[Biete] Slime Taoshite 300-nen, Shiranai Uchi ni Level Max ni Nattemashita [LN][GER][27/??][Update 10.2.22]

Edward Teach

Anime-Pirat
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Prolog

Azusa Aizawa, 27 Jahre, weiblich, ledig. Und Firmensklavin. Ich habe für die Arbeit, und nur für die Arbeit, gelebt. Liebe, Freizeit, überhaupt alles andere habe ich hintangestellt und nichts anderes getan als zu arbeiten. Mein Rekord war, 50 Tage am Stück ins Büro zu gehen. Ich frage mich, warum das Arbeitsschutzgesetz mich nie geschützt hat. Und dann kippte ich während der Arbeit plötzlich ohnmächtig um. Als ich danach das nächste Mal die Augen öffnete, sah ich das Gesicht einer jungen Frau vor mir. Ihr wuchsen Engelsflügel oder so etwas in der Art.​
»Oh, ich bin gestorben, nicht wahr?«​
Mein Leben war vorbei, und es hatte tatsächlich nur aus Arbeit bestanden. Ich wusste nicht, ob diese junge Frau ein Engel oder ein Todesgott war, aber ich vermutete etwas in dieser Richtung.​
»Richtig. Du hast dich übernommen und bist in deinen Zwanzigern an Überarbeitung gestorben. Es ist furchtbar traurig ...«​
Das Mädchen hatte Mitleid mit mir. Vermutlich war sie ein warmherziges Geschöpf.​
»Auch wenn es keine echte Entschädigung ist, werde ich dafür sorgen, dass du in deinem nächsten Leben sehr glücklich wirst. Welche Fähigkeit wünschst du dir? Als Prinzessin eines Königreichs wiedergeboren zu werden, ist vielleicht nicht schlecht. Ach, das Geschlecht kannst du dir auch aussuchen. Ich kann dir so gut wie jeden Wunsch erfüllen.«​
»Kann ich mir wirklich wünschen, was ich will?«​
»Ja! Zu Frauen bin ich immer großzügiger.«​
Mit der Gleichberechtigung von Mann und Frau schien es bei ihr nicht weit her zu sein. Aber je weniger Einschränkungen, desto besser natürlich.​
»Dann mach mich bitte unsterblich.«​
Das war mein Wunsch. Es war ein kurzes Leben gewesen, in dem ich nur bei der Arbeit herum gescheucht worden war, deswegen wollte ich das nächste Mal einfach länger leben.​
»Dann sollst du in einem Körper wiedergeboren werden, in dem Mana zirkuliert, das dich nicht altern lässt.«​
Das schien eine einfache Sache zu sein. Wie wunderbar.​
»Hast du noch andere Wünsche?«​
»Nein, das genügt mir.«​
»Wirklich?«​
»Ja. Mein Ziel ist es, ein langes, ruhiges und entspanntes Leben zu führen. Grundsätzlich möchte ich Selbstversorgerin sein und irgendwo in den Bergen leben oder etwas in der Art. Sachen wie Salz, die schwierig zu kriegen sind, könnte ich in einem nahen Dorf bekommen, wenn ich im Gegenzug dort ein bisschen aushelfe. Damit wäre ich zufrieden.«​
Da ich bisher in der riesigen Großstadt Tokio gewohnt hatte, wollte ich gerne in einem Häuschen auf einem Berg gemütlich vor mich hin leben. Allerdings konnte man nicht mal sagen, dass ich das Großstadtleben genossen hatte, da ich immer nur zwischen Wohnung und Arbeitsplatz hin und her gependelt war.​
»Ich ahne, wie schwer du es in deinem Leben hattest ... Gut. Du sollst in einer friedlichen Hochebene wiedergeboren werden, ewige Jugend erhalten und unsterblich sein. Ich vermute, du hast dir kein langes Leben als Oma gewünscht, also sollst du die Gestalt einer Siebzehnjährigen bekommen.«​
Darauf schwand wieder mein Bewusstsein./​


Als ich aufwachte, lag ich tatsächlich in einer Hochebene. Gleich in der Nähe stand ein einzelnes Haus. Als ich mich näherte, fand ich an seiner Tür einen Zettel. Er war zwar nicht auf Japanisch beschriftet, aber ich konnte ihn irgendwie trotzdem lesen.​
»Eine ganz schön großzügige Person. Ich habe Glück. Ach nein, dieser Engel hat ja dafür gesorgt, dass ich hier wiedergeboren werde.«​
Apropos wiedergeboren. Ich fragte mich, wie ich jetzt wohl aussehen mochte, ging daher ins Haus und suchte nach einem Spiegel.​
»Oh, ich bin wirklich eine Siebzehnjährige. Das Gesicht ist auch nicht übel. An die westlichen Gesichtszüge muss ich mich allerdings noch gewöhnen.«​
Das strahlend blonde Haar reichte mir bis zur Hüfte und meine Augen waren von. einem leuchtenden Türkis blau. Ich kannte zwar den Schönheitsmaßstab dieser Welt nicht, aber ich fand mich einigermaßen hübsch. Wenn ich zur Schule gehen würde, würde ich sicher super bei den Jungs ankommen. Ich trug auch nicht mehr das weiße Totengewand, sondern war komplett im Fantasy Stil eingekleidet. Ich hatte einen schwarzen, spitzen Hut auf, den man auch aus der Entfernung gut erkennen konnte. Irgendwie sah er Hexen mäßig aus.​
»Super. Ab heute ist das mein Haus. Und ich will fortan einfach nur noch Azusa sein!«​
Neben dem Haus entdeckte ich ein Feld, auf dem ich Gemüse anbauen konnte. Der Ort war wie gemacht für eine Selbstversorgerin. In der Kleidung, in die hinein ich wiedergeboren worden war, steckten etwa 15 Goldmünzen, also sollte ich in der Lage sein, mir das Nötigste zu kaufen. Außerdem hatte ich an meiner Hüfte einen Dolch hängen. Nun, für ein alleinstehendes Mädchen war das vielleicht gar nicht so schlecht. Am Fuße des Hügels konnte ich eine kleine Stadt, oder besser ein Dorf, erkennen.​
»Ich glaube, ich schlendere mal ins Dorf und kaufe ein bisschen ein.«​
Ich wollte auch etwas mehr über diese Gegend erfahren. Auf dem Weg zum Dorf versperrte mir ein wobbeliges, geleeartiges Etwas den Weg.​
»Oh, ein Schleim.«​
Vielleicht lag es an seinem Aussehen, aber ich war nicht im Geringsten beunruhigt. Es war, als wenn eine Katze vor mich getreten wäre. Und doch konnte ich seine Angriffslust mir gegenüber spüren, so wie es sich für ein Monster gehörte. Eine Katze würde beim Anblick eines Menschen in der Regel erschrecken und den Rückzug antreten, aber hier war es umgekehrt. Also zog ich meinen Dolch. Wenn das hier ein Schleim war, musste ich ihn erlegen.​
Ich griff an und stieß das Messer in den geleeartigen Körper. BLUBB!​
Ein eigenartiges Gefühl wanderte über meine Hand durch meinen Körper. Ob das gewirkt hatte? Das Messer war hineingeglitten, also musste ich ihm zumindest Schaden zugefügt haben. Neuer Angriff. BLUBB! Das hatte wohl mehr gebracht. Der (vermutlich) wütende Schleim warf sich gegen mich. Durch die Wucht des Aufpralls wich ich einen Schritt zurück, aber weh tat es nicht. Nachdem ich nun sicher war, dass mir nicht viel passieren konnte, griff ich gnadenlos an.​
»Nimm das, und das, und das!«​
Einer der Treffer musste ihn schließlich erledigt haben, denn der Schleim änderte seine Gestalt und verwandelte sich in einen kleinen Edelstein. Wenn man in einem Videospiel Monster besiegt, erhält man Geld. Der Stein war wahrscheinlich etwas Entsprechendes. Auch als Selbstversorgerin brauchte ich Geld, um Artikel für den täglichen Bedarf zu kaufen, also steckte ich den Stein ohne falsche Bescheidenheit ein.​
Bis ich im Dorf ankam, begegnete ich noch zwei weiteren Schleimen und besiegte sie. Ganz schön viele Schleime hier.​
Das Dorf war nicht sehr groß, aber hübsch und sauber. Es sah hier ein bisschen so aus wie in der Schweiz. Stimmt, in die Schweiz wollte ich auch gern einmal reisen, aber bevor es dazu kam, war ich an Überarbeitung gestorben. Und selbst wenn ich Urlaub genommen hätte, hätte ich den vermutlich dazu benutzt, um zu Hause so viel Schlaf wie möglich nachzuholen, anstatt in Urlaub zu fahren. Im Dorf traf ich auf eine freundlich aussehende Frau und sprach sie an.​
»Entschuldigen Sie bitte. Ich bin gerade erst in das Haus auf der Hochebene gezogen. Könnten Sie mir vielleicht etwas über dieses Dorf erzählen?«​
»Du bist im Dorf Flatta. Ich würde meinen, Natalie, die an der Rezeption der Gilde arbeitet, kennt sich hier am besten aus. Wenn Abenteurer aus anderen Gebieten bei uns eintreffen, stellt sie ihnen das Dorf vor. Sie ist es also gewöhnt.«​
Aha! Das ergab Sinn.​
»Vielen Dank.«​
»Du bist das erste Mal hier, oder? Komm, ich bringe dich bis zur Gilde. Auch wenn das Dorf so klein ist, dass du von selbst irgendwann darauf stoßen würdest.«​
»Ich danke Ihnen!«​
Die Frau, die wirklich so freundlich war, wie sie aussah, führte mich zur Gilde. Das Gebäude war klein. Und es wirkte friedlich. Wahrscheinlich brauchte man nicht sehr viele Abenteurer hier.​
»Oh, hallo Frau Imal.«​
»Hallo Natalie. Das Mädchen ist neu hierhergezogen. Kannst du ihr etwas über unser Dorf erzählen?«​
»Aber ja, kein Problem. Ich werde dir an der Rezeption alles Nötige erklären.«​
Hier trennte ich mich von Frau Imal. Aber da sie in der Nähe wohnte, würde ich ihr sicher wieder begegnen.​
»Ich heiße Azusa und bin in das Haus oben in der Hochebene gezogen.«​
»Ach, dorthin. Es ist schön da, aber für ältere Herrschaften nicht so praktisch. Es ist gut, wenn dort jetzt eine junge Frau wohnt.«​
Dann begann Natalie mit ihrer Einführung in das Dorf. Sie hatte diese Erklärung offensichtlich schon oft vorgetragen, denn sie sprach sehr flüssig. Sie meinte, das Dorf sei in erster Linie friedlich, friedlich und noch mal friedlich. Das Dorf war in der Tat sehr idyllisch. Es gab relativ viele Kühe und Schafe, und die Produktion von Milchprodukten war so etwas wie eine regionale Spezialität. Der Graf, dem diese Gegend gehörte, lebte weit weg, und der von ihm ernannte Bürgermeister, der aus dieser Gegend stammte, verwaltete das Dorf ohne Probleme.​
»Es gibt hier außer Schleimen auch kaum andere Monster.​
Man könnte sogar außerhalb des Dorfes ein Nickerchen halten und wäre sicher.«​
»Das ist wunderbar.«​
»Es ist ein kleines Dorf, aber alles Nötige für den Alltag wie Brot und Salz gibt es hier zu kaufen, also keine Sorge. Nur wenn du Handel betreiben willst, könnte es schwierig werden, weil die Einwohnerzahl nicht so hoch ist.«​
Bei diesen Worten erinnerte ich mich wieder an das, was ich auf dem Weg erlebt hatte.​
»Richtig. Auf dem Weg hierher hab ich einen Schleim getötet und diesen Edelstein erhalten. Was mache ich damit?«​
»Na, wenn man Monster tötet, erhält man Juwelen, so genannte Zaubersteine. Du kannst sie in der Gilde in Geld umtauschen. Der hier ist 600 Gold wert, also sechs Münzen.«​
Ob das etwa 600 Yen entsprach? Das würde gerade mal für einen Café Besuch reichen. Aber da ich keine Miete zahlen musste, könnte ich mir meinen Lebensunterhalt ganz gut damit verdiene, indem ich so viele Schleime erledigte wie nötig.​
»Dann würde ich den hier gern gleich umtauschen.«​
»Dafür musst du dich ins Abenteurerregister der Gilde aufnehmen lassen. Ist das in Ordnung für dich?«​
»Na klar, kein Problem.«​
Daraufhin zog Natalie eine Art Schiefertafel hervor.​
»Zunächst einmal musst du deine Hand auf diese Platte legen.​
Dann werden dein Beruf und dein Status angezeigt. Diese Informationen werden dann bei der Gilde registriert.«​
Wie bei einer Fingerabdruckerkennung, dachte ich, und legte meine Hand auf. Da erschien mein Status auf der Oberfläche der Tafel.​
»Was? Unsterblich? Das ist ja unglaublich!«​
Natalie schien sehr überrascht zu sein. Na ja, irgendwie auch kein Wunder. Von Beruf schien ich Hexe zu sein.​
»Es gibt einige Hexen, die die Zauberkraft Mana, die durch ihren Körper fließt, so kontrollieren können, dass sie sehr lange leben. Aber bei Level 1 schon unsterblich zu sein, ist unfassbar. Du musst eine unheimliche Eignung haben.«​
»Ich weiß nicht ... Ich denke, ich hab wohl großes Glück.«​
Ich erzählte ihr besser nicht, dass das der Bonus war, den ich zu meiner Wiedergeburt geschenkt bekommen hatte.​
»Gut. Dann zahle ich dir jetzt mal das Geld für den Zauberstein aus.«​
Ich erhielt sechs Münzen.​
»Ich denke, ich werde auch weiterhin zum Geldverdienen Schleime töten.«​
»In Ordnung. Willkommen in der Gilde, Azusa!«​
Danach kaufte ich mir von den Goldmünzen, die ich zu meiner Wiedergeburt bekommen hatte, Lebensmittel und Saatgut, das ich in mein Feld pflanzen wollte. Damit sollten alle nötigen Vorbereitungen abgeschlossen sein, um eine Weile hier leben zu können.​
Auch auf meinem Nachhauseweg erschienen drei Schleime vor mir. Ich erlegte alle mit meinem Dolch und erhielt dafür Zaubersteine, meine kostbare Einnahmequelle.​
Von dem Tag an begann mein entspanntes Leben. Ich lebte komplett entschleunigt in den Tag hinein. Ich schlief so lange, wie ich wollte. Um das Feld kümmerte ich mich so viel wie nötig. Wenn ich Bewegung brauchte, zog ich los um Schleime zu töten. Da ich immer genügend Bargeld zur Hand haben wollte, nahm ich mir täglich mindestens zwanzig vor. Manchmal ging ich auch in den nahegelegenen Wald. Ob es daran lag, dass ich eine Hexe war? Jedenfalls wusste ich auf den ersten Blick, welche Pflanzen Heilwirkung hatten. Manchmal stellte ich Heilkräutermischungen zusammen und ging sie im Dorf verkaufen. Und da ich nicht auf Gewinn aus war, nahm ich immer weniger als den Marktpreis. Wenn jemand im Dorf plötzlich erkrankte, untersuchte ich ihn und versorgte ihn mit Kräutermedizin. Ich konnte schließlich nicht untätig zusehen, wenn die Dorfbewohner reihenweise umkippten. Im Laufe der Zeit nannte man mich voller Respekt „die ehrwürdige Hexe der Hochebene“. Manche Leute kamen sogar bei mir zu Hause vorbei, um mir Käse und andere Molkereiprodukte zu schenken. Eine dankbare Sache.​
In meiner freien Zeit wollte ich eigentlich Zauberbücher lesen, aber die waren unfassbar teuer! Ich nahm mir vor, Geld von meiner unermüdlichen Schleimjagd zur Seite zu legen und mir welche zu kaufen! Mit diesem Wunsch vor Augen war ich natürlich besonders motiviert, Jagd auf die Schleime zu machen. Ansonsten ... gab es eigentlich nichts Besonderes. Dank der Unsterblichkeit wurde ich natürlich nicht älter und krank wurde ich auch so gut wie nie. Prinzipiell gab es niemanden, der mich in meinem Haus in der Hochebene besuchen kam, was mir aber auch nichts ausmachte. Als ich noch eine Büroangestellte in Japan war, hatte ich schließlich auch allein gelebt. Ich glaube, erst in meinem zweiten Leben hatte ich verstanden, was es bedeutete, ein geruhsames und zurückgezogenes Leben zu führen.​
So vergingen 300 Jahre.​



 
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Ich hatte das höchste Level erreicht

Genau, ich hatte 300 Jahre lang damit verbracht, Schleim zu töten. Was das Besiegen von Schleimen anging, machte mir so schnell keiner etwas vor. Ich wusste ganz genau, wo ich zustechen musste, um sie mit einem Stoß zu erlegen. Wobei ich eigentlich den Dolch gar nicht brauchte und sie auch mit bloßen Händen und Füßen erledigen konnte. Eigentlich reichte sogar ein Schnipsen gegen die Stirn. Ob ich schon ein etwas höheres Level erreicht hatte? Auch an jenem Tag klopfte ich wie immer an die Tür der Gilde. Ich musste mal wieder Zaubersteine einlösen. Ich ging zu der ich weiß nicht wievielten Nachfolgerin von Natalie und reichte ihr die Steine. Sie hatte erst vor kurzem hier zu arbeiten angefangen und ich kannte ihren Namen noch nicht.​
»Guten Tag.«​
»Oh. Ehrwürdige Hexe der Hochebene!«​
Jeder kannte mich nun unter diesem Namen. Und da ich bereits 300 Jahre lebte, war ich mittlerweile diejenige, die sich mit der Geschichte des Dorfs am besten auskannte.​
»Hier sind die Zaubersteine für heute. Entspricht 26 Schleimen.«​
»Ja, das ist richtig. Das macht dann 5.200 Gold.«​
Ich verstaute das Geld in meinem Lederbeutel.​
»Ach richtig, ehrwürdige Hexe. Es gibt da etwas, das mich beschäftigt.«​
»Was denn?«​
»Wie stark bist du eigentlich?«​
»Stark? Du meinst im Kämpfen? Unbekannt. Ich schätze mal, nicht besonders.«​
Um Geld einwechseln zu können, war ich zwar als Abenteurerin registriert, allerdings noch nie auf ein Abenteuer ausgezogen. Dabei hätte man schließlich sein Leben aufs Spiel setzen müssen. Ein friedliches, entspanntes Leben passte aber viel besser zu mir. Die Angestellte der Gilde holte die Schieferplatte von damals hervor.​
»Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich mir deinen Status ansehen würde?«​
»Meinen Status. Hm, stimmt. Wenn ich darüber nachdenke, hab ich ihn 300 Jahre lang nicht messen lassen.«​
Es war einfach nicht nötig gewesen. Die Monster in dieser Gegend waren nun einmal Schleime. Es hatte keinen Moment gegeben, an dem ich gespürt hätte, dass ich ein höheres Level erreicht hatte. Es wäre allerdings auch falsch zu behaupten, ich hätte ausschließlich gegen Schleime gekämpft. Im Wald hausten auch Kaninchen mit Hörnern. Und Riesenraupen gab es auch. Es waren dennoch schwache Monster, die ich problemlos mit meinem Dolch besiegen konnte. Der Dolch musste übrigens eine Spezialanfertigung sein, denn selbst nach 300 Jahren war er noch nicht schartig geworden und ließ sich nach wie vor problemlos benutzen. Bei Licht betrachtet war das sensationell. Vielleicht war es ein sehr kostbarer Dolch. Aber nachdem er mich 300 Jahre lang begleitet hatte, würde ich ihn natürlich nicht verkaufen.​
»Du hast all die Jahre über das Dorf Flatta gewacht, ehrwürdige Hexe! Ich vermute also, dass du einen sagenhaft hohen Status erreicht hast. Ich würde ihn zu gerne kennen!«​
Die junge Angestellte sah mich mit großen, erwartungsvollen Augen an. Es ist mir etwas peinlich, das zu sagen, aber die Bewohner des Dorfs brachten mir wirklich großen Respekt entgegen. Natürlich hatte ich geholfen, wenn das Dorf in Not war. In den 300 Jahren war eine Reihe von Epidemien ausgebrochen, und jedes Mal hatte ich eine Menge Heilkräuter zur Verfügung gestellt und Medizin gebraut, um zu verhindern, dass es Tote gab. Außerdem war ich für die Bewohner jemand, der seit ihrer Geburt von der Hochebene aus über das Dorf wachte, also wurde ich von ihnen als so etwas wie eine Schutzgöttin empfunden. Da ich aber eigentlich nur entspannt vor mich hin lebte, erschien mir der Respekt übertrieben und ich fühlte mich peinlich berührt.​
»Du kannst gern meinen Status messen, aber ich bin nur eine Hexe, die sich etwas mit Heilkräutern auskennt und lange gelebt hat. Ich will dich nicht enttäuschen.«​
»Oh, du musst dein Licht nicht unter den Scheffel stellen. Auch wenn es für dich nichts Besonderes sein mag, weil du von deinem Standard ausgehst.«​
»Na, dann sieh selbst nach. Es wird ein ganz normales Ergebnis sein.«​
Ich legte meine Hand auf die Schieferplatte. Wären wir in Japan gewesen, hätte sich die Welt in 300 Jahren drastisch verändert, aber in dieser Welt gingen Veränderungen nur langsam vor sich. Dieselbe alte Schieferplatte funktionierte noch wie eh und je. Wobei man schon sagen muss, dass sie an sich schon ziemlich Hightech war mit ihrer Statusanzeige.​
»Huch ... ?«​
Was waren das für seltsame Ziffern?​
»Oh, ich vermute, die Tafel ist kaputt. Da steht was von Level 99.«​
»U aaaaaaah! ! ! Ehrwürdige Hexe, das ist einfach unglaublich!!!«​
Die Angestellte erschrak so sehr, dass sie mir beinahe umgekippt wäre.​
»Das ist ja der totale Wahnsinn! Du musst die Stärkste der Welt sein!«​
»Ach was, ich hab doch gesagt, dass die Tafel kaputt sein muss. Ich hab schließlich nichts als Schleime getötet. Wie kann ich da 10 Millionen Erfahrungspunkte haben? Das ist doch völlig unmöglich«​
»Mal sehen ... Du hast 300 Jahre lang, 365 Tage im Jahr ohne Pause Schleime erlegt. Dabei beziehe ich mich auf das, was mir die alten Leute aus dem Dorf erzählt haben, denn ich kenne mich ja nicht mit dem aus, was früher war.«​
Übrigens gab es auch in dieser Welt Sonne und Mond und mm lebte nach dem Sonnenkalender.​
»Das stimmt. Im Durchschnitt etwa 25 pro Tag. Und ich erinnere mich auch, dass ich mich ganz schön ins Zeug gelegt habe und auf die Jagd gegangen bin, wenn ich ein Zauberbuch kaufen wollte, etwas im Haus repariert werden musste oder sonst etwas in der Richtung.«​
In 300 Jahren musste in meinem Haus auf der Hochebene so viel renoviert werden, dass es praktisch komplett umgebaut war.​
»Du hast außerdem irgendwann die Fähigkeit Vermehren von Erfahrungspunkten erhalten. Da du offensichtlich nie weit weggegangen bist, muss das irgendwann passiert sein, als du dein Level gesteigert hast.«​
»So muss es gewesen sein.«​
Vermutlich erreichte man auch nur mit kontinuierlichem Töten von Schleim das ein oder andere höhere Level.​
»Mit dieser Sonderfähigkeit erhältst du pro erlegtem Monster zwei Erfahrungspunkte dazu.«​
»Ach, bloß zwei?«​
»Aber jeder Schleim entspricht zwei Erfahrungspunkten. Damit verdoppeln sich die Punkte. Ich rechne es mal aus.«​

Tage x Jahre x (Punkte/Schleim + Bonus) x Schleime
365 x 300 x 4 x 25

»Ich denke, die Rechenformel müsste in etwa so aussehen.«​
»Soweit verstehe ich das. Aber die Fähigkeit, Erfahrungspunkte zu vermehren, hab ich bestimmt nicht gleich am Anfang erworben. Ich denke also, dass bei der Rechnung mehr Punkte herauskommen, als ich tatsächlich habe.«​
Aber andererseits war die Zahl von 25 Schleimen pro Tag auch nur gefühlt, und wenn es mehr waren, würde das das Ergebnis wieder verändern. Außerdem hatte ich schon auch ein paar andere Monster erlegt und nicht ausschließlich Schleime.​
»Jedenfalls werde ich einmal nach dieser Formel rechnen ... 10950000... Lass mich nachzählen ... Wie viele Stellen sind das? 10 Millionen 950 Tausend! Das ist recht nah an den angezeigten 10 Millionen 840 Tausend!«​
»Übrigens zählt ein großer Drachen 2.500 Erfahrungspunkte. 10 Millionen 840 Tausend Erfahrungspunkte entsprechen 4.380 großen Drachen.«​
»Dann bin ich ja eine Super- Drachentöterin!«​
»Es bedeutet, dass du 14,6 Drachen pro Jahr getötet hast.«​
So an Drachen gemessen kam es mir langsam vor, als hätte ich unfassbar Großes geleistet.​
»Es sieht nicht so aus, als sei die Zahl auf der Schiefertafel falsch. Du bist also doch eine sehr große und mächtige Hexe!«​
Ich konnte die Zahlen selbst nicht glauben und starrte fassungslos darauf. Tatsächlich hatte ich vage gespürt, dass ich mich weiterentwickelte. Schließlich blieb mein Körper zwar der einer Siebzehnjährigen, aber es sammelten sich immer mehr Erfahrungen an. Aber ich hätte nicht gedacht, dass ich solch irre Zahlen erreicht hätte ... Es gibt zwar das Sprichwort​
»Ein Fluss entsteht Tropfen für Tropfen«, aber so viel Kraft?​
Das war doch absurd ... Aber Moment mal ... Wenn das bekannt würde, wäre das gar nicht gut. Dann liefe ich Gefahr, mit Aufgaben überhäuft zu werden, die weit über ein bisschen Hilfe für das Dorf hinausgingen. Von wegen: Da und da ist ein Drache aufgekreuzt. Geh bitte hin und erledige ihn.​
Gut, einmal würde das vielleicht noch gehen. Mal einen Drachen zu bezwingen wäre meinetwegen in Ordnung. Aber wenn ich es nur ein einziges Mal machte, würden garantiert andere Drachen folgen. Dann hieße es: Wieso hast du gegen den Drachen dort gekämpft und willst nicht gegen diesen antreten? Dann konnte ich mein beschauliches Leben vergessen. Es würden Tage voller Abenteuer auf mich warten. Tage, die ganz und gar mit Arbeit ausgefüllt wären. Am Ende würde ich an Überarbeitung sterben. Und das wollte ich am allerwenigsten. Ich musste etwas unternehmen, damit sich das hier nicht herumsprach.​
»Ähm, junge Frau, wie heißt du eigentlich?«​
»Ich bin Natalie.«​
Was? Doch nicht etwa die Natalie?! Ist sie etwa auch unsterblich? Nein, wohl eher nicht. Natalie war kein ungewöhnlicher Name. Es war Zufall, dass sie auch so hieß. Das war alles. Schließlich gab es auch in Japan den Namen »Masayuki« in der Sengoku Zeit ebenso wie später in der Heisei Ära.​
»Natalie, bitte sei so gut und erzähl das hier niemandem. So ein Status ist doch eine sehr private Angelegenheit. Du möchtest doch auch nicht, dass alle über deine Oberweite reden, oder?«​
»Was die angeht, bin ich stolz drauf.«​
Jetzt auch noch angeben, oder was? Mist, was ihre Oberweite anging, hatte sie keine Komplexe ... Jedenfalls hatte sie mehr zu bieten als ich. Ein höheres Level schien übrigens keine Auswirkungen auf die Oberweite zu haben, denn ich hatte 300 Jahre lang die gleiche Figur. Aber egal ...​
»Auf jeden Fall wirst du niemandem von meinem Status erzählen. In Ordnung?«​
»Verstanden. Ich werde dafür sorgen, dass niemand erfährt, dass du die Stärkste von allen bist! Ich hätte zwar Lust, überall Loblieder auf dich zu singen, aber bei meiner Ehre als eine Bewohnerin dieses Dorfes werde ich dich nicht verraten!«​
Hier erwies sich die Autorität, die ich als Hexe der Hochebene genoss, tatsächlich als hilfreich. Wunderbar, wenn sie einfach nur den Mund hielt, würde ich davonkommen. In all den 300 Jahren war Natalie die Einzige gewesen, die sich je für meinen Status interessiert hatte. Das hieß, es war durchaus denkbar, dass weitere friedliche Hunderte von Jahren vor mir lagen! Es musste einfach so sein!​
Erleichtert ging ich zu meinem Haus auf der Hochebene zurück. Um zu testen, ob der Status der Wahrheit entsprach, versuchte ich mich an dem Schnee-und-Eis-Zauberspruch an einem Wasserfall im Wald. Ich glaubte noch nicht daran. Schließlich hatte ich bisher noch kaum gespürt, dass ich stärker geworden war.​
»Alles werde zu Eis! Haaah!«​
Der Wasserfall gefror zu einem steinharten Eisblock.​
»Okay. Scheint doch zu funktionieren ...«​
Ein paar Tage lang hing ich zu Hause rum und las in den Zauberbüchern, die ich mir vor langer Zeit gekauft hatte. Ich hatte mir große Portionen Essen gekocht und eingefroren. Dafür hatte ich den Zauber „Schnee und Eis“ angewandt, den ich unbemerkt erlernt hatte. Um das Essen aufzutauen, wandte ich den Feuerzauber an. Überhaupt benutzte ich die Kraft für alle Hitzequellen, die ich in der Küche brauchte. Dank dieser Zauber stieg mein Lebensstandard mit einem Schlag auf das, was man nach irdischem Maßstab modern nannte. Das hatte zur Folge, dass ich den ganzen Tag nach Lust und Laune faulenzen konnte. Wunderbar, so ein höheres Level! Heute weiß ich, dass solche Muße Luxus ist. Dass es bedeutet, das Leben zu genießen. Damals, als ich noch die Arbeitssklavin einer Firma war, die keine Rücksicht auf meine Gesundheit nahm, war die Vorstellung, pünktlich Feierabend zu machen, so etwas wie eine Großstadtlegende für mich. Auch Feiertage konnte ich oft abschreiben, weil immer tags zuvor zusätzliche Arbeit auftauchte, und überhaupt musste ich oft an Feiertagen in die Firma, weil ich es nicht geschafft hatte, die riesige· Arbeitsmenge zu bewältigen und stets zeitlich in Verzug war. So etwas mochte ich nie wieder erleben. Ich würde so faul sein wie ich wollte. Allerdings war ich es irgendwann über, immer die gleichen Gerichte zu essen, die ich mir in Massen eingefroren hatte.​
»Vielleicht sollte ich mal wieder in einem Lokal im Dorf essen gehen.«​
Ich machte mich auf nach Flatta. Unter den Zaubern, die ich beherrschte, waren auch »Levitation« und »Teleportation« enthalten, was den Weg ins Dorf erleichtert hätte, aber wenn man mich so sehen würde, lief ich Gefahr, dass mein hohes Level durchschaut werden würde. Also entschied ich mich zu laufen. Das war auch besser für die Figur. Auf dem Weg begegneten mir wieder Schleime. 300 Jahre reichten offensichtlich für Schleim nicht aus, um sich weiterzuentwickeln, dachte ich, während ich einen mit dem Finger weg schnippte. Das reichte schon, um ihn zu töten. Irgendwann war es mir lästig geworden, den Dolch zu ziehen und ich hatte begonnen, Schleime mit meinen bloßen Händen zu erlegen. Ob das daran lag, dass auch meine Angriffsfähigkeiten unbemerkt stärker geworden waren? Ich fand ohnehin, dass Hexen relativ stark im physischen Angriff waren. Aber egal wie hoch mein Level war, ich sammelte fleißig die Zaubersteine auf, die die Schleime hinterließen. Schließlich hatte ich keine andere Einnahmequelle. Ich hatte keine finanziellen Probleme, aber was ich kriegen konnte, nahm ich mir. Während ich noch einige weitere Schleime tötete, kam ich schließlich im Dorf an. Der Hinweg ging bergab und ließ sich leicht laufen.​
Ich betrat ein Lokal namens Zum schlauen Adler. (Hier gab es gute Omeletts. Das Restaurant hielt viele Hühner, deshalb hatten sie stets frische Eier.)​
»Hallo, lang nicht gesehen. Ich bin's, Azusa.«​
»Oh, die ehrwürdige Hexe der Hochebene!«​
Ich begrüßte den Wirt, der auch für das Kochen zuständig war. Als ich mich an meinen üblichen Platz setzte, brachte mir die Wirtin den üblichen Wein, bevor ich ihn bestellen konnte. Mein Körper war zwar der einer Siebzehnjährigen, aber natürlich trank ich Wein. Schließlich lebte ich seit 300 Jahren hier.​
»Hier, bitte schön. Der starke Wein für dich, wie immer.«​
»Vielen Dank. Ich nehme heute wieder das Omelett. Ach, und das Rinderragout dazu.«​
»Ja, ehrwürdige Hexe.«​
Wie schön so ein Stammlokal doch ist. Als Firmenangestellte hatte ich nicht die Zeit gehabt, Restaurants für mich zu entdecken. In der Pause waren alle Restaurants, die einen Mittagstisch anboten, überfüllt und man konnte nirgendwo gemütlich sitzen. Also kaufte ich mir grundsätzlich fertige Lunch Boxen oder Instantudelsuppen, was wirklich nicht gerade unter gesunde Ernährung fiel. Kurz darauf kam mein Omelett. Man sah auf den ersten Blick, dass es ein Meisterwerk war. Am liebsten hätte ich es auf Instagram hochgeladen. Bereits beim ersten Bissen schmeckte ich die leichte Süße. Einfach nur köstlich.​
»Euer Omelett ist das beste der Welt!«​
»Oh, ehrwürdige Hexe, du lebst schon so lange, dass du auch eine gute Schmeichlerin bist. Hast du überhaupt schon mal in einer anderen Stadt ein Omelett gegessen?«​
»Für mich ist es das beste weltweit. Das genügt mir!«​
»Tja, es gibt tatsächlich niemanden, der unser Omelett mit so viel Genuss isst wie du.«​
Dieser Wortwechsel zwischen der Wirtin und mir hatte schon Routine, schließlich führten wir ihn seit über 15 Jahren immer wieder.​
»Ach, ehrwürdige Hexe. Ich möchte dich gerne etwas fragen.«​
»Ja? Was denn?«​
»Stimmt es, dass du Level 99 bist?«​
Mir drohte alles aus dem Gesicht zu fallen.​
»Bitte? Woher kommt dieses völlig haltlose Gerücht?«​
Hier musste ich mich unwissend stellen. Wenn ich erschrocken reagierte, würde ich nur Verdacht erregen.​
»Ich weiß nicht, woher das Gerücht stammt, aber so habe ich es gehört. Die Kinder aus der Nachbarschaft haben darüber gesprochen.«​
Ich musste also herausfinden, von wem es die Kinder hatten. Ach was, es war eigentlich schon zu spät. Das Dorf war nicht groß und ich war mit Sicherheit die bekannteste Person darin. Die Wahrscheinlichkeit war hoch, dass sich die Geschichte schon herumgesprochen hatte. Natalie musste ich mir nachher unbedingt vorknöpfen. Was passiert war, konnte man nicht mehr rückgängig machen, aber ich wollte, dass sie Reue zeigte, da sie ihr Versprechen gebrochen hatte. Nun, aber wenn ich niemanden meine Zauber vorführte, war es unmöglich zu beweisen, dass mein Level wirklich so hoch war. Es war also durchaus nicht unmöglich, mich weiter durchzumogeln. Schließlich stand einem Level 99 nicht ins Gesicht geschrieben.​
»Liebe Frau Wirtin, ich hab bisher kaum etwas anderes erlegt als Schleime. Kann so eine Hexe wirklich stark sein? Ich bin eine ganz gewöhnliche Hexe, die es genießt, langsam und behaglich in den Tag hinein zu leben und die keinerlei Ambitionen hat.«​
Hexe war übrigens ein anderer Beruf als Magierin. Magier waren diejenigen, die jede Menge Zauber anwandten, wohingegen Hexen eher ihr Wissen über Heilkräuter und Mineralien auszeichnete. Deswegen stellte ich auch Medizin her.​
»Ach wirklich? Ich hab gehört, dass dein Status so sensationell wäre, dass kein Monster oder Abenteurer auch nur die leiseste Chance gegen dich hätte.«​
Na, das klang aber konkreter als ich befürchtet hatte. Ich musste in jedem Fall Natalie aufsuchen und herausfinden, wie die Lage war ... Ich aß zu Ende und machte mich auf zur Gilde. Wie immer saß die junge Frau an der Rezeption.​
»Natalie, das ganze Dorf weiß inzwischen über mich Bescheid! Du hast also doch weitererzählt, dass ich Level 99 bin! Dabei hatte ich dich wirklich inständig gebeten, niemandem etwas zu verraten!«​
»Was ... ? Ich hab nichts gesagt ... Ich könnte dich niemals verraten, ehrwürdige Hexe der Hochebene ...«​
Natalie sah ehrlich betroffen aus. So schaute keine Lügnerin. Aber wie konnte die Nachricht dann die Runde gemacht haben ... ? Doch plötzlich sah Natalie aus, als wäre ihr etwas eingefallen.​
»Ach richtig ... Das könnte es gewesen sein ...«​
»Hast du dich an etwas erinnert?«​
»Als wir deinen Status überprüft haben, war noch ein anderer Abenteurer in der Gilde!«​
»Oh ...«​
Eine Gilde war so etwas wie ein öffentlicher Ort. Auch für ein kleines Dorf wie dieses war es nicht ungewöhnlich, dass sich hier hin und wieder ein fremder Abenteurer aufhielt.​
»Ja, das ist es! Da war dieser Ernst, der für seine Geschwätzigkeit bekannt ist! Ich wette, er hat die Information in Umlauf gebracht!«​
Ein Abenteurer mit losem Mundwerk hatte also mitgehört.​
Dann war es nur eine Frage der Zeit, bis die Gerüchte weitere Kreise zogen. Im schlimmsten Fall würden sie auch benachbarte Dörfer und Städte erreichen! Ich hielt mir den Kopf. Aber nicht, weil ich Kopfschmerzen hatte. In meiner Zeit als Firmensklavin hatte ich oft starke Kopfschmerzen und musste Tabletten nehmen, aber jetzt war ich rundum gesund. Ich musste nachdenken. Wie konnte ich den entstandenen Schaden mindern? Da kam mir die Idee! Wir mussten die alten Gerüchte durch neue ersetzen. Ich schaute mich um, um sicherzugehen, dass uns diesmal niemand belauschte.​
»Natalie, du musst das Gerücht verbreiten, dass das ein Fehler war mit meinem Level 99.«​
»Du willst, dass ich lüge?«​
»Genau. Wir machen aus mir eine ganz normale Hexe. Ich bitte dich. Du musst allen erzählen, dass die Schieferplatte, die den Status anzeigt, kaputt war, ja?«​
Natalie war eine Gildenangestellte. Es wäre durchaus natürlich, wenn sie sich mit diesen Schiefertafeln auskennen würde. Wenn sie behaupten würde, es sei ein Fehler gewesen, schenkte man ihr sicherlich Glauben!​
»Es tut mir weh zu behaupten, eine dermaßen starke Hexe sei eigentlich schwach. Du bist doch der Stolz unseres Dorfs ...«​
»Aber es hilft niemandem zu wissen, dass ich stark bin. Im Gegenteil. Jemand könnte neidisch auf meine Kräfte werden. Kraft ist nicht nötig, zumindest nicht für meinen Seelenfrieden. Also, ich bitte dich!«​
Wäre ich von meinen Mitmenschen geringschätzig behandelt worden, hätte ich vielleicht die Gelegenheit genutzt, mich zu revanchieren. Aber mir wurde bereits genügend Respekt entgegengebracht. Schließlich hatte ich durch meine Medikamente und Heilkünste über lange Jahre hinweg dem Dorf Gutes getan. Faktoren wie dieser Status spielten hier keine Rolle.​
»Verstanden ... Ich kann schließlich nicht zulassen, dass die ehrwürdige Hexe der Hochebene in Schwierigkeiten gerät ...«​
Natalie schien Verständnis zu haben. Es sah so aus, als könne ich den Schaden ein wenig begrenzen. Fürs Erste hatte ich getan, was getan werden konnte.​
»Ach ... Am Abenteurer-Ranking gemessen wärst du die Stärkste aller Starken. Du wärst die größte Legende seit Bestehen des Königreichs. Es ist zu schade ...«​
»Mag sein, aber akzeptiere es bitte.«​
Unser Dorf würde im ganzen Königreich berühmt werden ..«​
Und dennoch musst du es hinnehmen. Man sagt, jeder Erfolg hat seinen Preis. Das friedliche Dorf könnte dadurch Gefahr laufen, in Ärger hineingezogen zu werden.«​
»Könnte ich es wenigstens der Zentrale der Gilde ...«​
»Auf gar keinen Fall!«​
Ich kreuzte meine Arme zu einem Nein-Zeichen und schmetterte Natalies Wunsch mit ganzer Kraft ab. Bisher war die Beziehung zwischen mir und dem Dorf rund gelaufen. Und so sollte es weitergehen. Es gab gar kein Problem. Von jenem Tag an gab ich besonders acht, dass niemand aus den Dorf meine Zauberkräfte zu sehen bekam. Da ich sie bisher auch nicht gezeigt hatte, musste ich mich eigentlich nur wie eine ganz normale Hexe benehmen. Natalie schien ihr Versprechen gehalten und im Dorf erzählt zu haben, dass die Schiefertafel kaputt gewesen sei, und so tauchten keine Dorfbewohner mehr auf, die mich fragten, ob ich Level 99 sei. So endete dieser Vorfall. Ab jetzt würde ich wieder Schleime erlegen und Medizin herstellen. So dachte ich jedenfalls. Doch eines Tages klopfte es an meiner Tür. Wer konnte das wohl sein ... ?​
Eigentlich klopfte nie jemand gegen meine Tür. Zum einen lag mein Haus ungünstig. Vom Dorf aus musste man ein gutes Stück bis zur Hochebene laufen, also war es umständlich, hierherzukommen. Es lag auch nicht auf dem Weg zu irgendeiner Einrichtung, weshalb man auch nicht einfach mal so vorbeischauen konnte, weil man gerade in der Nähe war. Zum anderen war eine Hexe aus Sicht der Dorfbewohner etwas Besonderes und niemand, den man locker mal besuchen kam. Selten kam es vor, dass mir jemand etwas vorbeibrachte, das er teilen wollte, aber das war auch schon alles.​
Jedenfalls kam kaum jemand zu mir nach Hause. Natürlich passierte es, dass jemand vor der Tür stand, weil er Medizin für sein Kind haben wollte, das plötzlich krank geworden war, oder wegen eines anderen dringenden Vorfalls. Dann lief ich natürlich sofort mit.​
Da es sich auch diesmal um einen Notfall handeln konnte, legte ich das Zauberbuch, in dem ich gelesen hatte, weg und ging zur Tür. Als ich sie öffnete, stand eine Gruppe von vier Abenteurern vor mir. Dorfbewohner waren es schon mal nicht.​
Direkt vor mir stand ein junger Mann, der wie ein Schwertkämpfer aussah. Er war etwa Anfang zwanzig. Dann gab es noch einen Muskelmann, der ebenfalls Schwertkämpfer war, eine junge Magierin in einer typischen Robe und einen Priester, der noch keine zwanzig war.​
»Ja? Was kann ich für euch tun?«​
Ob sie wissen wollten, ob in dieser Gegend starke Monster vorkamen? So leid es mir tat, hier gab es nun mal nur ganz kleine Fische. Wir hatten hier auch keine Höhle, in der ein phänomenaler Schatz schlummerte. Also, es gab überhaupt gar keine Höhle. Als Besonderheit wuchsen lediglich Pflanzen im Wald, die Heilwirkung hatten. Sollte es irgendwie mit einem Abenteuer zu tun haben, wollte ich ganz einfach freundlich absagen.​
»Bist du Azusa, die Hexe der Hochebene?«​
Das war der junge Schwertkämpfer, offensichtlich der Anführer der Gruppe.​
»Ja, das ist richtig. Es tut mir leid, aber diese Gegend eignet sich nicht für Abenteuer. Die Monster sind schwach und Höhlen gibt es auch keine.«​
»Ach, das macht nichts. Deswegen sind wir nicht hier.«​
Was dann? Wollten sie mir etwas verkaufen?​
»Wir möchten unsere Kräfte mit dir messen.«​
»Was ... ?«​
Meine Stimme überschlug sich. So etwas hatte mir noch nie jemand vorgeschlagen.​
»Kräftemessen? Wollt ihr mit mir Armdrücken machen oder so etwas?«​
»Nein. Wir möchten kämpfen.«​
»Ich bin eine Hexe, die Kräuter pflückt und ein bescheidenes Leben führt. Gegen mich zu kämpfen macht euch bestimmt nicht zu legendären Helden.«​
»Man hat uns gesagt, hier wohne eine Hexe mit Level 99.«​
Das Gerücht hatte sich verbreitet! Der Abenteurer, der damals in der Gilde war, hatte also doch mitgehört. Kein Wunder, dass die Geschichte weitergetragen worden war. Schließlich wanderten selbst Abenteurer, die an ihre Region gebunden waren, immerhin in Dörfer und Städte der Umgebung ...​
»Ha ha ha, ach so, das ... Das war ein Missverständnis. Die Schieferplatte war kaputt und hat komische Zahlen angezeigt. Meine Fähigkeiten befinden sich höchstens auf Level 10 ... Aber vielleicht ist auch das übertrieben ... Level 3 vielleicht ...2«​
»Warum lügst du uns an?«, fragte die mutmaßliche Magierin.​
Sie musste etwa Ende zwanzig sein.​
»Ich bin in einer ähnlichen Position wie du, deswegen erkenne ich das. Aus deinem Körper quillt das Mana nur so in Strömen hervor. Du bist ohne Frage eine ganz große Nummer.«​
Was? Daran konnte sie das erkennen?! Zogen wir uns etwa gegenseitig an wie diese Stand-Power-Nutzer?* Aber ich würde auf keinen Fall kämpfen. Auf gar keinen Fall. Wenn ich es einmal zuließ, gäbe es kein Zurück mehr.​
»Jetzt mal rein theoretisch. Nur mal angenommen, ich wäre wirklich eine unheimlich starke und mächtige Hexe. Warum sollte ich dann gegen euch kämpfen?«​
Das war doch ein vernünftiges Argument. Und das gedachte ich nun durchzusetzen. Ich betrieb hier schließlich keine Kampfsportschule, also musste ich auch keine Herausforderungen annehmen.​
»Aber wir wollen stark werden! Bitte, gib uns die Chance, gegen dich anzutreten!«​
Schön, sie waren höflich, aber ich hatte keine Lust, mich auf so etwas einzulassen. Was sollte ich nur tun? Wenn ich sie nicht abwimmeln konnte, wäre mein friedliches Leben in Gefahr. Ich musste wohl zu einer Lüge greifen. Ich räusperte mich und begann.​
»Es gab früher mal eine Zeit, da war ich ganz berauscht von meiner eigenen Kraft.«​
Gab es nie.​
»Tatsächlich ...«​
Sie schienen mir zu glauben und hörten ernst zu. Fast fühlte ich mich ein bisschen schuldig.​
»Aber dadurch habe ich viele Leute verletzt. Unter ihnen gab es auch welche, die durch meine Zauber ihr Leben verloren haben.«​
Ich hab eigentlich nur Schleime getötet.​
»Daher hab ich beschlossen, nie wieder zu kämpfen.«​
Das allerdings entspricht voll und ganz der Wahrheit.​
»Große Abenteurer haben offensichtlich auch eine schwere Vergangenheit ...«​
»Deshalb kann ich nicht gegen euch kämpfen. Versteht das bitte.«​
Ja, bitte, seht es einfach ein. Jetzt würden sie wohl aufgeben.​
»Verstanden, Azusa. Wir werden uns zurückziehen.«​
»Ich danke euch. Möge eure Reise glücklich und sicher sein.«​
»Vermutlich wird es nicht einfach für dich, weil in Zukunft noch eine Menge Abenteurer wie wir zu dir kommen werden. Pass auf, dass du nicht plötzlich angegriffen wirst. Es gibt auch Abenteurer, die nur darauf aus sind, sich einen Namen zu machen.«​
Moment mal.​
»Hat sich mein Name so weit herumgesprochen?«​
Das hätte ich lieber nicht gehört.​
»Ja. Im umliegenden Gebiet dürfte es keinen einzigen Abenteurer mehr geben, der dich nicht kennt. Und die Abenteurer, die aus dieser Gegend stammen, sind stolz darauf, dass Azusa, die Hexe der Hochebene, die Stärkste von allen ist.«​
Wieso mussten die mich ungefragt zum Stolz der Gegend erklären? Ich wollte nicht in meinem ruhigen Leben gestört werden! Na schön. Ich musste meine Strategie ändern.​
»Also gut. Ich werde gegen euch antreten. Aber nur gegen euch und nur dieses eine Mal.«​
»Wirklich?!«​
Eine Welle der Aufregung durchfuhr die Gruppe. Sie behandelten mich wie einen Promi.​
»Ich stelle allerdings eine Bedingung. Wenn ihr verliert, müsst ihr verbreiten, dass die Hexe der Hochebene nicht besonders stark ist. Ich möchte nämlich möglichst nicht kämpfen.«​
Die Magierin nickte energisch.​
»Nun. Wir kämpfen zwar, aber ich möchte euch natürlich nicht verletzen ..«​
Ich trat aus dem Haus und zog mit der Hacke, die ich für die Feldarbeit benutzte, einen großen Kreis. Eigentlich eher ein Oval, aber das tat nichts zur Sache.​
»Wer über diese Linien tritt, hat verloren. In Ordnung?« Natürlich erhob niemand einen Einwand und so stand die Sache fest. So konnte der Kampf schnell entschieden werden, ohne dass jemand verletzt wurde.​
»Wenn ich aus dem Kreis trete, habe ich verloren. Ihr habt verloren, wenn alle Gruppenmitglieder den Kreis verlassen haben. Und noch etwas: Wer einmal raus ist, bleibt draußen.«​
Die Bedingungen waren für die anderen vorteilhaft, also vermutete ich keinen Widerspruch.​
»Fangen wir an!«​
Als glaubte sie, ein schneller Angriff sei von Vorteil, stieß die Magierin ihren Zauberstab nach vorne und begann, eine Formel zu murmeln.​
»Oh Wind, werde zu meinem Diener und erhebe dich zum Sturm ...«​
Klar, Weg pusten war eine gute Idee. Darauf war ich auch gekommen.​
WUOOOOSCH!
Ich sah einen Wirbelsturm auf mich zukommen. Allein das Geräusch verriet mir, dass er eine ziemlich beeindruckende Stärke hatte. Es musste sich hier um ziemlich hochklassige Abenteurer handeln.​
So setzte man also den Zauber »Tornado« ein. In meinem Status war dieser Zauber auch aufgeführt, doch ich wusste nicht genau, wie man ihn benutzte. Aber »Schnee und Eis« hatte auch mit irgendwelchen beliebigen Worten funktioniert. Vielleicht gab es da keine so strengen Regeln. Also ging ich kurzerhand zum Gegenangriff über. Auge um Auge, Zahn um Zahn!​
»Oh Wind, werde zu meinem Diener und erhebe dich zum Sturm!«​
Ich sprach exakt dieselben Worte wie meine Gegnerin aus.​
Das war ehrlich gesagt rundweg geklaut. Aber in dieser Welt gab es kein Copyright!​
WUOOOOOOOOOOMMM!
Plötzlich erhob sich ein Wirbelwind, der viel mächtiger war als der meiner Kontrahentin. Und er hielt direkt auf die Gruppe zu! Zuerst verschluckte er den Wirbelwind der Magierin, dann nahm er noch an Geschwindigkeit zu.​
»So einen Wirbelsturm hab ich noch nie gesehen!«- »Ein Monster!« - »Lauft weg!«​
Meine Gegner waren völlig fassungslos. Der Wirbelwind hatte einfach gigantische Ausmaße. Man konnte sagen, ihr Kampfwille war gebrochen, kaum dass ich einen Zauber ausgepackt hatte. Wenn mein Wirbelwind sie erfasste, würde ich sie zumindest aus dem Kreis katapultieren können. Ich sah, dass die gesamte Gruppe frontal getroffen wurde. Ein voller Erfolg! Allerdings war es wohl ein bisschen zu viel gewesen.​
»Kyaaaaaaa!«
»Uwaaaaaaa!«
»Hiiilfeee!«​
Die gesamte Truppe befand sich fest im Griff des Wirbelsturms und wurde immer weiter fortgetragen. Mist! Ich hatte die Macht von Level 99 unterschätzt!​
Hier konnte man nicht mehr von »aus dem Kreis treten« sprechen. Es war eine komplett andere Dimension! Aber mit der Zeit schwächte der Sturm langsam ab und ich konnte sehen, wie die Gruppe schließlich sanft auf dem Boden landete. Und zwar am Fuße des Hügels, etwa beim Dorf Flatta.​
»Oh,Mist ...«​
Sie waren ehrlich gesagt an der denkbar ungünstigsten Stelle gelandet. Ich lief hinunter zum Dorf, um nachzusehen.​
»Du hast eine erfahrene Abenteurergruppe mit nur einem einzigen Wirbelwind weg gepustet! Das schafft nur unsere ehrwürdige Hexe der Hochebene!«​
»Jetzt hab ich mit meinen eigenen Augen gesehen, wie groß deine Kraft ist, ehrwürdige Hexe!«​
»Unser Dorf ist für die nächsten hunderte von Jahren sicher!​
Dann stimmt es ja doch, dass du Level 99 bist!«​
Als ich ankam, war es bereits Dorfgespräch, dass ich eine Gruppe von Abenteurern zersprengt hatte. Kein Wunder eigentlich. Dieser Riesenwirbelsturm musste auch vom Dorf am Fuße des Hügels aus gut sichtbar gewesen sein ...​
»Die Abenteurer haben gesagt, dass sie noch mal bei null anfangen wollen! Sie haben alle erzählt, sie wollten einmal so werden wie du, ehrwürdige Hexe!«​
Sie hatten also über mich gesprochen! Das war gegen die Abmachung! Aber vermutlich wäre ohnehin jeder Verschleierungsversuch müßig gewesen, da die Dorfbewohner zugesehen hatten, wie sie weggefegt wurden. Und eine Lüge, dass ein fürchterliches Monster aufgetaucht sei und dafür verantwortlich war, würde das Dorf nur in Panik versetzen ...​
»Jawohl, ich hab gezaubert und die Gruppe Abenteurer weg gepustet ...«​
Nun war es offiziell, und jeder im Dorf wusste, dass die Hexe der Hochebene Level 99 war.​

*Anspielng auf den Manga JoJo no Kimyo na Boken von Hirohiko Araki.


