Leistungs- und Anpassungsdruck an den Schulen in Fernost entlädt sich in Schikanen gegen Minderheiten – Schulen, Behörden und Gesellschaft reagieren hilflos.
Akiko Uemura war beliebt, lustig und lernte gut in der neuen Schule – bis ihre Mutter eine Elternveranstaltung besuchte. Von da an wurde das Leben der Zwölfjährigen zur Hölle. Die Mutter fand ihre Tochter erhängt in ihrem Zimmer. Einen Abschiedsbrief hinterließ sie nicht – nur einen handgeschriebenen Zettel. "Besser tot als eine philippinische Mutter", stand darauf.
Akiko trieb es in diese Verzweiflungstat, weil die eigene Mutter eine Filipina ist. Es gibt sehr viele Frauen von den benachbarten Inseln in Japan – zum Putzen oder Amüsieren, manchmal auch zum Heiraten. Aber für alle gilt unter den Söhnen und Töchtern Nippons die einfache Grundauffassung: Eine Filipina ist nicht nur keine Japanerin, sie ist rassisch minderwertig und gehört nicht zu uns. Keine Globalisierung, kein Exportmarkt und vor allem keine Schule schlägt den Japanern dieses Vorurteil aus dem Kopf. Am besten, man versteckt seine Frau und Mutter, wenn sie von den Philippinen stammt – vor der Gesellschaft und selbst vor Kindern.
Die Uemuras waren vor zwei Jahren in die Kleinstadt Kiryu gezogen. Die Mutter wollte mit ihrem Besuch in der Schule offenbar Normalität demonstrieren. Das erwies sich als Falle. Seit sich die mit einem Japaner verheiratete Frau in der Schule ihrer Tochter hatte blicken lassen, wurde das Mädchen von den Mitschülern geschnitten, es hagelte Hänseleien bis hin zu bösen Beleidigungen. Sie würde stinken, warf man dem einst sehr beliebten Mädchen vor. Frühere Freundinnen rümpften die Nase und fragten, ob sie nicht baden würde. Beim Mittagessen in der Schule rückten alle demonstrativ von Akiko ab, sie aß wochenlang allein. Wie die Tageszeitung Mainichi Shimbun herausfand, machte man die Behörden mehr als zehnmal auf die Missstände aufmerksam – doch es geschah nichts. Die Schulleitung brauchte Tage, um zuzugeben, dass das Mädchen gequält wurde. Man habe gewusst, dass Akiko in "keiner guten Verfassung" war, gab der Rektor zu.
Einen Zusammenhang zwischen dem Schulklima und dem Suizid wollte er jedoch nicht sehen. In Japans Medien wird immer wieder die Frage gestellt, warum die Schulleitung nichts unternommen hat, um dem Mädchen zu helfen. Das Bildungsministerium in Tokio kündigte eine landesweite Untersuchung an. Schulen und lokale Behörden wurden aufgerufen, mit den Familien betroffener Kinder enger zu kooperieren. Es ist ein Appell, der alle Jahre nach einem besonders dramatischen Fall wieder ergeht. Viele Lehrer ignorieren solche karrierebremsenden Vorfälle am liebsten. Eltern von Opfern beklagen, dass die Probleme verheimlicht wurden, um das Ansehen der Schule nicht zu ramponieren.
Der Horror hat in Japan sogar einen Namen. "Ijime", Schikanen, wird das Mobbing in Schulen genannt, dem jährlich mehrere Hundert Mädchen und Jungen zum Opfer fallen. Verantwortlich ist meist der Druck, sich bedingungslos der Masse anzupassen, aber zugleich den Erwartungen der Eltern und der Schule nach Höchstleistungen zu entsprechen.
Die Szenarien gleichen sich, auch wenn die Gründe sehr verschieden sind. Schüler quälen Schüler, aus Frust oder Freude. Dabei trifft es fast immer Kinder, die "anders" sind als die anderen. Sie können begabter sein, behindert, unangepasst oder schüchtern. Oder sie haben einfach nur eine ausländische Mutter.
Das ist bis heute nicht nur in der Provinz ein Problem, selbst in Tokio klagen darüber auch europäische Frauen, die mit Japanern verheiratet sind und gemeinsame Kinder haben. Eine deutsche Mutter beschwerte sich, dass ihre beiden Söhne nicht mit ihr in Schulnähe gesehen werden wollten. Die Jungs verlangten, dass Mama auf der Straße immer mindestens drei Schritte zurückbleibt – damit niemand die Zusammengehörigkeit erkennt.
