Weihnachten mit Hindernissen
Das Jahr war mal wieder viel zu schnell vergangen. Nicht dass nicht viel passiert wäre das Jahr über, aber dass es so flott ging hatte jetzt keiner gedacht. Elsa hatte schon im Sommer vorgehabt alle Geschenke zu besorgen, doch irgendwie war nichts draus geworden. Jerry lebte wie immer in den Tag hinein und war am ersten Advent erstaunt dass sie die erste Kerze am Kranz angezündet hatten beim Kaffeetrinken. Leika wagte die ersten Schneeprognosen für heilig Abend. Nur war das fraglich, immerhin hatte es draußen auf dieser Seite der Erdhalbkugel eigentlich Sommer. Mit Schnee war also nicht wirklich zu rechnen bei 36 Grad im Schatten. Der Einzige der nur verständnislos den Kopf schüttelte war Mac. Er war sowas wie der Gastvater der Drei. Dieses Jahr hatte er also eine Multikulti Familie in seinem Haus. Genauer gesagt hatte er eine Farm im australischen Out back. Im Umkreis von 200 Meilen war nichts als Wildnis. Abgesehen von der Bananenfarm die nur 50 Meilen nordöstlich lag und sporadisch verteilten kleineren Gehöften mit immer noch vielen hundert Morgen Land.
Mac war noch recht jung mit seinen 32 Jahren. Eine Frau hatte er nicht und demnach auch keine Kinder. Stören tat es ihn nicht. Schon seine Eltern hatten jedes Jahr Rucksacktouristen aufgenommen. Er führte diese Tradition fort. Die Beiden waren zu seiner Schwester nach Sydney gezogen. Immerhin war Mac der Nachzügler von insgesamt sechs Kindern gewesen und sie schafften es mit ihren 76 und 79 Jahren nicht mehr die Farm zu führen. Seine Geschwister hatten kein großes Interesse gehabt die Farm weiter zu führen. Von der riesigen Schafzucht mal ganz zu schweigen. Über 3000 Tiere nannte Mac sein Eigen. Und die Touristen, beziehungsweise die Workhollidayer, halfen ihm bei seinen Arbeiten. Einige Angestellte lebten und arbeiteten natürlich auch mit auf seinem Hof. Allein wäre das ja auch gar nicht zu schaffen. So hatte er dieses Jahr drei junge Leute für drei Monate zum Arbeiten auf seinem Hof. Länger durften sie nicht am Stück an einer Stelle arbeiten. Doch hatten seine Helfer noch ganze zwei davon vor sich.
Zunächst war da Elsa. Die 21 jährige Deutsche überbrückte ein Wartejahr bevor sie ihr Studium begann. Sie war ein lebenslustiges Mädchen das immer akribisch alles plante und mit Eifer bei der Sache war. Nur verursachte sie so einiges Chaos, denn sie plante zwar, aber meistens klappte davon nicht viel. Hier draußen war das auch schwierig. Sie war die Kleinste der Drei, mit roten krausen Haaren und blasgrünen Augen stach sie regelrecht hervor. In der Stadt zog sie immer einiges Aufsehen auf sich.
Jerry war ein großgewachsener Amerikaner mit indianischer Abstammung. Seine aristokratischen Züge mit der Adlernase und den langen schwarzen Haaren, passten ganz gut auf die Farm. Dabei war er gerade mal 23 Jahre alt. Es wirkte fast als ob er nie woanders gewesen war und schon immer hier her gehörte. Er war etwas schweigsam, sah aber Arbeit und bewies sogar einen feinen Sinn für Humor. Mac hatte den Eindruck dass er ihm am Ende der drei Monate noch daran erinnern müßte sich eine neue Stelle zu suchen. Er mochte den Indianer. Vielleicht konnte er ihn dazu bewegen hier zu bleiben nach seinem Jahr.