 
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Edward Teach

Anime-Pirat
VIP
Ein Drache kommt vorbei

Nachdem meine wahre Stärke (gegen meinen Willen) bekannt geworden war, suchte ich nach Büchern über Monster und begann sie zu studieren. Nicht etwa, weil mein Interesse am Kampf gegen Monster erwacht war. Eher das Gegenteil war der Fall. Aber wenn ich mich einigermaßen mit ihnen auskannte, könnte ich mich vielleicht damit herauswinden, Tipps zu geben, wie man ein Monster besiegt, anstatt den Kampf selbst zu übernehmen, falls jemand mit so einem Auftrag zu mir kam. Zu so viel Kooperation wäre ich schon bereit. Ich mochte nur einfach nicht mehr eingespannt werden wie ein Ackergaul.​
Schließlich war ich Level 99. Auch mir war klar, dass das in dieser Welt eine Rarität war, die so gut wie nie vorkam. Nicht auszudenken, wenn nun alle Probleme dieser Welt gebündelt zu mir getragen würden. Das wäre furchtbar geworden.​
Da erst etwa zehn Tage vergangen waren, seit ich die Abenteurergruppe weg gepustet hatte, waren in meinem Leben noch keine Veränderungen aufgetreten. Noch war keiner aufgetaucht und hatte mich gebeten, einen Drachen zu töten oder etwas ähnliches. Allerdings verkaufte sich meine Medizin, die der Gemischtwarenladen im Dorf für mich vertrieb, besser denn je, weshalb ich vermehrt Heilkräuter sammeln ging. Wahrscheinlich dachten die Leute, Medizin von einer Hexe mit Level 99 wirke besonders gut. Ehrlich gesagt gab es aber keinen Unterschied zu vorher.​
»Ob sich Informationen langsamer verbreiten, weil es hier kein Internet gibt? Wäre schön, wenn es so bleiben könnte und die Geschichte langsam im Sande verliefe.«​
Es war wohl nicht gut, laut Selbstgespräche zu führen, jedenfalls hörte ich daraufhin ein ziemlich starkes Klopfen an der Tür. Wer war das jetzt schon wieder? Es war ein reichlich ungehobeltes Klopfen, also war es vermutlich niemand aus dem Dorf. Ich überlegte kurz, so zu tun als sei ich nicht zu Hause, aber da ich nicht wollte, dass meine Tür zertrümmert wurde, ging ich doch öffnen. Falls jemand wollte, dass ich dabei half einen Drachen zu erlegen, würde er eine Einweisung in Drachenbekämpfungstechniken erhalten und von mir nach Hause geschickt werden. Ich hoffte, dass es sich um keinen Notfall handelte, wie eine Stadt, die kurz vor ihrer Vernichtung stand.​
»Ja? Wer ist da bitte?«.​
Vor mir stand etwas Gigantisches. Es war hochgewachsen.​
Und überhaupt - es war kein Mensch. Große Flügel. Großer Körper. Es wirkte, als könne es Feuer speien. Und es hatte zwei Hörner. Ein Drache war gekommen. Bestimmt hatte er vorhin mit dem Schwanz angeklopft. Deswegen hatte es sich so grob angehört​
»Ähm, ja bitte? Was kann ich für dich tun?«​
laut Büchern waren Drachen hochkarätige Monster, die die menschliche Sprache verstanden. Allein, dass er geklopft hatte, bewies seine Intelligenz. Mir fiel auf, dass mir mein angelesenes Wissen gerade zugutekam, auch wenn ich mir das in dieser Form nicht gewünscht hatte.​
»Hier in der Provinz Nanterre sind Drachen die stärksten Monster, und ich, Jaika, bin bekannt als der stärkste aller Drachen.«​
Drachen verstanden offensichtlich nicht nur die Menschensprache, sie sprachen sie auch. Die Stimme war allerdings so laut, dass mir der Kopf dröhnte. Wie auf einem Live-Konzert.​
»Und was will dieser Drache von mir?«​
»Mir wurden kürzlich Gerüchte zugetragen, dass hier die stärkste Hexe der Welt lebt.«​
»Sag nicht, dass du gekommen bist, um gegen mich zu kämpfen?«​
»He, du kapierst schnell.«​
Hallo, wie weit hatten sich die Gerüchte bitte verbreitet? Hätten sie nicht wenigstens unter Menschen bleiben können? Das war wirklich das Letzte. Ich wurde nicht etwa aufgefordert, Drachen zu bekämpfen, nein, ich wurde gleich von einem aufgesucht!​
»Ich bin nicht auf den Titel der weltweit Stärksten aus. Ich habe einfach nur 300 Jahre lang Erfahrungspunkte gesammelt und so eher aus Versehen den höchsten Level erreicht. Ich überlasse den Titel des Champions gerne dir.«​
»Das kann ich nicht akzeptieren. Kämpfe gegen mich. lass es uns klar ausfechten!«​
Das war mal eine Belästigung ... Ich sagte doch, ich führte keine Kampfsportschule, wieso konnten die nicht aufhören, gegen mich anzutreten?​
»Und was machst du, wenn ich mich weigere?«​
»Zuerst einmal zertrete ich dein Haus. Und dein Feld verwüste ich auch.«​
Hm, da musste ich wohl leider doch kämpfen. Ohne Haus konnte ich mein gemütliches Leben komplett vergessen.​
»Einverstanden. Kämpfen wir. Aber ich habe nie behauptet, die Stärkste zu sein. Sollte sich herausstellen, dass ich viel schwächer sein sollte als du, musst du ein bisschen Rücksicht nehmen.«​
»Einverstanden. Ich möchte mich schließlich nur vergewissern, dass ich am stärksten bin.«​
Wir gingen zu einem überdimensioniert weiten Platz, der entfernt vom Haus lag. Schließlich sollte mein Haus unter keinen Umständen bei dem Kampf zerstört werden.​
»Nun denn. Du sollst Laikas wahre Kraft zu spüren kriegen!«​
»Jaja, mach du nur.«​
Der Drachen schwang seine Flügel und flatterte geräuschvoll nach oben.​
»Ich werde dich bis aufs letzte Haar verbrennen!«​
Mit diesen Worten spie er Flammen! Also, das wollte ich nun wirklich nicht auf mich nehmen. Auf schwere Verbrennungen konnte ich gut verzichten.​
»Alles werde zu Eis!«​
Ich schleuderte den Flammen meinen Eiszauber entgegen.​
Und mein Plan ging auf. Beim Zusammenprall mit meinem Zauber wurden die FJammen neutralisiert und verschwanden.​
»Tsss, das war nicht schlecht! Du scheinst tatsächlich eine hochrangige Hexe zu sein!«​
Hm, jetzt konnte ich auch nicht mehr absichtlich verlieren. Wahrscheinlich wäre es das Effektivste, den Kampf schnell zu entscheiden. Aber wie sollte ich am besten vorgehen? Mein Gegner schwebte schließlich in der Luft.​
»Ich verabschiede mich für eine Weile vom Boden!«​
Ich sprach eine Formel, um den Zauber „Levitation“ anzuwenden. Damit war ich sozusagen dem Drachen ebenbürtig. Die Levitation selbst war mir nicht unbekannt, da ich sie immer mal wieder auf dem Rückweg vom Dorf angewandt hatte. Es war einfach komfortabler so. Aber wie sollte ich nun kämpfen?​
Ich wollte dem Drachen nicht allzu nahekommen. Das heißt, ich musste mit Zaubern arbeiten. Aber jemanden von dieser Größe würde ich nicht so einfach mit einem Wirbelsturm weg pusten können wie ein paar Menschen. Und selbst wenn, könnte ich es nicht tun, da das Dorf großen Schaden nehmen würde, wenn ein Drache auf sie herunter krachen würde. Also ein Blitz? Ehrlich gesagt traute ich mir nicht zu, meine Kräfte zu kontrollieren. Und anders als bei den Schleimen würde ich ein schlechtes Gewissen haben, wenn ich ein intelligentes Wesen wie einen Drachen tötete. Wenn irgend möglich, sollte niemand sein Leben verlieren.​
Blieben nur noch „Feuer“ oder „Schnee und Eis“. „Feuer“ würde wahrscheinlich nichts nützen, da der Drachen selbst Flammen spie. Also blieb nur noch der Zauber „Schnee und Eis“ übrig.​
»Du wagst es, mich nachzuahmen und hochzufliegen? Unverschämt!«​
Der Drache streckte seine Flügel aus, um mich hinunter zuschlagen, aber dem konnte ich problemlos ausweichen. Der Drache hingegen machte sich durch seinen verfehlten SchJag in die Luft angreifbar. Ich fasste einen Entschluss und näherte mich ihm.​
»Ich werde dich verbrennen und hinunter schmettern!«​
Der Drache öffnete sein Maul, um weitere Flammen zu speien. Darauf hatte ich gewartet. Ich schleuderte meinen Zauber „Schnee und Eis“ in Richtung seines Mauls.​
»Alles werde zu Eis!«​
Das Maul des Drachen gefror und überzog sich mit Frost. Mit einem Schlag verwandelte es sich in eine Eishöhle.​
»Argh! Urgh! FrrrrTrr!«​
Der Drache geriet in Panik, landete auf dem Boden und lief hektisch umher. Das war's. So konnte ich meinen Gegner in tiefe Verwirrung stürzen, ohne ihm gleich das Leben zu nehmen.​
»Und? Wie fühlt sich dein Kopf an?«​
Er war so panisch, dass es erbarmungswürdig war. Er sauste ohne Sinn und Verstand in der Gegend herum. Huch? Sagte ich herumlaufen? Mich beschlich ein ungutes Gefühl ...​
»He, lass mein Haus heil! Mach es bloß nicht kaputt!«​
»Uuuurrrgh!Es ist sokaaaaalt!«​
Ich sah, wie der Drache in Richtung Haus lief - und gegen eine Ecke donnerte.​
KRACH!
Das Eckzimmer, gegen das er gelaufen war, war pJatt. Und mein Zorn war entfacht.​
Ich hab doch gesagt, du sollst mein Haus nicht kaputt machen!«​
Ich näherte mich dem Drachen. Das ist für das zerstörte Zimmer!«​
Ich donnerte ihm ganz einfach eine rein!​
»Buaaaah ...«​
Der Treffer schlug den Drachen K.O. Mit einem dumpfen Aufprall sank er auf der Ebene zusammen. Tot schien er nicht zu sein, aber der Schaden, den er davongetragen hatte, schien so groß, dass er sich für eine Weile nicht bewegen konnte. Da ich mit der Faust zugeschlagen hatte, tat mir die Hand weh. Ich sollte froh sein, dass sie zumindest nicht gebrochen war.​
»W ... Was für eine enorme Kraft ... Dass es mich so erbärmlich niederstreckt ..«​
Der Drache schien seine Lage nicht fassen zu können.​
»Ich denke, fürs Erste können wir sagen, dass ich gewonnen habe ...«​
Ich sah mein zum Teil zerstörtes Haus an. Ich würde auf Wiedergutmachung bestehen!​
»Hör mal, Drache Laika.«​
Ich näherte mich und stupste ihn an.​
»Ich möchte, dass du mein Haus reparierst. Sonst verzeihe ich dir nicht.«​
Mein Mund lächelte, meine Augen jedoch vermutlich nicht.​
Offensichtlich erkannte so auch der Drache, dass ich furchtbar wütend war.​
»S... Selbstredend ... Ich werde tun, was ich kann A. .. Also verzeih mir bitte ... lass mir wenigstens mein Leben «​
»Natürlich., Sonst könntest du ja auch nicht mein Haus reparieren. Ich hab nämlich keine Hausratversicherung.«​
Mein Schlafzimmer schien nicht betroffen zu sein, aber es könnte zugig werden. Vielleicht sollte ich für eine Weile in einem Gasthaus im Dorf übernachten ...​
»Also ... Ich hab bei mir zu Hause in den Bergen ein hübsches Sümmchen Geld angespart ... Dürfte ich mich wohl auf den Weg machen, um es zu holen? Ich würde es gern für die Reparaturkosten verwenden ..«​
Stimmt, ich hatte schon einmal gehört, dass Drachen die Neigung haben, Gold zu sammeln.​
»Meinetwegen. Aber vergiss nicht: Solltest du versuchen zu fliehen, werde ich kommen und dich bestrafen.«​
»Ich werde mein Versprechen halten. Bestimmt!«​
Der Drache erhob sich taumelnd in die Lüfte. Ich dagegen ging ins Dorf, um eine Unterkunft zu suchen.​
»Oh! Ehrenwerte Hexe! Wie wir gesehen haben, hast du den Drachen besiegt!«​
»Wir konnten vom Dorf aus alles gut beobachten!«​
»Unglaublich, große Hexe, dass du gegen diesen Drachen gewonnen hast!«​
Es hatte sich also schon herumgesprochen. Klar, ein so großer Drache musste auch aus der Entfernung aufgefallen sein.​
»Ja. Den Drachen hab ich besiegt, aber dabei ist ein Teil meines Hauses kaputtgegangen. Deshalb möchte ich für eine Weile in einer Herberge im Dorf unterkommen. Es tut mir leid, dass ich Aufruhr verursacht habe.«​
»Ach was, schuld ist doch der Drache!«​
»Du hast das uns alle vor ihm beschützt!«​
»Du sollst das beste Zimmer im Dorf erhalten!«​
»Dummkopf! Wir haben keinen Gasthof im Dorf, der gut genug wäre, die ehrwürdige Hexe aufzunehmen!«​
Die Diskussion drehte sich noch zwei, drei Mal im Kreis, bis man übereinkam, dass ich im Gästesaal des Bürgerhauses schlafen sollte. Hier übernachteten zum Beispiel Beamte des Königreichs, wenn es sie geschäftlich hierher verschlug. Eigentlich war es gar nicht so übel, ab und zu solche netten Angebote anzunehmen. Und wenn ich später kostbare Medizin spenden würde, wäre die Rechnung auch wieder ausgeglichen.​
Da ich schon einmal hier übernachtete, machte ich seit Längerem mal wieder einen gemütlichen Spaziergang durchs Dorf. Verglichen zu vor 300 Jahren, als ich zum ersten Mal hierherkam, wirkte der Ort lebendiger. Auch die Einwohnerzahl war gestiegen. Sicherlich gab es mehrere Gründe hierfür, aber einer davon musste wohl ich sein. Das sagten zumindest die Dorfbewohner immer. Es lag offensichtlich daran, dass ich den Ort mit wertvollen Medikamenten versorgt hatte. In jedem Dorf starben Menschen nicht nur, weil ihre Lebenszeit abgelaufen war, sondern auch an Krankheiten und Verletzungen. Doch dank meiner Medikamente war hier die Sterberate im Vergleich zu den umliegenden Dörfern deutlich gesenkt worden.​
Besonders der starke Rückgang der Kindersterblichkeit hatte dazu beigetragen, dass die Bevölkerungszahl weiterhin wuchs. Ich stellte schließlich nicht nur Medizin her, sondern auch so etwas wie aufbauende Vitaminpräparate für Kinder. Für mich war die Herstellung der Medizin aus meinen Heilkräutern so etwas wie ein Hobby, das sich hervorragend in mein entschleunigtes Leben einfügte. Und wenn ich mit meinem Hobby Menschenleben retten konnte, so war mir das eine große Ehre. Da ich an dem Tag keinen langen Heimweg vor mir hatte, beschloss ich, in einer Dorfschänke einzukehren und gemütlich etwas zu trinken. In der Schänke war trotz der späten Stunde viel los.​
»Oh, die ehrwürdige Hexe!«​
»Stoßen wir auf die ehrwürdige Hexe an!«​
Einige Gäste waren schon ziemlich betrunken und es ging hoch her. Ich wurde zu einem freien Platz an einem Tisch geführt. Und obwohl ich noch nichts bestellt hatte, wurde mir aus irgendwelchen Gründen ein teuer wirkender Drink serviert.​
»Ähm, also, ich habe noch gar nichts bestellt.«​
»Als Kind hat mir einmal deine Medizin das Leben gerettet«, sagte die Tochter des Wirts lächelnd.​
»Das hier ist nur ein kleines Dankeschön dafür. Lass es dir bitte schmecken.«​
Heute geht es den ganzen Tag schon so. Keiner lässt mich bezahlen. Aber das kann zur Abwechslung auch ganz schön sein. Ich nippte langsam an meinem Drink. Als Firmenangestellte war ich immer beschäftigt gewesen. Dabei hatte ich fast nie das Gefühl, dass meine Arbeit wirklichen Menschen zugutekam. Wenn man so will, könnte man sagen, ich arbeitete nur für die Firma. Deshalb fühlte ich mich immer leer, egal wie beschäftigt ich war. Vielleicht sollte ich häufiger ins Dorf kommen. Schließlich widersprach es meinen Grundsätzen eines ruhigen und entspannten Lebens nicht, Kontakt zu anderen zu haben.​
Der teure Drink schmeckte tatsächlich anders als alles, was ich sonst trank. Er schmeckte runder. Ich schätze, das war der teure Teil daran.​
»Hmmm, herrlich. Im Vergleich zu früher fühle ich mich jetzt wie im Himmel.«​
Ohne es zu wollen, waren mir die Worte entschlüpft.​
»Wir fühlen uns auch wie im Himmel, weil du uns beschützt, ehrwürdige Hexe!«​
»Als ich jung war, bin ich viel herumgereist, aber ein besseres Dorf als Flatta gibt es nicht!«​
Ich sollte wohl ein paar Prozent von den überschwänglichen Lobeshymnen abziehen, da sie direkt vor meiner Nase ausgesprochen wurden, aber ich muss sagen, ich freute mich trotzdem.​
»Ich freue mich auch, dass ich mich in der Nähe dieses Dorfs niedergelassen habe«, sagte ich und meinte es ehrlich. Ich war stolz auf dieses Dorf. Und ich wollte auch weiterhin seine Entwicklung beobachten.​
An dem Abend trank ich mir einen angenehmen Schwips an, ging zurück in das Gästezimmer und schlief. Es war recht spät geworden, aber immer noch früher als zu meinen Firmenzeiten. Und außerdem musste ich damals gegen sechs Uhr aufstehen ... Obwohl es 300 Jahre her war, konnte ich mich noch gut daran erinnern. Das Frühstück, das mir am folgenden Morgen serviert wurde, war ungewöhnlich luxuriös. Mir schien die Behandlung eines Ehrengasts zuteil zu werden.​
»Wie gut, dass ich eine Hexe bin ...«​
Ich frühstückte. Besonders die Milch war köstlich, wahrscheinlich weil sie gerade frisch gemolken worden war. Im Vergleich zum japanischen Essen waren die Gerichte hier simpler gewürzt und nicht so raffiniert, aber was die Milch anging, war die aus Flatta eindeutig der Sieger. Nicht zu vergleichen mit der abgepackten japanischen Milch. Herzlichen Dank an den Koch und die Kuh! Stimmt. Vielleicht könnte ich den Leuten demnächst ein paar japanische Gerichte beibringen. Ich konnte mich noch an Vieles aus meiner Zeit in Japan erinnern. Ich hätte ihnen problemlos ein paar fantasievolle Rezepte verraten können. In solche Gedanken war ich versunken, als der Koch schnellen Schrittes auf mich zukam.​
»Ehrwürdige Hexe, hier ist jemand, der dich gern sprechen möchte.«​
»Dann bitte diesen Jemand, im Gästezimmer auf mich zu warten. In drei Minuten bin ich fertig mit dem Essen.«​
Wer aus dem Dorf mochte es diesmal sein, fragte ich mich, als ich eintrat. Vor mir stand ein Mädchen, dem zwei Hörner aus dem Kopf wuchsen. Sie sah aus wie eine Mittelschülerin, vielleicht dreizehn Jahre alt. Ihre Kleidung erinnerte ein wenig an den Lolita-Fashion-Stil. Man erkannte allerdings klar, dass es ihre Alltagskleidung und kein Cosplay war, so gut stand es ihr. Wer war das? Ich hatte noch nie eine Dorfbewohnerin mit Hörnern gesehen. Um nicht zu sagen: Mit ihren Hörnern konnte sie sowieso kein normaler Mensch sein.​
»Ich möchte mich wegen des gestrigen Vorfalls entschuldigen.«​
Als sich unsere Blicke trafen, verbeugte sich das Mädchen höflich.​
»Wieso gestern ... ? Wir begegnen uns das erste Mal, oder ... ?« Einen Menschen mit Hörnern hätte ich so schnell nicht vergessen.​
»Ach, du erkennst mich nicht, weil ich eine andere Gestalt angenommen habe.«​
Andere Gestalt? Ich konnte mich nicht erinnern, einen Kranich oder eine Jizo-Statue gerettet zu haben wie in einem japanischen Märchen.​
»Ich bin Laika, der Drache von gestern.«​
»Waaaaaaas? Und überhaupt du bist weiblich!«​
Wenn ich es mir recht überlegte, klang der Name Laika tatsächlich eher weiblich.​
»Viele von uns aus dem Drachenvolk besitzen eine Menge Mana und können dadurch Menschengestalt annehmen. Ansonsten würde es auch jedes Mal eine Panik geben, wenn wir in ein menschliches Dorf gehen«, erklärte das Drachenmädchen. Ja, das konnte ich mir schon vorstellen, dass es einen Riesenaufruhr geben würde, wenn ein Drache ins Dorf kam. Selbst wenn man alle Bewohner zusammentrommeln würde, bestünde nicht die leiseste Chance, gegen ein so gigantisches Wesen zu gewinnen.​
»Aber vom Alter her bist du kein junges Mädchen mehr, oder?«​
So wie sie gesprochen hatte, klang sie nicht gerade wie eine Dreizehnjährige.​
»Ich wurde vor etwa 300 Jahren geboren.«​
»Dann sind wir in etwa ein Jahrgang.«​
Das klang bei 300 Jahren zwar ein wenig seltsam, entsprach aber den Tatsachen, also gut.​
»Und ... Ich möchte, dass du das hier annimmst.«​
Laika legte einen großen Stoffbeutel auf den Tisch. Für ein junges Mädchen sah er zu schwer zum Tragen aus, aber für einen Drachen war das sicherlich kein Problem.​
»Was ist das?«​
Die Antwort erhielt ich sofort, als ich einen Blick hineinwarf:​
Goldmünzen.​
»Das soll für die Reparaturkosten sein, richtig?«​
»Richtig. Ich hab das Gold geholt, das ich bisher angespart hatte.«​
Ganz schön viel hatte der Drache da zusammengetragen.​
»Danke. Das sollte ausreichen, um den Schaden zu reparieren.«​
Ich war erleichtert, denn es schien wirklich genug zu sein, um den ursprünglichen Zustand des Häuschens wiederherstellen zu lassen. Aber Laika schien noch etwas sagen zu wollen, denn sie druckste verlegen herum. Sie hatte doch nicht etwa eine kranke Tochter zu Hause, deren Leben sie nur mit diesem Gold retten konnte, oder so etwas in der Art? He, ich war kein Teufel, sollte es solche Umstände geben, würde ich natürlich Rücksicht darauf nehmen!​
»Ich ... Ich hätte da noch eine Bitte ..«​
»Was denn? Fragen kostet nichts, also nur zu.«​
»Könntest du mich ... als deinen Lehrling aufnehmen?«​
Ich sah sie perplex an.​
»Lehrling? Soll das heißen, ich wäre deine Lehrmeisterin?«​
»Ja. Durch den Kampf gegen dich hab ich schmerzlich erfahren, dass ich noch sehr unreif bin. Es war überheblich, mich für die Stärkste der Provinz Nanterre zu halten, weshalb ich diese Arroganz ablegen und noch einmal ganz von vorn anfangen will.«​
»Das ist eine wunderbare Einstellung, aber willst du wirklich als ... L. .. Lehrling ... ? «​
So eine Idee war mir in 300 Jahren noch nie gekommen.​
»Weißt du was? Ich werde dir jetzt etwas sagen, weil es nicht gut ist, das geheim zu halten. Ich hab diese Kräfte nicht durch spezielles Training erworben. Ich hab einfach nur Lange Jahre hinweg Schleim in meiner Nachbarschaft getötet. Mit der Zeit haben sich so enorm viele Erfahrungspunkte angesammelt und da stehe ich nun.«​
Ich besaß gar keine Kenntnisse, die ich ihr weitergeben könnte.​
»Aber das ist genau das, woran ich mir ein Beispiel nehmen möchte: dieses bescheidene, kontinuierliche Bemühen! Ich habe meine Drachenkraft überschätzt, wurde arrogant und habe es versäumt, an meinen Fähigkeiten zu feilen. Daher musste ich diese erbärmliche Niederlage einstecken!«​
Dieses Drachenmädchen war gewissenhafter als erwartet.​
»Aber was soll ich dir denn beibringen?«​
Wenn ich ihr keine Techniken vermitteln konnte, hatte es auch keinen Sinn, sie als Lehrling aufzunehmen.​
»Ich wäre dankbar, wenn ich bei dir einziehen, meinen Unterhalt verdienen und dabei von deinem Alltag lernen könnte.«​
Eine Mitbewohnerin also. Ehrlich gesagt bereitete mir der Vorschlag Kopfzerbrechen. Mit jemandem zusammenzuwohnen war etwas ganz anderes, als allein vor sich hin zu leben, und könnte Stress verursachen. Außerdem hatte ich 300 Jahre lang allein gelebt, da fühlte es sich komisch an, plötzlich mit jemandem das Haus zu teilen ... Aber Moment mal.​
»Du hast gesagt, du wolltest dir deinen Unterhalt verdienen, oder?«​
»Ja.«​
»Heißt das, du würdest auch kochen und putzen? Nicht, dass ich vorhätte, dir alle Hausarbeit aufzudrücken ...«​
»Natürlich würde ich das tun. Ich kann doch nicht verlangen, dass du für mich kochst, putzt, und mich noch dazu als Lehrling aufnimmst.«​
Ich kam ins Wanken. Wenn das so war ... Nach 300 Jahren war mir das Alleinleben offen gestanden auch schon ein bisschen langweilig geworden. Es war mittlerweile so etwas wie eine Tradition. Es gab keinen Menschen in Japan, der 300 Jahre lang allein gelebt hatte. Über das Alleinleben hatte ich durchaus eine eigene Meinung. Aber ich könnte die Tradition auch beenden, warum nicht?​
»Einverstanden. Ich werde dich als mein Lehrling aufnehmen.«​
»Oh, vielen Dank!«​
Jaika senkte höflich ihren Kopf. Zwei niedliche Hörner zeigten in meine Richtung.​
Nach 300 Jahren Hexentum hatte ich schließlich einen Lehrling.​


 
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Edward Teach

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Das Leben mit einem Lehrling

Für so ein Zusammenleben mussten zuerst noch ein paar Verbesserungen vorgenommen werden.​
»Hör zu Laika, es genügt nicht, mein Haus nur zu reparieren.​
Wir müssen darüber nachdenken, es zu vergrößern.«​
»Was meinst du damit, große Hexe?«​
Von dieser Anrede wollte ich sie später noch abbringen, aber erst einmal musste ich mich um die anstehende Angelegenheit kümmern.​
»Du willst doch hier einziehen. Dann wird es zu eng, deswegen würde ich gerne noch ein Zimmer dazu bauen.«​
»Verstehe. Da ist was dran.«​
Ich wusste, dass hier früher ein Ehepaar gewohnt hatte, und für sie mochte es in Ordnung gewesen sein, aber bei einer etwas distanzierteren Beziehung wie die zwischen einem Meister und seinem Lehrling, täte es sicherlich beiden gut, etwas mehr Platz zu haben. Ich dachte auch, für einen Lehrling sei es psychologisch gesehen belastend, wenn ständig eine höhergestellte Person in direkter Nähe war. Wenn ich mit meinem Vorgesetzten in einem Haus leben müsste, hätte ich wahrscheinlich täglich einen Magendurchbruch.​
»Ich werde so lange im Dorf übernachten, bis das Upgrade des Hauses fertig ist. Du solltest auch im Gasthof unterkommen.«​
»Wie wäre es, wenn ich den Bau übernehme?«​
Das war eine überraschende Antwort. War sie etwa Schreinerin?​
»Den Bau? Du bist doch keine lizenzierte Architektin, oder?«​
»Ach, wenn ich Baumaterial wie Holz und Steine habe, muss ich das ja nur zusammensetzen. Das geht schon. Überlass das mir.«​
Laika schlug sich gegen die Brust, um zu demonstrieren, dass das alles kein Problem für sie sei. Eigentlich wirkte sie nicht so, als wenn sie Häuser bauen könne, schließlich war sie ein Drache, der lediglich Menschengestalt angenommen hatte, aber wenn sie sich ihrer Sache so sicher war, wollte ich ihr die Aufgabe überlassen.​
»Was das Holz angeht, kannst du die Bäume aus dem Waldstück nehmen, in dem ich meine Kräuter sammele. Da habe ich nämlich das Nutzungsrecht erworben. Die Entwürfe und das Design überlasse ich dir.«​
»Vielen Dank! Ich werde etwas bauen, was dir gefallen wird, große Hexe!«​
»Ach, ich komme vielleicht doch mit.«​
Letztlich war ich mir doch nicht so sicher, ob die Wertvorstellungen eines Drachen einfach auf die eines Menschen übertragbar waren. Und ich hatte mich immerhin in 300 Jahren an einiges gewöhnt. Außerhalb des Dorfes nahm Laika wieder ihre Drachengestalt an.​
»Fliegen fällt mir leichter, ich werde mich also so fortbewegen. Außerdem bin ich dann auch kräftiger.«​
Vor mir stand tatsächlich der Drache, gegen den ich gekämpft hatte. Wir waren zwar außerhalb des Dorfes, aber man konnte uns mit Sicherheit von dort aus sehen. Ich war den Dorfbewohnern wohl später eine Erklärung schuldig.​
»Bitte steig auf meinen Rücken, große Hexe. Ich fliege jetzt direkt in den Wald.«​
Sei doch so gut und nenn mich nicht „große Hexe.“​
Da Laika bei mir in die Lehre ging, bedeutete das, dass sie selbst ein Hexenlehrling war. Wir waren also beide Hexen. Für eine alltägliche Anrede gab es bestimmt etwas Passenderes.​
»Ruf mich einfach bei meinem Namen, Azusa. Schließlich werden wir zusammenwohnen.«​
»Dann werde ich dich Meisterin Azusa nennen.«​
Gut, mit diesem Titel konnte ich leben. Schließlich würde ich tatsächlich ihre Lehrmeisterin sein. Ich schwang mich auf Laikas Rücken. Man saß da durchaus nicht ungemütlich. Zumindest schien keine Gefahr zu bestehen herunterzufallen.​
»Ich werde jetzt starten. Sag mir bitte, in welcher Richtung das Waldstück liegt.«​
Das klang wie in einem Taxi.​


Die Laika in Drachengestalt flog in ziemlich schnellem Tempo und wir erreichten den Wald im Nu. Zu Fuß brauchte man wegen der Höhenunterschiede mehr Zeit, aber in Luftlinie war es nicht weit. Das war von oben aus gut zu erkennen. Nachdem wir im Wald angekommen waren, brach sie einen Baum nach dem anderen ab. Einen Drachen kostete es offenbar kaum Kraft, einen großen Baum umzureißen. Aber was musste ich dann für ungeheure Angriffskraft haben, wenn ich diesen Drachen besiegt hatte?​
»Ich sag es schon mal gleich: Die abgebrochenen Baumstämme einfach stapeln und als Haus verkaufen gilt nicht. Du musst dafür sorgen, dass keine Zugluft durch die Ritzen kommt.«​
»I... Ich mach das jetzt nur, weil ich keine Säge zur Hand habe, um daraus Bauholz zu machen. Nachher fertige ich richtige Bretter.«​
Laika machte ihre Worte gleich wahr. Sie flog in eine Stadt und kehrte nach einer Weile mit verschiedenen Werkzeugen zurück.​
»Ich war in einer Stadt, hab mir ein paar Gebäude angeguckt und mir gemerkt, wie man die baut. Ich glaube, ich werde ein gutes Haus zustande bringen.«​
»Kann man sich Gebäude durch Angucken merken?«​
»Drachen sind eine Gattung mit einem guten Gedächtnis.«​
Laika machte sich sofort daran, das gefällte Holz zu verarbeiten. Das tat sie wieder in Menschengestalt, da sie meinte, als Drache wäre sie zu groß und würde sich verschätzen. Sie war sagenhaft schnell. Bei Sonnenuntergang hatte sie bereits begonnen, einen Teil des Hauses zusammenzusetzen.​
Einer der Gründe war, dass sie mit ihrer Drachenkraft das Baumaterial transportieren konnte, als wäre es federleicht. Klar, wenn man in Japan ein Haus bauen müsste und ein Holzpfeiler würde nur ein paar hundert Gramm wiegen, würde es auch schneller gehen. Wenn man so groß wie ein Drache war, war der Bau eines menschlichen Hauses nur wenig mehr als Bauklötze zu stapeln. Sie benutzte so wenig Nägel wie möglich und arbeitete mit einer Bauweise, bei der die Einzelteile ineinander gesteckt wurden. Es war eine Technik, die auch japanische Baumeister bei Schreinen anwandten. Ich vermute, dass diese Methode nicht nur für Tempel und Schreine passend war, also war es keinesfalls verwunderlich, dass ein Wesen aus einer anderen Welt diese auch benutzte. Aber auch wenn sie unheimlich schnell war, konnte die Arbeit nicht schon am ersten Tag beendet werden und der Himmel wurde schließlich dunkel.​
»Lass uns für heute aufhören. Gehen wir zurück ins Dorf. Ich kümmere mich um ein Zimmer für dich.«​
Ich klatschte in die Hände und signalisierte, dass Schluss für heute war. Ich musste schließlich auch noch im Dorf Bescheid sagen, dass ich einen Drachen als Lehrling aufgenommen hatte.​
»Nein, Meisterin Azusa, ich bin nicht müde und kann weitermachen.«​
Diese Worte stießen mir unangenehm auf.​
»Drachen sehen auch gut im Dunkeln. Wenn ich die ganze Nacht durcharbeite, kann ich morgen fertig sein.«​
Oh nein, das klang gar nicht gut.​
»Auf keinen Fall! Das lasse ich nicht zu!« rief ich laut. Laika erschrak und hielt in ihrer Arbeit inne.​
»Oh. Habe ich dich mit irgendetwas verärgert, Meisterin Azusa?«​
»Laika, du hast eben gesagt, du könntest die ganze Nacht durcharbeiten. Genau das ist verkehrt. Richtig verkehrt!«​
»Ich ... wollte doch nur zeigen, wie ich mich bemühe ..«​
»Sich zu bemühen ist nicht immer gut!«​
Ich erinnerte mich an meine Zeit als Firmensklavin. Wenn ich mich heute zusammenreiße und Überstunden mache, schaffe ich es, Wenn ich heute die Nacht durcharbeite, kann ich verlorene Zeit aufholen. Mit solchen und ähnlichen Gedanken hatte ich oft Dinge durchgeprügelt. Das Ergebnis war, dass ich schließlich einen Arbeitsplan hatte, der mir permanent Unmögliches abverlangte. Der Rest war bekannt. Am Ende war ich schließlich an Überarbeitung gestorben. Das war, um es kurz zu sagen, deshalb passiert, weil ich mir zu viel Mühe gegeben hatte. Deswegen wollte ich mir keine übertriebene Mühe mehr geben. Wenn man bis zum Sonnenuntergang gearbeitet hatte, konnte der liegengebliebene Teil bis zum nächsten Tag warten.​
»Sieh mal, es wird schon dunkel. Damit will uns die Welt sagen, dass der heutige Tag abgeschlossen ist. Übrigens bin ich nicht stark geworden, weil ich mich übernommen habe. Ich hab immer mein moderates Tempo beibehalten.«​
»Verstanden. Ich tue, was du sagst, Meisterin.«​
»Gut. Das ist gut.«​
Ich lächelte freundlich. Es ging nicht an, dass eine Vorgesetzte nicht in der Lage war, die Arbeitsmenge ihrer Untergebenen zu steuern.​
»Ab jetzt musst du mir immer sagen, wenn du erschöpft bist, oder glaubst, nicht mehr zu können. Keine falsche Scheu, bitte.«​
»Du bist so freundlich einem Lehrling gegenüber, dass mir das Herz weh tut.«​
Wenn das jetzt nicht ein bisschen übertrieben war. Bis zum Dorf ließ ich Laika als Drache fliegen, aber kurz vor dem Ziel wies ich sie an, Menschengestalt anzunehmen. Wenn sie als Drache ins Dorf gebrettert wäre, hätte sie gegen Häuser stoßen können. Eine verwunderte Menschenmenge strömte herbei, um herauszufinden, was vor sich ging. Das passte mir ganz gut.​
»Liebe Dorfbewohner. Ab heute ist der Drache Laika mein Lehrling. Es tut mir leid, wenn sie euch mal zur last fallen sollte, aber sie ist ein aufmerksames, nettes Mädchen, also seid bitte gut zu ihr.«​
Laika senkte artig den Kopf zu meinen Worten.​
»Falls Laika Ärger machen sollte, wendet euch an mich, ihre Lehrmeisterin. Ich werde sie mir dann zur Brust nehmen.«​
Die Dorfbewohner sahen noch immer beunruhigt aus. Kein Wunder, wenn man bedachte, dass direkt vor ihrer Nase ein Drache stand. Der Käsemeister Naban meldete sich.​
»Ähm, ehrenwerte Hexe ... Ein Drache ist doch sehr stark, nicht wahr? Könnte sie nicht plötzlich wild werden ... wenn sie mal zu viel getrunken hat oder so?«​
»Das Risiko trifft auch auf mich oder starke Abenteurer zu. Aber als ihre Lehrmeisterin werde ich natürlich herausfinden, ob sie ausfallend wird, wenn sie betrunken ist.«​
Hm, die Szene erinnerte mich an etwas. Es war so, wie wenn man einen neuen, jungen Mitarbeiter zu einer Partnerfirma mitnahm und ihn vorstellte. Man musste Verständnis für die Partnerfirma zeigen und gleichzeitig seinen jungen Untergebenen in Schutz nehmen. Kurz darauf erschien der Bürgermeister. Ich wiederholte noch einmal, was ich eben gesagt hatte.​
»Und jetzt sprich einmal selbst zu den Dorfbewohnern, Laika.«​
Laika sah ein wenig angespannt aus, nickte aber leicht. Ich ließ sie in eigenen Worten erklären, warum sie sich entschlossen hatte, bei mir in die Lehre zu gehen.​
»Ich bin Laika, der Drache, und ich bin der Lehrling der Hexe der Hochebene, Meisterin Azusa! Ich freue mich, euch kennenzulernen! Selbstverständlich werde ich mich im Dorf nur in Menschengestalt bewegen«, schloss sie, und angesichts ihres vorbildlichen Benehmens wurden auch die Gesichtszüge des Bürgermeisters weich.​
»Einverstanden. Der Drache Laika darf in unserem Dorfleben. Die Anwesenheit eines Drachens könnte uns auch helfen, üble Menschen abzuschrecken und von unserem Dorf fernzuhalten.«​
Nun hatten wir auch die Einwilligung des Bürgermeisters.​
»Stimmt. Und wenn die ehrwürdige Hexe aufpasst, gibt es bestimmt keine Probleme.«​
»Außerdem wirkt sie viel braver und klüger als unsere Tochter.«​
»Wir wären ganz schön undankbar, wenn wir den Lehrling unserer ehrwürdigen Hexe ablehnen würden.«​
Auch die Dorfbewohner zeigten sich einverstanden. Wie es schien, hatte Laika das Bürgerrecht erworben. Wir beschlossen, dass Laika an dem Abend zusammen mit mir im Gästesaal für Ehrengäste übernachten sollte. Da wir bis zum Abendessen noch Zeit hatten, machten wir es uns im Zimmer gemütlich. Um ihr zu beweisen, dass ich ihr vertraute, verriet ich Laika meinen derzeitigen Status. Laika zeigte sich beeindruckter über die Anzahl der Zauber als über die Zahlenwerte.​
»Dass du so viele Zauber anwenden kannst, beweist, dass du eine legendäre Hexe bist, Meisterin Azusa.«​
»Findest du?«​
Zum Abendessen ging ich in mein Stammlokal Zum schlauen Adler. Laika nahm ich natürlich mit.​
»Ich möchte dir für vorhin danken, Meisterin Azusa.«​
»Wie? Ach, du meinst, dass ich dich im Dorf vorgestellt habe?«​
»Ich bin ein Drache und habe bisher immer alle mit meiner zur Schau gestellten Stärke zur Unterwerfung gezwungen. Dass ich auf andere Weise als durch meine Stärke akzeptiert wurde, war ... sozusagen eine kostbare Erfahrung ... also, ich habe mich einfach gefreut.«​
Aha. Mir wurde bewusst, dass sich meine Aufgabe nicht nur auf die Ausbildung eines Neulings beschränkte, sondern dass ich einen Drachen unterweisen musste, sich ans Menschenleben zu gewöhnen.​
»Das ist doch schon mal die richtige Richtung. Mach weiter so.«​
»Ja! Ich danke dir für deine Unterstützung!«​
Laika schien den Umgang mit Messer und Gabel gewöhnt zu sein. Ich vermutete, dass sie sich schon früher öfter in Menschengestalt in Städten aufgehalten hatte.​
»Kann es sein, dass du auch schon lange in Menschengestalt gelebt hast?«​
»Ja, auch wenn ich nicht in einer Stadt gewohnt habe. Es gab kaum Ärger, weil es nur wenige Menschen gibt, die durchschauen, dass sich ein Drache als Mensch ausgeben kann.«​
Stimmt. In einer Fantasiewelt gab es schließlich Mischwesen aus Mensch und Tier, da konnte man eine Kleinigkeit wie ihre Hörner bestimmt problemlos vertuschen. In Flatta lebten zwar keine Tiermenschen, aber manchmal stiegen welche auf ihrer Durchreise im Dorf ab.​
»So. Das Dorf hat dich zum Glück akzeptiert. Lass uns morgen weiterbauen und zusehen, dass das Haus schön wird.«​
»Ja! Ich verspreche, gute Arbeit zu liefern!«​
Am nächsten Morgen kehrte Laika unverzüglich zur Baustelle zurück, um weiter an dem Anbau zu arbeiten. Ich begleitete sie, um die Bauarbeiten zu beaufsichtigen.​
»Bislang gibt es keine Probleme und ich komme gut voran.«​
»Ja, sieht ganz so aus.«​
Sie war unheimlich schnell, es war kaum zu glauben, dass Häuser wirklich in dem Tempo gebaut werden konnten. Das war bestimmt ihrer Drachenkraft zu verdanken.​
»Sag mal, wie hoch ist eigentlich dein Status?«​
Da ich sie besiegt hatte, musste ich natürlich einen höheren Status haben, aber mich würde interessieren, wie groß der Unterschied zwischen uns war. Nur so aus Neugier.​
»Ich weiß es nicht genau, weil ich ihn noch nie gemessen habe, aber man sagt seit etwa 100 Jahren über mich, ich sei der stärkste Drachen von Nanterre.«​
Das war eine ziemlich lange Zeit, um den höchsten Rang zu halten. Die Provinz Nanterre umfasste übrigens die Gegend um diese Hochebene herum und wirkte insgesamt ein wenig wie die Schweiz. Es gab viele Berge, weshalb es nicht verwunderlich war, dass hier Drachen lebten. Ich war übrigens noch nie in der Schweiz. Ich rede nur so daher, weil ich es mir so vorstelle.​
»Wenn du schon hier bist, wäre es doch ganz gut, wenn du dich auch als Abenteurerin in der Gilde registrieren lassen würdest. Ach, aber ich brauche deine Zahlenwerte nicht, um ein Training für dich aufzubauen, also überlasse ich die Entscheidung dir.«​
»Hm, der Status wäre vielleicht ein Indikator, aber er bringt mir eigentlich nichts, weil ich selbst zufrieden sein muss mit meinen Fähigkeiten.«​
Laika schien sich nicht besonders für den Status und für Zahlen zu interessieren. Wahrscheinlich, weil sie ein Drache war. Das allein genügte schließlich, um die meisten Menschen vor Ehrfurcht in die Knie zu zwingen. Umgekehrt konnte man bei Menschen erst durch den Status die tatsächliche Stärke ersehen. Ich vermute, Menschen brauchten den Status, um ihre eigenen Fähigkeiten objektiv einschätzen zu können.​
Noch bevor es Mittag wurde konnte man schon erkennen, wie das Haus im fertigen Zustand aussehen würde. Das alte Gebäude würde wiederhergestellt werden und dazu einen Anbau im Blockhausstil bekommen. Es erinnerte an ein Ferienhaus in Karuizawa und passte optisch gut in die Landschaft der Hochebene.​
»Für einen Backsteinbau oder für bunte Glasfenster hätten wir spezielle Handwerker gebraucht, daher hab ich mich für einen Holzbau entschieden.« »Ja, das ist in Ordnung. Mach weiter so. Aber wir sollten langsam Mittagspause machen. Lass uns ins Dorf essen gehen.«​
»Nein, wenn ich noch ein bisschen weitermache, komme ich an einen guten Punkt und ...«​
»Hast du vergessen, was ich dir gestern gesagt habe, Laika? Wenn es Zeit für eine Pause war, musste man Pause machen.«​
Und man durfte Überarbeitung nicht zur Tugend machen. So lange ich existierte, würde ich keine miesen Arbeitsbedingungen zulassen.​
»Aber ich möchte gar nicht besonders viel arbeiten ... Nur wenn ich jetzt so mittendrin in einem Arbeitsschritt aufhöre, würde mich das stören ...«​
»Dann komm innerhalb der nächsten zehn Minuten zu einem guten Abschluss.«​
»Verstanden!«​
Ja, auf die Work-Life-Balance kam es an. Ich fühlte mich wie die Leiterin einer Personalabteilung.​
Zu Mittag aßen wir im Dorf so etwas wie Pasta und ich achtete darauf, dass Laika viel Flüssigkeit zu sich nahm. Nach langer körperlicher Arbeit war es wichtig, die Wasserreserven aufzufüllen. Übrigens gab es in Flatta reichlich Grundwasser, also war die Wasserversorgung hervorragend. Nach dem Essen schlenderte ich mit Laika durchs Dorf. Der Spaziergang hatte einen Grund: Ich wollte, dass sich die Leute so schnell wie möglich an Laika gewöhnten. Ich überlegte auch kurz, sie bei der Gelegenheit bei der Gilde registrieren zu lassen, aber da mir der Besuch auch wie Arbeitszeit vorkam entschied ich, dies auf später zu verschieben. Die Zaubersteine konnte schließlich auch ich umtauschen gehen. Dann begannen die nachmittäglichen Bauarbeiten. Wir hatten große Fortschritte gemacht und es sah so aus, als ob wir den Endspurt erreicht hätten. Die Seiten waren fertig, nun musste das Holzdach aufgesetzt werden. Zum Schluss trugen wir die Stühle und Tische hinein, die wir aus dem übriggebliebenen Holz gezimmert hatten. Hierbei hatte auch ich geholfen und festgestellt, dass sich das Holz einfach sägen ließ und ich davon nicht angestrengt war. Ich schien tatsächlich ein hohes Level zu haben. Am Abend war das neue Haus auf der Hochebene ohne störende Zwischenfälle fertiggestellt.​
»Ja, wunderbar!«​
Ich sah mir das Haus an und nickte zufrieden. Das Zimmer, das zuvor teilweise zerstört worden war, diente nun als Verbindung und führte zu dem neuen Blockhaus-Anbau mit dem spitzen Dach. Und das Blockhaus hatte eine eigene Tür, sodass man auch von dort eintreten konnte. Das Dach des Anbaus war hoch und es gab auch ein oberes Stockwerk mit weiteren Zimmern. In der unteren Etage gab es einen Gemeinschaftsraum und drei einzelne Zimmer, sodass die Privatsphäre meines Lehrlings gesichert war. Es wäre sogar möglich, noch weitere Lehrlinge aufzunehmen. Nicht, dass ich das im Moment auch nur im Geringsten vorgehabt hätte ...​
»Das hast du super gemacht, Laika.«​
»Es freut mich sehr, dass es dir gefällt, Meisterin Azusa.«​
Laika schien auch zufrieden zu sein. Da sie äußerlich ein Mädchen im Mittelschulalter war, sah sie dabei sehr niedlich aus.​
»Dann müssen wir wohl noch mal ins Dorf und Bescheid sagen, dass das Haus fertig ist. Vielleicht halten sie den Gästesaal immer noch für uns bereit.«​
»Ich bin dir dankbar, dass du dich so sehr darum bemühst, mich ins Dorf zu integrieren«, sagte Laika zum wiederholten Mal.​
Sie schien ein gut erzogenes Mädchen zu sein.​
»Ich hab gesagt, dass ich deine Lehrmeisterin sein werde, also nehme ich nur die Aufgaben einer Meisterin wahr. Ich mache nichts Besonderes.«​
Es war wirklich nichts, womit ich angeben müsste. Es war selbstverständlich, sich um seinen Lehrling zu kümmern. Ich wollte nicht, dass Laika unnötig gemieden wurde, nur weil sie ein Drache war. Wo sie doch sogar wie ein Mensch aussah.​
»Lass uns heute so richtig den Bauch vollschlagen. Ach, übrigens. kommen Drachen eigentlich mit menschlichem Essen klar?«​
Bisher hatte sie zwar wie selbstverständlich das Gleiche wie ich gegessen, aber nun wunderte ich mich.​
»Ja. Wenn sie Menschengestalt angenommen haben, können sie auch das essen, was Menschen essen.«​
Ich musste mir also keine Gedanken machen.​
»Wenn ich mich als Mensch satt esse, reichen die Nährstoffe auch aus, um als Drache zu überleben.«​
Diese Fähigkeit klang allerdings ein bisschen nach Schummeln ... Da ich nicht genug Bewegung bekommen würde, wenn wir immer flogen, liefen wir diesmal ins Dorf. Auf dem Weg begegneten uns wieder Schleime, die wir kurzerhand aus dem Weg räumten. Laika schnippte sie mit der Hand weg, als würde sie Staub weg wedeln. Das reichte, um einen Schleim zu vernichten. Klar, es war ja auch ein Drachenangriff.​
»Wenn ich darüber nachdenke, habe ich bisher noch keinen Schleim erlegt. In den Bergen, in denen ich lebte, gab es keine.«​
»Es sind ja auch Monster mit niedrigem Level.«​
»Kommt mir wie Zeitverschwendung vor, gegen sie zu kämpfen. Wobei ich noch nicht mal das Gefühl habe, zu kämpfen.«​
»Ja, nicht wahr? Aber es ist wichtig, damit weiterzumachen.«​
Es gibt doch auch das Sprichwort:​
»Im Weitermachen liegt die Kraft.«​
Ich sprach bewusst wie eine Lehrmeisterin. Eigentlich konnte ich ihr auch nur solche Sprüche bieten, denn in Sachen Kampftechniken hatte ich ihr nichts beizubringen.​
»Es stimmt. Hätten wir Drachen auch immer Schleim getötet, könnten wir vielleicht jetzt noch stärker sein. Ich kann viel von deinem Leben lernen, Meisterin Azusa.«​
»Gut. Bleib einfach gelassen und mach weiter so.«​
[/JUSTIFY]Vielleicht lag es daran, dass wir den Schleimen bewusst entgegengetreten waren, jedenfalls brauchten wir fünf Minuten länger als üblich bis zum Dorf. Als wir am Dorfeingang standen, blickte Laika auffällig oft zum Himmel oder umgekehrt auf den Boden. Sie ließ ihre Blicke wandern, als käme sie zum ersten Mal ins Dorf.
»Stört dich irgendetwas?«
»Ehrlich gesagt ja«, antwortete Laika.
»Ich bin jemand, den so was wahnsinnig stört, also red bitte nicht um den heißen Brei herum, sondern sag mir gleich, was los ist.«
»Dieses Dorf ist extrem schwach, was Zauberabwehr betrifft.
Nur eine einzelne böse Magierin könnte das Dorf im Handumdrehen in ein Flammenmeer verwandeln.«
»Na, du musst ja nicht unbedingt vom schlimmsten Fall ausgehen, oder?«
»Das ist noch nicht alles. Auch gegen Bodenangriffe ist es nicht vorbereitet. Wenn ein großes, Amok laufendes Monster angerast käme, könnte es völlig problemlos hier rein rennen, und selbst bei einem Angriff durch Menschen würde das Dorf sofort unterworfen werden.«
Wahrscheinlich lag es daran, dass sie ein Drache war, aber mir schien, Laika betrachtete die Dinge sehr stark aus einer kämpferischen Perspektive. Der Grund ist vermutlich, dass das Dorf immer friedlich war. Aber es gibt keine Garantie, dass es auch in Zukunft so bleibt.
»M... Machst du dir da nicht zu viele Gedanken?«
Ich hatte 300 Jahre hier gelebt, aber da dieses Dorf kein strategisch wichtiger Stützpunkt war, glaubte ich nicht, dass es selbst im Falle von Kämpfen in den Fokus geraten würde. »Aber es ist noch nicht lange bekannt, dass du die Stärkste bist, Meisterin Azusa. Nur mal als Hypothese: Es ist nicht ausgeschlossen, dass ganz miese Typen auftauchen und das Dorf als Geisel nehmen, um dich zu besiegen.«
Daraufhin errötete Laika ein bisschen und hüstelte.
»Selbstverständlich hatte ich nicht so etwas Niederträchtiges im Sinn und habe offen und ehrlich gegen dich gekämpft«, fügte sie hinzu, um zu betonen, dass sie anders war.
»Ja. Du hast dich in dem Punkt korrekt verhalten.«
»Aber man weiß eben nicht, ob das in Zukunft so weitergehen wird. Schließlich hat es das Gerücht über die mächtige Hexe bis zu mir in die Berge geschafft, und die sind zwei Tage Fußmarsch eines Menschen von hier entfernt.«
»Das ist wahr.«
Ich musste auf jeden Fall vermeiden, dass das Dorf meinetwegen Schaden erlitt. Das durfte ich auf keinen Fall zulassen.
»Sollen wir dann direkt ins Dorf ziehen? Aber eigentlich hab ich keine Lust, jetzt, wo das neue Haus gerade fertig geworden ist...«
Außerdem war ich kein Sicherheitsdienst wie SEOOM, der 24 Stunden Überwachung garantierte.
»Ich denke, es ist möglich, Gegenmaßnahmen zu ergreifen.«
»Wie denn?«
Es war zwar peinlich, meinen Lehrling zu fragen, aber immerhin wusste ich noch nicht mal seit einem Monat, wie stark ich war. Wenn das ein neuer Job wäre, wäre ich noch in der Ausbildung, also kein Wunder.
»Wir werden mit einem Zauber einen Bannkreis bilden.«
»Ist das möglich? Bei meinen Zaubern ist nichts in der Art aufgelistet.«
Die Zauber, die mir zur Verfügung standen, waren folgende: „Teleportation“, „Levitation“, „Feuer“, „Tornado“, „Begutachten von Items“, „Erdbeben“, „Schnee und Eis“, „Blitz“, „Bewusstseinskontrolle“, „Zauber lösen“, „Entgiftung“, „Zauber spiegeln“, „Mana aufsaugen“, „Sprachen verstehen“, „Verwandlung“, „Zauber erschaffen“.
Da war nichts, das mit einem Bannkreis zu tun hatte ... oder?
»Es war doch von Zauber erschaffen die Rede, nicht wahr?
Damit werden wir einen selbstgemachten Bannkreis herzaubern.«
Selbstgemacht! War das möglich? Das klang ja wie DIY. In den heutigen Zeiten bastelte man also schon die Zauber selbst. »Ob man so einfach einen neuen Zauber herstellen kann?
Ganz schön vielseitig, diese Fähigkeit.«
»Natürlich geht das normalerweise nicht. Aber du musst bedenken, dass Zauber erschaffen an sich ein extrem hochwertiger Zauber ist.«
Das war dann wohl dem Level 99 zu verdanken.
»Einen Zauber zu erschaffen, den es bisher noch nie gegeben hat, ist unheimlich schwierig, aber ich denke, es ist möglich, einen Bannkreis um eine Stadt herum aufzubauen. Wir sollten es gleich morgen ausprobieren.«
Dank meines Lehrlings wusste ich nun etwas, auf das ich selbst nie gekommen wäre. Offensichtlich war es goldrichtig gewesen, sie in die Lehre zu nehmen. Wir aßen im Zum schlauen Adler zu Abend und kehrten in unser neues Haus zurück.[/JUSTIFY]
Am folgenden Tag wanderten Laika und ich zu einem Hügel, von dem aus man auf das Dorf blicken konnte. Ich sagte zwar „wandern“, aber die Anhöhe war ganz in der Nähe unseres Hauses. Man konnte sie sogar vom Hügel aus sehen.​
»Von hier aus können wir wahrscheinlich alle Himmelsrichtungen abdecken.«​
Daraufhin verwandelte sich Laika wieder in einen Drachen und begann mit ihren scharfen Krallen auf dem Boden zu scharren. Für solche Dinge war es sehr nützlich, ein großer Drache zu sein.​
»Du gräbst den Boden um? Willst du etwa ein Feld anlegen?«​
»Nein, ich zeichne einen magischen Kreis. Ein Zauber mit langer Wirkungszeit funktioniert sicherer mit einem magischen Kreis.«​
»Ach ja. Verstehe.«​
Ich hatte zwar erst vor einem Monat mit dem Zaubern begonnen, aber da ich schon früher Zauberbücher gelesen hatte, kannte ich mich mit den Grundregeln ganz gut aus. Zauber, deren Wirkung nur vorübergehend waren wie Angriffszauber, funktionierten auch, wenn man es mit den Beschwörungsformeln nicht so genau nahm, manchmal ging es sogar ganz ohne. Einen magischen Kreis brauchte man nicht. Da die Wirkung kurz war, konnte man wohl ein bisschen schludern. Wenn es aber wie im Fall unseres Bannkreises darum ging, die Wirkung lange aufrecht zu erhalten, war es besser, einen magischen Kreis zum Aufsagen des Zauberspruchs zu benutzen. Es stand zwar nicht sicher fest, dass man ohne einen magischen Kreis komplett scheitern würde, aber es konnte sein, dass die „Wirkung“, die ein halbes Jahr anhalten sollte, schon nach drei Tagen nachließ. Da ich nicht damit gerechnet hatte, verschiedene Zauber anzuwenden, wusste ich die Details eines magischen Kreises nicht mehr auswendig, aber ich vermutete, Laika machte es richtig, indem sie ein Sechseck zeichnete, das typisch für Abwehrzauber war.​
»Mensch, ich wusste gar nicht, dass sich Drachen auch mit Zaubern auskennen.«​
»Wenn man schon 300 Jahre lebt, ist es doch zu schade, immer nur herumzuhängen. Deswegen habe ich, um mich weiterzuentwickeln, Zauber studiert, auch wenn ich sie wahrscheinlich nie benutzen werde.«​
»He, du Angeberin!«​
In 300 Jahren hatte ich nie darüber nachgedacht, mich weiterzuentwickeln. Wahrscheinlich war das die Trotzreaktion auf mein Dasein als krankhaftes Arbeitstier, jedenfalls erschien es mir einfach wichtiger, das Leben ruhig angehen zu lassen. Damals, als Firmensklavin, war mein Kopf so sehr mit Arbeit ausgefüllt gewesen, dass ich es gar nicht schaffte, zu entspannen. Wenn ich das gekonnt hätte, hätte ich nicht an Überarbeitung sterben müssen.​
»Aber wenn ich jetzt darüber nachdenke, hätte ich die Zeit lieber dazu nutzen sollen, regelmäßig Monster wie Schleime zu töten. Irgendwie hab ich mich auf meinen Lorbeeren ausgeruht und es versäumt, Erfahrungen zu Sammeln.«​
»Ich kann schon verstehen, dass man keine Lust mehr hat zu kämpfen, wenn man eine gewisse Stärke erreicht hat.«​
Das dürfte ebenfalls auf menschliche Abenteurer zutreffen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ein Abenteurer mit Level 50 gegen belanglose Schleime kämpft. Er würde sich wahrscheinlich nur große Fische heraussuchen wie etwa einen Drachen.​
Allerdings kam es nicht gerade oft zu einem solchen Kampf der Giganten. Vielleicht höchstens einmal im Jahr wie ein besonderes Fest. Das hatte zur Folge, dass das Level bei einem bestimmten Punkt stagnierte. Außerdem war bei einem normalen Menschen die Zeitspanne, in der er körperlich fit war, begrenzt, und die Kraft ließ mit zunehmendem Alter nach. In meinem Fall aber waren mir Aussehen und Körperkraft einer Siebzehnjährigen die ganze Zeit über erhalten geblieben und ich hatte routinemäßig Schleime getötet, und diese Ansammlung hatte dann zu diesen sagenhaften Werten geführt.​
»So, der magische Kreis ist fertig.«​
Einen derart riesigen magischen Kreis brachte wirklich nur ein Drache fertig.​
»Muss ich mich jetzt in die Mitte stellen und einen Zauberspruch aufsagen?«​
Abgesehen von einigen Ausnahmen müsste es eigentlich funktionieren.​
»Ja, ich denke so wird es gehen. Denk dir bitte einen super coolen Zauberspruch aus, der zu dir passt!«​
Da verlangte mein Lehrling aber viel von mir. Ich hatte mit Laika zuvor besprochen, was für einen Bannkreis wir wollten. Es war ein ziemlich hochgradiger, aber mit Level 99 sollte er zu schaffen sein.​
»Ihr, die ihr ein böses Herz habt, sollt in diesem Netz gefangen und eurer Freiheit beraubt werden. Das Netz möge sich auf euch stürzen, als hätte es einen eigenen Willen. Haaaaah!«​
Ich. fühlte, wie aus meinem ganzen Körper Kraft zusammenströmte und überfloss. Goldenes Licht flog in Richtung Dorf, hüllte es ein und erlosch.​
»Hat es geklappt?«​
»Ja. Deine geballten Wünsche sind in Richtung Dorf geflogen, also ist es in Ordnung.«​
Da mein Lehrling überzeugt schien, ging ich davon aus, dass es funktioniert hatte. Übrigens hatte mein Bannkreis folgende Wirkungen: Zunächst einmal war das Dorf in einen magischen Bannkreis eingehüllt. So konnten Angriffszauber, die von weit her angeflogen kamen, abgewehrt werden. Das war die normale Funktion eines Bannkreises. Er hatte aber noch einen weiteren Effekt, der mein Original war. Wenn jemand Bösartiges ins Dorf kam, würde der Bannkreis diesen Menschen aufspüren, ihn mit einem unsichtbaren Netz einfangen und bewegungsunfähig machen. Diese Art Zauber, mit der man böswillige Menschen fing, konnten Tempelpriester anwenden, und ich hatte diesen in meinen Zauber integriert.​
»Ganz ehrlich, ich glaube, das hat es so gut wie noch nie gegeben, dass in einen magischen Bannkreis mehrere Effekte eingeschlossen wurden. Das hat nur geklappt, weil du Zauber erschaffen kannst und zusätzlich eine Hexe von höchstem Rang bist.«​
So viel Lob machte mich ein wenig verlegen.​
»Na ja, wenn ich schon mal stark geworden bin, sollte ich es für etwas Gutes nutzen, finde ich.«​
In den 300 Jahren, die ich gemütlich vor mich hin gelebt hatte, hatte ich mich immer um das Dorf gekümmert. Der Grund war einfach, es handelte sich um mein Zuhause. Ich wohnte zwar in der Hochebene, lebte aber so wie eine Bewohnerin des nahegelegenen Dorfs, und die Leute aus dem Dorf empfanden genauso. Ohne das Dorf Flatta könnte ich nicht mutterseelenallein in meinem Häuschen hier oben wohnen. Flatta war wie die Stadt mit dem nächstgelegenen Bahnhof für mich.​
Natürlich wollte ich mich für den Ort, in dem ich lebte, nützlich machen. Aus diesem Grund hatte ich auch immer Medizin hergestellt und kranke Dorfbewohner behandelt. Das war für mich in diesen 300 Jahren der Sinn des Lebens gewesen und hatte meinem Dasein einen Wert gegeben. Der Bannkreis passte zu meiner bisherigen Einstellung, deshalb hatte ich ihn sofort in die Tat umgesetzt. Ich freute mich, das Dorf beschützen zu können. Außerdem hatte es nun auch einen Sinn gehabt, aus Versehen Level 99 erreicht zu haben. Auch wenn ich ein wenig Sorge hatte, dass andere Dörfer und Städte aus allen Ecken und Enden der Welt auf die Idee kommen könnten, mich zu bitten, auch ihnen zu helfen ...​
»Gut. Wollen wir dann ins Dorf gehen und dem Bürgermeister Bescheid sagen?«​
»Ja. Steig auf meinen Rücken.« »Nein, ich werde laufen.«​
Ich. hatte gestern so viel gegessen, dass mir ein wenig Bewegung guttun würde. Als wir dem Bürgermeister Bericht erstatteten, brach er vor Freud.e in Tränen aus. Ihm liefen wörtlich die Tränen im Sturzbach herunter, dass ich mich fast sorgte, er wurde dehydrieren.​
»Oh, ich freue mich! Du sorgst dich wirklich um unser Dorf Flatta, ehrenwerte Hexe!«​
»Nun, es scheint sich herumgesprochen zu haben, wie stark ich bin, also ist das auch als Gegenmaßnahme gedacht. Man kann nie wissen, ob jemand, der sich auf seine Stärke etwas einbildet, auf dumme Gedanken kommt und dem Dorf etwas antut.«​
Selbst wenn ich in Zukunft wieder eine Herausforderung annehmen und den Kampf gewinnen sollte wie im Fall von Laika, bestünde das Risiko, dass mein Gegner sich an dem Dorf zu rächen versuchte. Und es war eine Tatsache, dass der Bekanntheitsgrad des Dorfes Flatta durch mich gestiegen war. Das hatte zur Folge, dass auch die Wahrscheinlichkeit unerwünschter Besuche stieg.​
»Aber nein! Seit 500 Jahren gab es bei uns immer wieder Debatten über die zu schwachen Schutzmaßnahmen. Und nun ist das Problem gelöst!«​
Wenn es so lange ein Diskussionspunkt gewesen war, warum, um alles in der Welt, hatten sie bisher nichts unternommen? Aber so war es oft mit solchen Sachen. Man tat erst etwas, wenn man eine schmerzliche Erfahrung gemacht hatte. Davor gab es immer Streit wegen der Kosten. Keiner wollte Geld für etwas ausgeben, das vielleicht gar nicht nötig war.​
»Wir sollten eine Bronzestatue von dir errichten, ehrwürdige Hexe! Ich bin sicher, alle Bewohner werden einverstanden sein!«​
»Nein, bloß nicht. Bitte!«​
Jemand mit starkem Geltungsbedürfnis hätte sich sicher darüber gefreut, aber ich schreckte vor dem Gedanken zurück. Da das Thema Bannkreis abgeschlossen war, kehrten wir zu unserem neuen Haus zurück. Das einzig Schwierige an so einem Sicherheitssystem war, dass man nicht wusste, ob es funktionierte, solange es friedlich war. So wie man keinen Arzt brauchte, solange man gesund war. Um einem guten Arzt zu begegnen, musste man sich erst einmal verletzen oder krank werden. Ehrlich gesagt war es mir am liebsten, wenn überhaupt nichts passieren würde und wir seine Wirkung nie feststellen könnten.​
Die Arbeit für heute war getan, aber es gab noch eine Sache, die ich herausfinden wollte. Und das waren Laikas Kochkünste. Da wir zusammenleben wollten, mussten wir Hausarbeit wie Kochen und Putzen unter uns aufteilen. Im Grunde genommen wäre es mir sogar lieber gewesen, wenn mein Lehrling den Großteil übernehmen würde. Allerdings lief man Gefahr, sich als Mensch den Charakter zu verderben, wenn man alles seinem Lehrling aufdrückte,​
also hatte ich schon vor, meinen Anteil zu leisten. Mein Ziel war Hälfte Hälfte. Sollte sich allerdings Laikas Essen als unerträglich schlecht erweisen, würde ich diese Regelung noch einmal überdenken. Deshalb hatte ich heute vor, ihr Essen zu testen.​
»Kochen Drachen überhaupt?«​
In meiner Vorstellung verschlangen Drachen alles roh.​
»Ja. Wir sind schließlich keine Barbaren. Drachen sind ein edles Volk. Selbstverständlich kochen wir unser Essen.«​
Laika warf sich stolz in die Brust.​
»Ich habe eine Reihe von Lebensmitteln eingekauft. Koch uns doch etwas daraus.«​
»Verstanden. Ich werde mein Bestes geben!«​
Laika ging hoch motiviert in die Küche. In dieser Welt gab es übrigens so etwas, das wie eine metallene Gasflasche aussah und mit Feuerzauber gefüllt war, womit man das Feuer im Haushalt regulieren konnte. Es war allerdings ein Luxusartikel, der nur von Reichen benutzt wurde. Leute, die das Geld einsparen wollten, schlugen Steine aneinander, die ordentlich Funken versprühten und entzündeten trockenes Stroh, um sich ein Feuer zu machen. Wer den Feuerzauber beherrschte, benutzte den. Seitdem ich wusste, dass der Feuerzauber zu meinen Fähigkeiten zählte, machte auch ich das so. Da der Feuerzauber vielseitig einsetzbar war, war er auch einer der ersten Zauber, die ein Magier zu erlernen versuchte. Laika stieß einen leichten Feueratem aus, wie als wem sie flüsterte. Sie konnte also auch in Mädchengestalt mit Flammen hantieren.​
»Das Feuer ist in Ordnung. Bisher keine Probleme. Ganz ruhig, ganz ruhig ... Du bist ein Drache ... So eine Kleinigkeit wirft dich nicht aus der Bahn ...«​
Sie schien recht nervös zu sein. Ob wirklich alles in Ordnung war? Im Übrigen hörte ich nur ihre Stimme. Ich hatte mir vorgenommen, ihr nicht beim Kochen zuzugucken. Es könnte sie nervös machen, wenn ich ihr die ganze Zeit neugierig über die Schulter schaute, und der Überraschungseffekt beim Servieren wäre für mich auch weg gewesen. Es vergingen etwa 30 Minuten, dann erklang eine fröhliche Stimme:​
»Fertig!«​
Nun, dann wollte ich mal sehen, was sie gekocht hatte. Auf dem ersten Teller lag ein Riesenberg Salat. Es gab Heilkräuter, die nicht sehr bitter waren und die man roh oder gekocht essen konnte. Davon hatte sie mehrere Sorten verarbeitet. Aber was meine Augen besonders fesselte, war ein gigantisches Omelett, das auf einem anderen Teller thronte. Ich vermutete, dass sie zehn Eier dafür verwendet hatte.​
»Ich mag zwar Omeletts, aber das hier scheint mir ein bisschen zu viel Kalorien zu haben.«​
»Das ist mein absolutes Meisterwerk. Hier, bitte!«​
Nun, die Menge war zweitrangig. In erster Linie ging es um den Geschmack. Ich nahm einen ersten Bissen.​
»Oh ... Das ist lecker!«​
Es war vorzüglich luftig und zugleich cremig geraten!​
»Und die Füllung besteht aus gebratenen Zwiebeln und Karotten. Aha.«​
Das war recht klassisch. Aber bei der Menge könnte mir der Geschmack irgendwann langweilig werden ... Huch? Da kam ein anderer Geschmack!​
»0h! An der Seite ist Käse drin!«​
»Genau. In das Omelett sind ganz verschiedene Zutaten eingearbeitet. So macht es Spaß, die Geschmäcker unter dem Ei zu erkunden.«​
»Wie hast du dieses Riesenomelett nur zustande gebracht?«​
»Als ich die Goldmünzen holen gegangen bin, hab ich auch meine Küchengeräte und Sonstiges mitgebracht.«​
Sie hatte also damals schon fest vorgehabt, als Lehrling bei mir einzuziehen ... Gut, diesen Enthusiasmus wollte ich ihr positiv anrechnen. Laika hatte es offensichtlich faustdick hinter den Ohre.​
Das Riesenomelett bot insgesamt vier verschiedene Geschmacksrichtungen. Es erinnerte mich an die riesigen ReisbälIchen in Japan, in die an mehreren Stellen verschiedene Zutaten eingearbeitet waren.​
»Ganz ehrlich, das war wunderbar. Ich habe bisher zwar erst Salat und Omelett von dir gegessen, aber ich erkenne an, dass du das Kochen beherrschst.«​
»Vielen Dank! Ich werde auch weiterhin mein Bestes geben!« Laika schien sich über das Lob zu freuen. Ich fand es auch schön, dass es etwas gab, das ich bei meinem Lehrling auf ganz natürliche Weise loben konnte. Es war eine Win-Win-Situation.​
»Es waren nur ein bisschen viele Eier ... Vielleicht achtest du das nächste Mal noch etwas mehr auf die Balance.«​
»Das tut mir leid. Wenn ich selbst koche, brechen einfach die Werte eines Drachens bei mir durch ...«​
»Sagtest du nicht, dein Appetit würde auch auf menschliches Niveau sinken, wenn du diese Mädchengestalt annimmst?«​
Mir war nicht aufgefallen, dass sie im Gasthaus besonders viel gegessen hatte.​
»Mir reichen kleinere Mengen als wenn ich ein Drache bin, aber die Menge im Gasthaus war doch unbefriedigend ... Es fühlte sich an wie eine Diätportion.«​
Auch ein Omelett dieser Größe musste für einen Drachen also eine energiesparende Sache sein.​
»Ab dem nächsten Mal brauchst du dich nicht zurückzuhalten und kannst mehr bestellen.«​
Ich selbst fühlte Sodbrennen aufkommen und nahm ein Verdauungsmittel. Da es ausschließlich aus Kräutern bestand, konnte ich problemlos so viel nehmen wie ich wollte. Plötzlich hatte ich eine Art Vorahnung.​
»Was ist das ... ? Mir ist, als sei im Dorf gerade etwas vorgefallen.«​
»Ob es daran liegt, dass der Bannkreis auf etwas reagiert hat?«​
Da konnte tatsächlich ein Zusammenhang bestehen, schließlich hatten wir den Bannkreis erst heute erschaffen. Und ich hatte in den vergangenen 300 Jahren noch nie etwas Vergleichbares gespürt. Wir mussten los und uns vergewissern.​
»Laika, wir gehen ins Dorf.«​
»Alles klar!«​


