@Terry_Gorga
Klassische Musik ist in keinster weise frei von Kommerz, meineswissens sind die meisten aller klassischen Musikstücke die Ergebnisse von Auftragsarbeit, ebenso wie bildende Kunst.
Kommerz ist etwas anderes, als im Auftrag arbeiten. Kommerz ist, Musik einzig zu dem Zweck zu schaffen und zu spielen, dadurch etwas zu kommerzialisieren. Z.B. ein Lied über die Schrecken des Vietnamkrieges zu singen in der Absicht, das groß zu verkaufen. Oder aber noch vereinfacht:
Wenn sich ein Schüler hinsetzt vor vielleicht 20 Leute nur und ihnen eine Bachkantate auf dem Klavier vorspielt, vielleicht nicht perfekt aber immerhin mit größter Mühe und viel Gefühl - dann ist das Musik.
Wenn sich Lang Lang in ein Stadion mit 50.000 Zuschauern setzt, dieselbe Kantate routiniert runterrattert und dafür am Ende seine 100 Euro pro Person kriegt, dann ist das Kommerz.
Der Ausdruck des Interpreten sowie seine Motivation dahinter macht den Unterschied.
So gesehen ist Musik heute deutlich unabhängier von Kommerz als zu der Zeit als klassische Musik entstand (theoretisch entstehen immer noch neue Stücke diese Genres), denn es gibt heute viele Musiker die genau die Musik machen die sie machen wollen und mit etwas Glück damit daraufhin berühmt werden. Indie entspricht eigentlich weitgehend diesem Prinzip, obwohl dieser Begriff auch schon etwas Missbrauch ertragen musste.
Nein, dem muss ich widersprechen, denn es gibt zwar einige wenige, die mit ihrer Musik Erfolg haben. Aber diejenigen, die das nicht haben, sind den Regeln des Kommerzes unterworfen. Sieh dir alleine die Mitgliederzahlen der GEMA an, wie viele normale Mitglieder es gibt und wie wenige Ehrenmitglieder es im Vergleich dazu gibt.
Klar, wenn du nur Musik machen willst, bist du heute unabhängiger. Wenn du aber willst, dass jemand deine Musik hört, bist du umso abhängiger von den Regeln der Marktwirtschaft und damit vom Kommerz. Schon alleine die Tatsache, dass du ohne Manager nichts musikalisches auf die Beine stellen kannst ist ein Armutszeugnis für diese Branche. Da geht es nicht mehr um gefallen oder nicht, da zählt nur jeder hart verdiente Dollar und die Vermarktungsfähigkeit. Deshalb erleben wir auch in den letzten Jahren so viele Aufstiege von solchen grauenhaften kulturellen Atombomben, wie "Schni, schna, schnappi" oder "My Hearth is beating like a dschungle drum".
Dass Musik heute oft gewissen Strukturen folgt halte ich auch keineswegs für etwas Negatives. Struktur und Ordnung ist wichtig, und ebenso sind Ausnahmen eine Bereicherung. diese Idee gilt nicht nur für Musik, sondern die meisten Facetten unseres Lebens.
Struktur und Ordnung sind aber nur dann berechtigt, wenn sie nicht repetitiv und damit eintönig werden. In der klassischen Musik haben sich beispielsweise deswegen die ganzen Wiederholungen, die zur Zeit Mozarts Gang und Gebe waren nicht durchgesetzt, weil sie ein Werk als repetitiv erscheinen ließen und das ganze Muster, nach dem die Musik aufgebaut war durchschaubar gemacht haben, sodass man bei jedem neuen Werk irgendwann vorhersehen konnte, wie es verlaufen würde. Entsprechend langweilig wurde das Ganze.
Genau dasselbe begegnet uns heute bei der Popmusik. Nur, dass diese noch viel weniger Sinnabschnitte bietet, als die Musik der Wiener Klassik zu ihrer Zeit.
Die Funktionalität von Musik hat deutlich zugenommen.
Quatsch, da merkt man, dass jemand keine Ahnung von der Materie hat.
Mit Funktionalität ist nicht gemein, zu welchen Anlässen man Musik hört oder was sie ausdrücken soll. Da gibt es bereits durch die Jahrtausende hinweg Musik, die zu jedem erdenklichen Anlass oder mit dem Anspruch eines bestimmten Ausdrucks konzipiert wurde und entsprechend ist das Vorkommen dieser Musikformen der Komplexität ihrer Zeit angepasst.
Nein, mit Funktionalität ist die Funktion der Notenakkorde im Bezug zu ihrer Grundtonart gemeint. Oder mit anderen Worten, die Verwendung der Haupt- und Nebenfunktionen aus der Funktionstheorie der Musiklehre. Tonika, Dominante, Subdominante, Leitton, Tonikaparallele, Dominantparallele, Subdominantparallele, Durchgangsdominante...
Aber um es dir zu veranschaulichen, einfach mal eine Frage:
Kennst du einen Popsong, in dem der Dominantseptakkord verwendet wird?
Weißt du überhaupt, was das ist?
Und zur Geschichte vom tragischen Hans:
Heute gibt es Musik für Hans. Egal wohin es ihn im Leben verschlägt, es wird immer Musik geben die zu seiner Situation passt.
Und genau das ist das schönste was die Kunst der Musik je erreicht hat.
Und das kritisiere ich auch gar nicht. Aber die gesellschaftliche Funktion, die dieser Musik zukommt, sowie die Intention, mit der diese Musik verbreitet wird, finde ich doch sehr bedenklich.