Diskuss: http://board.world-of-hentai.to/f211/diskuss-ewiges-erwachen-103631/
Das tosende Wasser reist alles mit sich, bahnt sich seinen Weg durch die Schlucht. Nach vielen Kilometern verlässt der Fluss die kleine Schlucht und fließt steil einen hochhaushohen Wasserfall hinunter. Dieser endet in einer Landschaft, die nicht hätte üppiger sein können. Hier scheint ein kleiner Urwald zu gedeihen, wilde, unbekannte Tiere nennen ihn ihr zu Hause. Das hohe Grass am Flussufer birgt Geheimnisse. Aus ihm ist ein unerbittliches Schluchzen zu hören. Dort, wo das Grass in den Fluss übergeht, weit hinter den reisenden Strömen des Wasserfalles, umgeben vom Duschgel, sitzt ein Mädchen. Es sitzt da, weint und starrt auf die Wasseroberfläche. Neben ihr steht ein nasser Rucksack aus dem sie etwas geholt hat. Ein Tagebuch …
Erinnerungen steigen hoch, als sie das Tagebuch so in der Hand hält und noch mehr Tränen fließen. Sie erinnert sich daran, wie alles begonnen hatte und denkt dass nun alles endet.
Das Mädchen lässt das Buch aus ihren Händen ins Wasser gleiten, wo es von den Fluten davon gerissen wird …
Dort, wo der Fluss in den Wasserfall übergeht steht ein Junge. Er steht einfach nur da und starrt in die Tiefe. In seinem Blick liegt purer Wahnsinn. Viel zu langes Haar hängt auf seinen Schulter, zerschrammtes Gesicht und gerötete Augen.
Auch er hält etwas in der Hand. Ein kleines Büchlein mit schwarzem Einband. Ausdruckslos blickt er es an. Er erinnert sich ebenfalls an alles. Von Anfang bis Ende.
Hier ist das Ende, denkt er und lässt dann das Buch in das Wasser fallen. Er dreht sich um und sieht nicht wie es den Wasserfall hinuntergespült wird…
Beide Tagebücher werden vom Fluss mitgerissen. Wie durch Zufall bleiben sie an derselben Wurzel hängen. Dort werden sie bleiben, bis sie jemand findet oder sie vom Wasser weitergetrieben werden. Zwei verschiedene Aufzeichnungen von zwei verschiedenen Personen, ein und dieselbe Geschichte …
Beide, denen diese Memoiren gehören, sind ohne Hoffnung.
Zwei verlorene Seelen, deren Geschichte schon vor unendlich langer Zeit begonnen hat. Zwei verlorene Seelen, deren Schicksal untrennbar miteinander verbunden sind. Zwei Seelen, die bald ihr Ende in dieser Geschichte finden werden, aber noch ist nicht der richtige Augenblick, noch muss zu viel geschehen …
Der Regen platschte auf die Straße, ein Blitz durchzuckte den Himmel, kurz darauf war fernes Donnergrollen zu hören. Der heiße Herbsttag endete in einem Gewitter Die wenigen Leute auf der Straße suchten etwas zum Unterstellen und beäugten mich neugierig, als ich trotz Regen gemächlich die Straße entlang ging und nicht mal angedeutet schneller ging als sonst.
Ich war schon nach kurzer Zeit bis auf die Haut nass. Das dünne T-Shirt klebte unangenehm an mir und durch den dünnen Stoff konnte man ganz deutlich meine Haut und meinen BH sehen, die blonden Harre, die normalerweise Locken bildeten, hingen nun strähnig herunter. Schwer vom Regen und tropfend. Meine Reisetasche baumelte an meiner Schulter herunter und schlug gleichmäßig an mein rechtes Knie. Eigentlich hätte ich mich irgendwo unterstellen und meine Regenjacke heraus kramen können, aber ich hatte keine Lust anzuhalten. Ich wollte laufen, einfach nur laufen, mehr nicht. Und so schnell würde ich mir schon keine Erkältung einholen, schließlich hatte ich 6 Jahre auf der Straße verbracht und nach den letzten heißen Herbsttagen fühlte sich der Regen angenehm auf meiner Haut an. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl gehabt meine Haut würde brennen, jetzt verschwand allmählich das Gefühl.
Neben mir liefen Darren und Maja. Meine zwei engsten Freunden, mit denen ich den größten Teil meiner Zeit verbrachte. Darren hatte blondes Haar, welches vielleicht mal geschnitten werden sollte und das sich jetzt bei der Feuchtigkeit und Nässe leicht kräuselte. Er hatte etwas Verwegenes, diese Art auf die so viele Mädchen abfahren. Auch er trug eine schwere Reisetasche mit sich und war bloß mit einem gelben T-Shirt und einer schwarzen kurzen Hose bekleidet.
Maja war eine richtige Schönheit. Ich liebte den Anblick ihrer schönen braunen Haare und kastanienbraunen Augen. Sie hatte erst vor einem Monat ihre Volljährigkeit erstanden. Damit war sie trotz der wenigen Monaten, die zwischen ihr und mir lagen, die Jüngste.
Sie hatte die Kapuze ihrer schwarzen Regenjacke tief ins Gesicht gezogen und presste ihre schmalen Lippen fest aufeinander. In ihrem Gesicht stand tiefe Erregung und ihre Augen funkelten unheilvoll.
„Ich verstehe das einfach nicht!“, rief sie aufgebracht und noch mehr Leute drehten sich zu uns um.
Oft wurden Darren und ich von ihrer Mutter zum Essen eingeladen, manchmal duschten Darren und ich dort, wenn Majas Eltern auf der Arbeit waren. Ihre Eltern wussten nichts von unserem Zuhause. Vielleicht hätten sie uns vor unserer Volljährigkeit der Polizei gemeldet. Darren und ich waren uns darüber einig, dass für uns das geregelte Leben nichts war. Wir waren auf den Straßen aufgewachsen und kannten nur die Freiheit eines Vagabunden.
„Dieses scheiß Algebra! Wofür soll das später eigentlich mal gut sein?“ Maja war von uns die Einzige die zur Schule ging und einen Abschluss bekam. Ich und Darren hatten nie einen gemacht. Darren war mit 14 von daheim weggelaufen, weil sein Vater trank und seine Mutter die Familie verlassen hatte, als er noch ziemlich klein gewesen war und ich selbst war mit 12 auf die Straße geraten.
„Schmeiß die Schule“, lachte Darren wofür er von Maja einen bösen Blick erntete. Seine Stimme hatte einen weichen, sanften Klang, der sogar dann noch mitschwang, wenn er sauer war.
„Du verstehst doch von diesem Zeug noch weniger als ich und im Gegensatz zu euch zweien bin ich nicht so blöd und schmeiße die Schule!“, erwiderte sie sauer.
„Jetzt reg dich doch mal ab, Maja. Er hat es doch gar nicht böse gemeint, er wollte dich lediglich aufmuntern“, wand ich schließlich ein, um einen Streit zu vermeiden. „Außerdem war es damals nicht unsere Schuld, dass wir auf der Straße gelandet sind. Wo hätten wir denn hingehen sollen. Wenn wir damals bei unseren Eltern geblieben wären, wären wir heute vielleicht gar nicht mehr unter den Lebenden.“
Das Gefühl meine Haut würde langsam abkühlen war verschwunden und wurde jetzt wieder durch ein brennendes, heißes Gefühl ersetzt. Ich schwitzte trotz Regen. Mir war leicht schwindelig und ich bekam allmählich Kopfschmerzen. Ich war nicht in der Laune zu streiten oder irgendeinen Streit mit anzuhören. Auf einmal fühlte ich mich ungewohnt schwach und müde.
Vielleicht habe ich Fieber, dachte ich. Ich wollte plötzlich nur noch aus dem Regen raus und ins Trockne. Ich durfte mich nicht erkälten!
Betretenes Schweigen traf ein, bis ich meinte: „Lasst uns ein gemütliches, kleines Café aufsuchen, wo es schön trocken ist und wir etwas Warmes trinken können.“
Darren und ich hatten den Vormittag auf dem Bahnhof verbracht und hatten uns dort ein wenig Geld erbettelt. Genug Geld für eine warme Mahlzeit und einen schönen warmen Tee. Wir beschafften uns Geld oft auf diese Weiße. Meistens spielte Darren dann auf seiner Gitarre, die er jetzt über seine Schulter hängen hatte und ich sang dazu. Darren behauptete ich hätte eine klasse Stimme, mit seinen Worten ausgedrückt „die schönste Stimme der Welt.“ Manchmal beschafften wir uns aber auch kleine Nebenjobs.
Wir liefen über den Marktplatz. Es war früher Abend und die Geschäfte würden erst in einer Stunde zu machen. Die Sonne ging schon unter und warf lange Schatten über die Häuser.
Nach längerer Diskussion mit Maja und Darren beschlossen wir das nächst beste Cafe zu nehmen und setzten uns dort in eine kleine gemütliche Ecke.
Beim Setzen streife Maja sachte meinen Arm und zuckte sofort zurück, als sie meine Wärme spürte, legt dann aber so gleich ihre Hand auf meine Stirn. „Mensch du glühst ja!“, rief sie entsetzt aus.
„Echt?“, fragte ich matt, vor meinen Augen verschwamm auf einmal alles, nahm dann aber gleich darauf wieder scharfe Umrisse an.
Ich werde nie diesen Blick vergessen den mir Darren zuwarf, diesen kummervollen, sorgenvollen Blick, er war voller panischer Angst, Angst vor irgendwas. Auch seine Stimme klang besorgt als er sprach. „Vielleicht solltest du zum Arzt oder so. Majas Vater untersucht dich bestimmt, wenn du ihn darum bittest.“ Majas Vater war Arzt.
„Ich habe mich bestimmt nur ein wenig erkältet, nichts Ernstes, bestimmt nicht“, meinte ich achselzuckend, ich wollte nicht so viel Aufmerksamkeit, dass war mir ein wenig unangenehm. „Und es geht mir sonst gut, ich habe keine Beschwerden.“ Es war nicht fair, dass ich die Beiden anlog, aber ich konnte nicht anders. Wie hätte ich das Gefühl, innerlich zu verbrennen, erklären sollen?