Ich flog auf Laikas Rücken, die wieder zum Drachen geworden war, durch den nächtlichen Himmel. Wie immer nahm sie am Ortseingang ihre Mädchengestalt an. Gemeinsam betraten wir das Dorf. Man konnte schon von Weitem erkennen, dass Leute ein Wachfeuer entfacht hatten. Es musste demnach etwas vorgefallen sein.​
»Entschuldigung. Was ist denn los?«​
»Oh, die ehrenwerte Hexe und ihr Lehrling!«​
»Wie gut, dass ihr sofort gekommen seid!«​
Während solche und ähnliche Rufe umherschwirrten, erklärte uns der anwesende Bürgermeister die Lage. Wobei ich mir schon in etwa denken konnte, was los war, da ein gefesselter Mann auf dem Boden lag.​
»Ein Mann, der heute Nacht ins Dorf gekommen ist, konnte sich plötzlich nicht mehr bewegen. Wir haben Nachforschungen angestellt und herausgefunden, dass es sich um einen Dieb handelt, der in letzter Zeit in dieser Provinz sein Unwesen getrieben hat und nach dem gefahndet wird. Er war in einer nahen Stadt auf Raubzug und ist danach zu uns gekommen.«​
»Das heißt, der Bannkreis hat gewirkt.«​
»Ja. Das haben wir dir zu verdanken, ehrenwerte Hexe!«​
Aha. Die Kraft, die sich gegen das Böse wenden sollte, reagierte also selbst auf einen Dieb.​
»Ich wollte schauen, ob ich etwas mitgehen lassen kann und hab die Hintertür eines Gasthauses untersucht ... Da konnte ich mich plötzlich nicht mehr bewegen ... Was, zum Teufel, ist das hier überhaupt?«​
Der Täter legte freiwillig ein Geständnis ab:​
»Ich wollte das Gasthaus ausrauben und noch in dieser Nacht verschwinden. So ein Mist ...«​
Das war eindeutig eine üble Absicht, und darauf hatte der Bankreis reagiert.​
»Wunderbar, Meisterin Azusa. Es hat sofort funktioniert!« Laika freute sich auch.​
»Stimmt. Der Bannkreis hat dem Dorf genützt.«​
Aber es war nicht richtig, dass nur ich die Lorbeeren für diesen Vorfall einstrich. Hier war Fairness angesagt.​
»Liebe Bewohner von Flatta, dieser Bannkreis war die Idee meines Lehrlings Laika. Bitte lobt auch sie!«​
Ich klopfte Laika leicht auf den Rücken. Die Dorfbewohner, die mit Lob nicht geizig waren, wandten ihre Blicke Laika zu.​
»Ich wusste, dass der Lehrling unserer ehrenwerten Hexe anders als die anderen ist.«​
»Wenn wir einen Drachen mit einem guten Herzen an unserer Seite haben, kann uns nichts passieren!«​
»In unserem Dorf lässt es sich immer besser leben!«​
Gut so, dachte ich, lobt meinen Lehrling, denn ich bin auch stolz auf sie.​
»Bitte ... nein ... also den Bannkreis hat Meisterin Azusa gezaubert. Ich hab nichts Besonderes ..«​
Laika schien die Situation peinlich zu sein, aber wenn sie mein Lehrling sein wollte, musste sie sich daran gewöhnen.​
»Das ist ein komisches Gefühl ...«​
»Aber unangenehm ist es nicht, oder?«​
Mein Erziehungsmotto lautete „Fördere Entwicklung durch Loben“. Denn in meiner Zeit als Firmensklavin hatte mich niemand gelobt. Ich wurde im Gegenteil immer heruntergemacht, sodass sich jede Menge Frustration in mir angesammelt hatte. Ich war nur ganze fünf Jahre Firmensklavin gewesen, aber selbst nach 300 Jahren Hexentum war die Erinnerung an diese Zeit noch immer sehr lebendig. Grundsätzlich freute sich jeder über Lob. Erziehung konnte wohl nicht ausschließlich aus Lob bestehen, aber ich fand, wenn es etwas zu loben gab, sollte man es ausgiebig tun. Wenn dadurch jemand motiviert werden konnte, was das doch eine prima Sache. Fürs Erste hatten wir festgestellt, dass das Dorf keinen Schaden genommen hatte, und darüber war ich sehr froh. Vor Erleichterung entschlüpfte mir ein Gähnen.​
»Wir werden uns dann mal verabschieden. Gute Nacht.«​
»Ähm, ihr könnt gerne auch offiziell sagen, dass das Dorf von einem Drachen bewacht wird. Auch ich werde dieses Dorf, das Meisterin Azusa so sehr liebt, beschützen ... Also, auf Wiedersehen.«​
Laika und ich kehrten ins Haus in der Hochebene zurück.​
»Ich glaube, es ist besser, den Bannkreis morgen zu erneuern, weil er einmal aktiv geworden ist, Meisterin Azusa.«​
»Hm. Das ist aber ein bisschen lästig ...«​
Seit dem Ereignis sprach sich herum, dass das Dorf Flatta von einem mächtigen Bannkreis beschützt wurde, den eine Hexe erschaffen hatte. Ich hatte dazu beigetragen, den Frieden des Dorfes zu bewahren und das empfand ich als große Ehre.​
Da das Thema Bannkreis nun abgeschlossen war, widmete ich mich fortan mir großem Ernst meinen Aufgaben als Laikas Lehrmeisterin. Aber es gab eigentlich wirklich nichts, das ich ihr beibringen konnte. Zusammen mit Laika in Mädchengestalt schlenderte ich über die Hochebene. Wenn Schleime auftauchten, erlegte ich sie. Die Zaubersteine sammelte ich umgehend auf. Das war alles. Meine Bewegungen waren allerdings schnell. Kaum dass ein Schleim in unser Blickfeld geriet, waren meine Hände schon in Bewegung. Blitzschnell stieß ich mit einem Finger zu. Das genügte, um einen Schleim zu töten und ihn erlöschen zu lassen. Den Zauberstein, der daraufhin entstand, steckte ich in meinen Beutel.​
»Unglaublich! Das war so schnell, dass meine Augen nicht folgen konnten!«​
»Na, immerhin habe ich 300 Jahre lang Schleim getötet.«​
Wenn es darum ging, war ich fraglos erste Klasse. Ob das ein Grund zum Angeben war, war allerdings zweifelhaft.​
»Wenn du kontinuierlich Schleime erlegst, reagiert dein Körper irgendwann von selbst und du erwischst sie automatisch. Ich vermute, dann wird sich dein Level immer weiter steigern.«​
»Verstanden. Ich werde mich bemühen, irgendwann einmal so weit wie du zu kommen, Meisterin Azusa«, sagte Laika, entdeckte einen Schleim und schnippte ihn mit einer schnellen Handbewegung weg. Da auch Laika über beträchtliche Angriffskraft verfügte, reichte eine leichte Bewegung mit einem Arm oder einem Bein, um einen Schleim zu besiegen.​
»Wie viele Schleime hast du eigentlich in etwa pro Tag getötet, Meisterin Azusa?«​
»Na ja ... so etwa 25. Aber bei mir kam noch der Effekt hinzu, dass Erfahrungspunkte vermehrt wurden, also waren es praktisch 5o?«​
Nun, es konnte nicht sein, dass ich nur ganz knapp bei Level 99 war (schließlich vermehrte sich die Gesamtsumme der Erfahrungspunkte auch nachdem ich Level 99 erreicht hatte), also musste es eigentlich eine genauere Zahl geben, aber ich hatte keine Ahnung, wie hoch diese war.​
»Auch 50 am Tag erscheint mir überraschend leicht zu schaffen. Und ich hatte gedacht, du hättest viel zermürbendere Anstrengungen auf dich genommen ..«​
Es war tatsächlich keine großartige Anstrengung gewesen.​
»Aber überlege mal. Wenn es unheimlich mühevoll gewesen wäre, hätte ich das nicht 300 Jahre lang durchhalten können. Der Sinn liegt darin, eine Sache, die jeder machen könnte, so lange Zeit fortzusetzen, wie es sonst niemand tut.«​
Damit sagte ich quasi, dass das, was ich getan hatte, sinnvoll gewesen war, und das war ein bisschen peinlich.​
»Verstehe! Oh, das sind große Worte, Meisterin Azusa! So tiefsinnig!«​
Nachdem sich Laika so beeindruckt zeigte, fühlte ich mich erst recht unwohl. Aber vielleicht steckte ja doch eine Wahrheit in dem, was ich getan hatte. Dazu sollte ich als Lehrmeisterin wohl noch ein paar Worte sagen.​
»Hör zu, Laika, du hast von zermürbender Anstrengung gesprochen. Ich möchte, dass du diesen Gedanken fallen lässt.«​
»Was? Warum?«​
Ich weiß nicht, ob meine Worte widersprüchlich klangen, jedenfalls sah mich Laika verblüfft an.​
»Weil zermürbende Anstrengung immer voraussetzt, dass man mit Zuschauern rechnet. Als du diesen Ausdruck benutzt hast, warst du bestimmt zumindest ein bisschen stolz darauf.«​
»J ... Jetzt, wo du es sagst ..«​
Wenn man sich hart bemühte oder sich mit strengem Training aufrieb, entstand irgendwann das Gefühl, dadurch zu jemand Bedeutendem zu werden. Bis zu einem gewissen Grad war das unvermeidlich. Ehrlich gesagt hatte auch ich mir in meiner Zeit als Firmensklavin einzureden versucht, ich sei großartig, weil ich so viel arbeitete. Unbewusst fühlte ich mich auch als etwas Besseres als faule oder arbeitslose Leute. Aber das war ein großer Fehler.​
»Weißt du was, Laika? Wenn jemand etwas tut, weil er von anderen für großartig gehalten werden will, und das Umfeld tut es aber nicht, ist das für ihn unerträglich, oder er verliert jegliche Motivation. Ich bin 300 Jahre lang an meiner Sache drangeblieben, weil ich überhaupt keine Würdigung dafür erwartet habe.«​
»Welch tiefsinnige, kostbare Worte ...!«​
Laika hörte mir mit tiefem Ernst zu.​
»Etwas zu tun, weil man es mag und tun will, ist die viel bessere Voraussetzung, um eine Sache durchzuhalten. Verstehst du das?«​
»Ich bin wirklich froh, dich als meine Lehrmeisterin ausgesucht zu haben. Mir ist es wie Schuppen von den Augen gefallen! Wer stark werden will, sollte sich von dem Wunsch verabschieden, dass andere gut von einem denken, nicht wahr? Wer sich selbst weiterentwickeln will, muss sich zuerst einmal mit sich selbst auseinandersetzen ... Wie erhellend! Was für eine tiefsinnige Lehre!«​
Etwas so Grandioses hatte ich meines Wissens nicht gesagt. Aber es war schön, dass sie beeindruckt war. Ich hoffte nur, dass sie später nicht enttäuscht sein würde. An jenem Tag erlegte Laika etwa 64 Schleime, bevor sie ihr Training beendete.​
»Schleime werden sich garantiert nicht rächen, also sieh zu, dass du sie weiterhin erwischst.«​
Später sollte ich diese Worte bereuen. Wieso musste ich mit solchen lässig hingeworfenen Kommentaren immer wieder Unheil heraufbeschwören ... ?​
Azusa Aizawa​
Hauptfigur. Allgemein unter dem Namen »Hexe der Hochebene« bekannt. Eine junge Frau, die als unsterbliche Hexe mit dem Aussehen einer Siebzehnjährigen wiedergeboren wurde. Da sie im vorherigen irdischen Leben an Überarbeitung starb, ist sie ziemlich empfindlich, was Arbeitsbedingungen betrifft.​
Laika
Ein Drachenmädchen und Lehrling von Azusa, Hexe der Hochebene. Etwa 300 Jahre alt. Früher bildete sie ich etwas auf ihre Stärke ein, doch seit sie gegen Azusa verlor, hat sie sich zum Guten verändert. Sie ist gewissenhaft, ernst und achtet sehr darauf, wie sie auf andere wirkt.​


 
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Die Töchter kommen vorbei

Seit meinem ersten Kontakt mit Laika waren Ruhe und Frieden für ein paar Tage bedroht gewesen, aber die Wogen hatten sich wieder geglättet. Kurzum: Ich hatte mich an das Leben zu zweit gewöhnt. Im Haus war ausreichend Platz, weshalb wir Zeit und Raum für unsere Privatsphäre hatten, und beim Kochen, Putzen und. Einkaufen wechselten wir uns ab, sodass das Leben für mich im Endeffekt sogar leichter wurde.​
Als Meisterin und Lehrling war unsere Beziehung nicht gleichberechtigt, aber für ein Zusammenleben war es ideal. Damals, als ich in Japan lebte, waren Wohngemeinschaften einigermaßen populär. Wenn man Freunde von Freunden mitzählte, kannte auch ich einige Leute, die in solchen WG's lebten. Letzten Endes hörte ich aber häufig, dass das Leben in einer WG schwierig war.​
Zunächst einmal war es anstrengend, mit Menschen zusammenzuleben, die andere Wertvorstellungen hatten. Und es war nicht einfach, die richtige Distanz zu wahren. Ich habe von einem Fall gehört, in dem jemand von seinem Mitbewohner mit Unmengen von Mails und UNE Nachrichten bombardiert wurde, und als ein paar davon ignoriert wurden, war der Mitbewohner völlig ausgerastet und wütend ausgezogen.​
Jemand, dem gesunder Menschenverstand und allgemeine Fairness abgingen, war auch ein Problem. Man kann schwer mit einer Person zusammenwohnen, die ständig ihre Putzdienste schwänzt, obwohl die Arbeit klar eingeteilt ist. Selbst wenn es nicht übermäßig viel Arbeit ist, das Putzen zu übernehmen, ist die psychische Belastung groß, weil man sich ständig ärgert und sich fragt, warum man eigentlich der Dumme ist, der putzt. Da ich solche und viele andere Berichte kannte, dachte ich lange - mindestens 300 Jahre lang - dass es nichts Besseres gäbe als allein zu wohnen. Aber mit einer rücksichtsvollen Mitbewohnerin lässt es sich leben. Das konnte ich nun durch mein Zusammenleben mit Laika sagen.​
Da Laika täglich:​
»Ich kann so viel von dir lernen, Meisterin Azusa«, sagte, schloss ich daraus, dass unser gemeinsames Wohnen auch für sie sinnvoll war.​
Mir war zwar schleierhaft, was ich Laika zu bieten hatte, aber ein herausragender Lehrling schien die Fähigkeit zu besitzen, die guten Seiten seines Meisters zu erkennen. Es gab außerdem noch einen Punkt, der sehr hilfreich war. Ich hatte es zwar nicht persönlich überprüft, aber das Gerücht, die Hexe der Hochebene habe einen Drachen besiegt, schien zumindest im gesamten Gebiet der Provinz Nanterre im Umlauf zu sein. Und die Geschichte, dass eben dieser Drache bei ihr in die Lehre gegangen sei, auch. Ich hatte befürchtet, dass das nur noch mehr Herausforderer auf den Plan rufen würde, aber das Gegenteil war der Fall. Abenteurer, denen bewusst war, dass sie einem Drachen weit unterlegen waren, gaben es von vornherein auf, mich herauszufordern. Deshalb war es mir möglich, ein ruhiges, friedliches Leben zu führen.​
An Tagen, an denen Laika mit dem Putzen dran war, nutzte ich die Zeit, um Zauberbücher zu lesen und herumzufläzen. Ich erinnerte mich sogar an eine Szene aus meinem früheren Leben. Während meine Mutter das Haus putzte, lümmelte ich in meinem Zimmer herum und Las Manga und Zeitschriften. Genau, das war die einzige Zeit zum Faulenzen, bei der selbst eine Firmensklavin wie ich von der Arbeit erlöst wurde: ein Besuch im Elternhaus. Dank meiner Mitbewohnerin erfüllte mich an manchen Tagen dieser Moment höchster Glückseligkeit nun wieder! Da ich die ganze Zeit über allein gelebt hatte, hatte ich dieses angenehme Gefühl schon längst vergessen. Es war einfach großartig. Es lebe die Wohngemeinschaft! Selbstverständlich putzte ich, wenn ich dafür eingetragen war. Da ließ ich nicht plump die Chefin raus hängen. Vielmehr fand ich, dass ich gar nicht das Recht hatte, mich als große Chefin aufzuspielen.​
Und ich wollte, dass auch Laika erfuhr wie es sich anfühlte, wenn man nach Hause kam und die Mutter alles für einen machte. Dafür, dass mein Level 99 aufgeflogen war, lebte ich jedenfalls ziemlich geruhsam vor mich hin. Ich wünschte, dieser Frieden würde ewig anhalten. Aber so etwas durfte ich nicht denken. Ich wollte schließlich kein weiteres Unheil heraufbeschwören ...​
BAMM! BAMM! BAMM! BAMM!
Es klopfte an die Tür. Wer, um alles in der Welt, war das? Es gab nicht viele Menschen, die hierherkamen.​
»Soll ich an die Tür gehen?«​
»Nein, nein, mach du nur weiter mit dem Putzen. Ich gehe schon selbst.«​
Ich schloss das Zauberbuch und trat in den Flur. Als ich die Tür öffnete, stand ein Mädchen mit blauen Haaren vor mir. Ich schätzte, sie war etwa zehn Jahre alt. Leute mit blauen Haaren hatte ich auch in dieser Welt bisher kaum gesehen. Ihr Gesichtsausdruck war fröhlich und sie sah mich mit leuchtenden Augen an. Sie wirkte zumindest nicht wie ein verloren gegangenes Kind.​
»Hallo. Kann ich dir helfen?«​
Meine Züge entspannten sich, da es sich nicht um einen Abenteurer gehandelt hatte, der mich zum Zweikampf herausfordern wollte. Die Hochebene war friedlich, und es konnte durchaus sein, dass Kinder hier spielten.​
»Endlich lerne ich dich kennen. Ich freue mich so!«​
Wie bitte? War ich jetzt auch bei Kindern beliebt?​
»Ich bin so froh dich zu sehen, Mama!«​
Ich wurde zu Stein.​
Also, nur um es klarzustellen: Keiner hatte mich mit einem Zauber zu Stein verwandelt. Ich meinte es bildlich.​
»Mama«?​
Hatte dieses Kind „Mama“ gesagt?​
»Du, hör mal. Ich bin nicht deine Mama. Jemand anderes muss deine Mutter sein.«​
»Hm? Nein, nein. Du bist Falfas Mama. Falfa weiß das genau.«​
Ein Mädchen, das ich noch nie zuvor gesehen hatte, nannte mich Mama. Zum Glück hatte sie mich nicht im Dorf angesprochen. Das hätte todsicher seltsame Gerüchte in Umlauf gebracht. Und die hätten sich verbreitet wie ein Lauffeuer. Dabei ich in den 300 Jahren in dieser Welt keine einzige richtige Liebesbeziehung geführt. Und das hatte einen Grund. Ich war eine unsterbliche Hexe, und wenn ich eine Liebesbeziehung hätte, würde mein Partner allein altern und sterben. Mir setzte es schon zu, wenn Dorfbewohner starben. Würde es sich dabei um einen Geliebten handeln, wäre das allzu schmerzhaft. Deshalb hatte ich darauf geachtet, all dem aus dem Weg zu gehen. Nicht etwa, weil sich keiner für mich interessierte. Wirklich!​
Außerdem waren die einzigen Menschen, zu denen ich Kontakt hatte, die Bewohner aus dem Dorf. Und für die war ich eine Hexe, die bereits da war, als sie geboren wurden, eine Art Schutzgöttin des Dorfes. Für so jemanden empfand man vielleicht Ehrfurcht oder Respekt, aber nicht unbedingt romantische Liebe. So war es gekommen, dass Liebe in meinem Leben keine Rolle gespielt hatte. Und selbstverständlich hatte ich auch keine Kinder.​
»Du heißt also Falfa?«​
»Ja, genau.«​
»Hör mal, Falfa, deine Mama ist die Frau, die dich geboren und aufgezogen hat. Zu anderen Frauen sagt man nicht Mama.«​
Wahrscheinlich war nur ihre Definition des Wortes „Mama“ ein wenig anders als die allgemein gültige.​
»Es stimmt nicht, was du sagst. Du hast mich geboren, Mama.«​
Nun, das war merkwürdig. Alles was recht ist, aber eine Geburt konnte ich nicht vergessen haben.​
»Wer ist denn gekommen, Meisterin Azusa?«​
Offensichtlich war ihr meine Unterhaltung an der Tür zu lang vorgekommen, jedenfalls hatte Laika das Putzen unterbrochen und kam hinzu.​
»Ich bin Falfa. Ich bin gekommen, um meine Mama zu sehen.«​
»Du hast ein Kind, Meisterin?«​
»Nein, habe ich nicht. Die Kleine hat etwas missverstanden.«​
»Falfa hat nichts missverstanden.«​
»Bist du vielleicht ihre Stiefmutter, Meisterin Azusa?«​
Die Sache wurde immer verworrener und brachte mich ganz durcheinander ... Mit einem Abenteurer, der gegen mich kämpfen wollte, hatte ich gerechnet, aber diese Art von Prüfung war brandneu.​
»Ich weiß auch, dass man dich „die Hexe der Hochebene“ nennt. Das hat meine kleine Schwester herausgefunden.«​
»Du hast noch eine kleine Schwester?«​
Ich schien Mutter von mindestens zwei Töchtern zu sein. Was war hier eigentlich los ... ?​
»Meine Schwester will dich töten, deswegen bin ich hierhergekommen, um dich zu warnen.«​
»Was? Sie trachtet mir nach dem Leben?!« Plötzlich befanden wir uns also in einem Thriller.​
»Aber ich möchte nicht, dass du stirbst, Mama. Deswegen bin ich gekommen, um dich zu warnen.«​
Falfas Gesichtsausdruck war hart geworden. Sie wirkte nicht, als wenn sie Witze machte, schien aber auch nicht erwachsen genug, um jemanden auf diese Art reinzulegen.​
»Meisterin Azusa, holen wir sie doch ins Haus und hören uns an, was sie zu sagen hat.«​
Laika hatte recht. Das alles war zu unheimlich, um nicht geklärt zu werden.​
»Ich hab ein paar Kekse für dich, Falfa. Komm rein.«​
»Ja! Falfa mag Kekse!«​
»Dafür musst du uns aber genau erklären, was du eben gesagt hast.«​
»Ja! Ja!«​
Falfa nickte eifrig. Irgendwie erinnerte sie mich ein wenig an mich als Kind ... nein, das war natürlich Quatsch. Wir hatten noch die Kekse da, die ich vor zwei Tagen gebacken hatte, und ich schickte Laika, sie zu holen. Zwischenzeitlich unterhielt ich mich im Wohnzimmer mit dem Mädchen weiter.​
»Wie heißt denn deine Schwester, Falfa?«​
»Shalsha.«​
»Und Shalsha ist auch meine Tochter?«​
»Ja, richtig.«​
Das lief ja fast wie ein Verhör ab. Aber schließlich ging es ganz offensichtlich um mein Leben. Bisher hatte ich Folgendes herausbekommen: Ich hatte auch eine Tochter namens Shalsha und diese wollte mich umbringen. Mit anderen Worten: Ich hatte so gut wie nichts kapiert. Ich musste noch mehr Informationen aus ihr herausholen.​
»Weißt du denn auch, warum Shalsha mich töten will?«​
»Ich glaube, sie nimmt dir etwas übel. Bestimmt, weil du sie getötet hast.«​
Hier stimmte etwas nicht. Meine schöne, ruhige Fantasy Story kippte um in Science Fiction. Ich hatte Töchter, von denen ich nicht wusste, dass ich sie geboren hatte, und eine davon wollte sich an mir rächen, weil ich sie umgebracht hatte. Wie ließ sich diese Ausnahmesituation rational erklären? Da kam Laika mit einem Teller voller Kekse herein. Falfa stieß ein „Hurra, Kekse!“ aus und machte sich sofort über den Teller her.​
»Ich konnte hören, was ihr gesagt habt. Zunächst einmal musst du dich vor dieser Shalsha schützen.«​
»Ja, das hat tatsächlich Priorität.«​
Nur so konnten wir herausfinden, wer der Feind wirklich war.​
»Falfa, weißt du denn, wie Shalsha angreifen wird?«​
»Sie hat sehr lange den Zauber Zerschlagung trainiert.«​
Der Zauber »Zerschlagung« zeigte ungeheure Wirkung, war allerdings begrenzt auf ausgewählte Gattungen. Man konnte mit seiner Hilfe zum Beispiel Angriffe durch Menschen, Orks oder Elfen unwirksam machen und ihnen umgekehrt Schaden zufügen. Wer diesen Zauber erlernte, wurde meistens am Ende ein auf bestimmte Gattungen spezialisierter Attentäter, der Beinamen wie „Zyklopenkiller“ oder „Specter Slayer“ erhielt. Je enger man den Radius des Zaubers begrenzte, desto stärker wurde seine Wirkung, und schwächer, wenn das Feld erweitert wurde. „Zerschlagung von Lebewesen“ etwa zeigte kaum Wirkung. Es gäbe sicher niemanden, der einen solchen Zauber erlernen würde.​
»»Zerschlagung, so so. Es heißt, selbst hochrangige Magier brauchen Jahrzehnte, bis sie ihn einigermaßen beherrschen.«​
Ich wusste, was Laika meinte. Das war auch einer der Gründe, warum man mit dem Zauber ein spezialisierter Attentäter wurde. Man war am Ende nicht mehr flexibel, weil es zu lange gedauert hatte, den Zauber zu erlernen. Wenn das Mädchen also nur so lange gelebt hatte, wie es äußerlich aussah, konnte die Wirkung des Zaubers noch nicht nennenswert sein. Aber da auch Laika und ich 300 Jahre alt waren, war ich in dem Punkt nicht sehr optimistisch.​
»Wie alt ist Shalsha denn?«​
»Hmmm, ungefähr 50 Jahre?«​
Sie schien sich nicht ganz sicher zu sein, da sie den Kopf zur Seite neigte und überlegte. Aber damit hatte ich schon eine gewisse Vorstellung. Meine Gegnerin war auch unsterblich, oder gehörte zumindest in diese Kategorie. Dann bestand durchaus die Gefahr, dass sie gefährliche Fähigkeiten besaß. Aber wie sah der Zauber Zerschlagung gegen mich aus? Zerschlagung von Menschen? Oder Zerschlagung von Unsterblichen?​
»Shalsha ist bestimmt bald hier. Sei vorsichtig, Mama.«​
KLAPPER! KLAPPER! KLAPPER!
Die Fensterscheiben erzitterten. Da draußen war etwas mit einer unheilvollen Aura!​
»Ich sehe mal nach.«​
Ich ging beklommen hinaus. Laika und Falfa folgten mir. Weiter entfernt, am Rande der Hochebene, stand ein Mädchen, das Falfa stark ähnelte. Ihr Haar war allerdings hellgrün und wogte leicht um ihren Kopf.​
»Endlich hab ich dich gefunden, Hexe der Hochebene«, sagte sie mit durchdringender Stimme.​
»Shalsha! Du darfst Mama nichts tun!«​
Falfas Worte belegten eindeutig, dass es sich hier um Shalsha handelte.​
»Sei still, Schwester. Shalsha wird den Mord an sich rächen.«​
Auch sie sprach davon, ermordet worden zu sein.​
»Hör mal zu. Shalsha, nicht wahr? Es kann nicht sein, dass ich dich getötet habe. Was meinst du denn damit?«​
Shalsha schnaubte.​
»Was glaubst du eigentlich, wie viele Schleime du getötet hast?«​
Hä? Wieso ging es jetzt um Schleime?
»Wir Schwestern sind Schleimgeister, die aus den gesammelten Seelen der getöteten Schleime entstanden sind!«​
»Schleimgeister?!«​
Feuergeister oder Wassergeister konnte ich nachvollziehen, aber wohnten denn auch in Schleimen Geister?!​
»Ja. Weil du in dieser Gegend unfassbar viele Schleime getötet hast, haben sich ihre kleinen Seelen in einem solchen Maß angesammelt, dass daraus schließlich Geister entstanden sind, die es noch nie zuvor gab - Schleimgeister! Uns zwei Schwestern!«​
Shalshas Ton war anklagend.​
»Deshalb ist in mir, Shalsha, der Zorn unzähliger Schleime, die du getötet hast, lebendig. Ich bin gekommen, um alles wieder ins Gleichgewicht zu bringen ...«​
Ich hatte gedacht, es sei unmöglich, dass Schleime sich an mir rächen würden, aber ich hatte mich geirrt ... Ich hatte mir sogar mächtigen Ärger eingehandelt.​
»Kämpfe gegen mich. Ich werde dich töten, um die Seelen der ermordeten Schleime zu besänftigen.«​
»Seelen besänftigen? Ich dachte, die Seelen der Schleime hätten sich zusammengetan und deine Gestalt angenommen.«​
War das nicht auch eine Art von Recycling ... ?​
»Sei ruhig! Kein Wort mehr! Los, greif an!«​
Sie sah zwar eher beleidigt aus als wütend, aber sie schien es eindeutig ernst zu meinen.​
»Wie wäre es, wenn du ihr einen Tornado an den Kopf knallst und guckst was passiert, Meisterin Azusa?« schlug Laika vor.​
»Sie ist immerhin ein Geist. Ein Tornado wird sie schon nicht umbringen.​
»Du hast recht. Vielleicht mach ich das ...«​
Ich streckte meine Hand nach vorne und ließ einen Wirbelsturm gegen Shalsha los. Allerdings ...​
»Hinfort mit dir, Wirbelsturm.«​
Auf ihren Befehl hin verschwand der Sturm tatsächlich.​
»Ich hab lange Jahre hart trainiert und mir Zerschlagung der Hexe der Hochebene angeeignet. Daher kann ich nicht gegen dich verlieren.«​
»W... W ... Waaaaas?!«​
Ich verstand. Je enger die Zielobjekte des Zaubers begrenzt waren, desto stärker wirkte er. Dieser Zauber war nur auf mich ausgerichtet, also musste seine Kraft enorm sein. Aber war es denn möglich, sich einen Zauber gegen jemanden anzueignen, den man nie zuvor gesehen hatte?​
»Uns beiden Schleimgeistern war von Anfang an klar, warum wir geboren wurden. Deswegen hat Shalsha recherchiert, wo besonders viele Schleime getötet worden waren und hat dich gefunden. Und dann hat sie Haare von dir aufgesammelt und sonstige Zutaten besorgt, die sie für den Zauber brauchte«, erklärte Falfa.​
Das war im Grunde das gleiche Prinzip wie beim Verfluchen eines Menschen mittels Voodoo. Da stopfte man auch ein Haar des Opfers in eine Puppe ...​
»Ich wollte dich schon früher kennenlernen, aber Shalsha hat gesagt, sie lasse nicht zu, dass ich unsere Todfeindin besuche ... Aber nachdem Shalsha ihren Zauber fertig hatte, dachte ich, ich müsse etwas unternehmen und bin hergekommen.«​
»Du bist so ein liebes Mädchen, Falfa!«​
»Schließlich bist du meine Mama.«​
Es war zwar ein bisschen kompliziert, aber da ich der Grund für ihre Geburt war, konnte man irgendwie schon sagen, dass ich ihre Mama war ... Diese Situation war eindeutig entstanden, weil ich so unheimlich viele Schleime getötet hatte.​
»Hasst du mich eigentlich nicht, Falfa?«​
»Ich bin zwar ein Geist, der aus gesammelten Schleimseelen entstanden ist, aber da ich schon mal geboren wurde, möchte ich mich gut mit dir verstehen, Mama.«​
Beinahe kamen Muttergefühle in mir auf. Was für ein unglaublich liebes Mädchen! Aber im Moment war keine Zeit für so etwas. Shalsha kam ganz langsam Schritt für Schritt auf mich zu.​
»Seltsam. Shalsha wurde zur gleichen Zeit geboren wie du, warum hat sie dann so einen anderen Charakter? Das kann ich, die Hexe der Hochebene, nicht zulassen.«​
Die unheilvolle Aura breitete sich weiter aus.​
»Zerschlagung der Hexe der Hochebene ist ein ausgesprochen spezieller Zauber. Man braucht eine immense Menge Mana dafür. Selbst wenn ich das gesamte Mana von 50 Jahren hineinpacke, hält er nur wenige Stunden. Aber für diesen Tag war es mir das wert.«​
Das war allerdings nicht sehr effizient!​
»Du hättest doch normaler leben können! Jetzt mal wirklich, hast du die ganze Zeit herumhockt und gewartet, ohne dich zu rächen?«​
»Vor 50 Jahren, als Shalsha geboren wurde, warst du bereits eine der mächtigsten Hexen überhaupt. Das erkannte ich an der Schnelligkeit, mit der du Schleime getötet hast. Deswegen hab ich einen ganz speziellen Zauber entwickelt und Mana angesammelt.«​
Sie hatte ihre Leidenschaft eindeutig in die falsche Richtung gelenkt.​
»Wende ruhig jeden Zauber an, der dir einfällt. Ich mach sie alle wirkungslos!«​
Ich schleuderte ihr diesmal Flammen entgegen.​
»Rote Flammen, blaue Flammen, schwarze Flammen! Dient mir als meine Kraft!«​
Feuerrote Flammen loderten auf und stürzten sich erbarmungslos auf Shalsha. Aber sie blieb völlig unverletzt. Das Feuer wurde zurückgestoßen und erreichte ihren Körper nicht.​
»Hast du jetzt verstanden, wie gut die Zerschlagung der Hexe der Hochebene wirkt?«​
Die sonst eher ausdruckslose Shalsha grinste verwegen.​
»Das sieht nicht gut aus ..«​
Wenn all meine Angriffe wirkungslos waren, konnte ich nicht kämpfen. Dann ... musste ich eben abhauen. Wenn es eng wurde, sollte man die Flucht ergreifen. In meinem vorigen Leben war ich an Überarbeitung gestorben, weil es mir nicht gelungen war, vor meinem Alltag als Firmensklavin zu fliehen. Aber jetzt floh ich! Ich beherrschte schließlich den Levitationszauber. Shalsha hatte vorhin gesagt, ihr Zauber würde nur für ein paar Stunden wirken, also würde sich eine Lösung finden, wenn es mir gelang, so lange unterzutauchen!​
Ich erhob mich in die Luft. Aber als ich etwa zehn Meter aufgestiegen war ...​
»Löse dich auf, Zauber.«​
Kaum hatte Shalsha die Worte gemurmelt, fiel ich mit lautem Gepolter auf die Erde. Meine Beine fühlten sich taub an.​
»He, das war gefährlich. Wenn ich keine Hexe mit Level 99 wäre, hätte ich mir etwas brechen können ...«​
»Du entkommst mir nicht. Ich werde dich töten, wie du die Schleime getötet hast.«​
Shalsha kam langsam näher. War das ... etwa mein Ende?​
Selbst mit Level 99 erschien ein Kampf gegen eine lebendige, ultimative Waffe, die darauf spezialisiert war, mich zu vernichten, aussichtslos. Na, immerhin hatte ich ja 300 Jahre gelebt.​
»Falfa, ich bin froh, dich vor meinem Ende noch kennengelernt zu haben.«​
Ich schloss Falfa, die in meiner Nähe stand, in die Arme. Die Tochter umarmen und dann sterben - war das nicht rührend?​
»Sag nicht so was, Mama! Lass uns gemeinsam nach einer Lösung suchen!« rief Falfa.​
Es tat mir leid, aber ich fürchtete, ich konnte nichts tun.​
»Meisterin Azusa! Überlass die Sache mir!«​
Auch Laika war außer sich.​
»Danke. Ich bin stolz, dich als Lehrling gehabt zu haben. Und deine Omeletts waren köstlich.«​
»Es ist alles in Ordnung! Wir können gewinnen!«​
»Lass es ... Es gibt keine Methode, mit der man gegen sie ankommt. Ich will nicht, dass du dich verletzt, Laika!«​
»Sie hat recht. Shalsha ist nur darauf aus, die Hexe der Hochebene zu töten. Ich hab nicht vor, jemand anderem etwas anzutun, also verschwinde am besten schnell.«​
Ich erinnerte mich an einen Horrorfilm, den ich mal gesehen hatte. Da war ein mechanisch wirkender Mörder ganz langsam immer nähergekommen. Genauso wie jetzt ... Aber Shalsha war auffällig langsam. Sie machte keine Anstalten, den Kampf mit einem Schlag zu beenden.​
»Meine Schwester kann nicht besonders schnell rennen«, rief Falfa.​
»Heißt das, wir könnten entkommen, wenn wir einfach weglaufen …?«​
Laika schien meine Worte gehört zu haben. Sie wechselte von ihrer Menschen in ihre Drachengestalt. Und sie richtete sich vor Shalsha auf.​
»Ich lasse dich keinen Schritt weiter!« »Weg da, Drache«, sagte Shalsha kalt.​
»Auf keinen Fall! Ich habe die Pflicht, meine Meisterin zu beschützen!«​
»Hör auf, Laika! Das ist gefährlich!«​
Laika wandte den Kopf leicht zu mir und lächelte.​
»Mach dir keine Sorgen, Meisterin Azusa. Lauf weg, ich bin gleich wieder bei dir.«​
Das ging überhaupt nicht! Das war so ein typischer Spruch, den ein Charakter sagt, bevor er stirbt!​
»Weißt du, meine ältere Schwester heiratet in vier Wochen.​
An dem Fest will ich unbedingt teilnehmen.«​
»Mach es doch nicht noch schlimmer!«​
»Ich werde dich beschützen, Meisterin Azusa! He, Shalsha, nimm das:​
»Dragon Kick!«​
Laika holte aus und versetzte Shalsha einen Tritt. Oh nein ...​
Sie würde einen Gegenangriff kassieren und besiegt werden. Ein Klassiker!​
Aber es gab keinen Gegenangriff.​
»Uh ... Aua ... Das tut weh ...«​
Shalsha lag am Boden. Huch? Das war nun eine ganz andere Situation, als ich erwartet hatte. Laika untersuchte vorsichtig ihre Gegnerin.​
»Meisterin Azusa, sie ist ohnmächtig. Ich hab gewonnen.« »​
Was?! Wie ist das möglich?!«​
Die Klischees waren diesmal also nicht erfüllt worden.​
»Shalsha hat sich so sehr auf den Zauber konzentriert, der Mama besiegen sollte, dass sie gegenüber anderen sehr schwach ist«, erklärte Falfa. Stimmt. Dem Drachen Laika gegenüber hatten Shalshas Zauber nicht gewirkt. Der Kampf war entschieden und ich musste unwillkürlich denken: Meine Güte, Shalsha ... bist du ungeschickt!
Nachdem Laikas Angriff Shalsha mit einem Schlag ohnmächtig niedergestreckt hatte, war meine Krise zunächst einmal überwunden. Da wir sie aber nicht einfach auf dem Boden liegen lassen konnten, legte ich sie in einem der leerstehenden Zimmer ins Bett. Wir hatten nämlich für alle Fälle auch an Gästebetten gedacht.​
Eine Stunde später wachte Shalsha auf.​
»Uh ... Uhhhh, wo bin ich?«​
»Oh, Shalsha ist wach!«​
Falfa lief sofort zu ihr hin.​
»Ach, Schwester ... Oh! Da ist die Hexe der Hochebene!«​
Laika und ich waren auch im Zimmer.​
»Du hast gegen Laika verloren und bist umgekippt, da haben wir dich rein getragen.«​
»Es war ein Fehler von dir, unnötiges Mitleid zu haben. Ich, Shalsha, verfüge über Zerschlagung der Hexe der Hochebene und ... Huch? Ich habe keine Kraft …?«​
»Du hast dein Mana aufgebraucht. Für die nächsten paar Jahrzehnte war's das wohl.«​
Shalsha wurde leichenblass. Schlagartig wurde ihr bewusst, dass ihr Zauber nicht mehr wirkte. Darüber hatten wir uns zuvor bei ihrer Schwester informiert. Wenn sie auch nur noch eine Stunde lang hätte zaubern können, hätte ich ein ziemlich großes Problem gehabt.​
»... Was ... Und wofür habe ich dann bisher gelebt?«​
»Keine Ahnung. Das passiert, wenn man so etwas Trauriges tut, wie nur für die Rache zu leben. Sei lieber froh, dass ich noch lebe.«​
»W... Wie meinst du das?«​
»Wenn ich tot wäre, würdest du erst recht keinen Sinn mehr im Leben sehen. So lange ich lebe, kannst du dir immer zum Ziel setzen, dich an mir zu rächen.«​
Ich fand zwar, das war ein etwas an den Haaren herbeigezogenes Argument, aber Shalsha schien meine Worte ernst zu nehmen.​
»So kann man es auch sehen ...«​
»Nicht wahr?«​
Ich schien sie überzeugt zu haben.​
Shalsha sah auf ihren Arm. Ich hatte ihr einen Kräuterverband angelegt.​
»Mama kennt sich total gut mit Medizin aus!«​
»Du hast dich im Kampf gegen Laika verletzt. Ich denke, diese Medizin wird das Tempo des Heilungsprozesses verdoppeln. Auch wenn ich nicht genau weiß, wie schnell sich Schleimgeister üblicherweise erholen.«​
»Das hast du alles getan, Hexe der Hochebene …?«​
»Die Arbeit einer Hexe besteht schließlich darin, mit Kräutern zu hantieren. Wer verletzt ist, den behandle ich.«​
»A... Aber du hast keinen Vorteil davon, oder?«​
Sie musste aber auch wirklich nach allem fragen.​
»Nun, ich bin doch wohl deine leibliche Mutter. Dann kann ich dich nicht einfach liegenlassen.«​
Ich. würde allerdings ein Kind auch dann nicht liegenlassen, wenn ich nicht seine Mutter wäre. Das tatsächliche Alter ignorieren wir in unserem Fall einfach einmal. Und hier schien es angebracht zu betonen, dass ich ihre Mutter war. Aus irgendeinem Grund füllten sich Shalshas Augen mit Tränen.​
»M... Man könnte schon sagen, dass du unsere Mutter bist. Aber. .. du bist auch die Feindin der Schleime und ...«​
Falfa nahm Shalshas Hände in ihre.​
»Komm schon. Sei nicht so starrsinnig, Shalsha.«​
»Schwester ...«​
»Schleime und Menschen kämpfen nun mal gegeneinander.​
Auch jetzt werden überall auf der Welt Schleime getötet. Selbst wenn Mama beseitigt wäre, würde sich an der Tatsache nichts ändern.«​
Verglichen mit der Gesamtzahl an Schleimen, die weltweit erlegt wurden, war die Zahl meiner Schleime-Opfer sicherlich verschwindend gering ...​
»Lass uns lieber nachdenken, wie wir beide glücklich werden können. Das macht mehr Spaß, oder?«​
Shalsha nickte heftig zu diesen Worten. Falfa wirkte zwar kindlich, benahm sich jetzt aber wie eine ältere Schwester.​
»Sieht so aus, als wäre diese Geschichte abgeschlossen, Meisterin Azusa.«​
Laika, die die ganze Szene mit beobachtet hatte, wirkte erleichtert.​
»Ja, ganz offensichtlich. Aber diesmal habe ich wirklich Blut und Wasser geschwitzt ...«​
»Ach richtig, Meisterin Azusa. Das Omelett, das ich immer zubereite, und meine anderen Gerichte könnten doch durch vier geteilt genau richtig für Leute mit normalem Appetit sein, oder?«​
Damit schlug sie recht direkt vor, uns zu viert an einen Tisch zum Essen zu setzen.​
»Aber wenn wir vierteln, ist das für dich zu wenig, oder?«​
»A... Ach, ich koche einfach noch etwas dazu.«​
Gut, ich würde ihren guten Willen annehmen. Ich ging zu meinen beiden Töchtern.​
»Wir haben noch freie Zimmer, ihr könnt also hier wohnen, wenn ihr wollt. Ach was, ich meine: Kommt, zieht hier ein!«​
Mir war ein Rätsel, wo und wie die beiden bisher gelebt hatten, aber das könnte ich sie später noch fragen.​
»Ja! Falfa möchte bei dir wohnen, Mama!«​
Die Ältere war kein Problem. Wie würde die Jüngere reagieren? Shalsha schien zu zögern, aber dann ...​
»Hexe der Hochebene ...«​
»Nein, so darfst du mich nicht rufen. Es muss etwas sein, das nach Familie klingt.«​
Nach einer Weile wandte Shalsha den Blick von mir ab und sagte:​
»M... Mutter ..«​
Es klang nach pubertärer Trotzphase.​
»Shalsha ... könnte auch ... hier wohnen.«​
»Super, damit ist die Sache beschlossen. Lasst uns heute eine Party feiern!«​
Eine Party war das Beste, um sich besser kennenzulernen und sich anzufreunden. Aber das hier war etwas ganz anderes als die Trinkfeste in meinem früheren Leben, zu denen ich nur ungern gegangen war.​
»Ich werde eine Torte backen.«​
»Hurra! Ich liebe Torten!«​
Falfa war begeistert.​
»Dann werde ich wieder ein Omelett machen.« »​
Hurra, Omeletts liebe ich auch!«​
Falfa war offensichtlich der Typ, der sich schnell über etwas freute. Shalsha hingegen sah mürrisch aus, aber dann sagte sie:​
»Mutter ... ich helfe ... beim Kochen ...«​
Allerdings ohne zu lächeln.​
»Ja, danke. Dann verlass ich mich auf dich.«​
Ehrlich gesagt hatte ich kein schlechtes Gewissen, weil ich Schleime erlegt hatte. Wenn man die Logik auf die Spitze trieb, würde das nämlich heißen, man dürfe absolut überhaupt keine Lebewesen töten. Menschen aßen aber in den meisten Fällen Lebewesen, und wenn man überhaupt kein Leben nehmen wollte, musste man dafür selbst sterben.​
Es war allerdings eine Tatsache, dass diese Mädchen entstanden waren, weil ich Schleime getötet hatte. Deshalb konnte ich vielleicht den verstorbenen Schleimen Frieden schenken, wenn ich die Mutterrolle für die beiden übernahm. Außerdem fand ich ganz einfach, dass die Mädchen eine Mutter brauchten. Sie hatten es zwar offensichtlich geschafft, zu zweit zu überleben, aber es war besser, wenn sie ein Zuhause hatten. Ich hatte rund 300 Jahre in einer anderen Welt ein ruhiges, beschauliches Hexenleben geführt. Und während ich kontinuierlich Schleim getötet hatte, war ich Mutter von Zwillingsmädchen geworden. Wenn man lange lebte, konnte so einiges passieren. Ein ruhiges Leben mit mehreren Familienmitgliedern hatte allerdings auch etwas für sich.​
»Essen denn Schleimgeister ganz normales Essen?«​
»Wir müssen nicht essen, können aber«, sagte Shalsha, während sie noch immer zu Boden blickte.​
So langsam schien die Kommunikation zu funktionieren.​
»Oh ...«​
Laika sah aus, als habe sie eine unangenehme Entdeckung gemacht. Dann sagte sie mit einem entschuldigenden Gesichtsausdruck zu Falfa:​
»Sag mal ... Dürfen wir denn in Zukunft weiter Schleime töten?«​
»Klar! Das gehört auch zum Lauf der Natur!«​
»Macht euch nicht zu viel Gedanken darüber.«​
Da die Schwestern sich einverstanden erklärt hatten, konnte Laikas Training also fortgesetzt werden.​
Danach tischten wir das Essen auf und ich hörte meinen Töchtern zu, was sie zu erzählen hatten. Ich nannte sie zwar Töchter, aber ich wusste fast nichts über sie. Um sie zu verstehen, musste ich ihnen eine Menge Fragen stellen. Erst einmal wollte ich wissen, wo sie gewohnt hatten.​
»In einer Hütte im Wald. Wir sind zusammen im Wald geboren worden, deshalb haben wir uns eine verlassene Hütte gesucht.«​
»Und als wir mal in eine nahe gelegene Stadt gekommen sind, hat uns die Leiterin eines Waisenhauses Geld gegeben. Damit haben wir uns Kleider und Schuhe gekauft.«​
»Wir schienen genug Fähigkeiten zu haben, um uns als Abenteurer durchzuschlagen. Damit haben wir dann Geld verdient.«​
»Wir haben von einer Goldmünze im Monat gelebt.«​
Das war bescheiden, aber solide. Dann wollte ich wissen, was Schleimgeister eigentlich genau waren.​
»Wir können unsere Haare wie Fühler ausstrecken. Außerdem sind meine Haare wegen des Schleimanteils in mir hellgrün.«​
»Ja. Weil wir Geister sind, sind meine Haare blau und Shalshas grün.«​
»Sonst gibt es keine besonderen Merkmale. Offensichtlich werden wir als Geister aber nicht älter.«​
»Das kann gut sein. Dann werdet ihr beide eben so bleiben.«​
Ihre Eigenschaften waren mir nun größtenteils bekannt.​
»Sagt mal, als was habt ihr denn als Abenteurer gearbeitet?«​
Sie sahen nicht gerade stark aus, aber vielleicht hatten sie doch wie vollwertige Abenteurer Monster getötet?​
»Wir haben böse Schleime erlegt.«​
Wie bitte?​
»Weißt du, bei Schleimen gibt es zwei Sorten, gute und böse.«​
Ach, ich hatte nicht gewusst, dass man Schleime so einfach in Gut und Böse unterteilen konnte.​
»Wir haben böse Schleime getötet und für jeweils 200 Gold verkauft.«​
Das war exakt das Leben, das ich führte!​
»Die guten Schleime haben wir natürlich nicht getötet. Für Shalsha war es also kein Problem.«​
Ah, da ging sie ganz nach ihrer Mutter, obwohl wir nicht blutsverwandt waren, weil die Mädchen ja aus Schleimen bestanden. Das Wichtigste wusste ich nun, fand ich. Der Rest würde sich mir während unseres Zusammenlebens erschließen.​
»Also, in diesem Haus herrschen gewisse Regeln. An die müsst ihr beiden euch auch halten.«​
»Jaaa!«​
Statt einer Antwort nickte Shalsha.​
»Wir teilen die Hausarbeit mit einem Arbeitsplan auf. Der muss unbedingt eingehalten werden. Es geht ums Putzen, das Feld bestellen und so weiter.«​
»Jaaa!«​
Shalsha nickte wieder nur. Ich beschloss, beide Mädchen gleichberechtigt beim Namen zu rufen und nicht nur für die zutrauliche Falfa eine Koseform oder so etwas zu verwenden.​
»Den Arbeitsplan stelle ich später auf. Gibt es ... sonst noch etwas?«​
Ich hatte noch nie Töchter, also wusste ich nicht, was man noch so macht.​
»Richtig. Soll ich euch etwas beibringen? Ihr seid nie auf eine Schule gegangen. Könnt ihr denn schreiben?«​
»Falfa hat sich immer ins Haus eines Gelehrten in der Stadt geschlichen und Mathematikabhandlungen und Ähnliches gelesen. Später hat sie sich richtig gut mit dem Professor verstanden.«​
Oh, dachte ich, verzeiht, dass ich euch wie Kinder behandelt habe.​
»Und Shalsha ist gut in Geschichte, Theologie und Geometrie.«​
Wie es aussah war wohl eher eh es, die von ihnen etwas lernen konnte ... So konnte ich meine Würde als Mutter nicht wahren. Wenn ich mir nichts einfallen ließ, würden mich meine Töchter nicht ernst nehmen. Also gut. Ich würde ihnen vorführen, wie ihre Mutter von anderen respektiert wurde.​
»Hier in der Nähe gibt es ein Dorf namens Flatta. Ich werde euch morgen dorthin führen. Ich verdanke den Leuten dort viel, also benehmt euch und zeigt euch von eurer besten Seite.«​
Diesmal nickten beide.​
Zusammen mit Laika und meinen Töchtern ging ich zu Fuß ins Dorf. Auf dem Weg dorthin versperrten mir wieder Schleime den Weg, also wischte ich sie weg. Bei meinem Level reichte das schon, um sie zu besiegen.​
»Ahm, nur zur Sicherheit. Ich darf die Schleime aus dem Weg räumen, oder?«, hakte ich noch einmal nach.​
»Ja. Ich hatte schon vorher kein Problem damit und für Shalsha scheint es jetzt auch in Ordnung zu sein.«​
»Ja ... Mutter.«​
Ich war erleichtert, noch einmal die Genehmigung erhalten zu haben. Da wir nun eine vierköpfige Familie waren, musste ich mehr Zaubersteine als bisher sammeln, um entsprechend mehr Geld zu verdienen.​
»Die Schleime hier sind richtig böse.«​
»Ja, das finde ich auch! Vernichten wir die bösen Schleime und reinigen die Welt!«, riefen meine beiden Töchter und erlegten ihrerseits Schleime.​
»Sagt mal, wie kann man denn erkennen, ob einer böse ist?​
Wie unterscheidet ihr das?«​
»Das sieht man eben.«​
Mit diesen Worten sprang Shalsha plötzlich ins Gebüsch. Man hörte ein Zappeln und Lärmen, dann kam Shalsha mit einem Schleim in der Hand zurück.​
»Ich hab bemerkt, dass sich einer im Dickicht versteckt.«​
Im einfangen von Schleimen war sie offensichtlich Expertin. Vielleicht, weil sie selbst ein Schleimgeist war.​
»Sieh mal. Die Schleime der Provinz Nanterre haben grundsätzlich eine kräftigere Farbe. Aber dieser hier ist ziemlich blass.«​
»Das höre ich zum ersten Mal.«​
Noch nie hatte ich auf die Farbe der Schleime geachtet.​
»Die blassen sind von ihrem bösen Herzen gefärbt, also sollten sie ausgemerzt werden.«​
»I... Ich verstehe. Das ist sehr lehrreich.«​
»Und Schleime haben ein Loch, das ihr Schwachpunkt ist.​
Wenn man sie da hinein trifft, sterben sie sofort.«​
»Ein Loch? Nein, ein Schleim hat doch kein Loch.«​
Falfa tippte leicht auf den Schleim in Shalshas Hand.​
»Sooo, dieser Schleim ist tot!«​
Daraufhin verpuffte der Schleim.​
»Siehst du?«​
Irgendwie schienen sie mir so gnadenlos zu sein, gerade weil sie selbst Ex-Schleime waren.​
»Unglaublich!«, rief Laika.​
»Ich muss mir ein Beispiel an euch nehmen und lernen, Schleime ebenso zu töten ...«​
»Schön, dass du beeindruckt bist, aber ich denke, du kannst sie wie bisher ganz normal erlegen ...«​
Man bekam schließlich nicht mehr Erfahrungspunkte, nur weil man sie auf schickere Art erlegte. Während wir uns so unterhielten, erreichten wir Flatta. Heute wollte ich meine Töchter offiziell vorstellen. Ich hatte natürlich vor, sie korrekt als Schleimgeister zu bezeichnen. Die beiden schienen ein paar spezielle Fähigkeiten zu besitzen, also war es besser, die Dorfbewohner früh zu informieren. Aber natürlich musste es mal wieder kompliziert werden. Als wir am Dorfeingang an einem Obst und Gemüseladen vorbeigingen, passierte es. Falfa rief fröhlich:​
»Guck mal, Mama, die verkaufen ganz viel verschiedenes Obst!«​
Das hörte die Ladenbesitzerin.​
»Waaas? Du hast Kinder, ehrenwerte Hexe? Und noch dazu sogar ... Zwillinge?«​
Ja klar, so eine Reaktion war zu erwarten gewesen.​
»Ja, es sind beides meine Töchter. Sie sind allerdings auf ungewöhnliche Weise auf die Welt gekommen.«​
Ich erklärte ihr, dass die Mädchen Schleimgeister waren. Ich wollte damit auch vermeiden, dass das Gerücht aufkam, ich hätte einen Mann. So ging ich im Dorf herum und stellte überall meine Töchter vor.​
»Ach herrje, sind das süße Mädchen.«​
»Wie alt sind sie denn? Zehn?«​
Eigentlich waren sie ja etwa fünfzig, aber das zu sagen würde bestimmt für Verwirrung sorgen. Doch schweigen konnte ich dazu auch nicht, also erklärte ich die Lage. Am Anfang sahen die Leute überrascht aus, aber dann schienen sie irgendwie überzeugt:​
»Wenn die ehrenwerte Hexe 300 Jahre alt ist, passt es eigentlich, wenn sie 50-jährige Kinder hat.«​
Jedenfalls hatte es etwas gebracht, im Dorf herumgelaufen zu sein, denn die Gesichter von Falfa und Shalsha hatten sich den Leuten nun eingeprägt. Manche riefen sie schon beim Namen und grüßten sie, auch wenn die meisten sie noch nicht auseinanderhalten konnten. Übrigens stellte ich nicht nur die Mädchen den Dorfbewohnern vor, sondern machte es auch umgekehrt. Ich erklärte meinen Töchtern das Dorf. Da wir von nun an zusammenleben würden, wäre das Dorf unser aller Heimatort.​
»Da drüben ist der Bäcker. Daneben ist eine Boutique. Sie haben auch Secondhandklamotten. Merkt euch alles gut, damit ihr euch beim Einkaufen nicht verlauft.«​
»Okaaay, Mama! Falfa hat sich schon alles gemerkt!«​
»Welche Läden in der Hauptstraße kannst du mir denn dann schon nennen?«​
»Vom südlichen Ortseingang aus gesehen ist die Hausnummer 6 der Schuhladen Noelis, daneben ist die Molkerei und Verkaufsstelle Meytz, die Nummer 5 war bis vor acht Jahren ein Gemischtwarenladen, ist derzeit aber leerstehend, danach kommt das Handelshaus Kant, das Gemüsesaatgut und Landwirtschaftliche Geräte verkauft. Vor kurzem hat der Ladenbesitzer einen Hexenschuss erlitten.«​
»Das ist mehr als exakt!«​
Der Laden, der Käse, Milch und Ähnliches verkaufte, hieß also Molkerei und Verkaufsstelle Meytz. In all den Jahren hatte ich nie auf den offiziellen Ladennamen geachtet. Wahrscheinlich wären auch die Dorfbewohner irritiert, wenn man sie nach der Molkerei und Verkaufsstelle Meytz fragen würde.​
»Hast du dir auch alles gemerkt, Shalsha?«​
»Ja ...«​
Shalsha war generell ein wenig schüchterner und ich spürte noch einen gewissen Abstand zwischen uns. Das war eigentlich unvermeidlich, schließlich war sie ursprünglich gekommen, um mich zu töten und wir hatten bisher noch nie etwas zusammen als Familie unternommen. Wir mussten uns Zeit nehmen, um miteinander warm zu werden. Und schließlich war ich als Mutter auch noch die Anfängerin aller Anfängerinnen. Es wäre seltsam, wenn ich vom Fleck weg die perfekte Mutter hätte geben können.​
»Kannst du mir dann auch etwas über das Dorf erzählen, Shalsha?«​
»Diese etwas breitere Straße ist eine alte Überlandstraße. Wenn man genau hinsieht, findet man Spuren, die zeigen, dass sie einmal zum Palast führte. Und dort sieht man die Überreste eines Grenzpostens aus der alten Königszeit.«​
»Das hast du aber nicht von mir.«​
War sie der Moderator einer Reisereportage? Jedenfalls wusste ich nun zur Genüge, dass die beiden ziemlich schlau waren und schnell lernen konnten. Naturgeister schienen eine ganz besondere Lebensform zu sein. Und wenn man schon 50 Jahre lebte, konnte man nicht mehr nur naiv und unschuldig sein.​
»Man merkt, dass sie deine Töchter sind, Meisterin Azusa. Sie sind beide so intelligent.«​
Laika lobte die beiden, aber ich fand, sie waren mehr als nur intelligent. In dem Moment war ein lautes Knurren zu hören. Es kam von Laikas Bauch.​
»E. .. Es tut mir leid. Wir sind heute mehr gelaufen als sonst. Deshalb ...«​
Laika lief rot an und wurde hektisch. Ich wusste nicht, ob Drachen generell wohlerzogen waren, oder ob das Laikas persönlicher Charakter war. Vielleicht beides?​
»Das reicht jetzt an Erklärungen. Wollen wir etwas essen?«​
»Hurra!«​
»Ich freue mich.«​
Jetzt freuten sich die beiden wie echte Kinder, und ich freute mich auch.​
Kurz darauf aßen wir zu viert im Zum schlauen Adler.​
»Mama, muss ich auch den Sellerie essen?«​
»Mutter, Sellerie liegt mir nicht so ...«​
Dieses Benehmen rührte mich ein bisschen. In diesem Punkt waren sie richtig kindlich.​
»Hm. Wenn ihr aufesst, könnt ihr euch nachher Chiffonkuchen bestellen.«​
Die beiden rangen eine Weile mit sich, aber dann fassten sie einen Entschluss und aßen den Sellerie in einem Happs.​
»Sehr gut. Nicht wählerisch sein und schön alles essen.«​
Und doch war da ein Suppenteller, in dem Sellerie übriggelassen worden war. Es war Laikas Teller.​
»Also, in unserer Sippe gibt es ein Gesetz, das uns verbietet, Sellerie zu essen ... Alle anderen Kräuter sind erlaubt, auch wenn sie bitter sind, aber ..«​
»Laika, wenn das wahr ist, ist es in Ordnung, aber deine Meisterin darfst du nicht anlügen, verstanden?«​
Ich übte milden Druck aus.​
»E... Es tut mir leid! Ich esse ihn!«​
Es war also doch erfunden. Laika schloss die Augen und nahm den Sellerie in den Mund.​
»Uiii, toll gemacht.«​
Falfa streichelte Laika zwischen ihren beiden Hörnern. Es war, als wenn ich plötzlich drei Töchter hätte. Ich musste unwillkürlich kichern. Ich hatte es schon früher schön gefunden, auswärts essen zu gehen, aber noch nie hatte es so viel Spaß gemacht wie heute. Es machte mindestens vier Mal so viel Spaß wie allein.​
»Wieso muss Sellerie eigentlich so schmecken?«​
Laikas Gesicht drückte ihre Abneigung überdeutlich aus, also aß ich den Rest für sie.​