Leika war eine quirlige Russin. Flachsblondes Haar und blaue Augen. Kurven wie ein Model. Und kein Interesse an Männern, sehr zum Nachsehen der Männer in der Stadt, die sie schon so manches Mal vergeblich angegraben hatten. Sie hatte Kraft die man ihr nicht ansah. Das Leika noch dazu Kampfsportlerin war, die es in Karate zum schwarzen Gürtel gebracht hatte, glaubte man ihr kaum. Sie war die Älteste mit ihren 25 Jahren. Dass es in Australien Sommer war, störte sie nicht im Mindesten und doch war sie immer noch im Wintermodus. Sehr zur Belustigung von Elsa, Jerry und Mac.
Doch nun stand das Weihnachtsfest vor der Tür. Eine Woche war noch Zeit bis zum 24sten. Es gab noch eine ganze Menge zu tun. Die Farm mußte auf Vorderman gebracht werden, gut 100 Schafe sollten noch verkauft werden, die Zäune mußte ausgebessert werden, vom Verkauf des hergestellten Käses auf dem Wochenmarkt mal ganz zu schweigen. Und die Wolle mußte auch verarbeitet werde. Zudem hatten die letzten Mutterschafe gerade ihre Lämmer geboren und wilde Hunde streunten in der Gegend rum. Viel zu tun also.
Die drei Hollidayer wollten aber noch kleine Päckchen für zu hause packen und verschicken. Und jeder hatten andere Vorstellungen von Weihnachten. Elsa bestand regelrecht auf einen traditionellen Weihnachtsbaum und das die Bescherung am 24sten war, Leika war der Meinung das Väterchen Frost erst am sechsten Januar kam um alle zu beschenken und Jerry war es nicht geheuer Päckchen zu packen statt Socken an den Kamin zu hängen, zumal diese erst am 25sten gefüllt waren. Nur hatte das Farmhaus keinen Kamin. Es gab eine offene Feuerstelle über der gekocht wurde und in den Räumen standen Öfen. Naja, irgendwie würde das schon klappen alles unter einen Hut zu bekommen.
Zunächst müßten aber die Zäune ausgebessert werden. Reiten konnten mittlerweile alle. Wenn auch Leika das nur leidlich konnte und öfter runterfiel als ihr lieb war. Zu stolz um nach den uralten Geländewagen zu fragen, schwang sie sich immer wieder in den Sattel. Zum Glück hatte sie eine alte Stute die gewöhnt war Nichtreiter auf dem Rücken zu haben. So zuckelten alle Vier die Zäune entlang auf der Suche nach Löchern. Mac hatte eine Art Schleppe an seinen Sattel gebunden worauf er das benötigte Material beförderte. In den Satteltaschen fand sich der Rest den sie brauchen wie Nägel, Hämmer, kleine Klemmen für den Stromzaun der an der Innenseite entlang lief und auch einige Rollen Weidezaun.
"Was gibt es eigentlich bei euch immer zu Weihnachten zu essen?"
"Bei uns gab es immer Lamm. Naja, bei so vielen Schafen ist das klar."
"Wenn Väterchen Frost kommt trifft sich immer das ganze Dorf und wir essen alle gemeinsam. Jeder bringt etwas mit. Alles was den Sommer über eingelagert wurde. Viel Brot mit Schmalz, Broschs, Fisch und vielen Kuchen. Wir sprechen uns vorher immer ab wer was mitbringt, nicht das wir von manchen Sachen zu viel haben. Es ist ein riesiges Fest und die Kinder bekommen selbst gemachte Kleinigkeiten wie Mützen, Puppen, Kissen oder Kuscheltiere. Wie sieht es bei dir aus Jerry?"
"Also bei mir zu hause gibt es am Heiligen Abend ein gemeinsames Essen im Kreise der Familie, aber etwas Bestimmtes haben wir nicht. Jedes Jahr gibt es was anders. Bei den Meisten wird gebetet. Zu hause nicht, wir beten andere Götter an. Trotzdem gehen wir zur Mitternachtsmesse um uns das Krippenspiel anzusehen. Schon komisch mit der Krippe und so. Und am nächsten Morgen hängen die gefüllten Socken über dem Kamin. Warum fragst du Elsa?"
