[Diskussion] Wahlsieger Nichtwähler

Swordspirit

Dunkeldeutscher
@Noxiel:
Gebe dir Recht, nur die Forderung nach mehr Demokratie würde ich rausnehmen. Die Schweiz hat da ja ein Modell für mehr direkte Bürgerbeteiligung. Hier könnte man praktisch schauen, ob wir dieses System nicht für Deutschland übernehmen können, dann haben wir auch einen ganz konkreten Diskussionsgegenstand. Die Frage, die sich mir dann nur stellt ist, schießt dann die Zahl der Nichtwähler noch weiter nach oben, weil man dann ja noch öfter wählen gehen muss oder würde sie sich senken, da der Bürger konkret eine Maßnahme entscheiden kann?

S.
 

Noxiel

Otaku Elite
Otaku Veteran
Eine direkte Bürgerbeteiligung wie in der Schweiz hat Vor- und Nachteile.
Einen ganz klaren Vorteil sehe ich darin, dass die Politik viel stärker daran interessiert ist, ihren jeweiligen Standpunkt nachvollziehbar, logisch und nicht verklausuliert an den Mann bzw. die Frau zu bringen. Wer dem potentiellen Wähler nicht klar machen kann, warum er für oder gegen den Punkt der Bürgerbefragung stimmen sollte, muß sich auch stärker um seinen Einfluss in der Politik sorgen. Der politische Wunsch nach Machterhalt würde den Fokus wieder stärker auf den gemeinen Bürger richten, da er hier direkt Einfluss auf die Situation im Land nehmen kann.

Der Nachteil ist der, dass politisch Desinteressierte ohnehin nicht für Argumente offen sind, sondern sich meist nach dem Wind richten, den die populärste bzw. absatzstärkste Zeitung vorgibt. Wenn populistische Scheinargumente dem Wähler in seiner bereits vorgefassten Meinung nur noch Auftrieb verschaffen, dann kommen da so zweifelhafte Entscheidungen wie das Minarettverbot in der Schweiz heraus.

Die Sache ist gewagt und mein Bild, welches ich von der repräsentativen Gesellschaft - auch hier auf WoH - gewonnen habe, ist wenig positiv. Ich traue vielen zu darüber zu entscheiden ob sie genetisch veränderte Pollen in ihrem Honig wiederfinden wollen, jedoch nicht ob der ESFS in seiner Gesamtheit abzulehnen bzw. zu befürworten ist. Das erfordert Zeit und Engagement um sich mit der Thematik auseinander zu setzen. Mehr Initiative als sich jeden Morgen die BILD zu kaufen und zu denken, politisch gebildet zu sein.
 

Neverman

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Ist diese Angst vor einem Systemwechsel überhaupt gerechtfertigt? Ich kann mir schwer vorstellen, dass die NPD mit einer Manpower, wie sie sie derzeit haben, nach einem Sieg mit wehenden Hakenkreuzflaggen in den Bundestag zieht und dann sämtliche Instanzen eliminiert, die der totalitären Herrschaft im Weg stehen. Unsere Demokratie ist so tief verankert und mit den anderen Ländern verwurzelt, dass eine Separation so wie damals schlicht nicht mehr möglich ist. Ich weiß, sag niemals nie, aber ich halte das für eine absolute Angstfantasie. Der wahre Faschismus verbirgt sich dort, wo man ihn nicht vermutet. Und bei den heutigen globalen Umständen haben wir anderes zu befürchten als den Faschismus. Dessen Haltbarkeitsdatum ist abgelaufen.