 
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Edward Teach

Anime-Pirat
VIP
Eine Elfe kommt vorbei.

Ich hatte 300 Jahre lang gemächlich alleine vor mich hin gelebt, doch binnen kürzester Zeit war es schlagartig lebhaft um mich herum geworden. Der Grund hierfür war schlicht und einfach: Ich gehörte nun einer vierköpfigen Familie an. Wenn man allein lebt, hat man gar keine Gelegenheit, sich zu unterhalten, folglich spricht man kaum. Bevor ich wiedergeboren wurde, kam es nicht selten vor, dass das Gespräch mit dem Verkäufer eines 24-Stunden-Convenience-Stores das einzige des Tages war.​
Verkäufer: »Das macht 183 Yen.«
Ich: »Oh, ich hab es passend. Hier, 183 Yen.«
Verkäufer: »Und hier ist Ihr Beleg. Vielen Dank.«
Ich: »Ja, danke auch.«
So ungefähr. Das war eine typische Szene aus meiner Zeit als japanische Firmensklavin. solche Tage kamen häufig vor, und vermutlich gab es viele Leute, die sich darin wiedererkannt hätten. In einer vierköpfigen Familie hingegen wurde viel gesprochen. Es fing schon damit an, dass man drei Leute zu grüßen hatte. Gerade leistete ich mir den Luxus, ganz in Ruhe in einem Zauberbuch zu lesen, das ich mir vor Kurzem gekauft hatte. Da ich tags zuvor mit Einkaufen und Kochen dran gewesen war, konnte ich an dem Tag tun und lassen, was ich wollte. Für das heutige Mittagessen war übrigens Laika zuständig.​
»Guck mal, Shalsha! Den hab ich auf dem Feld gefunden!«​
»Du findest oft welche, Schwester.«​
Die Stimmen meiner spielenden Töchter dienten mir als Hintergrundmusik. Man konnte durchaus sagen, dass ich auch auf geistiger Ebene glücklich und zufrieden war.​
»Der hier fliegt total gut!«​
»Stimmt. Super Flugdistanz.«​
Aber wovon redeten meine Töchter da? Flugdistanz? Spielten sie etwa mit Papierflugzeugen? Aber in dieser Welt existierte nicht einmal die Vorstellung von Flugzeugen. Ob es sich um Papierdrachen handelte? Da kam ein Grashüpfer angeflogen und landete vor meinem Buch. Das meinten sie also mit Flugdistanz!​
»Heee, keine Grashüpfer ins Haus bringen!«​
»Na guuut!«​
»Verstanden, Mutter.«​
Stimmt, ringsum war überall Wiese und es gab viele Grashüpfer. Allerdings wollte ich die nicht mit nach Hause gebracht haben. Wenn die sprangen, war es schwierig, sie einzufangen und wieder nach draußen zu schaffen.​
»Was wollen wir dann fangen?«​
»Shalsha würde gern Kaninchen fangen.«​
»Kaninchen, aha. Aber als du mal deine Fühler nach ihnen ausgestreckt hast, haben sie die angeknabbert, oder?«​
Wenn ich darüber nachdachte, hatte ich so gut wie noch nie gesehen, wie meine Töchter ihre Fühler ausstrecken. Schleimgeister konnten ihre Haare nämlich ausstrecken wie Fühler. Oder anders gesagt: das, was wie Haare aussah, waren genau genommen Fühler. Da sie nicht zum Friseur mussten, war das aus wirtschaftlicher Sicht ziemlich praktisch. Weil meine beiden Töchter Naturgeister waren, waren sie eigentlich sehr schlau, aber ihre Spiele waren kindlich. Wahrscheinlich hatten sie sich ein kindliches Gemüt bewahrt. Oder ihr Verhalten wurde durch ihr äußeres Erscheinungsbild beeinflusst. Ich beschloss, meinen Töchtern beim Spielen zuzuhören.​
»Schwester, soll ich dir vorlesen?«​
»Ja, Shalsha, ich mag die Bücher, die du mir vorliest. Sie sind so interessant!«​
»Gut, dann lese ich Kapitel 5, Teil 2 aus dem dritten Band von Aufstieg und Fall des Elfenvolks von Loretta, Handelspolitik der Kurah Dynastie aus der Provinz Flant.«​
Wenn das nicht super speziell war! Und nicht unbedingt die Art Buch, die man anderen vorlas. Ein solch dickes Buch gab es in diesem Haus nicht, also musste es aus Shalshas Privatbesitz stammen.​
»Der Gründer der Kurah Dynastie, Hellanke, war ursprünglich ein Händler, der durch den Handel mit Trockenobst zu Reichtum gekommen war. Seine Privatarmee nahm mit der Zeit an Macht und Stärke zu und stieg in den Status des Elfenmilitärs der Provinz Flant auf. Schließlich, im Jahr 405, erklärte er sich selbst zum König. Deshalb galten für die Kurah Dynastie Trockenfrüchte fortan als die wichtigste Exportware für den Erwerb von Devisen und ..«​
Sie las tatsächlich ein Fachbuch vor ... Wie das Wort „Elfe“ in dem Buch bewies, gab es in dieser Welt selbstverständlich Elfen. Gegenwärtig gab es zwar kein großes Elfenreich, aber in den Waldgebieten existierten mehrere kleine Elfenländer, denen ein Selbstverwaltungsrecht eingeräumt worden war. Vermutlich war diese Kurah Dynastie, von der Shalsha gerade vorlas, auch ein solches Land.​
Elfen waren für ihre Langlebigkeit bekannt und verstanden sich oft gut mit unsterblichen Hexen, aber da ich noch nie diese Hochebene verlassen hatte, kannte ich persönlich keine. Außerdem gab es in Hochebenen so gut wie keine Elfen, weshalb sie in der Provinz Nanterre kaum vertreten waren. Auch hier gab es selbstverständlich Waldstücke, aber vermutlich waren sie nicht groß genug, um Elfen zu ermöglichen, sich in Städten oder Dörfern darin anzusiedeln.​
BAMM! BAMM! BAMM!
Jemand klopfte an die Tür. Wer konnte das sein? Meine beiden Töchter saßen vor mir und Laika war in der Küche und kochte aus frisch vom Feld geernteten Bohnen eine Suppe.
»Mutter ... Soll ich an die Tür gehen?«​
»Das ist lieb, aber ich gehe besser selbst.«​
Im schlimmsten Fall konnte jemand vor der Tür stehen, der mich angreifen wollte. Die Gefahr, dass das Gerücht der stärksten Hexe der Welt sich verselbstständigt hatte, bestand noch immer. Meine Töchter konnte ich also nicht schicken. Ich öffnete vorsichtig die Tür.​
»Wer ist da, bitte?«​
Dort stand eine junge Elfe mit Tränen in den Augen. Sie hatte eine sagenhaft gute Figur. Eine große Oberweite und einen wohl geformten, runden Hintern. Ihr Rock war ziemlich kurz. Eine unheimlich sinnliche Elfe war das. Wären meine Kinder Söhne, hätte ich ihnen die Elfe aus erzieherischen Gründen besser nicht gezeigt, so sexy war sie. Puh, von ihrer Oberweite hätte ich gern etwas ab gehabt. Ich würde liebend gern wenigstens ein einziges Mal im Leben darüber klagen, dass meine Schultern immer verspannt sind, weil meine Oberweite so viel wiegt. Nun, so viel von mir zu diesem Thema.​
»Ähm, was kann ich für dich tun?«​
Eigentlich hätte ich nicht erwartet, dass prompt, nachdem ich das Wort „Elfe“ aus dem Mund meiner Tochter gehört hatte, eine vor mir auftauchen würde. Aber andererseits gab es solche Zufälle in meinem Leben ja neuerdings häufiger, also machte ich mir auch keine unnötigen Gedanken darüber.​
»Bitte hilf mir!«​
Sie streckte beide Arme nach vorn, wodurch ihre üppige Oberweite zwischen ihnen eingeklemmt wurde und dadurch nur noch üppiger wirkte. Hatte sie das etwas mit Absicht getan? Doch die Elfe hatte anscheinend gar nicht versucht, die Aufmerksamkeit auf ihre Oberweite zu lenken. Sie hatte ihre Pose nicht anzüglich gemeint. Da ich eine Frau war, hätte sie mit so einem Manöver bei mir auch ohnehin nichts erreicht. Sie neigte wohl einfach von Natur aus zu dramatischen Auftritten.​
»Du brauchst Hilfe? Aber in dieser Gegend wohnen keine Orks.«​
Elfen und weibliche Ritter wurden in dieser Welt grundsätzlich von Orks bedroht.​
»Es geht nicht um einen Ork! Ich möchte, dass du mich vor dem hochrangigen Teufel Beelzebub rettest!«​
Das klang ziemlich bedrohlich. Beelzebub. Unter den Teufeln gehörte Beelzebub zur allerhöchsten Oberklasse und war auch unter dem Beinamen „Herr der Fliegen“ bekannt. In einem Videospiel wäre das der Gegner, der direkt vor dem letzten Oberboss auftaucht. Gegen so jemanden wollte ich ehrlich gesagt nicht kämpfen.​
PlaMM!​
Ich schloss langsam die Tür.​
Aber die Elfe öffnete sie wieder:​
»Ich bitte dich! Mir ist sonst niemand eingefallen, der mir helfen könnte, liebe Hexe der Hochebene!«​
»Gegen so ein unheimliches Monster möchte ich auch nicht kämpfen!«​
Übrigens war in dieser Welt der weit entfernte nördliche Teil des Festlands so kalt, dass kaum ein Lebewesen dort leben konnte. Es hieß, dort hinten hätten sich intelligente Monster (man nannte sie Dämonen) zu einer Art Staat zusammengeschlossen. Da es so kalt war, dass normale Menschen nicht dorthin gelangen konnten, wusste man allerdings nichts Genaues. In der Vergangenheit hatte es wohl Kämpfe gegen Menschen gegeben, aber soweit mir bekannt war, waren die letzten 500 Jahre friedlich verlaufen. Wenn wir also keinen Ärger mit ihnen anfingen, würde es sicherlich weiter so bleiben. Würden wir uns aber mit Beelzebub abgeben, fürchtete ich, wäre der Frieden gefährdet.​
»Ich bitte Dich! Hör dir wenigstens meine Geschichte an! Ich hab die Leute in meiner Siedlung um Hilfe gebeten, aber die wollten nicht in die Sache mit hineingezogen werden. Sie haben mich aufgefordert, wegzugehen. So bin ich auch noch heimatlos geworden ... Und da hab ich mir gedacht, dass die weltweit stärkste Hexe mir vielleicht helfen könnte ...«​
»Wenn ich mir deine Geschichte anhöre, gehst du dann wieder weg?«​
»B... Bitte hilf mir doch! Wenn es Beelzebub auf mich abgesehen hat, überlebe ich das nicht ...«​
Unter den Umständen konnte ich sie nicht einfach fortjagen. Also gut, ich würde ihr helfen, soweit es für mich machbar war. Aber absolut nicht mehr. Ein totaler Krieg gegen einen Monster-Staat würde das Leben meiner vierköpfigen Familie zerstören. Und das ging nun wirklich nicht.​
»Gut, dann erzähl erst mal, was los ist. Komm rein.«​
Als Falfa und Shalsha die junge Elfe sahen, riefen sie:​
»Oh, eine Elfe!«​
»Sie haben wirklich lange Ohren. Die mit trockenem Ohrenschmalz kommen aus dem Süden und die mit feuchtem aus dem Norden.«​
Sofort kamen sie ins Zimmer gelaufen. Shalsha schien sich auch mit Elfen und ihren regionalen Besonderheiten gut auszukennen. Wahrscheinlich war es sinnvoll, sie hierzubehalten.​
»Dann stell dich bitte erst einmal vor. Da du offensichtlich schon weißt, dass man mich die Hexe der Hochebene nennt, werde ich dir nur noch meinen Namen sagen. Ich heiße Azusa Aizawa.«​
»Mein Name ist Halkara und ich komme aus einem kleinen Elfenland in der Provinz Flant.«​
Die Provinz Flant war doch gerade eben in dem Geschichtsbuch vorgekommen, das Shalsha vorgelesen hatte ... ?​
»Bei uns wachsen viele Heilkräuter. Den Umstand hab ich mir zunutze gemacht, als Apothekerin gearbeitet und Medizin hergestellt. Kurzum, ich hab einen ähnlichen Beruf wie du, liebe Hexe der Hochebene.«​
Wir waren also beide langlebig und stellten aus Pflanzen Medizin her. Das waren tatsächlich Gemeinsamkeiten. In diesem Fall konnte ich keinen exakten Unterschied zwischen den beiden Berufen Hexe und Apothekerin ausmachen. Ganz ehrlich, ich hätte mich auch Apothekerin nennen können. Wenn es überhaupt einen Unterschied gab, dann den, dass Hexen manchmal auch tierische Zutaten wie getrocknete Eingeweide von Wildtieren oder Blut verwendeten. Elfenapothekerinnen mischten fast ausschließlich Pflanzen zusammen. Da ich persönlich aber kaum tierische Zutaten benutzte, war ich, wie ich fand, sehr nah an einer Apothekerin dran. Da kam Laika und brachte für alle Kräutertee mit. Für vier Personen, meine beiden Töchter mitgerechnet. Und das, obwohl sie mit Kochen beschäftigt gewesen war. Das war sehr aufmerksam von ihr.​
»Gut, deinen Beruf weiß ich jetzt. Aber wieso ist Beelzebub hinter einer Apothekerin her?«​
Wie ich es auch drehte und wendete, ich konnte mir nicht einmal vorstellen, wie sich die beiden überhaupt begegnet sein könnten.​
»Also, es fühlt sich komisch an, das über mich selbst zu sagen, aber ich bin eine ziemlich gutverdienende, erfolgreiche Apothekerin. Ich habe stärkende Wirkstoffe aus Pilzen und Pflanzen gesammelt und daraus einen Trunk namens „Nährschnaps hergestellt.“​
Ob das wie ein Schnaps aus der traditionellen chinesischen Medizin war, der sich aus verschiedenen Wirkstoffen zusammensetzte?​
»Nun, dieser Nährschnaps wurde zum Verkaufshit, nachdem sich überall herumgesprochen hatte, dass man seine Arbeit auch in erschöpftem Zustand spielend schaffte, wenn man nur von dem Schnaps trank. Alle aus der Elfensiedlung mussten mitmachen, um die vom Markt geforderte Massenproduktion des Schnapses, der übrigens 5.000 Gold pro Flasche kostet, stemmen zu können. Oft kamen wir auch dann kaum hinterher. In der Siedlung hab ich sogar einen Nährschnaps-Palast gebaut.«​
Genug angegeben, jetzt wollte ich gerne den Rest der Geschichte hören.​
»So sieht der Schnaps übrigens aus«, sagte Halkara und zog eine kleine Flasche hervor.​
»Ich hab noch massenhaft davon dabei, also trinkt ihn gern. Es war nicht leicht, mit der großen Menge zu fliehen, aber wenn man ein Fläschchen getrunken hat, hält man den Tag über durch.«​
Vom Aussehen und der Beschreibung her war das doch dasselbe wie ein Energie Drink, oder? solche hatte ich früher regelmäßig geschluckt. Keine angenehme Erinnerung ... Wenn sich die Überstunden in die Länge zogen, hatte ich schnell ein Fläschchen auf ex getrunken ...​
»Die Beliebtheit zog immer weitere Kreise, und der Nährschnaps wurde schließlich auch in weit entfernten Gegenden verkauft. So kam es, dass der Schnaps von solchen Kunden konsumiert wurde, für die er überhaupt nicht vorgesehen war.«​
Halkara stützte den Kopf in ihre Hände.​
»Als dieser hochrangige Dämon Beelzebub ... er ist also ein Dämon und kein Mensch ... meinen Schnaps in die Finger bekam und trank ...«​
»Was ist dann passiert?«​
»Wenn Menschen oder Elfen den Schnaps trinken, motiviert sie das und durch ihren ganzen Körper fließt frische Kraft. Aber bei Dämonen scheint er wie Gift zu wirken . .. Zehn Minuten, nachdem der Dämon den Schnaps getrunken hatte, fiel er um, bekam hohes Fieber und wäre um ein Haar in der Hölle gelandet.«​
Das schien mir für einen hochrangigen Dämon eigentlich kein großes Problem zu sein, aber gut, darum ging es hier wohl nicht.​
»Verstehe. Beelzebub kam wieder zu sich und hat jetzt einen enormen Hass auf dich.«​
»Genau! Es heißt, Beelzebub tobe und wüte, dass derjenige, der dieses Gift zusammengebraut habe, schon so gut wie tot sei. Es sind bereits Fahndungsplakate in Dämonensprache in Menschen- und Elfensiedlungen in Umlauf gebracht worden ...«​
Sie streckte mir ein Blatt hin, aber da ich mich nicht mit Dämonensprache beschäftigt hatte, konnte ich es nicht lesen.​
»Ein bisschen davon kann ich verstehen«, sagte Shalsha und reckte sich vor.​
»Bitte .. . Frau, die Nährschnaps gemacht hat ... fangen ... prächtige Belohnung ... kriegt von mir ... Wenn man nur die einzelnen Worte liest, steht da so was.«​
Shalsha war wirklich umfassend gebildet. Den Worten nach zu urteilen war das tatsächlich ein Fahndungsaufruf.​
»All meine Angestellten sind vor lauter Angst davongelaufen. Noch dazu hat man mir verboten, mich weiter in der Siedlung aufzuhalten. Deshalb bin ich zu dir gekommen, liebe Hexe der Hochebene. Ich bitte dich! Hilf mir!«​
Halkara stand auf und warf sich vor mich auf den Boden.​
»Mir ist klar geworden, dass du in der Klemme steckst ... Aber könnte es nicht, wenn man Pech hat, zu einem totalen Krieg gegen das Dämonenvolk kommen?«.​
Alles was recht ist, aber das konnte ich dann wirklich nicht mehr deichseln ...​
»Hhm, also ... Alle Elfen und auch die Provinz, in der meine Siedlung liegt, haben diese Sorge. Deshalb ist man zu der Meinung gelangt, es sei besser, mich, die Apothekerin, auszuliefern. Ich kann nirgendwo mehr hin!«​
Sie konnte nicht nur nirgendwohin zurück, sie wurde sogar wie eine Kriminelle behandelt. Das war schon bemitleidenswert.​
»Du arme Elfe ...«​
»Es tut mir so leid zu hören, dass du nirgendwohin zurück kannst.«​
Meine beiden Töchter fühlten mit ihr. Jetzt konnte ich sie wohl nicht mehr bitten, zu gehen. Das wäre auch aus erzieherischen Gründen nicht gut für meine Töchter. Aber ich wollte nicht für die Elfe gegen Beelzebub kämpfen. Laika und meine Töchter durften nicht in Gefahr geraten. Außerdem mochte ich ja enorm stark sein, aber gegen eine Organisation oder einen Staat zu kämpfen war etwas ganz anderes als gegen ein Individuum. Alles hatte seine Grenzen. Ich musste einen guten Kompromiss finden. Ich seufzte tief.​
»Einverstanden. Ich werde dir helfen.«​
»Oh, ich danke dir!«​
Halkara umarmte mich stürmisch. Sie hatte wahrlich eine sehr offene Art, was Körperkontakt betraf.​
»Ich hab allerdings auch keine Lust, gegen Beelzebub zu kämpfen. Ich werde dich in meinem Haus verstecken. Warten wir ab, bis sich die Situation ein wenig beruhigt hat.«​
Wenn sich nicht herumsprechen würde, dass sie hier wohnte, konnten wir wahrscheinlich irgendwie davonkommen.​
»Heißt das, ich darf dieses Gebäude nicht verlassen …?«​
»Nein, so extrem muss es nicht sein. Aber da dein Aufenthalt nicht auffliegen soll, solltest du einen anderen Namen benutzen und. dich verkleiden.«​
Glücklicherweise hatte sie einen ähnlichen Beruf wie ich. Und da sie eine langlebige Elfe war, passte sie ganz gut in einen Hexenhaushalt. Ich holte aus meinem Zimmer eine Robe, die ich normalerweise selbst nie anzog.​
»Wenn du ausgehst, zieh bitte diese Robe an. Du bist nun der Lehrling Nummer zwei von Azusa, Hexe der Hochebene.«​
So kam es, dass ich eine flüchtige Elfe als angeblichen zweiten Lehrling bei mir aufnahm. Die Robe, die mir übrigens wie angegossen passte ...​
»Es tut mir leid, die ist ein bisschen eng für mich«​
... spannte an der Brust und am Po mächtig und sah an ihr nicht ganz jugendfrei aus. Ich musste ihr wohl im Dorf eine neue Robe schneidern lassen.​
Am nächsten Tag stand ich schon früh auf. Als Erstes überzog ich das Haus auf der Hochebene mit einem Bannkreis. Da es Halkara gelungen war, unversehrt zu mir zu flüchten, war sie höchstwahrscheinlich nicht aufgespürt worden, aber ich wollte sicherheitshalber die Defensive stärken.​
»Ihr, die ihr ein böses Herz habt, sollt in diesem Netz gefangen und eurer Freiheit beraubt werden. Das Netz möge sich auf euch stürzen, als hätte es einen eigenen Willen. Haaaaah! So, das ist mir gut gelungen.«​
Dieser Bannkreis war mir leichter von der Hand gegangen als der, mit dem ich unser Dorf umschlossen hatte. Sein Radius war schließlich auch erheblich kleiner. Danach machte ich zum Mittagessen Sandwichs für die ganze Familie. Heute hatte nämlich ich Kochdienst. Für das Frühstück nahm ich einfach die Reste von dem Essen, das Laika gestern gekocht hatte, oder besser: Ich arrangierte es neu. Es entsprach durchaus den Regeln unseres Küchendienstes, die Reste vom vorigen Tag zu nutzen.​
Es war nur verboten, gar nichts Neues zuzubereiten. Deshalb kochte ich zusätzlich zu den Sandwichs noch eine Suppe aus Getreide und Heilkräutern. Das war gesund und wirkte Schwellungen im Gesicht entgegen. Am Anfang mochten meine Töchter die Heilkräuter wegen ihres markanten Geschmacks nicht, aber mit der Zeit hatten sie sich daran gewöhnt. Oft finden Leute Koriander schrecklich, wenn sie ihn zum ersten Mal probieren, entwickeln aber nach und nach eine große Vorliebe für ihn. Mit vielen Heilkräutern war es ähnlich. Sie waren oft sehr charakteristisch und manchmal auch eigen im Geschmack, konnten einen aber schließlich sehr einnehmen. Übrigens schlug es auch Unsterblichen und Naturgeistern auf den Magen, wenn sie sich schlecht ernährten, also war es wichtig, auf die Gesundheit zu achten. Nebenbei bemerkt kümmerte ich mich schon am Morgen um das Mittagessen, weil ich vorhatte, vormittags auszugehen. Ich wollte Heilkräuter pflücken. Das tat ich zwar von Berufs wegen immer, aber heute war es etwas Besonders. Jetzt, da eine Elfe gekommen war, die sich mit Heilkräutern auskannte, hatte ich vor, mit ihr zusammen Medizin herzustellen. Außerdem sollte sie schließlich pro Forma mein Lehrling werden, da wäre es unnatürlich, wenn ich keine Ahnung gehabt hätte, was für Medizin sie braute. Schließlich stand Laika auf, dann folgten Augen reibend Shalsha und Falfa.​
»Guten Morgen ...«​
Zuletzt erschien Halkara.​
Ich war gerade mehr oder weniger mit den Vorbereitungen für das Essen fertig geworden. Mich eingeschlossen tauschten alle Morgengrüße aus.​
»Ich hab mich so gefreut, nach langer Zeit mal wieder in einem richtigen Bett zu schlafen ... Ich danke dir.«​
»Jaja. Ist doch selbstverständlich, dass man sich gegenseitig hilft.Ach, richtig: Ab heute werden wir unsere Rollen als Lehrmeisterin und Lehrling konsequent spielen müssen. Ich werde dich dann so ansprechen wie einen Lehrling und auf Höflichkeitsfloskeln verzichten, in Ordnung?«​
»Aber ja, selbstverständlich. Sprich mit mir, wie du möchtest, große Meisterin Azusa.«​
»Große Meisterin ... Gut, ich schätze, das ist nicht verkehrt.«​
Halkara setzte sich zu uns an den Tisch und wir begannen zu essen. Nach einer gewissen Zeit stellte ich fest, dass Halkara aus unerfindlichen Gründen schluchzte.​
»Hhm ... Was hast du?«​
»Damals, als ich so viel gearbeitet habe, habe ich häufig auswärts gegessen. Und seit ich eine Verfolgte bin, gab es Tage, an denen ich meinen Hunger mit im Wald gesammelten Nüssen und Beeren stillen musste. Es ist lange her, dass ich zum Essen an einem warmen, freundlichen Tisch saß.«​
Sie weinte mit gekrümmtem Rücken und ich sah, dass es der Rücken einer leidgeprüften Person war. Oh je, solche Leute hatte ich auch in Japan gesehen ... Menschen, die im Geschäft Erfolg gehabt hatten, dann aber bankrottgegangen waren und ein elendes Leben führten. In Halkaras Fall konnte man nicht von geschäftlichem Misserfolg reden, aber es war klar, dass sich ihr Leben gerade auf dem absteigenden Ast befand. Da musste ihr jemand eine helfende Hand reichen. Sonst würde sie am Ende noch sterben. Ich wollte ihr helfen, so gut ich konnte.​
»Kopf hoch, Halkara.«​
Falfa war aufgestanden und hinter Halkaras Stuhl getreten.​
Nun klopfte sie ihr sanft auf die Schulter. Was war sie doch für ein liebes Mädchen!​
»Oh ... Falfa, richtig? Ich danke dir.«​
Halkara bedankte sich.​
»Wenn ich gewusst hätte, dass es so endet, hätte ich das Geschäft nicht erweitert. Ich hätte meine Medizin nur in der Provinz, in der ich gelebt habe, verkaufen sollen.«​
Sie hatte ihr Geschäft erweitert und der Schuss war nach hinten losgegangen. Es erinnerte doch an den Misserfolg einer Firma.​
»Na, na. Es bringt nichts, sich darüber zu grämen. Lass uns lieber über die Zukunft nachdenken.«​
Ich klatschte in die Hände.​
»Nach dem Essen gehen wir los und sammeln im nahe gelegene Wald Kräuter. Zeig mir, was du kannst, Halkara. Ihr anderen drei bleibt zu Hause, in Ordnung?«​
»V... Verstanden, große Meisterin!«​
»Fürs Mittagessen hab ich Sandwichs vorbereitet. Laika, du und die anderen esst die, während wir unterwegs sind, ja?«​
»Gut, Meisterin Azusa. Und ich werde Nachforschungen über Beelzebub anstellen.«​
»Ja, bitte tu das.«​
Je umfassender wir vorbereitet waren, desto besser.​
»Ich glaube zwar nicht, dass jetzt schon etwas passieren könnte, aber falls der Feind auftauchen sollte, pass bitte gut auf Falfa und Shalsha auf.«​
»Ja. Ich werde sie beschützen, und wenn es mich mein Leben kostet!«​
»Dein eigenes Leben solltest du bitte auch schützen, Laika. Und wenn es nötig wird, kannst du ihm sagen, wo er mich findet.«​
In den 300 Jahren, in denen ich hier lebte, hatte ich noch nie gehört, dass ein intelligentes und hochrangiges Monster wie ein Dämon Gräueltaten an Menschen verübt hatte, also ging ich nicht davon aus, dass der Feind wahllos angreifen würde. Aber es war sicherer, die Verteidigung zu stärken.​
»Übermäßiger Optimismus ist zwar nicht gut, aber bisher ist nichts darüber bekannt geworden, dass jemand, der mit Halkara zu tun hat, angegriffen wurde. Da ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass deine Töchter nicht zur Zielscheibe werden.«​
»Ja. Das wäre in der Tat gut.«​
Da ich getan hatte, was ich tun konnte, brach ich mit Halkara in Richtung Wald auf. Ganz nebenbei drohte Halkara stellenweise wirklich aus der Robe zu Platzen.​
»Sag mal Halkara, hat man dir schon mal gesagt, dass du ... sehr gut entwickelt bist?«​
Ich hatte Sorge, dass allzu direkte Worte als sexuelle Belästigung aufgefasst werden könnten, also hatte ich einen harmloseren Ausdruck gewählt. Ich wollte mich frühzeitig erkundigen, gerade weil das Thema so heikel war.​
»Mir wurde etwa 750 Mal im Jahr gesagt, dass ich einen lasziven Körper hätte und so was.«​
»Das entspricht ja zwei Mal pro Tag!«​
»Viele Elfen aus meiner Provinz sind sehr schlank, da bin ich besonders aufgefallen. Ich hab mich aber schon daran gewöhnt. Du brauchst dir keine Gedanken um mich zu machen.«​
»So ist das also ...«​
»Weil es mich geärgert hat, dass man nur auf meinen Körper sah, hab ich mich bemüht, als Apothekerin besonders erfolgreich zu sein. Ich hab es auch geschafft, mir aber damit schließlich auch ins eigene Knie geschossen. Und jetzt werde ich von Beelzebub verfolgt. Puh ...«​
Im Leben lief es einfach oft nicht so, wie man wollte. Während wir uns so unterhielten, erreichten wir den Wald.​
Wir bückten uns und begannen gleich, Pflanzen zu sammeln. Unsere Ernte legten wir in den Korb. Der Korb war sehr praktisch, denn man konnte ihn auch auf dem Rücken tragen. Heute ging es mir allerdings hauptsächlich darum, Halkara bei der Arbeit zuzusehen. Meine Ernte konnte von mir aus gering ausfallen. Sie war sozusagen nur eine Art Dreingabe. Sollte sie Pflanzen verwenden, die ich nicht benutzte, wünschte ich mir, dass sie mir etwas darüber beibrachte. Ich hatte lange nicht mehr mit Leuten meines Berufsstandes zu tun gehabt, also wäre ein Informationsaustausch schön gewesen. Ich hatte den Eindruck, dass Halkara den Blick weniger auf Gräser richtete, sondern eher auf Bäume oder auf den Boden.​
»Aaah, da sind ja welche.«​
Sie erntete Pilze, die an einer Baumwurzel wuchsen. Und weitere direkt vom Boden. Außerdem fand sie welche, die sich im dichten Gras still versteckt zu halten schienen. Sie pflückte auch solche, die so auffällig gefärbt waren, dass man befürchten musste, sie seien giftig.​
»Du pflückst ja lauter Pilze!«​
Auch ich verwendete manchmal Pilze, aber so gründlich hatte ich noch nie welche gesammelt. In Halkaras Ernte gab es dann tatsächlich auch solche, die ich bisher immer übergangen hatte.​
»Mein Spezialgebiet sind Pilze, weißt du. Übrigens sind die nur für die Medikamentenherstellung gedacht. Unter diesen Pilzen sind auch welche, die man nicht direkt essen darf, weil sie giftig sind.«​
»Stimmt, für Medikamente kann man manchmal Wirkstoffe verwenden, die ansonsten wie Gift wirken würden.«​
»Hier gibt es viele Sorten, die in meiner Heimat nicht wachsen, wahrscheinlich weil das Klima anders ist. Da macht die Ernte richtig Spaß!«​
Halkara pflückte auch weiterhin hauptsächlich, beziehungsweise eigentlich nur Pilze. Sie wirkte eher wie eine Pilzforscherin als eine Apothekerin.​
»Das hier ist ein Morgendämmerung Königspilz. Und hier haben wir einen Großkreispilz. Ui, und da ist sogar ein Maus Kullerpilz.«​
Es gab zwar keinen Pilz, den ich vom Namen her nicht kannte, aber viele, die ich noch nie für Medizin verwendet hatte.​
Es hieß, dass sich auch die von Hexen hergestellten Medikamente von Region zu Region unterschieden. Eigentlich klar, da in jeder Region andere Pflanzen wuchsen. Außerdem konnte man im Wald auf Monster stoßen, was allerdings für mich persönlich keinerlei Gefahr bedeutete. Jedes Mal, wenn ein Monster erschien, das Halkara anzufallen drohte, erlegte ich es und sammelte die Zaubersteine ein. Irgendwann fanden wir uns in einer großen Pilzvorlesung durch Halkara wieder. Da es sehr lehrreich war, hörte ich ihr ernsthaft zu.​
»Dieser Pilz ist giftig.«​
»Ja, ich weiß. Das Rot ist so übertrieben tief, dass ich ihn schon immer verdächtig fand.«​
»Aber wenn man ihn zehn Minuten kocht, werden die Giftstoffe zerlegt und lösen sich in Nichts auf! Dann kann man ihn sogar als leckeren Speisepilz servieren!«​
»Echt? Das wusste ich nicht!«​
»Gourmets lassen sogar noch ein kleines bisschen Gift übrig, wenn sie ihn essen. Es heißt, das mache die Stimmung flauschig und fühle sich unheimlich angenehm an.«​
Nun, es gab immer Leute, die mit ihrem Leben spielen mussten.​
»Und dieser kleine Kullerpilz wird aufgrund seiner Größe kaum beachtet, aber er hat eine interessante Konsistenz und setzt bemerkenswerte Akzente in einem Gericht, wenn man ihn mit brät.«​
»Was, den kann man auch essen? Das ist nicht einmal in unserem Dorf bekannt.«​
»Na ja, er macht nicht richtig satt und wird normalerweise auch nicht in Läden verkauft.«​
Während mir die Pilzmeisterin Verschiedenes beigebracht hatte, war es bereits Mittag geworden. Wenn man mit einer Fachfrau sprach, konnte man lernen, dass es auch in einer alltäglichen Umgebung viele unbekannte Dinge gab. Die Welt sah aus den Augen einer Spezialistin anders aus. Das war ein lehrreicher Ausflug gewesen. Außerdem hatte sich mein Kochrepertoire um einige Pilzgerichte erweitert. Ich nahm mir vor, sie demnächst für Laika und meine Töchter zu kochen.​
»Ich habe nicht erwartet, dass die Kräutersuche heute so anregend werden würde. Danke!«​
Ich hatte mehr gelernt, als ich erwartet hatte. Ein Hoch auf Halkara!​
»Ach, ich bitte dich. Ich freue mich, dass es dir Spaß gemacht hat. Hier wachsen auch viele Heilkräuter, die ich nicht kenne. Ich würde mich freuen, wenn du mir nächstes Mal etwas über sie beibringen könntest, große Meisterin.«​
Was die Pflanzen anging, schien ich mich als lokal Ansässige tatsächlich besser auszukennen als Halkara. Sie kannte sich nicht automatisch in allen Bereichen der Medizin perfekt aus, nur weil sie eine Elfe war. Natürlich hatte ihr Wissen Grenzen, wenn es um Pflanzen ging, die in ihrer Heimat nicht wuchsen.​
»Und als uns Monster angegriffen haben, hast du sie besiegt!​
Die Gerüchte, dass du sagenhaft stark bist, waren also wahr!«​
»Die Monster aus diesem Wald sind für mich wirklich kein Problem.«​
Ich war nicht umsonst Level 99. Gegen so unbedeutende Monster wie sie in unserem Wald vorkamen, konnte ich gar nicht verlieren. Ich hatte nur Schleime und riesige Monsterhasen erlegt, aber Halkara war beim bloßen Anblick der Monsterhasen schon hektisch geworden.​
»Lass uns zu Mittag essen. Es gibt Sandwichs.«​
Es waren die, die ich am Morgen zubereitet hatte.​
»Vielen Dank! Aber es ist nicht richtig, dass du alles für mich machst, große Meisterin. Ich werde mir erlauben, auch ein Gericht für uns kochen!«​
Mit diesen Worten zog Halkara einen Rost und etwas, das mm in Japan als Spirituslampe bezeichnete, hervor. Irgendwie erinnerte mich das an Kochexperimente aus uralte Zeiten. Sie begann, ihre Ausrüstung auf flachen Steinen zu stapeln. Es sah aus wie ein einfacher Grill.​
»Wenn ich Pilze sammeln gehe, liebe ich es, die essbaren Pilze auf dem Rost zu grillen und gleich zu genießen! Dort hinten ist auch ein kleiner Bach, an dem wir sie waschen können.«​
»Gegrillte Pilze also. Das klingt lecker. Aber misch bloß keine​
giftigen rein.«​
Halkara schlug sich auf die Brust.​
»Keine Sorge! Mein Wissen über Pilze ist perfekt!«​
Gut, dann wollte ich mal den Kenntnissen einer Spezialistin vertrauen. Während wir die Pilze grillten, aßen wir die Sandwichs und warteten.​
»Oh, die kleineren sind gleich fertig!«​
Halkara zog eine Flasche mit einer schwarzen Soße hervor.​
»Diese Soße heißt Elvin. Sie ist ein so fester Bestandteil der Elfenernährung, dass selbst in ihrem Namen das Wort „Elfe“ mitklingt.«​
Sie träufelte ein wenig von der Soße auf die fertigen Pilze. Die heißen Pilze gaben ein zischendes, appetitanregendes Geräusch von sich. Durch das Grillen war Saft aus den Pilzen ausgetreten und sammelte sich in einigen Hüten wie eine Suppe. Hm? Dieser Duft erinnerte doch ein wenig an Sojasoße!​
»Für die Herstellung von Elvin werden verschiedene Sorten Bohnen vergoren. Ich finde die Soße so lecker, dass sie sich ruhig im ganzen Land verbreiten könnte, aber sie wird nicht viel produziert.«​
Es war tatsächlich eine Verwandte der Sojasoße! Ich stieß eine Gabel in einen gegrillten Pilz. Da er heiß war, pustete ich erst ordentlich, bevor ich ihn in den Mund steckte.​
»Waaaaah! Ist das lecker!«​
Simpel ist am besten! Es schmeckte wunderbar! Und Elvin schmeckte vom Typ her tatsächlich so ähnlich wie Sojasoße. Es roch zwar etwas stärker, aber das lag vermutlich an der Art der Fermentation.​
»Jetzt einen Drink! Es wäre herrlich, jetzt etwas zu trinken zu haben!«​
Warum gab es hier kein Bier? Zu gerne hätte ich jetzt eins gehabt. Übrigens gab es auch in dieser Welt ein alkoholisches Getränk, das Bier ähnlich war.​
»Greif ordentlich zu! Jeder Pilz ist einzigartig!«​
Ich hatte nicht gedacht, dass wir im Wald eine Pilzparty feiern würden. Jeder Pilz hatte seinen ganz eigenen Charakter und ich wurde nicht müde, weiter zu essen. Wenn das so weiterging, wurde ich noch zur Pilz Sommeliere.​
»Wir sind noch lange nicht am Ende mit den essbaren Pilzen. Als nächstes kommt der Blumenschirmregenbogenpilz.«​
Halkara fuhr fort, die verschiedensten Pilze zu grillen. Der Farbenreichtum war ebenfalls enorm und ich war überrascht, dass der Wald eine so bunte Mischung beherbergt hatte.​
»Ich hab nicht gewusst, dass es so viele essbare Pilze gibt. Der Wald ist ja eine richtige Schatzkammer.«​
»Aber ja. Wir Elfen leben nicht umsonst im Wald. Man kann die Sachen zu Medizin verarbeiten oder essen. Hi hi hi!«​
Halkara schien auch gut drauf zu sein. In freier Natur ein Feuer zu machen und zu essen, hatte tatsächlich etwas von einer Party.​
»Ich, Halkara, werde den Dorfbewohnern beibringen, wie man die Gaben des Waldes maximal nutzt. Ich bitte um deine Unterstützung! Hi hi hi!«​
»Das ist eine gute Idee! Die Leute werden sich freuen!«​
Da wir keine Drinks hatten, stießen wir stattdessen mit unseren Trinkflaschen an.​
»Meine Töchter und Laika müssen diese Erfahrung auch machen. Ich muss sie über den Reichtum an Pilzen aufklären.«​
»Ja, so was wie heute kann ich mit meinem Wissen immer locker auf die Beine stellen! Hi hi hi hi hi!«​
»Halkara, jetzt lachst du aber zu viel.«​
»Aber wiiirklich. Das finde ich aaauch. Aber ich kann nicht aufhöööören. Hi hi hi hi hi hi hi!«​
Huch? Was sollte das heißen, sie konnte nicht aufhören?​
»Ähm, Halkara, kann es sein, dass du einen Giftpilz erwischt hast?« Ich bin Pilzprofessorin. Ich weiß aaalles über Pilze. Daaas ist ein Braundämmerpilz, daaas ist ein Karmesinmädchenpilz. Und daaas ist ein giftiger Kuhlächelpilz.«​
»Dann war also doch ein giftiger dabei!« Huch …??«​
Halkara erstarrte für eine Weile.​
Oooh, ach so, ach so. Ich habe zwar reiche Kenntnisse, aber beim Sortieren bin ich nicht so genau, und da hab ich einen giftigen Pilz zu den essbaren gelegt. Hi hi hi hi hi hi hi!«​
»Du nutzt dein Wissen nicht richtig!«​
Da hatte der schludrige Charakter das Fachwissen also ausgestochen!​
»Ist es eigentlich in Ordnung für dich, Gift gegessen zu haben?​
Solltest du es nicht ... besser erbrechen?«​
»Aaach, kein Problem. Von dem muss man nur lachen. Ich lache lediglich eine Stunde lang. Hi hi hi.«​
Es war kein schallendes Gelächter, sondern sie wiederholte ständig mit einem Lächeln dieses „Hi hi hi“, was es noch unheimlicher machte. Naja, der Pilz hieß ja auch Kuhlächelpilz.​
»Da bei mir nichts ausgebrochen ist, gehe ich davon aus, dass ich keinen davon gegessen habe. Ich erinnere mich auch nicht, etwas davon angerührt zu haben.«​
»Stimmt. Hi hi.«​
Das von eben klang affektiert.​
»Jetzt hab ich aber Angst. Könntest du mal die restlichen Pilze kontrollieren? Du hast ziemlich viele Sorten auf die Seite mit den essbaren gelegt.«​
»Gut, dann sehe ich alle durch. Der Streifenwellenpilz ist ungiftig, der Orangene Schmalpilz auch. Der Dreieckige Kastanienpilz ist giftig.«​
»Also noch ein giftiger!«​
»Waaah! Stimmt! Der gehörte eigentlich in den Medizinbereich!«​
Ob es gut gehen konnte, wenn eine Person wie sie Medikamente herstellte …? Ich konnte mir richtig gut vorstellen, wie sie unbefangen sagte:​
»Oooh, Entschuldigung, das war ein bisschen mehr als die tödliche Dosis!«​
»Den hatte ich auch noch nicht probiert. Glück im Unglück sozusagen.«​
»Ich hab einen davon gegessen.«​
Sie schien ein wandelnder Lebendkörperversuch zu sein. Übrigens war Halkara wegen des Gifts durchgehend am Lächeln, selbst wenn kein Kichern über ihre Lippen kam.​
»Und was für Symptome bringt der Pilz hervor …?«​
»Man fühlt sich körperlich wie seelisch moderat euphorisch, wird aber nicht abhängig wie bei einer Droge. Manchmal mische ich geringe Mengen dieses Pilzes in Pulverform in ein Medikament und verschreibe es sehr niedergeschlagenen Leuten. Man sagt, wenn man sehr viel davon einnimmt, wirkt es wie ein Aphrodisiakum.«​
»Aphrodi... ?«​
Ich hatte schon verstanden, hoffte aber, ich hätte mich verhört.​
»Es bedeutet, dass man sich vorübergehend lüstern fühlt. Huch?«​
Halkara starrte mich unverwandt an. Dann tat sie einen Schritt auf mich zu. Ich war beunruhigt und wich einen Schritt zurück.​
»Wieso weichst du zurück, große Meisterin?«​
»Weil es sein kann, dass das Gift gerade bei dir wirkt.«​
Halkara ließ ihre Finger auf eine Art in ihren Ausschnitt gleiten, der ihre Oberweite betonte.​
»Große Meisterin ... Wie wäre es, wenn wir zusammen etwas Schönes machen würden? Ach, komm schon ... bitte!«​
»Nein!«​
Das Gift hatte eindeutig seine Wirkung entfaltet. Ich rannte auf und davon. Da war Gefahr im Anmarsch! Natürlich rannte Halkara mir hinterher.​
»Keine Sorge! Es wird bestimmt richtig schön!«​
»Das ist nicht der Punkt!«​
Wie gut, dass ich Falfa und Shalsha nicht mitgebracht hatte ... So etwas war nun wirklich extrem schlecht für die Erziehung, und es wäre gar nicht witzig gewesen, wenn sie auf meine Töchter losgegangen wäre. Wenn es nur darum gegangen wäre abzuhauen, hätte ich es mir mit meinem Levitationszauber einfach machen können, aber ich konnte nicht zulassen, dass eine sexy Elfe, die gerade in lüsterner Stimmung war, frei im Wald herumlief. Zum einen hatte ich als ihre Lehrmeisterin eine Aufsichtspflicht, und zum anderen musste ich um Halkara fürchten, wenn sie in dem Zustand Jägern aus dem Dorf in die Arme rannte.​
»Moment mal! Ich hatte doch einen Entgiftungszauber im Programm!«​
Schnell streckte ich meinen rechten Arm in Richtung Halkara aus. Aber ... um einen Entgiftungszauber wirksam zu machen, musste man sein Gegenüber berühren. Halkara zu berühren bedeutete allerdings Gefahr. Ich fürchtete, sie würde weiß der Himmel was mit mir anstellen, bevor ich sie vollständig entgiftet hatte. Es war wohl doch das Beste zu fliehen ... !​
»Warte auf mich, große Meisterin!«​
»Du kannst froh sein, dass ich eine Frau bin, mein lieber Lehrling...«​
Ich muss gestehen, wenn ich ein Mann gewesen wäre, hätte ich durchaus schwach werden können. So weich wirkte Halkaras Körper und war zudem an genau den richtigen Stellen kurvig. Allerdings war dies keine sportlich vorteilhafte Figur, sodass ich Halkara lenken konnte, indem ich vorlief und mich immer wieder nach ihr umdrehte. Das war wichtig, denn im Wald lauerten immerhin so einige Gefahren. Plötzlich verschwand Halkara aus meinem Blickfeld.​
»Waah! Ich falle, ich falleee!«​
Halkara war ausgeglitten und rutschte einen Abhang hinunter. Überall war weiche Erde, also würde es sie schon nicht das Leben kosten, aber sich den Fuß verstauchen oder ein paar Kratzer abkriegen konnte sie schon.​
»Oh Mann ...«​
Ich drehte mich auf dem Absatz um, streckte meinen Arm aus und ergriff Halkaras Hand. „Geschicklichkeit: 841“. Diese Aktion hatte ich meinem sagenhaften Status zu verdanken.​
»D... Du hast mir das Leben gerettet, große Meisterin.«​
»Du machst ganz schön viel Mühe ...«​
»Du hast mich gerettet. Bedeutet das, dass ich dir etwas bedeute, große Meisterin?«​
»Das Gift wirkt also immer noch ...«​
Später, nachdem Halkara vollkommen entgiftet war, senkte sie wieder und wieder den Kopf.​
»Es tut mir leid. Es tut mir so leid! Ich habe dir viel Unannehmlichkeiten bereitet!«​
»Nun, das mit den Unannehmlichkeiten stimmt. Aber was vorbei ist, ist vorbei, also Lass es uns vergessen.«​
»Ich danke dir!«​
Halkara lächelte. Sie war eine Apothekerin, die viele Fehler machte, aber wenn sie so lächelte, konnte man ihr nicht böse sein. »Aber wenn du noch mal solchen Ärger machst, werde ich jemanden rufen.«​
»Rufen? Wen denn?«​
»Beelzebub.«​
Halkara wurde kreidebleich.​
»Oh nein. Alles, nur das nicht!«​
Nachdem Halkara und ich aus dem Wald nach Hause zurückgekehrt waren, begannen wir am Nachmittag damit, Medikamente herzustellen. Das hatte ich zwar nicht geplant, aber Halkara hatte gesagt, sie wolle Medizin verkaufen, um Geld zu verdienen.​
Zur Arbeit einer Apothekerin gehörte es, Medizin herzustellen und zu verkaufen, und Halkara wollte Geld verdienen und einen Beitrag zu unserer Haushaltskasse leisten.​
»Ich wohne schließlich umsonst hier«, sagte sie, »da kann ich mir nicht noch mehr herausnehmen.«​
Es war bereits alles da, was man für die Herstellung von Medikamenten brauchte. Da ich, eine Hexe, lange Jahre darin gewohnt hatte, gab es in diesem Haus ein extra Zimmer für die Medikamentenherstellung. Es gab auch einen kleinen Raum, in dem ich Pilze und Kräuter trocknete. Schließlich schwächte es die Wirkung einiger Zutaten, wenn sich noch Feuchtigkeit in ihnen befand. Was die Arbeit mit Medikamenten betraf, war Halkara ernsthaft. Sie stellte allerdings weniger Medikamente her, die Krankheiten und Symptome heilten, sondern mehr Mittel, die die Gesundheit erhalten oder den Körper stärken sollten. solche, die man am besten täglich einnahm.​
»So setzt man Naturheilmittel richtig zusammen.«​
»Das verstehe ich. Aber helfen die Mittel auch gegen Krankheiten?«​
»Ist es nicht effektiver, den Körper von Anfang an gesund zu halten?«​
Wenn meine Wertvorstellungen eher der westlichen Medizin entsprachen, vertrat Halkara wohl eher die der asiatischen Medizin. Man konnte nicht sagen, welche von beiden die bessere war. Man brauchte einfach beide. Deshalb war ich dankbar, dass Halkara hier war. Es gab auch für mich viel zu lernen.​
Natürlich hatte auch ich bei meiner Medizin immer darauf geachtet, die Dorfbewohner gesund zu halten, aber ich hatte mich nicht auf Mittel konzentriert, die die Leute regelmäßig einnehmen sollten. Wenn man etwas täglich einnahm, war das auch mit mehr Kosten verbunden und da hatte ich Hemmungen beim Verkauf. Halkaras Mittel hingegen ließen sich einfacher herstellen und so konnte sie auch den Preis niedrig halten.​
Da kam Laika mit einem „Macht doch beide mal eine Pause“ und einem Kräutertee herein.​
»Vielen Dank, Laika. Wie haben sich die Mädchen verhalten?«​
»Nach dem Mittagessen sind sie müde geworden und haben sich gleich hingelegt. Ich glaube, sie sind heute Morgen früher aufgestanden als sonst. Jetzt schlafen sie beide.«​
»Ich würde zu gerne nach ihnen gucken, aber dann wecke ich sie vielleicht. Ich denke, ich verkneife es mir lieber ...«​
Im Schlaf sahen die beiden unheimlich niedlich aus. Besonders, wenn sie erschöpft zusammen in einem Bett Mittagsschlaf hielten, waren sie so süß, dass ich mich ärgerte, dass es in dieser Welt keine Kameras gab.​
»Wie war euer Kräutersammeln?«​
Halkara lief rot an.​
»Ich habe mir einen Schnitzer geleistet ...«​
»Einen Schnitzer?«​
»Es tut mir leid, aber frag bitte nicht nach. Das ist so peinlich, ich könnte tot umkippen ...«​
Ich fand es auch nicht richtig, Salz in die Wunden zu streuen, und schwieg.​
»Falls morgen das Wetter gut wird, möchte ich mit dir ins Dorf gehen und dich den Bewohnern vorstellen, Halkara. Es ist ein kleines Dorf, und deine Anwesenheit wird sich schnell herumsprechen.«​
»Einverstanden. Ich überlasse alles dir, große Meisterin!« Halkara hob bei ihrer Antwort theatralisch den Arm.​
Alles an Halkaras Wesen war irgendwie locker. Sie hatte eine Firma. geleitet und ich wunderte mich, wie das funktioniert hatte, aber vielleicht ließ sich eine derart große Aufgabe auch nur mit einem lockeren Charakter bewältigen. Vorsichtige Menschen gründeten schließlich keine Unternehmen. Auf der anderen Seite war ihr wegen ihrer lockeren Art der Fehler beim Sortieren der Pilze unterlaufen. Es war ihr Vorteil und zugleich ihr Nachteil. Keine einfache Sache.​
»Dann leg auch schon mal die Medizin bereit, die du morgen mitnehmen willst. Wir sagen, das ist Medizin von der neuen Hexe und lassen sie im Laden, der für mich verkauft, auslegen.«​
»Verstanden! Dann ist es wohl besser, wenn man meine von deiner Medizin unterscheiden kann, große Meisterin.«​
»Ja, stimmt. Ich finde diese Pillen zur Regulierung von Magen und Darm und die zur Ergänzung von fehlenden Nährstoffen gut.«​
Ob man das Nahrungsergänzungsmittel nannte? Dann sah ich mir Halkara noch mal von Kopf bis Fuß an.​
»Wir müssen dir auch noch etwas zum Anziehen schneidern lassen ... Die jetzige Kleidung bekam Halkaras Reize einfach nicht unter Kontrolle. Da fehlte letztlich noch ein wenig Stoff.​
»Ach, aber das geht schon. Ich hab den Eindruck, die Robe hat sich schon ein bisschen geweitet, während ich sie getragen habe.«​
»Geweitet ... So so ...«​
Ihr Status war mir egal, aber ich hätte gern ihre Maße gewusst. Zum Abendessen servierten wir die von Halkara gepflückten Pilze. Bevor sie zubereitet wurden, ließ ich sie aber gründlich prüfen, ob auch keine giftigen darunter waren. Natürlich tat Gift niemandem gut, aber ich fürchtete, dass sie bei meinen kleinen Töchtern noch stärkeren Schaden anrichten könnten.​
»Wenn man diese Streifenwellenpilze in Scheiben schneidet, sie mit magerem Hühnerfleisch und Brokkoli brät und anschließend kräftig salzt, ist das richtig lecker. Passt auch gut zu Wein.« Ich nahm die Gelegenheit wahr, um mich in die Küche zu stellen und ihr beim Kochen zuzusehen.​
»Blumenschirmregenbogenpilze werden sehr knackig, also sollten wir sie zu einem Schmortopf geben.«​
Ob sie wohl mit Champignons zu vergleichen waren? Halkaras Essen wurde äußerst gut aufgenommen und auch ich war ziemlich zufrieden. Das Angebot an Essen in unserem Haus auf der Hochebene hatte sich jedenfalls dank Halkara deutlich erweitert.​


