Ausschweifendes zum Spieltyp
Wenn schon, dann mit Anlauf. Weit weg und möglichst schnell. Über Wurzeln zu stolpern, das geht nicht. Die lässt Capcom ja immer mehr hinter sich. Könnte man denken angesichts dessen, wie „Resident Evil“ in den letzten Jahren behandelt wird. Das Schlurfen ist jedenfalls genauso verschwunden wie das unheimliche Knarzen und Ächzen sich biegenden Holzes.
Bis „unsere Resi“ also wieder den freundlichen „Back to the Roots“-Schulterklaps mitbekommt, könnten noch ein paar Kalenderblätter in die Tonne flattern. Wer schon bei beim vierten und fünften Teil wehmütig zurückdenkt an knarrende Kleiderschränke und bedrohlich klirrende Fensterscheiben, der dürfte bei „Operation Raccoon City“ seufzend in Ohnmacht fallen. Es ist kein „Resident Evil“ im klassischen Sinne, vom Urschleim weiter entfernt als die Teile vier und fünf, aber in Form dessen, was es sein will, vielleicht ganz unterhaltsam.
Es ist kein Sprung auf die Koop-Achse, eher eine Neujustierung auf derselben. Statt zu zweit wie in „Resident Evil 5“ seid ihr zu viert unterwegs, spielt die Bösen, nicht die Guten. Im Grunde tut ihr auch nichts Gutes, sondern vertuscht Böses. In der Rolle eines vierköpfigen Umbrella-Teams sollt ihr die Beweise nach dem Ausbruch des T-Virus in Raccoon City aufspüren und in der Luft zerreißen. Startpunkt ist die leicht abgeänderte Truck-Szene aus dem Intro des zweiten Teils, als Leon Kennedy und Claire Redfield getrennt werden.
Doch statt einen von beiden nach dem bedeutungsschwangeren, bis heute nachhallenden „Head to the station!“ zu steuern, fährt die Kamera zurück und ich stecke in der Haut eines Umbrella-Agenten, drei Kollegen in Kampfanzügen drumherum. Kann dem flüchtenden Leon Kennedy nur dabei zusehen, wie er wortlos in eine Gasse flitzt. Mehrere Charakterklassen soll es aufseiten Umbrellas geben, jede natürlich mit eigenen Stärken und Zipperlein – der erste Unterschied zu Valves „Left 4 Dead“.
Ich bin vor allem gespannt, wie und ob Capcom ein lebendiges Gruppenleben innerhalb des Squads inszenieren kann und will, ob sich die Kerle gegenseitig ermutigen, aufbauen und anfeuern. Mitten in der Zombie-Apokalypse nicht die schlechteste Idee. Oder spielen wir nur seelenlose, schweigsame, auf Disziplin geeichte Umbrella-Profis mit Klassenbezeichnungen wie Corporal, Agent, Lackaffe und Chefchen? Ich hoffe, dass man sich in der Hinsicht am fünften „Resident Evil“ orientiert, an den unterhaltsamen Dialogen zwischen Chris und Sheva, und vielleicht mal zu „Left 4 Dead 2“ rüberschielt. Andernfalls hätten die schlurfenden Leichen mehr Persönlichkeit als die Spielfiguren, und das wäre absurd. Oder?
Die nächtlichen Straßenzüge (inklusive Tankstelle und der in Trümmern liegenden Geschäfte) erinnern jedenfalls frappierend an den zweiten Teil, vor allem daran, dass die Untoten Massenversammlungen lieben, egal ob Penner oder Polizist. Alle humpeln sie ungelenk zwischen Autoleichen herum, stöhnen und stürzen sich linkisch auf das Umbrella-Schießkommando. Köpfe platzen, Blut sprenkelt auf die Kamera und gammelige Körper fallen zuckend in sich zusammen. „Resident Evil“, wie man es kennt. Auf den ersten Blick zumindest.
Auf den zweiten Blick wirken die Munitionsanzeigen mit über 200 Schuss extrem spendabel für ein Spiel, das den Projektilmangel einst liebte und lebte. Zum anderen sind die Umbrella-Buschen und –Mädels beim Zielen beweglich, geradezu agil. Sie tänzeln förmlich herum, die Waffe im Anschlag, den Abzug durchgedrückt. Und wenn es schon modern wird, dann richtig: Per Tastendruck geht man hinter Autos und Mauern in Deckung. Kurz hervorlugen, zielen, feuern, Deckung, feuern, Deckung, zielen, feuern… Muss man nichts mehr zu sagen.