„Nee lass ma´. Wir werden jetzt erst einmal gemeinsam zu meinem Vater in die Praxis gehen und du lässt dich schön untersuchen. Wer weiß wie schlimm so eine Erkältung draußen auf der Straße werden kann und das jetzt, wo die Nächte wieder kälter und länger werden? Nachher kriegst du noch ne‘ Lungenentzündung oder hast schon eine!“ Sie hatte Recht. Es war zwar noch warm und manchmal richtig heiß, aber wir hatten längst Herbst und die Nächte wurden kalt. Aber trotzdem, ich wollte nicht. Es war unangenehm.
Doch Maja schob mich schon energisch Richtung Ausgang und jeder Widerstand war zwecklos. Selbst als ich hier hoch und heilig versprach mit ihr zu kommen, wenn ich meinen Tee getrunken hatte und es aufhörte zu regne, ließ sie nicht locker.
Es waren fast 20 Minuten Fußmarsch bis zu Hannes Praxis und als wir endlich dort ankamen, war das Gewitter längst über uns. Der Himmel wurde ständig von Blitzen erhellt und die Luft wurde durch wütende Donnerschläge zerschnitten. In der Praxis hieß es dann noch mal 10 Minuten warten. Ich saß zusammen gesunken auf meinem Stuhl und starrte vor mich her. Ich mochte es nicht, wenn sich andere Leute Sorgen um mich machten, das wollte ich nicht, auf gar keinen Fall. Aber wie ich da saß merkte ich wie ich immer mehr anfing zu brennen, innerlich zu verbrennen und dann wurde ich auch gleich darauf von dem ersten, heftigen Hustanfall geschüttelt, auf den noch weitere folgten, während wir warten und Darrens Blick wurde immer sorgenvoller.
Ich versuchte zu lächeln. „Nun schau nicht so wie sieben Tage Regenwetter. Mir geht es gut, ich hab mich nur ein kleinwenig erkältet.“ Noch während ich Darren ansah, verliefen seine Konturen und wurden erst nach ein paar Mal Blinzeln wieder klar. Aber es konnte doch nicht mehr als eine Erkältung sein oder?
Als Hannes mich untersuchte (Mund auf und A sagen, sich in den Rachen schauen lassen und tief ein und ausatmen, das übliche eben) saß Darren die ganze Zeit stillt neben mir und starrte mich ausdruckslos an. Er schien mit seinen Gedanken weit weg zu sein, sich Sorgen zu machen.
So ernst hatte ich ihn noch nie erlebt. Warum machte er sich solche Sorgen? Vielleicht weil ich zum ersten Mal krank war, seit ich auf der Straße lebte, seit ich ihn kannte?
Der Arzt kam zu der Überzeugung, dass ich eine leichte Lungenentzündung hätte, in diesem Moment griff Darre nach meiner Hand. Ich spürte ganz deutlich seine kühle Haut auf meiner brennenden, es schmerzte fast, so kalt war sie und ich spürte seinen stechenden Blick von der Seite.
„Ihre Eltern sind verreist“, murmelte er.
„Bitte?“, frage Hannes und sah von seinem PC auf, in dem er nach einem Medikament für mich suchte.
„Ihre Eltern sind verreist!“, sagte der Junge nun lauter und nachdrücklicher. „Kann sie nicht bei Ihnen bleiben, bis sie gesund ist oder ihre Eltern zurückkommen?“ Er sah den Arzt bittend an, ja sogar fast flehend. Was war denn mit ihm bloß los? Warum erschien er mir so nervös und so besorgt? Warum hatte ich den Eindruck, dass es ihm um etwas anderes ging, als um meine Gesundheit? Für einen Moment glaubte ich sogar Tränen in seinen Augen aufleuchten zu sehen.
„Dad, bitte lass sie zu uns kommen, sie ist doch krank!“, wandte nun auch Maja ein.
Ihr Vater überlegte einen Augenblick und nickte dann. „Leg dich hinten ins Zimmer. ich werde dich dann in einer halben Stunde mitnehmen, du kannst bei dem Wetter unmöglich laufen. Darren und Maja können sich ja zu dir gesellen.“ Ein Lächeln bildete sich auf den alten Lippen und seine grauen Augen leuchteten einen Moment auf. Er sieht alt aus, kam es mir zum ersten Mal in den Sinn. Sein roter Haarschopf fing an sich zu lichten und seine Haut bekam Falten. „Ich möchte aber noch kurz mit dir sprechen Maja, allein!“, fügte er mit Nachdruck hinzu. Also verzogen Darren und ich uns ins Hinterzimmer und ich legte mich auf das kleine Bett, welches dort stand. Der Boden schien unter meinen Füßen zu wabern. Darren schnappte sich einen Stuhl, der an einem Tisch gestanden hatte.
Mir entging nicht sein Blick.
„Wieso machst du dir so viel Sorgen?“, brachte ich schließlich über die Lippen. Seine blauen Augen betrachteten mich ausdruckslos, dann bildete sich ein sanftes Lächeln auf seinen Lippen.
„Ich habe dir doch erzählt meine Mutter wäre abgehauen, nicht wahr?“ Seine Stimme klang merkwürdig monoton und er wand seinen Blick von mir ab, starrte nun an die Wand.
„Was ist damit?“
„Sie ist niemals abgehauen. Es war für mich leichter eine Lüge zu glauben, als die Wahrheit zu akzeptieren. Du kennst sicherlich so was auch oder? Ich war gerade mal fünf als sie starb. Sie starb an einer Grippe. Ich werde nie vergessen wie sie sich zu tote gehustet hat. Diese schrecklichen Hustanfälle! Sie hat zum Schluss Blut gehustet. Ich lag nachts deswegen oft wach und habe mir vorgestellt, dass es vielleicht besser sei wenn sie sterbe. Als sie dass dann wirklich tat…“ Er sah mich an und ich sah Tränen in seinen Augen leuchten, wie kleine Rubinen. „Ich habe mich schrecklich schuldig gefühlt. Vater hat diesen Verlust nie verkraftet. Er begann danach zu trinken.“
Ich hob meine Hand, die mir schwerer vorkam, als gewöhnlich und berührte sanft seine Wange. „Du bist nicht daran schuld, du warst klein und wolltest wahrscheinlich nur das Beste für deine Mutter. Du wünschtest deine Mutter den Tod, nicht etwa, weil du sie gehasst hast, sondern weil du sie liebtest und nicht wolltest, dass sie leidet.“
„Ja“, hauchte er und senkte dann den Blick. „Und nun…na ja…weißt du, wir haben viel Zeit zusammen verbracht…ich meine jetzt nicht meine Mutter, sondernd dich und mich…“ Ja, wir hatten gewiss viel Zeit miteinander verbracht, wir hatten fast jeden Tag auf der Straße gemeinsam beendet und uns in kalten Winternächten warm gehalten. Ja, wir waren auch oft Nachts noch gemeinsam durch die Straßen gezogen und hatten zusammen geschlafen, nicht diese Art von Beischlaf, kein Sex, nein nie, nur aneinander kuscheln, wenn es kalt war und sich gegenseitig warm gehalten, mehr war da nie gewesen, in den ganzen Jahren, die wir uns nun kannten. „Und weißt du…da habe ich wohl irgendwann angefangen mehr für dich zu empfinden, etwas was über Freundschaft hinausgeht.“ Bei diesen Worten blickte er wieder auf und sah mir so tief in die Augen wie kein anderer zuvor, was ein Kribbeln in mir ausläse. Er sah mir in meine blauen Augen und eine Art Elektrizität schien sich in dem Raum aufzubauen und für einen Augenblick schienen wir zwei allein auf dieser Welt zu existieren. Spürte er das auch oder verleitete mir das Fieber zu solchen Gefühlen? Näherten sich unsere Lippen tatsächlich? Ja. Seine Lippen berührten sanft die meine, seine Hand strich leicht über meine Wange, die Zeit schien still zu stehen.
Als die Tür aufgestoßen wurde schraken wir auseinander und Maja beäugte uns. Peinliche Stille entstand, dann lachte Maja schallend auf. „Ihr tut gerade so als hätte ich euch bei irgendwas überrascht oder gestört was ich nicht mitbekommen sollte“, lachte sie und als Darren mit ins Lachen einfiel lachte auch ich mit, obwohl mir gar nicht zum Lachen zu Mute war. Eine unausgesprochene Frage stand nun zwischen Darren und mir: Hätten wir uns geküsst, wenn Maja nicht aufgetaucht wäre?
„Was wollte Hannes von dir?“, fragte Darren, um so schnell wie möglich von dieser Sache wegzukommen.
„Ach nur wegen der Schule“, meinte sie kurz angebunden, aber ich sah an ihren Augen das dies nicht wirklich stimmte oder zumindest nicht die ganze Wahrheit war, doch ich blieb stumm. Wenn sie nicht darüber reden wollte, dann war das allein ihre Sache.
Müde lies ich mich in das Kissen sinken. Wie angenehm weich es war…
Wann war es das letzte Mal gewesen, dass ich in einem Bett mit Kissen und Decke lag? Jahre. Am liebsten wäre ich sofort eingeschlafen, aber ich ermahnte mich dessen, ich würde ja doch bald wieder aufstehen und mich zum Auto schleppen müssen. Ein tiefes Seufzen entrann meiner Kehle, was jedoch sofort wieder einen Hustreiz auslöste und mich dazu aufforderte mich zu setzen. Wieder entging mir Darrens sorgenvoller Blick nicht. Nach dem der Hustanfall verebbt war, lächelte ich ihn aufmunternd an. „Mach dir keine Sorgen, ich werde es in den nächsten Tagen kuschelig warm haben und mich schnell erholen.“
Er nickte nur stumm und verbrachte dann die restlichen 15 Minuten damit uns zum Lachen zu bringen und selbst zu lachen. Es war wie immer, er versuchte seine Sorgen hinter dem Lachen zu verbergen. Als Hannes dann rein kam und ankündigte, dass wir nun aufbrechen würden, reichte mir Darren feierlich die Hand. „Na dann, gute Besserung und besieg die Krankheitserreger in diesen Schlachtzug, töte sie bis zum letzten Mann!“ Er versuchte ein Lächeln, doch seine Augen verrieten ihn und seine Sorge um mich. „Ich komme dich jeden Tag besuchen“, fügte er noch hinzu, nahm seine Sachen und ging seines Weges und ich fuhr mit Maja zu ihr…
Die Sonne schien und versenkte mir die Schultern. Es war eine Affenhitze, kaum zum aushalten, die ganze Zeit schon. Der Schweiß rann mir die Stirn herunter, blieb kurz an meiner Nasenspitze hängen und tropfte dann auf den trockenen Waldboden. Bäume, soweit das Auge reichte, aber was verlangte man von einem Wald? Das er Bäume und Sträucher und heimtückische Löcher hatte, in denen man stolperte und sich fast etwas brach.