"Naja, bei uns in Deutschland gibt es da verschiedene Traditionen. Bei einigen gibt es nur Kartoffelsalat mit Würstchen. Andere essen nur Fisch. Gänsebraten steht bei den Meisten auf dem Tisch, doch das ist uns immer zu viel und zu fettig. Wir machen jedes Jahr Kaninchen mit Klößen, Kartoffel, Rotkohl und Grünkohl."
"Ist das nicht ein wenig zu deftig?"
"Nein Jerry, man muß sich ja nicht so vollstopfen."
"Also wirklich bei jedem etwas anderes. Und dann nicht mal die Bescherung am selben Tag. Das kann ja noch lustig werden."
Mac mußte grinsen. Ihm war klar warum Elsa gefragt hatte. Immerhin mußten sie das was sie essen wollten noch gegebenenfalls einkaufen. Und genau das stand übermorgen an. Wenn sie es bis dahin geschafft hatten die Zäune zu überprüfen. Doch bei dem Tempo dürfte das noch eine Weile dauern.
"Was soll es denn nu am 24sten geben? Und wer soll das dann kochen?"
Ratlose Gesichter. Mac war es egal. Durch die Gastbewohner hatte er jedes Jahr etwas anderes gegessen. So kam er kulinarisch durch die ganze Welt. Abgesehen davon, kochen konnte er nicht wirklich. Zum Glück gab es da noch Nala. Die Eingeborene konnte hervorragend kochen und kümmerte sich um den Haushalt. Sie wohnte in der Einliegerwohnung im Haupthaus. Die anderen Drei bewohnten gemeinsam eines der Bungalows die für die Gäste bereit standen. Doch Mac hatte ein komisches Gefühl in der Magengegend. Irgendetwas stimmte nicht. Und mit diesem Gefühl hatte er noch nie falsch gelegen.
Wie recht et doch hatte sahen sie zwei Stunden später. Irgendjemand hatte, wahrscheinlich mit einem Quad, zwei ganze Zaunsfelder umgerissen. Hier mußte die Vier richtig anpacken und alles neu machen. Jerry fielen zuerst die Spuren auf. Reifenabdrücke die in das weitläufige Gatter führten waren klar, doch das viele Hufenpaare in die entgegengesetzte Richtung führten sollte eigentlich nicht sein. Da hatte wohl eindeutig einer Spaß am Schafe treiben gehabt. Jetzt galt es sie wieder einzufangen. Es war fraglich wie viele Tiere verschwunden waren. Immerhin wußte Mac um welchen Teil der Herde es sich handelte. Hier standen lediglich 100 Tiere. Doch das waren genau die die er eigentlich verkaufen wollte und das morgen.
"Leika, sei so gut und reite das Gatter ab und sieh nach ob noch welche da sind."
Sofort ritt die Russin los. An den Sattelknauf geklammert konnte sie auch bei langsamem Galopp nicht runterfallen. Nach einer halben Stunde war sie zurück. Keines der Schafe befand sich noch dort.
"Wie sollen wir die wiederfinden?"
"Wir brauchen Spuren. Die haben wir. Wenn wir denen folgen dürften wir sie schnell finden. Zumindest wenn sie nicht auf felsiges Gelände getrieben worden sind."
Jerry war pragmatisch wie immer. Doch er hatte schon eine Spur aufgenommen. Da Elsa erst zwei Tage zuvor alles abgeritten war konnte das Geschehen noch nicht lange zurück liegen. Regen war seit Monaten nicht gefallen. Alles war staubtrocken. So blieben Spuren lange zu sehen, doch ob die frisch waren war dadurch aber leider nicht zu sagen. Leika entdeckte eine kleine Wolke am Horizont und machte die anderen aufmerksam. Mac sah zur Sonne.
"Die sind in Richtung Norden unterwegs. Das dürften die Schafe sein und dort drüben ist der Unruhestifter."
Damit wies er auf einen flimmernden Schatten der etwas Unterhalb der Staubwolke zu sehen war.