 
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Edward Teach

Anime-Pirat
VIP
Beelzebub war da

Am nächsten Tag war der Himmel klar und blau, und so ging ich mit Halkara ins Dorf. Auf dem Weg tauchten wieder Schleime auf, die ich gewissenhaft erlegte. Die Zaubersteine nahm ich an mich.​
»Du bist wirklich schnell im Schleime töten, große Meisterin.«​
»Ich mache das schließlich seit 300 Jahren. Wahrscheinlich bin ich schon so etwas wie die Bewahrerin eines traditionellen Kunsthandwerks. Probier es auch mal, Halkara.«​
Halkara schwang ihren Eichenstab wild in der Gegend herum.​
»Haa! Haaa!«​
Es bebte. Ihre mächtige Oberweite bebte. Man konnte sie fast nicht mehr von den Schleimen unterscheiden.​
»Puh. Wenigstens einen habe ich erwischt.«​
»Ich beneide dich.«​
»Wie bitte? Worum?«​
»Ach, nichts.«​
Wahrscheinlich gab es auch Nachteile wie verspannte Schultern, aber ich hätte gerne nur für einen Tag einmal erfahren, wie es sich anfühlte, so gebaut zu sein wie Halkara.​
Während wir uns so ein wenig Geld zusammen verdienten, erreichten wir schließlich Flatta. Dort war es so friedlich wie immer.​
»Die Luft eines Dorfs in der Hochebene ist köstlich.«​
»Ja, das sagt man. Ich kann das allerdings nicht beurteilen, weil ich diese Gegend noch nie verlassen habe und den Unterschied nicht kenne.«​
Zunächst einmal wollte ich eine gemütliche Runde durchs Dorf drehen. Da sie mit uns wohnen sollte, wollte ich Halkara so schnell wie möglich vorstellen. Würde man sie für eine mysteriöse Elfe halten, wäre die Gefahr, dass sich Gerüchte verbreiteten, größer. Wenn ich dem zuvorkam und sie als meinen Lehrling vorstellte, würden die Leute das so akzeptieren. Wenn ich es mir recht überlegte, war meine Familie in letzter Zeit schlagartig gewachsen. Wenn man lange lebte, gab es offensichtlich Phasen des sprunghaften Familienwachstums. Bestimmt war das so. Als erstes wollte ich durch die Hauptstraße mit den Geschäften laufen. Wenn wir Leute trafen, wollten wir sie mit einem fröhlichen „Guten Morgen“ begrüßen. Ich fühlte mich wie eine Politikerin kurz vor der Wahl. Natürlich war es nicht mein Hauptanliegen, die Leute zu grüßen. Ich wollte ihnen natürlich vor allem Halkara vorstellen. Zuerst sah ich ein altes Mütterchen vorbeilaufen.​
»Guten Morgen!«​
»Oh, die ehrwürdige Hexe der Hochebene. Guten Morgen.«​
In diesem Dorf gab es niemanden, der mich, die Hexe der Hochebene, nicht kannte. Und meine Unterstützungsrate betrug 100 Prozent. Das war ein Zustand, den es eigentlich nur in Diktaturen gab. Hier handelte es sich allerdings um das Vertrauen, das ich mir in 300 Jahren aufgebaut hatte.​
»Ich bin heute gekommen, um euch meinen neuen Lehrling vorzustellen. Sie ist eine Elfe und heißt Akikana.«​
»I... Ich heiße Akikana ... Ich stelle Medizin her. Ich werde mich sehr bemühen!«​
»Oho, eine Elfe. Man bekommt nur selten welche zu Gesicht.​
Freut mich, dich kennenzulernen.«​
Gut, die Erste war schon mal überzeugt.​
Wenn ich diese Prozedur immer weiter fortführte, würde Akikana bestimmt bald im ganzen Dorf akzeptiert sein. Es würde keinen geben, der dachte, eine dubiose Elfe sei aufgetaucht. Akikana war natürlich ein Deckname. Wenn ich sie als Halkara vorstellen würde, könnte sie bei den Leuten auffliegen, die den Steckbrief kannten. Aber unsere Vorstellungsrunde schlug nach einer gewissen Zeit eine seltsame Richtung ein. Einer von zwei Dorfbewohnern reagierte irgendwie seltsam. Zuerst wusste ich nicht warum, aber nach und nach dämmerte mir der Grund. Fast 100 Prozent der Männer starrten auf Halkaras Oberweite. Als dann ein Mann: »S.. So eine Oberweite habe ich im Dorf noch nie gesehen« und ein kleiner Junge „Oh, deine Brüste sind ja riesengroß“ riefen, war die Sache klar.​
»Sag mal, achten alle Männer immer nur darauf? Es gibt ja überhaupt keine Ausnahme!«​
War es möglich, dass wir hier eine Rate von 100 Prozent erreichten? Gab es nicht mal einen unter zehn, der kein Fan von Riesenbrüsten war? Ein Bekanntheitsgrad von 100 Prozent war ja denkbar, aber das hier war etwas völlig anderes.​
»Ach ... Das ist immer so. Ich merke schon, wie ich angestarrt werde. Es ist mir zwar peinlich, die Aufmerksamkeit von Männern auf mich zu ziehen ... aber das ist wohl mein Schicksal.«​
Halkara schien aufgegeben zu haben. Es war offensichtlich gar nicht so einfach, eine große Oberweite zu haben.​
»Selbst Leute, die kleine Brüste besser finden, starren erst einmal, wenn sie große sehen. Es ist so, wie wenn man einen besonders hochgewachsenen Menschen sieht und sich erschreckt.«​
»Verstehe.«​
»Also, hab Vertrauen in dich, große Meisterin.«​
»He! Rede nicht so, als wenn ich kein Selbstvertrauen hätte!«​
»Man kann auch mit einer kleinen Oberweite voller Selbstvertrauen leben!«​
»Sag nicht klein, noch dazu so direkt! A... Außerdem ist sie gar nicht klein!«​
Was für ein unverschämter Lehrling.​
Anschließend suchten wir den Gemischtwarenladen des Dorfs auf. Das war der Laden, den ich beauftragt hatte, meine Medizin zu verkaufen. Ich hatte vor, dort auch Halkaras Mittel zu Platzieren. Da es keinen Grund gab, dies abzulehnen, kamen wir schnell überein.​
»Ich bin Akikana, eine Elfenapothekerin. Ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit. Hier sind Tabletten, die ich hergestellt habe. Diese sind gut für Magen und Darm und diese können als Nahrungsergänzung eingenommen werden.«​
Der Ladenbesitzer erwiderte:​
»In Ordnung. Da du ein Lehrling der ehrwürdigen Hexe bist, werden sie sich bestimmt gut verkaufen«, doch dann verdüsterte sich seine Miene auf einmal.​
»Sag mal, junge Frau ... Du bist Apothekerin, nicht wahr? Wie lange arbeitest du schon in diesem Beruf?«​
»Ach, machen Sie sich vielleicht Sorgen wegen der Zusammensetzung, weil ich gesagt habe, ich sei gerade erst in die Lehre gegangen? Ich bin zwar erst kürzlich hier Lehrling geworden, aber ich bin schon mehrere Jahrzehnte als Apothekerin tätig!«​
»V... Verstehe. Als Elfenapothekerin arbeitest du also schon lange ...«​
Wieso wirkte das Gespräch nur wie ein Verhör? Gab es etwas​
an ihr, was sie verdächtig machte?​
»Ach ja. Aus welcher Provinz stammst du eigentlich?«​
»Aus der Provinz Flant.«​
»Aha ... Nun, mach dir keine Gedanken. Es muss sich um einen Irrtum handeln. Ganz bestimmt ...«​
Ich wollte ihn zu gerne fragen, was er damit meinte, aber ich fürchtete, damit schlafende Hunde zu wecken, und so ließ ich es sein und verließ den Laden.​
»So. Das Wichtigste wäre erledigt. Jetzt beenden wir noch die Vorstellungsrunde und dann gehen wir nach Hause.«​
»Ja. Aber sag mal ... Ich hatte vorhin den Eindruck, ganz schön über meine Herkunft ausgefragt worden zu sein. Aus welcher Provinz ich komme zum Beispiel ...«​
»Vielleicht ist ihm deine Art zu reden aufgefallen? Je nach Region ist die Intonation doch ein bisschen anders. Ha ha ha ...«​
Während wir unsere Runde fortsetzten, wurde Halkara ständig angestarrt. Vorhin waren es nur die Männer gewesen, die auf ihre Oberweite geguckt hatten, aber nun richteten sich auch vermehrt die Blicke der Frauen auf sie. Irgendetwas stimmte nicht ... Besonders, weil sich die Veränderung in so kurzer Zeit vollzogen hatte.​
Zum Schluss schauten wir noch bei der Gilde vorbei.​
»Guten Morgen, Natalie. Heute bin ich hier, um dir meinen Lehrling vorzustellen.«​
»Aaaaaah!«​
Aus unerfindlichen Gründen sprang Natalie von ihrem Stuhl auf und wich zurück. Warum diese Reaktion, als wenn sie ein Gespenst gesehen hätte?​
»Ich bin die Elfenapothekerin Akikana. Freut mich, dich kennenzulernen.«​
»Bist du diejenige, die in der Provinz Flant den Nährschnaps hergestellt hat?«​
»Oooh, woher weißt du das? Ich hätte nicht gedacht, dass er sogar in dieser so weit entfernten Gegend bekannt ist. Das freut mich richtig.«​
Hektisch stieß ich Halkara in die Seite. Zuzugeben, dass sie den Nährschnaps herstellte, folgte eindeutig dem falschen Drehbuch!​
»Oh, ach ja ... ähm, den Nährschnaps hat eine entfernte Verwandte von mir hergestellt. Sie heißt Halkara und ist ziemlich trottelig. Sie hat aus Versehen sogar schon das eine oder andere Mal giftige Pilze gegessen ...«​
Halkara begann nach Kräften, die Sache wieder gerade zu biegen.​
»Ach so ... Heute Morgen ist nämlich ein Abenteurer in die Gilde gekommen. Und er hat darum gebeten, benachrichtigt zu werden, wenn diese Person auftaucht ...«​
Natalie zog ein Blatt hervor - Es war das Fahndungsplakat, das Halkara uns gezeigt hatte. (Es war allerdings von der Dämonensprache in die Menschensprache übersetzt worden.)​
»Uwaaaaaah! Es hat die Runde gemaaaaaaacht! ! ! ! ! ! !«​
Halkara schrie. Auch mir war zum Schreien zumute. Deswegen hatten also alle Halkara angestarrt. Sie hatten sie verdächtigt, die gesuchte Elfe zu sein ... Wie gut, dass wir einen falschen Namen angegeben hatten ...​
»Wirklich, eine Elfe aus Flant? Das ist aber ein Zufall. Aber da sie anders heißt, hat sie mit meinem Lehrling Akikana nichts zu tun. Oh ja, gut, dass sie nichts miteinander zu tun haben.«​
Ich wollte uns mit Gewalt aus der Sache raus boxen.​
»J... Ja ... Das ist wahr.«​
»Ach, übrigens. Wohin ist denn der Abenteurer, der dieses Fahndungsplakat gebracht hat, gegangen?«​
»Er hat vorhin eine schnelle Runde gedreht und das Dorf nach einer Elfe abgesucht, aber da er keine gefunden hat, ist er ins nächste Dorf aufgebrochen.«​
Wir hatten uns also punktgenau verpasst. Das war Glück im Unglück, aber irgendwann würde es herauskommen. Wir mussten uns dringend ganz schnell eine Gegenmaßnahme ausdenken.​
]​
Halkara und ich verließen das Dorf noch vor Mittag und gingen sofort nach Hause. Ich hatte nicht gedacht, dass uns das Fahndungsschreiben so schnell erreichen würde. Der Plan, sie als meinen Lehrling auszugeben, war vermutlich nach hinten losgegangen. Ich hätte sie vielleicht zuerst für eine Weile zu Hause verstecken und dann als Lehrling vorstellen sollen ...​
»Fürs Erste darfst du nicht mehr ins Dorf gehen. Wir können von Glück sagen, dass wenigstens keine genaue Personenbeschreibung im Umlauf ist, aber in dieser Gegend gibt es kaum Elfen. Allein, dass du eine Elfe bist, reicht schon, um dich verdächtig zu machen. Im Wald halten sich so gut wie nie Menschen auf, also geh dort hin, wenn du Bewegung brauchst.«​
»Ja ... Ich werde aufpassen.«​
Seit wir zu Hause angekommen waren, zitterte Halkara wie Espenlaub.​
»O... Ob sie hierherkommen? Ob Beelzebubs Verfolger hierherkommen …?«​
»Komm schon, reiß dich zusammen. Dein Gesicht kennen sie nicht, also wirst du durchkommen. Lass uns daran glauben.« Aber es war nicht zu leugnen, dass Gefahr drohte. »Laika, glaubst du, wir können meine beiden Töchter für eine Weile in einem entfernt gelegenen Dorf unterbringen?«​
»Ja, das wollte ich auch gerade vorschlagen.«​
Laika war eine große Hilfe und ich war froh, dass sie da war.​
»Dann übernimm du das bitte.«​
Ich hatte vor, Halkara zu beschützen, aber ich musste auch dafür sorgen, dass meine Töchter keiner Gefahr ausgesetzt wurden. Wenn nicht alle heil aus der Sache hervorgingen, konnte man nicht von einem Erfolg sprechen.​
»Mutter, Shalsha will auch kämpfen ...«​
Shalsha kam zu mir und sah mich mit angespanntem Gesichtsausdruck an.​
»Ich wollte dich früher mal besiegen, deswegen will ich diesmal kämpfen, um dich zu beschützen.«​
Ich nahm Shalsha fest in die Arme.​
»Danke, Shalsha. Aber es genügt mir schon, dass du so fühlst. Du bist meine Tochter. Und die Arbeit einer Mutter ist es, ihre Tochter zu beschützen.«​
»Aber ich habe mal in einem Buch gelesen, dass Beelzebub sehr gefährlich ist ...«​
Da kam Falfa angerannt.​
»Shalsha, siehst du nicht, dass du Mama in Verlegenheit bringst? Was du sagst, klingt zwar nach einer guten Tochter, aber in Wirklichkeit ist es das nicht!«​
Auch wenn sie sich sonst sehr kindlich verhielt, merkte man, dass Falfa die ältere Schwester war.​
»Na gut, Schwester.«​
Shalsha gab nach. Falfa streichelte ihren Kopf. Aus Muttersicht war das eine sehr süße Szene. Ich beschloss, ernsthaft darüber nachzudenken, ob es nicht möglich war, ein Gerät mit Kamerafunktion zu zaubern.​
»Meisterin Azusa, der Feind ist ein hochrangiger Dämon. Vielleicht ist es besser, den Bannkreis noch einmal zu verstärken. Es gibt einen von Menschen überlieferten Bannkreis, der Dämonen abwehrt. Ich denke, so einen wirst du mit deiner Fähigkeit Zauber erschaffen hinbekommen.«​
»Das ist eine gute Idee, Laika. Darüber habe ich auch schon einmal in einem Zauberbuch gelesen.«​
»Dann nehme ich jetzt meine Drachengestalt an und werde die beiden wegbringen. Ich werde aus der Ferne darum beten, dass du im Kampf von Glück gesegnet sein wirst!«​
»Ja, alles klar. Gute Reise.«​
Ohne zu Mittag zu essen verließen die drei eilig das Haus und flogen davon. Es tat mir leid darum, da Laika für uns alle gekocht hatte, aber Sicherheit ging vor. Ein Insekt flog in der Nähe des zurückgelassenen Essens herum. Das war nicht besonders hygienisch, also fror ich die Reste mit dem Eiszauber ein. Dann trat ich nach draußen und versah das Haus mit einem Bannkreis, der Dämonen abwehrte.​
»Vielleicht kann ein hochrangiger Dämon ihn durchbrechen, aber er wird dafür Kraft verschwenden müssen und das ist schon mal gut.«​
Mein Level grenzte schließlich an einen Cheat. Ich vermutete daher, dass die Wirkung des Bannkreises ordentlich war. Zunächst passierte nichts Besonderes. Vielleicht war es tatsächlich noch zu früh, um einen Angriff zu erwarten.​
»Wäre schön, wenn es so bleibt und nichts geschieht.«​
»Man sagt sich schon seit langer Zeit, dass Dämonen eher nachts aktiv werden. Vielleicht findet der Angriff nachts statt?«​
Was ... ? Dann können wir gar nicht in Ruhe schlafen.«​
Auch zur Abendessenszeit wurden wir nicht überfallen. Das Insekt schwirrte noch umher, aber da es in dieser Welt kein Insektengift gab, ließ ich es einfach fliegen. Nach dem Essen trank Halkara einen Nährschnaps. Der war im Grunde genommen Schuld daran, dass sie in diese Notlage gekommen war.​
Ich hab mir angewöhnt, abends einen zu trinken ...«​
Die Flaschen waren relativ schwer, aber Halkara hatte Dutzende von ihnen im Gepäck gehabt. Offensichtlich war das ihr Treibstoff während der Flucht gewesen.​
»Schlaf heute in meinem Zimmer, Halkara.«​
»G... Große Meisterin, stehst du etwa auf Frauen?«​
»Nein! Weil es schwieriger ist, dich zu beschützen, wenn du weiter weg bist, natürlich!«​
Da ich einen tiefen Schlaf hatte, bestand die Gefahr eines Dämonenangriffs auf Halkara, während ich nichtsahnend schlummerte. Das wollte ich auf diese Weise verhindern.​
»J... Ja, selbstverständlich. Bitte entschuldige.«​
Wir trugen Halkaras Bett in mein Zimmer. In einem Bett wollte ich dann doch nicht mit ihr liegen. Es wäre auch schlichtweg zu eng gewesen. In der Nacht konnte ich nicht gut schlafen, weil Halkara so laut im Schlaf redete.​
»Waaas, So groß wie Melonen? Das ist übertrieben! Höchstens wie große Orangen. Ha ha ha. Und mein Po hat Pfirsichgröße. War nur Spaß!«​
Was war das bloß für ein Traum?! Etwas mehr Anspannung wäre angesagt gewesen! Auch am folgenden Tag und einen Tag darauf passierte nichts. Das an sich war mir zwar sehr recht, aber es war lästig, dass man nicht mit Sicherheit wusste, dass keine Gefahr bestand. Wie lange sollten wir dieses Leben weiterführen? Auch an dem Abend trank Halkara ihren Nährschnaps. Das war mittlerweile zur täglichen Angewohnheit geworden. Wenn man ihn trank, konnte man angeblich die Nacht durchmachen. Wir schliefen allerdings, statt uns die Nacht um die Ohren zu hauen.​
»Puuuh, der Nährschnaps gibt einem echt das Gefühl, auch nachts kämpfen zu können.«​
Nun, selbst wenn, gegen Beelzebub wollte ich definitiv nicht kämpfen.​
»Du liebst das Zeug, oder?«​
»Ja, mein Berufsmotto ist: Kreiere immer Mittel, die du selbst gerne einnehmen möchtest. Und du trinkst doch auch davon, große Meisterin. Und das nicht zu knapp.«​
»Bitte? Ich habe nichts davon getrunken.«​
Ich hatte mich von Energydrinks ferngehalten, weil mich das an meine Zeit als Firmensklavin erinnerte.​
»Das kann aber nicht sein. In den letzten Tagen ist außer meinen Flaschen jeweils noch eine weitere pro Tag geleert worden. Jetzt habe ich keinen Vorrat mehr und muss für morgen aus Kräutern neuen herstellen.«​
»Wie ...? Ich habe aber wirklich nichts davon getrunken.«​
»D... Das soll ein Witz sein, oder …?«​
»Nein, kein Witz. In unserer Situation komme ich nicht auf die Idee, Witze zu erzählen.«​
Halkara und ich sahen uns an. Wir waren beide einigermaßen blass.​
Es fühlte sich an, als sei hier etwas im Gange, das gar nicht gut war ... Da kam etwas mit einem lauten Bsssssss auf uns zugeflogen. Ein Insekt. Stimmt, ich hatte schon seit Tagen das Gefühl, dass dieses Insekt immer im Zimmer war. Bei genauer Betrachtung stellte es sich als Fliege heraus. Ich hatte eine sehr ungute Vorahnung.​
»Du, sag mal, Beelzebub ist eine Fliege, oder?«​
»Ja. Ich habe keine persönliche Bekanntschaft gemacht, aber nicht umsonst heißt Beelzebub auch Herr der Fliegen.«​
»Könnte es sein ... dass es diese Fliege ist?«​
Ich zeigte zaghaft auf die Fliege.​
»B... Bestimmt nicht. Das ist nur eine schmutzige kleine Fliege. Ein minderwertiges Geschöpf, das um Pferdeäpfel schwirrt. Es ist bestimmt kein furchterregender Dämon.«​
»Wer ist hier ein minderwertiges Geschöpf?«​
»Große Meisterin, hör bitte auf, Stimmen zu imitieren! Ich hab mich erschreckt! Hebe dir solche Spielchen bitte für friedlichere Zeiten auf!«​
»Was? Ich hab nichts gesagt. Ich bin nicht geschickt genug, um Stimmen nachzuahmen.«​
»Dann kommt diese Stimme ... d ... doch nicht etwa ...«​
Aach Halkaras Augen wandten sich der Fliege zu. Es war schwer, sie zu fixieren, weil sie unruhig in der Gegend umherflog.​
»Ja. Ich bin das.«​
Eine kleine Wolke von weißem Rauch stieg auf.​
Und dann stand ein Mädchen vor uns, das aussah wie eine mächtige Ritterin. Sie hatte ein Rock ähnliches Kleidungsstück an, mit so hohen Schlitzen, dass es wie ein Trikot wirkte.​
Da sie einen ledernen Schwertgurt umgeschnallt hatte, sah sie jedenfalls nicht aus wie eine adlige Prinzessin. Wer war dieser Chara, der aussah wie eine Cosplayerin in der Rolle einer bösen Gangsterchefin ... ? Was ihr Äußeres betraf, fielen zunächst einmal ihre Hörner auf. Sie hatte langes, silberweißes Haar und im Kontrast dazu dunkel gebräunte Haut. Sie wirkte äußerlich etwa so alt wie ich, also wie eine Highschool Schülerin. Aber in dieser Welt war es nutzlos, jemandes Alter nach seinem Aussehen zu beurteilen, daher hatte ich keine Ahnung, ob sie jünger war als ich.​
»Mein Name ist Beelzebub. Ich vermute, ich muss mich nicht weiter vorstellen, nicht wahr?«​
Dass Beelzebub höchstpersönlich kommen würde .. . Aber ich hatte nicht erwartet, dass Beelzebub weiblich war. Bei so einem komischen Namen konnte man allerdings nicht sagen, ob er männlich oder weiblich wirkte.​
»Ja, weil ich mich in eine Fliege verwandeln kann, nennt man mich auch »Herr der Fliegen. Tut mir leid, dass ich ein minderwertiges Geschöpf bin. Ich möchte mich hier und jetzt dafür entschuldigen.«​
Beelzebub legte die Hand auf die Brust und verbeugte sich höflich. Ob sie der Typ war, mit dem man über alles reden konnte?Nein, die Geste von eben war garantiert ironisch gemeint. Außerdem waren in solchen Fällen in der Regel die höflichen Typen böse und stark. Ich musste auf der Hut sein.​
»Uh ... Uuuuuuuhh ... Das mit dem minderwertigen Geschöpf war nur so eine Floskel. Ich hatte nie vor, zu dem großen und mächtigen Beelzebub so etwas zu sagen ... niemals!«​
Halkara war vor Schock kurz vorm Umkippen. Um nicht zu sagen, ihre Beine hatten schon nachgegeben und sie saß auf dem Boden.​
»Nun, du kannst mich gern ein minderwertiges Geschöpf nennen. Obwohl ich mich frage, was Elfen dann für Existenzen sind, die sich von minderwertigen Geschöpfen einschüchtern lassen.«​
»E. .. Elfen sind nichts weiter als Staub ... Sie dienen anderen Lebewesen nicht mal als Nahrung ... Uuuuuh ...«​
Um mit dem Leben davonzukommen, machte sie das Elfenvolk nieder, dass es nicht mehr feierlich war!​
»Und ich habe diesen Staub den ganzen Weg bis hierher verfolgt.«​
Beelzebub zog einen prächtigen Fächer, der mit einer Menge Federn versehen war, hervor und fächelte sich Luft zu. Ein süßer Duft nach Obst machte sich im Zimmer breit. Ob das an diesem Fächer lag?​
»Ich liebe den Duft von vollreifen Früchten. Deswegen benutze ich einen Fächer, der mit einem solchen Duftstoff getränkt ist. Nebenbei gesagt, das ist nicht der Geruch von faulen Früchten. Fäulnisgeruch mag ich nicht. Werft niemals den König der Fliegen und eine gewöhnliche, schmutzige Fliege in einen Topf.«​
Es war schwierig zu sagen, ob sie sich nun mit Fliegen identifizierte oder nicht.​
»Du warst von Anfang an in diesem Haus, stimmt's?«​
Dass sich der Gegner schon so früh eingeschlichen hatte, hatte ich nicht einkalkuliert. Aber es war mir zumindest gelungen, meine beiden Töchter und Laika an einen sicheren Ort zu schicken, und das war gut.​
»So sieht es aus. Das Gerücht, hier halte sich eine Elfe auf, hat mich schnell erreicht. Fliegen lieben Gerüchte und duftende Früchte. Aber auf keinen Fall mögen sie Fäulnisgeruch.«​
Störte es sie, man könne denken, sie habe eine Vorliebe für Verfaultes?​
»Und wieso hast du dich nicht gleich zu erkennen gegeben? Du warst doch schon im Haus …?«​
»Ich verbringe meine langen Ferien gerne damit, in Fliegengestalt gemütlich durch ein Haus zu Summen.«​
Das nannte ich mal eine originelle Art, seine Freizeit zu verbringen! Endlich habt auch ihr mich bemerkt. Das passt mir gut, denn meine Ferien gehen langsam zu Ende.«​
Das wollte ich mir allerdings verbitten, dass jemand ungefragt seine Ferien in meinem Haus genoss. Am liebsten würde ich ihr Übernachtungsgebühren abknöpfen.​
»So, Hexe der Hochebene. Von dir will ich nichts Besonderes. Ich würde mich allerdings freuen, wenn du mir einen Tee anbieten würdest, wo ich schon mal hier bin. Da du aber keine Untergebene von mir bist, überlasse ich die Entscheidung dir. Ich bin gekommen wegen ...«​
Beelzebub warf einen strengen Blick auf Halkara, die auf dem Boden zusammengesunken war.​
»Halkara. Du bist die ganze Zeit über geflohen und es war nicht einfach, dich ausfindig zu machen. Aber es war mir die Mühe wert.«​
»Uh ... Uuuh ... Verschone mich! !... Ich tue auch alles, was du verlangst!«​
»Hm, du tust also alles für mich. Ich hab es genau gehört.« Beelzebub verdeckte ihren Mund mit dem Fächer und kicherte. Jetzt musste klassischerweise natürlich ein:​
»Gut, dann stirb« kommen. Mir blieb nichts anderes übrig. Wenn auch mit Einschränkungen, so war Halkara doch mein Lehrling. Ich breitete meine Arme aus und stellte mich vor sie.​
»Wenn du etwas von meinem Lehrling willst, musst du erst mit mir sprechen, klar?«​
Ich grinste sie furchtlos an. Es war keine Situation zum Lachen, aber gerade dann konnte Lachen hilfreich sein. Beelzebub sah ein wenig eingeschnappt aus.​
»Du willst mich an meinen Plänen hindern? Dich mir entgegenstellen? Das ist aber mutig.«​
»Mein Lehrling scheint dich nicht sehen zu wollen. Würdest du bitte nach Hause gehen?«​
»Ist es nicht häufig so, dass man keine Lust mehr hat zu gehen, wenn man dazu aufgefordert wird?«​
Aus Beelzebubs Rücken wuchsen durchsichtige Flügel. Sie sahen hübsch aus, ihre Form erinnerte aber an Insekten.​
»Das passt mir gut. Ich habe lange nicht mehr gekämpft und bin ein bisschen aus der Übung. Du scheinst was drauf zu haben. Kämpfe gegen mich.«​
»Ich habe schließlich rund 300 Jahre lang Schleime töten trainiert.«​
»Was, nur 300Jahre? Das ist gerade mal ein Zehntel meiner Lebenszeit.«​
Mein Feind war also 3.000 Jahre alt. Aber egal, ich hatte früher chinesisch gegessen, und chinesisches Essen hatte eine 4.000-jährige Geschichte! Das sollte also reichen. Ich hatte es so gelenkt, dass Beelzebub gegen mich kämpfte. Jetzt musste ich nur noch gewinnen und alles wäre im Lot. Ich kämpfte zum ersten Mal gegen einen hochrangigen Dämon, aber egal, es musste nun mal sein.​
»Ä ... Ähm, liebe Hexe der Hochebene ... ich meine, große Meisterin ... I... Ist das wirklich in Ordnung für dich?«​
Ich blickte mich kurz um.​
»Du bist mein Lehrling, also verhalte dich auch so. Die Verantwortung für die Fehler von Untergebenen zu übernehmen, gehört zu den Aufgaben eines Vorgesetzten.«​
Hier hatten wir allerdings einen Kunden, der sich nicht mit einer Entschuldigung zufriedengab, also musste das Ganze mit physischer Kraft gelöst werden.​
»Hör mal, Beelzebub. Wenn ich gewinne, wirst du dich bitte nicht rächen und deine Untergebenen ausschicken,ja?«​
»Natürlich mach ich das nicht. Die Sache ist ein persönliches Anliegen. Deswegen bin ich auch persönlich hierher ans Ende der Welt gekommen.«​
»Oh, da bin ich beruhigt. Jetzt mach ich mir keine Sorgen mehr.«​
Gleich würde ich Beelzebub besiegen und alles wäre prima.​
»Du setzt voraus, dass du den Kampf gegen mich gewinnst.​
Das gefällt mir nicht ..«​
»Wenn ich nicht gewinne, kommen wir nicht weiter.«​
»Wir werden das Gebäude beschädigen, wenn wir hier kämpfen. Lass uns nach draußen gehen.«​
Oh, sie nahm Rücksicht. Dafür war ich ihr dankbar. Jetzt hatte ich überhaupt nichts mehr zu verlieren.​
»Verstanden. Lass uns fair gegeneinander kämpfen.«​
Nachdem ich aus dem Haus gegangen war, erhob ich mich mit dem Levitationszauber und bewegte mich an einen möglichst weit entfernten Ort in der Hochebene. Auf keinen Fall sollte mein erneuertes und erweitertes Haus beschädigt werden. Ich wollte noch lange, lange darin wohnen bleiben. Es war Nacht, und außer dem schwachen Mondlicht, das auf die Erde schien, war es ziemlich dunkel. In gewisser Weise war es Beelzebubs Tag. Einem Teufel stand das hier viel besser als strahlender Sonnenschein.​
»Oho, du bist ganz schön weit geflogen. Ich werde dir folgen.«​
Beelzebubs Stimme war auch aus der Entfernung gut zu hören. Sie schlug mit ihren Flügeln und kam in meine Richtung geflogen. In dem Moment fiel mir etwas wieder ein.​
»Der Bannkreis gegen Dämonen ist noch eingerichtet ..«​
»Pass auf. Ich werde dir zeigen, welch mächtige Kraft hochrangige Dämonen ha ... babababababbbaabbbaaabababababbaaa!«​
Beelzebub stieß Laute wie eine kaputte CD aus und hing wie elektrisiert in der Luft.​
»Der Bannkreis wirkt!«​
Wer hätte gedacht, dass sich der Bannkreis auf dem Weg von innen nach außen als nützlich erweisen würde? Aber meine Gegnerin war nicht umsonst eine hochrangige Dämonin. Sie durchbrach den Bannkreis und drang bis zu mir vor. Sie sah mich allerdings aus tränenden Augen wütend an.​
»Du hast gesagt, wir wollen fair kämpfen! Was war das eben?​
Willst du behaupten, das war ein strategischer Sieg?!«​
»Ähm ... ich ... Als ich den Bannkreis errichtet habe, bin ich nicht davon ausgegangen, dass du schon drin bist. Überhaupt hatte ich ihn völlig vergessen. Es tut mir leid ...«​
Ich senkte den Kopf, weil ich das Gefühl hatte, ganz nah an einem Regelverstoß vorbeigeschlittert zu sein.​
»Oh Mann ... Das verdirbt einem echt den Spaß ... Keuch ... Keuch ... L. .. Los, kämpfen wir.«​
Beelzebub schwankte.​
»Hör mal! Bist du nicht völlig erschöpft?!«​
Der Bannkreis hatte seine Wirkung unerwartet und übermäßig entfaltet.​
»D... Das bisschen macht mir nichts ... Hust, Hust ... Mir ist schlecht ...«​
Beelzebub sank auf die Knie.​
»Außerdem habe ich plötzlich Schüttelfrost ... und leichten Brechreiz.«​
Oll nein, bei ihrem Zustand hätte man in meiner alten Welt getrost einen Krankenwagen rufen können!​
»Keine Chance ... Ich kann mich nicht mehr bewegen.«​
Mir blieb nichts anderes übrig, als Beelzebub zu tragen. Ich hob sie wie eine Prinzessin in meine Arme.​
»Ich bring dich wieder zurück ins Zimmer!«​
»Halt! So prallen wir wieder gegen den Bannkreis!«​
»Stimmt! Puh, beinahe hätte ich dich umgebracht.«​
Ich hatte es tatsächlich schon wieder vergessen. Wenn ich sie auf diese Art besiegt hätte, wären garantiert Scharen von hochrangigen Dämonen angerückt, um Rache zu üben ...​
»Oh, nein. Wenn ich spreche, dröhnt mir der Kopf ganz fürchterlich ...«​
»Keine Sorge, ich löse erst den Bannkreis auf, bevor ich dich rein trage!«​
So schaffte ich Beelzebub zurück in mein Haus.​
»Große Meisterin, da bist du wieder! Das bedeutet, du hast gewonn ... Wah, Beelzebub ist auch dabei!«​
»Ich leg sie ins Bett. Komm, hilf mir!«​
So kam es, dass wir Beelzebub Not behandelten. Ich gab ihr erst einmal Medizin, aber vermutlich brauchte sie ein Mittel, das drastischer wirkte. Sie schien noch ziemlich angeschlagen zu sein.​
»Hnnn ... Ich habe noch nie gehört ... dass solch absurd starke Bannkreise möglich sind.«​
Die Wirkung eines Level 99-Bannkreises musste ungeheuerlich. sein.​
»Sag mal, Halkara, beherrschst du Heilungszauber?«​
»Nein, überhaupt nicht ...«​
»Ich nämlich auch nicht ... Heilungszauber sind Priestern vorbehalten. Ich hab's! Ich kreiere einfach einen.«​
Ich verfügte schließlich über den stärksten aller Zauber: „Zauber erschaffen“. Ich errichtete neben Beelzebubs Kopfkissen eine Art Altar und legte passend wirkende Blätter daneben. Es sah aus wie ein durch geweihte Seile gekennzeichneter heiliger Ort in einem Shinto-Schrein, nur nicht so glückverheißend. Da diese Art Zauber nicht in meinen Fachbereich fiel, legte ich viel Wert auf Atmosphäre. Jetzt musste ich noch einen Zauberspruch aufsagen.​
»Oh, Götter der Erde, lasst dieser Person Führung durch diese Erde zukommen und ... Moment mal.«​
Es gab Videospiele, in denen Dämonen durch Heilungszauber Schaden zugefügt wurde.​
»Du, Halkara, ist es in Ordnung, bei Dämonen Heilungszauber anzuwenden?«​
»I... Ich denke, auch manche Dämonen benutzen Heilungszauber, also dürfte es kein Problem sein.«​
»Gut! Ich vertraue dir! Wenn ihr jetzt noch mehr Schaden zugefügt wird und sie stirbt, bist du schuld!«​
»Waaaaas?! Das ist mir zu viel Verantwortung!«​
Sicherheitshalber änderte ich den Inhalt des Zauberspruchs.​
»Götter der Erde, eure Macht des Chaos hat Gut und Böse noch nicht getrennt. Durch wirkt mich mit eurer Macht. Haaaaah!«​
Ein fahles blaues Licht entsprang meinen Händen. Beelzebubs Gesicht nahm ein wenig Farbe an.​
»Es hat gewirkt! Gut, ich wiederhole das!«​
Nachdem ich den Heilungszauber fünf Mal wiederholt hatte, war der gequälte Ausdruck aus Beelzebubs Gesicht verschwunden.​
»Der Brechreiz hat sich verzogen ... Schüttelfrost hab ich auch nicht mehr.«​
»Puh, ein Glück ... Dann bleib noch eine Weile liegen und ruhe dich aus.«​
Ich wischte mir mit dem Arm den Schweiß von meiner Stirn.​
Mir war es gelungen, ein Leben zu retten.​
Zuerst dachte ich, du wärst eine niederträchtige Person, aber ich scheine mich geirrt zu haben. Hexe der Hochebene, du bist gerecht und nobel.«​
»Wer weiß, wie viel hundert Jahre ich es bereut hätte, wenn du auf die Art gestorben wärst.«​
Ich schien ihr Vertrauen gewonnen zu haben. Das sah nach einer friedlichen Lösung aus. Auch Halkara wirkte erleichtert. Wenn sie sich aufrichtig entschuldigte, würde ihr wohl verziehen werden.​
»Wenn ich mich wieder erholt habe, würde ich gerne einen Nährschnaps trinken.«​
»Aber dann stürzt du dich schon wieder in Lebensgefahr ...«​
»Lebensgefahr? Nein. Natürlich muss man auf die richtige Menge achten, aber er wird einen doch nicht umbringen. Man trinkt ihn schließlich, um zu Kräften zu kommen, oder nicht?« »Hä?«​
Da stimmte etwas nicht. Das klang ganz anders als die Geschichte, die Halkara mir ursprünglich erzählt hatte.​
»Aber mir wurde gesagt, du hättest von dem Nährschnaps hohes Fieber bekommen und seist fast gestorben ... ?«​
»Ach ja. Als ich mal eine Nacht durchgearbeitet habe, hab ich ihn getrunken und war hoch motiviert. Vor lauter überschüssiger Energie habe ich zu viel gearbeitet, bin umgekippt und bekam Fieber. Aber das lag nicht an dem Drink, sondern daran, dass ich meinem Körper zu viel zugemutet habe. Wenn ich mich genügend ausruhe, ist das kein Problem.«​
»Ähm, und wieso hast du Halkara verfolgt ... ?«​
»Ich hab gehört, dass der Nährschnaps nicht mehr hergestellt wird, deswegen wollte ich direkt zur Herstellerin gehen und sie darum bitten, die Produktion wieder aufzunehmen. Da sie allerdings spurlos verschwunden war, musste ich mit einem Plakat nach ihr suchen lassen.«​
[Sie klopfte Halkara auf die Schulter.​
»Ahm, also ... Mir wurde das Gerücht zugetragen, du seist mit Fieber umgekippt und seist fürchterlich wütend auf mich ... Tja, ich schätze, Gerüchten sollte man besser auf den Grund gehen ... ha ha ha.«​
Ja, mit Informationen sollte man wirklich sorgfältig umgehen.​
]​
Als der Morgen dämmerte, stieg Beelzebub aus dem Bett. Sie musste sich zwar noch erholen, aber man konnte durchaus sagen, dass sie gesund war.​
»Du hast also gedacht, ich wolle dich töten. Als hochrangiger Dämon bin ich es gewohnt, gefürchtet zu werden, aber ich hätte nicht gedacht, dass so ein Gerücht im Umlauf war.«​
»Ich bin verzweifelt geflohen ... Die Fabrik werde ich jetzt wieder in Betrieb nehmen. Dabei fällt mir ein: In den letzten Tagen ist der Nährschnaps bei uns im Haus immer weniger geworden. Kann es vielleicht sein, dass ...«​
»Ja. Ich hatte mich bedient. Der Nährschnaps ist wirklich unschlagbar ...«​
Das Missverständnis zwischen Halkara und Beelzebub war nun auch geklärt. Ende gut, alles gut.​
»Ich überlege, ob ich die Fabrik nicht in diese Provinz verlege.« Halkara schien über etwas nachzudenken.​
»Hierher? Warum das denn?«​
»Na ja, es war zwar ein Missverständnis, dass Beelzebub es auf mich abgesehen hatte, aber die Elfen und meine Heimatprovinz haben mich damals im Stich gelassen. Zumindest hat keiner Anstalten gemacht, mich zu beschützen.«​
Wahrscheinlich hatten sie Angst gehabt, weil der Gegner ein hochrangiger Dämon war. Eine einzelne Elfe zu opfern, um heil davonzukommen, war ihnen offensichtlich als nicht zu hoher Preis erschienen.​
»Wenn ich die Fabrik dort wiedereröffne, kommen die Steuereinnahmen dieser Provinz zugute. Und das gefällt mir nicht.«​
»Du bist eher der nachtragende Typ, was?«​
Aber natürlich wäre es nicht schlecht, wenn in der Provinz Nanterre mehr Arbeitsplätze geschaffen würden. Als eine Bewohnerin dieser Provinz sollte ich alles fördern, das Nanterre blühen und gedeihen ließ.​
»Außerdem ... wenn ich hier lebe, kann ich in deiner Nähe bleiben, große Meisterin!«​
Bei diesen Worten errötete Halkara leicht.​
»Aber diese Meister-Lehrling-Beziehung ist doch an sich nur Fake? Du bist eine eigenständige Apothekerin und ich habe nicht vor, dich als Lehrling herum zuscheuchen.«​
»Aber du hast ernsthaft versucht, mein Leben zu retten. Du warst so cool, als du dich vorhin zwischen Beelzebub und mich gestellt hast. Das hat meine Gefühle ins Wanken gebracht und sie wanken immer noch ...«​
Halkaras Blick wirkte ein bisschen fiebrig und das beunruhigte mich.​
»Du... ähm ... stehst jetzt nicht direkt auf Frauen oder so?«​
»Nein, das nicht.«​
»Dann sehe ich kein Problem.« »Ich bin nur metro-flexibel.«​
He! Das war mal ein seltsamer Ausdruck!​
»N... Naja, wir haben noch freie Zimmer. Meinetwegen kannst du bleiben. Fürs Kochen, Putzen und Einkaufen haben wir einen Arbeitsplan, an den musst du dich auch halten.«​
»Ja! Ich werde bestimmt ordentlich arbeiten!«​
Schon wieder ein neues Familienmitglied. Zwei Töchter, zwei Lehrlinge. langsam entwickelten wir uns zur richtigen Hexenwerkstatt. Wenn wir uns nicht blamieren wollten, mussten wir auch m unseren Fähigkeiten der Medizinherstellung, der eigentlichen Hexenarbeit, feilen und uns steigern.​
»Emm. Ihr scheint es lustig zu haben«, sagte Beelzebub und wirkte dabei aufrichtig interessiert.​
»Also, ein hochrangiger Dämon hat aber nicht vor, in ein enges Haus wie dieses einzuziehen, nicht wahr?«​
Wenn Beelzebub hier einziehen würde, hätten die Nachbarn sicherlich Angst. Dabei würde ich mich nicht wohl fühlen.​
»Da ich meine eigene schöne Bleibe habe, hab ich nicht vor, hierher umzuziehen. Aber ich werde ab und an mal bei euch vorbeischauen. Schließlich will ich ja auch ab und an Nährschnaps kaufen. Und wenn ich Halkara aufsuche, bekomme ich ihn wenigstens sicher.«​
Nun, das stimmte. Es war immer am sichersten, direkt beim Erzeuger einzukaufen.​
»Außerdem, Azusa, Hexe der Hochebene. Unser Kampf ist noch nicht entschieden. Nächstes Mal treten wir ohne einen Bannkreis gegeneinander an.«​
»Was ... Du willst zum Kämpfen kommen …?«​
»Keine Sorge, es soll kein Kampf auf Leben und Tod werden. Wenn man so lange lebt wie ich, wird es langweilig. Sieh es als Zeitvertreib an und mach mit. Und gebt mir Bescheid, wenn sonst irgendein interessantes Event ansteht.«​
»Von wegen Bescheid geben ... wie sollen wir dich im Dämonengebiet erreichen?«​
»Es gibt einen passenden Zauber, um mich herbeizurufen. Wenn du ihn nicht kennst, bring ich ihn dir nachher bei. Das scheint mir am praktischsten zu sein.«​
Wie oft hatte sie eigentlich vor zu kommen ... ? Bestimmt war sie der Typ, der sauer wurde, wenn man sich längere Zeit nicht meldete und dann von selbst auftauchte.​
»Jedenfalls war es gut, dass wir das Missverständnis klären koten. Möchtest du vielleicht mit uns essen?«​
»Hm, ja, ich nehme die Einladung an. Wie wäre es, wenn wir bei der Gelegenheit den Tisch raus tragen und im Freien essen? Das fühlt sich mehr nach dem Besuch einer Pension in der Hochebene an und macht bestimmt Spaß.«​
»Das ist zwar umständlich, aber die Idee ist ziemlich gut. Ja, das machen wir.«​
Und so saßen wir schließlich draußen und frühstückten elegant im Freien. Da ich zum ersten Mal die Bekanntschaft eines Dämons machte, stellte ich verschiedene Fragen über die Dämonengesellschaft.​
Frage 1: Wie sieht die Dämonengesellschaft zurzeit aus?​
»Seit mehreren hundert Jahren schon ist die gleiche Dynastie an der Macht. Es gibt keinerlei Ambitionen, in das Gebiet der Menschen vorzudringen, in dieser Hinsicht besteht keinerlei Gefahr. Regiert wird das Land vom König und uns hochrangigen Dämonen.«​
Ein ganz normales Land also.​
Frage 2: Was ist deine Aufgabe, Beelzebub?​
»Als Adlige verwalte ich mehrere Lehen. Innerhalb des Palastes arbeite ich als Landwirtschaftsministerin und treibe die Ausdehnung des Ackerlands voran.«​
Sie war also offensichtlich eine wichtige Person.​
Frage 3: Bist du verheiratet?​
»W... Was soll diese komische Frage ... ? Heiraten ist etwas für Wesen, die schnell altern. G ... Gibt es ein Problem, wenn ich ein unschuldiges Mädchen bin?«​
Trotz ihrer gewichtigen Sprache war sie wohl ein unschuldiges Mädchen.​
Frage 4: Wie sieht dein Leben als Fliege aus?​
»Um es einmal klarzustellen: Nur weil ich mich in eine Fliege verwandeln kann, heißt das nicht, dass ich gerne Dreck esse. Solltest du mir jemals Dreck zum Essen vorsetzen, werde ich dies als Beleidigung einer Dämonenministerin werten und zum internationalen Problem erklären! In der Tat schmecken mir Früchte am besten, wenn sie kurz vorm Verfaulen sind, aber die Betonung liegt auf kurz davor. Wirklich verfault sein dürfen sie auf keinen Fall!​
Den Punkt musste ich beachten. Am besten behandelte ich sie wie einen gewöhnlichen Menschen.​
Gerade überlegte ich mir, Laika zu benachrichtigen, dass eine Evakuierung nicht mehr nötig war, als sie, während wir noch beim Essen saßen, in Drachengestalt angeflogen kam.​
»Ich bin heimlich allein zurückgekommen, um zu schauen, wie die Jage ist, aber wie ich sehe, hat sich das Problem gelöst.«​
»Ja, genau. Du kannst die Mädchen wieder zurückbringen. Um nicht zu sagen, könntest du das noch heute tun, auch wenn es ein bisschen gehetzt ist?«​
Wenn sich schon die Gelegenheit ergab, wollte ich auch dem Rest der Familie den Herrn der Fliegen vorstellen. Am Ende kamen Beelzebub und meine beiden Töchter hervorragend miteinander aus und spielten gemeinsam mit Puppen - nein, das taten sie natürlich nicht. Die beiden fragten Beelzebub nach der Geschichte des Dämonenvolks aus.​
»Aus diesem Grund ist besagtes Fürstengeschlecht untergegangen. Aber wieso interessiert ihr euch für geschichtliche Themen?«​
»Weil es nicht viele Bücher über Dämonen gibt.«​
»Meine Schwester Shalsha liebt es nämlich, Geschichte zu studieren! Und ich liebe Mathematik!«​
»Aha, verstehe. Dann werde ich dir nächstes Mal Bücher über Differential- und Integralrechnung mitbringen, Falfa.«​
Ich verstand nicht alles, aber sie schienen eine intellektuelle Diskussion zu führen. Als Beelzebub an dem Abend ging, sagte sie zu mir:​
»Ich würde gern eine deiner Töchter adoptieren. Wäre das möglich …?«​
»Das ehrt mich sehr, aber nein.«​
So wurde der Fall Beelzebub ohne weitere Zwischenfälle abgeschlossen.​

