[Diskussion] Philosophie

Neverman

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Da kommt wieder die Hoffnung ins Spiel.

„Der Mensch ist nur ein Schilfrohr, das schwächste der Natur, aber er ist ein denkendes Schilfrohr. Das ganze Weltall braucht sich nicht zu waffnen, um ihn zu zermalmen; ein Dampf, ein Wassertropfen genügen, um ihn zu töten. Doch wenn das Weltall ihn zermalmte, so wäre der Mensch nur noch viel edler als das, was ihn tötet, denn er weiß ja, daß er stirbt und welche Überlegenheit ihm gegenüber das Weltall hat. Das Weltall weiß davon nichts. Unsere ganze Würde besteht also im Denken. Daran müssen wir uns wieder aufrichten und nicht an Raum und Zeit, die wir nicht ausfüllen können. Bemühen wir uns also, gut zu denken: Das ist die Grundlage der Moral.“
Noch eines, weils so schön ist:

„Der Mensch ist nichts an sich. Er ist nur eine grenzenlose Chance. Aber er ist der grenzenlos Verantwortliche für diese Chance. (L'homme n'est rien en lui-même. Il n'est qu'une chance infinie. Mais il est le responsable infini de cette chance.)“
 

Souji

Desperado
Otaku Veteran
Stellt sich die Frage: Auf was ist der Mensch eine Chance?

Natürlich ist Hoffnung etwas romantisches, aber im Endeffekt, ist die Hoffnung ein sehr gutes Mittel jemanden bei Laune zu halten. Den rtl verblödeten Zuschauer, wie den weisheitsliebenden Philosophen.

Frage ich mich natürlich gleichzeitig ob man wirklich sagen kann, dass bestimmte Eigenschaften den Menschen erst zu etwas Edlem machen und dass er aus diesem Grund diese Eigenschaften pflegen sollte. Sicherlich, wenn ich denken kann, sollte ich das auch nutzen und nicht mein Hirn in seiner Suppe versauern lassen. Aber nur zu denken um des Denkens Willen ist wieder schwierig, denn dann denke ich nicht aus dem Grund, weil ich das Denken liebe, sondern weil etwas gedacht werden will.

Demnach wäre es dann zwar noch eine Eigenschaft von mir, aber gleichzeitig auch nicht, da ich nur etwas ausführe, was viel höher als diese Eigenschaft ist.
 

Neverman

VIP
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Vielleicht sollte man Chance mit Potenzial gleichsetzen. Talent ist nicht existent, lediglich das Potenzial in alle Richtungen, dass man nutzen oder nicht nutzen kann.
Und der Mensch alleine ist verantwortlich für sein Potenzial und was er daraus macht. Nicht das man jemals all sein Potenzial ausschöpft, aber wenn schon mal die Möglichkeit vorhanden ist... wäre es doch Verschwendung, die Zeit und die Chance nicht zu nutzen. Man kann sich natürlich auch zu Tode langweilen.^^
 

Souji

Desperado
Otaku Veteran
Das stimmt wohl man könnte auch nur da sitzen und warten, dass man stirbt.

Das würde bedeuten wir haben ein wie auch immer geartetes potential, welches wir nutzen können um irgendwo hin zu gelangen. Wohin wissen wir nicht und der Wahrheit werden wir auch mit diesem Potential nur unwesentlich näher kommen. Aber vielleicht ist genau auch das Problem: Wir versuchen ständig der Wahrheit näher zu kommen, anstatt unser Potential erstmal so zu nutzen, dass wir überhaupt voran kommen.
Wahrheit müsste etwas nebensächliches werden und der Mensch sollte sich auf seine Weiterentwicklung konzentrieren.
 

Terry_Gorga

Der Eine, der Viele ist
Otaku Veteran
@Terry_Gorga:
Eben, Antworten kennen wir keine und stellen trotzdem die Fragen. Modelle/Utopien/Ideologien, etc. können subjektiv wahr sein, geben mir aber im Zweifel keinen Halt.
Was spielt es für eine Rolle, ob eine Ameise die fleißigste, schönste, stärkste, klügste, lernfähigste, edelmütigste oder allgemein bewundernswerteste Ameise ist? Sie ist und bleibt eine Ameise. Nach welchem Maßstab soll ich mich und die anderen bewerten?
Ebenso die Frage nach dem Leben nach dem Tod. Weiß man nicht und bräuchte demzufolge auch nicht danach fragen, oder? Vielleicht hat die Fragerei alleine schon einen Wert? Möglicherweise auch nur den, mich selbst zu quälen?^^
Quälende Fragen werden nur zur Depression und führen zur Verzweiflung. Gewissheit indes kann man entweder nur aus Glaube, oder aus Wahrheit, oder aus sich selbst gewinnen.
Also vielleicht ist das der Sinn der Fragen: Den eigenen Weg zur Gewissheit zu finden, um nicht am Leben zu zerbrechen? Denn Fragen muss man nur, wenn Missstände oder Ungereimtheiten bestehen, die hinterfragt werden müssen, damit man sie verändern kann.
Traurig ist dann nur, wenn eben jene Dinge, die eigentlich Gewissheit geben sollten, nämlich Glaube, Wahrheit und man Selbst, hinterfragt werden (müssen).