Ich war sichtlich genervt von all diesen Bäumen, die mir nicht mal Schutz vor der Sonne boten, da sie einfach zu weit auseinander standen. Ein Optimist würde jetzt vielleicht sagen: „Sehe es positiv, so irrst du wenigstens nicht in Dunkelheit umher und siehst wo hin du läufst, außerdem kannst du dich dafür nicht so schnell verlaufen.“ Aber ich war kein Optimist!
Der Rucksack auf meinen Schultern schnitt mir in die Schultern, ich hatte ihn zu voll beladen, aber was soll`s, nun war es zu spät und außerdem würde ich nicht meckern, nur wegen ein bisschen Zwicken.
Ich verfing mich mit einem Fuß in einer Wurzel und stolperte, knallte mit der Hüfte gegen den Baum und fiel dann auf den Boden. Ich stöhnte auf, als ich den starken Schmerz an der Stelle spürte, an der ich mich gestoßen hatte. Das weiße Hemd verfärbte an der Hüfte rot. Blut!
Dieses Mistvieh muss mich doch schlimmer verletzt haben, als erst angenommen, schoss es mir durch den Kopf.
Ich war in der Nacht nur kurz unvorsichtig gewesen, als aus irgendeinem Gebüsch ein Wolf sprang und mich biss. Ich konnte den Wolf gleich überwältigen (mit der Feststellung, dass er Tollwut hatte – nur gut das ich gegen so etwas Immun war), doch er hatte mir eine tiefe Fleischwunde zugefügt, die nun erheblich schmerzte. Eigentlich war ich nicht so zimperlich bei Schmerzen und Verletzungen, doch es war schon Jahre her, dass ich solch eine tiefe Wunde gehabt hatte und erst jetzt, am Tageslicht sah ich, dass sie fast bis zum Hüftknochen ging. Mein Bein war wie betäubt und der Schmerz ging auch auf das linke Bein über. So blieb ich an einem Baum gelehnt sitzen und untersuchte die Wunde genauer. Ich sah etwas, was nicht zu meinem Körper gehörte und mir schoss sofort durch den Kopf, dass es ein Zahn dieser Bestie gewesen sein musste. Da ist man schon mit diesen Viechern verwandt und bemüht sich ein wenig Kontakt zu ihnen zu pflegen und dann so was! Wenn ich schon etwas in dieser gottverdammten Welt mochte, dann waren es meine Verwandten bzw. Vorfahren: Die Wölfe. Aber nein! Verdammt noch mal …
Ich griff mit zwei Fingern in die Wunde, bohrte sie hinein, ertrug den Schmerz unter Gestöhne und hielt dann tatsächlich einen Wolfszahn in den Händen. Ich wischte das Blut von ihm ab und betrachtete ihn in der Sonne. Er funkelte schön, war richtig groß. Ich beschloss ihn zu behalten, als kleine Trophäe und wer weiß, vielleicht brachte er mir ja etwas Glück, obwohl ich nicht an so etwas glaubte.
Erschöpft schloss ich die Augen und drückte meine Hände auf die blutende Wunde. Es war ein langer Tag gewesen, bald würde die Sonne untergehen und dann würden die Tiere der Nacht erwachen und aus ihren Verstecken kriechen. Meine Haut juckte und brannte, die Schultern waren verbrannt und rot. Ich konnte nur die Hoffnung beibehalten, dass ich bald aus diesem Wald herausfinden würde …
Als ich das ich nächste Mal meine Augen öffnete war es dunkel und es hatte begonnen zu Regen. Meine Kleidung und Haut waren klitschnass, die Wunde blutete nicht mehr so arg wie am Abend und ich fühlte mich besser.
Ich nahm meinen Rucksack und sah mich um.
Aus welcher Richtung war ich gekommen? Bergab! Ich war vom Berg gekommen!
Ich schlug die Richtung ein in der es abwärts ging, Norden. Nach dem Stand des Mondes musste es um Mitternacht sein, ich hatte also noch die halbe Nacht und den ganzen Tag Zeit aus diesem Wirrwarr von Bäumen herauszufinden. Und hoffentlich würde es bald sein.
Ich stieg den Berg immer tiefer hinab, immer tiefer in den Wald hinein, der – wie mir auffiel – immer dichter wurde, gefolgt von dem dumpfen Pochen meiner Wunde.
Ich vernahm das leise Zirpen der Grillen und das Aufleuchten und erlöschen der Lichter kleiner Glühwürmchen. Die Melodie der Grillen war lieblich und rhythmisch. Ich hasste es! Hätte ich die Zeit dazu gehabt, hätte ich jede zirpende Grille platt getreten.
Ich war schon nach wenigen Stunden erschöpft und müde, was für mich ungewöhnlich war, da ich sonst vor Kraft nur so strotzte, doch die Wunde behinderte mich mehr als Anfangs geglaubt. Sie blutete nun wieder schlimmer und ich musste befürchten, dass ich zu viel Blut verlor und irgendwann nicht mehr die Kraft zum Weiterlaufen hatte. Vor dem Tod fürchtete ich mich jedoch nicht, nein, ganz im Gegenteil, ich wünschte ihn mir seit Jahren. Doch ich wusste, der Fluch, der auf mir lastete würde verhindern, dass ich einfach so starb. Ich war kein gewöhnlicher Mensch.
Es war Jahrtausende her, als ich eines Morgens erwachte und nicht wusste, wer ich war. Kein Name, kein Anhaltspunkt. Selbst mein Gesicht war mir fremd vorgekommen. Da war nur ein Wort: Dark.
Ich hatte beschlossen, mich nach diesem Wort zu benennen. Und so war ich ins Nächste Dorf gegangen, in der Hoffnung, dass mir jemand weiterhelfen konnte. Doch Fehlanzeige.
Schnell lernte ich, dass ich stärker und flinker war und bessere Instinkte und Organe hatte als die Menschen. Bei Vollmond dann verlor ich über meinen Geist die Kontrolle und ich verwandelte mich unter Quälen in eine Bestie.
Das war die Zeit, als Gerüchte über Menschen aufkamen, die sich in Wölfe verwandeln können und andere, normale Menschen umbrachten. Angeblich sollte man sich mittels eines Bisses mit dieser Krankheit infizieren. Ich gehörte offensichtlich zu den Infizierten. Anfänglich dachte ich, dass es vielleicht ein Symptom der Krankheit sei, dass man sich nicht mehr an das Menschsein erinnerte. Schmerzlich musste ich erkennen, dass ich damit falsch lag. Und es machte mich wütend! Wieso wusste jeder wer er gewesen war, nur ich nicht!?
Ziemlich bald darauf war auch herausgekommen das ich ohne dieses Wissen über meine Vergangenheit nicht sterben konnte. Zu dem Zeitpunkt, als ich dies herausfand, hatte ich mich noch gefreut und überlegen gefühlt – heute war dies anders. Ich fühlte mich zwar immer noch überlegen, doch ich hatte keinen größeren Wunsch als zu sterben. Für mich gab es auf dieser Welt nichts Neues mehr, niemand der mich besiegen konnte, einfach nichts Lebenswertes. Ich war nun über 2000 Jahre alt, wie alt genau wusste ich nicht. Irgendwann hatte ich aufgehört zu zählen. Die meisten Dinge nervten mich nur noch. Vielleicht war ich auch der Ursprung aller Werwölfe, der Gedanke war mir schon oft gekommen, schließlich war ich noch keinem begegnet, der so alt war, wie ich. Und vielleicht war ich nie Mensch gewesen und hatte deshalb nichts zum Erinnern, dann konnte ich auch niemals sterben und war dazu verdammt bis in alle Ewigkeiten mein Dasein zu fristen, bis die Menschen die Welt zerstört hatten und selbst dann würde ich überleben. Ich konnte verbluten und trotzdem leben, man könnte mich köpfen und mir dennoch nicht das Leben aushauchen…
Ich hatte es mir zum Spaß gemacht sinnlos zu töten, das war die einzige Freude in meinem trostlosen Dasein. Was hätte ich denn sonst tun können? Lieben und eine Familie gründen? Pah! Liebe war doch nur eine reine Illusion, die Schmerz mit sich brachte. Wie viele Liebende hatte ich schon sich gegenseitig morden sehen?
Nein, ich fügte viel lieber anderen Schmerzen zu, ließ sie qualvoll sterben. Aber letztendlich hatte ich nur dieses eine Ziel: Herauszufinden wer ich früher gewesen war! Ich war nun schon über 1400 Jahre auf der Suche und war trotzdem keinen Schritt weitergekommen, doch ich würde nicht aufgeben, nein, niemals! Dark, der Wolf würde niemals aufgeben, nicht solange er auf diesem Planeten leben würde. Und wenn man mein Alter bedachte, waren 1400 Jahre wenig.
Es gab verschiedene Welten und ab und zu öffneten sich Tore zum Weltwechsel. Doch wo und wann konnte man nicht bestimmen und beeinflussen konnte man dieses auch nicht, aber ich hatte schon viele Welten gesehen und jede war anders, manche ähnelten sich, andere wiederum unterschieden sich von anderen so viel sie nur konnten. Doch es gab eine einzige Welt die ich nicht betreten konnte, ob ich wollte oder nicht. Der Durchgang zu dieser Welt war vor Jahrtausende geschlossen worden, für immer. Einst hatte ein bitterlicher Krieg zwischen den Welten geherrscht, es ging jedoch niemand als Gewinner oder Verlierer raus, doch hatte sich eine Welt dazu entschlossen den Kontakt zu den anderen Welten für immer zu unterbrechen und hatten ihr Tor geschlossen, so war es auch heute noch geschlossen und auch die Kreaturen der Fantasie (z.B. Einhörner – grässlich nette Kreaturen, diese Viecher, solang man jedenfalls nen Weib ist!) wurden in dieser Welt bis zum letzten ausgerottet, so sagte man. Und es war höchstwahrscheinlich, dass diese Welt, von all den anderen Welten, die wenigste Fantasie hatte und das Tor längst vergessen war. Aber ich wusste, dass dieses Tor verriegelt war und man dieses nicht einfach so öffnen konnte, das Schicksal dieser Welt war beschlossen worden und ich musste befürchten, dass in dieser Welt vielleicht meine Antworten auf alle meine Fragen lagen.
