Lianne zog mit einem heiseren Lachen einen kleinen Hocker hinter dem Vorhang zu sich her und machte es sich auf diesem an Oswines Seite bequem.
„Einen Tag?“
Die losen Strähnen ihrer Haare fielen ihr tiefer ins Gesicht, als sie ihren Kopf schüttelte.
„Drei Tage mein Freund! Drei verfluchte Dreckstage!“
Die Finger, die sie ihm vors Gesicht hielt, um ihre Worte zu unterstreichen, waren badagiert. Auch ihre Kleidung war weitestgehend frei von Blutflecken und verriet kaum noch, dass sie noch vor kurzem einen erbitterten Kampf hatte durchleiden müssen.
„Musst jetzt ja eigentlich topfit sein, mein Lieber. Wenn ich so lange faulenzen könnte…“
Ihre Stimme sollte Oswine noch immer zeigen, dass sie wütend auf ihn war, doch war ihr auch mit Leichtigkeit eine Unmenge an Erleichterung zu vernehmen.
Besonders, als sie ihre Stimme so weit senkte, dass selbst Oswine genau hinhören musste, um sie zu verstehen.
„Wir dachten schon, du würdest nie mehr aufwachen.“
Mit einem Ruck stand sie auf, schüttelte damit den leeren Blick, den sie für einen Moment bekommen hatte, ab und ging neben Oswines Bett auf und ab.
„An was erinnerst du dich noch, mein gefeierter Trion?“
Sie hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt und sah ihn von oben herab an. Die Augenbrauen hatte sie dabei spöttisch nach oben gezogen. Antworten ließ sie ihn nicht. Zu lange hatte sie darauf gebrannt ihm endlich alles erzählen zu können. Ihm ein paar wichtige, wirklich sehr, sehr wichtige Fragen zu stellen, und vor allem…einfach wieder mit ihm reden zu können.
„Ja, so wirst du genannt. Obwohl es eigentlich Schwachsinn ist, du müsstest eigentlich schon vierfach gestorben sein!“
Erneut erntete der Verletzte einen bösen Seitenblick.
„Trion. Und alle sind begeistert davon! Uh wie toll wir den Typen erledigt haben. Ach wie super wir die Stadt gerettet haben.“
Mit übertriebener Mimik und Gestik ahmte sie die begeisterte Bevölkerung nach, blieb dann jedoch an Oswines Fußende stehen, um sich mit den Händen an der Bettkante abzustützen.
„Einen Scheiß haben wir!“
Wütend schlug sie das Metall.
„In Schutt und Asche liegt diese verfluchte Drecksstadt! Nicht mal das Krankenhaus war mehr in Ordnung! Oder was meinst du wo du jetzt bist? In Astal? Dem friedlichen, dankbaren, geretteten Städtchen?“
Sie lachte lustlos auf und verpasste dem Bettgestell einen weiteren Hieb.
„Von wegen!“
Zum Glück des Bettes setzte sie ihren Rundgang um Oswines Bett fort. Mit mühsameren Schritten dieses Mal.
„Diese Stadt kannst du vergessen. Wir mussten dich den weiten Weg zurück in die Hauptstadt bringen. Am Anfang war ich alleine mit dir, aber dann ging es schneller voran.“
Mit nachdenklichem Blick blieb sie auf Höhe seiner Schultern stehen. Sie sah zu Boden und ihre Lippen bewegten sich kaum, als sie weiter sprach.
„Du hast im Schlaf geredet, weißt du das?“
Vorsichtig hob sie ihren Blick, um ihren Freund zu mustern.
„Es ging um damals…“
Doch schon schüttelte sie wieder ihren Kopf. Über die Vergangenheit, also die weit zurückliegende Vergangenheit, brauchte man sich im Moment wirklich nicht zu sorgen. Da gab es weitaus Wichtigeres.
„Naja, aber hier haben sie dich wieder zusammengeflickt. Was genau dich da so lahm gelegt hat, sagen die, wissen sie auch nicht. Ein Projektil ist es jedenfalls nicht.“
Lianne wies mit einer unbestimmten Geste auf Oswines verkabelte Brust, und noch eher er auch hierzu etwas hätte sagen können, setzte sie hinzu:
„Und ja, ich spreche mit Absicht in der Gegenwart. Denn das Stück Metall steckt da immer noch drin.“
Ihr Gesicht nahm einen angeekelten Ausdruck an.
„Die sagen, dass es inoperabel sei. Es hätte sich scheinbar sogar mit deinem Herzen vereint.“
Sie verdrehte die Augen und fand sich wieder auf ihrem ursprünglichen Platz, dem Hocker, wieder. Ebenso senkte sie zum wiederholten Male die Stimme zu einem Flüstern.
„Wenn du mich fragst sind das alles Stümper, die uns mit Ausreden versuchen hinzuhalten. Naja, ich konnte sie zu keiner anderen Erklärung überreden.“
Mit einem angedeuteten Grinsen schielte sie auf ihren Gürtel hinab, an dem ihre Waffen blitzten.
„Also wirst du wohl damit leben müssen, mein Freund.“
Endlich lehnte sie sich zurück. Müde sah sie aus. Aber auch irgendwie fröhlich. Warum auch immer…