 
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Edward Teach

Anime-Pirat
VIP
Besuch einer Drachenhochzeit

»Gääähn. Guten Morgen, Laika.«​
Als ich ins Esszimmer trat, waren alle anderen bereits versammelt. Laika war in der Küche und bereitete das Frühstück vor.​
»Guten Morgen, große Meisterin. Wie ungewöhnlich, dass du so spät dran bist«, rief Halkara mir entgegen. Tatsächlich kam es so gut wie nie vor, dass ich nach Halkara aufstand.​
»Guten Morgen, Halkara. Ja, solche Tage gibt es mal.«​
»Du wirst doch nicht mit Laika eine schlaflose Nacht verbracht ...«​
»Bei dir sitzt irgendetwas ziemlich tief, was ... ? Ich hab mich so in ein neues Zauberbuch vertieft, dass ich bis spät in die Nacht wach war. Pass bitte auf, was du sagst, schließlich sind meine Töchter anwesend.«​
»Ja. Es tut mir leid, große Meisterin ...«​
Sie schien aufrichtig reumütig zu sein, also gut.​
»Ich bin noch jung, und ... weißt du, gewissermaßen wünsche ich mir so was wie eine Liebesgeschichte. Es muss nicht meine eigene sein. Ich wünsche mir Romantik in meinem Umfeld!«​
Halkaras Tonfall war feurig.​
»Von wegen jung ... wie alt bist du denn?«​
»Äh ... Siebzehn Jahre ... und 2.500 Monate.«​
»Du bist locker über 200 Jahre alt.«​
Da ich selbst schon 300 Jahre lebte, sollte ich lieber still sein, aber egal.​
»Na ja, als Elfe bin ich noch jung und stehe voll im Saft! Aber lassen wir das mit dem Alter. Gibt es denn kein romantisches Thema zu besprechen?«​
»Ganz ehrlich, nein.«​
Inden vergangenen 300 Jahren hatte es bei mir nichts gegeben, das als Liebesgeschichte durchging. Rein gar nichts.​
»Und wie steht es mit euch, Falfa und Shalsha? Wie sieht es in Sachen Liebe aus?«​
Halkara wandte sich nun an meine Töchter. Beide lebten zwar schon 50 Jahre, aber ich wäre trotzdem schockiert, wenn es hieße, es gäbe einen Jungen, in den sie verliebt seien.​
»Ich liebe Mama!«​
»D... Das geht mir in etwa auch so ..«​
Von den Töchtern gesagt zu bekommen, sie würden einen lieben - das ist ein unbezahlbarer Moment. Wirklich, ich freute mich, am Leben zu sein.​
»Ach, so was meine ich nicht. Habt ihr euch nicht schon mal in einen Mann verliebt? Oder in eine Frau, das geht natürlich auch.«​
»Sag mal, könntest du aufhören, meinen Töchtern seltsame Sachen beizubringen?«​
»Große Meisterin, das hätte den gegenteiligen Effekt! Wenn deine Töchter zu wenig über die Liebe wissen, könnten sie irgendwann verletzt werden. Aus menschlicher Sicht sind deine Töchter in einem Alter, in dem sie sogar Enkel haben könnten.«​
»Umpf, das ist ... ein einigermaßen vernünftiges Argument.«​
Es gab in der Tat keinerlei Grund anzunehmen, dass sich meine Töchter in Zukunft nicht verlieben würden. Aber sie sahen nun mal aus wie Zehnjährige ... Wäre es da nicht besser, ihnen nichts Unnötiges beizubringen?​
»Mutter, worüber zerbrichst du dir den Kopf?«​
Shalsha reagierte immer schnell darauf, wenn sie den Eindruck hatte, ich sei besorgt.​
»Ich denke gerade darüber nach, wie ich euch erklären soll, was Liebe ist.«​
»Liebe ist das wunderbarste Geschenk Gottes an die Menschheit. So lautet die theologische Auffassung.«​
»Hmmm ... Theoretisch ist das richtig, aber etwas passt hier nicht.«​
»Und wenn Liebe entsteht, entwickelt sich an der Oberfläche ein genussvolles Gefühl, doch dieses Gefühl ist nicht die Liebe selbst, sondern vielmehr so etwas wie ein Nebel, der die Liebe verschleiert, weshalb man auf der Hut sein und sich nicht davon verführen lassen soll. So interpretiert es die Theologie.«​
Huch? War ich es etwa, die sich gerade über die Liebe belehren ließ?​
»Der neueste Trend in der Theologie ist, die Liebe in vier Kategorien aufzuteilen, nämlich: die absolute Liebe Gottes, Familienliebe, freundschaftliche Liebe und romantische Liebe. Aber das wird zu lang, ich erkläre es dir später, ja?«​
»Ja... Danke ...«​
Mit der Liebe war es tatsächlich keine leichte Sache. Und irgendwie hatte sich das Gesprächsthema geändert, denn es ging nicht mehr um Romanzen, sondern um Liebe an sich. Ich hatte schon mal gehört, dass der Grundgedanke dieser beiden Begriffe völlig unterschiedlich war und ... jedenfalls konnte ich nicht mehr folgen. Während ich mit gequältem Gesichtsausdruck dastand, erschien Laika mit Tellern voller Essen.​
»Hier. Ich hab Brote mit Rührei gefüllt. Passt auf, dass ihr euch nicht verbrennt.«​
Stimmt. Ich konnte Laika auch einmal zu ihren Erfahrungen in Liebesdingen befragen.​
»Sag mal Laika, warst du eigentlich schon mal verlie ...«​
»Oh, ich hab vergessen, dich über etwas zu informieren, Meisterin Azusa!«​
Laika setzte die Teller ab und schlug die Hände zusammen.​
»Ich werde zu meiner Familie nach Hause zurückgehen.«​
Einen Moment lang blieb mir der Mund offen stehen.​
»... W ... W ... Waaaaas?! Was ist passiert? Bist du unzufrieden mit dem Leben hier? Wenn du unzufrieden bist oder Sorgen hast, musst du offen mit mir darüber sprechen! Ich werde auch Fehler verbessern!«​
Ich erinnerte mich daran, wie früher eine jüngere Mitarbeiterin meiner Firma gekündigt hatte. Ich hatte ihr geraten, wenigstens so lange durchzuhalten, bis sie einen neuen Job gefunden hätte. Aber da ich selbst an Überarbeitung gestorben war, war ihre Entscheidung wohl klug gewesen. Lieber arbeitslos sein als an Überarbeitung sterben ... Oh nein. Meine Erinnerungen drängten mir den Gedanken auf, dass Aufgeben eine gute Sache war.​
»Laika, hab ich als Hexe etwas falsch gemacht ... ? Waren meine Lehrmethoden schlecht? Bitte sag mir, was es ist!«​
»Ahm, Meisterin Azusa? Was ist los mit dir?«​
»Was los ist? Für mich gehört ein Lehrling auch zur Familie! Natürlich verliere ich die Fassung, wenn du mir sagst, dass du ausziehen willst!«​
Ich hatte Laika wirklich viel zu verdanken. Unser erster Kontakt war zwar kämpferischer Natur gewesen, aber heute war auch das Teil einer schönen Erinnerung.​
»Beruhige dich erst einmal, Meisterin Azusa!«​
»D... Das kann ich nicht ... Du darfst nicht aufhören, Laika!«​
»Ich höre gar nicht auf! Meine ältere Schwester heiratet, und ich möchte nur nach Hause, um an der Hochzeit teilzunehmen!«​
»Wie? Hochzeit …?«​
Stimmt, während Shalshas Angriff hatte Laika so etwas erwähnt.​
»Genau. Die Hochzeit findet am Vulkan Rocco statt, wo das Drachenvolk lebt. Meine Schwester heiratet einen Jugendfreund. Beide sind übrigens Drachen.«​
Falfa freute sich mit einem „Hurra! Wie schön!“ Nun, das war es wirklich. Und Shalsha murmelte, als wenn sie eine tiefe Wahrheit begriffen hätte:​
»Das ist also Liebe.«​
Ja, man konnte schon sagen, dass Heirat eine Form war, romantische Liebe zu vollenden.​
»Verstehe. Natürlich sollst du daran teilnehmen. Deine Schwester wird sich bestimmt freuen.«​
»Ja. Ich möchte gern den Neustart der beiden mitfeiern. Ach, richtig!«​
Laika schien eine Idee gekommen zu sein.​
»Wollt ihr nicht mit zur Hochzeit kommen? Ihr dürft euch keine steife Zeremonie vorstellen. Drachenhochzeiten sind ziemlich locker. Stellt euch vor, ihr geht auf ein Straßenfest oder fahrt in Urlaub.«​
»Jaaa, Falfa will mit! Ich will die Braut sehen!«​
Meine Tochter zeigte sich noch vor mir interessiert. Nun ja. Auf die Hochzeit der älteren Schwester meines Lehrlings könnte ich durchaus gehen.​
»Gut. Dann komm ich auch mit. Bis zum Vulkan Rocco braucht man mindestens zwei Tage, oder? Wenn wir das Tempo von Falfa und Shalsha berücksichtigen, muss ich allerdings vier Tage für die Reise einrechnen.«​
»Ich werde Drachengestalt annehmen und euch mitnehmen. Um die Unterkunft kümmere ich mich auch.«​
Die Sache war also abgemacht.​
»Eine Hochzeit ... Da muss ich mich ja schick machen ... Aber ich hab alle schönen Kleider in meiner Heimat zurückgelassen ...«​
Halkara machte sich bereits Gedanken darüber, was sie anziehen sollte.​
»Dann flieg ich schon mal vor und informiere meine Familie über euer Kommen. Ich bin ganz sicher im laufe des Tages wieder zurück.«​
»Alles klar. Richte bitte schöne Grüße aus.«​
So kam es, dass die komplette Hexenfamilie der Hochebene an einer Hochzeit teilnahm.​
An dem Tag gingen wir ins Dorf Flatta, um uns Kleider schneidern zu lassen. Besonders meine beiden Töchter waren ganz aufgeregt, weil sie ein Partykleid anziehen würden. In solchen Dingen benahmen sie sich kindlich, was ich erleichternd fand. Shalsha probierte ein Kleid nach dem anderen aus und überlegte fortwährend, welches ihr am besten stand.​
»Hm, nein, das passt nicht zu meiner Haarfarbe ...«​
»Das stimmt nicht, Shalsha. Du machst dir zu viele Gedanken.«​
»Aber wenn du alles lobst, weiß ich nicht, welches gut passt, Schwester ...«​
Nun, beim Einkaufen war das Kopfzerbrechen Teil des Spaßes, also sollten sie sich ruhig ein bisschen mit der Wahl herumschlagen. Halkara hatte sofort angefangen, Kleider von der Stange auszuprobieren.​
»Entschuldige, große Meisterin. Könntest du mal gucken, ob das komisch aussieht?«​
Da sie von ihrer Kabine aus nach mir rief, ging ich hinein.​
»Und? Hast du etwas Schönes gefun ... oh, nein, das geht auf keinen Fall ..«​
Halkara trug ein Kleid mit einem großzügigen Ausschnitt,​
aber ich sah auf den ersten Blick, dass das nicht funktionierte. »Die Farbe gefällt mir so gut...«​
»Weder Oberweite noch Po sind richtig bedeckt.«​
»Oh ... das geht wirklich nicht! Ich zieh mich gleich um!!!«​
»Halkara, bei deiner Figur wird dir kein Kleid von der Stange passen. Es wird einfach zu sexy. Lass dir von Anfang an eins schneidern ... Falls du in so einem Aufzug antreten willst, erlaube ich dir nicht, mitzukommen.«​
Sie könnte sich wirklich mehr darüber bewusst werden, wie sie mit ihrer Figur wirkte. Am Ende ließen wir vier uns alle unsere Kleider schneidern. Laika war zu sich nach Hause geflogen, um unsere Anwesenheit bei der Feier anzukündigen, weshalb sie natürlich nicht mit dabei war. Aber da von Anfang an feststand, dass sie auf die Hochzeit gehen würde, ging ich davon aus, dass sie ausgestattet war. Laika kam noch vor dem Abendessen zurück, und es hieß, man habe unsere Anwesenheit auf der Hochzeit einstimmig begrüßt. »Meine Familie sagte, wenn die Hexe der Hochebene komme, wollen sie sie sehr gern kennenlernen.«​
»Bitte behandelt mich nicht wie eine Berühmtheit ..«​
»Aber du bist nun mal eine Berühmtheit. Ich denke, in Nanterre weiß so gut wie jeder, wer die Hexe der Hochebene ist.«​
Ich wollte sagen, sie übertreibe, aber Halkara hatte sogar in einer anderen Provinz gelebt und war gekommen, um bei mir Hilfe zu suchen. Es schien also eine Tatsache zu sein, dass man mich kannte.​
»Wir haben uns Kleider für das Fest schneidern lassen. Aber du hast schon eins, Laika, oder?«​
Ich fragte sicherheitshalber noch einmal nach. Falls sie kein Kleid haben sollte, würde es am Ende so aussehen, als hätten wir sie ausgeschlossen.​
»Ja, ich hab ein paar.«​
»Oh, gleich mehrere ... Du scheinst wirklich aus gutem Hause zu sein ... Dann steht dem Fest nichts mehr im Wege.«​
»Ja, genau. Ich werde ein Kleid anziehen, das mir meine Schwester früher geschenkt hat.«​
Zwei typische Schwestern aus der Oberschicht.​
[/JUSTIFY]Bald war der Tag gekommen. Wir zogen unsere festlichen Kleider an und stiegen auf Laikas Drachenrücken. Wenn ich es mir recht überlegte, war es das erste Mal, dass ich auf Laikas Rücken eine so lange Strecke zurücklegte. Meine beiden Töchter, die während des Beelzebub-Vorfalls evakuiert worden waren, hatten hier mehr Erfahrung. Halkara hingegen war ganz blass.
»Hast du etwa Höhenangst?«
»Nein, mir ist nur schlecht geworden ...«
Es wackelt aber nicht so stark, dass einem davon schlecht wird, finde ich ..«
»Das ist Veranlagung. Dagegen kann ich nichts machen ... Wenn ich mich nicht zu Fuß fortbewege, wird mir grundsätzlich schlecht ... Auf der Flucht hab ich mal ein Flussboot genommen, da ist mir auch entsetzlich übel geworden ...«
Sie hatte doch so einige Probleme, um nicht zu sagen Schwächen ...
»Ich glaube, ich nehme einen getrockneten Pilz gegen Übelkeit ein.«
Beeindruckend, wogegen Pilze alles wirkten ... Danach musste Halkara, der doch noch mal schlecht geworden war, sich übergeben, weshalb Laika im Wald zwischenlandete.
Ich rieb ihr den Rücken. Einem Lehrling von mir ging es schlecht, also war dies Teil meiner Aufgabe.
»So, und jetzt brichst du einfach alles aus. Dann wird es dir besser gehen.«
»Uuuurgh! Wüüürg! Puh, jetzt ist es besser ... Tut mir leid, dass ich so ein Schrotthaufen bin ...«
»Nun sei nicht unnötig kritisch mit dir. Sieh lieber zu, dass du dich wieder beruhigst.«
Meine Töchter schienen sich in der ihnen unbekannten Umgebung zu amüsieren, also war es ein guter Zeitpunkt, eine Pause einzulegen.
»Ein Wald! Shalsha, wo sind wir hier ungefähr?«
»Das ist der Wald von Mireille. Für die Provinz Nanterre ist er relativ hoch gelegen, deshalb ist das Grün ziemlich intensiv.« Sie kannte sich in der Tat sehr gut in Geografie aus.
»Da hier recht große Monster leben, die Langspeer Wildschweine heißen, kommen Menschen nur selten hierher.«
»Huch? Ist dieses große Tier dort etwa so eins?«
Bei den Worten zuckte ich zusammen, drehte mich um und sah, dass ein Wildschwein mit einem unheimlich langen Horn auf dem Kopf herangekommen war. Während ich es betrachtete und mich fragte, ob ein so langes Horn im Alltag nicht unpraktisch war, sah ich, wie es noch länger wurde. Offensichtlich konnte das Wildschwein das Horn wachsen lassen, wenn es Beute gefunden hatte. Außerdem erkannte ich sofort, dass es das Tier auf meine Töchter abgesehen hatte.
»Schwester, ich glaube, Shalsha kann ihn nicht besiegen ...«
»Bei mir wird es auch eng ...«
Ich rannte sofort zu meinen Töchtern.
»Lass meine Töchter in Ruhe, du Saubär! Na ja, du bist ein Wildschwein und kein Bär, aber egal ... Verschwinde!«
Ich packte das Vieh am Horn und schleuderte es hinter mich.
Es wirkte wie ein Back Body Drop beim Wrestling. Das Wildschwein sah mich kurz verdutzt an und lief davon.
»Puh. Das Problem sollte gelöst sein.«
Mittlerweile kamen allerdings gleich mehrere weitere Wildschweine angerückt. Offensichtlich waren wir umzingelt. Wir konnten natürlich auf Laika steigen und fliehen ...
»Du, Halkara, geht es dir wieder gut?«
»I... Ich würde ganz gerne noch ein wenig Waldluft atmen ...«
»Schon gut, schon gut. Laika, beschütze bitte Halkara und meine Töchter.«
»Verstanden. Meisterin Azusa, bist du sicher, dass du allein klar ... ach, natürlich kommst du klar.«
Laika lachte, und ja, sie hatte recht. Es gab keinen Grund zur Sorge. Ich erlegte fünf Langspeer Wildschweine. Aber was hieß erlegen: Da ich nicht angenommen hatte, in einem Wald zu landen, trug ich keine Waffen bei mir. Ich hatte sie mit purer physischer Kraft nieder geboxt. Es kamen ziemlich viele Zaubersteine hervor, also waren sie tatsächlich keine wilden Tiere, sondern Monster.
»Du hast mich wieder gerettet, große Meisterin. Du bist so unglaublich stark ...«
Halkara, die sich von ihrer Übelkeit erholt hatte, sah ganz verzückt aus.
»Wenn du mich küssen würdest, hätte ich nichts dagegen ... Hui...«
»Du erinnerst dich schon noch, dass du dich gerade eben erst übergeben hast …?«
Unnötig zu erwähnen, aber selbstverständlich würde ich sie nicht küssen.[/JUSTIFY]
Danach stiegen wir erneut auf Laikas Rücken und reisten wohlbehalten zum Vulkan Rocco. Auf der Rückseite des Berges, den Menschen normalerweise nicht betraten, hatten sich eine Menge Drachen versammelt. Das konnte man selbst aus der Ferne erkennen.​
»Oooh, seht mal! Ganz viele Drachen!« (Falfa)​
»Genauer gesagt: Rote Drachen. Sie sind keine Monster, sondern gehören der Kategorie Drachenvolk an.« (Shalsha)​
»Wenn ich den Zorn dieser Drachen auf mich ziehe, überlebe ich diesmal wirklich nicht ...« (Halkara)​
Ich fragte mich kurz, warum Halkara fürchtete, sich jemandes Zorn zuzuziehen, aber wenn man ihr bisheriges Leben betrachtete, war das vielleicht angemessen.​
»Um die Uhrzeit findet der erste Teil der Party statt, deswegen feiern alle noch in Drachengestalt. Ich möchte euch gerne erst einmal Braut und Bräutigam und meiner Familie vorstellen.«​
»Verstanden. Wir tun, was du sagst, Laika.«​
Laika fand einen freien Platz und landete. Wir stiegen ab. Ehrlich gesagt konnte ich bei Drachen auf den ersten Blick nicht einmal das Geschlecht auseinanderhalten. Die Augen der Drachen richteten sich auf Laika.​
»Wie schön dich zu sehen, liebe Laika.«​
»Oh, und deine Flügel sind heute wieder so hübsch.«​
Was war das? Die redeten ja wie in einem Salon einer Nobelschule für höhere Töchter.​
»Was man von Geburt an besitzt, hat keine große Bedeutung. Wichtig für uns ist, woran wir nach unserer Geburt arbeiten.«​
Laikas Worte klangen beeindruckend.​
»Oh, liebe Laika, du hast auch heute wieder Klasse.«​
Die Drachen reagierten auf ihre Worte ebenfalls so. Da sie alle Drachen waren, wirkte es ein wenig surreal auf mich, aber für sie war es wohl der Normalzustand.​
»Ich bedanke mich bei euch, dass ihr heute der Hochzeitsfeier meiner Schwester beiwohnt.«​
»Es ist selbstverständlich, an der Hochzeitsfeier deiner verehrten Schwester teilzunehmen.«​
»Und deine liebe Schwester Leyla hat sich um mich gekümmert, als wir gemeinsam im Komitee waren. Aber du scheinst beschäftigt zu sein. Wir entschuldigen uns jetzt. Lass uns später noch einmal reden.«​
Die Drachen entfernten sich.​
»Entschuldige bitte, Meisterin Azusa. Das eben waren jüngere Mitschülerinnen von mir.«​
»Ach so. Von der Schule ...«​
»Nun ja, in der Schule lernen wir aber nur die Grundlagen. Wirkliche Bildung erhält man am schnellsten, wenn man in Menschengestalt eine Universität besucht.«​
»Also, ich finde dich intellektuell genug ... Jetzt ist mir auch ein bisschen klarer, warum du so klug wirkst.«​
»Ich bitte dich. An dich reiche ich überhaupt nicht heran. Ich muss hart an mir arbeiten.«​
In Menschengestalt sah Laika aus wie eine Mittelschülerin, also mussten die anderen Drachen wohl in einem ähnlichen Alter sein. Wir gingen durch eine Reihe riesiger Drachen hindurch. Da Laika voranschritt, konnten wir unbesorgt sein, aber ohne sie durch die Drachenmenge zu laufen, stellte ich mir einigermaßen furchteinflößend vor.​
»Die sind alle riiiesig!«​
»Falfa, „riesig“ klingt vielleicht unhöflich. Groß sind sie schon, aber ...«​
Shalsha und Falfa waren aufgeregt, Halkara hingegen sah fortwährend auf den Boden.​
»Wenn ich diese Herrschaften verärgere, bringen sie mich sofort um. Sie werden Feuer speien und mich zu Löschkohle machen ...«​
Ging es eigentlich noch negativer? Allerdings konnte ich schon verstehen, dass man unruhig wurde, wenn man von dermaßen vielen Drachen umgeben war. Die Drachen standen hier und dort verteilt und waren am Essen und Trinken. Ihre Gläser und Teller waren riesig groß. Auf den Tellern lag geschnittenes Fleisch (allerdings in einer für Menschen nicht essbaren Größe) und Gemüse. Die Gemüsemenge eines Tellers lag bei etwa fünf Kohlköpfen, was für die Drachen wahrscheinlich einer Beilage von Cocktailtomaten entsprach, die man in einem Bissen verspeiste.​
»Bitte stellt euch nicht auf einen Teller. Ihr könntet sonst aus Versehen mitgegessen werden.«​
Laika drehte sich von vorne zu uns um und ermahnte uns. Jawohl, wir würden aufpassen. Genau in dem Moment stieg Halkara auf einen Teller und schrie:​
»Oh, nein, nein! Ich bin nicht zum Essen!«​
»Heute haben sich alle Drachen aus dem Dorf versammelt, deswegen ist es ziemlich lebendig, aber normalerweise geht es hier etwas gemütlicher zu und ist ruhiger.«​
»Aha. Wie viele Drachen leben denn ungefähr hier?«​
»Etwa 250.«​
»Ganz schön viele ...«​
»Aber einige von ihnen leben normalerweise auf Bergen in anderen Regionen. Es versammeln sich ja auch nicht immer alle hier. Außerdem bezieht sich die Zahl nur auf unseren Stamm. Wenn man noch andere Stämme mit einbezieht, sieht es natürlich anders aus.«​
»Es gibt also verschiedene Drachen.«​
»Ja. Es gibt auch solche, die es nicht wert sind, Drachen genannt zu wer ... oh, da sehe ich meine Eltern und meine Schwester mit ihrem Mann.«​
Dort standen vier Drachen. Jeweils zwei große und zwei kleine. Ich vermutete, dass die größeren die männlichen waren.​
So gesehen konnte ich auch bei den anderen Drachen das Geschlecht unterscheiden.​
»Ich bin wieder zurück. Dies ist meine Lehrmeisterin, die Hexe der Hochebene, Meisterin Azusa. Hinter ihr stehen ihre Töchter Falfa und Shalsha, außerdem Halkara, die so wie ich Meisterin Azusas Lehrling ist.«​
»Ich bin Laikas Vater. Ich habe schon viel von euch gehört. Ich hoffe, meine Tochter fällt euch nicht zur Last«, sagte der größte der Drachen.​
»Aber nein. Wir haben ihr umgekehrt viel zu verdanken ... Entschuldigt viel mehr, dass wir in die Hochzeit hinein Platzen.«​
»Es ist doch kein Problem, wenn mehr Gäste anwesend sind, um die Hochzeit meiner Tochter zu feiern. Ha ha ha!«​
Wir waren offensichtlich willkommen. »Und das ist Leyla«, sagte Laika und stellte uns als nächstes ihre Schwester vor. Ich begrüßte sie und verbeugte mich. Meine Töchter und Halkara taten es mir nach.​
»Mein Mann und ich waren Sandkastenfreunde. Als wir uns nach 80 Jahren wiedersahen, verstanden wir uns so gut, dass wir beschlossen haben zu heiraten.«​
Die Zeitspanne von 80 Jahren klang komisch, aber unter Drachen war das offensichtlich normal.​
»Die Hochzeitsfeier wird also in Drachengestalt abgehalten.«​
Ich vermutete, dass die Kosten für die Verpflegung mächtig hoch waren, aber wenn sie das so gewohnt waren, kam es ihnen natürlich nicht seltsam vor.​
»Die Hauptfeier halten wir in Drachenform ab, und ab Teil zwei der Party nehmen wir Menschengestalt an. Zu groß zu sein eignet sich nicht für feinere Abläufe«, erklärte uns die Schwester.​
Aha, das klang interessant.​
»Heute ist es wirklich friedlich. Wie schön«, murmelte Papa Drache.​
»Ich hoffe, es endet auch so friedlich.«​
Warum schon wieder so eine offensichtliche Andeutung, die dafür geschaffen war, etwas auszulösen ... ?​
»Entschuldigung ... Aber kommt es denn vor, dass es nicht friedlich endet?«​
Ehrlich gesagt wünschte ich mir sehr, dass das nicht der Fall wäre.​
»Ja. Wir Drachen sind nämlich in verschiedene Stämme aufgeteilt. Manche Stämme sind verfeindet, und es kann passieren, dass jemand kommt, um zu stören.«​
Die Welt der Drachen schien kompliziert zu sein.​
»Gerade wenn Hochzeiten stattfinden, besteht die Gefahr, dass jemand das Fest zerschlagen kommt. Aber die Wahrscheinlichkeit ist geringer als dass es Regen gibt, also sollten wir uns nicht zu viele Gedanken machen.«​
»Verstehe. Ich hoffe, dass weiterhin nichts passiert ...«​
»Wir müssen uns um Essensportionen kümmern, die wir unsern Menschengästen servieren können«, sagte da jemand, der wahrscheinlich Mama Drache war.​
Es war tatsächlich der kleinere Drache.​
»Ja, das stimmt ... Lass uns die Speisen anbieten, die drinnen für den zweiten Teil der Party vorbereitet sind.«​
Papa Drache schritt behäbig voran und wir folgten ihm. Da er ziemlich große Schritte machte, mussten wir in Trab verfallen, um nicht abgehängt zu werden.​
Entschuldige bitte, Meisterin Azusa. Mein Vater ist das Leben mit Menschen nicht gewöhnt und weiß nicht, in welchem Tempo er gehen muss.«​
»Kein Problem. Wir müssen uns eben nur ein bisschen beeilen.«​
Aber als wir uns ein Stück von den versammelten Drachen entfernt hatten ... verdunkelte sich der klare Himmel. Ich blickte hoch und stieß beinahe einen Schrei aus. Der Himmel war mit zahllosen Drachen übersät.​
Im Gegensatz zu Laika und ihrer Sippe schimmerte die Haut dieser Drachen bläulich.​
»Das sind diese miesen blauen Drachen! Sie sind gekommen, um Ärger zu machen«, brüllte Papa Drache.​
»Blaue Drachen? Die gab es also auch noch ...«​
»Ja, so ist es. Diese blauen Drachen aus der Provinz Heynt sind Wilde, die sich nicht schämen, Kälte zu speien ...«​
Kaum hatte er das gesagt, spien die Drachen in der Luft plötzlich weißen Atem aus. Die Bäume, die von diesem Atem berührt wurden, vereisten augenblicklich, als wäre es urplötzlich Winter geworden. Das sah wirklich nach extrem kaltem Atem aus. Die Drachen fuhren fort, Kälte zu speien. Die Winterlandschaft breitete sich langsam immer weiter aus.​
»Aaaah ... Ich kann nicht mehr ... Das ist schlecht fürs Herz, ich möchte ohnmächtig werden ...«​
Halkara sank mit blassem Gesicht zusammen.​
»Das können wir jetzt nicht gebrauchen. Bleib wach!«​
Jetzt haben wir ein Problem, dachte ich gerade, als die blauen Drachen langsam auf dem Boden landeten. Es waren etwa zwanzig. Der Drache ganz vorn, offensichtlich die Anführerin, begann zu sprechen.​
»Hä hä hä, ihr miesen roten Drachen vom Vulkan Rocco. Ich habe gehört, dass heute eine Hochzeit gefeiert wird. Und wir sind gekommen, um euch zu ärgern!«​
Sie hatte rundheraus „ärgern“ gesagt ... Es hatte nicht mal den Versuch gegeben, etwas zu beschönigen.​
»Mit gerade mal knapp 300 Jahren zu heiraten! Ich bin seit mehr als 400 Jahren ledig!«​
He, sie war eifersüchtig!​
»Schlimmer noch. Als ich auf einer Party vor 20 Jahren meinem Freund, einen Perlendrachen, einen Heiratsantrag machte, lehnte er mit den Worten ab: Du bist doch die Anführerin von denen, die die roten Drachen immer ärgern, oder? In so etwas will ich nicht mit hineingezogen werden ...!«​
Dann war es doch wohl selbst verschuldet! Es war nur zu verständlich, dass man nicht mit jemandem zusammen sein wollte, der mit Hingabe andere Leute ärgerte.​
»Das ist alles meine Schuld!«​
Oh, sie hatte es geschmeidig zugegeben!​
»Aber um mich abzureagieren, werde ich euch weiter schikanieren! Blaue Drachen haben nämlich auch ein eiskaltes Herz! Wir sind nicht nur auf der Hochzeit, ich habe noch eine Sondertruppe auf den Vulkankrater geschickt, damit sie ihn ebenfalls einfrieren!«​
Was für eine Belästigung ...​
»Ihr Name ist Flatorte. Man nennt sie die Mobbingkönigin der blauen Drachen ...« erklärte Papa Drache.​
Es war natürlich lästig, wenn man es mit so jemandem zu tun hatte.​
»Nichts zu machen. Wenn es so weit gekommen ist, müssen wir uns wohl auf einen umfassenden Entscheidungskampf mit ihnen einlassen.«​
Papa Drache schien sich geistig bereits vorbereitet zu haben.​
Ich hörte Getrampel hinter mir, und als ich mich umdrehte, sah ich, dass sich die roten Drachen bereits zu versammeln begannen. So ein großer Drachenangriff blieb schließlich nicht lange unerkannt. Laika trat vor ihre ältere Schwester.​
»Schwester, das wird gefährlich. Zieh dich bitte mit deinem Mann zurück!«​
»Diese Fehde ist durch uns ausgelöst werden. Ich werde kämpfen!«​
»Ich werde auch kämpfen und dich beschützen, Leyla!«​
Da sie Drachen waren, schien das Brautpaar durchaus gewillt zu kämpfen. Das Ganze wuchs sich zu einer großen Sache aus. Ich, auf der anderen Seite, musste in erster Linie Halkara und meine beiden Töchter beschützen.​
»Mama, ich hab Angst ...«​
Falfa klammerte sich an mich. Shalsha hatte den Saum meines Kleides ergriffen und biss die Zähne zusammen. Gegen eine Horde Drachen konnten Schleimgeister nichts ausrichten. Und Halkara lag unverständlicherweise bereits bäuchlings auf dem Boden.​
»Wieso liegst du da?!«​
Sie konnte doch noch gar nicht angegriffen worden sein!​
»l... Ich stelle mich tot. Mein Opa hat auf dem Sterbebett gesagt, wenn ich je einem Drachen begegnen würde, solle ich mich tot stellen ..«​
Gerade als ich sagen wollte, das sei wahrscheinlich gefährlicher als stehen zu bleiben, rannte ein Drache an Halkara vorbei und hinterließ direkt neben ihr einen tiefen Fußabdruck im Boden. Ein Meter daneben und er wäre auf Halkara getreten und hätte sie tot gequetscht ...​
»I... Ich Lass das lieber mit dem Tot stellen ...«​
Halkara stand leichenblass wieder auf.​
»Ja, ich glaube, das ist besser.«​
»Bitte begebt euch an einen sicheren Ort, werte Gäste. Dies ist ein Kampf der Drachen. Wir werden das unter uns klären!«​
So sprach Papa Drache und stürzte sich schon im nächsten Moment auf die blauen Drachen. Aber wo gab es hier eigentlich einen sicheren Ort? Die eisige Luft wehte auch zu uns herüber. Das war gefährlich! Ich hob meine rechte Hand und stieß einen Feuerzauber aus. Die Flammen und die Kälte prallten gegeneinander und hoben sich gegenseitig auf. Dadurch fühlten wir nur für einen Moment einen Temperatursturz, als wenn eine Klimaanlage angegangen wäre.​
»Super, Mama! Aber ich hab trotzdem Angst ...«​
»Mutter, wir stehen mitten auf dem Schlachtfeld. Wir sollten uns entfernen ...«​
Ich beschloss, Shalshas Rat zu befolgen. Ich nahm die beiden fest an die Hand.​
»Überlasst alles eurer Mama!«​
Ich hatte nicht darum gebeten, Level 99 zu erreichen - aber jetzt wollte ich meine Kraft maximal nutzen!​

 
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Der große Drachenkampf

Der Zusammenstoß der Drachen hatte sich zu einem erbitterten Kampf entwickelt. Sie spien einander gegenseitig an und fügten sich Verletzungen zu, indem sie mit Pranken und Schwänzen aufeinander einschlugen. Da beide Seiten körperlich sehr mächtig waren, wirkte es wie eine Schlammschlacht, aber die Zerstörungskraft war enorm. Ich nahm meine beiden Töchter an die Hand und versuchte, mich langsam aus dem Zentrum des Schlachtfelds zu entfernen. Wenn ich allein gewesen wäre, hätte ich als Verstärkung einspringen können, aber wenn meine Töchter oder Halkara diesen eisigen Atem abbekommen hätten, wäre ihr Leben in Gefahr gewesen. Manchmal wurden wir beinahe von umherstreifendem Eisatem getroffen, und ich stieß Feuer aus, um ihn aufzuhalten.​
»Puh, es wirkt zwar nicht wie ein Kampf auf Leben und Tod, sondern eher wie Mobbing, aber bei Drachen ist die Dimension einfach mächtig. Wenn ein normaler Mensch hier rein gerät, könnte er glatt sterben.«​
»Oh ... Ich kann nicht mehr ... Meine Beine zittern so, ich kann mich gleich nicht mehr bewegen.«​
»Wer sich nicht bewegt, stirbt. Zwing dich zum Weitergehen.«​
»V... Verstanden.«​
Halkara weinte fast, aber sie musste jetzt einfach durchhalten. Aber die Frage war, wo es überhaupt sicher war. Zunächst war es wohl besser, sich eher nach hinten zurückzuziehen, als vorwärts zu gehen. Aber auch hinten, wo der Partysaal lag, waren stellenweise blaue Drachen eingedrungen. Da sie fliegen konnten, war es ihnen natürlich möglich, sich auch von hinten zu nähern. Teller wurden umgeworfen und zertreten. Hmmm, das ging mir alles ziemlich auf die Nerven.​
Wenn es nur darum ging, andere um ihr Glück zu beneiden, konnte ich das schon nachvollziehen. Wenn man kein Heiliger war, empfand man eben manchmal so. Aber dann tatsächlich etwas zu zerstören, das war unverzeihlich. Weder durfte man das erfüllte Privatleben von jemandem weg pusten noch eine Party sprengen. Ich war kurz davor sie anzuschreien, mit dem Blödsinn aufzuhören. Oder anders gesagt, ich bekam Lust, mich in den Kampf einzumischen. Aber zuerst musste ich die Nichtkämpfer beschützen. Jetzt war nicht der Moment, in die Welt von Blut und Gewalt einzutreten. langsam, ganz langsam, plante ich unseren Rückzug. Laika kämpfte Feuer speiend Seite an Seite mit dem Brautpaar. Sie hielt sich sehr gut, nicht umsonst hatte sie mich bei unserem Kennenlernen zum Kampf herausgefordert. Sie war wohl die Stärkste unter den roten Drachen. Obwohl weibliche Drachen eine Nummer kleiner waren als männliche, konnte sie es mit zwei männlichen Drachen gleichzeitig aufnehmen.​
»Ich wünsch dir alles Gute, mein Lehrling.«​
Wir bewegten uns zu einer Baumgruppe, die noch weitgehend unbeschädigt war.​
»Falfa, Shalsha, hier seid ihr erst mal sicher, also habt noch ein bisschen Geduld. Ich werde euch auf jeden Fall hier rausholen.«​
»Ja, ich werde durchhalten ...«​
»Du bist ein gutes Mädchen, Falfa.«​
Falfa unterdrückte nur mit Mühe ihre Tränen.​
»Es tut mir leid, dass wir dir Sorgen bereiten, Mutter ...«​
»Shalsha, eine Entschuldigung ist nicht nötig. Du hast doch nichts falsch gemacht. Wenn es keinen Grund dafür gibt, musst du dich nicht entschuldigen.«​
Ich fand, Shalsha war manchmal wirklich zu ernst. Aber im Moment war es wichtiger, sich um die Sicherheit aller zu kümmern. Halkara murmelte etwas, das wie eine komische buddhistische Sutra klang.​
»Was ist das, Halkara?«​
»Das ist eine alte Beschwörungsformel der Elfen ... Es heißt, damit komme man sicher durch einen Wald, ohne von Wildtieren angegriffen zu werden. Laut meinem Großvater gab es noch nie jemanden, der diese Formel aufgesagt hat und im Wald einem gefährlichen Tier begegnet ist.«​
Auch in dieser Welt schien man in der Not offenbar die Götter anzurufen ... Direkt vor uns landete ein blauer Drache. Noch dazu ein sehr großer. Sein Blick erschien mir besonders streng und kalt.​
»Ich vermute, ihr gehört zu den roten Drachen vom Vulkan Rocco?«​
»Was, wenn es so wäre?«​
»Dann reiße ich euch ein Bein aus. Wenn ihr verletzt werdet, ist die rote Drachenhochzeit erst recht im Eimer.«​
Diese Worte ärgerten mich.​
»Tut mir leid, aber ihr werdet jetzt große Verletz ...«​
»Du willst diesen kleinen Kindern (die schon 5o Jahre leben) Angst einjagen, nur um andere zu ärgern? Ist das in deinem Alter nicht psychisch bedenklich? Was für ein armseliges Leben führst du eigentlich? Wofür hast du bisher überhaupt gelebt? Willst du etwa damit angeben, kleine Kinder verängstigt zu haben, oder was?«​
Normalerweise war ich nicht der impulsive Typ, aber vermutlich war mir angesichts seines Verhaltens einfach die Sicherung durchgebrannt.​
»Was? Aber wir haben extra den langen Weg zu diesem Berg auf uns genommen, um ...«​
»Das ist doch keine Erklärung!«​
Mit einer schnellen Bewegung näherte ich mich dem Drachen, schwang - mein Partykleid ignorierend - ein Bein nach oben und trat zu.​
WUMM!
Der Drache verzog vor Schmerz das Gesicht. Das genügte mir natürlich nicht. Schließlich hatte er offen erklärt, meine Töchter verletzen zu wollen. Das konnte ich ihm als Mutter nicht durchgehen lassen. Diesmal schlug ich mit rechts zu.​
BAMM!
Es war ein Serienangriff, der ihm keine Zeit ließ, zurückzuschlagen. Und ich hatte auch weiterhin nicht vor, ihm Gelegenheit zum Angriff zu geben.​
»A... Aua, w ... was ist los mit dir? Was ist das für ein Trick …?« Von wegen Trick. Es gab keinen Trick. Ich war einfach nur Level 99. Mit „Levitation“ stieg ich bis zur Höhe des Gesichts des Drachen auf und verpasste ihm hintereinander mehrere Tritte. Zum Abschluss bekam er einen Uppercut an die Nase. Der Drache schien eine Gehirnerschütterung erlitten zu haben und sank zu Boden. Zunächst einmal war ich erfolgreich gewesen, die nicht-kämpfenden Mitglieder unserer Gruppe vor Gefahr zu bewahren. Dieser Drache war sabbernd in Ohnmacht gefallen und konnte für eine Weile nicht mehr kämpfen.​
»Mama, du bist so stark! Unglaublich!«​
»Ich bewundere dich, Mutter ...«​
»Danke, ihr beiden. Wenn ihr mich weiter anfeuert, wird eure Mama noch ganz andere Sachen schaffen!«​
Da kam mir ein Gedanke. Zu dieser Baumgruppe hinter uns waren noch keine Feinde vorgedrungen.​
Wenn ich also das Gebiet mit den Feinden vor mir unter Kontrolle brächte, würde meinen Töchtern garantiert nichts passieren. Gut, dann würde ich jetzt die Lage aufmischen. Wenn das Ziel der Feinde war, andere zu ärgern, hatte ich kein schlechtes Gewissen, sie platt zu machen. Ich würde ihren Gefühlen Wunden versetzen, die sie 100 oder 200 Jahre nicht vergessen würden. Sie sollten zu spüren bekommen, wie sich die Hexe der Hochebene revanchiert, wenn man sie ärgerte.​
»Halkara, nimm Falfa und Shalsha mit und versteck dich irgendwo mit ihnen.«​
»V... Verstanden! Huch, willst du etwa dort rausgehen, große Meisterin …?«​
»Mach dir keine Sorgen. Ich sehe zu, dass kein einziger feindlicher Drache hierherkommt.«​
Da nicht ausgeschlossen war, dass der ohnmächtige Drache aufwachte, wollte ich ihn lieber mit nach drüben nehmen. Ich lief auf das Schlachtfeld, den Drachen hinter mir herschleifend. Binnen kurzer Zeit wurde der Lärm lauter. Das war bei einem Kampf unter Drachen aber auch nicht anders zu erwarten. solche Dimensionen ließen sich nicht versteckt halten. Ich ließ den her geschleiften blauen Drachen an einer geeigneten Stelle liegen und benutzte den Levitationszauber, um mich schnell zu nähern.​
»Euch Blaue mach ich alle fertig!«​
Drachen ließen sich leicht besiegen, wenn man auf ihr Gesicht zielte. Das hatte ich vorhin gelernt. Also schoss ich einen Feuerzauber nach dem anderen auf ihre Gesichter ab.​
»Waaah!«
»Uaaaargh!«​
Überall ertönten Hilfeschreie. Auch Menschen wichen zurück, wenn man ihr Gesicht attackierte. Aber Mitleid war unangebracht, und ich hatte nicht vor, Gnade walten zu lassen. Zur Begrüßung schleuderte ich ihnen Feuer entgegen. Manche konterten mit eisigem Atem, aber das war keine schlaue Idee. Schließlich konnte man sich denken, dass ich den mit meinem Feuer neutralisieren konnte. Es war ein großer Fehler zu denken, der Feuerzauber eines Menschen sei keine große Nummer. Was den Entscheidungsschlag anging, verließ ich mich auf meine Körperkraft. Zuerst überlegte ich, „Blitz“ anzuwenden, aber dieser Zauber war extrem schwer zu regulieren. Sie umzubringen würde zu weit gehen und ich wollte es bei einem Schritt davor belassen. Unnötiges Töten wollte ich vermeiden. Grundsätzlich schlug ich sie ins Gesicht und zielte auf ein K.O. Da es sich um intelligente Lebewesen handelte, nahm ich an, dass es ihre Bewegungen lähmen würde, wenn ihr Kopf mit dem Gehirn darin angegriffen wurde. Ich prügelte wie wild auf den Feind ein. Drei Drachen sanken schwer zu Boden, was schon mal ein vielversprechender Anfang war. Vielleicht sollte ich jetzt einen Windzauber einsetzen. Ich flog hoch bis über die Köpfe der Drachen und schleuderte einen Tornado direkt auf sie herunter. Zwei wurden vom Sturm getroffen und mit Wucht auf den Boden geschmettert.​
»Vielen Dank, Meisterin Azusa!«​
Ich hörte Laikas Stimme hinter mir. Sie flog umher und befand sich gerade in einer Luftschlacht.​
»Ich hab mich furchtbar über sie aufgeregt und beschlossen, ihnen eine Lehre zu erteilen. Ich kann mich erst beruhigen, wenn ich sie bestraft habe!«​
Während ich sprach, schlug ich auf einen weiteren Drachen ein. Das war echte Prügelstrafe. Es heißt manchmal, dass auch der Zuschlagende Schmerzen verspüren würde, aber auf mich traf das gerade nicht zu. Selbst wenn es ein wenig geschmerzt hätte, hätte ich es ausgehalten. Dies war ein Kampf.​
»Laika, wir müssen hier langsam zum Ende kommen und so schnell wie möglich zum Vulkan gehen. Es heißt, sie greifen auch dort an!«​
»Verstanden! Dank deines Einsatzes sind wir hier überlegen!​
Wenn wir so weitermachen, gewinnen wir!«​
Ich bemerkte, dass sich die Zahl der kämpfenden blauen Drachen verringert hatte. Ich allein hatte vielleicht ein Drittel von ihnen ausgeschaltet. Wenn es so viel weniger waren, müssten wir es eigentlich schaffen. Wir setzten unseren Plan zur Vernichtung der Blaudrachen fort, als …​
»Wer um alles in der Welt bist du?« fragte mich ein fliegender blauer Drache misstrauisch. Oh, das war die Anführerin der Gegner.​
»Hmmm, du bist doch ... Flattertorte?«​
»Nein, Flatorte! Was bist du für ein Mensch? Wieso kann ein Mensch einen Drachen mit Körperkraft besiegen?«​
Da sie sich wunderte, antwortete ich ihr.​
»Das Sprichwort >Rom wurde nicht an einem Tag erbaut könnte es erklären.«​
»Was ist Rom?«​
Ach richtig, Rom konnte sie nicht kennen.​
»Es gibt eine alte Stadt, die so heißt. Jedenfalls muss man beharrlich am Ball bleiben, dann klappt's auch mit der Schlagkraft. Bei Videospielen läuft es doch auch so.«​
»Was ist ein Videospiel?! Du redest die ganze Zeit in Rätseln!« Seltsam, wenn ich kämpfte, kamen verstärkt Erinnerungen an mein vorheriges Leben in mir auf. In jenem Leben hatte ich ausschließlich in Videospielen gekämpft. Aber genug geplaudert. Den Endboss würde ich gern auf besonders beeindruckende Weise besiegen. Ich wandte Flatorte absichtlich den Rücken zu.​
»Du entkommst mir nicht! Wir haben angegriffen, also werden wir den Kampf auch gewinnen!«​
Als ob ich weglaufen würde. Im Gegenteil, ich würde sie nicht entkommen lassen. Ich wandte meine Hände mir zu und zauberte einen Wind. So wurde ich nach vorn geweht. Ich näherte mich dem Feind von hinten. Dann ließ ich mich vom Luftstrom tragen und versetzte meiner Gegnerin einen Roundhouse-Kick auf die Nase!​
BAMM!
Ein satter Ton erklang, ich hatte mit meinem Tritt einen Volltreffer gelandet. Aber sie war nicht umsonst die Anführerin. Das allein warf sie nicht um.​
»Verdammt! Ich werde dich einfrieren!«​
Meine Güte, sie konnten aber auch wirklich nur das. Ich schleuderte ihr mit voller Kraft Flammen entgegen. Das Feuer verdeckte den Eisatem. Und die Flammen trafen sie ins Gesicht.​
»Heiß! Heiiiß! Ich verbrenne mich!«​
Daran war sie nun aber selbst schuld! Ich flog hoch über ihren Kopf ... und fuhr plötzlich im Sturzflug herunter.​
»Hexen-Axe-Kick!«​
Der Absatz meiner Highheels, die ich anlässlich der Hochzeit trug, bohrte sich gnadenlos in ihren Kopf.​
»Grah ... Hah...«​
Flatorte stürzte schwer auf den Boden.​
»Ich hab gewonnen.«​
Die Niederlage ihrer Anführerin gab den Ausschlag. Die noch verbleibenden blauen Drachen flohen verängstigt.​
»So, ich denke, wir können wohl sagen, dass wir hier alles unter Kontrolle haben.«​
Ich schwebte langsam zurück auf den Boden. Ja, es waren Drachen gewesen, aber ich fand, ein großes Problem hatten sie nicht dargestellt. Im Kampf war es sogar vorteilhaft gewesen, dass sie so groß waren und ich dagegen klein. So hatte ich punktgenau ihre Schwachstellen angreifen können.​
»Meisterin Azusa, dein Einsatz war wirklich unheimlich vielseitig!«​
Laika kam zu mir.​
»Nun ja, ich wollte nur helfen und hab mich auf meine Kraft verlassen.«​
»Meisterin Azusa, könntest du einmal auf meine Hand steigen?«​
Laika streckte mir ihre große Drachenhand - bei Tieren wäre es eine Vorderpfote, aber da Drachen hochgradige Tiere waren, sagten sie auch selbst Hand - hin. Ich kam der Aufforderung meines Lehrlings brav nach. Laika hob mich hoch und hielt mich den anderen entgegen. Ich kam mir vor wie ein zahmer Hamster auf der Hand seines Halters.​
»Liebe Freunde! Meisterin Azusa hat den Kampf entschieden! Ihr habt die Kraft der Hexe der Hochebene gesehen!«​
Ich fühlte mich wie auf einer Plattform, auf der der beste Sportler des Spiels interviewt wird.​
»Ich hab zugesehen. Es war Wahnsinn!«​
»Ein Hoch auf die Hexe der Hochebene!«​
»Oh ja, sie ist das stärkste Lebewesen der Welt!«​
Na ja, stärkstes Lebewesen der Welt klang nicht gerade feminin. Ich wünschte, sie würden das lassen ... Aber es war als Lob gemeint, und das war wiederum nett. Doch es war noch zu früh, um das glückliche Ende zu feiern. Der Kampf war noch nicht vorbei.​
»Wir müssen jetzt zum Vulkankrater von Rocco. Es wäre ungünstig, wenn sie den einnehmen würden, oder?«​
»Das stimmt ... Dort sind immer viele Touristen, und es besteht die Gefahr, dass Unbeteiligte mit hineingezogen werden ... Noch dazu sind heute wegen der Hochzeit nur wenige Drachen dortgeblieben und ich bin nicht sicher, ob sie es schaffen, den Ort zu verteidigen ...«​
Dann mussten wir uns erst recht beeilen.​
»Laika, nimm mich mit zum Krater!«​
Wenn der Schaden am Vulkanausgang größer wurde, würde es um die Hochzeitsfeier noch übler stehen. Wenn wir aber umgekehrt den Schaden dort aufhalten könnten, wäre es zumindest möglich, die Feier fortzusetzen. Immerhin hatten wir diesen Kampf gewonnen, vielleicht würde die Stimmung dann in „Ende gut, alles gut“ umschlagen.​
»In Ordnung! Steig bitte auf.«​
Laika ergriff mich sanft und setzte mich auf ihren Rücken.​
»Los geht's! Alle Drachen, die noch kämpfen können, folgen uns!«​
]​
Laika flog voraus. Sie flog schneller als je zuvor. Als ich mich umdrehte, sah ich, dass uns etwa fünf Drachen folgten. Fürs Erste müssten wir genug sein. Es stieg nicht sehr viel Rauch aus dem Krater auf, aber man musste schon seinen Mut zusammennehmen, um sich in ihn hineinzubewegen.​
»Das Innere des Vulkan Rocco ist eine große Höhle, in der viele Drachen wohnen. Es kommen auch nicht selten Menschen angereist, die eine Verbindung zu Drachen haben.«​
Als wir ins Innere kamen, erkannte ich tatsächlich etwas, das wie eine menschliche Stadt aussah.​
»Wenn wir Touristen oder Beamte empfangen, machen wir das in Menschengestalt und in einem Umfeld, das einer menschlichen Stadt ähnelt. Es gibt sogar Drachen, die auch ihren Alltag in menschlicher Gestalt verbringen.«​
»Verstehe. Aber auf den ersten Blick sieht es nicht so aus, als wenn hier Kämpfe ausgebrochen wären ..«​
Wir näherten uns immer weiter der Stadt im Inneren des Kraters, aber wir sahen keine Anzeichen von Verwüstung und auch keine kämpfenden Drachen.​
»Huch ... ? Das ist komisch ... Sie können doch nicht bereits vernichtet worden sein ...«​
Laika sprach das Szenario des schlimmsten Falles aus. Das wäre zu schrecklich. Hoffentlich waren alle wohlauf ... Sie landete am Rande der Stadt. Ich stieg ab. Dann nahm Laika ihre Mädchengestalt an und wir erkundeten gemeinsam den Ort. Er unterschied sich kaum von einer Menschenstadt. Beide Seiten der Hauptstraße waren von zweistöckigen Gebäuden aus Stein oder Backstein gesäumt.​
»Es ist unnatürlich still.«​
»Ja, das finde ich auch.«​
Das war eine völlig unerwartete Entwicklung. Ich hatte gedacht, dass uns auch hier erbitterte Kämpfe erwarten, stattdessen war es gespenstisch ruhig. Und gerade das war auch beunruhigend. langsam drangen wir ins Innere der Stadt vor.​
»Ich wünsche mir, dass meine Schwester eine schöne Hochzeit hat ... Ich will, dass es ein Erfolg wird ...«, hörte ich Laika leise murmeln.​
»Keine Sorge. Alles wird sicher enden, und die Hochzeit deiner Schwester kann fortgeführt werden.«​
Ich legte eine Hand auf Laikas Rücken, um sie so gut wie möglich zu beruhigen. Da hörte ich ein ungewohntes Geräusch.​
»Uh ... Grrr ... Uuuh ...«​
Was war das? Ein Ächzen? Es schien von einem Drachen zu kommen ... Beunruhigt ging ich weiter dem Geräusch entgegen und stieß auf eine schockierende Szene. Der offene Platz war mit fünf lang ausgestreckten blauen Drachen gepflastert. Sie sahen nicht so aus, als wenn sie noch Kraft zum Kämpfen hätten und lagen schlaff herum. Auf dem Boden sah man etwas, das wie ein leuchtender magischer Kreis aussah. Ihr Zustand musste an diesem Zauber liegen.​
»Heißt das, wir haben bereits gewonnen, Laika ... ?«​
»Es sieht ganz so aus, aber mit diesem Zauber bin ich nicht vertraut ... Wer ihn wohl angewandt hat ... ?«​
Laika schien ebenfalls verwirrt. Auch ich wusste nicht, was das für ein Zauber war.​
»Ob es so etwas wie ein Bann ist, der den Feind fesselt? Nein, doch nicht. Ich glaube eher, dass ihnen so lange Kraft ausgesaugt wurde, bis sie sich vor Schwäche nicht mehr bewegen konnten. Ganz schön fiese Nummer ...«​
Während wir unsere Vor-Ort-Inspektion vornahmen, erklang hinter uns plötzlich eine bekannte Stimme.​
»Was, ihr? Welch Überraschung, euch hier zu begegnen.«​
Als wir uns zu der Stimme umdrehten, stand dort Beelzebub.​
»Wie ... ? Ja, das ist wirklich unerwartet. Wieso bist du hier?«​
»Weil das hier eine Touristenregion ist. An diesem Krater gibt es gute Thermalquellen. Manchmal komme ich hierher, um in Ruhe zu entspannen.«​
Eine Wellness Reise zu Thermalquellen also ... Das erklärte zumindest die Anwesenheit Beelzebubs.​
»Ahm, was ist denn mit den Drachen da?«​
»Ich hab sie bestraft, weil sie mich genervt haben.«​
Beelzebub sprach, als wenn das nichts wäre.​
»Als ich in der Stadt spazieren ging, tauchten diese Drachen auf. Sie begannen Blödsinn zu reden, von wegen sie wollten Touristen entführen, damit diese Stadt als Urlaubsort an Wert verliert. Deswegen bin ich vorgetreten und hab sie aus dem Weg geräumt.«​
Beelzebub hob einen Kieselstein auf und warf ihn gegen einen bewegungsunfähigen Drachen.​
»Das hier ist ein Zauber, der ganz extreme Erschöpfung auslöst. Er ist nur unter uns Dämonen überliefert, also kann es sein, dass ihr ihn nicht kennt. Er eignet sich gut, um Verbrecher unschädlich zu machen, oder?«​
»Hast du allein fünf blaue Drachen besiegt?!« fragte Laika verwundert.​
»Hä? Wieso sollte ich es nicht mit läppischen fünf Drachen aufnehmen können? Ich kann ohne Probleme eisigere Kälte ausspeien als sie. Ich bin ein 3.000 Jahre alter hochrangiger Dämon. Wie sollte ich da verlieren? Hör auf, mich zu beleidigen.«​
Beelzebub lief rot an und sah eingeschnappt aus.​
»Azusa, kann es sein, dass auch du mich mit dahergelaufenem Gesocks in einen Topf schmeißt, nur weil du mich letztes Mal mit einem armseligen Trick besiegt hast? Wenn wir das nächste Mal fair gegeneinander kämpfen, ist der Ausgang ungewiss. Ich bin nämlich mächtig stark!«​
»Ah. Das ist im Moment aber völlig egal.«​
»Warte, warte! Das kann nicht egal sein! Die Sache ist mir ungeheuer wichtig!«​
Ich ging auf Beelzebub zu und umarmte sie fest.​
»Vielen Dank! Du hast eine Krise der roten Drachen verhindert!«​
»He! Nicht umarmen! Das ist mir peinlich! Außerdem hab ich es nicht für euch getan. Ich hab diese dämlichen Drachen nur zur Ordnung gerufen, weil sie übermütig geworden sind!«​
»Ui, Beelzebub, du riechst gut. Als wenn du gerade ein Bad genommen hättest.«​
»Ich bin auch gerade frisch aus dem Bad gestiegen ... Aber das spielt keine Rolle! Lass mich endlich los!«​
Folgendes hatte ich heute gelernt:​
Beelzebub > Drachen
]​
Die Nachricht, dass die Stadt im Krater unversehrt war, wurde unverzüglich an die Hochzeitsgesellschaft übermittelt. Damit war der Kampf zu einem guten Abschluss gebracht worden. Als wir zurückkehrten, ging ich sofort zu meinen Töchtern und Halkara.​
»Mama, ich hatte Angst!«​
Danke, dass du gekommen bist, Mutter.«​
»Ich wollte schon mein Testament in einen Baum ritzen ...«​
Meine Töchter und sogar Halkara umarmten mich. Weil allerdings kein Platz mehr zum Anklammern war, zwängte sich Halkara dazu und streckte von hinten ihre Arme aus.​
»Ich hab mir ernsthaft Sorgen gemacht, du könntest dem Drachen zum Opfer gefallen sein, weil du so lange nicht zurückgekommen bist, große Meisterin ... Und meine Sorge hat sich auf Falfa und Shalsha übertragen ... Wir waren ganz verzweifelt.«​
Oh je, ich hatte nicht bedacht, dass das passieren könnte, wenn ich spät zurückkam.​
»Es tut mir leid. Es ging einfach nicht schneller.«​
»Es ist in Ordnung. Du hattest es schwerer als wir, Mutter.«​
»Du bist wieder da, Mama, deswegen habe ich alles Traurige wieder vergessen!«​
Ich drückte meine beiden Töchter immer wieder fest an mich. Dank einer gewissen Person waren auch die Aufräumarbeiten nach dem Gefecht relativ schnell erledigt. Beelzebub hatte auch die blauen Drachen, die die Hochzeitsfeier angegriffen hatten, mit ihrem Schwächungszauber bewegungsunfähig gemacht. Dadurch war das Risiko, der Feind könnte plötzlich wieder anfangen zu toben, gebannt.​
»Warum muss ich, ein Badekurgast, solche bescheuerten Aufgaben erledigen?«​
Beelzebub motzte herum, legte aber schließlich sämtliche feindlichen Drachen lahm.​
»Danke. Jetzt haben wir keinen Grund mehr zur Sorge.«​
»Mann, Mann, Mann, wenn ihr mich so unverschämt bittet, kann ich mich nicht weigern. Das wäre peinlich.«​
Langsam begriff ich, wie man Beelzebub behandeln musste. Sie war der Typ, der nicht Nein sagen konnte, wenn er um etwas gebeten wurde. Das kam mir irgendwie bekannt vor ... Nun gut. Es wäre schön gewesen, gleich mit der Hochzeitsfeier fortzufahren, aber davor gab es noch etwas zu erledigen.​
»So. Zeit für eine Wiedergutmachung.«​
Nach außen hin lächelte ich zwar, aber dieser Fall hatte mich wirklich sauer gemacht. Es gab Dinge, die man tun durfte, und Dinge, die man eben nicht tun durfte.​
»Nimm Menschengestalt an. So lässt es sich leichter reden,​
Flachtörtchen.«​
»Ich heiße Flatorte! Merk dir gefälligst meinen Namen!«​
»Menschengestalt bitte. Ich will mit dir reden.«​
Widerstrebend verwandelte sie sich in einen Menschen. Sie sah zwar aus wie ein Mensch, aber sie hatte nicht nur Hörner wie Laika, sondern ihr wuchs hinten auch ein Drachenschweif. Sie trug ein hübsches rosa Kleid und hatte langes, lila schimmerndes Haar.​
Allerdings lag sie flach am Boden, weil der Schwächungszauber noch wirkte.​
»Bist du jetzt zufrieden ... ? Was willst du …?«​
Die Verhandlung selbst überließ ich Laika.​
»Zunächst einmal verlangen wir, dass du als Entschädigung für diesen Kampf folgenden Betrag zahlst.«​
Laika, ebenfalls in Menschengestalt, hielt Flatorte ein Papier hin.​
»Urgh ... S ... So viel fordert ihr? Das ist bestimmt mehr als die Kosten für die Hochzeit.«​
»Darin sind auch Entschädigungen für seelische Pein und Schmerzensgeld für Verletzte enthalten. Da kommt einiges zusammen. Wenn du nicht zahlen willst, kannst du die ganze Zeit hier liegenbleiben. Ist dir das lieber?«​
»D... Das wäre ungünstig ...«​
Als Verliererin hatte ihr Recht, sich zu beschweren, verspielt.​
»Verstanden ... Ich akzeptiere die Bedingung ...«​
Wunderbar, der Handel war zustande gekommen. Aber ich wollte die Gelegenheit nutzen, um eine weitere Sache zu klären. Zufällig war gerade eine wunderbar passende dritte Person anwesend. Ich zog Beelzebub mit und trat vor Flatorte.​
»So. Ich möchte, dass du unabhängig von der Entschädigungszahlung ein Abkommen schließt.«​
»Ein Abkommen ... ?«​
»Genau. Einen Nichtangriffspakt zwischen blauen und roten Drachen. Anzugreifen, nur um jemanden zu ärgern, ist selbstverständlich völlig ausgeschlossen.«​
»A... Aber ... Dann verliere ich meinen Lebensinhalt ...«​
Vielleicht war es unfair, wenn jemand, der gar nicht heiraten will, so etwas sagt, aber ich fand, das war der Grund, weshalb sie keinen Mann fand.​
»Wenn du den Pakt nicht abschließt, kannst du nie wieder in deine Heimat zurückkehren«, sagte ich lächelnd zu Flatorte.​
»Dann fühlst du dich wie jemand, der drei Nächte hintereinander im Büro übernachtet und nicht nach Hause kann.«​
»Uuuh! Dein Lächeln macht mir Angst!«​
»Dann willige in den Pakt ein. Einverstanden?«​
»Ja ... Ich schließe ihn ab! Also, lasst mich laufen ..«​
»Das waren also deine Gedanken, Meisterin Azusa ...«​
Richtig, Laika hatte ich diesen Plan bisher noch nicht mitgeteilt.​
»Ich denke, dann wird es friedlich werden um den Vulkan Rocco.«​
»Ich danke dir sehr!«​
Laika war mir unheimlich dankbar. Dadurch fühlte ich mich wieder ein bisschen besser. Das Abkommen zwischen Laika und Flatorte wurde ohne besondere Vorkommnisse geschlossen. Laika, die unter den Drachen kräftemäßig das höchste Level hatte, trat als Vertreterin der roten Drachen auf. Ich tippte Beelzebub leicht an.​
»Du bist dran. Sei geschickt.«​
»Schon verstanden ... Ich muss es nur sagen, oder?« Beelzebub räusperte sich und sprach.​
»Der Abschluss dieses Abkommens wird durch mich und Azusa, die Hexe der Hochebene, bezeugt. Sollte dieser Pakt gebrochen werden, ist das gleichbedeutend mit einer Beleidigung meiner Person und der der Hexe der Hochebene. Merkt euch das gut.«​
Flatorte wurde blass. In gewisser Weise sah sie aus, als wenn sie gleich eisigen Atem speien würde.​
»Gegen die Hexe der Hochebene und den Herrn der Fliegen werde ich niemals eine Chance haben ...«​
»Selbstverständlich nicht. Euch blaue Drachen würden wir gerade mal in fünf Minuten komplett ausrotten. Wenn ihr das nicht wollt, solltet ihr euch aufraffen und ein gewissenhaftes Leben führen.«​
Flatorte hielt sich den Kopf.​
»Ich wünschte, ich hätte das nicht getan ..«​
Somit hatten wir alle Nachkriegsfragen sicher geklärt. Die verletzten blauen Drachen flogen taumelnd davon, und nur Flatorte blieb als Geisel zurück, bis die Entschädigungsgelder gezahlt waren.​
»Beelzebub, ich danke dir für alles. Wir haben eine gute Regelung gefunden.«​
»Du bist die einzige, die den Herrn der Fliegen einspannt wie einen Ackergaul. Dafür musst du mich jetzt zu etwas einladen, das Spaß macht.«​
»Ja, ich werde dich rufen, wenn es so ein Event gibt.«​
Beelzebub war durch und durch in Ordnung.​
»Ich verlasse mich auch in Zukunft auf dich!«​
Da man sich bisher immer auf mich verlassen hatte, tat es gut, jemanden zu haben, auf den nun auch ich mich verlassen konnte. Bei der Gelegenheit umarmte ich sie noch einmal.​
»Du musst nicht ständig an mir dran kleben!«​
Jetzt mussten wir nur noch mit der Hochzeitsfeier weitermachen.​
Naturgeisterschwestern, die aus einer Ansammlung von Schleimseelen geboren wurden. Leben seit etwa 50 Jahren. Die ältere Schwester Falfa ist kindlich und unbekümmert. Die jüngere Schwester Shalsha ist ruhig und zurückhaltend. Beide lieben ihre Mutter Asua.​
Eine Elfe und Azusas Lehrling Nummer zwei. 17 Jahre und 2.500 Monate alt. Sie besitzt eine tolle Figur, um die sie jeder beneidet und einen fähigen Verstand, der ihren Nährschnaps zu einem Erfolgsprodukt machte ... Sie hat aber andererseits auch viele Schwächen.​
Ein hochrangiger Dämon, auch »Herr der Fliegen« genannt. Gehört zur Elite der Dämonen. Lebt seit über 3.000 Jahren. Ein für Dämonen typischer kämpferischer Charakter, ist aber wie Azusa eigentlich hilfsbereit.​

