[Diskussion] Politik in Animes und Mangas

shripon

Novize
Okay, ich poste dieses Thema mal im Unterforum Politik. Gesucht habe ich nach einem Thread, der die titelgebenden Begriffe miteinander verknüpft, bin aber nicht fündig geworden. Sollte das Thema in ein anderes Unterforum gehören (z.B. Diskussion zu Anime allgemein), so bitte ich den Admin, das Thema einfach an den richtigen Platz zu verpflanzen.

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Mir ist aufgefallen, daß speziell Animes und Mangas mit starkem SciFi-Bezug oder Handlungen in der Zukunft oft ein ziemlich düsteres Bild mit der Aussicht auf verheerende Katastrophen oder schlimmen Ereignissen in der Handlungsvergangenheit entwerfen. Einher geht damit in vielen Fällen die Beschreibung eines diktatorischen Machtverhältnisses, das es entweder durch die Helden zu bekämpfen gilt, oder deren Strukturen bereits so zerüttet sind, daß sich die Helden sogar teilweise selbst zu diktotorischen Mitteln greifen oder sogar gewissermaßen zu Diktatoren mutieren. Das heißt, sie sind oder waren entweder Teil einer politischen und gewaltnutzenden Unterdrückungsmaschinerie oder sind als Abtrünnige zu Freiheitskämpfern oder Guerillas geworden. Politisch betrachtet also meistens relativ einfacher und dennoch starker Tobak.

Ich glaube, daß solche Stories wie z.B. in 'Akira', 'Wonderful Days' oder 'Mardock Scramble - The First Compression' von einem tiefen Misstrauen gegenüber den politisch Verantwortlichen und den herrschenden Klassen geprägt sind. Überdies wage ich zu behaupten, daß diese Werke als Teil, und mit künstlerischem Ausdruck, der psychologischen Verarbeitung der schweren japanischen Volkstraumata des Zweiten Weltkriegs und der Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki gesehen werden können. Der oft von vorneherein durch widrige Umstände begrenzte Handlungsspielraum der Protagonisten ist für mich vergleichbar mit der klaustrophobischen Ausweglosigkeit politisch Verfolgter oder Gefangener in diktatorisch geführten Ländern wie Korea, China, Russland oder der Ukraine des 21. Jahrhunderts. Daß die Handlung jedoch fast immer im Japan der Zukunft spielt, läßt für mich den Schluß zu, daß viele der grundlegenden Handlungsstränge als Abbild der Vergangenheit oder des heutigen modernen Japans gelten, und die geistige und moralischen Werte der Japanischen Gesellschft widerspiegeln oder in Frage stellen sollen. Daher sind solche Arbeiten für mich auch als politischer Aufruf zu verstehen.

Mich würde interessieren, welche Beispiele Ihr zu diesem komplexen Thema beisteuern könnt. Wann ist Euch das erste Mal bewußt geworden, daß Ihr mit einem Manga oder Anime auch eine politische Aussage in den Händen haltet? Welche Aussagen sind Euch bewußt geworden? Betreffen sie lediglich die Japaner oder sind sie universal zu verstehen. Dienen diese Werke als Mahnung, Protest oder sogar als Aufruf? Welche Arbeit hat Euch in dieser Hinsicht am meisten beeindruckt? Welches Anime hat ganz klar eine politische Botschft? Wie werden solche Botschaften kodiert? Gibt es auch solche Arbeiten, in denen die Aussage eher unterschwellig stattfindet? Welche Werke stehen für Freiheit, Philantropie (Menschenliebe und -Rechte) oder ziehen diese Werte in Zweifel? Wie offen oder versteckt geschieht dies? Wißt Ihr von Arbeiten oder Künstlern, die sich wegen Ihrer Werke politisch angegriffen fühlten? Gibt es politisch korrekte Mangas oder Animes? Etc., etc.,

Ich hoffe, Euch fallen dergleichen ähnliche und noch viel mehr Fragen ein und bin jetzt schon auf die Antworten gespannt.
 

Black Rose

Vollzeitbunny
Aus meiner Sicht, dienen politische Aussagen alleine dem Zweck des Animes. Über ein Unterhaltungsmedium Botschaften zu übermitteln ist schwer, denn es gibt einfach zu viele Animes, da stechen einzelne nicht gerade durch eine Botschaft heraus, sondern vielmehr durch eine tolle Zeichenquali und eine bislang unique Story.