"Elsa, du reitest zurück und holst Dingo, Jalal und Kojak. Reite dann in Richtung Plantage, dort lasse die Drei dann suchen wenn du die Herde nicht siehst oder Spuren findest. Leika du begleitest sie. Du nimmst die Straße mit dem Jeep und dem Anhänger wir werden die ganze Bande aufladen. Jerry, du folgst der Spur und versuchst sie zusammen zu halten. Ich werde dem Kerl dort mal gehörig die Meinung geigen."
Damit trennten sie sich vorläufig. Elsa ritt wie der Teufel persönlich. Glücklicherweise waren die Pferde das hiesige Klima gewöhnt. Nach einer Stunde hatte sie den Hof erreicht.
"Hazel! Hazel! Schnell, Ich brauche ein ausgeruhtes Pferd. Da sind Schafe ausgerissen. Wo sind die Hunde?"
"Nimm den Braunen da. Hunde hole ich. Mach schnell, den Rest übernehme ich."
"Leika wird auch gleich kommen, sie braucht die Schlüssel für den Jeep. Den Anhänger brauchen wir auch."
"Ich kümmer mich drum."
Schnell sattelte Elsa einen der Braunen und Hazel brachte die Bordercollies. Das waren richtige Arbeitstiere. Nicht so wie die in bei ihr zu hause. Hier taten sie das wofür sie gezüchtet waren. Das Hüten von Schafen. So waren sie ausgelastet und stellten nichts an, wie Zeitungen zerfleddern oder Sofas annagen. Unverzüglich machte sie sich auf den Weg zur Plantage. Die Hunde freuten sich über den Ausflug.
Leika kam wenig später an. Sie half noch beim Ankuppeln des Anhängers und machte sich ebenfalls auf den Weg. Unterdessen hatte Jerry die Herde im Blick. Es war leicht gewesen der breiten Spur zu folgen wenn man sie einmal im Blick hatte. In weitem Bogen umritt er die Tiere. Keines fehlte. So brauchte er nur darauf achten das keines wieder ausbrach. Gar nicht so leicht ohne Hunde, doch Hilfe war schon unterwegs.
Auch Mac hatte den Unruhestifter fast erreicht. Doch etwas war seltsam. Der Kerl flüchtete nicht mal und das obwohl der Motor noch vor sich hin tuckerte. Als er dicht genug dran war, bemerkte er die zusammengesunkene Gestalt die hinter dem Lenker hing. Und das buchstäblich. Sein Nachbar hatte sich wohl irgendwie verhakt und war darum nicht runtergefallen.
"Hey Jeff, das war mein Zaun und meine Schafe die du da um gekachelt und vertrieben hast. Jeff? Hey alles in Ordnung mit dir?"
Schnell war der Australier aus dem Sattel und bei dem Fahrer. Der saß bewußtlos hinter dem Lenker. Vorsichtig hob er ihn runter und legte den älteren Mann zu Boden. Ein Spritzer Wasser im Gesicht brachte den Mann zurück. Mit glasigen Augen und ohne zu verstehen was geschehen war sah er Mac an.
"Jeff, was ist passiert? Dein Herz?"
"Nein... Schlange... Braunnatter."
Die geflüsterten Worte waren fast zu leise um sie zu verstehen, doch dann handelte Mac sehr schnell. Er hatte immer Gegengift in seiner Satteltasche. In jeder Satteltasche, bei jedem einzelnem Sattel den er besaß. Schnell zog er eine Spritze mit dem Antidot auf und verabreichte sie Jeff. Das nächste Krankenhaus war mehr als 500 Kilometer entfernt. So sagte niemand etwas wenn ein Leihe eine Spritze setzte. Trotzdem brauchte der Mann einen Arzt. Also würde er den Jeep brauchen. Die Schafe würden wohl seine Gastarbeiter zurück zum Gatter bringen müssen. Über Satelitentelefon rief Mac seinen Jeep an und bestellte Leika zu sich. Kurz und Knapp schilderte er das Geschehen, gab ihr Anweisungen was zu tun war und drückte ihr die Zügel seines Pferdes in die Hand. Dann verschwand er mit Jeff in Richtung Straße.