Was könnten Nichtwähler wollen? Veränderung, möglicherweise drastische, prinzipielle, ein Systemwechsel vielleicht. Wie kann das erreicht werden? Ein "Putsch" wird in Deutschland nicht funktionieren. Die Demokratie mag vielleicht als "schlechteste" Regierungsform gelten, aber sie ist verbindlich und hält zusammen. Und Vereinigung macht stark. Die Stärke der Demokratie liegt in seinem Pluralismus. Alles wird (theoretisch) toleriert, jeder bekommt einen Platz und eine Stimme. Es ist ein humanes System. Es kann nur geschwächt werden, indem man sich der Möglichkeiten verweigert, die die Demokratie einem schenkt. Die Nichtwahl schwächt die Demokratie, weil auf weniger Menschen mehr Verantwortung fällt und sie gleichzeitig wankelmütiger reagiert. Randspektren bekommen größere Chancen etwas in der gesellschaftlichen Ordnung zu bewirken, abwegige Optionen bekommen mehr Gewicht. Aber die Demokratie kann sich nicht selbst abschaffen und möglicherweise brauchen wir mal so eine richtig beschissene Legislaturperiode.
Wenn Nichtwähler ein "Ziel" haben, dann dieses, dass die hiesigen Politiker nen kleinen Schreck bekommen, wie viel Kraft die Enthaltung doch haben kann. Denn eine Wahl kann demokratische Entscheidungen lenken, nach rechts, links, oben, unten, aber die Nichtwahl (in den entsprechenden Dimensionen) ist der Sturz der Demokratie, da die Demokratie das Volk braucht. Verweigert sich das Volk haben alle versagt. Es spielt dann auch keine Rolle, ob diese oder jene Strömungen dann die Macht ergreifen, welchen Nichtwähler kümmert das schon? Viel wichtiger ist, dass wir alle daraus etwas lernen können, über die Politik, über die Gesellschaft und über Macht. Möglicherweise ist es ein Fehler? Möglicherweise ist es keiner? Was passiert danach? Was passiert, wenn die Wahlbeteiligung bei 5% liegt? Ich denke nicht, dass Abstrafung per Wahl einer Anti-Partei (die eigentliche Gefahr ist so ein reaktives Verhalten) den Politikern wirklich ein Denkzettel verpassen kann, immerhin sind sie ja noch im Spiel und können es nach ein paar Jahren wieder versuchen. Nichtwahl ist die Sabotage des Spiels, als würde ich Sand ins Getriebe schmieren. Aber ich tu das nicht aus Bosheit, sondern nur, weil ich wissen will, was passiert... Und auch aus Bequemlichkeit.
 
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Swordspirit

Dunkeldeutscher
Ich bin verwirrt, was ist denn jetzt die genau die Stoßrichtung des Themas?

-Nichtwähler, wie groß ist die Gefahr für Demokratie?
-Scheindemokratie! Wir leben eigentlich in einer Diktatur!
-Viva la Revolution! Durch Proteste den Systemwechsel herbeiführen?
-Verbesserung (un)möglich?!? Können wir unsere Demokratie noch verbessern?

Was hattest du dir jetzt eigentlich dabei gedacht Neverman? Wurden einfach zu viele Themen gleichzeitig angesprochen...

S.
 

Terry_Gorga

Der Eine, der Viele ist
Otaku Veteran
Was hattest du dir jetzt eigentlich dabei gedacht Neverman? Wurden einfach zu viele Themen gleichzeitig angesprochen...
Das vermute ich mal, denn Neverman vertritt eine Position und hat diese zur Diskussion gestellt.
Ich vertrete eine ähnliche Position wie Neverman, habe aber eine völlig andere Grundlage dafür. Wieder andere vertreten eine andere Position, haben aber eine ähnliche Grundlage wie Neverman, oder ich.

Das Thema polarisiert einfach und wer sieht, dass andere gegen den eigenen Standpunkt so massiv verstoßen, der kann diese eben nur als "schlimm" bezeichnen und versuchen zu denunzieren. So, wie es in der Demokratie eben immer läuft.

Ich denke mal, Grundtenor ist der, dass diejenigen, die auf die Demokratie als etablierte Politik pochen (unabhängig von ihrer Auslebung) hier auch versuchen, mit demokratischen Mitteln die anderen zu überzeugen, die gegen ihre Meinung verstoßen, weil sie sich vom Bild der momentan vorherrschenden "Demokratie", entfernen.

Oder in anderen Worten: Hier geht es rein um Formalismus.
Die einen finden unser System gut, weil es den Namen "Demokratie" trägt, die anderen lehnen es ab, weil es faktisch nicht mehr demokratisch ist.
 
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Neverman

VIP
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@Swordspirit: Alles und Nichts, keine Ahnung...
Ich wollte mich nur auseinandersetzen und hatte keine feste Intention. Ich lass es sich dynamisch entwickeln.

EDIT: Ich möchte gerne eine komplexe Basis für diese Diskussion in Anspruch nehmen, um ein weites Feld aus Meinungen zu erhalten.
Das ist ideel, aber ich möchte es gerne versuchen.
 