Eine andere interessante Frage ist aber auch, ob wir Menschen überhaupt nichts wissen. Hinterfragen wir doch einmal diese Aussage. Ich finde nämlich, wir wissen schon sehr viel. Sicher, das Universum ist riesig, vielleicht unendlich und dementsprechend gibt es auch unendlich viel Wissen, was man sich aneignen kann. Aber ich finde, gerade im Vergleich zu den Jahrhunderten vor uns haben wir einen Wissensschatz, der bereits enorm ist. So viel, dass ein einziger Mensch all das gar nicht mehr fassen kann. Wissen wir also wirklich nichts? Oder ist es nicht viel mehr die Relation zum ganzen Wissen, das man erwerben kann, die zu dieser Aussage führt? Denn wir wissen mehr, als eine Ameise und das unterscheidet uns zu diesen.
Das ist meiner Meinung nach das Bestreben einer jeden Frage: Die Grenzen der bisher bekannten Menschlichkeit zu sprengen oder wenigstens zu erweitern.
Wer eine Frage nicht als Chance zur Neu- oder Weiterentwicklung begreift, der sollte stattdessen wirklich lieber nicht fragen und sich bereits mit Sokrates zufrieden geben.

Ich selbst weiß auch, dass ich nichts weiß im Vergleich zu dem, was es noch zu entdecken gibt. Aber ich weiß, dass ich inzwischen wohl mehr weiß, als Sokrates seinerzeit. Und ich weiß, dass mir noch viel mehr Wissen offensteht. Und dementsprechend muss es eines Tages auch möglich sein, dass vielleicht ein hundertfacher Urenkel von mir, oder ein Nachkomme, oder eine Spezies oder eine Existenz, die aus uns hervorgeht sagen kann "ich weiß". Und noch später vielleicht sogar "ich weiß, was wahr ist".
 

Souji

Desperado
Otaku Veteran
Ich selbst weiß auch, dass ich nichts weiß im Vergleich zu dem, was es noch zu entdecken gibt. Aber ich weiß, dass ich inzwischen wohl mehr weiß, als Sokrates seinerzeit. Und ich weiß, dass mir noch viel mehr Wissen offensteht. Und dementsprechend muss es eines Tages auch möglich sein, dass vielleicht ein hundertfacher Urenkel von mir, oder ein Nachkomme, oder eine Spezies oder eine Existenz, die aus uns hervorgeht sagen kann "ich weiß". Und noch später vielleicht sogar "ich weiß, was wahr ist".
Und genau da würde ich sagen, bist du einem Trugschluss aufgesessen. Da du nicht weißt was Sokrates alles gewusst oder nicht gewusst hat, kannst du nicht behaupten, dass du heute mehr wissen würdest als er. Du gehts einfach nur davon aus, dass er damals weniger gewusst haben muss und auf grund dessen du mehr weißt. Jedoch kannst du das nicht wissen und diesen Schluss nicht ziehen.

Nur weil wir Fortschritte in Technik, Wissenschaft etc. machen, heißt das nicht, dass wir dadurch auch mehr wissen. Nehmen wir mal die Naturwissenschaften: diese können uns erklären, dass zB der Apfel auf den Boden fällt, weil es eine Erdanziehung gibt, die durch diese und jene Formel erklärt werden kann. Die Naturwissenschaft kann uns jedoch nicht sagen warum etwas so und so ist.
Das bedeutet, dass wir immer nur mehr Erklärungen bekommen um die Welt zu begreifen, aber was nützt uns das, wenn wir nach Platon dennoch in der Höhle vor den Schatten sitzen und denken das wäre die Wahrheit?
Wissen wir heute wirklich mehr als die Menschen damals? Ich denke nicht, weil wir es nie genau sagen können, wir können uns da wieder einer Wahrheit annähern, aber sie nie komplett erfassen.
 