Jerry war aufgefallen das der Jeep nicht in seine Richtung kam. In langsamen Kreisen umrundete er noch immer Die Herde, stets darauf bedacht keines entwischen zu lassen. Dann kam Leika auf dem Pferd von Mac zu ihm und berichtete was passiert war. Kurz darauf erreichte auch Elsa mit den Hunden die Schafe. Auch sie wurde in knappen Worten in Kenntnis gesetzt und sie machten sich mit Hilfe der Hunde daran die Herde zur Farm zurück zu treiben. Das war alles andere als leicht. Doch die Hunde wußten was sie taten und kurz vor Sonnenuntergang erreichten alle völlig fertig die Farm. Das kleine Verkaufsgatter am Rande diente jetzt als 'Auffanggatter' für die Tiere. Todmüde betraten die Drei das Haus, natürlich erst nachdem sie sich um die Pferde gekümmert hatten. Ein angenehmer Duft von frisch gebackenem Brot und gebratenem Fleisch wehte ihnen entgegen. Nala hatte sich schon gedacht das ihre Gäste Hunger hatten. Leika klagte über Schmerzen im Gesäß. Auch Elsa gab zu das sie so langes reiten an Stück nicht gewohnt war und sie sich nur noch freute ins Bett zu kommen. Selbst Jerry sah müde und erschöpft aus.
"Wie lange wird es dauern bis Mac zurück ist?"
"Kommt drauf an wohin er gefahren ist."
"Er mußte seinen Nachbarn ins Krankenhaus bringen. Eine Braunschlange hatte ihn gebissen."
"Dann ist er nicht vor vier die Nacht zurück. Legt euch schlafen, ich mache den Rest."
"Danke Nala. Hoffentlich kommt Mac noch rechtzeitig. Morgen wollten wir die Schafe zu ihrem neuen Besitzer bringen."
"Es wird schon alles gutgehen. Hop hopp ins Bett mit euch."
Doch leider kam es mal wieder anders als gedacht. Auf dem Rückweg blieb Mac mit dem Wagen liegen. Er konnte zwar eine ganze Menge reparieren, doch gegen einen Kolbenfresser konnte selbst er nichts machen. Auch das Abschleppen dauerte eine ganze Weile, dann noch einen anderen Wagen auftreiben. Erst am Mittag war er zurück. Den Käufer hatte er Bescheid gegeben das es später werden würde. Doch leider konnte dieser am Nachmittag nicht und auch die Tiere die nächsten Tage nicht abholen. Sehr zum Missfallen von Leika, die sich dann aber doch fügte, schlug Jerry vor das sie es doch wie am Vortag vorgehen könnten. Ein kurzer Anruf beim Kunden und sie durften loszuckeln. Zu Viert ging das natürlich noch leichter und Mac machte das nicht zu ersten Mal. Elsa, Jerry und Leika rutschten zu Anfang unruhig ihn ihren Sätteln hin und her. Allen Dreien tat die Kehrseite höllisch weh. Doch nach einer guten halben Stunde im Sattel war der Hintern taub und sie hatten keine Probleme mehr damit.
Wie es nun mal im Out back ist, liegen die einzelnen Gehöfte nicht gerade dicht beieinander. Sie hatten gute 100 Kilometer vor sich. Also ganze zwei Tage hin, zurück dürfte das etwas schneller gehen, wenn sie Glück hatten. Unterwegs unterhielten sie sich wieder über Weihnachten. Was sie essen wollten wußten sie immer noch nicht. Doch sobald sie zurück wären müßte das feststehen, damit Nala das noch kochen konnte. Unterwegs kamen sie nicht umhin die wunderschöne Landschaft zu betrachten. Zwar konnten sie unterwegs nicht den Uluru (Ayers Rock) sehen, dazu waren sie zu weit weg, aber doch einige schöne Gebirgszüge in der Ferne. Mehrere Wasserlöcher wurden passiert, sogar an einem Salzsee kamen sie vorüber und auch ein Fluss lag in ihrem. Zum Glück war der fast ausgetrocknet, so wären die Krokodile leicht zu sehen gewesen. Mac meinte dass es diese am Oberlauf noch in großer Zahl geben würde. Jeder der drei Gastarbeiter war froh keine der Echsen zu sehen. Das hätte schief gehen können und keiner wollte Weihnachten im Krankenhaus verbringen. So konnten sich alle erfrischen und die Wasservorräte auffüllen. Den Schafen schien die Wanderung nicht viel auszumachen. Dingo, Jakal und Kojak hatten ihren Spaß und die Menschen schwitzten unter ihren Hüten.