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Um den textlastigen Thread mal etwas aufzulockern: Wilfried Schmickler zum Thema Wahlbeteiligung.
[video=youtube;QnV-NDHdyeA]http://www.youtube.com/watch?v=QnV-NDHdyeA[/video]
 

Neverman

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Angenommen Frustration wäre der einzige Grund und angenommen, der Herr hat Recht, dann ist die Wahl noch immer nur ein symbolischer Akt, ebenso wie das Nichtwählen. Denn eine Wahl ändert doch auch nichts daran, dass "die da oben" unter der Knute derjenigen stehen, die noch weiter oben stehen. Ändert eine Wahl denn etwas an der Feigheit von Politikern? Stell mir jetzt nicht die Gegenfrage, ob Nichtwahl es tut, aber ich denke, Nichtwahl hat größere Chancen.^^
Hat er denn einen Vorschlag, wer nicht die Leute für dumm verkauft und wirkliche Courage besitzt?
Ich verstehe seine Logik nicht ganz... Die Antwort auf das Spiel der Politik soll sein, bei dem Spiel mitzumachen, nur diesmal noch mehr?
 

were

...braucht mehr Spice.
Otaku Veteran
Seine Idee ist, dass eine Politiker bei einer hohen Wahlbeteiligung denken "Oh, der Bürger guckt sich jetzt ganz genau an was wir machen, also werde ich nun aufhören mit dem walten und schalten wie ich es möchte". Das ganze halte ich für eine relativ fragwürdige Argumentation, da hilft seine übertriebene Lautstärke leider nicht.
 
Werewolf schrieb:
Seine Idee ist, dass eine Politiker bei einer hohen Wahlbeteiligung denken "Oh, der Bürger guckt sich jetzt ganz genau an was wir machen, also werde ich nun aufhören mit dem walten und schalten wie ich es möchte". Das ganze halte ich für eine relativ fragwürdige Argumentation, da hilft seine übertriebene Lautstärke leider nicht.
Klingt für mich zumindest halbwegs plausibel. Aber die Wahlbeiteiligung als Zahl ist aus Sicht der Politik eben in erster Linie eine symbolische Größe. Und das Problem bei symbolischen Größen ist, dass man sie so auslegen kann, wie es einem passt, völlig unabhängig davon, welche Absicht dahinter steckte. Ein Politiker könnte ebensogut sagen: "Die geringe Wahlbeteiligung zeigt, dass die Menschen in diesem Land im großen und ganzen zufrieden sind und keinen Grund zur Einmischung in die Politik sehen." Und dann können sich die Nichtwähler ihre ach so symbolträchtige Handlung in die Haare schmieren.

Neverman schrieb:
Angenommen Frustration wäre der einzige Grund und angenommen, der Herr hat Recht, dann ist die Wahl noch immer nur ein symbolischer Akt, ebenso wie das Nichtwählen.
Nein. Eine Wahlentscheidung hat immer einen ganz konkreten Effekt: Sie verschafft der gewählten Partei mehr Sitze und damit mehr Einfluss bei politischen Entscheidungen. Gleichzeitig schwächt sie alle nichtgewählten Parteien und deren Einfluss.

Übrigens ist auch das Nichtwählen nicht nur eine symbolische Handlung, sondern hat auch einen gewissen Effekt auf die Sitzverteilung im Bundestag, wie ich weiter oben beschrieben habe. Darin liegt eine gewisse Ironie: Symbolisch steht Nichtwählen für Desinteresse oder Protest, effektiv bewirkt es aber eine Stärkung der großen Parteien. Bewusste Nichtwähler verfestigen also die Zustände, gegen die sie mit ihrer Wahlverweigerung protestieren wollen. Wie der Typ in der griechischen Mythologie, der seine Mutter gevögelt hat.



Es gibt übrigens auch eine sehenswerte South-Park-Folge zum Thema Wahlen. Die achte Folge der achten Staffel: Wähl oder stirb: http://www.southpark.de/clips/sp_vid_104400/ :)
Unter "Diese Episode ansehen" könnt ihr euch die ganze Episode angucken.
 
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BXLeMans

Exarch
Zu den Nichtwählern kann man nur sagen, BRAVO!

