Gerechtigkeit sah die ihm entgegengestreckte Hand und zögerte einen Moment, bevor er einschlug. Von allen Reitern hatte er immer am meisten Schwierigkeiten, sich ein menschliches Verhalten anzugewöhnen, während seine Brüder manche menschliche Züge sogar auf ihre wahre Form ausgeweitet hatten. So fragte er sich zum Beispiel immer noch, wer Krieg seine Verhaltensweise gezeigt hatte oder ob er sie selbst einfach als erstrebenswert empfand.
Sein Blick huschte zu den Männern, die hinzukamen; und er sah auf Anhieb durch ihre Täuschungen. Mochten selbst Engel und andere Dämonen getäuscht werden, seinen Augen entging nichts; sie durchdrangen jede Täuschung. Eine Gabe, die durchaus ein Fluch sein konnte.
Er sah wieder zu dem Mann, der sich ihm als Shoun vorgestellt hatte.
"Nimm deine Freunde und bring dich in Sicherheit. Ich werde sie aufhalten!" flüsterte er ihm zu.
Auf den fragenden Blick hin deutete er unauffällig in die Richtung der Triadenmitglieder. Als Shoun ungläubig wieder zu ihm sah, wusste der weisse Reiter aber auch, dass sein Gegenüber verstanden hatte. Seine Augen glommen kurz auf, rein und weiss; sodass sein Gegenüber kurz erstarrte und dann nickte. Er war derjenige, den sie suchten. Er war ein Nephilim.
Zorn loderte im weissen Reiter auf. Gerade eben noch, war er hoch oben bei Metatron gewesen. Alles war so anders! Ein Gefühl der Wärme und Geborgenheit, dass selbst er dort verspürte. Das einzige Wesen, dass sich neben Gott selbst je die Mühe gemacht hatte, mit ihm zu reden und mit dem er sich sogar auf einer gewissen Ebene gut verstand. Gerechtigkeit versuchte sich zu beherrschen. Vielleicht ging es auf eine andere Art und Weise.
Er ging auf einen der Triade zu.
"Entschuldigen sie, hätten sie einen Moment Zeit? Ich fürchte, ich habe mich verlaufen..."
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New York City, Innenstadt.
Tod hielt nicht inne, beschleunigte allerdings auch nicht, und so holte sie ihn bereits nach kurzer Zeit ein. Sie war sehr aufgebracht und verwirrt, aber angesichts der Zerstörung, die sie miterlebt hatte, war sie bemerkenswert gefasst. Tod nickte anerkennend.
"Das ist gut. Du bist immer noch in der Lage, rationale Entscheidungen zu treffen. Das gefällt mir."
Auf diesen Kommentar hin setzte sie zu einer Antwort an, verkniff sich diese allerdings, anscheinend wollte sie es sich nicht mit ihm verscherzen. Obwohl sie eindeutig ein hitzköpfiges Temperament hatte. Interessant.
"Glaubst du an Gott?" fragte er dann urplötzlich. Sie starrte ihn erst fassungslos an; bevor ihr die Sicherungen zersprangen.
"Ich hab gerade gesehen, wie sich Männer vor meinen Augen auflösen und DU FRAGST MICH OB ICH GLÄUBIG BIN??? WAS ZUM...."
Sie atmete schwer, aber als seine Miene neutral blieb und er sie erwartend ansah, fasste sie sich wieder und dachte nach.
"Naja, wenn es denn wirklich notwendig ist... kann ich nicht glauben, dass alles nur ein Zufall ist. Ich meine, die Erde und die Schöpfung und alles. Aber an Engel... ehrlich gesagt..."
Tod gluckste amüsiert. Sofort legte sich ein Hauch von Röte über ihre Züge; sie war scheinbar verlegen, reckte aber das Kinn trotzig nach vorne, einer Geste die klar besagte "Und wenn schon".
Tod winkte ab.
"Nein, nicht deswegen was du denkst. Wegen der Engel lache ich." Schlagartig wurde er wieder ernst.
"Es gibt sie; genau wie es alle anderen biblischen Gestalten gegeben hat. Der einzige Knackpunkt ist der, dass der Teufel um einiges mehr Einfluss hat als dort geschrieben steht, und auch seinen Namen haben sie im Christentum rausgelassen. Dürfte ihm einiges vergnügen bereitet haben, wie ich ihn kenne...
Aber das nur am Rande. Wichtiger ist dir vielleicht die Frage, wer oder was ich bin. Das ist aber eine andere Geschichte. Und was du bist- nun, sagen wir, jemand deiner Eltern war von höherer Natur. Man möchte fast sagen, von himmlischer Natur.