"Ist es bei euch immer so heiß im Winter?"
"Bei uns ist gerade Sommer Leika."
"Weihnachten im Sommer, dass muß ich erstmal verarbeiten. Irgendwie vermisse ich den Schnee. Wenn ich wieder nach hause komme ist da dann auch Sommer."
"Keine Sorge, auch bei uns gibt es Schnee."
"Nur nicht hier!"
Schelmisch lächelte Mac die Deutsche an. Jerry hatte dabei den Nagel auf den Kopf getroffen. Selbst im Winter wurde es in den Ebenen nicht so kalt das Schnee fiel, eher war es so dass es viel regnete. Das sogar manchmal tagelang.
"Aber Weihnachten ohne Schnee, oder wenigstens Kälte ist kein richtiges Weihnachten."
"Was spricht denn dagegen Weihnachten in Bikini zu feiern?"
"Ich dachte bei euch gibt es kein Weihnachten?"
"Tut es ja auch nicht. Doch es halten immer mehr europäische Sitten und Gebräuche bei uns Einzug. In einigen Familien feiern die sogar beides. Zumindest daran könnte ich mich gewöhnen."
"Und dann zwei Mal Geschenke abgreifen?"
"Warum nicht? Ich glaube sooo schlecht ist dann dieses Weihnachten dann doch nicht."
Bei Leika's Überlegungen mußte sie alle Lachen. So verging die Zeit wie im Fluge. Am Ende des zweiten Tages erreichten sie den Hof des Käufers. Alle Schafe hatten den Marsch gut überstanden und waren in einem top Zustand. Am Abend gab es dann ein großes Barbecue gemeinsam mit der ganzen Familie des Käufers. Immerhin kam es nicht alle Tage vor das der Verkäufer die Tiere persönlich vorbei brachte und das auch noch über die Weiden.
Jetzt waren es nur noch drei Tage bis Weihnachten. Es waren immer noch keine Geschenke gekauft oder in Richtung Heimat geschickt. Auch stand immer noch nicht fest was es zu Essen geben sollte. Der Weg zurück zu Mac's Farm war auch noch zu bewältigen und dann blieb ihnen nur noch ein Tag bis zum 24sten. Doch der Käufer machte Mac ein unwiderstehliches Angebot. Sein Verwalter wollte über Weihnachten und Neujahr zu seinen Eltern nach Melbourne. Um ihnen die tagelange Rückreise zu Pferd zu ersparen, bot er ihnen an sie mitzunehmen. Der Vorschlag löste einen regelrechten Jubel aus. Die Pferde wanderten in einen Trailer, zusammen mit den Hunden, und am Mittag ritten sie die letzten zehn Kilometer zur Farm. Dort angekommen kam ihnen Hazel schon mit ernstem Gesicht entgegen. Die Vier befürchteten schon das schlimmste. Nala war die Treppe runtegestürtzt und hatte sich nicht nur den Fuß verknackst, sondern auch noch die rechte Hand gebrochen.
"Ich glaube dieses Jahr werden wir kein Weihnachten haben."
"Das wird schon. Wo haben sie Nala denn hingebracht? Wir könnten sie ja besuchen."
"Nebenbei auch hinterher noch alle nötigen Einkäufe machen."
"Gute Idee. Dann können wir vor Ort entscheiden was es geben soll."
"Ich hab eine bessere Idee. Wir könnten Lose ziehen wer was machen soll."
