Die gegenwärtige Rechtslage zum Thema in Deutschland ist nämlich glücklicherweise wesentlich besser, als ihr sie hier darstellt. Zwar ist richtig, dass mit Einführung von § 184c StGB und der Neufassung von § 184b StGB vom 05. November 2008 eine wesentliche (und in ihrem Wortlaut unerträgliche) Erweiterung der Strafbarkeit fiktiver Medien vorgenommen wurde.
Vor Hinblick eines Bundesgerichtsurteils aus dem Jahr 1999 (BGH 2 StR 365/99), welches die Anwendung von § 184b StGB auf Comics bejahte, war damals in der Tat davon auszugehen, dass zumindest pornographische Anime/Mangas jeglicher Couleur der Strafbarkeit unterliegen würden.
Doch gab es dagegen (also § 184c StGB, nicht das BGH-Urteil...) eine Verfassungsbeschwerde von Hustler. (Und beinahe auch eine von besagtem Manga-Verlag, der sich leider aus wirtschaftlichen Gründen aus der Sache zurück zog, kurz bevor die fertige Beschwerde hätte eingereicht werden können.) Das Bundesverfassungsgericht ist in 2 BvR 2380/08 zwar bedauerlicherweise nicht auf die Beschwerde eingetreten, hat sie aber nicht ohne Begründung abgeschmettert.
Es hat dabei ausgeführt, dass es für Strafbarkeit nach § 184c StGB eben gerade nicht genügt, dass Zweifel darüber bestehen, ob eine (fiktive) Person nun erwachsen ist oder nicht, sondern das für „den objektiven Betrachter“ (ein Begriff, den man mit jedermann übersetzen sollte, es aber leider nicht kann...) sondern vielmehr nur dann, wenn „ganz offensichtlich“ ist, dass die Akteure „nicht volljährig sind“. Dazu müssen sie aber kindlich (nicht Jugendlich!) wirken und schon sehr nahe an dem sein, was § 184b Abs. 4 StGB unter Strafe stellt, also (fiktive) Darstellungen von sexuellen Handlungen mit Kindern.
Das Bundesverfassungsgericht hat dadurch die Strafbarkeit klar eingeschränkt, sodass m.E schon damals feststand, dass ausschliesslich Lolicon und Material, welches damit verwechselt werden kann, nicht aber Hentai/Ecchi generell bedroht waren. („Loveless“ und Shoko aus „Manga Love Story“ wären aber möglicherweise kritische Kandidaten gewesen... In Retrospektive wohl auch „Katawa Shoujo“, aber das kam erst viel später raus) Ob der eingeschlagene Weg des Gerichts (Abweisung plus einschränkende Auslegung) nun rechtsdogmatisch korrekt war, darüber könnte man freilich lange streiten. (M.E aber wohl eher nicht)
Der eigentliche Clou kam nun aber dieses Jahr mit einem Beschluss des Bundesgerichtshofs. In BGH 1 StR 8/13 (ein m.E revolutionärer Entscheid und daher sehr lesenswert^^) stellt dieser ausdrücklich fest, dass reine Texte keine kinderpornographische Schriften sind, selbst dann nicht, wenn sie „in Worten von tatsächlich vor-genommenen Missbrauchshandlungen berichten“. Dass dies dann um so mehr für fiktives gelten muss, bestätigt das Gericht noch im selben Atemzug, indem es ausdrücklich erwähnt, dass „erkennbar künstliche Produkte“ und „Fiktivpornographie“ von der Strafbarkeit nach § 184b Abs. 2 et 4 StGB per se ausgenommen sein sollen.
Es bestätigt weiter die Ansicht des Gesetzgebers, der in einer ergänzenden Erklärung zur Norm festgehalten hat, dass er auf authentisches Material aus ist und „kinderpornographischen Romanen, Zeichnungen und Zeichentrickfilmen“ nicht Strafbarkeit zukommen lassen möchte, als rechtsverbindlich. Dies begründet das Gericht damit, dass von fiktivem Material keine Gefahr für Nachahmungstaten bestehen können und wenn überhaupt, dann nur ein derart geringer korrumpierender Effekt auf den Konsumenten auftrete, der nicht dazu ausreicht, eine Gefahr für das geschützte Rechtsgut (Sexuelle Integrität von Kindern) darzustellen. (Das ist so übrigens sexualwissenschaftlich absolut korrekt und entspricht dem gegenwärtigen Stand der Forschung zum Thema)
Das Gericht hat dadurch m.E Lolicon/Shotacon in Deutschland für den privaten Besitz und Konsum legalisiert, in dem es ihre fehlende Strafwürdigkeit mehrfach ausdrücklich bestätigt.
Insofern ist dem Anliegen von TokioBill durch die heutige Rechtsprechung eigentlich bereits Rechnung getragen. Dass man § 184b StGB dennoch besser revidieren (und § 184c StGB ersatzlos streichen) sollte, findet allerdings auch meine Zustimmung. Das ist aber eher Kosmetik, denn an der Rechtswirkung ändert das nichts, solange BGH 1 StR 8/13 nicht kassiert wird. (Was er durch neues Recht der EU oder des Europarates werden wird, aber das ist ein anderes Problem und wird voraussichtlich noch einige Jahre dauern).