Aber in diesem Augenblick quälte mich nur der Gedanke wo ich etwas Essbares finden würde. Mein Magen knurrte so laut er konnte, als ich den Duft von Wildbeeren war nahm aber ich roch, dass diese Giftig waren und wollte nicht riskieren, dass ich davon krank wurde, also lief ich weiter, hielt die Wunde mit einer Hand und stütze mich mit der anderen Hand an den Bäumen ab.
„Hey du!“
Ich schrak zusammen als eine Stimme aus der Dunkelheit ertönte und wunderte mich zugleich, wieso ich ihn nicht gewittert oder kommen gehört hatte und mir wurde mit einem Schlag bewusst, dass ich zu erschöpft für so etwas war. Ich wand mich um und blickte in dass Gesicht eines blonden Kerls, Mitte 30. Er war hoch gewachsen, hatte blaue Augen (wenigstens meine Sehkraft hatte mich nicht im Stich gelassen) einen kleinen Schnurrbart und trug die Kleidung eines Jägers, grüne Hose, grünes Hemd, grüner Hut. Ich schätzte ihn auf 1.80m, er war kräftig gebaut. Nicht etwa dick, sondern muskulös.
Ich versuchte zu lächeln.
Ich muss hierzu sagen, dass ich von Glück reden kann, dass ich nicht altere, so sah ich aus wie ein harmloser, etwas mitgenommener 19-Jähriger, mit etwas zu langen schwarzen Harren aus. Ich war hager (ich bekam in letzter Zeit einfach zu wenig zwischen die Zähne) aber durchtrainiert und vielleicht auch etwas klein. Mein junges Aussehen hatte mir schon oft aus der Patsche geholfen.
Die Augen des Jägers glitten hinunter und blieben an der Wunde haften. „Was machst du zu dieser späten Stunde noch hier?“
„Das könnte ich Sie auch fragen“, gab ich ächzend zurück, bevor sich alles drehte, die Welt in eine undurchdringliche Dunkelheit verschwand, mich Kälte umgab und ich vornüber umkippte…
Ich fiel auf etwas Sanftes, auf etwas Weiches und wurde von etwas Warmen umgeben, die Kälte der Nacht war verschwunden, ich nahm den Duft von Gulaschsuppe wahr.
Langsam öffnete ich meine Augen und blickte an eine Holzdecke, die eine kleine Lampe besaß, deren Licht mich zuerst blendete. Ich kniff die Augen zu und spürte dabei einen sanften Schmerz am rechten Auge und mir dämmerte, dass ich nicht auf etwas Weiches gefallen war, sondern auf den harten Waldboden aufgeschlagen sein musste und mir dabei wohl Schrammen im Gesicht zugezogen hatte.
Ich versuchte gegen das Licht anzublinzeln und den Rest des Raumes zuerkennen.
Ich befand mich in einem Bett, über dem ein Fenster ragte, das Finsternis und Nacht verriet. Bis auf einen kleinen Schrank in der linken Ecke (das Bett befand sich an der Nordseite, wie sich später noch herausstellte) war der Raum leer. Ich drehte den Kopf nach hinten und sah die Tür. Sie stand offen. Ich versuche mich aufzurichten, doch als ein bitterer Schmerz meine Beine lähmte und ich laut aufstöhnte, unterließ ich dies.
Das Gesicht des Mannes aus dem Wald erschien in der Tür. Ich konnte nun eine kleine Narbe oberhalb der Lippe erkennen, die seinen Schnurrbart durchtrennte. Er hatte unreine Haut und kleine Pickelchen am Hals, doch sein Lächeln war warm und herzlich, ein Lächeln was ich mehr als alles andere Verabscheue, nur Elfen sind schlimmer! Wenn ich die Kraft dazu gehabt hätte wäre ich aus dem Bett gesprungen und hätte dieses scheußlich, mitleidiges Lächeln zerschlagen.
„Es wundert mich, dass du so früh erwachst!“, sagte er. „Jeder andere wäre bei dieser Menge Blut, die du verloren hast, längst ins Koma gefallen oder gar verblutet. Aber es freut mich das es dir anscheinend besser geht.“
Ich nahm mir in diesem Augenblick vor, ihm den Hals umzudrehen, sobald es mir besser ginge. Mitleid kann ich absolut nicht ausstehen. Doch bis es mir besser ginge würde ich mein Spielchen mit ihm spielen.
„Was ist geschehen?“, ächzte ich, leiser als ich eigentlich konnte, doch er sollte nicht mitbekommen wie schnell ich mich erholte. Das hätte Verdacht erregt und er konnte auf den Gedanken kommen, dass ich nicht menschlich war.
Er lächelte und zog einen Stuhl bei, den er aus dem anderen Raum holte. „Ich habe dich im Wald gefunden, erinnerst du dich nicht mehr? Du bist gerade umgekippt, als wir uns begegneten.“
Ich nickte wortlos, drückte mich mit beiden Händen nach oben und lehnte mich dann an den Bettpfosten.
„Was hast du auch mitten in der Nacht im Wald zu suchen? Das ist gefährlich!“, versuchte er mich zu belehren, mein Wunsch ihn umzubringen nahm zu.
„Ich wurde verfolgt“, log ich, „von einem großen Mann, ungefähr 20. Das war gestern Morgen, dann habe ich mich verlaufen und wurde von einem Wolf angegriffen.“
Der Mann nickte mitfühlend. „Verrate mir deinen Namen.“
Ich überlegte kurz und kam dann zum Schluss, dass es unklug wäre ihn meinen richtigen zu nennen also sagte ich: „Kevin und Ihrer?“
„Nenn mich einfach Sebastian und lass doch bitte dieses `Sie´ weg, ja?“
Ich nickte und blickte an mir herunter, als ich einen leichten Luftzug auf meiner Brust spürte. Ich trug nicht mehr meine eigenen Sachen, hatte nur einen Verband an der Hüfte und trug eine alte, abgetragene Jeans. Ich tastete sofort nach meinem Schwert und bekam einen Schreck: Es war weg!
„Mein Schwert“, schrie ich sofort, „wo ist es! Ich will es zurück!“
Erschrocken sah mich Sebastian an, stand dann auf und kam mit meinem Schwert zurück. Unglaubliche Wut rastete durch mich. Wer es wagte mein Schwert auch nur anzufassen würde einen qualvollen Tod erleiden. Ich riss es ihm aus der Hand und umfasste es fest. Ich spürte mein Herz pochen, als ich die Klinge aus der Scheide herauszog und Erleichterung durch flutete mich, als ich die Innenschrift auf ihr sah und praktisch durch die Klinge hindurch sehen konnte. Sie bestand aus reinem Diamant, und unzerbrechlich. Der Diamant glänzte in dem Licht blau und violett, der Griff war aus Elfenbein und die Scheide bestand innen ebenfalls aus Diamant und Elfenbein. Sie war außen jedoch mit Eisen verziert. Die Innenschrift auf der Klinge waren auf Latein und lauteten: Eine Seele, so mächtig wie keine, eine Seele ohne Herkunft. Ein Schwert mit unheilvoller Kraft, nutze sie mit Vernunft.
Auf dem Schwert lag ein Zauber, der es unbesiegbar und unzerbrechlich machte, jedenfalls in meinen Händen. Nahm es jemand anderes in die Hand, ob Mensch oder nicht, wurde es stumpf und schnitt nicht mal mehr ein Laib Brot entzwei. Es hatte keine einzige Schramme, obwohl es schon so oft in diesen vielen Jahren eingesetzt geworden war und so viel Blut geleckt hatte. Dieses Schwert war der einzige Anhaltspunkt den ich hatte, das einzige was ich anscheinend aus meiner Vergangenheit besaß. Und damit war es für mich das wertvollste was ich besaß und an dem ich am meisten hing.
Ich erinnerte mich glassklar daran, als wäre es eben erst geschehen.
Der Morgen, an dem ich erwacht war und mich nicht daran erinnern konnte, hatte ich nur dieses Schwert gehabt, mehr nicht, keine Klamotten, nichts.
„Fass es nie wieder an!“, fauchte ich wutentbrannt, blickte dann jedoch auf, sah ihm in die Augen und versuch so nett wie möglich zu lächeln. „Tut mir leid, aber es ist ein Erbstück meines Vaters und hat daher viel Wert für mich.“ Es hatte gewiss viel Wert, allein wegen dem Elfenbein und dem Diamant, doch ich fühlte mich ohne dieses Schwert wehrlos, auch wenn ich es nur selten und nur in äußersten Notfällen einsetzte, so war dieses Schwert doch ein Teil von mir und es war tief in meinem Herzen, das Liebste was ich besaß.
Er nickte. „Kann ich verstehen. Aber pass gut darauf aus, dass es dir nicht geklaut wird, es hat auch einen äußerst hohen Geldwert.“
„Ich weiß.“ Ich zielte auf den rechten Bettpfosten und zog die Klinge dadurch wie durch Butter. Sebastian bekam ganz große Augen.
„Merkwürdig!“, meinte er Stirn runzelnd. „Bei mir war es vorhin noch ganz stumpf.“
„Mein Großvater war Magier und hat es mit einem Zauber belegt, dass nur die männliche Linie unserer Familie dieses Schwert verwenden kann“, schwindelte ich rasch. Ich hatte plötzlich Angst, dass er mir das Schwert abnehmen würde, mir gefiel sein Blick nicht, deshalb steckte ich es zurück in die Scheide und legte es neben mich, an die Wand, hielt es jedoch immer noch umklammert. Schweigen entstand, das vom Knurren meines Magens durchbrochen wurde.
„Warte kurz, ich habe etwas zum Essen gekocht. Du musst ja einen großen Hunger haben, du hast drei Tage und drein Nächte lang geschlafen.“ Mit diesen Worten entschwand er und ließ mich allein zurück.