Mac hatte sowas wie eine Eingebung gehabt. Warum nicht jedem eine konkrete Aufgabe geben? So konnte sich jeder einbringen und Weihnachten wäre mal etwas anders als sonst die Jahre. Die Idee kam ganz gut an, Leika war mittlerweile auch im Weihnachtsfieber. Vier gleichgroße Hölzchen waren schnell gefunden. Hazel schrieb jeweils auf ein Hölzchen Essen, Geschenke, Baum und Aufräumen. Dann mußte jeder Ziehen. Tauschen war strengstens verboten. Die Angestellten würde helfen die Aufgaben zu bewältigen.
Über Stein-Schere-Papier legten sie fest wer beginnen durfte. Keiner wußte was Hazel aufgeschrieben hatte. Jerry zog zuerst. Er hatte die Geschenke. Elsa erwischte den Baum, Leika das Aufräumen und Mac das Essen. Keiner war froh über seine Aufgabe. Mac konnte nicht kochen, Elsa hatte keinen Schimmer woher sie die Tanne nehmen sollte, Leika verursachte nur Chaos beim aufräumen und Jerry hatte keine Idee was er verschenken sollte.
Zuerst stand aber noch der Besuch bei Nala an. Sie war beim hiesigen Arzt in der Nachbarstadt. Unterwegs konnte sich jeder Überlegen wie er seine Aufgabe ab besten erfüllen könnte. Nala freute sich über den Besuch und entschuldigte sich mindestens 1000 Mal das sie gefallen war und nun nichts für Weihnachten vorbereiten konnte. Sie müsse leider auch noch ein paar Tage bleiben.
"Keine Sorge Nala, Jerry sorgt für die Geschenke, Leika wird hinterher aufräumen, Mac kocht und ich soll einen Baum besorgen."
"Mädchen du scherzt."
"Nein. Wir haben Lose gezogen. Tauschen dürfen wir nicht. Hazel hat es verboten."
"Wessen Idee war das? Laß mich raten Elsa. HAZEL."
"Stimmt. Aber mach dir keine Gedanken darüber. So schwer kann kochen ja nicht sein."
So zuversichtlich wie Mac klang war er nicht. Beim kochen hatte er mehr als nur zwei linke Hände. Ihm brannte sogar Waser an. Doch wenn er sich an ein ganz einfaches Rezept wie Nudeln hielt, dürfte nicht viel schief gehen. Zumindest in der Theorie.
Nach dem Besuch bei Nala besprachen sie nun genau was es zu essen geben sollte und in welchem Umfang die Geschenke sein sollten. Das mit den Geschenken war schnell geklärt. Diese sollte nicht mehr als zehn Dollar kosten, dafür aber persönlich sein. Das Weihnachtsessen lief dann wirklich auf Nudeln raus. Doch alle Drei hatten da so ihre Bedenken ob selbst so etwas einfaches nicht doch schiefgehen konnte. Zum Einkaufen trennten sie sich. Nach guten eineinhalb Stunden hatte Elsa immer noch keine Tanne, geschweige denn einen Nadelbaum gefunden. Ein Kunstbaum stand für sie aber nicht zur Debatte. Zähneknirschend nahm sie dann einen kleinen buschigen Eukalyptusbaum im Topf.
Jerry stand vor einem ähnlichen Problem. Der Indianer kannte seine Kameraden noch nicht so gut als das er einfach etwas Persönliches hätte kaufen können. Zu seinem Glück hatte ihn Leika begleitet. Sie hatte den Blick für das Detail und beriet ihn. Gemeinsam fanden sie dann wirklich für jeden eine Kleinigkeit. Sogar etwas für Nala und Hazel fiel dabei ab.
Das größte Problem hatte allerdings Mac. Er stand vor dem Regal mit den Nudel und wußte beim besten Willen nicht welche von den vielen Sorten er nehmen sollte. Letztendlich entschied er sich für Dinklespagetti. Die Frage nach der Soße löste er in dem er einfach eine der Soßen griff die gleich daneben standen. Nur leider sah er nicht auf das Etikett. Dann ging es ans bezahlen. Doch wo war der Geldbeutel? Mac suchte alles durch, sämtliche Taschen, doch das Gesuchte blieb verschwunden. Frustriert ließ er die Sachen beim Kassierer stehen und machte sich auf die Suche nach seinen Gästen. Er fand sie in einem kleinen Café ganz in der Nähe vom Wagen. Alle Drei lachten nur und gaben ihm die paar Dollar die er brauchte. Gerade als Mac zum Laden zurückkam, wurde der geschlossen. Glücklicherweise war es derselbe Mann der die Sachen zurückgelegt hatte. So hatte es der Farmbesitzer dann doch noch geschafft für das Essen zu sorgen.