Neverman

VIP
VIP
Aber vielleicht ist genau auch das Problem: Wir versuchen ständig der Wahrheit näher zu kommen, anstatt unser Potential erstmal so zu nutzen, dass wir überhaupt voran kommen.
Wahrheit müsste etwas nebensächliches werden und der Mensch sollte sich auf seine Weiterentwicklung konzentrieren.
Das scheint mir richtig zu sein. Der natürliche Antrieb ist letzten Endes immer auch die Evolution?

Quälende Fragen werden nur zur Depression und führen zur Verzweiflung. Gewissheit indes kann man entweder nur aus Glaube, oder aus Wahrheit, oder aus sich selbst gewinnen.
Also vielleicht ist das der Sinn der Fragen: Den eigenen Weg zur Gewissheit zu finden, um nicht am Leben zu zerbrechen? Denn Fragen muss man nur, wenn Missstände oder Ungereimtheiten bestehen, die hinterfragt werden müssen, damit man sie verändern kann.
Traurig ist dann nur, wenn eben jene Dinge, die eigentlich Gewissheit geben sollten, nämlich Glaube, Wahrheit und man Selbst, hinterfragt werden (müssen).
Aber wenn man sich einmal sicher ist, heißt das nicht, dass man sich immer sicher ist. Der Zweifel löscht alte Gewissheiten und bringt neue hervor. Gestern war die Welt ein wunderschöner Ort, heute ist sie die Hölle. Zwei Gewissheiten, aber die Zeit hat sie verändert. Kann der Mensch überhaupt alleine aus sich heraus Gewissheit gewinnen? Vielleicht ist es eher das Zusammenspiel des Gesamten, vom ICH und DU und dem Rest? Bedeutet, seinen Platz zu finden, dass es für jeden Menschen 'den' richtigen Platz gibt, oder dass sich jeder irgendwie auf einem Platz arrangiert, den man sich selbst, den die anderen und das Leben einem zuweist?

Ich glaube, man sollte nicht nach Wissen oder Nicht-Wissen fragen, sondern nach der Relevanz des Wissens. Ist Wissen heute überhaupt noch von Bedeutung, welchen Bezug hat es denn zum Menschen, zu mir? Bestimmtes Wissen hat einen praktischen Charakter, so das Wissen um die Schwerkraft (im generellen ist die Physik wohl das praxisbezogenste Wissen), etc.
Vieles andere ist im wahrsten Sinne des Wortes irrelevant. Was soll es für mein Leben bedeuten, zu wissen, wie groß das Universum ist? Was soll es bedeuten, zu wissen, seit wann es den Menschen gibt? Das ist vielleicht genau das, was Souji geschrieben hat; dass denken um des denken willens keinen nutzen hat (so habe ich ihn zumindest interpretiert^^°)

Ich will nicht sagen, dass nur das Ursache-Wirkung-Paradigma Wahrheit sei, aber, dass man mit diesem Verfahren eine gute Trefferquote erzielt, tatsächlich etwas wahres zu erfahren. Die Ursache von Hunger und Durst ist...? Solcher Dinge kann ich mir sicher sein, das gibt mir etwas Kontrolle. Zumindest genug, um nicht in Selbstzweifel zu verfallen.

Ich selbst weiß auch, dass ich nichts weiß im Vergleich zu dem, was es noch zu entdecken gibt. Aber ich weiß, dass ich inzwischen wohl mehr weiß, als Sokrates seinerzeit. Und ich weiß, dass mir noch viel mehr Wissen offensteht. Und dementsprechend muss es eines Tages auch möglich sein, dass vielleicht ein hundertfacher Urenkel von mir, oder ein Nachkomme, oder eine Spezies oder eine Existenz, die aus uns hervorgeht sagen kann "ich weiß". Und noch später vielleicht sogar "ich weiß, was wahr ist".
Heißt das, dass jedes Lebewesen zuvor nie etwas gewusst hat, einfach, weil es nicht den Stand hat, wie sie diese zukünftige Existenz hat? Der Gedanke behagt mir insofern nicht, dass er mein Leben noch sinnloser macht. Er macht daraus einen Baustein in einer langen Kette, an deren Ende erst(!) die Erkenntnis steht. Ich bin also dazu verdammt, nichts Wahres zu erkennen, einfach, weil ich noch nicht hoch genug entwickelt bin...?
Könnte aus einem Science-Fiction-Roman stammen, schmeckt mir aber nicht. Ich gehe im Prinzip davon aus, dass jede Existenz von derselben Relevanz ist, sei es ein Organismus in einer fernen Galaxie, ein Mensch oder eine Bakterie. Es behagt mir nicht, dass dem Menschen aufgrund technischer und gesellschaftlicher Umstände Wahrheit verwehrt geblieben sein soll. Ebensowenig glaube ich aber, dass die Menschen früher und zu Urzeiten mehr Wahrheit kannten oder der Wahrheit näher standen als wir. (Wie es einige Hardcore-Vegetarier/Veganer glauben)



