. Es gibt offensichtliche Fälle, bei denen anderen durch freie Meinungsäußerung Schaden zugefügt wird (v.a. Beleidigung oder auch Volksverhetzung), aber es gibt auch eine riesige Grauzone, derer sich Gruppen oder Einzelpersonen gelegentlich zu bedienen versuchen, wenn sie sich dadurch persönliche Vorteile verschaffen können.
Im konkreten Fall also: Der Staat hat nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, Minderheiten jeglicher Art zu schützen. Er muss eingreifen, wenn Beleidungen oder gar tätliche Angriffe passieren oder Leuten aufgrund ihrer sexuellen Orientierung Nachteile widerfahren (dass sie z.B. nicht eingestellt werden aufgrund ihrer Homosexualität). Wenn der Staat aber seine Bürger dazu erziehen will, sowas normal oder gut zu finden, hat er seine Kompetenzen längst überschritten. Das sind höchst subjektive Fragen und jeder Mensch kann und soll für sich selbst entscheiden, was er für normal hält und was nicht.
Wenn der Staat versucht, bestimmte Haltungen durch Erziehung der Bürger aus der Welt zu schaffen, dann schränkt er dadurch die Meinungsfreiheit ein, denn er unterteilt so die gängigen Meinungen in erwünscht und unerwünscht. Man braucht für so etwas nicht zwingend ein Gesetz.
"Lügenpresse":
Der Vorwurf der Lügenpresse ist Unfug. Und es besteht tatsächlich auch kein Kartell aus Medien, "der" Politik und der bösen Wirtschaft. Die Journalisten schreiben allesamt das, was sie für richtig halten.
Einseitigkeit gibt es trotzdem, sie kommt allerdings daher, dass eine große Mehrheit der Journalisten eher links eingestellt ist. Insofern kann ich einen gewissen Unmut verstehen, aber warum man immer gleich eine Verschwörung annehmen muss, wenn die Erklärung so nahe liegend ist, ist mir unbegreiflich...
Ein Phänomen, das mir gelegentlich auffällt, ist allerdings die Vermischung von Berichterstattung und Kommentar. Berichterstattung hat neutral zu sein, es kommt aber mittlerweile recht häufig vor, dass z.B. durch bestimmte Adjektive immer unterschwellig eine Wertung des Autors mitschwingt und durch diese Beiläufigkeit auch den Leser unterschwellig beeinflusst, denn: Neutrale Berichterstattung ist ja objektiv und berichtet werden nur Fakten. Beispiele wären z.B. "die rechtspopulistische AfD" oder "das umstrittene Betreuungsgeld". Ob diese Zusätze nun stimmen oder nicht, ist zweitrangig, wertend sind sie aber allemal und dementsprechend gehören sie in einen Kommentar, aber nicht in die Berichterstattung. Denn Wertungen sind Meinungen und keine Fakten.
Beeinflussung der Meinung per se durch die Medien ist nichts schlimmes und normal. Aber man muss sie auch als solche erkennen können und gerade die öffentlich-rechtlichen Medien haben die Aufgabe einer ausgewogenen Berichterstattung. Bei den letztgenannten sieht man jedoch die gleichen Pänomene wie bei den Privaten.
Fazit:
Von einer Einschränkung der Meinungsfreiheit kann nur teilweise die Rede sein. Keiner wird ins Gefängnis geworfen oder muss Strafe zahlen, weil er die "falsche" Meinung vertritt. Vergleiche mit DDR oder Drittem Reich sind an dieser Stelle also absolut überzogen und unzutreffend.
Aber man braucht nicht zwangsläufig Gesetze, um die Meinungsfreiheit einzuschränken. Durch "soziale Kontrolle" kann das auch passieren, denn wer befürchten muss, dass ihn gesellschaftliche Nachteile (z.B. Verlust von Ansehen) erwarten, wenn er eine "unerwünschte" Meinung vertritt, der wird sich zwei Mal überlegen, ob er diese laut äußert. Sylverback hat ja bereits eine ganze Palette an Kategorien aufgezählt, in die man heutzutage gerne hineingesteckt wird. Es gibt bald nur noch Rassisten, Gutmenschen oder Reaktionäre.
Mir bereitet diese Entwicklung durchaus Sorgen, denn nicht Vielfalt, Wechsel oder Stabilität sind die Eckpfeiler der Demokratie - sondern die Meinungsfreiheit.