Aber vielleicht ist genau auch das Problem: Wir versuchen ständig der Wahrheit näher zu kommen, anstatt unser Potential erstmal so zu nutzen, dass wir überhaupt voran kommen.
Wahrheit müsste etwas nebensächliches werden und der Mensch sollte sich auf seine Weiterentwicklung konzentrieren.
Das scheint mir richtig zu sein. Der natürliche Antrieb ist letzten Endes immer auch die Evolution?
Quälende Fragen werden nur zur Depression und führen zur Verzweiflung. Gewissheit indes kann man entweder nur aus Glaube, oder aus Wahrheit, oder aus sich selbst gewinnen.
Also vielleicht ist das der Sinn der Fragen: Den eigenen Weg zur Gewissheit zu finden, um nicht am Leben zu zerbrechen? Denn Fragen muss man nur, wenn Missstände oder Ungereimtheiten bestehen, die hinterfragt werden müssen, damit man sie verändern kann.
Traurig ist dann nur, wenn eben jene Dinge, die eigentlich Gewissheit geben sollten, nämlich Glaube, Wahrheit und man Selbst, hinterfragt werden (müssen).
Aber wenn man sich einmal sicher ist, heißt das nicht, dass man sich immer sicher ist. Der Zweifel löscht alte Gewissheiten und bringt neue hervor. Gestern war die Welt ein wunderschöner Ort, heute ist sie die Hölle. Zwei Gewissheiten, aber die Zeit hat sie verändert. Kann der Mensch überhaupt alleine aus sich heraus Gewissheit gewinnen? Vielleicht ist es eher das Zusammenspiel des Gesamten, vom ICH und DU und dem Rest? Bedeutet, seinen Platz zu finden, dass es für jeden Menschen 'den' richtigen Platz gibt, oder dass sich jeder irgendwie auf einem Platz arrangiert, den man sich selbst, den die anderen und das Leben einem zuweist?
Ich glaube, man sollte nicht nach Wissen oder Nicht-Wissen fragen, sondern nach der Relevanz des Wissens. Ist Wissen heute überhaupt noch von Bedeutung, welchen Bezug hat es denn zum Menschen, zu mir? Bestimmtes Wissen hat einen praktischen Charakter, so das Wissen um die Schwerkraft (im generellen ist die Physik wohl das praxisbezogenste Wissen), etc.
Vieles andere ist im wahrsten Sinne des Wortes irrelevant. Was soll es für mein Leben bedeuten, zu wissen, wie groß das Universum ist? Was soll es bedeuten, zu wissen, seit wann es den Menschen gibt? Das ist vielleicht genau das, was Souji geschrieben hat; dass denken um des denken willens keinen nutzen hat (so habe ich ihn zumindest interpretiert^^°)
Ich will nicht sagen, dass nur das Ursache-Wirkung-Paradigma Wahrheit sei, aber, dass man mit diesem Verfahren eine gute Trefferquote erzielt, tatsächlich etwas wahres zu erfahren. Die Ursache von Hunger und Durst ist...? Solcher Dinge kann ich mir sicher sein, das gibt mir etwas Kontrolle. Zumindest genug, um nicht in Selbstzweifel zu verfallen.
Ich selbst weiß auch, dass ich nichts weiß im Vergleich zu dem, was es noch zu entdecken gibt. Aber ich weiß, dass ich inzwischen wohl mehr weiß, als Sokrates seinerzeit. Und ich weiß, dass mir noch viel mehr Wissen offensteht. Und dementsprechend muss es eines Tages auch möglich sein, dass vielleicht ein hundertfacher Urenkel von mir, oder ein Nachkomme, oder eine Spezies oder eine Existenz, die aus uns hervorgeht sagen kann "ich weiß". Und noch später vielleicht sogar "ich weiß, was wahr ist".
Heißt das, dass jedes Lebewesen zuvor nie etwas gewusst hat, einfach, weil es nicht den Stand hat, wie sie diese zukünftige Existenz hat? Der Gedanke behagt mir insofern nicht, dass er mein Leben noch sinnloser macht. Er macht daraus einen Baustein in einer langen Kette, an deren Ende erst(!) die Erkenntnis steht. Ich bin also dazu verdammt, nichts Wahres zu erkennen, einfach, weil ich noch nicht hoch genug entwickelt bin...?
Könnte aus einem Science-Fiction-Roman stammen, schmeckt mir aber nicht. Ich gehe im Prinzip davon aus, dass jede Existenz von derselben Relevanz ist, sei es ein Organismus in einer fernen Galaxie, ein Mensch oder eine Bakterie. Es behagt mir nicht, dass dem Menschen aufgrund technischer und gesellschaftlicher Umstände Wahrheit verwehrt geblieben sein soll. Ebensowenig glaube ich aber, dass die Menschen früher und zu Urzeiten mehr Wahrheit kannten oder der Wahrheit näher standen als wir. (Wie es einige Hardcore-Vegetarier/Veganer glauben)
Sein oder Nichtsein; das ist hier die Frage:
Obs edler im Gemüt, die Pfeil und Schleudern
Des wütenden Geschicks erdulden oder,
Sich waffnend gegen eine See von Plagen,
Durch Widerstand sie enden? Sterben – schlafen –
Nichts weiter! Und zu wissen, daß ein Schlaf
Das Herzweh und die tausend Stöße endet,
Die unsers Fleisches Erbteil, ’s ist ein Ziel,
Aufs innigste zu wünschen. Sterben – schlafen –
Schlafen! Vielleicht auch träumen! Ja, da liegts:
Was in dem Schlaf für Träume kommen mögen,
Wenn wir die irdische Verstrickung lösten,
Das zwingt uns stillzustehn. Das ist die Rücksicht,
Die Elend läßt zu hohen Jahren kommen.
Denn wer ertrüg der Zeiten Spott und Geißel,
Des Mächtigen Druck, des Stolzen Mißhandlungen,
Verschmähter Liebe Pein, des Rechtes Aufschub,
Den Übermut der Ämter und die Schmach,
Die Unwert schweigendem Verdienst erweist,
Wenn er sich selbst in Ruhstand setzen könnte
Mit einer Nadel bloß? Wer trüge Lasten
Und stöhnt’ und schwitzte unter Lebensmüh?
Nur daß die Furcht vor etwas nach dem Tod,
Das unentdeckte Land, von des Bezirk
Kein Wandrer wiederkehrt, den Willen irrt,
Daß wir die Übel, die wir haben, lieber
Ertragen als zu unbekannten fliehn.
So macht Bewußtsein Feige aus uns allen;
Der angebornen Farbe der Entschließung
Wird des Gedankens Blässe angekränkelt;
Und Unternehmen, hochgezielt und wertvoll,
Durch diese Rücksicht aus der Bahn gelenkt,
Verlieren so der Handlung Namen. – Still!
Die reizende Ophelia! – Nymphe, schließ
In dein Gebet all meine Sünden ein!