Während Sirius seinen inneren Kampf ausfocht, hatte Rod ein viel materielleres Problem. Er musste feststellen, dass er sich in einem Labyrinth befand. Viermal war er auf eine Gabelung gestoßen und hatte sich für einen Weg entschieden und jedes mal hatte er im Nachhinein das Gefühl die falsche Entscheidung getroffen zu haben.
Dieses mal war er umgekehrt und zur letzten Kreuzung zurück gekehrt, doch trafen sich dort nun nicht mehr drei Gänge, wie es eigentlich sein sollte, sondern ganze vier Gänge.
"Was zum?", grummelte Rod, dem das alles hier gehörig auf die Nerven ging. Die Tatsache, dass noch immer alle Wände und Decke sowie Boden mit diesen unangenehm anmutenden Bildnissen bedeckt waren, machte das Nachdenken nicht wirklich leichter.
Gerade wollte Rod in einen der abzweigenden Gänge schauen, da stolperte er beinahe. Er hatte sich mit dem Fuß an einer der in den Boden gemeißelten Staturen verfangen. Ausgerechnet an dessen Hand. Mit Sirius auf dem Rücken, hätte ihn das beinahe zu Fall gebracht.
Mit einer kleinen akrobatischen Einlage zog er seinen Fuß wieder heraus.
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Lilith stand auf einer Art Basar, auf dem an allen möglichen Ständen die verschiedensten Dinge feil geboten wurden. Wegen ihrer Klamotten warf man ihr noch immer den einen oder anderen komischen Blick zu. Das sie an einer Imbissbude ein Stück Hähnchen ergattert hatte, an dem sie nun knabberte, um menschlicher zu wirken, machte es keineswegs besser. Eher im Gegenteil.
Lilith interessierte sich nicht sonderlich dafür, dass Fett auf ihr edles Gewand getropft war, denn sie betrachtete gerade durch eine Schaufensterscheibe einen dieser 'Fernseher', die die Menschen erfunden hatten. Allerdings galt ihr Blick weniger dem Fernseher, als den Nachrichten die darin liefen.
Während der Sprecher von einigen seltsamen Vorkommnissen in der amerikanischen Stadt Las Vegas erzählte, wurden die mit einer Amateurkamera gemachten Aufnahmen eingeblendet. Obwohl der Sprecher meinte, dass auf den Aufnahmen kaum etwas zu erkennen sei, Experten jedoch der Meinung seien, bei den verschwommenen Bewegungen und Lichtern handle es sich lediglich um eine ungewöhnliche Form von Elmsfeuern oder Kugelblitzen, sah Lilith sehr genau worum es sich handelte.
"Da geht ja ganz schön die Post ab. Und mir sagen die, ich solle die Füße still halten und unauffällig bleiben."
Sie sah die Frau, die neben ihr stand und ihren Einkauf ordnete an und fragte,
"Sagen sie, wo liegt dieses Las Vegas?"
Sie erntete einen etwas skeptischen Blick von der Frau, bekam aber dennoch eine Antwort.
"In den USA, soweit ich weiß."
Lilith bedankte sich und wollte gerade schon weiter gehen, da drehte sie sich noch einmal um und sprach die Frau noch einmal an.
"Und wo liegen diese USA?"
Entweder wusste die Frau die Antwort auf diese Frage nicht oder sie fühlte sich verarscht. Lilith fürchtete, dass es sich um Letzteres handelte. Auf jeden Fall musste der unwissende Engel sich an jemand anderen wenden, um eine Antwort zu bekommen. Schließlich schaffte Lilith es aber doch, jemanden zu finden, der ihr die genaue Lage sogar auf seinem Navi (was auch immer das sein soll) zeigte und sie sogar zu einem Kaffee einlud.
Als sich Lilith dann auf die Frage nach ihrer Handynummer ebenso unwissend zeigte, wie bei dem Thema USA, gab ihr der fremde Mann, der offenbar Anton hieß, einen Zettel, auf dem eine Folge von Zahlen stand. Etwas verwirrt steckte Lilith den Zettel ein und verabschiedete sich.
Summende ging Lilith weiter. Dabei suchte sie nach einem Platz, auf dem sie ungesehen sein würde. Leider war es hier überall so voll, dass es kaum ein ein Durchkommen gab, geschweige denn die Möglichkeit ungesehen zu sein.
So dauerte es eine Weile, bis Lilith eine der vielen verwinkelten Seitengassen Roms betrat und auf einen nicht abgeschlossenen Hinterhof gelangte. Zufrieden stellte sie fest, dass gerade niemand zusah. Wie ein kleines Kind hüpfte sie drei mal auf der Stelle, wobei sie ihre Flügel entfaltete. Als sie das dritte Mal wieder auf den Boden kam, ging sie etwas weiter in die Knie und stieß sich kräftig ab. Gleichzeitig schlug sie kräftig mit den Flügeln. Mit einem Knall stieg Lilith viele Meter weit in die Luft und über die Häuser hinaus.
Sie freute sich so sehr darüber einen Platz zum Starten gefunden zu haben und wieder in der Luft zu sein, dass sie nicht einmal mitbekam, dass der durch ihren Start entstandene Luftdruck alle Fenster, die zum Innenhof zeigten, herausgerissen hatte. Sie flog eine Schleife und schwenkte dann in Richtung Westen ein. Lilith flog so schnell, dass ihr Hut, der sowieso schon von ihrem Kopf gerutscht war und nur noch von dem Lederband an Liliths Hals gehalten wurde, beinahe abriss. Das störte Lilith allerdings wenig, denn sie hatte bereits ein neues Spielzeug, dass ihre Aufmerksamkeit in Beschlag nahm. Das Navi, dass sie Anton gestohlen hatte.
Leider kam dieses absolut nicht mit der Geschwindigkeit, die Lilith an den Tag legte und der Tatsache, dass sie flog, zurecht. Die Stimme der freundlichen, aber monotonen Dame in dem Kästchen bat sie ständig wieder auf die angegebene Rute zurück zu kehren und wies sie darauf hin, dass Lilith die erlaubte Geschwindigkeit für diese Straße überschritt.