Bittersweet Revenge
„Lass dich hier nie wieder blicken, du batarianisches Arschloch.“
Nilia konnte gerade noch ausweichen, als ein Batarianer in einem hohen Bogen in eine dreckige Pfütze vor dem Clubeingang geworfen wurde. Sein Gesicht war an mehreren Stellen geschwollen und seine Jacke hatte einen tiefen Riss. Er ächzte erschöpft, als er versuchte aufzustehen. Dies bemerkte der Türsteher, welcher für den Rauswurf verantwortlich war, so dass er zurückkehrte und dem Batarianer noch einen heftigen Tritt in die Bauchgrube verpasst. Ein kurzer Aufschrei und der Kerl blieb regungslos in der glänzende Lache liegen. Der Türsteher, ein grobschlächtiger Kroganer, der sich gerade eine angerauchte Zigarre in den Mund stopfte, spürte die Anwesenheit von Nilia und wandte sie zu ihr um. Bedächtig schritt so nah an sie heran, dass sie den Tabakgeruch aus seinem Maul riechen konnte. Seine vernarbte Grimasse formte ein furchteinflößendes Grinsen.
„Hey, Nilia, du hast doch sicher Feuer?“
Mit einem Augenrollen zog Nilia ihren Thermazünder hervor und ließ den braunen Stumpf hell aufleuchten. Ein paar kräftige Züge und viel Rauch später, winkte der Kroganer, den alle nur Bollwerk nannten, ihr zu, damit sie ihm folge.
„Dank dir, wie läuft's?“
„Könnte besser gehen.“
„Pah! Wir sind ja auch auf Omega, Nilia!“, grunzte der Kroganer, „Schätze dich jeden verfluchten Tag glücklich, noch am Leben zu sein!“
„Da ist was dran, Drox.“
Das war sein eigentlicher Name und der gefiel Nilia einfach viel besser. Trotzdem musste sie zugeben, dass der Name Bollwerk nicht allzu schlecht zu einem Kroganer mit 200 Kilogramm und mehr als zwei Metern Körpergröße passte. Vor ein paar Tagen hatte sie dem Kroganer einen Gefallen getan, um an Informationen zu gelangen. Wer hätte gedacht, dass er es gleich als Freundschaftsbeweis auffassen würde? Alles, was sie hatte tun müssen, war ihre M-23 Katana ins Maul eines anderen Kroganers zu stecken und ihm eine Warnung auszurichten. Anscheinend sei dies für ihn nicht möglich gewesen und daher hatte sich Nilia darum kümmern müssen. Drox war äußerst dankbar gewesen, aber auch erstaunt, dass sie es so schnell geschafft hatte. Als sie ihn dann auf die Informationen ansprach, teilte er ihr mit, sie solle in ein paar Tagen wieder vorbeischauen. Bis dahin sollte sie sich nicht töten lassen.
Nun begleitete sie Drox in den Club Afterlife, wo sie von bunten Lichtern, leichtbekleideten tanzenden Asari und ekstatischer Musik empfangen wurde. Ein wahres Feuerwerk von Emotionen, Gerüchen, Geräuschen und Bildern wollten Nilia überwältigen, in ihren Bann ziehen, doch dafür war sie einfach zu sehr turianisch. Vielleicht wäre es einer gewissen Person gelungen, sie zu einem Plausch an der Bar oder sogar zu einem Tanz zu bewegen, aber diese Person war unglücklicherweise nicht da. Je tiefer sie in den Club schritten, umso mehr Leute standen ihnen im Weg. Wäre sie ohne Drox gekommen, würde sie Schwierigkeiten haben voranzukommen. Der Kroganer machte seinem Spitznamen alle Ehre und pflügte sich problemlos durch die Menge. Das tat er noch recht behutsam, wenn man ein paar blaue Flecken und verschüttete Getränke nicht beachtete.
„Ich hab dir versprochen an deine Informationen zu kommen“, hörte sie Drox vor ihr sprechend, „Du weißt, aber für wen ich arbeite. Ohne ihre Erlaubnis werde ich dir nichts sagen.“
Er machte eine Pause, in der er sich zu ihr umdrehte. Der Blick von Nilia wurde strenger und ihre Hand legte sich instinktiv auf die verborgene Klinge an ihrem Oberschenkel. Dessen ungeachtet, mit Drox schon eine gewisse Freundschaft geschlossen zu haben, so war er letzten Endes immer noch ein Kroganer. Ein Kroganer auf Omega, um genau zu sein, was es nicht unbedingt besser machte. Drox nahm beiläufig ein Glas von einem der Stehtische, in welchem sich noch ein wenig Flüssigkeit befand und versorgte dort seine Zigarre. Erst danach fiel ihm Nilia angespannter Blick auf, was ihn zum Lachen brachte.
„Kein Grund so finster zu dreinzuschauen, kleine Turianerin. Ich halte meine Versprechen.“
Er beugte sich zu ihr.