Zurück beim Wagen tat sich ein neues Problem auf. Die Schlüssel waren weg. Alles suchen half nichts. Kein Schlüssel weit und breit. Ein Taxi zur Farm würde viel zu viel kosten. Da mußten sie wohl oder übel in der Stadt bleiben. In einer Jugendherberge fanden sie schließlich noch ein paar Betten in einem der Schlafräume. Bequem was etwas anderes, aber besser als nichts. Nicht wirklich ausgeruht schauten sie noch kurz bei Nala vorbei. Sie war überglücklich die Vier noch einmal zu sehen. Mac hätte doch sein Geldbeutel und die Autoschlüssel bei ihr vergessen. Schallendes Gelächter ließ die Frau sie nur anstarren. Der Arzt der gerade das Zimmer betrat stutzte bei der Menge an Besuchern. Nach einer kurzen Untersuchung eröffnete dieser das Nala am selben Tag wieder nach hause durfte.
"Also wir hätten noch ein wenig Platz im Wagen. Wenn du magst nehmen wir dich mit."
"Da fragst du noch? Einer muß euch doch vor der Vergiftung seines Essens bewahren."
Dabei deutete sie grinsend auf Mac. Der nahm den Seitenhieb gelassen. Bei seinen linken Pfoten würden sogar die Nudeln als Grillkohle enden. Es dauerte noch ein wenig bis Nala startklar war. Auf der Farm anrufen würde nichts bringen. Hazel war bestimmt nicht im Haus. Der hatte genug mit dem Hof und den Tieren zu tun.
Gegen Mittag konnten sie starten. Es war mittlerweile der 24ste Dezember. Weihnachten. Die Sonne brannte heiß vom Himmel. Das Fahrzeug war an der Maximalgrenze. Ein Neuwagen hatte Mac ja in der kurzen Zeit nicht erstehen können, und vom bezahlen wurde gar nicht erst geredet. Am späten Nachmittag erreichten sie endlich den Hof. Doch welch Überraschung.
Mac's Eltern waren, nebst seinen Geschwistern, angereist um ihn zu überraschen und das Weihnachtsfest mit ihm gemeinsam zu verbringen. Hazel hatte seine alten Arbeitgeber über alles was passiert war informiert und diese hatten alle gemeinsam mit angepackt. Die Wolle war sauber und schon gesponnen und aus Gaudi hatten sie sogar einen echten Weihnachtsbaum aufgetrieben und mitgebracht. Alles war festlich dekoriert und das Fest war vorbereitet. Sogar Socken hingen über einem elektrischen Kamin. Die Freude war riesig. Der Eukalyptusbaum bekam auch noch ein Plätzchen neben der Tanne und sogar noch ein paar Kugeln und Lametta verpasst. Draußen hatte sein Vater ein sehr großen Barbecue vorbereiten. Dann war Bescherung. In den Läden waren die kleinen Geschenke schon eingepackt worden. Elsa bekam ein Buch über die hiesigen Pflanzen und Tiere. Jerry hatte sich einen wunderschön gearbeiteten Bumerang ausgesucht, Leika erhielt einen Satz Handschuhe aus Leder für den Winter. Nala wickelte ein Foto von allen gemeinsam aus. Es war ein zufälliger Schnappschuß gewesen und keiner der darauf abgebildeten sah in die Kamera. Hazel bekam eine Trillerpfeife verpaßt. So konnte er sich schon von weitem Bemerkbar machen. Quittiert wurde das mit einem amüsierten Lächeln. Und Mac? Der bekam auch ein Buch. 'Kochen für Kinder'
by hakuryu