Warum sind SciFi-Animes so düster? Das liegt wohl eher an allgemeinen Erwartungen. Niemand wird sich eine Schoollife-Serie, die im Jahre 2573 spielt ins Regal stellen, wenn man in Sache Comedy, Romantik oder total abgedrehter Story, sonst nichts zu erwarten hat. Bei Schoollife ist es eher belanglos, in welcher Zeit es spielt, das ist nicht das, was man mit SciFi verbindet. Bei SciFi erwartet man was viel komplexeres, eine andere Welt, aber diese Welt muss auch so einfach wie es geht erklärt werden. Man kann nicht so endlos lange am Beginn ausschweifen, man muss schon einige Sachen, als "ist einfach so" für diese Welt im Raum stehen lassen. Man stellt sich der Herausforderung, eine Gesellschaft dem Zuschauer so nah wie möglich erscheinen zu lassen, wo die Realität der Welt und der Geschichte, nur eine Vision ist und gibt dem ganzen die nötige Tiefe.
Jetzt kann man natürlich böse behaupten, das Düstere ist die einfachste Variante für so eine Welt. Diktator, Krieg, Armut, Freiheitskampf - fertig. In vier Worten alles wesentliche erklärt. Der Rest ist einfach nur eine mehr oder weniger spektakuläre Show. Einfache Umsetzung: mehr Gewalt, anspruchsvolle Umsetzung: mehr Politik, teure Umsetzung: CGI / 3D. Wer sich für die Politik in seinem Anime entscheidet, der möchte eigentlich nicht die kurzweilige spektakuläre Show, der möchte den Zuschauer in seine Welt einbinden, der möchte, dass er sich in die Welt hineinversetzen kann. Der braucht aber auch Themen/Grundlagen, die den Zuschauer treffen. Eine Welt, wo er seine eigenen Ideen einbringen und entfalten kann, die aber einem roten Faden folgen und sich am besten noch steigern können. Viele landen dann bei Macht und Wahnsinn, das ist der Berg, auf dessen Spitze das Finale steht.

Ich glaube daher nicht, dass düstere SciFi-Animes irgend welche Ängste des Autors reflektieren, hinzu kommt, dass sie ja teilweise in Zeiten spielen, die keiner der jetzt lebt, jemals sehen wird. Zumal es nicht die Ängste sind, die auf einen Japaner zutreffen. Unrealistische Weltkriege, Großunternehmer die dem Bürger ihre Grundrechte entziehen, Kriminelle mit übermenschlichen biomechanischen Implantaten oder Menschen, die aus den Stadttoren in gesetzlose Trümmerwüsten geschickt werden, weil sie emotional gehandelt haben. Der Kerl, der früher nichts weiter war, als eine Personalnummer; das ist wohl eine Angst, dass man mit 65 quasi schon als Individuum vor 50 Jahren gestorben ist, aber diese Angst mutiert immer zu einem Wunschdenken um, einem Freiheitskampf, der sich sowohl aktuellen und zukünftig denkbaren Begebenheiten deutlich entzieht.
Sicher gibt es auch realitätsnähere Exoten, die im düsteren SciFi-Stil daher kommen, deren Themen wie Umweltschutz jetzt aber nicht so spektakulär sind. Arjuna war jetzt beispielsweise eine der ambitioniertesten Serien ihrer Zeit, aber war es jetzt ernsthaft eine Serie, die man auch nach 10 Jahren noch permanent im Hinterkopf hat? Dabei hat Arjuna alles richtig gemacht, außer zu beachten, dass Animes ein Unterhaltungsmedium sind und auch so gehandhabt werden.
Ich habe vor ein paar Tagen mir auf fansub.tv angeschaut, welche Animes neu angelaufen sind. Da war einer dabei, von dem die Story scheinbar wirklich realitätsnah um ein Leben nach einem schweren Erdbeben handelt. Ohne Ecchi, ohne Mecha, ohne irgend welche sonderlichen Abnormalitäten des Reallife, aber mal wieder nur Einzelschicksale. Einen weitreichenden politischen Eindruck in die Jahre nach der Katastrophe, muss man sich auch in diesem Drama mit offener Aussicht auf einigermaßen glücklichem Ende, nur erahnen. Ist denn nicht Erdbeben/Tsunami, eigentlich die größte geographische Angst, die ein Japaner überhaupt haben kann? Ist es mehr tabu, eine Regierung auf deren Hilflosigkeit in so einem Fall festzunageln, als übertrieben verglichen, zur Jugendzeit Pantsu-Paraden von skrupellosen Dämoninnen zu zeigen?

Ich finde das Threadthema interessant, auch wenn ich so gut wie gar keine der Fragen beantwortet habe, habe ich versucht, meine Meinung dazu beizutragen. Wie diese verstanden wird, liegt im Betrachtungswinkel des Lesers.
 
Zuletzt bearbeitet:

DynaEx

Artist
Otaku Veteran
Ich habe schon öfters von der Theorie gehört, dass die düsteren Szenarien in vielen SciFi Animes irgendwie mit der japanischen Vergangenheit und dem daraus resultierenden Trauma zusammenhängen. DAS halte ich für Schwachsinn. Mit der japanischen Vergangenheit hat das nichts zu tun. Ich verarbeite in meinen Bildern (habe früher auch öfter SF Bilder in dystopischen Szenarien gemalt) auch keine deutschen Weltkriegstraumatas.

Extreme, oder sagen wir lieber düstere Zukunftsaussichten sind aus künstlerischer Sicht brauchbarer, da sie einfach besser wirken. Wenn ich große Emotionen auslösen möchte, erreiche ich das nicht mit alltäglichen Dingen. Ich muss dem Betrachter etwas bieten und dessen Gefühle anregen. SciFi lebt von einer außergewöhnlichen Atmosphäre.