„Dennoch musst du vorher mit meinem Boss reden.“
Einen Schritt zur Seite machend, offenbarte er die Stufen zu der Privatlounge von der Person, die Omega mit eiserner Faust seit vielen Jahren beherrschte. Eine Macht, mit der man sich nicht leichtsinnig anlegen sollte, außer man wollte einen sicheren Tod. Denn bisher war es noch keinem gelungen, die Königin vom Thron zu stoßen.
In diesem Moment, wurde sie von dieser Macht gerade einladend angelächelt.
Nachdem Nilia mehr als gründlich nach Waffen durchsucht wurde und ihr Messer vorübergehend in das Eigentum eines Leibwächters wechselte, wartete sie auf die Reaktion ihres blauhäutigen Gastgebers. Sie setzte sich erst hin, als sie mit einem Nicken dazu aufgefordert wurde. Bisher war sie noch nicht der Asari begegnet, doch wusste sie, wer sie und zu was sie im Stande war. Ein Leben konnte schnell durch einen Fehler beendet werden und bei ihr konnte man so einige machen. Wie so viele Asari war sie attraktiv und gepflegt. Ihr Kleidung war exquisit und betonte ihre weibliche Formen. Hinzu kam eine außergewöhnliche Anziehungskraft, wie sie Nilia nur selten erlebt hatte. Diese Person war sich ihrer Macht bewusst und strahlte dies auch aus.
Auch wenn sie so offen eingeladen wurde, bewahrte Nilia ein kampfbereite Haltung und beobachtete aufmerksam ihre Umgebung. Sie war in der Höhle des Löwen. Dieser schien zwar satt zu sein, aber man konnte nie wissen, wann der Hunger wieder eintreten würde.
Mit ihr in der Lounge waren zwei Leibwächter, ein Batarianer und ein Turianer, die die beiden Zugänge bewachten. Beide wirkten, wie wilde Varren an einer Leine. Sobald man sie loslassen würde, gäbe es ein Blutbad. Eine dritte Person, eine Asari, lehnte locker an der Wand und verfolgte gelangweilt die tanzende Menge im Club. Sie trug einen enganliegenden leichten Kampfanzug, wie ihn die meisten erfahrenen Asari trugen. Sie musste in irgendeiner bereits bekannten Beziehung zur Herrin von Omega stehen, ansonsten konnte Nilia diese provokante Haltung in ihrer Anwesenheit nicht nachvollziehen.
„Nilia Celsis, ist das richtig?“
„Das ist richtig.“
„Wir sind uns noch nicht begegnet, mein Name ist Aria T'Loak.“
Bei dieser Vorstellung wurden keine Hände gereicht. Stattdessen füllte man das Glas von Aria, welches sie zu ihren Lippen führte und genießerisch beim Geschmack zu seufzen begann.
„Eine sagenhafte Flüssigkeit... Roter Bermac. Habe diese Sorte erst kürzlich entdeckt. Wollen Sie probieren?“
„Nein, vielen Dank.“
Aria lachte gespielt auf.
„Ich vergaß. Rechtsdrehende Proteine.“
'Was soll das bitte werden?', fragte sich Nilia und rutschte auf ihrem Sitz etwas zurück. Nachdem Aria das Glas wieder auf den Tisch abgestellt hatte, lehnte sie sich in ihrem Sofa zurück und fixierte Nilia mit ihren dunklen, ausdrucksstarken Augen.
„Sie suchen Gorrn und seine Blood Pack. Soll das eine Art Rachefeldzug sein?“
Obwohl Nilia ihrer Gegenübersitzenden so einiges zutraute, so war sie doch überrascht, dass sie diese Informationen besaß. Irgendwer hatte irgendwo gesungen. Ganz so verwunderlich war es dann doch nicht, wenn sie überlegte, wo sie sich gerade befand.
„Haben Sie nun etwas, das mir weiterhilft, oder nicht?“, sagte Nilia mit einer plötzlichen Strenge, bei der die zwei Leibwächter den Griff um ihre Waffen verstärkten und die gelangweilte Asari sich zu ihr umdrehte.
Aria hingegen, bewahrte ihre Fassung, doch ihre Augen waren zu bedrohlichen Schlitzen geworden.
„Habe ich.“
Sie hob ihre rechte Hand und augenblicklich wurde in diese von einem der Leibwächter ein Datenpad gesteckt, welches Aria kurz überflog.
„Der Vadim Bezirk, untere Ebene. Folgen Sie einfach den Spuren von Vorcha und Blood Pack Standarten. Sie können es nicht vefehlen.“
„Das ist alles?“, fragte Nilia misstrauisch nach.
„Fast", das Glas wurde wieder an die Lippen gehoben, doch bevor es diese erreichte, sprach Aria weiter, „Ich will keine Bandenkriege oder sonstige großen Probleme. Bringen Sie es einfach schnell und effektiv hinter sich.“
Nilia nickte ihr dankbar zu und wollte gerade zu Ausgang gehen, als sie noch einmal zu der mächtigen Asari umwandte.
„Warum helfen Sie mir eigentlich?“
Aria schmunzelte auf eine Art, die Nilia einen kalten Schauer über den Rücken laufen ließ.
„Wer sagt, dass ich Ihnen damit helfe?“