 
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Familienurlaub in heißen Quellen

Die Hauptfeier war durch das Eindringen der blauen Drachen im Chaos versunken, weshalb die Hochzeit mit dem zweiten Teil der Party neu starten sollte. Da es bei Drachenhochzeiten allerdings keine Zeremonie wie das gegenseitige Eheversprechen gab, war das offensichtlich kein großes Problem.​
Also begannen wir mit der Nachfeier. Sie wirkte komplett anders als die Hauptfeier. Schließlich waren die Teilnehmer nun keine Drachen mehr, sondern hatten alle Menschengestalt angenommen. Die Feier fand in einem großen Gebäude, das für solche Events vorgesehen war, statt. Auf runden Tischen waren Berge von Essen angerichtet. Im Gegensatz zu den Drachenportionen, die wir auf der Feier davor gesehen hatten, wirkte es aber einigermaßen normal. Das Essen wurde von fröhlich plaudernden Drachenmenschen mit Hörnern munter verspeist. Man konnte durchaus sagen, dass es eine ganz normale Stehparty mit Buffet war. Allerdings waren die Mengen, die vertilgt wurden, nicht normal. Selbst älter wirkende Leute verputzten etwa fünf Portionen. Wahrscheinlich hielt sich Laika im Alltag ziemlich zurück ... Wenn sie wollte, konnte sie bestimmt noch mehr essen ... Auch wir bedienten uns, aber es gab so viele verschiedene Gerichte, dass wir satt wurden, bevor wir uns ein vollständiges Bild machen konnten.​
»Mutter, ich kann nicht mehr ...«​
Shalsha gab als Erste auf, und Falfa führte sie zu den Stühlen, die an der Wand standen. So sollte sich eine ältere Schwester benehmen. Falfa selbst aß relativ viel. Eigentlich hätten sie verschieden gebaut sein müssen, da sie Zwillinge waren und so unterschiedliche Mengen aßen, aber ihre Figuren waren einander sehr ähnlich. Ob das daran lag, dass sie Naturgeister waren?​
Halkara aß übrigens auch überraschend viel.​
»Wenn ich esse, wandern die Nährstoffe aus irgendwelchen Gründen in meine Oberweite und in meinen Po«, sagte sie. Ihr wurde vom vielen Essen zwar nicht schlecht, aber in anderer Hinsicht wurde es wieder problematisch mit ihr.​
»Waaah, dieser Drink ist wirklich stark. Ich kann nicht mehr gerade gehen ..«​
Nachdem sie etwas getrunken hatte, verfiel sie bald in einen Vollrausch. Taumelnd aß sie weiter, und ich konnte mir kein anderes Ende vorstellen, als dass das ganze Essen irgendwann wieder hochkommen würde.​
»Meine Güte, die Herstellung ihres Nährschnapses ist aber auch die einzige Stärke dieser Elfe.«​
Beelzebub hatte einen Berg Spaghetti auf ihren Teller geladen, den sie gierig verschlang.​
»Dämonen scheinen recht viel zu essen.«​
»Leckeres Essen ist das das Geheimnis guter Gesundheit.«​
Ich fand, wenn man 3.000 Jahre lebte, hätte man eine Dimension erreicht, die über Gesundheit hinausging, aber darauf hinzuweisen erschien mir taktlos.​
Laika aß, da sie ein Drache war, am meisten. Allein schon von dem, was ich beobachtet hatte, war sie bei ihrem siebten Teller angelangt, den sie sich vom Buffet geholt hatte.​
»Aus menschlicher Sicht isst du wie ein Scheunendrescher, aber für dich ist das normal, oder, Laika?«​
»Es ist ein bisschen mehr als sonst, weil ich vom Kampf hungrig bin.«​
Offensichtlich war für Drachen Diät halten kein Begriff. Ich erzähle zwar die ganze Zeit nur vom Essen, aber natürlich gab es noch andere Elemente. Schließlich war dies eine Hochzeit.​
»Meisterin Azusa, ich möchte dir gerne noch einmal in Ruhe meine Schwester und ihren Mann vorstellen.«​
Braut und Bräutigam in Menschengestalt waren ein bildschön anzusehendes Paar. Die Braut war eine hübsche Frau, der man die Blutsverwandtschaft zu Laika ansah, und der Bräutigam mit seinen markanten Gesichtszügen erinnerte an einen Hollywoodstar.​
»Verehrte Azusa, verehrte Beelzebub. Meine Frau Leyla und ich sind euch dankbar, dass wir dank eures Einsatzes unsere Hochzeitsfeier fortsetzen können.«​
»Ja, wir danken euch von Herzen. Bitte schenkt uns roten Drachen auch weiterhin euer Wohlwollen.«​
Sie bedankten sich so höflich, dass ich mit einer kurzen Verbeugung schnell sagte:​
»Aber nein, ich hab doch nur ein wenig geholfen ..«​
»Ihr scheint euch bewusst zu sein, wo euer Platz ist. Nun, wenn ihr mich weiterhin verehrt, könnte es sein, dass ich euch auch in Zukunft wieder helfe.«​
Beelzebub hatte eine Hand in die Hüfte gestemmt und warf sich triumphierend in Pose.​
»He, das ist ja wohl übertrieben arrogant. Probiere es mal mit Bescheidenheit.«​
»Bescheidenheit!«​
»Warum? Ich bin großartig, also wo ist das Problem? Das ist mein Normalzustand.«​
Gut, dann würde ich Beelzebub von nun an immer schmeicheln und sie lenken, wie es mir passte.​
In dem Moment veränderte sich die Atmosphäre im Raum.​
Das Mädchen, das die blauen Drachen angeführt hatte, trat ein. In der Hand hielt sie eine Rose.​
»Oh! Du bist doch Cocoalatte!«​
»Ich heiße Flatorte! Wieso kannst du dir meinen Namen nicht merken?«​
Stimmt, sie war ja als eine Art Geisel hiergeblieben.​
»Ähm ... Leyla ...«​
Flatorte trat vor die Braut und wandte den Blick ab.​
»Herzlichen Glückwunsch ... Ich wünsche dir viel Glück für die Zukunft ...«​
Dann reichte sie Leyla die Rose. Oh, dieser blaue Drache hatte auch seine guten Seiten. Zuerst war die Braut überrascht, aber dann nahm sie die Rose lächelnd an.​
»Vielen Dank, Flatorte.«​
»Diesmal hab ich verloren. Und als die Unterlegene will ich dir aufrichtig gratulieren ...«​
Im Grunde schien sie kein schlechtes Mädchen zu sein. Ich spürte so etwas wie Freundschaft zwischen ihnen, verbunden mit einer schicksalhaften Vergangenheit.​
»Ja, ich werde für uns beide glücklich werden, da du es nicht schaffst, zu heiraten.«​
Die Worte der Braut waren mit einem kleinen Stachel versehen.​
»He, was willst du damit sagen?! V ... Von wegen ich schaffe es nicht! Es gibt einfach keinen guten Mann!«​
»Ach ja? Wie oft hast du bisher angegeben, du hättest einen tollen Mann gefunden, oder eine gute Partie für dich gesichert?« Flatorte lief rot an, als wenn sie sich an etwas Peinliches erinnert hätte.​
»Pah! Bestimmt lässt du dich scheiden! Und wenn ihr ein Kind kriegt, werde ich kein Geschenk schicken!«​
Flatorte floh in eine Ecke des Festsaals.​
»Die Beziehung der beiden scheint kompliziert zu sein, was, Laika?«​
»Rote und blaue Drachen sind zwar verfeindet, aber Todfeinde sind wir auch nicht. Da gibt es noch verdeckte Nuancen. Vielleicht kann man das nur verstehen, wenn man ein Drache ist ...«​
Nein, ein bisschen konnte ich es schon nachvollziehen. Danach zog ich mit Laika los, um mir vom Dessert zu holen, auf das ich schon zu Beginn der Feier ein Auge geworfen hatte. Man erzählte sich, von Drachen hergestellte Eiercremetörtchen, Puddings und Käsekuchen seien Meisterwerke. Und da man bekanntlich für Süßes einen zweiten Magen hat, griff ich ordentlich zu.​
»Oooh! Hinter der zurückhaltenden Süße verbergen sich gleich mehrere köstliche Schichten. Das ist ein Traum!«​
Laika und ich setzten uns auf freie Plätze an der Wandseite des Saals.​
»Ähm, Meisterin Azusa, ich habe eine Bitte an dich ..«​
Aus irgendwelchen Gründen wirkte Laika zögerlich.​
»Ja, was ist denn?«​
»D... Darf ich meinen Kopf auf deinen Schoß legen …?«​
Das war eine ungewöhnliche Bitte.​
»Das habe ich früher oft bei meiner Schwester gemacht ...«​
Ich. verstand. Diese Heirat hatte Laika die Schwester sozusagen genommen.​
»Na klar. Das kannst du gern öfter tun. Komm, leg deinen Kopf auf.«​
»Entschuldige, dass ich so was Komisches gesagt habe ...«​
Schüchtern legte Laika ihren Kopf auf meinen Schoß.​
»Ich war schon immer sportlicher als meine Schwester und auch stärker im Kampf, aber mir kommt es vor, als hätte ich immer mit meinem Kopf auf ihrem Schoß geschlafen, wenn irgendetwas vorfiel ..«​
»Ich verstehe. Und jetzt, da deine Schwester geheiratet hat, möchtest du eine verheiratete Frau nicht mehr danach fragen, weil es ihrem Mann gegenüber nicht ganz fair ist?«​
»So ungefähr ... Ja, das trifft es ... relativ gut«, antwortete Laika verschämt.​
Klar, auch jemand, der immer mutig und gewissenhaft war, wollte sich manchmal gehen lassen.​
»Du kannst mich auch gern als große Schwester und nicht als Meisterin betrachten.«​
»Nein, nein, das ist jetzt eine Ausnahme ...«​
»Dann genieße mal in Ruhe die Ausnahme.«​
Stimmt, ich hatte zwar Töchter, aber keine jüngere Schwester.​
Vielleicht wäre es schön, Laika als jüngere Schwester zu betrachten. Eine Weile verharrten Laika und ich gemeinsam in dieser ungewohnten Position. Wir lebten schon 300 Jahre, da konnte es gerne auch mal Momente geben, die man nicht richtig einordnen konnte.​
Da bemerkte ich, dass es hinten im Festsaal turbulent wurde.​
Als ich genau hinschaute, sah ich Halkara auf dem Boden liegen. Was machte dieses Mädchen nur ... Falfa und Shalsha redeten auf sie ein, aber sie machte keine Anstalten aufzustehen.​
»Wach auf, Halkara!«​
»Halkara, das ist schmutzig.«​
»Hicks, willst du etwa sagen, du willst meinen Früchteschnaps nicht trinken? Hiiicks.«​
In diesem Moment war sie die auffälligste Person im Saal. Auf jeden Fall zog sie mehr Aufmerksamkeit auf sich als das Brautpaar. Oh Mann, wenn sie sich nur nicht zu sehr blamierte ...​
»Tsss, diese Elfe macht aber auch wirklich Umstände.«​
Beelzebub trat an sie heran und warf sich Halkara über die Schulter.​
»Ich werde dich zu einem Sofa oder Bett tragen.«​
Sie war wirklich unheimlich nett ... Durfte man denn als Dämon so nett sein? Aber Halkara war viel zu schrottreif, als dass die Episode mit dieser freundlichen Geste enden konnte. Sie wurde plötzlich kalkweiß im Gesicht.​
»Uh ... Mir ist schlecht ... Ich übergebe mich gleich ...« »​
Wa... He! Nicht auf meinen Rücken spucken! Bloß nicht!«​
Auch Beelzebub wurde ziemlich blass.​
»Das sagst du so, aber ich spüre deutlich, wie es hochkommt.«​
»Wenn du spuckst, reiße ich dich in Stücke und verbrenne dich samt deiner Seele!«​
»S... Sie bringt mich um! Oh nein, nein! Uuuh!«​
»Die Toilette! Wo ist die Toilette?!«​
Schließlich verschwanden die beiden in der Toilette. Da Halkara nicht getötet wurde, nahm ich an, dass sie es rechtzeitig geschafft hatten. Zum Abschluss der Feier sangen alle gemeinsam ein Glückwunschlied für das Brautpaar. Es war ein Drachenvolkslied, ein äußerst fröhliches Stück. Und ich dachte, dies sei der beste Moment, um nach Hause aufzubrechen, aber ...​
»Wollt ihr nicht die Gelegenheit nutzen und in der Pension am Vulkankrater übernachten?« fragte Beelzebub.​
»Ach ja, es gab hier Thermalquellen, nicht wahr?«​
»Ja. Um nicht zu sagen, genau wegen dieser Thermalquellen bin ich hier.«​
»Gut, wir bleiben!«​
Als ich Laika sagte, wir wollten mit der ganzen Familie hier übernachten, kümmerte sie sich gleich um die Unterkunft. Und da ich die Heldin war, die den Aufruhr beendet hatte, durften wir umsonst übernachten..​
So saßen wir wenig später genüsslich in den heißen Quellen. Da es eine Vulkangegend war, gab es in der Pension auch zahlreiche Bäder im Freien. Unser Zimmer hatte sogar ein eigenes, prächtiges Freiluftbecken. Das war vielleicht ein Luxus.​
»Seht mal, Falfa ist gut im Brustschwimmen!«​
»ch kann nur wie ein Hund paddeln ...«​
Meine beiden Töchter schwammen ausgelassen in dem großen Bad herum.​
»He, ihr dürft hier nicht schwimm ... obwohl, warum nicht. Das Bad gehört schließlich zu unserem Zimmer. Ihr dürft schwimmen, aber übertreibt es nicht, sonst überhitzt ihr.«​
»Jaaa!«​
»Verstanden!«​
Sie schienen es eingesehen zu haben, also musste ich mir wohl keine Gedanken machen. Die Gruppe der Erwachsenen saß entspannt im warmen Wasser.​
»Für uns Drachen ist diese Art Bad nichts Ungewöhnliches, aber zusammen macht es mehr Spaß.«​
Laika saß direkt rechts neben mir.​
»Ja, das Bad ist herrlich.«​
Da ich mich heute beim Kämpfen verausgabt hatte, tat es gut, den erschöpften Körper zu entspannen. Links von mir saß Halkara.​
»Oh, ein heißes Bad ist wunderbar, um nüchtern zu werden. Es tut so gut.«​
»Du bist auch heute mehrfach in Schwierigkeiten geraten, aber es ist alles gut ausgegangen. Du solltest es positiv sehen.«​
»Jaaa, das tue ich. Huch? Ich glaube, ich bin überhitzt. Mir ist schwindelig ..«​
»Es geht also doch nicht gut aus!«​
Da zog jemand von hinten Halkara aus dem Wasser und legte sie bei den Felsen nieder.​
»Lieber Himmel, bleib da liegen und kühl mal aus. Wir sind im Freien, da wird es dir bald besser gehen.«​
Es war natürlich Beelzebub.​
»Ich bin zwar sicher, dass wir in verschiedenen Zimmern untergebracht sind, aber ich schätze, das tut jetzt nichts zur Sache. Neben mir ist gerade ein Platz frei geworden. Bitteschön.​
»Hm. Ja, gerne.«​
Beelzebub glitt auf den Platz, den Halkara eben geräumt hatte.​
»Ich bin gern in eurer Nähe. Es kann immer etwas Lustiges passieren.«​
»Na ja, oft kann man das nicht uneingeschränkt lustig nennen. Aber diesmal warst du wirklich eine große Hilfe. Dass diese Stadt gerettet wurde, war dein Verdienst, Beelzebub.«​
»Wie ich schon mehrfach betonte, hab ich die blauen Drachen nicht euretwegen niedergemacht. Es sieht nur im Nachhinein so aus. Aber bitte, natürlich kannst du mir dankbar sein, wenn du willst.«​
»Dann bin ich das. Und du hättest uns wahrscheinlich sowieso geholfen, wenn wir dich um Hilfe gebeten hätten.«​
K... Kann sein ... Und nicht vergessen. Wir müssen noch mal persönlich gegeneinander kämpfen.«​
Jaja, ich weiß, Schwester.«​
Es entstand eine seltsame Pause.​
Huch? Nachdem ich es ausgesprochen hatte, wunderte ich mich selbst.​
»Wieso bin ich deine Schwester …?«​
»Na ja, du hilft mir bei allen möglichen Sachen, wenn ich dich bitte, kümmerst dich gut um andere und ... ich weiß nicht, irgendwie bist du wie eine große Schwester. Da ist es mir so heraufgerutscht ... Pff ... Pfffff ..«​
Ich. musste laut lachen.​
»Ja, genau. Ich hab zwei Töchter, Laika ist meine jüngere Schwester und Beelzebub meine ältere. So eine Familie ist doch etwas Schönes.«​
Ich führte mein ruhiges, beschauliches Leben nicht mehr allein, aber wenn wir schon mal mehr geworden waren, war es lustiger, wenn es so weiterging. Ein Konzeptwechsel nach 300 Jahren sozusagen.​
»Ich bin also die kleine Schwester ... Verstanden ... Sch ... Schwester ...«​
»Oh, das hat was, von dir so gerufen zu werden, Laika.«​
»Nun, da du Arbeit und Mühe machst, passt das wohl mit der kleinen Schwester. Du hast nicht unrecht.«​
Beelzebub stieß einen Seufzer aus und nickte.​
»Mama, du hast gerade richtig Spaß, nicht wahr?«​
»Du lächelst so schön, Mutter.«​
Meine Töchter spürten, dass ich glücklich war.​
»Aber wenn das so ist hast du nicht jemanden vergessen?«​
Beelzebub blickte nach hinten.​
»Haaah, der Abendwind macht mich nüchtern und kühlt die Hitze herunter ...«​
Oh, ich hatte Halkara vergessen. Äußerlich sah sie wie eine ältere Schwester aus, aber tatsächlich war ich älter als sie und ihr Wesen hatte nichts von einer großen Schwester ...​
»Halkara ist ... hmmm ... eine Junior-Mitarbeiterin, die viel Arbeit macht …?«​
»Das ist nicht nett, große Meisterin!«​
Alle außer Halkara brachen in schallendes Gelächter aus. Wenn viel gelacht wird, weiß man, dass man eine gute Familie​
hat.​


 
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Heimatbesuch der Töchter

»Sagt mal, wo ist eigentlich euer Heimatort, Falfa und Shalsha?« Halkara stellte die Frage während des Frühstücks. Wir hatten gerade über den Elfenwald gesprochen, aus dem Halkara stammte.​
»Belgria«, antwortete Falfa sofort.​
»Der tiefe Wald Belgria. Man sagt, er sei völlig unbewohnt. Tatsächlich gab es da nur eine verlassene Hütte, und niemand war in der Nähe. Wir haben in dieser Hütte gelebt.«​
Shalshas Erklärung wirkte einigermaßen gruselig.​
»Oh, das klingt nach Spaß. Wollen wir nicht mal hingehen?«​
»Halkara, was an der Geschichte klang denn spaßig?«​
Halkaras Wertvorstellungen waren eindeutig verzerrt.​
»Na, es ist doch ein Wald. Eine Elfe kann sich doch nicht vor einem Wald fürchten.«​
Natürlich. Solange es nur ein Wald war, hatte eine Elfe kein Problem, auch wenn es ein gruseliger Wald war.​
»Es wäre schon schön, unsere Heimat zu besuchen ...« sagte Shalsha und sah dabei zu Boden.​
»Ja, Falfa möchte auch gern den Großen Schleim sehen!«​
»Den Großen Schleim?«​
Was für ein komischer Name.​
»Es ist der größte gute Schleim dieser Welt!«​
In dem Wald schien ein besonderer Schleim zu leben. Eigentlich war es aber nicht verwunderlich, dass es eine Verbindung zu Schleimen gab, schließlich waren dort auch Schleimgeister geboren.​
»Dann lasst uns gehen, wenn gutes Wetter ist. Wenn ihr auf meinen Rücken steigt, können wir alle gemeinsam hinfliegen.«​
Auch Laika war einverstanden, und somit war es abgemacht, dass wir mit der ganzen Familie den Geburtsort meiner Töchter besuchen würden.​
Bis zum Wald von Belgria brauchte Laika in ihrer Drachengestalt drei Stunden. Auch wenn sie mit 60 Stundenkilometern flog, war eine Entfernung von 180 Kilometern doch eine ganz schöne Strecke. Der Wald war tatsächlich recht düster, und es fiel fast gar kein Licht hinein. Die Bäume waren so hoch, dass sie alle Sonnenstrahlen verschluckten.​
»Oho ... Ganz schön schummerig hier. Und zu unseren Füßen wachsen Pilze, die auch mit wenig Licht auskommen. Wie ungewöhnlich.«​
Halkara war sofort aufgeregt, weil sie Pilze gefunden hatte, aber Laika, die wieder Menschengestalt angenommen hatte, sah deprimiert aus und sagte:​
»Es ist so düster, dass mir die Luft wegbleibt ...«​
Ich empfand eher so wie Laika.​
»Ihr beiden seid also hier geboren und aufgewachsen?«​
»Ja! Es ist toll hier, oder?«​
Ein idealer Ort, um sich in Ruhe Studium und Wissenschaft zu widmen.«​
Es schien auch an den lokalen Eigenschaften zu liegen, dass die beiden so gebildet waren. Der Ort brachte sicherlich besinnliche Denker hervor. Aber es wohnten ja keine Menschen hier.​
»Ob es dem Großen Schleim gut geht?«​
Der Große Schleim ist einfach nur da. Begriffe wie „gut gehen“ oder „unwohl sein“ passen nicht zu ihm.«​
Ihrer Unterhaltung nach zu urteilen schien der Große Schleim eine Art Gott zu sein.​
»Falfa will den Großen Schleim mit dem ganzen Körper spüren.«​
»Wenn man sich mit dem Großen Schleim verbindet, wird man von Sorgen und Erschöpfung befreit.«​
Jetzt mal ehrlich, was war dieser Große Schleim?! Wir liefen etwa 20 Minuten durch den Wald ... da erschien vor unseren Augen ein leuchtender, funkelnder Hügel, der wie ein riesiger Edelstein aussah.​
Auch wenn hier keine Menschen lebten, konnte ich mir nicht vorstellen, dass ein Edelstein dieses Ausmaßes unberührt herumliegen konnte ... Was, um Himmels willen, war das?​
»Da ist der Große Schleim, Mama!«​
»Wie? Das?!«​
»Jetzt, wo ihr es sagt, sieht es aus wie ein Schleim. Wenn man einen Schleim so weit wie möglich vergrößern würde, würde er vermutlich so aussehen.«​
Laika trat näher und tätschelte ihn. Ich tat es ihr nach. Es fühlte sich tatsächlich wie ein Schleim an.​
»Hurra!«​
Falfa zog die Schuhe aus und rannte den Schleimhügel hinauf.​
Als sie die ein paar Meter über den Boden ragende Spitze erreicht hatte, hüpfte und rollte sie herum. Da der Boden elastisch war, federte sie beim Hüpfen hoch wie bei einem Trampolin, und wegen des milden Gefälles fiel sie auch nicht herunter.​
»Wie ein Spielgerät für Kinder ...«​
Shalsha tat es ihrer Schwester nach, zog die Schuhe aus und stieg langsam den Großen Schleim hinauf. Die Schuhe auszuziehen gehörte wohl zum korrekten Ablauf.​
»Was machen wir, große Meisterin? Die beiden sind einfach rauf gegangen ...«​
Der Wald machte ihr nichts aus, aber der Schleim schien Halkara Angst einzujagen. Sie wirkte eingeschüchtert.​
»Meine Töchter würden uns nirgendwo hinführen, wo es gefährlih ist.«​
Wir beschlossen, meinen Töchtern zu folgen. Die Schuhe zogen wir sicherheitshalber auch aus. Wir traten auf den wabbeligen Untergrund, stiegen immer weiter nach oben und erreichten bald die geschmeidige Spitze. Und dort erfuhren wir, wie wunderbar der Große Schleim war.​
»Er ist schön kühl und so angenehm!«​
Ja, wenn man sich auf den Großen Schleim legte, entspannte man sich, und es war erfrischend und bequem zugleich.​
»Meisterin Azusa, ich glaube, das könnte zur Gewohnheit werden ...«​
Laikas Gesichtsausdruck war ungewöhnlich weich. Und das war nur zu verständlich, denn der Große Schleim besaß wirklich eine Kraft, die einen süchtig machte. Was Halkara betraf, hatte sie sich auf dem Schleim hingelegt und war innerhalb von fünf Minuten fest eingeschlafen.​
»Wenn Shalsha und ich vom Lernen erschöpft waren, sind wir zum Großen Schleim gegangen und haben Pause gemacht.«​
Ein Schleim sollte sich auf einem Schleim ausruhen. Es ist das Logischste überhaupt.«​
Ob das nun wirklich logisch war, wusste ich nicht, aber es war nicht von der Hand zu weisen, dass der Große Schleim ausgesprochen bequem war. Aber er war nun mal ein Schleim und kein Sofa an einer Hotelrezeption oder dergleichen. Das hatte ich fast vergessen. Der Boden vor mir nein, ein Teil des Schleims - schwoll an. langsam nahm er eine Form an, die einer menschlichen Frau ähnelte, und wurde fest.​
»W... Was ist das …?«​
Ich ging unbewusst in Verteidigungsstellung. In gewisser Hinsicht erinnerte sie noch mehr an einen Schleimgeist als Falfa und Shalsha.​
»Oh, der Große Schleim ist herausgekommen!«​
»Lange nicht gesehen, Großer Schleim.«​
Meine beiden Töchter grüßten. Sie kannten sich also auch persönlich.​
»Ich freue mich, euch zu sehen. Wie ich sehe, habt ihr heute eure Familie mitgebracht.«​
Der Große Schleim konnte offensichtlich ganz normal sprechen.​
»Du bist Azusa, die Hexe der Hochebene, nicht wahr?«​
Ich zuckte zusammen, weil ich plötzlich namentlich angesprochen worden war. Wieso sie mich wohl kannte ... ?​
»Ich bin der Große Schleim. Ich bin ein synthetisches Gedankenwesen, das aus guten Schleimen entstanden ist, die sich zu ihrem Schutz zusammengetan haben. Deshalb sind die Herzen aller guten Schleime weltweit mit mir verbunden. Auch von deiner Existenz weiß ich schon seit langer Zeit.«​
Sie wirkte wie ein Wesen einer höheren Ordnung!​
»Äm ... Freut mich, dich kennenzulernen ... Ich bin Azusa, die Hexe der Hochebene ..«​
Ich verbeugte mich, um nicht unhöflich zu wirken.​
»Nun, du hast bisher eine enorme Zahl an Schleimen erlegt,​
nicht wahr?«​
Ups... Ich ahnte schon, dass sie das erwähnen würde ...​
»Hhm ... Bist du vielleicht wütend auf mich ... ?«​
Klar musste sie wütend sein. Sie war schließlich ein Schleim.​
»Nein.«​
Der Große Schleim schüttelte den Kopf. Man schien mir verziehen zu haben.​
»Nicht, dass es mich überhaupt nicht tangieren würde, aber du hast die Kraft, die du durch das Erlegen dieser vielen Schleime erworben hast, zum Wohle der Leute im Dorf, für deine Familie und für Falfa und Shalsha, die aus Schleimseelen geboren wurden, eingesetzt. Das sind gute Taten. Bitte fahre so fort.«​
»Vielen Dank.«​
Das höhere Wesen hatte mich akzeptiert.​
»Übrigens, deine menschliche Kraft beträgt insgesamt 94 Punkte.«​
Das war eine mysteriöse Bewertung, aber da ich eine hohe Punktzahl erhalten hatte, war ich zufrieden.​
»Der Große Schleim ist ein ganz erstaunliches Wesen, das Leute objektiv nach Punkten bewerten kann«, erklärte Shalsha.​
»Als Nächstes Laika, bitte.«​
Auch Laika zuckte zusammen, als ihr Name gerufen wurde.​
»Da man dich die Stärkste aller roten Drachen nannte, hattest du früher eine überhebliche Seite, allerdings hast du deine Stellung durch Fleiß und Mühe erworben. Und seit du den Kampf gegen Azusa verloren hast, hast du noch härter an dir gearbeitet, um deine Fähigkeiten zu vertiefen. Das ist eine bewundernswerte Einstellung. 82 Punkte.«​
»D... Danke schön ...«​
Auch Laika schien bestanden zu haben.​
»Ich freue mich für dich, Laika. Dieser Große Schleim hat eine gute Menschenkenntnis.«​
»Das ist schön, aber auch ein wenig beschämend, so etwas zu hören ...«​
Sie konnte nicht offen damit prahlen, aber Laika schien zufrieden zu sein.​
»Und nun Halkara, bitte.«​
Der Große Schleim wandte sich der tief und fest schlafenden​
Halkara zu.​
»Halkara hat ... 51 Punkte.«​
»So niedrig und keine Erklärung!«​
Ganz offensichtlich wurde eine von uns hier nachlässig bewertet!​
»Halkara besitzt in der Tat große Kenntnisse als Apothekerin. Dass sie auch praktisch tätig war, sich in Wälder begeben und kontinuierlich Beobachtungen und Untersuchungen angestellt hat, ist auch hoch zu bewerten. Außerdem hat sie ein fröhliches und lebhaftes Wesen. Aber sie ist schusselig ... unfassbar schusselig ... und sie verursacht anderen sagenhaft oft Unannehmlichkeiten ... In der Hoffnung, sie damit zur Besserung zu ermuntern, habe ich ihr 51 Punkte gegeben.«​
»Es ist wahr. Jedes einzelne Wort ist wahr ...«​
Laika und ich mussten grinsen. Alles in allem war es aber eine recht liebevolle Bewertung, wie ich fand. Allerdings ...​
»Großer Schleim, das ist nicht richtig!«​
Unerwarteterweise erhob Falfa Einspruch. Sie stellte sich vor Halkara.​
»Halkara ist Halkara, und ihre Schusseligkeit gehört zu ihr! Wäre sie ernsthaft und vorsichtig und würde keine Fehler machen, wäre sie nicht Halkara! Dann wäre sie jemand völlig anderes!«​
Mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Es stimmte. Das war, als wenn man von ihr verlangte, sie solle ein perfekter Übermensch werden. Klar, wenn ich Firmenchefin wäre und Halkara meine Untergebene, wäre mir natürlich ein perfekter Übermensch lieber ... aber Halkara war Familie. Von einem Familienmitglied Perfektion zu erwarten, war irgendwie von Grund auf verkehrt.​
»Falfa mag Halkara, die schusslig ist und Fehler macht! Und das geht uns allen so!«​
Auch dem Großen Schleim schienen die Augen geöffnet worden zu sein.​
»Du bist nicht umsonst aus den gesammelten Seelen von Schleimen entstanden. Ich staune. Dass ich von dir noch etwas lernen würde ...«​
Der Große Schleim lächelte sanft.​
»Dann passt weiterhin auf Halkara auf und habt sie lieb. Das macht nämlich eine Familie aus.«​
»Das würde ich auch unaufgefordert tun«, sagte ich stolz.​
Mit anderen Worten, wir sollten ganz normal so weitermachen wie bisher. Wir waren eine gute Familie.​
Zum Schluss will ich Azusa noch einen Rat geben.«​
»Einen Rat?«​
»Ich glaube schon, dass ihr im Inneren miteinander verbunden seid. Aber die Herzen der anderen sind teilweise schwer zu begreifen. Deswegen empfehle ich, in angemessenem Maß, Zuneigung auch körperlich zu zeigen.«​
Ich verstand in etwa, was sie sagen wollte.​
»Du meinst so etwas, oder?«​
Ich schloss Laika, die in meiner Nähe stand, fest in die Arme. Der Große Schleim nickte, also musste das die richtige Antwort sein. Wenn man über Familienbande nur sprach, klang das oft suspekt und heuchlerisch. Worte können manchmal leer sein. Um dies auszugleichen, hielten wir uns fest, wie man es als Familie tat. Laika war wie eine kleine Schwester für mich. Es war völlig in Ordnung, wenn eine große Schwester ihre geliebte kleine Schwester in den Arm nahm.​
»M... Meisterin Azusa ...«​
Laika wirkte verlegen, wahrscheinlich, weil es so plötzlich kam. Vielleicht hätte ich ihr sagen sollen, was ich vorhatte. Aber dann hätte es bestimmt auf andere Art steif und unnatürlich gewirkt. Wenn man viele Erklärungen brauchte, um jemanden zu umarmen, denn man wirklich mochte, konnte man gleich ein Pferd von hinten aufzuzäumen. Man umarmt sich, weil man es will.​
»Entschuldige. Wenn es dir unangenehm ist, lasse ich dich wieder los.«​
»Nein ... Lass uns eine Weile so bleiben ..«​
Ich zumindest fand, dass Laika noch niedlicher wirkte, wenn sie verlegen war. Außerdem war ich größer und konnte sie wie eine große Schwester schützend einhüllen.​
»Oooh, Mama, Falfa will als nächstes gedrückt werden!«, verlangte Falfa und hüpfte dabei auf und ab.​
Meine Töchter umarmte ich öfter mal, aber natürlich konnte ich das gerne immer wieder tun.​
»Dann ... reicht das jetzt für mich ...«​
Laika entfernte sich mit rotem Gesicht. Zurückhaltung war ein Teil ihres Charakters.​
»Dann kommst du als nächstes dran, Falfa.«​
»Nein, vor mir ...«​
Falfa nahm Shalsha an der Hand und zog sie zu mir.​
»Shalsha möchte auch umarmt werden, also darf sie zuerst!«​
Dass sie so lieb Rücksicht auf ihre jüngere Schwester nahm! Falfa war eine musterhafte große Schwester. Shalsha sagte nichts, gab mir aber mit einem kurzen Nicken zu verstehen, was sie wollte.​
»Also gut. Dann kommt nacheinander zu Mama.«​
Shalsha kam zögernd näher. Ich beugte mich leicht hinab und streckte die Arme aus. Ich lebte nun schon längere Zeit mit meinen beiden Töchtern zusammen und konnte mittlerweile Shalsha und Falfa unterscheiden, wenn ich sie umarmte. Das bedeutete nicht, dass ich ihre Bestandteile analysierte oder etwas in der Art. Shalsha war die, die ganz sanft zu mir glitt und Falfa die, bei der ich fröhlich wurde, wenn ich sie in den Armen hielt. Das lag sicherlich an ihren unterschiedlichen Charakteren. Shalsha schloss ihre Augen und schmiegte sich leise an mich. Es wirkte so, als wenn sie meinem Herzschlag lauschen wollte.​
»Danke, Mutter«, sagte sie ruhig und sah zu Falfa hinüber.​
Offensichtlich wollte sie ihr andeuten, es sei Zeit zu tauschen. Auch der Große Schleim sah mit warmem Blick auf meine Töchter.​
»Ich liebe dich, Mama!«​
Falfa warf sich mit Wucht gegen mich.​
Und ich, mit meinem Level 99, fing sie auf. Es war ein klarer, ungetrübter Ausdruck von Liebe.​
»Ich liebe dich auch!«​
Gerade dachte ich mir, ich hätte nun alle außer der schlafenden Halkara umarmt - da bemerkte ich, dass Halkara wach geworden war und zu uns herübersah.​
»Große Meisterin, ich darf doch auch?!«​
Halkara zu umarmen bedeutete, eine erwachsene Frau zu umarmen, und das machte mich auf eine andere Art verlegen, aber ich durfte sie deswegen nicht ausgrenzen.​
»Jaja, du kannst auch kommen, Halkara.«​
»Vielen Dank!«​
Auch Halkara streckte die Arme nach mir aus. Es fühlte sich eindeutig anders an als bei den Anderen. Das waren ihre Brüste ... Sie waren angenehm elastisch, schienen aber auch an meinem Körper zu kleben ... So ähnlich hatte sich vor Kurzem doch etwas anderes auch angefühlt ... Richtig, der Große Schleim! Die Elastizität des Großen Schleims und die von Halkaras Brüsten waren fast identisch!​
»Großer Schleim, du bist so weich wie ein Kissen, aber dabei so stark, dass du uns alle zurückprallen lassen kannst. Das ist so beruhigend.«​
Neben uns sprach Falfa mit dem Großen Schleim. Und meine Tochter hatte recht. Auch Halkaras Brüste hatten so etwas seltsam Beruhigendes. Ich fühlte mich, als wäre ich wieder ein Kind geworden ...​
»Hi hi hi ... Du siehst gerade so schutzlos und niedlich aus, große Meisterin.«​
Ich fand es unangemessen, dass ein Lehrling seine Meisterin niedlich nannte, aber es fühlte sich wirklich so angenehm an, dass ich mich völlig gehen ließ und mich an sie lehnte. Oh je. Ich merkte, wie sich mein Bewusstsein trübte. Wenn nichts geschah, würde ich von Halkara nicht mehr loskommen ...​
»Huch? Ich werde auch schon wieder müde ...«​
Halkara Worten zufolge schien es ihr ähnlich zu gehen. Aber sie hatte doch bis eben geschlafen!​
»Meisterin Azusa! Ich hab das Gefühl, durch diese Gegend strömt so etwas wie giftiges Gas!«​
Nachdem Laika gesprochen hatte, hielt sie sich sofort den Mund zu.​
Wie? Giftiges Gas?«​
»Oh ... Es tut mir leid ... Manchmal bricht in diesem Wald ein ziemlich intensives Gas aus. Für Schleime ist es harmlos, aber Menschen könnte es nicht ganz so gut bekommen ...«​
Der Große Schleim sprach, als habe sie sich gerade eben erst daran erinnert.​
»Kann es sein, dass man nicht nur müde davon wird, sondern sich nicht mehr bei Bewusstsein halten kann?!«​
Kein Wunder, dass es hier keine Menschen gab. Dies war ein Ort, den man nicht betreten durfte.​
»Laika, nimm deine Drachengestalt an!«​
»Meisterin Azusa, du musst noch deine Schuhe anziehen!«​
»Mama, Halkara schläft gleich wieder ein!«​
»Das müsst ihr auf jeden Fall verhindern!«​
Wir stiegen auf Laika, die sich wieder in einen Drachen verwandelt hatte, und verließen schleunigst den Wald.​
Bei unserem nächsten Besuch würde ich darauf achten, wie lange wir blieben ...​