Quelle: badische-zeitung.de
Akiko Uemura war beliebt, lustig und lernte gut in der neuen Schule – bis ihre Mutter eine Elternveranstaltung besuchte. Von da an wurde das Leben der Zwölfjährigen zur Hölle. Die Mutter fand ihre Tochter erhängt in ihrem Zimmer. Einen Abschiedsbrief hinterließ sie nicht – nur einen handgeschriebenen Zettel. "Besser tot als eine philippinische Mutter", stand darauf.
Akiko trieb es in diese Verzweiflungstat, weil die eigene Mutter eine Filipina ist. Es gibt sehr viele Frauen von den benachbarten Inseln in Japan – zum Putzen oder Amüsieren, manchmal auch zum Heiraten. Aber für alle gilt unter den Söhnen und Töchtern Nippons die einfache Grundauffassung: Eine Filipina ist nicht nur keine Japanerin, sie ist rassisch minderwertig und gehört nicht zu uns. Keine Globalisierung, kein Exportmarkt und vor allem keine Schule schlägt den Japanern dieses Vorurteil aus dem Kopf. Am besten, man versteckt seine Frau und Mutter, wenn sie von den Philippinen stammt – vor der Gesellschaft und selbst vor Kindern.
Die Uemuras waren vor zwei Jahren in die Kleinstadt Kiryu gezogen. Die Mutter wollte mit ihrem Besuch in der Schule offenbar Normalität demonstrieren. Das erwies sich als Falle. Seit sich die mit einem Japaner verheiratete Frau in der Schule ihrer Tochter hatte blicken lassen, wurde das Mädchen von den Mitschülern geschnitten, es hagelte Hänseleien bis hin zu bösen Beleidigungen. Sie würde stinken, warf man dem einst sehr beliebten Mädchen vor. Frühere Freundinnen rümpften die Nase und fragten, ob sie nicht baden würde. Beim Mittagessen in der Schule rückten alle demonstrativ von Akiko ab, sie aß wochenlang allein. Wie die Tageszeitung Mainichi Shimbun herausfand, machte man die Behörden mehr als zehnmal auf die Missstände aufmerksam – doch es geschah nichts. Die Schulleitung brauchte Tage, um zuzugeben, dass das Mädchen gequält wurde. Man habe gewusst, dass Akiko in "keiner guten Verfassung" war, gab der Rektor zu.
Einen Zusammenhang zwischen dem Schulklima und dem Suizid wollte er jedoch nicht sehen. In Japans Medien wird immer wieder die Frage gestellt, warum die Schulleitung nichts unternommen hat, um dem Mädchen zu helfen. Das Bildungsministerium in Tokio kündigte eine landesweite Untersuchung an. Schulen und lokale Behörden wurden aufgerufen, mit den Familien betroffener Kinder enger zu kooperieren. Es ist ein Appell, der alle Jahre nach einem besonders dramatischen Fall wieder ergeht. Viele Lehrer ignorieren solche karrierebremsenden Vorfälle am liebsten. Eltern von Opfern beklagen, dass die Probleme verheimlicht wurden, um das Ansehen der Schule nicht zu ramponieren.
Der Horror hat in Japan sogar einen Namen. "Ijime", Schikanen, wird das Mobbing in Schulen genannt, dem jährlich mehrere Hundert Mädchen und Jungen zum Opfer fallen. Verantwortlich ist meist der Druck, sich bedingungslos der Masse anzupassen, aber zugleich den Erwartungen der Eltern und der Schule nach Höchstleistungen zu entsprechen.
Die Szenarien gleichen sich, auch wenn die Gründe sehr verschieden sind. Schüler quälen Schüler, aus Frust oder Freude. Dabei trifft es fast immer Kinder, die "anders" sind als die anderen. Sie können begabter sein, behindert, unangepasst oder schüchtern. Oder sie haben einfach nur eine ausländische Mutter.
Das ist bis heute nicht nur in der Provinz ein Problem, selbst in Tokio klagen darüber auch europäische Frauen, die mit Japanern verheiratet sind und gemeinsame Kinder haben. Eine deutsche Mutter beschwerte sich, dass ihre beiden Söhne nicht mit ihr in Schulnähe gesehen werden wollten. Die Jungs verlangten, dass Mama auf der Straße immer mindestens drei Schritte zurückbleibt – damit niemand die Zusammengehörigkeit erkennt.
Quelle: badische-zeitung.de