Eins darf man auch nicht vergessen: es ist cooler die Handlung in eine unbequeme Zukunft zu packen.

Was die Aussichten für die Zukunft selbst betrifft, sind derartige Szenarien mit totalitären Staaten usw. gar nicht so weit hergeholt. Schaut euch doch mal in der Welt um. Diktatoren gibt es zwar nicht mehr so viele, aber einem Großteil der Welt geht es wesentlich dreckiger als uns. Warum sollte in ein paar Jahrzehnten oder Jahrhunderten anders sein, was bereits seit Jahrtausenden läuft? Lediglich die Kräfteverhältnisse verschieben sich.

Zudem unterliegen auch Animes und Mangas einem Markt. Die Storywriter und Zeichner müssen sich diesen anpassen. Würden die Konsumenten eher eine alles-lustig-bunt-und-schön-Welt bevorzugen, würden die meisten Filme und Serien wohl auch anders aussehen. Vorgaben spielen sicher eine große Rolle.

Was die Political-Correctness betrifft, bin ich ganz froh wenn sie am besten gar keine Rolle spielt. Political-Correctnes ist in meinen Augen ohnehin selbstauferlegte Zensur und der schleichenden Tod der Wahrheit. Davon sollte Fiktion gänzlich frei sein.

Ich spreche jetzt mal für mich und behaupte das der Markt im Bereich Comedy, Ecchi, Lovestory und sonstigen seichten Schrott ohnehin schon übersattigt ist. Da tut es echt gut ein paar ernstere, erwachsenere Geschichten zu sehen.

Wie gesagt, ich denke nicht das dies alles einen tieferen Sinn hat, man dadurch auf die Psyche des Autors schließen kann oder diese tatsächlich irgendeine politische Botschaft rüberbringen wollen.
 
Ich finde, dass sich die SciFi Animes da nicht sonderlich von den SciFi Blockbustern aus Hollywood & Co unterscheiden. Die meißten SciFi Fime zeichnen ein eher düsteres Zukunftsbild mit meist übermächtigen Großkonzernen die aufgrund des gebündelten Kapitals in ihren Händen auch die Politik in ihrem Sinne beinflusst haben.

Meiner Meinung nach ist dies lediglich eine Projektion unserer aktuellen Verhältnisse in die Zukunft, da durch die Globalisierung derzeit bereits solche Großkonzerne mit rieisger Macht entstehen. Und wie wir mit großer Sicherheit annahmen können, gilt folgender Spruch noch immer: "Maximale Macht korrumpiert maximal".

Man braucht sich nur Konzerne wie Monsato & Co anzusehen, wie sie seit Jahren z.B. den US-Nahrungspool vergiften aus Profit- und Machtgier und wie sie Druck auf die EU ausüben... :recard:
 

Pazuzu

Otaku Legende
Otaku Veteran
Leider ein sehr schwieriges Thema, dass sich ohne eine sehr solide Vorbereitung nicht wirklich bewältigen lässt. Alle intellektuelle Erzeugnise basieren auf eine bestimmte Ideologie, ob sie es nun wollen oder nicht.

Bestimmte Animes und Mangas gehen eher offen damit um z.B:
Barfuss durch Hiroshima (zweiter Weltkrieg)
Akumetsu (aktuelle Wirtschaftskriese)
Pluto (Menschenrechte)
Jin Roh (Unmenschlichkeit des Militärs)

Zwei Manga indem eine Idealogie sehr unterschwellig rübergebracht wird sind *Flame Shield aufstell* z.B Naruto und One Piece (mehr oder weniger zufälligerweise ausgewählt, damit jeder nachvollziehen kann, was ich meine)

Naruto basiert auf eine sehr konservative Ideologie: Militärdienst, Gruppenzugehörigkeit, Verteidigung von Traditionen gegen Aussenstehende, klare Abgrenzungen von gut und böse, klassisches Frauenbild (Männer kämpfen, Frauen heilen).

One Piece dagegen basiert auf liberale Ideen: Das Leben ausserhalb der Gesellschaft, das bekämpfen unfairer sozialer Normen, verschiedene moralische Graustufen (z.B nicht alle Marinensoldaten sind automatisch böse, nicht alle Piraten sind automatisch gut) und eine moderne Geschlechterrollen Verteiling, die sogar Homosexualität berücksichtigt (Tunten als ehrenhafte Superkämpfer).

Warum ist die Zukunft in Science Fiction Mangas meist düster? Wo soll man da anfangen...
So um den ersten Weltkrieg herum, hat man angefangen die Existenz von absoluten Werten in Frage zu stellen. Gott wurde für tot erklärt und der technische Fortschritt wurde beschuldigt Schuld am Krieg und an der Zerstörung zu sein (und vieles, vieles mehr). Der zweite Weltkrieg hat das Problem sogar verschärft. Was bleibt: Eine Ideologie der Angst und der Verzweiflung, die natürlich in Kunst umgesetzt wird.
 
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