 
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Edward Teach

Anime-Pirat
VIP
Wir haben ein Café eröffnet

300 Jahre nachdem ich in diese Welt gekommen war, hatte ich zum ersten Mal im Leben gegen Drachen gekämpft. Nach diesem Abenteuer kamen wir gut gelaunt in unserem Haus auf der Hochebene an.​
»Hmmm ... Es ist schön, wieder zu Hause zu sein!«​
Da ich nur selten über Nacht verreiste, war es ein einigermaßen ungewohntes Gefühl.​
»Die Braut war richtig hübsch, nicht wahr, Mama?«​
Die Hochzeit war nicht reibungslos verlaufen, aber in Falfas Erinnerung war alles positiv überschrieben worden. Sehr gut.​
»Ja. Laikas Schwester sah glücklich aus.«​
»Ob ich auch mal so ein Kleid anziehen werde, wenn ich heirate?«, fragte Falfa arglos. Ich erstarrte für einen Moment.​
»Wenn ich mal verheiratet bin, möchte ich in einem süßen, roten Backsteinhäuschen wohnen.«​
Hieß das etwa, dass sie ausziehen wollte?!​
»F... Falfa ... Es gibt auch noch die Möglichkeit, mit deinem Mann hier zu wohnen ... Sieh mal, wir könnten weiter anbauen und sozusagen als Zweigenetationenhaushalt ..«​
»Wovon redest du, Mama?«​
Falfa sah mich mit schief gelegtem Kopf verwundert an. Ein Glück. Das zeigte, dass sie noch nicht konkret ans Heiraten dachte. Alles im grünen Bereich! Da kam Shalsha und klopfte mir sanft auf den Rücken.​
»Ich möchte immer in deiner Nähe bleiben, Mutter ... Seit Kurzem lerne ich auch Kochen. Ich möchte, dass du leckeres Essen bekommst.«​
Shalsha nahm Rücksicht auf meine Gefühle und tröstete mich! Unwillkürlich nahm ich sie in die Arme. Ich hatte meine Töchter so lieb, dass es fast wehtat. Als Mutter achtete ich darauf, dass ich meine beiden Töchter häufig umarmte. Das gehörte zu meinem Erziehungsstil.​
»Freust du dich, Mutter?«​
Shalsha war ein zurückhaltendes Kind, das seine Gefühle nicht offen zeigte, aber in ihrem Inneren war sie unglaublich lieb. Das wusste ich sehr gut.​
»Ja, natürlich. Ich freue mich sehr!«​
»Wieso nur Shalsha? Das ist unfair! Du musst Falfa auch drücken Mama, fest!«​
Falfa hüpfte bittend auf und ab. Falfa war ehrlich ihren eigenen Emotionen gegenüber und genauso aufmerksam und rücksichtsvoll wie ihre jüngere Schwester Shalsha. Natürlich liebte ich sie beide gleichermaßen - oder besser gesagt: ich liebte beide unendlich.​
»Aber ja. Mama macht doch keine unfairen Sachen.«​
Jetzt schloss ich Falfa fest in die Arme. In diesem Moment war ich unglaublich glücklich.​
»Wollen wir mal wieder zu dritt in einem Bett schlafen? Das haben wir lange nicht mehr gemacht.«​
»Hurra, Falfa freut sich!«​
Auch Shalsha nickte. Friedlich mit meinen Töchtern in einem Bett schlafen zu können war ein größeres Glück für mich, als Milliarden von Yen geschenkt zu bekommen. Da gab es nichts. Plötzlich spürte ich Blicke. Mir war sofort klar, dass Laika und Halkara zu mir herübersahen. Klar, bei zu viel Sonderbehandlung für meine Töchter würden die anderen eifersüchtig werden. Ich hatte Laika gerade erst am Vulkan gesagt, dass sie wie eine kleine Schwester für mich sei. Und angesichts ihres Aussehens fühlte es sich tatsächlich so an. Halkara war mein etwas schusseliger Lehrling. Für das Wort „Lehrling“ wurden dieselben Schriftzeichen wie für „kleiner Bruder“ verwendet, warum also sollte man dann einen weiblichen Lehrling nicht auch „kleine Schwester“ nennen? Also war - selbst wenn es etwas an den Haaren herbeigezogen war auch Halkara eine Art kleine Schwester für mich.​
»Wartet einen Moment«, sagte ich zu meinen Töchtern und entfernte mich kurz, um zu meinen kleinen Schwestern zu gehen und ihnen mit den Fingern durch die Haare zu wuscheln.​
»Nun guckt nicht so traurig. Kommt schon!«​
»Meisterin Azusa, du machst meine Frisur kaputt ... Aber ... das ist egal ..«​
Die ernsthafte Laika äußerte ihre Gefühle eher zurückhaltend. Für keine von ihnen war das Haus auf der Hochebene ihre ursprüngliche Heimat. Also wollte ich alle so unterstützen, dass sie sich nicht einsam fühlten. Halkara hingegen klammerte sich an mich. Irgendwie erinnerte mich das an meine Zeit als Highschool Schülerin. Damals hatte es auch Mitschülerinnen gegeben, die seltsam anhänglich waren. In Halkaras Fall gab es allerdings einen physischen Umstand, der Annäherungen erschwerte. BOING. Ich wusste es. Halkaras Oberweite drückte gegen mich.​
»Huch? Irgendwie komme ich nicht richtig ran an dich ... Aber warum …?«​
Sie wusste es wirklich nicht. Erstaunlich, dass ihr nicht bewusst war, wie kurvig sie war.​
»Ob ich mir nicht ein wenig von deiner Oberweite abzweigen kann ... ? Gibt es keinen Zauber dafür?«​
»Hast du etwas gesagt, große Meisterin?«​
»Ach, nichts ...«​
So endete unser Familienausflug zum Vulkan Rocco, der mit dem Besuch der Hochzeit von Laikas Schwester begonnen hatte, ohne weitere Zwischenfälle. Die Anführerin der blauen Drachen, Flatorte, war am Ende vollkommen friedlich geworden, nachdem sie Ärger mit Beelzebub bekommen hatte, und es würde höchstwahrscheinlich zu keinem Racheakt kommen. Deshalb hatte ich vor, wieder zu meinem Alltag zurückzukehren. Doch ...​
»Meisterin Azusa, wir müssen uns langsam ums Abendessen kümmern, aber wir haben kaum noch Lebensmittel in unserer Vorratskammer, weil wir vor der Reise nicht einkaufen waren«, berichtete Laika.​
Da hatte sie natürlich recht. Und zudem waren wir eine große Familie. Wenn ich sie allerdings jetzt zum Einkaufen schickte, wären Gemüse und andere Sachen wahrscheinlich schon ausverkauft.​
»Ach, dann lasst uns doch heute alle gemeinsam ins Dorf essen gehen.«​
Wie immer schlenderten wir gemächlich zu Fuß ins Dorf. Unterwegs erledigten wir aber auch ein wenig Arbeit. In unserer Familie bedeutete Arbeit, Schleime zu jagen, und da uns auf dem Weg ins Dorf einige begegneten, erlegten wir sie gewissenhaft.​
»Wenn ihr einen Schleim entdeckt, besiegt ihn und nehmt euch den Zauberstein, klar?«​
Wenn man bedachte, dass wir zu fünft in einem Gasthaus essen wollten, war es wünschenswert, wenigstens 25 Schleime zu erlegen. Ein Schleim brachte einen Zauberstein im Wert von 200 Gold ein. Da die Gaststätten im Dorf keine Edellokale waren, konnte man für etwa 1.000 Gold pro Person durchaus essen gehen. Für die Getränke wäre es aber besser, noch ein paar mehr Zaubersteine zu erbeuten. Wir hatten zwar nicht unbedingt Geldprobleme, aber es war schon besser, das Geld, das man auszugeben gedachte, am selben Tag zu verdienen.​
»Gegen Schleime gewinne sogar ich.«​
Auch Halkara schlug munter auf die Schleime ein, als handelte es sich um eine Sportübung. Doch sie wurde von Falfa gestoppt.​
»Halkara, den darfst du nicht erlegen. Das ist ein guter Schleim.«​
»Oh ... Ach wirklich, der hier …?«​
»Ja, genau. Der da hinten ist böse, den müssen wir erledigen.​
Guck mal, ich meine den schwabbeligeren von den beiden da drüben.«​
»Äähm, diesen hier?«​
»Doch nicht den! Das ist auch ein guter Schleim!«​
»Sie sind so schwierig zu unterscheiden ..«​
Auch ich konnte die Merkmale der guten und bösen Schleime nicht sicher auseinanderhalten.​
»Halkara, Schleime mit blasser Farbe sind böse. Die mit dunkler Farbe sind gut. So kannst du dir das merken.«​
»Ich verstehe zwar, was du sagst, Shalsha, aber allein die Farbstärke zu unterscheiden finde ich schwierig ..«​
Halkara machte sich zögernd an den nächsten Schleim. Nachdem wir eine halbe Stunde gearbeitet hatten, hatte unsere Familie insgesamt 38 Schleime erlegt. Damit hatten wir uns unser Essen verdient.​
Als wir in Flatta ankamen, wurde gerade das Dorf geschmückt. Die Hauswände waren mit buntem Stoff behängt, sodass die Straßen auffällig bunt aussahen.​
»Stimmt. Bald findet ja das Tanzfest statt.«​
Mir fiel ein, dass es gerade die Jahreszeit dafür war. Das Tanzfest war ein traditionelles Fest des Dorfs Flatta. Obwohl - als ich hierherkam, hatte es das Fest noch nicht gegeben. Man hatte es vor etwa 250 Jahren zum ersten Mal veranstaltet. Aus der Sicht eines normalen Menschen konnte man etwas, das seit 250 Jahren fortbestand, durchaus „traditionell“ nennen.​
»Was ist das für ein Fest, Meisterin Azusa?«​
Auch Laika hatte es bisher noch nicht miterlebt.​
»Die Leute tanzen ganz nach Lust und Laune, wann und wie sie wollen, auf dem Dorfplatz und auf der Hochebene. Man kann sich aber auch ohne zu tanzen amüsieren, weil es Straßenstände gibt.«​
»Aha. Diesen Volksbrauch kannte ich noch nicht. Hört sich interessant an.«​
»Na ja, Volksbrauch klingt ein bisschen steif. Es ist ein lockeres Fest. Ursprünglich hat man die Ernte dem Gott der Erde dargebracht und auch für das nächste Jahr um eine gute Ernte gebeten. Aber heute kümmert sich kaum noch jemand darum.«​
Sich zu bewegen half, Stress abzubauen. Man tanzte den ganzen Tag und sammelte neue, frische Energie.​
»Oh, da kommt die Gruppe der ehrwürdigen Hexe.«​
Der Mann, in dessen Laden wir immer unsere Butter kauften, hatte uns angesprochen. Auch er war gerade dabei, die Wände seines Ladens mit buntem Stoff zu verzieren.​
»Guten Tag. Das Tanzfest naht, nicht wahr?«​
»So ist es. Richtig, wollt ihr nicht auch etwas für das Fest tun, ehrwürdige Hexe? Wir würden uns sehr über einen Beitrag freuen. Aber natürlich seid ihr auch herzlich willkommen, wie bisher einfach nur zuzusehen.«​
»Hmmm, verstehe. Eigentlich nehme ich immer davon Abstand, direkt mitzuwirken. Ich will verhindern, dass das Fest am Ende irgendwie von mir geleitet wird.«​
In einem Satz: Es bestand die Gefahr, dass das Dorf seine Selbstständigkeit verlor. Immerhin war ich eine Hexe, die schon hier gewohnt hatte, als es das Fest noch gar nicht gab. Wenn so jemand an dem Fest mitwirkte, wären die anderen nicht mehr in der Lage, irgendetwas zu entscheiden. Ich wollte auf keinen Fall das Dorf beherrschen, deshalb hatte ich mich immer von der Gestaltung des Fests ferngehalten. Als Gast daran teilzunehmen, war gerade richtig. Dennoch: Dieses Jahr sahen die Umstände etwas anders aus.​
»Gibt es auf dem Fest auch Stände, die Bonbons verkaufen?«​
»Auf Festen kann man etwas über das Wesen der Dorfbewohner lernen. Die Erforschung von Festen ist auch aus historischer Sicht wichtig.«​
Falfa und Shalsha zeigten sich mehr als interessiert. Auch wenn sich die Objekte ihres Interesses stark voneinander unterschieden.​
»Ein Fest. So, so. Auf den Elfenfesten habe ich exklusive Drinks verkauft und gut verdient. Ich habe einen Pflanzendrink entwickelt, der einen Kater verhindert, der ging weg wie warme Semmeln. Vielleicht sollte ich das wieder machen. Auf Festen kann man mit dem Preis ruhig etwas höher gehen und die Leute kaufen die Sachen trotzdem. Es ist leicht verdientes Geld.«​
Auch Halkara interessierte sich für das Fest, auch wenn ihre Beweggründe nicht gerade rein herzig waren. Und Laika beobachtete ebenfalls neugierig die Vorbereitungen. Nun, meine Familie war sprunghaft angewachsen. Vielleicht sollte ich das zum Anlass nehmen, meine Teilnahme an dem Fest zu überdenken. Doch etwas als Familie gemeinsam zu präsentieren war keine einfache Aufgabe, und wenn wir uns zu sehr damit beschäftigten, hätten wir wahrscheinlich nicht mehr die Muße, das Fest normal zu genießen. Das würde der ursprünglichen Absicht völlig widersprechen. Gab es nicht einen guten Kompromiss?​
»Ehrwürdige Hexe, es gibt auch ein Fest am Tag davor. Da könntet ihr etwas machen«, sagte der Buttermann.​
»Ja, stimmt. Das würde nicht mit den Hauptattraktionen zusammenfallen. Hmmmmm ...«​
Da ich nicht sofort zu einem Ergebnis kam, beließen wir es zunächst dabei. Wir gingen zu meinem Stammlokal „Zum schlauen Adler“ und aßen groß zu Abend. In dieser Jahreszeit gab es gebratene Ente, die zudem perfekt gewürzt war. Obwohl ich normalerweise nicht viel Alkohol trank, leerte sich mein Glas an diesem Abend schnell. Auch Halkara war kräftig am Bechern.​
»Halkara, du kannst gerne trinken, aber pass auf, dass du nicht so endest wie auf der Hochzeitsfeier.«​
»Wenn es Fruchtwein gibt, kann ich nicht anders und muss ihn immer zum Vergleich trinken. Schließlich stelle ich selbst Drinks aus Früchten her.«​
Das nannte ich eine tüchtige Elfenapothekerin. Pflanzen waren schließlich die Spezialität von Elfen. In dem Moment kam mir eine Idee.​
»Du, Halkara, kannst du auch Getränke ohne Alkohol herstellen?«​
»Sicher. Es müssen auch keine Früchte sein. Ich kann genauso gut gesunde Drinks aus Pilzextrakten brauen.«​
Dann sollte es klappen.​
»Lasst uns am Fest vor dem Fest das Café Hexenhaus eröffnen!«​
Die Augen aller Familienmitglieder richteten sich auf mich.​
»Was haltet ihr davon? Um die Getränke kann Halkara sich kümmern und Laikas Essen hat Restaurant Niveau. Wenn wir Tische im hölzernen Gemeinschaftsraum aufstellen, den Laika angebaut hat, haben wir einen Laden, und zu fünft können wir problemlos alle Gäste bedienen. Außerdem würde es sich nicht mit dem Hauptfest überschneiden.«​
Nachdem ich den Vorschlag gemacht hatte, betonte ich einen Vorteil nach dem anderen, um meine Familie zu überzeugen. Ich sah allerdings ein Gesicht, das nicht besonders begeistert aussah. Überraschenderweise handelte es sich um Laika.​
»Ich verstehe ... Das heißt, wir müssten Kellnerinnen-Outfits anziehen, nicht wahr ... ?«​
Ach, sie meinte wohl diese Kostüme, die ein wenig an Dienstmädchenkleidung erinnerten. Ich hatte eigentlich gedacht, saubere Alltagskleidung wäre ausreichend. Laika war sowieso auch im Alltag schon ziemlich geschmackvoll angezogen.​
»Alltagskleidung ist in Ordnung. Und wenn du nicht bedienen willst, kannst du auch hinter den Kulissen arbeiten. Überhaupt gibt es auch die Option, nichts zu machen.«​
So eine Sache sollte man schließlich niemandem aufzwingen.​
»Nein, lasst mich bitte mitmachen! Und für deine Töchter ist es eine Gelegenheit, etwas über die Gesellschaft zu lernen!«​
Laika klang wie eine Lehrerin. Sie war nach wie vor eine ernsthafte Person.​
»Die Kellnerinnen-Uniform werde ich schon aushalten ... Und wenn wir viel zu tun haben, werde ich sie mit der Zeit wahrscheinlich gar nicht mehr wahrnehmen.«​
Was hatte sie bloß dagegen, sich wie eine Kellnerin anzuziehen? Ich konnte ja verstehen, wenn sich jemand wegen so etwas schämte, aber Laika kleidete sich im Alltag hauptsächlich im schwarzen Gothic Lolita Stil. Damit hob sie sich bereits auffällig vom Durchschnitt ab. Nun ja, jemand, der es mit seinem Stil genau nahm, konnte bei einigen Dingen wohl keine Kompromisse eingehen. So wurde beschlossen, dass wir uns als Familie am Vortagesfest beteiligen würden. Als wir nach dem Essen zum Bürgermeister gingen und ihm von unserem Vorhaben berichteten, reagierte er mit einem ungeheuer dankbaren:​
»Das ist wunderbar!«​
Man hätte meinen können, wir hätten dem Dorf 100 Millionen Gold gespendet.​
Am folgenden Tag ...​
Getreu dem Motto „Gutes soll man nicht aufschieben“ machten wir uns gleich auf den Weg zur Schneiderei, die schon unsere Kleider für die Hochzeit angefertigt hatte. Hier ließen wir für jede von uns eine Kellnerinnen-Uniform schneidern, und der Auftrag wurde prompt ausgeführt. Zu Hause zogen wir unsere Uniformen an. Ich sah wie eine ganz normale Kellnerin aus und fühlte mich wie eine Highschool Schülerin, die bei einem Maid-Cafe mitmacht, wie sie in Japan oft auf Schulfesten präsentiert werden. Ich war eine normale Person, die sich zufällig so ein Outfit angezogen hatte, und ein echter Maid-Cafe Profi hätte wahrscheinlich gesagt, ich hätte keine Ahnung von der Sache. Aber so jemanden gab es in dieser Welt nicht. Nun zur Beschreibung der anderen. Zunächst einmal Falfa und Shalsha.​
»Wie steht mir das, Mama?«​
»Es trägt sich sehr angenehm.«​
Die beiden waren perfekte kleine Zwillingskellnerinnen. Wunderbar. Ganz wunderbar. Aber ob es in Ordnung war, sie in dem Aufzug zu männlichen Gästen zu schicken? Sie waren zu süß und ich wollte nicht, dass man sie mit komischen Blicken ansah. Sie waren nun einmal echt niedlich. Hmmm, ja, wirklich niedlich. Als Nächstes kam Halkara umgezogen aus ihrem Zimmer.​
»Komisch, sie haben doch meine Maße genommen. Irgendwie sitzt das an der Brust sehr eng ...«​
Oh. Ich erinnerte mich, dass die Angestellte in der Schneiderei gesagt hatte: »Bei ihr ist der Effekt größer, wenn das Kleid ein bisschen enger sitzt« ...​
Es war klar, sie war die Elfenkellnerin mit der enormen Oberweite.​
»Wenn du dabei bist, kriegt die Sache sofort einen schlüpfrigen Touch. Ich finde es schon bewundernswert, wie du es ganz alleine schaffst, so viel Anstößigkeit zu verbreiten.«​
»Soll das ein Lob sein, große Meisterin …?«​
»Nachfrage besteht bestimmt. Es wäre allerdings problematisch, wenn nur Gäste mit diesem Wunsch kommen ... Sag mal, könntest du ein paar Schritte gehen?«​
»Nur gehen? So?«​
Halkara ging herum. Ihre Oberweite wippte auf und ab. Sie wippte so sehr, dass es fast ein Verbrechen war. Man hätte denken können, ihre Brüste wären Wasserballons. Selbst als Frau musste man darauf starren. Bestimmt würde es Leute geben, die nur Halkaras wegen kamen ...​
Als Letzte erschien Laika, die anfangs nicht sehr motiviert gewirkt hatte.​
»Ähm ... Also ... Sieht das an mir komisch aus?«​
In dem Moment, als ich Laika sah, durchfuhr es mich wie ein Blitz. Ich presste mir unwillkürlich die Hand auf den Mund und ging sogar ein Stückchen in die Hocke.​
»Huch, Meisterin Azusa? Was hast du? Geht es dir nicht gut?«​
»Eine Göttin ... Da steht eine Göttin ...«​
Ich war nicht die Einzige, die so abnormal reagierte. Auch Halkara sah fassungslos aus.​
»Das ist die ultimative Kellnerin ...«​
Ja, das Kellnerinnen-Outfit stand Laika viel zu gut. Sie wirkte wie ein reizendes junges Mädchen, das die Uniform angezogen hatte, um zum ersten Mal als Bedienung zu arbeiten, und ihr unsicherer Gesichtsausdruck harmonierte perfekt mit den süßen Verzierungen des Kleides. Zudem umgab sie ein leicht koketter Ausdruck. Alles zusammen verlieh ihr eine bombastische Schlagkraft.​
»Das steht dir unheimlich gut, vielleicht, weil du auch sonst immer Sachen mit Rüschen trägst ... Wirklich, es steht dir fast zu gut.«​
Mein überschwängliches Kompliment machte Laika sichtlich verlegen.​
»Ich habe früher mal bei einer Theateraufführung in der Drachenschule eine Kellnerin gespielt und da hat man mir auch ständig gesagt, mir stünde das Outfit sehr gut ... Und jetzt reagiert ihr auch so ...«​
Ich verstand. Sie war nicht so motiviert gewesen, weil sie wusste, dass ihr die Uniform allzu gut stehen würde.​
»Laika, auch wenn es dir ein bisschen peinlich ist, solltest du den Job machen. Du solltest deine Talente offen zeigen.«​
Ich hörte mich an wie ein Produzent aus der Unterhaltungsszene, aber ich empfand wirklich und ehrlich so. Unser Unternehmen würde bestimmt ein Erfolg werden. Klar, bisher hatten wir nur die Outfits gekauft, aber das mit dem Essen würden wir schon hinbekommen. Was die benötigten Tische anging, beschloss ich, keine neuen zu kaufen, sondern morgen im Dorf welche für die Dauer des Cafés auszuleihen. Und so konnten wir mit den Vorbereitungen für das Café Hexenhaus fortfahren. Zunächst einmal das Menü. Was die Getränke anging, wollten wir nicht nur die Standardsachen anbieten, sondern uns auf Halkaras Talent verlassen.​
»Endlich erhalte ich die Chance, meine Fähigkeiten einzusetzen! Verlass dich auf mich, große Meisterin!«​
Sie wirkte schon fast übertrieben motiviert und legte mir einen Menüvorschlag nach dem anderen vor. Es waren wirklich viele, aber die meisten davon waren ziemlich seltsam.​
»Dieses >Potenzmittel zum Trinken - Mix aus 15 Wurzeln ist abgelehnt.«​
»Was? Warum? In der Provinz Flant, wo ich gewohnt habe, war das bei den männlichen Bewohnern total beliebt wegen seiner gigantischen Wirkung!«​
»Das Image ist nicht gut! Es muss lyrischer klingen.«​
»Wie wäre es dann mit: > Trink es täglich und du wirst in einem Monat größer sein! Ein Kräutermix für Knochenwachstum?«​
»Du sollst aufhören, den praktischen Nutzen zu rühmen!​
Denk dir etwas Gewöhnlicheres aus!«​
Außerdem wäre es komisch, in einem Café, das nur einen Tag lang geöffnet sein würde, ein Produkt zu verkaufen, das erst in einem Monat wirkte.​
»Aber ich finde, meine Ideen klingen ziemlich hexen mäßig ...«​
Halkaras Beschwerde war nicht ganz unverständlich, aber da ich für die Dorfbewohner keine gruselige Hexe war, die man fürchtete, war es nicht nötig, besonders Hexenhaft aufzutreten.​
»Gut, dann gehe ich auf Nummer sicher und stelle Fruchtsaft her. Ich werde wild wachsende Trauben aus der Region und mit warmem Wasser verdünnten Honig mischen. Das ergibt einen frischen Drink mit angenehmem Abgang.«​
»Kannst du nicht gleich so was vorschlagen?«​
Diese Idee konnte ich problemlos akzeptieren. Es gab nichts daran auszusetzen.​
»Schon, aber das hat nichts Witziges.«​
»Es muss auch nicht witzig sein. Das ist keine Comedy Veranstaltung.«​
Wir befanden uns nicht in einem heiß umkämpften Maid-Cafe Bezirk, also konnten wir ganz normal auftreten.​
»Wenn das gut genug ist, kann ich etwa fünfzig Sachen pro Tag vorschlagen.«​
»Du bist also ein Genie. Gut, die Getränke sind gesichert. Nicht, dass ich mir wirklich Sorgen gemacht hätte.«​
»Och Mensch, ich würde gerne wenigstens einen >Du dachtest, er sei süß, aber dann ... ultrascharfer Saft mit 30 Gewürzen!< herstellen.«​
Offensichtlich gab es in jeder Welt Leute, die unbedingt etwas Bescheuertes machen wollten ... Als Nächstes kam das Essensmenü dran. Auch das gestaltete sich unerwartet schwierig. Laika erschien mit einem Teller, auf dem sich eine riesige, gelbe Masse türmte.​
»Meisterin Azusa, ich habe mir ein Projekt ausgedacht: > Iss das Mega ultra Riesenomelett in 30 Minuten auf und du zahlst nichts. Was hältst du davon?«​
»Nein, bitte nichts in Richtung Wettessen! Das würde uns ein sehr spezielles Image verpassen!«​
Ob diese Wettessen-Events ein universell verbreitetes Phänomen waren?​
»Und ich habe einen Geheimplan!«​
Laika verschwand in der Küche und kam mit einem anderen Teller zurück.​
»Wie wäre es mit diesem ausgefallenen Menü - süße Creme auf Pasta? Man geht davon aus, dass Pasta und Süßes nicht zusammenpassen, aber wir wagen es und setzen eine Art Nachtisch drauf.«​
»Ich schätze deinen Abenteuersinn, aber nein. Das machen wir nicht!«​
Solche Läden hatte es ganz sicher auch in Japan gegeben!​
»Laika, dein übliches Essen schmeckt wunderbar, also bleib lieber deiner Basis treu!«​
»Verstehe ... Aber ... wir werden Geld von den Leuten nehmen und da dachte ich, wir müssen etwas mit entsprechendem Wert bieten. Deswegen hatte ich die Idee ...«​
Irgendwie hatten alle einen zu ausgeprägten Forschergeist.​
Ein Café sollte ein Ort sein, an dem man durchatmete und entspannte. Den Punkt durften sie nicht missverstehen.​
Es gab allerdings noch weitere Problemkinder. Die Tür flog mit einem Knall auf und Falfa kam hereingestürmt. Offensichtlich war sie draußen gewesen.​
»Mama, ich hab eine Riesenheuschrecke gefangen!«​
Es war tatsächlich ein handflächengroßes, mächtiges Exemplar.​
»Ui, die ist aber wirklich groß.«​
»Sag mal, glaubst du, diese Heuschrecke würde schmecken,​
wenn man sie ...«​
»Nein, wir werden sie nicht im Café anbieten.«​
Da kam Shalsha, die ein dickes Buch trug, dazu.​
»Laut diesem Buch gibt es Länder, in denen Insekten gegessen werden, wobei besonders Heuschrecken beliebt sind. Allerdings muss man die Beine vorher abtrennen, da sie sonst im Hals oder anderswo im Körper stecken bleiben und ernste Schäden hervorrufen können.«​
»Ich habe nicht vor, fremde Kulturen zu ignorieren, aber wir werden so etwas nicht anbieten!«​
Wieso wollten alle seltsame Richtungen einschlagen, obwohl wir nur für einen einzigen Tag ein Café eröffnen wollten?!​
»Falfa, sei lieb und bring die Heuschrecke wieder nach draußen. Vielleicht hatte sie ja vor, mit ihren Freunden zu spielen.«​
»Jaaa, mach ich.«​
Falfa ging wieder nach draußen. Alle kamen mit sehr viel komischeren Vorschlägen um die Ecke, als ich mir vorgestellt hatte. Also gut, ich musste das Ganze regeln. Sonst gab es ja niemanden. Zunächst kümmerte ich mich um die Sitzplätze. Mithilfe eines Maßbands legte ich fest, wo die Tische stehen sollten. Selbstverständlich sollten im Haus Tische stehen, aber ich beschloss, auch Terrassenplätze einzurichten. So hätten wir mehr Sitzplätze, und da unser Haus auf der Hochebene stand, war die Luft sehr gut. Auch die gelegentlich aufkommende Brise war angenehm. Und wenn es drinnen zu voll würde, wäre die entspannte Atmosphäre dahin und der eigentliche Sinn des Cafés ginge verloren. Was das Menü betraf, orientierte ich mich an Laikas Vorschlägen und traf die endgültigen Entscheidungen. Im Mittelpunkt standen Gemüsegerichte, die ein wenig aufwendiger zubereitet wurden als unsere übliche Hausmannskost.​
»Lasst uns das Menü auf das feste Papier schreiben, das wir sonst benutzen, um die Mischungsergebnisse für unsere Medizin zu notieren. Jeder Tisch soll ein Exemplar bekommen. Ich werde eine Vorlage erstellen. Kann danach jede von euch drei Menüs schreiben?«​
»Große Meisterin, dir ist es wirklich ernst ...«​
Halkara war so überrascht, dass sie ein wenig zurückwich.​
»Ich dachte, das Ganze wäre eher eine Art Witz ...«​
»Wenn wir uns schon auf die Sache einlassen, wieso sollten wir einen Witz daraus machen?«​
»Ach, ich dachte, wir könnten die Gäste zum Beispiel mit​
»Willkommen zu Hause, gnädiger Herr« begrüßen oder so.«​
Waren diese japanischen Maid-Cafes etwa wirklich ein universelles Phänomen ... ?​
Die Zeit verging wie im Flug - beziehungsweise, es waren einfach nicht sehr viele Tage bis zum Fest vor dem Fest - und schon bald war der Tag da, an dem das Café Hexenhaus eröffnen sollte. Nach dem Frühstück zogen wir alle unsere Kellnerinnen-Uniformen an.​
»A... Also, wenn wir alle im gleichen Outfit so aufgereiht dastehen, bieten wir schon einen beeindruckenden Anblick ...«, sagte Laika halb verlegen und halb begeistert, weil es endlich so weit war.​
Mir selbst ging es ähnlich.​
»Stimmt. Glücklicherweise regnet es heute nicht. Wollen wir jetzt mit den letzten Vorbereitungen beginnen? Laika und Halkara, ihr bereitet das Essen und die Getränke vor. Falfa und Shalsha, ihr wischt die Tische ab und kontrolliert, dass der Boden sauber ist. Und ich werde Stühle auf die Terrasse tragen.«​
Weil wir ein Problem gehabt hätten, wenn wir die Stühle schon vorher auf die Terrasse gestellt und es geregnet hätte, hatte ich sie bis kurz vorher unter dem Vordach deponiert. Da alle nickten, schien es kein Problem zu geben.​
»Es ist jetzt kurz nach acht, bis zur Ladenöffnung um zehn haben wir also noch fast zwei Stunden. Geben wir unser Bestes!«​
Diesmal antworteten Laika und Falfa mit einem „Ja!“ beziehungsweise „Jaaa!“.​
»Ähm ... was machen wir, wenn kein einziger Gast kommt ... ?«​
Wahrscheinlich lag es daran, dass sie ständig in schwierige Situationen geriet, jedenfalls war Halkara Pessimistin.​
»Vom Dorf hierher ist es schon ein Stück. Und dort wird doch auch das Fest vor dem Fest gefeiert. Wenn den Leuten ein Café so weitab vom Schuss egal ist und sie beschließen, es zu ignorieren ...«​
Stimmt, dieses Risiko war nicht von der Hand zu weisen.​
»Komm schon, es bringt nichts, sich Gedanken zu machen. Lasst uns tun, was wir können. Es geht schließlich ums Mitmachen ...«​
»Wenn wir nichts verkaufen, werde ich meine Drinks in Körbe packen und morgen auf dem Fest anbieten.«​
Man merkte, dass sie früher eine Fabrik geleitet hatte. Sie war wirklich geschäftstüchtig.​
»Lasst uns mit der Arbeit beginnen. Ihr habt alle eure Schichten im Kopf, nicht wahr? Gut, die Besprechung ist beendet!«​
Weil ich nach draußen wollte, ging ich zur Tür unter dem Giebeldach auf der Blockhausseite. Eigentlich war das der Hintereingang des Hauses, aber da wir für das Café das Blockhaus benutzten, war diese Tür der Haupteingang des Ladens. Vor das Haus hatten wir ein Schild mit der Aufschrift Café Hexenhaus aufgestellt. Aber da hier fast nie jemand vorbeikam, kam es darauf an, wie sehr sich die Nachricht von unserem Café im Vorfeld im Dorf verbreitet hatte.​
»Also gut, dann will ich auch draußen die Tische schön ordentlich aufstel...«​
Doch als ich die Tür öffnete, erstarrte ich. Draußen hatte sich bereits eine unheimlich lange Gästeschlange von rund sechzig Leuten gebildet ... So viele Plätze hatten wir überhaupt nicht. Die Gäste waren etwa zur Hälfte männlich und zur Hälfte weiblich. Es wirkte so, als sollte gleich eine Versammlung stattfinden.​
»Oooh! Die ehrwürdige Hexe der Hochebene im Kellnerinnen-Dress!«​
»Welch blendender Anblick!«​
»Ich kann es kaum erwarten, auch die anderen zu sehen!« Großer Jubel brach aus, kaum dass ich einen Schritt nach draußen getreten war.​
»Ä... Ähm, ihr wisst schon, dass wir erst um zehn Uhr öffnen, oder ... ?«​
Wir hatten doch auch ein Blatt mit den Öffnungszeiten auf das Schild vor dem Laden geklebt ...​
»Natürlich!«​
»Die ganze Nacht über anzustehen wäre eine Belästigung gewesen, deswegen sind wir ganz früh am Morgen gekommen!«​
»Ich bin einen vollen Tag lang von der Stadt angereist!«​
Ganz hinten stand jemand mit einem Plakat, auf dem „Ende der Schlange“ stand. Also, ich konnte mich nicht erinnern, so etwas gebastelt zu haben! Ob das irgendwelche Freiwillige auf eigene Faust getan hatten?​
»Wir sind noch am Vorbereiten. Bitte geduldet euch noch ein wenig!«​
Ich hatte nicht gedacht, dass so viele Augen auf mich gerichtet sein würden, während ich die Tische hinaustrug. Dank meiner enormen physischen Kräfte war die Arbeit allerdings schnell erledigt. Wenn man Level 99 war, konnte man locker einen Tisch in jeder Hand tragen.​
Aber ich konnte den Leuten unmöglich sagen, dass sie noch fast zwei Stunden warten sollten, bis wir um zehn Uhr öffneten. Ich erledigte schnell meine Vorbereitungen draußen und ging zurück ins Haus.​
»Hört mal, da draußen stehen schon etwa sechzig Leute Schlange. Meint ihr, wir können etwas früher öffnen? Um neun Uhr?«​
Alle sahen mich erschrocken an.​
»Waaas? Es ist gegen die Regeln, die ganze Nacht über anzustehen!«​
In dieser Welt wurde es also als Ärgernis betrachtet, eine Nacht lang für etwas anzustehen. Für Verkaufsausstellungen in Japan galt das Gleiche. Eine seltsame Parallele.​
»Sie sagten, sie hätten sich erst heute Morgen ganz früh angestellt.«​
»Dann ist es kein Problem. Wenn Leute die ganze Nacht dagestanden hätten, hätten wir sie ans Ende der Schlange schicken müssen.«​
Die Regeln für solche Fälle schienen ziemlich streng zu sein.​
»Also, könnten wir es schaffen, um neun zu öffnen?«​
»Von den Getränken her kein Problem. Wie sieht es bei dir aus, Laika?«​
»Zeitlich würde ich es schaffen. Alle Zutaten liegen bereit. Aber es sind mehr Gäste, als wir angenommen haben, und es wäre unangenehm, wenn wir schnell ausverkauft wären. Vielleicht sollte ich fix ins Dorf fliegen und Nachschub arrangieren.«​
»Das erledige ich. Sag mir, was wir brauchen! Jetzt geht es nur noch um die Zahl der Sitzplätze ...«​
Wir hatten ein paar Reservetische, und wir konnten auch noch einige mehr zusammentragen, die in unseren Zimmern standen. Die könnten wir dazustellen, wenn besonders viele Gäste auf einmal kämen.​
Doch noch bevor ich etwas in der Art sagen konnte, trugen Falfa und Shalsha auch schon einen Tisch herein.​
»Mama, Shalsha sagt, wir sollten noch mehr Tische aufstellen.«​
»Mutter, ich werde tun, was ich kann. Auch ein Gelehrter aus dem Osten sagt, Wissenschaft, die nicht zu Taten führt, sei sinnlos.«​
»Ihr beiden seid großartig! Wenn wir Zeit hätten, würde ich euch noch einmal in den Arm nehmen!«​
So arbeiteten wir unter Hochdruck, damit wir um neun Uhr öffnen konnten. Es war wahrscheinlich das erste Mal, seit ich in dieser Welt lebte, dass ich so hart arbeitete. Aber es fühlte sich überhaupt nicht so anstrengend an wie in meiner Zeit als Firmensklavin. Vielleicht war das nur natürlich. Firmensklaven wurden zur Arbeit angetrieben. Aber wir arbeiteten, weil wir es wollten. Die Motivation war von Grund auf anders.​
Dann, auf die Sekunde genau, als die Zeiger neun Uhr anzeigten, stieß ich die Tür der Blockhütte schwungvoll auf.​
»Da bereits so viele Gäste anstehen, öffnet das Café Hexenhaus eine Stunde früher als geplant! Wir werden euch der Reihe nach hineinbitten. Bitte geduldet euch!«​
» Uoooooooh! «​
Jubel brach aus. So brüllte man doch nicht, wenn ein Café öffnete! Ich hätte nicht gedacht, dass unser Vorhaben so beliebt sein würde ... Die Schlange war sogar noch länger geworden. Damit stand fest, dass wir den ganzen Tag durcharbeiten würden.​
»Ihr seid zu zweit? Wollt ihr drinnen sitzen oder auf der Terrasse? Gut, dann folgt mir bitte rein.«​
»Eine Person, ja? Wäre es in Ordnung für dich, am Tresen zu sitzen? Schön, hier entlang, bitte!«​
»Fünf Personen? Folgt mir bitte an diesen Tisch!«​
Ich fertigte einen Gast nach dem anderen ab. Wobei ich aber nicht vergaß zu lächeln. Der Tresen war übrigens in aller Eile entstanden, indem wir einen langen Tisch an die Wand geschoben hatten. Ursprünglich hatten wir so etwas nicht geplant. Das Konzept, die Gäste in Ruhe entspannen zu lassen, brach bereits in sich zusammen. Wenn wir die Geschwindigkeit nicht deutlich anhoben, würden einige Gäste nicht an die Reihe kommen. Dabei hatte ich von einem versteckt liegenden Café mit Geheimtippcharakter geträumt ... Aber den Gästen war schon in dem Moment, als sie sich angestellt hatten, klar gewesen, dass es voll werden würde, also beschwerte sich niemand. Es war eher ein Problem, dass wir mit Zurufen bombardiert wurden, als wenn wir kleine Stars wären. Nun, nicht wirklich ein Problem, aber es machte uns verlegen.​
»Du bist eine wunderschöne Kellnerin, ehrwürdige Hexe! Einfach göttlich!«​
»Halkara ist auch überragend. Genau an der Grenze von aufregend und unmoralisch!«​
»Und die Zwillinge sind sagenhaft süß!«​
Hmmm, das versteckte Café war im Begriff, sich in ein Maid-Cafe zu verwandeln. Dabei war die Hälfte der Gäste weiblich. Nun, japanische Starletts hatten auch relativ viele weibliche Fans, also war das hier vielleicht etwas Ähnliches. Die Beliebteste - beziehungsweise die, die die meiste Aufmerksamkeit auf sich zog war allerdings Laika.​
»Danke fürs Warten. Hier ist das bestellte Omelett. Lass es dir in Ruhe schmecken.«​
Prinzipiell war Laika zwar in der Küche, aber wenn sie manchmal erschien, um das Essen selbst zu servieren, konzentrierten sich die Blicke der Gäste auf sie. Die Hände der Leute, die am Essen waren, blieben samt Messer und Gabel stehen.​
»Ei... Ein Engel ...«​
»Du meinst, eine Göttin.«​
»Wenn ich so eine kleine Schwester hätte, würde ich bestimmt jeden Tag eine Stunde nur damit verbringen, sie zu umarmen. Ganz sicher.«​
»Unnötig, Worte zu verlieren. Sie nur anzusehen, fühlt sich erhaben an.«​
Laika war auf perfekte Weise entzückend. Sie zog nicht nur die Blicke der Männer auf sich, sondern auch die der Frauen. An einem Tisch kreischten weibliche Teenager. Tatsächlich hatte sie ja auch mich umgeworfen, als ich sie das erste Mal gesehen hatte. Meine Wahrnehmung war also nicht falsch gewesen. Hätte es ein Ranking gegeben, welches hübsche Mädchen man am liebsten als kleine Schwester hätte, hätte sie problemlos den ersten Platz gemacht. Obwohl eine kleine Schwester im Kellnerinnen-Dress ein wenig seltsam wirkte.​
»Ähm, liebe Gäste ... wenn ihr mich so anstarrt, fühle ich mich unwohl ...«​
Laika errötete verlegen, und das verstärkte ihre Attraktivität noch einmal gewaltig. Einer der Gäste war so begeistert, dass er Nasenbluten bekam.​
»Ja, das ist unsere Laika.«​
»Wenn ernsthafte Mädchen wie sie so ein Outfit tragen, ist das gerade etwas Besonderes.«​
»Halkara ist auch gut, aber zu aufreizend.«​
»Schließlich machen nicht nur Brüste den Reiz eines Mädchens aus.«​
»Obwohl ich Brüste auch mag!«​
Ich hörte, wie hier und da etwas problematische Kommentare gemacht wurden. Sollten wir so weitermachen und als Maid-Cafe Geld verdienen? Nein ... Mir war ein solides Leben lieber, in dem wir Schleime erlegten.​
Teilweise lief es anders, als ich angenommen hatte, aber unser Café an sich wurde gut angenommen.​
»Dieser Saft ist herrlich erfrischend!«​
»Und die Suppe wärmt einen schön. Sie erinnert an Hausmannskost, ist aber professionell veredelt!«​
Unser Menü hatte eine hohe Qualität. Ich war mir sicher, dass die Gäste zufrieden sein würden. Das hatten wir alles Laika und Halkara zu verdanken. Ohne meine Kontrolle hätte allerdings die Gefahr bestanden, dass völlig absurde Sachen serviert worden wären . Beliebt zu sein bedeutete gleichzeitig beschäftigt zu sein. Noch vor dem Mittag blieb Shalsha an der Hinterseite des Ladens sitzen.​
»Mutter, meine Beine bewegen sich nicht mehr. Es tut mir leid.«​
Stimmt, Shalsha war nicht sehr kräftig, und die Arbeit war deshalb sehr hart für sie.​
»Ruh dich aus und nimm dir Zeit. Es tut mir leid, dass ich zu beschäftigt war, um es zu bemerken.«​
»D ... Dann übernehme ich wenigstens die Kasse ... Dafür muss ich nicht herumlaufen ...«​
»In Ordnung. Aber wenn du merkst, dass es dir zu viel wird, darfst du dich nicht übernehmen und musst sofort Bescheid sagen.«​
Diese Art Probleme war zwar irgendwie positiv, trotzdem hatte ich nicht gedacht, dass der Laden so gut laufen würde. Es gab viele Gesichter, die ich nicht kannte, die Gäste waren demnach nicht nur aus Flatta, sondern sogar von noch weiter entfernt gekommen. Wenn es ein japanischer Ramen Nudelsuppen Laden gewesen wäre, hätten wir sagen können, die Suppe sei aus und wir müssten schließen, aber dies war ein Café, das noch dazu nur diesen einen Tag geöffnet hatte, also konnten wir die Leute schlecht bitten, ein anderes Mal wiederzukommen. Wir mussten wohl einfach stramm weitermachen. In diesem Moment wurde ein Tisch frei. Ich musste die nächsten Gäste hereinbitten. Elegant öffnete ich die Tür.​
»Vielen Dank fürs Warten. Wie viele Personen seid ihr?«​
»Eine.«​
Ich sah in ein äußerst vertrautes Gesicht.​
»Beelzebub ... Wir begegnen uns aber oft. Sag mal, hast du in deinem Dämonenjob nicht genug zu tun?«​
»He, das ist unhöflich einem Gast gegenüber. Ich wurde von eurem Café unterrichtet.«​
Beelzebub war ein hochrangiger Dämon, bei dem greinende Kinder vor Furcht verstummten, aber in Wirklichkeit war sie einfach nur nett. In der Vergangenheit hatte sie mir schon mächtig geholfen.​
»Hm, wie ich sehe, scheint euch der Erfolg eures Ladens einige Probleme zu bereiten.«​
»Ach, das sieht man? Ja, es gibt so viel zu tun, dass ich mich selbst über die Hilfe einer Katze freuen würde.«​
Plötzlich kam mir eine geniale Idee. Naja, keine geniale Idee, sondern einfach nur eine Bitte.​
»Liebe Beelzebub, wenn es dir nichts ausmacht, würdest du uns bitte beim Bedienen der Gäste helfen?«​
Ich legte flehentlich meine Hände aneinander und bat sie inständig. Diese Geste einem Dämon gegenüber fühlte sich ein bisschen wie heidnische Verehrung an.​
»Verdammt ... Immer willst du mich wie ein Mädchen für alles einsetzen. Ich bin ein Dämon. Niemand, den man so ohne Weiteres einspannen kann. Wie kann man nur so unverschämt sein ... Na gut, ich mache es.«​
»Oh, ich danke dir!«​
Ehrlich gesagt war ich insgeheim schon davon ausgegangen, dass es klappen würde, wenn ich sie nur fragte. So war Beelzebub nun einmal.​
»Wenn du dich so vor mir verneigst, bleibt mir nichts anderes übrig, als deiner Bitte zu entsprechen«, sagte sie leicht verschämt.​
»Ach ja, habt ihr denn noch eine Kellnerinnen-Uniform? Ich könnte auch in meiner normalen Kleidung arbeiten, aber wenn schon, wäre so ein Rüschenkleid passender.«​
Sie schien ganz schön motiviert zu sein. Ob sie immer schon mal so ein Outfit anprobieren wollte? Egal, Beelzebubs Aufzug war schulterfrei und passte tatsächlich nicht zum Tagesbetrieb eines Cafés.​
»Ich habe ein Kleid in Reserve für den Fall, dass das hier schmutzig wird. Das kannst du nehmen.«​
»Gut. Ich ziehe mich in einem leeren Raum um.«​
»Danke, Beelzebub. Ich werde dir auch ordentlich Lohn zahlen! Und falls du Überstunden machen musst, zahle ich extra!«​


 
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Edward Teach

Anime-Pirat
VIP
Die ultimative Helferin

Nach ein paar Minuten Warten ertönte ein „Komm rein!“ von Beelzebub, und ich trat ins Zimmer. In der Tat, da stand sie und sah perfekt aus in der Kellnerinnen-Uniform.​
»Die Größe ist genau richtig. Sieht gar nicht schlecht aus.«​
Sie stand vor dem Spiegel und überprüfte ihr Outfit. Ja, man sah ihr deutlich an, dass sie Spaß hatte. Nur eine Sache wirkte seltsam.​
»Oh ... deine Flügel ragen aus dem Stoff raus ... Dieses Ersatzkleid ist nur ausgeliehen und du hast Löcher reingemacht!«​
»Solche Löcher kann man doch ganz einfach mit einem Ausbesserungszauber wieder schließen.«​
»Was? So einen praktischen Zauber gibt es? Davon habe ich noch nie gehört.«​
»Wenn du ihn nicht kennst, wird er vermutlich nur unter Dämonen weitergegeben.«​
Irgendwie waren sie ziemlich fortschrittlich, diese Dämonen. Allerdings machte so ein Zauber Reparaturdienste arbeitslos. Beelzebub krempelte forsch die Ärmel hoch.​
»Also, was soll ich zuerst tun? Ich werde dir jetzt zeigen, wie ein hochrangiger Dämon Gäste bewirtet!«​
»Hmmm, kannst du Bestellungen aufnehmen? Auf jedem Tisch klebt ein kleiner Zettel mit einer Nummer, daran kannst du die Tischnummern erkennen.«​
»Verlass dich auf mich. Ich werde die Arbeit von zehn erledigen.«​
Beelzebub stürzte sich mutig in die Schlacht (was selbstverständlich nur bildlich gemeint ist). Die Blicke der Gäste wandten sich der neuen Mitarbeiterin zu.​
»D... Da ist jemand neu dazugekommen!«​
»Sie wirkt am vornehmsten von allen.«​
»Nein, ich finde, sie hat eine würdevolle, militärische Aura.«​
Es stimmte. Bei einem hochrangigen Dämon wie Beelzebub war allein schon die Gangart beeindruckend. Nichts an ihren Bewegungen war unnötig, und ihr Rücken war kerzengerade. Aber eine Sache beunruhigte mich. Konnte Beelzebub mit ihrem üblichen, herrischen Verhalten überhaupt Leute bedienen? Sie würde die Gäste doch hoffentlich nicht mit „He, du da!“ ansprechen, oder? Es hieß, in Akihabara gab es auch solche Läden, aber die hatten ein anderes Konzept. Beelzebub nahm ein Tablett mit Wassergläsern und steuerte resolut auf einen Tisch mit Gästen zu, die gerade erst das Café betreten hatten. Die Gäste schienen vor der merkwürdig arrogant wirkenden Bedienung ein wenig auf der Hut zu sein. Das Kind fürchtete sich sogar. Doch dann geschah etwas Unerwartetes. Auf Beelzebubs Gesicht erschien ein überaus freundliches Lächeln.​
»Herzlich willkommen! Hier kommt erst einmal Wasser für euch. Vielen Dank, dass ihr heute ins Hexenhaus gekommen seid! Ruft mich bitte, wenn ihr wisst, was ihr bestellen wollt!«​
Welch großartiger Service! Dabei konnte sie nicht einmal geübt haben! Und mehr noch - Gästen, die gemischtes Süßgebäck bestellt hatten, empfahl sie geschickt:​
»Dazu passt dieser Tee sehr gut.«​
Sie verfügte über die Techniken einer erfahrenen Kellnerin.​
»Vielen Dank für deine Bestellung! Bitte habt noch ein wenig Geduld! Herzlichen Dank für euren Besuch!«​
Schließlich gab sogar das Kind seine Zurückhaltung auf und rief ihr zu:​
»Du siehst so hübsch aus!«​
»Das ist lieb von dir. Wenn du groß bist, wirst du bestimmt auch cool aussehen. Also dann! Ich bringe euch gleich euer Essen. Warte noch einen Moment, ja?«​
Träumte ich etwa? Ich hatte befürchtet, dass sie so etwas sagen könnte wie: „Ich bin wichtig. Bestell gefälligst etwas Einfaches, das mich nicht belastet, und verschwinde so schnell wie möglich wieder“, aber diese Sorge war völlig unnötig gewesen. Selbst ihr Tonfall und ihre Wortwahl waren anders als sonst.​
»Küche, ein Kräutertee und Karotten-Chiffon-Cake als Menü, außerdem zwei gemischte Fruchtsäfte, bitte!«​
»V... Verstanden.«​
In der Küche sah ich eine verängstigte Halkara. Später hatte ich die Gelegenheit, kurz mit Beelzebub zu sprechen.​
»Na? Ich arbeite so fleißig wie eine Fliege, nicht wahr?«​
Den Ausdruck gab es in der Menschenwelt nicht, also war mir nicht ganz klar, was sie meinte.​
»Als Café Angestellte redest du sogar anders.«​
»Ich spiele mich nur in Positionen auf, in denen meine Überlegenheit selbstverständlich ist. Aber eine Café Angestellte darf doch nicht arrogant einem Gast gegenüber sein, oder? Ich bin kein Idiot, der nicht weiß, wie es läuft.«​
Das war komplett richtig, und es gab nichts, worüber ich mich beschweren konnte.​
»Oh, da wurde schon wieder ein Früchtecrêpe bestellt. Gut, dann werde ich ihnen mal mit Schokosoße eine Illu aufspritzen.«​
»So was kannst du auch?!«​
»Für mich ist nichts unmöglich«, sagte Beelzebub mit selbstgefälligem Gesichtsausdruck.​
Auch danach präsentierte Beelzebub einen Trick nach dem anderen, schenkte aus unfassbarer Höhe Tee ein und zeichnete Bilder in den Schaum von Getränken.​
»Ich glaube, wir haben eine ganz unglaubliche Helferin bekommen, Meisterin Azusa ...«​
Laika sah hinüber zu Beelzebub, die gerade den Arm mit der Kanne hoch erhoben hatte und Tee in eine Tasse goss.​
»Ja. Wenn man in Not ist, sollte man immer um Hilfe bitten. Man darf Probleme nicht in sich hineinfressen.«​
Beelzebub hatte gesagt, sie würde für zehn arbeiten, und sie hatte nicht zu viel versprochen. Dank ihr kletterte die Kundenzufriedenheit im Café Hexenhaus noch weiter nach oben.​
»Ein Kräutertee! Alles klar, vielen Dank!«​
Wieder schallte Beelzebubs freundliche Stimme herüber. Wenn ich so darüber nachdachte, waren wir bestimmt das erste Café überhaupt, in dem ein hochrangiger Dämon wie selbstverständlich herumlief und Gäste bediente.​
Dank Beelzebubs Mithilfe schafften wir es irgendwie, bis zur Schließungszeit abends um sieben durchzukommen. Alle Mitarbeiterinnen versammelten sich, um die letzten Gäste zu verabschieden.​
»Vielen Dank für euren Besuch heute!«​
Nachdem es vorbei war, umarmte ich Beelzebub.​
»Danke! Du hast uns wahnsinnig geholfen!«​
»Ja, mir ist wohl bewusst, dass du mir dankbar bist. Und du darfst mich noch mehr lobpreisen.«​
Im Moment durfte sie so selbstzufrieden sein, wie sie wollte. Sie hatte das Recht dazu.​
»Ja, das tue ich. Ich lobpreise dich!«​
»Dann Lass mich zum Zeichen deiner Dankbarkeit etwas bestellen. Schließlich bin ich ursprünglich als Gast hierhergekommen.«​
Das stimmte. Die ganze Zeit über hatte ich einen Gast arbeiten lassen. So gesehen waren wir ein unmögliches Café ...​
»Oh natürlich, kein Problem. Bestell, was du willst. Natürlich musst du nicht zahlen.«​
»Mal sehen, dann nehme ich alle Gerichte auf dieser Seite, diesen und diesen und diesen Kuchen, aus der Getränkekarte das und das und das, und dazu noch das hier.«​
»Du isst zu viel.«​
»Ich habe mächtig viel gearbeitet und jetzt habe ich Hunger. Bringt mir auch noch zwei Flaschen Nährschnaps.«​
Der stand zwar nicht auf der Karte, aber Halkara lief gleich los, um ihn zu holen. Sie benahm sich, als wenn sie es mit einer ehemaligen, älteren Mitschülerin zu tun hätte, die sie fürchtete. Um das Essen kümmerten Laika und ich uns. In der Zeit unterhielt sich Beelzebub gut gelaunt mit meinen beiden Töchtern.​
»Hier, Falfa. Ich habe dir ein Buch über Differenzial- und Integralrechnung mitgebracht.«​
»Hurraaa! Vielen Dank, Beelzebub!«​
»Und für dich, Shalsha, habe ich ein Buch über die Geschichte der Dämonen.«​
»Danke schön. Ich werde es aufmerksam lesen.«​
Auch in Japan gab es Tanten, die ganz vernarrt in ihre Nichten waren, und vielleicht war dies hier ein ähnlicher Fall. Jedenfalls verwöhnte Beelzebub Falfa und Shalsha sehr. Nun, sie gab auch einer Menge Bitten meinerseits nach, also war sie vielleicht jedem gegenüber so. Allerdings waren meine Töchter offensichtlich erschöpft von der ungewohnten Arbeit, denn sie schliefen über ihren geöffneten Büchern ein. Es hätte mir leidgetan, wenn wir sie ins Bett getragen und dabei aufgeweckt hätten, also deckte ich sie mit einer Decke zu. Dann wurde das ganze Essen vor Beelzebub aufgereiht. Daneben stellten wir auch Teller für uns. Schließlich hatten wir kaum Zeit gehabt, etwas zu essen.​
»Hm ... Ja, das schmeckt gut genug, um es in einem Laden anzubieten. Hier und da fehlt es an Raffinesse, aber es wäre auch sinnlos, in einem Café höfische Küche anzubieten. Ich schätze, es ist gut, so wie es ist.«​
Wir schienen den Geschmackstest bestanden zu haben.​
»Ich hatte gehört, dass in dem nahe gelegenen Dorf ein Fest stattfinden soll. Ursprünglich hatte ich vor, das zu besuchen. Doch dann hörte ich, dass ihr einen Tag davor ein Café eröffnet, und dachte mir, ich komme vorbei und ziehe euch ein bisschen auf.«​
»Verstehe. Es tut mir leid, dass ich dich komplett zum Arbeiten eingespannt habe.«​
»In der Situation wäre euch über kurz oder lang alles um die Ohren geflogen. Wahrscheinlich sind die Dorfbewohner in Scharen gekommen, weil die Gelegenheit so ungewöhnlich war und sie in Feststimmung sind.«​
»Ja, das denke ich auch. Es sind vier Mal mehr Leute gekommen, als wir erwartet haben.«​
Als Halkara vorhin den Umsatz ausgerechnet hatte, war es vier Mal so viel gewesen wie angenommen. Ich hatte Halkara gebeten, die Abrechnung zu machen, weil sie sich wahrscheinlich am besten mit so etwas auskannte. Während wir uns unterhielten, schaufelte Beelzebub übrigens kräftig Essen in sich hinein. Sie war ein ausgesprochen gesunder Dämon.​
»Es gibt übrigens noch einen Grund, weshalb ich hergekommen bin.«​
Mit diesen Worten zog Beelzebub einen Zettel hervor, auf dem etwas in Dämonensprache stand.​
»Ich kann Dämonensprache nicht ... Und das Blatt ist total dicht beschrieben ...«​
»Wenn man es zusammenfasst, dann steht da Folgendes: Azusa, die Hexe der Hochebene, wurde als Empfängerin des Dämonen-Verdienstordens ausgewählt. Falls das Datum passt, möge sie bitte erscheinen.«​
»Ach ja, der Dämonen-Verdienstorden, klar ... Moment, was um alles in der Welt ist das?!«​
Das Wort hatte ich noch nie gehört.​
»Und überhaupt bin ich gar kein Dämon! Ich bin zwar unsterblich und lebe schon dreihundert Jahre, aber ich bin ein Mensch!«​
»Ach ja. Der Dämonen-Verdienstorden wird nicht an Dämonen verliehen, sondern von Dämonen vergeben. Es ist egal, wer oder was du bist.«​
Aha. Nun, auch in Japan gab es Preise, die man Ausländern verlieh.​
»Du wurdest in der Kategorie Frieden gewählt. Du hast den Drachenkampf beigelegt, nicht wahr? Dass du nicht nur den Feind besiegt hast, sondern ihm de facto das Versprechen abgenommen hast, permanent den Frieden zu wahren, hat Eindruck gemacht. Naja, ich bin es gewesen, die dich vorgeschlagen hat.«​
Was hatte sie da hinter meinem Rücken gemacht? Dass Dämonen Aktivitäten für den Frieden würdigten, wich krass von ihrem landläufigen Image ab.​
»Es ist zwar noch eine Weile bis dahin, aber ihr solltet alle die Gelegenheit nutzen, das Dämonenreich zu besuchen. Ihr werdet von mir Gastfreundschaft bis zum Abwinken erfahren.«​
»Wir werden kommen. Wir verdanken dir eine Menge, und ich hätte ein schlechtes Gewissen, wenn ich absage.«​
»Hm. Gut.«​
Laika, die eine vorsichtige Person war, schien allerdings besorgt zu sein. Das stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.​
»Sag mal, ist es denn sicher für uns, ins Dämonenreich zu reisen? Es wäre ja schön, wenn alle so wären wie du, Beelzebub, aber ...«​
»Heutzutage gibt es fast niemanden mehr, der gegen die Menschen Krieg führen möchte, also keine Sorge.«​
Nach Beelzebubs Aussage zu urteilen, mussten wir uns keine Gedanken machen. Vielleicht war der Besuch eine gute Abwechslung.​
»Verstanden. Aber ich bin doch ein wenig besorgt, weil Meisterin Azusa dazu neigt, sich immer wieder in Schwierigkeiten hineinziehen zu lassen ...«​
»Waaas?! Laika, wieso kritisierst du jetzt mich?!«​
Oh nein, Laika war in der Trotzphase!​
»Das war keine Kritik Natürlich vertraue ich dir, Meisterin Azusa. Aber es stimmt, dass du oft in Dinge hineingezogen wirst. Tatsachen sind nun mal Tatsachen.«​
Wenn man etwas so deutlich gesagt bekam, war es schwer, dagegen zu argumentieren ...​
»Außerdem haben wir jemanden unter uns, der sich einen Schnitzer nach dem anderen leistet.«​
Der Blick, den Laika zu Halkara hinübergleiten ließ, war leicht unterkühlt.​
»Waaas? Jetzt kriege ich es also ab?«​
»Halkara, ich bitte dich, dich ordentlich zu verhalten und die Dämonen nicht zu verärgern. Im Gegensatz zu Meisterin Azusa bist du nicht in der Jage, dich selbst zu verteidigen, also sei vorsichtig.«​
Irgendwie klang Laika wie eine Erziehungsberechtigte.​
»Mach dir keine Gedanken. Ich bin es schließlich gewohnt, zu verreisen. Als ich zum ersten Mal in eine andere Provinz gefahren bin, ist mir zwar mein ganzes Geld gestohlen worden, aber ich habe gejobbt und es wieder zurück nach Hause geschafft.«​
»Du wurdest ausgeraubt?!«​
Ich konnte es mir nicht verkneifen nachzuhaken.​
»Ach, es war kein großer Betrag. Und als ich das nächste Mal eine längere Reise angetreten habe, wurde ich von einer Gruppe finsterer Typen umzingelt, aber ein Trupp patrouillierender Soldaten hat mich gerettet. Alles kein Problem.«​
Laika sah zu mir herüber und sagte:​
»Siehst du, wir sollten uns Gedanken machen.«​
»Du hast recht ... Wenn es so weit ist, werde ich gut aufpassen ... Besonders, was Halkara betrifft ...«​
Es gab Leute, die daraus, dass sie bisher heil davongekommen waren, folgerten, sie würden beim nächsten Mal auch wieder Glück haben. Halkara gehörte ganz klar zu diesem Typ.​
Wir beschlossen, dass Beelzebub bei uns übernachten sollte. Nachdem sie uns so unglaublich geholfen hatte, hatten wir die Pflicht, sie gut zu bewirten.​
»Ich werde das Bad fertig machen, und du kannst zuerst rein.​
Wenn du möchtest, wasche ich dir auch den Rücken.«​
»Ich möchte gerne mit Falfa und Shalsha baden.«​
»Die beiden schlafen ... Aber stimmt, sie sollten erst ein Bad nehmen, bevor sie ins Bett gehen. Gut, ich wecke sie.«​
Beelzebub schien sich unheimlich darüber zu freuen. Sie sah so aus, als würde sie mich wieder fragen, ob sie eine der beiden adoptieren dürfe. Sie durfte sie gerne verwöhnen, aber meine Töchter gab ich nicht her.​
»Ich habe den beiden das hier mitgebracht.« Beelzebub holte ein paar Spielzeugenten hervor.​
»Die schwimmen auf dem Badewasser. Damit macht das Baden mehr Spaß.«​
»Die gibt es also auch in dieser Welt ...«​
Meine Töchter freuten sich, mit Beelzebub baden zu dürfen, also war alles in Ordnung. Nachdem sie aus dem Bad gekommen waren, trocknete Beelzebub mit einem Handtuch die Haare meiner Töchter und sah dabei aus, als hätte sie eine Menge Spaß.​
»Aaah, diese beiden sind einfach zu süß!«​
Sie war wirklich unheimlich kinderlieb. Nicht zu fassen.​
»Sie sind so süß, dass ich am liebsten eine von ihnen mit nach Hause nehmen würde.«​
»Ich wusste, dass du das sagst! Aber das wird auf keinen Fall passieren, klar?!«​
Sie wirkte so, als wenn sie ihre Worte in die Tat umsetzen könnte, also machte ich eine klare NEIN-Ansage. Nach dem Bad unterhielt sich Beelzebub mit Halkara über Nährschnaps und andere Dinge.​
»Könnte man nicht auch im Dämonenreich Pflanzensorten, die der körperlichen Stärkung dienen, anpflanzen? Als Landwirtschaftsministerin fördere ich nämlich eine Strategie zum vermehrten Anbau von Pflanzen für den Handel.«​
»Aha. Könntest du mir dann vielleicht ein paar Informationen über das dortige Klima und Ähnliches schicken? Dann kann ich auf der Basis eine Liste von Pflanzen erstellen, die dort gedeihen könnten.«​
Wenn es um solche Themen ging, war Halkara ein Profi. Sie war zwar ziemlich schusslig, aber auf der anderen Seite unzweifelhaft eine Expertin. Wir saßen noch ein wenig beisammen, und ehe wir es uns versahen, war es Zeit zum Schlafengehen.​
»Wie wäre es, wenn ich morgen gemeinsam mit euch das Fest besuche?«​
»Ja, das ist gut. Machen wir das.«​
So endete der lange Tag im Cafe Hexenhaus.​
Am nächsten Tag machten wir uns gemeinsam mit Beelzebub auf zum Tanzfest im Dorf. Schon am Vormittag waren die Leute überall am Tanzen. Außerdem reihten sich Verkaufsstände, die alles Erdenkliche anboten, aneinander - und ich meine wirklich alles Erdenkliche. Es erinnerte an einen japanischen Flohmarkt, da einige Stände auch Hausrat verkauften, der nicht mehr benötigt wurde.​
»Oho. Für ein ländliches Fest geben sie sich aber ganz schöne Mühe.«​
»Ah, heute bist du also herablassend. Aber natürlich hast du insofern recht, dass es sich objektiv um ein Fest auf dem Land handelt.«​
Im Vergleich zu einem Fest in einer Großstadt war die Dimension eher bescheiden. Aber das war in Ordnung so. Einfach und schlicht fand ich genau richtig. Doch auch wenn es ein schlichtes Fest war, gab es einen Aufruhr, als unsere Gesellschaft auftrat ...​
»Oh, die ehrenwerte Hexe und ihre Begleitung!«​
»Da ist auch die fähige Kellnerin von gestern!«​
»Kommt schon, macht den Weg frei!«​
Die Menge teilte sich lautlos vor uns, als wären wir Moses. »​
Nein, nein, nein! Wenn ihr das macht, fühle ich mich unwohl und es erschwert mir das Gehen. Verhaltet euch bitte normal!« Aber in solchen Dingen waren die Dorfbewohner hartnäckig.​
»Nein, nein, wir bestehen darauf, dass ihr auf einer breiten Straße geht!«​
»Das stimmt! In gewisser Weise seid ihr so etwas wie Götter!«​
Klar, so was musste ja passieren ...​
»Da kann man nichts machen, Meisterin Azusa. Ich finde, du könntest dich wenigstens heute einmal so verhalten wie ein Gott.«​
Sie hob mich zwar auf ein Podest, aber sie, der Drache Laika, unterschied sich auch nicht groß von mir.​
»Gut, dann lauf du mal, als würdest du dich wie ein Gott fühlen, Laika. Ich folge dir.«​
»D... Das möchte ich nicht ... Jemand wie ich kann doch nicht so unverschämt sein ...«​
»Siehst du? Du solltest nicht andere Leute dazu anhalten, etwas zu tun, das du selbst nicht machen willst.«​
Doch in diesem Punkt hatten wir diesmal jemanden dabei, der es gewohnt war, sich überheblich zu verhalten.​
»Oho. Die Bewohner dieses Dorfes scheinen zu wissen, wo ihr Platz ist.«​
Würdevoll trug Beelzebub eine Aura der Überlegenheit zur Schau und stolzierte den Moses-Weg entlang. Falfa imitierte sie und marschierte mit stolzgeschwellter Brust hinterher. Shalsha folgte, wobei sie sich hinter ihrer Schwester versteckte. Ich vermutete, das ging als akzeptabel durch, da es sich in einem Rahmen hielt, über den man noch lächeln konnte. Wir kauften an verschiedenen Ständen Snacks und warfen uns hier und da ins Tanzgetümmel. Huhn, Lamm, Schwein, Rind es wurden viele Grillspieße angeboten. Das war prima, denn Spieße konnte man gut im Gehen essen.​
»Was glaubst du, Laika, welcher Spieß schmeckt wohl am besten?«​
»Mal sehen. Die Lammspieße interessieren mich, weil sie offensichtlich viele verschiedene Gewürzen dafür benutzt haben.«​
»Was ist los, wieso probierst du nicht einfach alle?«​
Beelzebub kaufte sich wie selbstverständlich von jeder Sorte einen Spieß.​
»Du bist bestimmt der Typ, der noch nie über eine Diät nachgedacht hat, oder?«​
Sie war, im wahrsten Sinne des Wortes, eine eingefleischte Fleischfresserin.​
»Ich kann essen, was ich will, ich bin der Typ, der nicht zunimmt.«​
Das war einer der bei Frauen unbeliebtesten Sprüche.​
»Außerdem arbeite ich die ganze Zeit und bin immer beschäftigt.«​
Dafür begegneten wir ihr aber ziemlich oft. Ob sie wirklich arbeitete?​
»Huch? Wo ist eigentlich Halkara? Ich habe sie schon eine Weile nicht mehr gesehen«​
Ich sah mich kurz um und entdeckte Halkara sturzbetrunken auf dem Boden.​
»Uiii, ich kann nichts mehr trinken ...«​
»Mann, wirklich! Nicht auf dem Boden rumliegen! Lerne doch endlich dazu!«​
Da mir nichts anderes übrig blieb, zerrte ich sie hoch.​
»Meisterin Azusa, zumindest ich habe dazugelernt.«​
Laika zog eine kleine Flasche hervor.​
»Was ist das?«​
»Ein Drink, den Halkara entwickelt hat und der gegen Trunkenheit wirken soll. Er ist übrigens so unfassbar bitter, dass man glaubt, er sei nicht von dieser Welt. Ich habe vorsorglich etwas davon eingepackt.«​
Laika goss die Flüssigkeit in Halkaras Mund.​
»Das wird sie mit Sicherheit nüchtern machen. Die Wirkung ist enorm.«​
Und als die Hälfte des Getränks in Halkaras Mund geflossen war ...​
»Bäääääh! Was ist das?! Es schmeckt wie gekochte Qualen aus den Tiefen der Hölle!«​
»Wie, bitte schön, soll das denn schmecken?!«​
»Wer hat den Mist hergestellt?!«​
»Du! Du hast das hergestellt!«​
»Ah, dieser Ausnüchterung-Drink. Der schmeckt so scheußlich, dass er sich nicht gut verkauft hat ...«​
Halkara war schlagartig nüchtern. Puh. So ein Glück. Da wir eine ganze Weile im Ortskern herumgelaufen waren, machten wir in einem Café Pause. Eigentlich wurde in dem Haus sonst ein ganz anderes Geschäft betrieben. Nur während des Fests war es ein Café, genau wie bei uns gestern. Es gab nicht viele Gaststätten im Dorf, daher musste man für Feste auf diese Weise die Zahl erhöhen. Zudem kamen auch Leute aus benachbarten Städten, sodass die Besucherzahl auf ein Mehrfaches anstieg.​
»Weißt du, Shalsha, eigentlich hat dieses Fest seinen Ursprung in einer weit entfernten Gegend«, erklärte Beelzebub.​
»Ja, soweit ich weiß, hat sich ein Fest zu Ehren einer Fruchtbarkeitsgöttin bis hierher verbreitet. Das ist sehr interessant.«​
»Du wusstest es also schon.«​
Beelzebub und Shalsha führten ein akademisches Gespräch, aber solange sie das Fest genossen, war alles in Ordnung. Auch jetzt wurde draußen fröhliche Tanzmusik gespielt.​
»Vor nicht allzu langer Zeit waren Festtage wie diese dazu da, Begegnungen zwischen Männern und Frauen zu fördern. Man sagt, dass jene, die sich auf dem Fest kennenlernten, eine heiße Nacht miteinander verbrachten.«​
»Hey, warte mal! Setz meiner Tochter keine komischen Ideen in den Kopf!« So etwas war doch noch zu früh für sie!​
»Ich sage das aus rein wissenschaftlicher Sicht. Außerdem ist es doch nicht verwerflich, wenn Männer und Frauen sich ineinander verlieben.«​
»Uh ... Die Logik kann ich nachvollziehen, aber ...«​
Doch in diesem Augenblick schoss Shalsha Beelzebub ab, als wäre sie eine Attentäterin der Topklasse.​
»Sag mal, Beelzebub, hattest du schon mal eine Liebesbeziehung mit einem Mann?«​
»Wa... Was redest du da, Shalsha ...?«​
»Nun, das Gespräch hat sich doch in diese Richtung entwickelt. Und Falfa und ich kennen uns nicht so gut aus.«​
»Um ... Da bin ich auch nicht gerade bewandert ... Das liegt außerhalb meines Fachgebiets ..«​
Beelzebub war dunkelrot angelaufen. Aha, sie war also der Typ, der selbst anzügliche Sachen sagen konnte, aber völlig hilflos war, wenn sie persönlich auf so etwas angesprochen wurde. Wenn sie so drauf war, konnte sie nicht sehr erfahren in Liebesdingen sein.​
»Falfa will auch etwas darüber hören!«​
Nun stieg auch Falfa in die Schlacht ein. Beelzebub stand komplett mit dem Rücken zur Wand.​
»I... Ich denke, ihr seid doch noch zu jung dafür, und ich bin nicht die geeignete Person, euch das zu erklären ... Richtig. solche Fragen solltet ihr eurer Mutter stellen ...«​
»He! Du wälzt es auf mich ab?!«​
»Komm, sei ruhig! Du mochtest es auch nicht, darauf angesprochen zu werden, oder?«​
Als ich mich hilfesuchend zur Seite drehte, sah ich, dass Laika demonstrativ Unwissenheit vortäuschte und eine Schutzbarriere aufgebaut hatte, um nicht in die Sache hineingezogen zu werden. Laika war halt ein ernsthafter Typ. Witze über die Liebe waren sicherlich nicht ihr Ding. Besser, ich ließ sie in Ruhe. Und Halkara würde sowieso nur so etwas sagen wie:​
»Mein Geliebter ist der Wein«, also ignorierte ich sie besser und ...​
»Große Meisterin! Du hast dir eben gedacht, es bringt sowieso nichts, dich mit diesem Thema an mich zu wenden, stimmt's!?«​
Urgh. Sie hatte mich durchschaut.​
»Übrigens ist es so, dass Leute, die mich neu kennenlernen, oft Annäherungsversuche machen, aber wenn sie mich betrunken sehen, sind sie völlig desillusioniert.«​
»Dann ist doch der Wein dein Liebhaber ...«​
Während wir sinnlos so daherredeten, kam der Bürgermeister herein.​
»Ehrwürdige Hexe, das Café gestern war ja ein großer Erfolg!«​
»Ja, vielen Dank. Wir waren so beschäftigt, dass es fast zu viel war.«​
Übrigens hatte auch der Bürgermeister mit seiner Frau unser Café besucht.​
Er konnte allein schon seiner Position wegen die Hexe der Hochebene nicht ignorieren. Angeblich gehörte es zu seinen Dienstpflichten, mit mir gut auszukommen.​
»Wenn du nichts dagegen hast, würden wir uns freuen, wenn du in der Gondel mitfahren würdest.«​
»In der Gondel? Auf einem Drachen bin ich schon geritten, aber in einer Gondel ... ?«​
»Es ist so etwas wie ein Kasten mit vier Rädern.«​
Ach, wohl so eine Art geschmückter Festwagen, wie es ihn auf japanischen Festen gab.​
»Zum Höhepunkt des Fests zieht der Wagen durchs Dorf, und sehr viele Leute haben sich gewünscht, die ehrwürdige Hexe und ihre Gruppe dann in der Gondel zu sehen. Besonders die Männer, die gestern nicht ins Café kommen konnten, bitten sehr darum.«​
»Puh. Es ist zwar etwas peinlich, aber eine solche Gelegenheit gibt es nicht oft, und wenn wir nur mitfahren müssen, ist es in Ordnung.«​
»Könntet ihr, wenn möglich, eure Kellnerinnen-Uniformen tragen ... ? Die Dorfbewohner wären begeistert ...«​
Was war das denn für ein Wunsch? Laika war schon rot angelaufen.​
»Schon wieder ... ?«​
Es wäre allerdings auch nicht schön, in unserer normalen Kleidung in die Gondel zu steigen und enttäuschte Gesichter zu sehen. Ich klopfte Laika auf die Schulter.​
»Komm, sehen wir es als Unterstützung an, Laika. Ein Bonus von uns für das Fest heute.«​
»V... Verstanden ... Wenn du es sagst, Meisterin Azusa ...«​
Und so stiegen wir in diese Gondel. Im Kellnerinnen-Dress. Ganz ehrlich, es gab einen unfassbaren Aufruhr.​
»Hoch lebe unsere ehrwürdige Hexe!«​
»Hoch lebe unsere ehrwürdige Hexe!!«​
»Hoch lebe unsere ehrwürdige Hexe!!!«​
»Vielen, vielen Dank!!!«​
Wir fuhren lediglich mit der Gondel und winkten, aber der Jubel war enorm. Ich hatte das Gefühl, als super beliebter Star wiedergeboren worden zu sein. Es war ein bisschen peinlich, aber wenn es anderen Freude bereitete, war es von mir aus in Ordnung.​
»Ehrwürdige Laika!«​
»Ehrwürdige Laika, du bist wunderbar!«​
»Ich war gestern auch im Café!«​
Hm, auch Laika wurde ganz schön laut zugejubelt ...​
»B... Bitte! Lasst das ehrwürdige weg! Nennt mich ganz normal Laika!«​
Stimmt, sie hatten auch ihr den Zusatz „ehrwürdige“ verpasst. Dabei hatten die meisten sie im Café „Laika“ genannt ...​
»Dass sie so beschämt ist, macht sie umso reizender!«​
»Sei meine kleine Schwester!«​
»Ehrwürdige Laika!«​
Puh ... Hatte unser Café Projekt die Dorfbewohner vollends darauf aufmerksam gemacht, wie süß Laika war? Da hatte ich ihr wohl ungewollt etwas angetan ...​
»Ui, Laika, das ist aber schön für dich. Du bist ja wahnsinnig beliebt.«​
Halkaras Kommentar brachte uns auch rein gar nicht weiter.​
»Ich kann mit so etwas nicht gut umgehen ..«​
Wenn Laika sich so schüchtern benahm, wurde ihre Niedlichkeit umso stärker. Aber ich wollte sie auch noch eine Weile so sehen, also beschloss ich, nichts zu sagen. Meine kleine Schwester war einfach zu süß!​
»Uuuh, Meisterin Azusa, benimm dich bitte ein bisschen auffälliger und lenke die Aufmerksamkeit weg von mir!«, flehte Laika, die die heißen Blicke nicht mehr ertragen konnte. Konkret gesagt, klammerte sie sich an mir fest. Wenn es nur die Blicke gewesen wären, hätte ich sie vielleicht abwehren können, aber die Menge erhitzte sich noch mehr und schrie Dinge wie: „Oooh, dieser Anblick ist auch großartig!“, und: „So edel!“​
»Aaaah, meine süße kleine Schwester klammert sich an mich. Ich bin so glücklich!«​
»Was redest du da, Meisterin Azusa?!«​
Und so wurde die Gondel mit uns im Kellnerinnen-Outfit zum beliebtesten Event des Fests. Später bat mich der Bürgermeister, im nächsten Jahr wieder mitzumachen, da es helfen würde, Gäste anzuziehen.​
»Bevor ich das entscheide, werde ich Laikas Einstellung dazu bedenken müssen ...«​
»Ehrwürdige Hexe, bitte macht das zu einem dauerhaften Event!«​
Aha. Auf diese Weise wurden Feste also zu einer jährlichen, festen Veranstaltung. Dieser Gedanke ging mir durch den Kopf, während ich den leidenschaftlichen Bitten des Dorfes nach einer Wiederholung lauschte.​

Hauptfigur. Ist allgemein unter dem Namen »ehrwürdige Hexe der Hochebene« bekannt.​
Ein Mädchen (?), das als unsterbliche Hexe mit dem Aussehen einer Siebzehnjährigen wiedergeboren wurde. Ohne es zu merken, wurde sie das stärkste Wesen der Welt und geriet deshalb auch in Schwierigkeiten, gewann aber dadurch eine Familie und ist sehr zufrieden.​
Laika
Ein Drachenmädchen und Azusas Lehrling. Sehr korrekt und auf ihre Wirkung auf andere bedacht, aber ein ernsthaftes, liebes Mädchen, das immer sein Bestes gibt. Gothic-LolitaKleider, KellnerinnenOutfits und sonstige Rüschenkleider stehen ihr hervorragend. (Ihr selbst ist das peinlich.)​


 
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