Drei Tage und drei Nächte? Das war eine lange Zeit. Verschwendete Zeit! Ich musste so schnell wie mögliche gesund werden, genug Kraft aufbringen mich wieder verteidigen zu können. Aber jetzt fühlte ich mich noch erschöpft und schwach, so beschloss ich hier ein paar Tage auszuspannen, auch wenn mich Sebastian Nettigkeit jetzt schon nervte, aber er würde schon sehen, was er davon hatte…
Prolog
Das tosende Wasser reist alles mit sich, bahnt sich seinen Weg durch die Schlucht. Nach vielen Kilometern verlässt der Fluss die kleine Schlucht und fließt steil einen hochhaushohen Wasserfall hinunter. Dieser endet in einer Landschaft, die nicht hätte üppiger sein können. Hier scheint ein kleiner Urwald zu gedeihen, wilde, unbekannte Tiere nennen ihn ihr zu Hause. Das hohe Grass am Flussufer birgt Geheimnisse. Aus ihm ist ein unerbittliches Schluchzen zu hören. Dort, wo das Grass in den Fluss übergeht, weit hinter den reisenden Strömen des Wasserfalles, umgeben vom Duschgel, sitzt ein Mädchen. Es sitzt da, weint und starrt auf die Wasseroberfläche. Neben ihr steht ein nasser Rucksack aus dem sie etwas geholt hat. Ein Tagebuch …
Erinnerungen steigen hoch, als sie das Tagebuch so in der Hand hält und noch mehr Tränen fließen. Sie erinnert sich daran, wie alles begonnen hatte und denkt dass nun alles endet.
Das Mädchen lässt das Buch aus ihren Händen ins Wasser gleiten, wo es von den Fluten davon gerissen wird …
Dort, wo der Fluss in den Wasserfall übergeht steht ein Junge. Er steht einfach nur da und starrt in die Tiefe. In seinem Blick liegt purer Wahnsinn. Viel zu langes Haar hängt auf seinen Schulter, zerschrammtes Gesicht und gerötete Augen.
Auch er hält etwas in der Hand. Ein kleines Büchlein mit schwarzem Einband. Ausdruckslos blickt er es an. Er erinnert sich ebenfalls an alles. Von Anfang bis Ende.
Hier ist das Ende, denkt er und lässt dann das Buch in das Wasser fallen. Er dreht sich um und sieht nicht wie es den Wasserfall hinuntergespült wird…
Beide Tagebücher werden vom Fluss mitgerissen. Wie durch Zufall bleiben sie an derselben Wurzel hängen. Dort werden sie bleiben, bis sie jemand findet oder sie vom Wasser weitergetrieben werden. Zwei verschiedene Aufzeichnungen von zwei verschiedenen Personen, ein und dieselbe Geschichte …
Beide, denen diese Memoiren gehören, sind ohne Hoffnung.
Zwei verlorene Seelen, deren Geschichte schon vor unendlich langer Zeit begonnen hat. Zwei verlorene Seelen, deren Schicksal untrennbar miteinander verbunden sind. Zwei Seelen, die bald ihr Ende in dieser Geschichte finden werden, aber noch ist nicht der richtige Augenblick, noch muss zu viel geschehen …
1. Krank
Minos Buch
Minos Buch
Der Regen platschte auf die Straße, ein Blitz durchzuckte den Himmel, kurz darauf war fernes Donnergrollen zu hören. Der heiße Herbsttag endete in einem Gewitter Die wenigen Leute auf der Straße suchten etwas zum Unterstellen und beäugten mich neugierig, als ich trotz Regen gemächlich die Straße entlang ging und nicht mal angedeutet schneller ging als sonst.
Ich war schon nach kurzer Zeit bis auf die Haut nass. Das dünne T-Shirt klebte unangenehm an mir und durch den dünnen Stoff konnte man ganz deutlich meine Haut und meinen BH sehen, die blonden Harre, die normalerweise Locken bildeten, hingen nun strähnig herunter. Schwer vom Regen und tropfend. Meine Reisetasche baumelte an meiner Schulter herunter und schlug gleichmäßig an mein rechtes Knie. Eigentlich hätte ich mich irgendwo unterstellen und meine Regenjacke heraus kramen können, aber ich hatte keine Lust anzuhalten. Ich wollte laufen, einfach nur laufen, mehr nicht. Und so schnell würde ich mir schon keine Erkältung einholen, schließlich hatte ich 6 Jahre auf der Straße verbracht und nach den letzten heißen Herbsttagen fühlte sich der Regen angenehm auf meiner Haut an. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl gehabt meine Haut würde brennen, jetzt verschwand allmählich das Gefühl.
Neben mir liefen Darren und Maja. Meine zwei engsten Freunden, mit denen ich den größten Teil meiner Zeit verbrachte. Darren hatte blondes Haar, welches vielleicht mal geschnitten werden sollte und das sich jetzt bei der Feuchtigkeit und Nässe leicht kräuselte. Er hatte etwas Verwegenes, diese Art auf die so viele Mädchen abfahren. Auch er trug eine schwere Reisetasche mit sich und war bloß mit einem gelben T-Shirt und einer schwarzen kurzen Hose bekleidet.
Maja war eine richtige Schönheit. Ich liebte den Anblick ihrer schönen braunen Haare und kastanienbraunen Augen. Sie hatte erst vor einem Monat ihre Volljährigkeit erstanden. Damit war sie trotz der wenigen Monaten, die zwischen ihr und mir lagen, die Jüngste.
Sie hatte die Kapuze ihrer schwarzen Regenjacke tief ins Gesicht gezogen und presste ihre schmalen Lippen fest aufeinander. In ihrem Gesicht stand tiefe Erregung und ihre Augen funkelten unheilvoll.
„Ich verstehe das einfach nicht!“, rief sie aufgebracht und noch mehr Leute drehten sich zu uns um.
Oft wurden Darren und ich von ihrer Mutter zum Essen eingeladen, manchmal duschten Darren und ich dort, wenn Majas Eltern auf der Arbeit waren. Ihre Eltern wussten nichts von unserem Zuhause. Vielleicht hätten sie uns vor unserer Volljährigkeit der Polizei gemeldet. Darren und ich waren uns darüber einig, dass für uns das geregelte Leben nichts war. Wir waren auf den Straßen aufgewachsen und kannten nur die Freiheit eines Vagabunden.
„Dieses scheiß Algebra! Wofür soll das später eigentlich mal gut sein?“ Maja war von uns die Einzige die zur Schule ging und einen Abschluss bekam. Ich und Darren hatten nie einen gemacht. Darren war mit 14 von daheim weggelaufen, weil sein Vater trank und seine Mutter die Familie verlassen hatte, als er noch ziemlich klein gewesen war und ich selbst war mit 12 auf die Straße geraten.
„Schmeiß die Schule“, lachte Darren wofür er von Maja einen bösen Blick erntete. Seine Stimme hatte einen weichen, sanften Klang, der sogar dann noch mitschwang, wenn er sauer war.
„Du verstehst doch von diesem Zeug noch weniger als ich und im Gegensatz zu euch zweien bin ich nicht so blöd und schmeiße die Schule!“, erwiderte sie sauer.
„Jetzt reg dich doch mal ab, Maja. Er hat es doch gar nicht böse gemeint, er wollte dich lediglich aufmuntern“, wand ich schließlich ein, um einen Streit zu vermeiden. „Außerdem war es damals nicht unsere Schuld, dass wir auf der Straße gelandet sind. Wo hätten wir denn hingehen sollen. Wenn wir damals bei unseren Eltern geblieben wären, wären wir heute vielleicht gar nicht mehr unter den Lebenden.“
Das Gefühl meine Haut würde langsam abkühlen war verschwunden und wurde jetzt wieder durch ein brennendes, heißes Gefühl ersetzt. Ich schwitzte trotz Regen. Mir war leicht schwindelig und ich bekam allmählich Kopfschmerzen. Ich war nicht in der Laune zu streiten oder irgendeinen Streit mit anzuhören. Auf einmal fühlte ich mich ungewohnt schwach und müde.
Vielleicht habe ich Fieber, dachte ich. Ich wollte plötzlich nur noch aus dem Regen raus und ins Trockne. Ich durfte mich nicht erkälten!
Betretenes Schweigen traf ein, bis ich meinte: „Lasst uns ein gemütliches, kleines Café aufsuchen, wo es schön trocken ist und wir etwas Warmes trinken können.“
Darren und ich hatten den Vormittag auf dem Bahnhof verbracht und hatten uns dort ein wenig Geld erbettelt. Genug Geld für eine warme Mahlzeit und einen schönen warmen Tee. Wir beschafften uns Geld oft auf diese Weiße. Meistens spielte Darren dann auf seiner Gitarre, die er jetzt über seine Schulter hängen hatte und ich sang dazu. Darren behauptete ich hätte eine klasse Stimme, mit seinen Worten ausgedrückt „die schönste Stimme der Welt.“ Manchmal beschafften wir uns aber auch kleine Nebenjobs.
Wir liefen über den Marktplatz. Es war früher Abend und die Geschäfte würden erst in einer Stunde zu machen. Die Sonne ging schon unter und warf lange Schatten über die Häuser.
Nach längerer Diskussion mit Maja und Darren beschlossen wir das nächst beste Cafe zu nehmen und setzten uns dort in eine kleine gemütliche Ecke.
Beim Setzen streife Maja sachte meinen Arm und zuckte sofort zurück, als sie meine Wärme spürte, legt dann aber so gleich ihre Hand auf meine Stirn. „Mensch du glühst ja!“, rief sie entsetzt aus.
„Echt?“, fragte ich matt, vor meinen Augen verschwamm auf einmal alles, nahm dann aber gleich darauf wieder scharfe Umrisse an.
Ich werde nie diesen Blick vergessen den mir Darren zuwarf, diesen kummervollen, sorgenvollen Blick, er war voller panischer Angst, Angst vor irgendwas. Auch seine Stimme klang besorgt als er sprach. „Vielleicht solltest du zum Arzt oder so. Majas Vater untersucht dich bestimmt, wenn du ihn darum bittest.“ Majas Vater war Arzt.
„Ich habe mich bestimmt nur ein wenig erkältet, nichts Ernstes, bestimmt nicht“, meinte ich achselzuckend, ich wollte nicht so viel Aufmerksamkeit, dass war mir ein wenig unangenehm. „Und es geht mir sonst gut, ich habe keine Beschwerden.“ Es war nicht fair, dass ich die Beiden anlog, aber ich konnte nicht anders. Wie hätte ich das Gefühl, innerlich zu verbrennen, erklären sollen?