Sein oder Nichtsein; das ist hier die Frage:
Obs edler im Gemüt, die Pfeil und Schleudern
Des wütenden Geschicks erdulden oder,
Sich waffnend gegen eine See von Plagen,
Durch Widerstand sie enden? Sterben – schlafen –

Nichts weiter! Und zu wissen, daß ein Schlaf
Das Herzweh und die tausend Stöße endet,
Die unsers Fleisches Erbteil, ’s ist ein Ziel,
Aufs innigste zu wünschen. Sterben – schlafen –
Schlafen! Vielleicht auch träumen! Ja, da liegts:

Was in dem Schlaf für Träume kommen mögen,
Wenn wir die irdische Verstrickung lösten,
Das zwingt uns stillzustehn. Das ist die Rücksicht,
Die Elend läßt zu hohen Jahren kommen.
Denn wer ertrüg der Zeiten Spott und Geißel,

Des Mächtigen Druck, des Stolzen Mißhandlungen,
Verschmähter Liebe Pein, des Rechtes Aufschub,
Den Übermut der Ämter und die Schmach,
Die Unwert schweigendem Verdienst erweist,
Wenn er sich selbst in Ruhstand setzen könnte

Mit einer Nadel bloß? Wer trüge Lasten
Und stöhnt’ und schwitzte unter Lebensmüh?
Nur daß die Furcht vor etwas nach dem Tod,
Das unentdeckte Land, von des Bezirk
Kein Wandrer wiederkehrt, den Willen irrt,

Daß wir die Übel, die wir haben, lieber
Ertragen als zu unbekannten fliehn.
So macht Bewußtsein Feige aus uns allen;
Der angebornen Farbe der Entschließung
Wird des Gedankens Blässe angekränkelt;

Und Unternehmen, hochgezielt und wertvoll,
Durch diese Rücksicht aus der Bahn gelenkt,
Verlieren so der Handlung Namen. – Still!
Die reizende Ophelia! – Nymphe, schließ
In dein Gebet all meine Sünden ein!
 

Terry_Gorga

Der Eine, der Viele ist
Otaku Veteran
Also was ist die Konsequenz? Dass Jahrhunderte aller Entwicklung und Geschichte völlig bedeutungslos sind? Dass wir am Ende doch nur auf Glauben zurückgreifen können, um Gewissheit zu erlangen? Dass wir alle auf unserer Suche nach Wissen und Wahrheit nur in Sackgassen stolpern, die für den nächsten völlig unbedeutend und irrelevant sind?

Verzeiht, wenn ich da nicht eure Meinung teile, aber diese Gedanken finde ich wahrhaft schrecklich, weil sie jegliches Leben als wertlos hinstellen. Und wenn das der Zweck der Philosophie ist, nämlich das Leben zu verwertlosen, dann ist dies eine Kunst, die verboten werden sollte.

Und sicher, Souji, ich kann es nicht wahrhaftig wissen. Aber ich kann von Wahrscheinlichkeiten ausgehen und je höher die Wahrscheinlichkeit ist, desto eher bin ich bereit, sie als wahr anzunehmen und Sicherheit in der Annahme zu gewinnen.
Und in einer Sache irrt ihr beide: Die heutige Physik hat keine Erklärung für das Vorhandensein und Entstehen von Gravitation. Sie weiß nur, dass diese Kraft da ist, aber nicht, woher sie kommt oder wie sie entsteht.
 
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Neverman

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Also was ist die Konsequenz? Dass Jahrhunderte aller Entwicklung und Geschichte völlig bedeutungslos sind? Dass wir am Ende doch nur auf Glauben zurückgreifen können, um Gewissheit zu erlangen? Dass wir alle auf unserer Suche nach Wissen und Wahrheit nur in Sackgassen stolpern, die für den nächsten völlig unbedeutend und irrelevant sind?
Genau so ist es.^^
Welchen übergeordneten Sinn soll das Leben schon haben, außer den, den sich jedes Lebewesen selbst gibt? Oder willst du ernsthaft so grausam sein und über Wert und Unwert von Menschenleben urteilen? Denn darauf läuft es hinaus, wenn du glaubst, dass es einen Sinn zu entdecken gibt, den man entweder findet, oder daran scheitert. Wer scheitert, der hat dann umsonst gelebt. Das finde ich grausam.

