Letztlich damit leben kann ich sicherlich.
Die Frage wäre halt nur, wie gut ich mich mit der Situation abfinden könnte.
Aber ich weiß, dass Blindheit mir am Wenigsten ausmachen würde. Ich habe es schon "ausprobiert".
Ich leide unter einer unheilbaren, angeborenen Augenkrankheit, die mir irgendwann das Augenlicht nehmen wird und meine Augen extrem empfindlich für Licht macht (bin deshalb z.B. auch nachtblind).
Jedenfalls hatte ich einmal mit 5 und einmal mit 15 deswegen für knapp ne Woche die Freude, blind zu sein. Hatte in den Blitz eines Fotoapparats geschaut und der hat meinen Sehnerv so strapaziert, dass für ne Woche schlicht nichts mehr ans Gehirn gesendet wurde.
Es ist schon gruselig, man fürchtet dauernd zu fallen, hat schreckliche Angst vor Fremden und will meist nicht länger allein sein oder zumindest wen hören. Hatte in der Zeit schon den Weg zur Toilette (zwei Türen weiter) als den Jakobsweg empfunden und war jede Nacht früher oder später zu meiner Mutter ins Bett gekrochen, weil die absolute Dunkelheit mir schreckliche Angst gemacht hatte. Schule durfte ich nicht hin, da ich eine Belastung für die Lehrer gewesen wäre (in den Kindergarten hatte ich gedurft, sollte aber in einer Ecke dann stumpf mit Bauklötzen spielen).
Und da ich früher oder später dauerhaft und vollständig erblinde (mit etwas Glück erst mit 80+), bin ich halt schonmal vorgewarnt, wie das so sein wird. Wird mich also wohl weniger massiv schockieren wie wer, der nie länger als ne Stunde mal nichts sah.
Taubheit stell ich mir auch noch akzeptabel vor.
Es wird zwar auf Dauer evtl. höchst belastend sein, NICHTS zu hören und sicherlicht auch anstrengend sein, die Gebärdensprache zu erlernen, aber man kann medial noch an der Gesellschaft teilnehmen. Viele Taube, die vorher hören konnten, sind dennoch weiter in der Lage, zu reden (wenn auch unangenehm, da sie ohne Gehör keine Autokorrektur in Sachen Lautstärke, Stimmlage, etc machen).
Stummheit ist wohl noch etwas mehr ertragbar als Taubheit.
Hat die selben Ergebnisse, nur dass man noch was hört (also durchaus ein inaktiver Teilnehmer im vollen Rahmen sein kann) und halt dafür nur nicht verbal reagieren kann.
Gelähmtheit kann ich schlecht einschätzen.
Ich denke mir oft, dass es mich doch garantiert nicht stören würde, da ich eh fast nur sitze und man mit etwas Suchen auch Erdgeschosswohnungen findet.
Aber im Nachhinein fällt einem dann doch auf, dass man bis auf wenige Ausnahmen an sich nicht berufsfähig ist. Schon klassische Bürojobs scheitern evtl, wenn die Zugänge zum Büro nicht rollstuhlgerecht sind, die Schreibtische zu hoch oder der Drucker dann doch im anderen Raum. Vielleicht sogar nur recht schmale Türen, wo man eh nicht hinkommt. Von behindertengerechten Toiletten ganz zu Schweigen.
Fehlende Arme/Beine.
Witzigerweise habe ich da ein sehr genaues Bild der Situation. Ein Bekannter von mir hat nämlich die extremste Version von Contergan, die möglich ist. Seine Hände beginnen an der Schulter, seine Füße wachsen quasi direkt unterm Bauchnabel. Er ist eine rollende Kugel mit Händen und Füßen (welche zudem selbst auch sehr kurz und rundlich sind wegen dem Medikament).
Er hat zwar noch eben jene, aber man kann es trotzdem gleichsetzen mit dem Verlust eines Armes oder Beines, wenn er es nicht sogar noch schlimmer hat.
ALLES im Haus sind Spezialanfertigungen. Er hat einen Lift fürs Waschbecken (!!), eine Bodentoilette wie die Japaner, sein Schreibtisch ist ganze 25cm überm Boden, er hat eine runde Tastatur, da seine Hände nicht so weit nach links und rechts können wie er es bei einer normalen Tastatur müsste. Er hat nie gearbeitet, nur mal mit Papier in einer Behindertenwerkstatt gebastelt und sich an einer Theater-AG für Rollstuhlfahrer beteiligt. Er muss gefüttert werden, da er meist weder die Gabel richtig halten kann noch damit bis zum Mund kommt.
Ganz ehrlich, dann hab ich lieber ein fehlendes Bein und lass mir ne Prothese dafür geben. Ich bin dann ja wenigstens trotzdem noch in der Lage, mich am Kopf selber zu kratzen statt dafür eine Spezialkonstruktion, die an die Tür angebracht wurde (mit extrem tiefen Türklinken), zu benutzen...
Zumal ich schon mit neun Jahren wusste, dass fehlende Arme oder Beine nichts fatales sein müssen. Meine Oma schenkt mir nämlich seitdem jedes Jahr zu Weihnachten eine Karte, die von Mund- und Fußmalern gemacht wurde. Wunderschöne Bilder, in penibelster Perfektion gefertigt, nur halt mit Mund oder Fuß statt mit Hand. Und wenn sowas möglich ist, wenn der Mensch aus einem Unglück dann solche Ersatzmöglichkeiten und Kompensationsmittel findet, dann ist es auch kein echter Verlust, dass das Körperteil und alles damit verbundene völlig verschwunden ist.
Verbrennungen und andere Verstümmelungen sind - wenn sie schmerzlos sind - in meinen Augen ertragbar. Ja, sie sind gesellschaftlich ein schwerer Brocken, andererseits sind sie mit das kleinste Übel, wenn man sowas denn als Behinderung bezeichnen will.
Ein Lehrer von mir hatte das halbe Gesicht wegen einer Erbkrankheit so massiv aufgedunsen, dass Quasimodo bildschön dagegen ist. Aber er hatte guten Humor und eine gewisse Strenge und da hatte in der Schule niemand gewagt, ihn deshalb auf die leichte Schulter zu nehmen oder gar zu mobben. Wenn man sich wegen den äußeren Makeln nicht selbst fertig macht, dann machen das auch eher selten die Anderen (die müssten dafür schon massiv bösartig und schadenfreudig sein).
Geistige Behinderung
Für mich selbst stellt sich mir da wohl weniger die Frage, wie ich damit umgehen kann. Man selbst nimmt das dann ja letztlich nicht mehr wirklich wahr.
Aber ich denke, es ist mit eine der schlimmsten Behinderungen, denn sie belastet am Meisten die Mitmenschen. Egal, ob man epileptische Anfälle hat, lebenslang auf dem Stand eines Säuglings ist, ob man apathisch vor sich hin starrt oder wie wer nach dem Schlaganfall zusammenhangloses Zeug brabbelt und ohne Vorwarnung dann plötzlich losschreit.
Ich hoffe insofern inständig, dass mich - wenn schon - jede Behinderung ereile nur bitte niemals die Geistige.
Ich will es keinem zumuten müssen, mich so zu sehen, zu erleben und letztlich zu ertragen müssen...