„Nee lass ma´. Wir werden jetzt erst einmal gemeinsam zu meinem Vater in die Praxis gehen und du lässt dich schön untersuchen. Wer weiß wie schlimm so eine Erkältung draußen auf der Straße werden kann und das jetzt, wo die Nächte wieder kälter und länger werden? Nachher kriegst du noch ne‘ Lungenentzündung oder hast schon eine!“ Sie hatte Recht. Es war zwar noch warm und manchmal richtig heiß, aber wir hatten längst Herbst und die Nächte wurden kalt. Aber trotzdem, ich wollte nicht. Es war unangenehm.
Doch Maja schob mich schon energisch Richtung Ausgang und jeder Widerstand war zwecklos. Selbst als ich hier hoch und heilig versprach mit ihr zu kommen, wenn ich meinen Tee getrunken hatte und es aufhörte zu regne, ließ sie nicht locker.
Es waren fast 20 Minuten Fußmarsch bis zu Hannes Praxis und als wir endlich dort ankamen, war das Gewitter längst über uns. Der Himmel wurde ständig von Blitzen erhellt und die Luft wurde durch wütende Donnerschläge zerschnitten. In der Praxis hieß es dann noch mal 10 Minuten warten. Ich saß zusammen gesunken auf meinem Stuhl und starrte vor mich her. Ich mochte es nicht, wenn sich andere Leute Sorgen um mich machten, das wollte ich nicht, auf gar keinen Fall. Aber wie ich da saß merkte ich wie ich immer mehr anfing zu brennen, innerlich zu verbrennen und dann wurde ich auch gleich darauf von dem ersten, heftigen Hustanfall geschüttelt, auf den noch weitere folgten, während wir warten und Darrens Blick wurde immer sorgenvoller.
Ich versuchte zu lächeln. „Nun schau nicht so wie sieben Tage Regenwetter. Mir geht es gut, ich hab mich nur ein kleinwenig erkältet.“ Noch während ich Darren ansah, verliefen seine Konturen und wurden erst nach ein paar Mal Blinzeln wieder klar. Aber es konnte doch nicht mehr als eine Erkältung sein oder?
Als Hannes mich untersuchte (Mund auf und A sagen, sich in den Rachen schauen lassen und tief ein und ausatmen, das übliche eben) saß Darren die ganze Zeit stillt neben mir und starrte mich ausdruckslos an. Er schien mit seinen Gedanken weit weg zu sein, sich Sorgen zu machen.
So ernst hatte ich ihn noch nie erlebt. Warum machte er sich solche Sorgen? Vielleicht weil ich zum ersten Mal krank war, seit ich auf der Straße lebte, seit ich ihn kannte?
Der Arzt kam zu der Überzeugung, dass ich eine leichte Lungenentzündung hätte, in diesem Moment griff Darre nach meiner Hand. Ich spürte ganz deutlich seine kühle Haut auf meiner brennenden, es schmerzte fast, so kalt war sie und ich spürte seinen stechenden Blick von der Seite.
„Ihre Eltern sind verreist“, murmelte er.
„Bitte?“, frage Hannes und sah von seinem PC auf, in dem er nach einem Medikament für mich suchte.
„Ihre Eltern sind verreist!“, sagte der Junge nun lauter und nachdrücklicher. „Kann sie nicht bei Ihnen bleiben, bis sie gesund ist oder ihre Eltern zurückkommen?“ Er sah den Arzt bittend an, ja sogar fast flehend. Was war denn mit ihm bloß los? Warum erschien er mir so nervös und so besorgt? Warum hatte ich den Eindruck, dass es ihm um etwas anderes ging, als um meine Gesundheit? Für einen Moment glaubte ich sogar Tränen in seinen Augen aufleuchten zu sehen.
„Dad, bitte lass sie zu uns kommen, sie ist doch krank!“, wandte nun auch Maja ein.
Ihr Vater überlegte einen Augenblick und nickte dann. „Leg dich hinten ins Zimmer. ich werde dich dann in einer halben Stunde mitnehmen, du kannst bei dem Wetter unmöglich laufen. Darren und Maja können sich ja zu dir gesellen.“ Ein Lächeln bildete sich auf den alten Lippen und seine grauen Augen leuchteten einen Moment auf. Er sieht alt aus, kam es mir zum ersten Mal in den Sinn. Sein roter Haarschopf fing an sich zu lichten und seine Haut bekam Falten. „Ich möchte aber noch kurz mit dir sprechen Maja, allein!“, fügte er mit Nachdruck hinzu. Also verzogen Darren und ich uns ins Hinterzimmer und ich legte mich auf das kleine Bett, welches dort stand. Der Boden schien unter meinen Füßen zu wabern. Darren schnappte sich einen Stuhl, der an einem Tisch gestanden hatte.
Mir entging nicht sein Blick.
„Wieso machst du dir so viel Sorgen?“, brachte ich schließlich über die Lippen. Seine blauen Augen betrachteten mich ausdruckslos, dann bildete sich ein sanftes Lächeln auf seinen Lippen.
„Ich habe dir doch erzählt meine Mutter wäre abgehauen, nicht wahr?“ Seine Stimme klang merkwürdig monoton und er wand seinen Blick von mir ab, starrte nun an die Wand.
„Was ist damit?“
„Sie ist niemals abgehauen. Es war für mich leichter eine Lüge zu glauben, als die Wahrheit zu akzeptieren. Du kennst sicherlich so was auch oder? Ich war gerade mal fünf als sie starb. Sie starb an einer Grippe. Ich werde nie vergessen wie sie sich zu tote gehustet hat. Diese schrecklichen Hustanfälle! Sie hat zum Schluss Blut gehustet. Ich lag nachts deswegen oft wach und habe mir vorgestellt, dass es vielleicht besser sei wenn sie sterbe. Als sie dass dann wirklich tat…“ Er sah mich an und ich sah Tränen in seinen Augen leuchten, wie kleine Rubinen. „Ich habe mich schrecklich schuldig gefühlt. Vater hat diesen Verlust nie verkraftet. Er begann danach zu trinken.“
Ich hob meine Hand, die mir schwerer vorkam, als gewöhnlich und berührte sanft seine Wange. „Du bist nicht daran schuld, du warst klein und wolltest wahrscheinlich nur das Beste für deine Mutter. Du wünschtest deine Mutter den Tod, nicht etwa, weil du sie gehasst hast, sondern weil du sie liebtest und nicht wolltest, dass sie leidet.“
„Ja“, hauchte er und senkte dann den Blick. „Und nun…na ja…weißt du, wir haben viel Zeit zusammen verbracht…ich meine jetzt nicht meine Mutter, sondernd dich und mich…“ Ja, wir hatten gewiss viel Zeit miteinander verbracht, wir hatten fast jeden Tag auf der Straße gemeinsam beendet und uns in kalten Winternächten warm gehalten. Ja, wir waren auch oft Nachts noch gemeinsam durch die Straßen gezogen und hatten zusammen geschlafen, nicht diese Art von Beischlaf, kein Sex, nein nie, nur aneinander kuscheln, wenn es kalt war und sich gegenseitig warm gehalten, mehr war da nie gewesen, in den ganzen Jahren, die wir uns nun kannten. „Und weißt du…da habe ich wohl irgendwann angefangen mehr für dich zu empfinden, etwas was über Freundschaft hinausgeht.“ Bei diesen Worten blickte er wieder auf und sah mir so tief in die Augen wie kein anderer zuvor, was ein Kribbeln in mir ausläse. Er sah mir in meine blauen Augen und eine Art Elektrizität schien sich in dem Raum aufzubauen und für einen Augenblick schienen wir zwei allein auf dieser Welt zu existieren. Spürte er das auch oder verleitete mir das Fieber zu solchen Gefühlen? Näherten sich unsere Lippen tatsächlich? Ja. Seine Lippen berührten sanft die meine, seine Hand strich leicht über meine Wange, die Zeit schien still zu stehen.
Als die Tür aufgestoßen wurde schraken wir auseinander und Maja beäugte uns. Peinliche Stille entstand, dann lachte Maja schallend auf. „Ihr tut gerade so als hätte ich euch bei irgendwas überrascht oder gestört was ich nicht mitbekommen sollte“, lachte sie und als Darren mit ins Lachen einfiel lachte auch ich mit, obwohl mir gar nicht zum Lachen zu Mute war. Eine unausgesprochene Frage stand nun zwischen Darren und mir: Hätten wir uns geküsst, wenn Maja nicht aufgetaucht wäre?
„Was wollte Hannes von dir?“, fragte Darren, um so schnell wie möglich von dieser Sache wegzukommen.
„Ach nur wegen der Schule“, meinte sie kurz angebunden, aber ich sah an ihren Augen das dies nicht wirklich stimmte oder zumindest nicht die ganze Wahrheit war, doch ich blieb stumm. Wenn sie nicht darüber reden wollte, dann war das allein ihre Sache.
Müde lies ich mich in das Kissen sinken. Wie angenehm weich es war…
Wann war es das letzte Mal gewesen, dass ich in einem Bett mit Kissen und Decke lag? Jahre. Am liebsten wäre ich sofort eingeschlafen, aber ich ermahnte mich dessen, ich würde ja doch bald wieder aufstehen und mich zum Auto schleppen müssen. Ein tiefes Seufzen entrann meiner Kehle, was jedoch sofort wieder einen Hustreiz auslöste und mich dazu aufforderte mich zu setzen. Wieder entging mir Darrens sorgenvoller Blick nicht. Nach dem der Hustanfall verebbt war, lächelte ich ihn aufmunternd an. „Mach dir keine Sorgen, ich werde es in den nächsten Tagen kuschelig warm haben und mich schnell erholen.“
Er nickte nur stumm und verbrachte dann die restlichen 15 Minuten damit uns zum Lachen zu bringen und selbst zu lachen. Es war wie immer, er versuchte seine Sorgen hinter dem Lachen zu verbergen. Als Hannes dann rein kam und ankündigte, dass wir nun aufbrechen würden, reichte mir Darren feierlich die Hand. „Na dann, gute Besserung und besieg die Krankheitserreger in diesen Schlachtzug, töte sie bis zum letzten Mann!“ Er versuchte ein Lächeln, doch seine Augen verrieten ihn und seine Sorge um mich. „Ich komme dich jeden Tag besuchen“, fügte er noch hinzu, nahm seine Sachen und ging seines Weges und ich fuhr mit Maja zu ihr…
2. Ich
Darks Buch
Darks Buch
Die Sonne schien und versenkte mir die Schultern. Es war eine Affenhitze, kaum zum aushalten, die ganze Zeit schon. Der Schweiß rann mir die Stirn herunter, blieb kurz an meiner Nasenspitze hängen und tropfte dann auf den trockenen Waldboden. Bäume, soweit das Auge reichte, aber was verlangte man von einem Wald? Das er Bäume und Sträucher und heimtückische Löcher hatte, in denen man stolperte und sich fast etwas brach.