"Verwertlosen" halte ich für eine ungünstige Formulierung. Ich sage "relativieren". Und es ist nicht grausam, denn weder verneint unsere Kleinheit unsere Möglichkeiten, noch unser Vermögen. Der Mensch ist zu großen Dingen imstande (aus menschlicher Perspektive), nur bedeutet es am Ende möglicherweise nichts. Schau dir die vergangenen Kulturen an, denke an die vielleicht Milliarden von Menschen, die im Lauf der Menschheitsgeschichte gestorben sind. Da vergeht mir der Sinn, abgesehen vom Tod.

Auch ist es nicht von Belang, die Ursache der Kräfte zu kennen. Allein das Wissen um das Vorhandensein der Kräfte (sagen wir die Schwerkraft) ist von Nutzen.
 

Terry_Gorga

Der Eine, der Viele ist
Otaku Veteran
Genau so ist es.^^
Welchen übergeordneten Sinn soll das Leben schon haben, außer den, den sich jedes Lebewesen selbst gibt? Oder willst du ernsthaft so grausam sein und über Wert und Unwert von Menschenleben urteilen? Denn darauf läuft es hinaus, wenn du glaubst, dass es einen Sinn zu entdecken gibt, den man entweder findet, oder daran scheitert. Wer scheitert, der hat dann umsonst gelebt. Das finde ich grausam.
Aber genau dasselbe ist die Konsequenz, wenn wir sagen, es gibt keine Wahrheit und keinen Sinn. Denn damit ist jedes Leben gleich wertlos, weil umsonst. Das bedeutet nämlich, dass es von vornherein nur eine gewisse Anzahl an Möglichkeiten und einen eingeschränkten Spielraum an Alternativen gibt, die ein Mensch in seinem Leben erleben, ausleben und/oder wahrnehmen kann und dass es danach nichts mehr gibt. Nichts Neues, nichts, was den Aufwand wert wäre, es zu entdecken und nichts, was Ansporn sein sollte, sich oder andere weiter zu entwickeln. Wozu etwas verändern, wenn sowieso alles sinn- und nutzlos ist? Und warum sich dann gegen Ungerechtigkeit oder gegen Unstimmigkeiten des Lebens wehren? Wenn eh alles sinnlos ist, kann man die negativen Dinge genauso gut hinnehmen, akzeptieren und eben mit ihnen leben, bis man an ihnen verreckt ist.

Ist das für dich ein angenehmes Leben? Also für mich ist das die Hölle.

"Verwertlosen" halte ich für eine ungünstige Formulierung. Ich sage "relativieren". Und es ist nicht grausam, denn weder verneint unsere Kleinheit unsere Möglichkeiten, noch unser Vermögen. Der Mensch ist zu großen Dingen imstande (aus menschlicher Perspektive), nur bedeutet es am Ende möglicherweise nichts. Schau dir die vergangenen Kulturen an, denke an die vielleicht Milliarden von Menschen, die im Lauf der Menschheitsgeschichte gestorben sind. Da vergeht mir der Sinn, abgesehen vom Tod.
Aber war es wirklich sinnlos, wenn wir sie doch kennen, sie erforschen, uns ihrer erinnern und ihre Kultur nutzen, um daraus für uns zu lernen?
Verstehst du - der Sinn ist nicht, dass sie mal existiert haben, oder gestorben sind, sondern dass sie, obwohl sie nicht mehr aktiv ausgeübt werden, immer noch im Denken der Menschen einen Platz finden, finde ich.

Auch ist es nicht von Belang, die Ursache der Kräfte zu kennen. Allein das Wissen um das Vorhandensein der Kräfte (sagen wir die Schwerkraft) ist von Nutzen.
Hierbei stimme ich dir wiederum zu. Ich finde, viel entscheidender ist, wie man eine Kraft nutzt. Dafür muss man sie nicht zwangsläufig erklären können. Und somit haben wir meiner Meinung nach auch einen neuen Aspekt von Wahrheit erkundet, denn in der Nutzung einer Kraft liegt mindestens genauso viel Wahrheit, wie in dem Wissen um das Entstehen einer Kraft, wenn nicht sogar noch mehr.
 

