Ist diese Angst vor einem Systemwechsel überhaupt gerechtfertigt? Ich kann mir schwer vorstellen, dass die NPD mit einer Manpower, wie sie sie derzeit haben, nach einem Sieg mit wehenden Hakenkreuzflaggen in den Bundestag zieht und dann sämtliche Instanzen eliminiert, die der totalitären Herrschaft im Weg stehen. Unsere Demokratie ist so tief verankert und mit den anderen Ländern verwurzelt, dass eine Separation so wie damals schlicht nicht mehr möglich ist. Ich weiß, sag niemals nie, aber ich halte das für eine absolute Angstfantasie. Der wahre Faschismus verbirgt sich dort, wo man ihn nicht vermutet. Und bei den heutigen globalen Umständen haben wir anderes zu befürchten als den Faschismus. Dessen Haltbarkeitsdatum ist abgelaufen.
Was könnten Nichtwähler wollen? Veränderung, möglicherweise drastische, prinzipielle, ein Systemwechsel vielleicht. Wie kann das erreicht werden? Ein "Putsch" wird in Deutschland nicht funktionieren. Die Demokratie mag vielleicht als "schlechteste" Regierungsform gelten, aber sie ist verbindlich und hält zusammen. Und Vereinigung macht stark. Die Stärke der Demokratie liegt in seinem Pluralismus. Alles wird (theoretisch) toleriert, jeder bekommt einen Platz und eine Stimme. Es ist ein humanes System. Es kann nur geschwächt werden, indem man sich der Möglichkeiten verweigert, die die Demokratie einem schenkt. Die Nichtwahl schwächt die Demokratie, weil auf weniger Menschen mehr Verantwortung fällt und sie gleichzeitig wankelmütiger reagiert. Randspektren bekommen größere Chancen etwas in der gesellschaftlichen Ordnung zu bewirken, abwegige Optionen bekommen mehr Gewicht. Aber die Demokratie kann sich nicht selbst abschaffen und möglicherweise brauchen wir mal so eine richtig beschissene Legislaturperiode.
Wenn Nichtwähler ein "Ziel" haben, dann dieses, dass die hiesigen Politiker nen kleinen Schreck bekommen, wie viel Kraft die Enthaltung doch haben kann. Denn eine Wahl kann demokratische Entscheidungen lenken, nach rechts, links, oben, unten, aber die Nichtwahl (in den entsprechenden Dimensionen) ist der Sturz der Demokratie, da die Demokratie das Volk braucht. Verweigert sich das Volk haben alle versagt. Es spielt dann auch keine Rolle, ob diese oder jene Strömungen dann die Macht ergreifen, welchen Nichtwähler kümmert das schon? Viel wichtiger ist, dass wir alle daraus etwas lernen können, über die Politik, über die Gesellschaft und über Macht. Möglicherweise ist es ein Fehler? Möglicherweise ist es keiner? Was passiert danach? Was passiert, wenn die Wahlbeteiligung bei 5% liegt? Ich denke nicht, dass Abstrafung per Wahl einer Anti-Partei (die eigentliche Gefahr ist so ein reaktives Verhalten) den Politikern wirklich ein Denkzettel verpassen kann, immerhin sind sie ja noch im Spiel und können es nach ein paar Jahren wieder versuchen. Nichtwahl ist die Sabotage des Spiels, als würde ich Sand ins Getriebe schmieren. Aber ich tu das nicht aus Bosheit, sondern nur, weil ich wissen will, was passiert... Und auch aus Bequemlichkeit.