Ich war sichtlich genervt von all diesen Bäumen, die mir nicht mal Schutz vor der Sonne boten, da sie einfach zu weit auseinander standen. Ein Optimist würde jetzt vielleicht sagen: „Sehe es positiv, so irrst du wenigstens nicht in Dunkelheit umher und siehst wo hin du läufst, außerdem kannst du dich dafür nicht so schnell verlaufen.“ Aber ich war kein Optimist!
Der Rucksack auf meinen Schultern schnitt mir in die Schultern, ich hatte ihn zu voll beladen, aber was soll`s, nun war es zu spät und außerdem würde ich nicht meckern, nur wegen ein bisschen Zwicken.
Ich verfing mich mit einem Fuß in einer Wurzel und stolperte, knallte mit der Hüfte gegen den Baum und fiel dann auf den Boden. Ich stöhnte auf, als ich den starken Schmerz an der Stelle spürte, an der ich mich gestoßen hatte. Das weiße Hemd verfärbte an der Hüfte rot. Blut!
Dieses Mistvieh muss mich doch schlimmer verletzt haben, als erst angenommen, schoss es mir durch den Kopf.
Ich war in der Nacht nur kurz unvorsichtig gewesen, als aus irgendeinem Gebüsch ein Wolf sprang und mich biss. Ich konnte den Wolf gleich überwältigen (mit der Feststellung, dass er Tollwut hatte – nur gut das ich gegen so etwas Immun war), doch er hatte mir eine tiefe Fleischwunde zugefügt, die nun erheblich schmerzte. Eigentlich war ich nicht so zimperlich bei Schmerzen und Verletzungen, doch es war schon Jahre her, dass ich solch eine tiefe Wunde gehabt hatte und erst jetzt, am Tageslicht sah ich, dass sie fast bis zum Hüftknochen ging. Mein Bein war wie betäubt und der Schmerz ging auch auf das linke Bein über. So blieb ich an einem Baum gelehnt sitzen und untersuchte die Wunde genauer. Ich sah etwas, was nicht zu meinem Körper gehörte und mir schoss sofort durch den Kopf, dass es ein Zahn dieser Bestie gewesen sein musste. Da ist man schon mit diesen Viechern verwandt und bemüht sich ein wenig Kontakt zu ihnen zu pflegen und dann so was! Wenn ich schon etwas in dieser gottverdammten Welt mochte, dann waren es meine Verwandten bzw. Vorfahren: Die Wölfe. Aber nein! Verdammt noch mal …
Ich griff mit zwei Fingern in die Wunde, bohrte sie hinein, ertrug den Schmerz unter Gestöhne und hielt dann tatsächlich einen Wolfszahn in den Händen. Ich wischte das Blut von ihm ab und betrachtete ihn in der Sonne. Er funkelte schön, war richtig groß. Ich beschloss ihn zu behalten, als kleine Trophäe und wer weiß, vielleicht brachte er mir ja etwas Glück, obwohl ich nicht an so etwas glaubte.
Erschöpft schloss ich die Augen und drückte meine Hände auf die blutende Wunde. Es war ein langer Tag gewesen, bald würde die Sonne untergehen und dann würden die Tiere der Nacht erwachen und aus ihren Verstecken kriechen. Meine Haut juckte und brannte, die Schultern waren verbrannt und rot. Ich konnte nur die Hoffnung beibehalten, dass ich bald aus diesem Wald herausfinden würde …
Als ich das ich nächste Mal meine Augen öffnete war es dunkel und es hatte begonnen zu Regen. Meine Kleidung und Haut waren klitschnass, die Wunde blutete nicht mehr so arg wie am Abend und ich fühlte mich besser.
Ich nahm meinen Rucksack und sah mich um.
Aus welcher Richtung war ich gekommen? Bergab! Ich war vom Berg gekommen!
Ich schlug die Richtung ein in der es abwärts ging, Norden. Nach dem Stand des Mondes musste es um Mitternacht sein, ich hatte also noch die halbe Nacht und den ganzen Tag Zeit aus diesem Wirrwarr von Bäumen herauszufinden. Und hoffentlich würde es bald sein.
Ich stieg den Berg immer tiefer hinab, immer tiefer in den Wald hinein, der – wie mir auffiel – immer dichter wurde, gefolgt von dem dumpfen Pochen meiner Wunde.
Ich vernahm das leise Zirpen der Grillen und das Aufleuchten und erlöschen der Lichter kleiner Glühwürmchen. Die Melodie der Grillen war lieblich und rhythmisch. Ich hasste es! Hätte ich die Zeit dazu gehabt, hätte ich jede zirpende Grille platt getreten.
Ich war schon nach wenigen Stunden erschöpft und müde, was für mich ungewöhnlich war, da ich sonst vor Kraft nur so strotzte, doch die Wunde behinderte mich mehr als Anfangs geglaubt. Sie blutete nun wieder schlimmer und ich musste befürchten, dass ich zu viel Blut verlor und irgendwann nicht mehr die Kraft zum Weiterlaufen hatte. Vor dem Tod fürchtete ich mich jedoch nicht, nein, ganz im Gegenteil, ich wünschte ihn mir seit Jahren. Doch ich wusste, der Fluch, der auf mir lastete würde verhindern, dass ich einfach so starb. Ich war kein gewöhnlicher Mensch.
Es war Jahrtausende her, als ich eines Morgens erwachte und nicht wusste, wer ich war. Kein Name, kein Anhaltspunkt. Selbst mein Gesicht war mir fremd vorgekommen. Da war nur ein Wort: Dark.
Ich hatte beschlossen, mich nach diesem Wort zu benennen. Und so war ich ins Nächste Dorf gegangen, in der Hoffnung, dass mir jemand weiterhelfen konnte. Doch Fehlanzeige.
Schnell lernte ich, dass ich stärker und flinker war und bessere Instinkte und Organe hatte als die Menschen. Bei Vollmond dann verlor ich über meinen Geist die Kontrolle und ich verwandelte mich unter Quälen in eine Bestie.
Das war die Zeit, als Gerüchte über Menschen aufkamen, die sich in Wölfe verwandeln können und andere, normale Menschen umbrachten. Angeblich sollte man sich mittels eines Bisses mit dieser Krankheit infizieren. Ich gehörte offensichtlich zu den Infizierten. Anfänglich dachte ich, dass es vielleicht ein Symptom der Krankheit sei, dass man sich nicht mehr an das Menschsein erinnerte. Schmerzlich musste ich erkennen, dass ich damit falsch lag. Und es machte mich wütend! Wieso wusste jeder wer er gewesen war, nur ich nicht!?
Ziemlich bald darauf war auch herausgekommen das ich ohne dieses Wissen über meine Vergangenheit nicht sterben konnte. Zu dem Zeitpunkt, als ich dies herausfand, hatte ich mich noch gefreut und überlegen gefühlt – heute war dies anders. Ich fühlte mich zwar immer noch überlegen, doch ich hatte keinen größeren Wunsch als zu sterben. Für mich gab es auf dieser Welt nichts Neues mehr, niemand der mich besiegen konnte, einfach nichts Lebenswertes. Ich war nun über 2000 Jahre alt, wie alt genau wusste ich nicht. Irgendwann hatte ich aufgehört zu zählen. Die meisten Dinge nervten mich nur noch. Vielleicht war ich auch der Ursprung aller Werwölfe, der Gedanke war mir schon oft gekommen, schließlich war ich noch keinem begegnet, der so alt war, wie ich. Und vielleicht war ich nie Mensch gewesen und hatte deshalb nichts zum Erinnern, dann konnte ich auch niemals sterben und war dazu verdammt bis in alle Ewigkeiten mein Dasein zu fristen, bis die Menschen die Welt zerstört hatten und selbst dann würde ich überleben. Ich konnte verbluten und trotzdem leben, man könnte mich köpfen und mir dennoch nicht das Leben aushauchen…
Ich hatte es mir zum Spaß gemacht sinnlos zu töten, das war die einzige Freude in meinem trostlosen Dasein. Was hätte ich denn sonst tun können? Lieben und eine Familie gründen? Pah! Liebe war doch nur eine reine Illusion, die Schmerz mit sich brachte. Wie viele Liebende hatte ich schon sich gegenseitig morden sehen?
Nein, ich fügte viel lieber anderen Schmerzen zu, ließ sie qualvoll sterben. Aber letztendlich hatte ich nur dieses eine Ziel: Herauszufinden wer ich früher gewesen war! Ich war nun schon über 1400 Jahre auf der Suche und war trotzdem keinen Schritt weitergekommen, doch ich würde nicht aufgeben, nein, niemals! Dark, der Wolf würde niemals aufgeben, nicht solange er auf diesem Planeten leben würde. Und wenn man mein Alter bedachte, waren 1400 Jahre wenig.
Es gab verschiedene Welten und ab und zu öffneten sich Tore zum Weltwechsel. Doch wo und wann konnte man nicht bestimmen und beeinflussen konnte man dieses auch nicht, aber ich hatte schon viele Welten gesehen und jede war anders, manche ähnelten sich, andere wiederum unterschieden sich von anderen so viel sie nur konnten. Doch es gab eine einzige Welt die ich nicht betreten konnte, ob ich wollte oder nicht. Der Durchgang zu dieser Welt war vor Jahrtausende geschlossen worden, für immer. Einst hatte ein bitterlicher Krieg zwischen den Welten geherrscht, es ging jedoch niemand als Gewinner oder Verlierer raus, doch hatte sich eine Welt dazu entschlossen den Kontakt zu den anderen Welten für immer zu unterbrechen und hatten ihr Tor geschlossen, so war es auch heute noch geschlossen und auch die Kreaturen der Fantasie (z.B. Einhörner – grässlich nette Kreaturen, diese Viecher, solang man jedenfalls nen Weib ist!) wurden in dieser Welt bis zum letzten ausgerottet, so sagte man. Und es war höchstwahrscheinlich, dass diese Welt, von all den anderen Welten, die wenigste Fantasie hatte und das Tor längst vergessen war. Aber ich wusste, dass dieses Tor verriegelt war und man dieses nicht einfach so öffnen konnte, das Schicksal dieser Welt war beschlossen worden und ich musste befürchten, dass in dieser Welt vielleicht meine Antworten auf alle meine Fragen lagen.