Souji

Desperado
Otaku Veteran
Also was ist die Konsequenz? Dass Jahrhunderte aller Entwicklung und Geschichte völlig bedeutungslos sind? Dass wir am Ende doch nur auf Glauben zurückgreifen können, um Gewissheit zu erlangen? Dass wir alle auf unserer Suche nach Wissen und Wahrheit nur in Sackgassen stolpern, die für den nächsten völlig unbedeutend und irrelevant sind?

Verzeiht, wenn ich da nicht eure Meinung teile, aber diese Gedanken finde ich wahrhaft schrecklich, weil sie jegliches Leben als wertlos hinstellen. Und wenn das der Zweck der Philosophie ist, nämlich das Leben zu verwertlosen, dann ist dies eine Kunst, die verboten werden sollte.

Und sicher, Souji, ich kann es nicht wahrhaftig wissen. Aber ich kann von Wahrscheinlichkeiten ausgehen und je höher die Wahrscheinlichkeit ist, desto eher bin ich bereit, sie als wahr anzunehmen und Sicherheit in der Annahme zu gewinnen.
Du näherst dich nur einer Wahrheit an, aber nicht der Wahrheit an sich. Nur weil die Wahrscheinlichkeit von etwas höher ist bzw. etwas wahrscheinlicher wird, heißt das nicht, dass es auch wahr ist. Denn auch die Wahrscheinlichkeit beruht auf Naturgesetze und diese sind nicht absolut.

Und in einer Sache irrt ihr beide: Die heutige Physik hat keine Erklärung für das Vorhandensein und Entstehen von Gravitation. Sie weiß nur, dass diese Kraft da ist, aber nicht, woher sie kommt oder wie sie entsteht.
Wieso irre ich mich da? Nichts anderes habe ich behauptet. Ich sagte, dass die Naturwissenschaft etwas erklären/beschreiben kann, jedoch kann sie nicht sagen, warum etwas ist wie es ist.
 

Neverman

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Aber genau dasselbe ist die Konsequenz, wenn wir sagen, es gibt keine Wahrheit und keinen Sinn. Denn damit ist jedes Leben gleich wertlos, weil umsonst.
Gleich wertlos, gleich wertvoll; wo ist der Unterschied? Wir sind eben (im Großen) gleich, Unterschiede machen wir uns nur selber.

Wozu etwas verändern, wenn sowieso alles sinn- und nutzlos ist?
Weil man nun mal die Zeit hat. Die Frage kam vorher schon: Wie sähe die Alternative aus? Sich zu Tode langweilen, das möchte doch niemand. Also tut man etwas, nicht weil es einen Sinn hat, sondern weil die Beschäftigung selbst zum Sinn wird. Sicher haben die meisten ihre Gründe, dieses oder jenes anzustreben, aber würden sie das einmal hinterfragen, kämen sie auch erst einmal in dieses Loch, wo alles seinen Sinn verliert. Machst du Musik, weil du glaubst, damit einem Gott näher zu sein? Schöne Ausrede, aber der Esoterik näher als der Philosophie.
Prestige, Finanzen, Unabhängigkeit, Macht, das können alles Antriebsmotoren sein, aber was bedeutet das schon? Ich tue letzten Endes was ich tue, weil ich versuche, die Zeit, die mir gegeben ist, zu nutzen um an mir und meinen Fähigkeiten zu feilen. Das hat keinen Sinn, weil ich doch weiß, dass ich sterben muss. Wer weiß, ob etwas von mir auf dieser Welt hinterbleibt? Wer weiß, ob ich jemandem in Erinnerung bleibe? Ist der Wunsch des Menschen, etwas von Dauer und Beständigkeit zu schaffen nicht einfach nur der Wunsch seinem unausweichlichen Todesurteil zu entgehen?
Ich lebe jetzt und wenn ich tot bin, bin ich tot. Was danach kommt, spielt keine Rolle, weder mein Vermächtnis, noch mein Ruf, mein Stand, meine Besitztümer, meine Errungenschaften. Die sind alles am Ende nichts mehr wert, das einzige, was dich (wenn du Glück hast) bis zu deinem Tod begleitet, sind die Menschen, die du liebst und die dich lieben.

Ist das für dich ein angenehmes Leben? Also für mich ist das die Hölle.
Genau deswegen macht mir das Leben ja auch solche Probleme. Weil ich versuche damit umzugehen, dass ich sterben muss.
 
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