Aber in diesem Augenblick quälte mich nur der Gedanke wo ich etwas Essbares finden würde. Mein Magen knurrte so laut er konnte, als ich den Duft von Wildbeeren war nahm aber ich roch, dass diese Giftig waren und wollte nicht riskieren, dass ich davon krank wurde, also lief ich weiter, hielt die Wunde mit einer Hand und stütze mich mit der anderen Hand an den Bäumen ab.
„Hey du!“
Ich schrak zusammen als eine Stimme aus der Dunkelheit ertönte und wunderte mich zugleich, wieso ich ihn nicht gewittert oder kommen gehört hatte und mir wurde mit einem Schlag bewusst, dass ich zu erschöpft für so etwas war. Ich wand mich um und blickte in dass Gesicht eines blonden Kerls, Mitte 30. Er war hoch gewachsen, hatte blaue Augen (wenigstens meine Sehkraft hatte mich nicht im Stich gelassen) einen kleinen Schnurrbart und trug die Kleidung eines Jägers, grüne Hose, grünes Hemd, grüner Hut. Ich schätzte ihn auf 1.80m, er war kräftig gebaut. Nicht etwa dick, sondern muskulös.
Ich versuchte zu lächeln.
Ich muss hierzu sagen, dass ich von Glück reden kann, dass ich nicht altere, so sah ich aus wie ein harmloser, etwas mitgenommener 19-Jähriger, mit etwas zu langen schwarzen Harren aus. Ich war hager (ich bekam in letzter Zeit einfach zu wenig zwischen die Zähne) aber durchtrainiert und vielleicht auch etwas klein. Mein junges Aussehen hatte mir schon oft aus der Patsche geholfen.
Die Augen des Jägers glitten hinunter und blieben an der Wunde haften. „Was machst du zu dieser späten Stunde noch hier?“
„Das könnte ich Sie auch fragen“, gab ich ächzend zurück, bevor sich alles drehte, die Welt in eine undurchdringliche Dunkelheit verschwand, mich Kälte umgab und ich vornüber umkippte…
Ich fiel auf etwas Sanftes, auf etwas Weiches und wurde von etwas Warmen umgeben, die Kälte der Nacht war verschwunden, ich nahm den Duft von Gulaschsuppe wahr.
Langsam öffnete ich meine Augen und blickte an eine Holzdecke, die eine kleine Lampe besaß, deren Licht mich zuerst blendete. Ich kniff die Augen zu und spürte dabei einen sanften Schmerz am rechten Auge und mir dämmerte, dass ich nicht auf etwas Weiches gefallen war, sondern auf den harten Waldboden aufgeschlagen sein musste und mir dabei wohl Schrammen im Gesicht zugezogen hatte.
Ich versuchte gegen das Licht anzublinzeln und den Rest des Raumes zuerkennen.
Ich befand mich in einem Bett, über dem ein Fenster ragte, das Finsternis und Nacht verriet. Bis auf einen kleinen Schrank in der linken Ecke (das Bett befand sich an der Nordseite, wie sich später noch herausstellte) war der Raum leer. Ich drehte den Kopf nach hinten und sah die Tür. Sie stand offen. Ich versuche mich aufzurichten, doch als ein bitterer Schmerz meine Beine lähmte und ich laut aufstöhnte, unterließ ich dies.
Das Gesicht des Mannes aus dem Wald erschien in der Tür. Ich konnte nun eine kleine Narbe oberhalb der Lippe erkennen, die seinen Schnurrbart durchtrennte. Er hatte unreine Haut und kleine Pickelchen am Hals, doch sein Lächeln war warm und herzlich, ein Lächeln was ich mehr als alles andere Verabscheue, nur Elfen sind schlimmer! Wenn ich die Kraft dazu gehabt hätte wäre ich aus dem Bett gesprungen und hätte dieses scheußlich, mitleidiges Lächeln zerschlagen.
„Es wundert mich, dass du so früh erwachst!“, sagte er. „Jeder andere wäre bei dieser Menge Blut, die du verloren hast, längst ins Koma gefallen oder gar verblutet. Aber es freut mich das es dir anscheinend besser geht.“
Ich nahm mir in diesem Augenblick vor, ihm den Hals umzudrehen, sobald es mir besser ginge. Mitleid kann ich absolut nicht ausstehen. Doch bis es mir besser ginge würde ich mein Spielchen mit ihm spielen.
„Was ist geschehen?“, ächzte ich, leiser als ich eigentlich konnte, doch er sollte nicht mitbekommen wie schnell ich mich erholte. Das hätte Verdacht erregt und er konnte auf den Gedanken kommen, dass ich nicht menschlich war.
Er lächelte und zog einen Stuhl bei, den er aus dem anderen Raum holte. „Ich habe dich im Wald gefunden, erinnerst du dich nicht mehr? Du bist gerade umgekippt, als wir uns begegneten.“
Ich nickte wortlos, drückte mich mit beiden Händen nach oben und lehnte mich dann an den Bettpfosten.
„Was hast du auch mitten in der Nacht im Wald zu suchen? Das ist gefährlich!“, versuchte er mich zu belehren, mein Wunsch ihn umzubringen nahm zu.
„Ich wurde verfolgt“, log ich, „von einem großen Mann, ungefähr 20. Das war gestern Morgen, dann habe ich mich verlaufen und wurde von einem Wolf angegriffen.“
Der Mann nickte mitfühlend. „Verrate mir deinen Namen.“
Ich überlegte kurz und kam dann zum Schluss, dass es unklug wäre ihn meinen richtigen zu nennen also sagte ich: „Kevin und Ihrer?“
„Nenn mich einfach Sebastian und lass doch bitte dieses `Sie´ weg, ja?“
Ich nickte und blickte an mir herunter, als ich einen leichten Luftzug auf meiner Brust spürte. Ich trug nicht mehr meine eigenen Sachen, hatte nur einen Verband an der Hüfte und trug eine alte, abgetragene Jeans. Ich tastete sofort nach meinem Schwert und bekam einen Schreck: Es war weg!
„Mein Schwert“, schrie ich sofort, „wo ist es! Ich will es zurück!“
Erschrocken sah mich Sebastian an, stand dann auf und kam mit meinem Schwert zurück. Unglaubliche Wut rastete durch mich. Wer es wagte mein Schwert auch nur anzufassen würde einen qualvollen Tod erleiden. Ich riss es ihm aus der Hand und umfasste es fest. Ich spürte mein Herz pochen, als ich die Klinge aus der Scheide herauszog und Erleichterung durch flutete mich, als ich die Innenschrift auf ihr sah und praktisch durch die Klinge hindurch sehen konnte. Sie bestand aus reinem Diamant, und unzerbrechlich. Der Diamant glänzte in dem Licht blau und violett, der Griff war aus Elfenbein und die Scheide bestand innen ebenfalls aus Diamant und Elfenbein. Sie war außen jedoch mit Eisen verziert. Die Innenschrift auf der Klinge waren auf Latein und lauteten: Eine Seele, so mächtig wie keine, eine Seele ohne Herkunft. Ein Schwert mit unheilvoller Kraft, nutze sie mit Vernunft.
Auf dem Schwert lag ein Zauber, der es unbesiegbar und unzerbrechlich machte, jedenfalls in meinen Händen. Nahm es jemand anderes in die Hand, ob Mensch oder nicht, wurde es stumpf und schnitt nicht mal mehr ein Laib Brot entzwei. Es hatte keine einzige Schramme, obwohl es schon so oft in diesen vielen Jahren eingesetzt geworden war und so viel Blut geleckt hatte. Dieses Schwert war der einzige Anhaltspunkt den ich hatte, das einzige was ich anscheinend aus meiner Vergangenheit besaß. Und damit war es für mich das wertvollste was ich besaß und an dem ich am meisten hing.
Ich erinnerte mich glassklar daran, als wäre es eben erst geschehen.
Der Morgen, an dem ich erwacht war und mich nicht daran erinnern konnte, hatte ich nur dieses Schwert gehabt, mehr nicht, keine Klamotten, nichts.
„Fass es nie wieder an!“, fauchte ich wutentbrannt, blickte dann jedoch auf, sah ihm in die Augen und versuch so nett wie möglich zu lächeln. „Tut mir leid, aber es ist ein Erbstück meines Vaters und hat daher viel Wert für mich.“ Es hatte gewiss viel Wert, allein wegen dem Elfenbein und dem Diamant, doch ich fühlte mich ohne dieses Schwert wehrlos, auch wenn ich es nur selten und nur in äußersten Notfällen einsetzte, so war dieses Schwert doch ein Teil von mir und es war tief in meinem Herzen, das Liebste was ich besaß.
Er nickte. „Kann ich verstehen. Aber pass gut darauf aus, dass es dir nicht geklaut wird, es hat auch einen äußerst hohen Geldwert.“
„Ich weiß.“ Ich zielte auf den rechten Bettpfosten und zog die Klinge dadurch wie durch Butter. Sebastian bekam ganz große Augen.
„Merkwürdig!“, meinte er Stirn runzelnd. „Bei mir war es vorhin noch ganz stumpf.“
„Mein Großvater war Magier und hat es mit einem Zauber belegt, dass nur die männliche Linie unserer Familie dieses Schwert verwenden kann“, schwindelte ich rasch. Ich hatte plötzlich Angst, dass er mir das Schwert abnehmen würde, mir gefiel sein Blick nicht, deshalb steckte ich es zurück in die Scheide und legte es neben mich, an die Wand, hielt es jedoch immer noch umklammert. Schweigen entstand, das vom Knurren meines Magens durchbrochen wurde.
„Warte kurz, ich habe etwas zum Essen gekocht. Du musst ja einen großen Hunger haben, du hast drei Tage und drein Nächte lang geschlafen.“ Mit diesen Worten entschwand er und ließ mich allein zurück.
Drei Tage und drei Nächte? Das war eine lange Zeit. Verschwendete Zeit! Ich musste so schnell wie mögliche gesund werden, genug Kraft aufbringen mich wieder verteidigen zu können. Aber jetzt fühlte ich mich noch erschöpft und schwach, so beschloss ich hier ein paar Tage auszuspannen, auch wenn mich Sebastian Nettigkeit jetzt schon nervte, aber er würde schon sehen, was er davon hatte…
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