Bravo, daß die die radikalen unterstützen.

Denkt doch mal nach. 100Leute wählen, davon Einer NPD. Macht 1% . Wählen jetzt einige dieser 100 nicht, verweigern also die Wahl, steigt das Gewicht der Stimme für die Nazis. Gratulation.

Will man verweigern, muß man hingehen und seine Stimme ungültig machen. So wählt man Keinen, hat aber seine Stimme in der Gewichtung und setzt den Wert jeder anderen Stimme herab.

Alles andere ist Schwachsinn und hilft den Falschen.
 

were

...braucht mehr Spice.
Otaku Veteran
Wobei es keinerlei Studien darüber gibt, inwiefern sich der Anteil prozentual bei mehr Nichtwählern für die NPD vergrößern zumal eine solche niemals repräsentativ wäre.
So leicht geht es nämlich nunmal nicht, wenn von 100.000 20.000 wählen kann nicht pauschal gesagt werden, dass die NPD prozentual auf jeden Fall besser abschneiden muss, als wen 50.000 gewählt hätten. Da die Stammwähler neben den Frustwählern - die auch mal gerne zu Nichtwählern werden dürften - einen nicht unerhelblichen Teil vom Kuchen abbekommen.
 

fieberglas

Gläubiger
Weil das NPD-Argument ja anscheind immernoch auftritt:

[video=youtube;u7Otf89P0nM]http://www.youtube.com/watch?v=u7Otf89P0nM[/video]
Bis ca. 2:05min

Gibt wichtigere Probleme als eine Partei die sich selbst zu Grunde richtet.
 

Neverman

VIP
VIP
@BXLeMans: Les den Thread richtig, es wurde schon mehrmals erwähnt, dass die Chancen der NPD prozentual gesehen genauso niedrig stehen wie vorher (1/4 ist dasselbe wie 8/32, du verstehst?), wenn sich nicht ein wirklich starker Rechtsruck ankündig. Und das wird nicht geschehen, dafür geht es uns zu gut.
Und das hat auch nicht viel mit "Meinungen" zu tun.

@Panty_Supervisor: Da hast du wohl Recht, aber dennoch gibt es da keinen großen Unterschied. Es gibt bei jeder Sache erwünschte und unerwünschte Auswirkungen. Ein Wähler macht sich ja auch nicht für schlechte Entscheidungen der Politiker verantwortlich, die er gewählt hat. Wieso sollte ich mich dann also dafür verantwortlich machen, dass meine Stimmenenthaltung auch negative Konsequenzen hat, die ich nicht beabsichtige? Die Symbolik beider Handlung erkenne ich in der Absicht. Wer wählt, tut das, um seinen Favouriten gewinnen zu sehen, ohne die Gewissheit zu haben, dass er das auch tut. Wer nicht wählt verfolgt ebenfalls ein gewisses Ziel, ohne die Gewissheit zu haben, dass er dieses erreicht. Mit dem Nutzen ist es also bei beidem nicht weit her.
Und wenn beides so sinnvoll wie sinnlos ist, dann sind wir wieder dort, wo alles im Prinzip egal ist. Die Southpark-Folge zeigt doch sehr schön diese Wahl-Extremisten und ihre Argumente. Die Folge ist so nicht gerade ein Pro-Wahl-Argument, wo doch die Folge damit endet, dass er nur wählt, weil man ihm aufgrund des gesellschaftlichen Drucks keine andere Wahl ließ. Ich lebe aber lieber mit Druck, als Kotstulle oder Rieseneinlauf zu wählen.

EDIT: Hab da auch was gefunden.

http://youtu.be/8qa7xyoqbOw

8:24
Da sagt ein ehemaliges FDP-Mitglied, dass man Politikern einfach nur das nehmen muss, worauf sie angewiesen sind: Stimmen.
Und das ist das Ideal, die Realität geht mir doch sonstwo vorbei.^^
 
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xzarnado

Gottheit
Puhhh das Thema Nichtwähler ist ein sehr schweres. Ich persönlich gehöre zwar nicht in diese Kategorie, aber dafür in eine Kategorie Wählern, die der Politik auch weh tut: Den Kreuzern. Ich mache einfach meinen Wahlzettel ungültig, indem in ein sehr großes X drauf mache. Damit tue ich persönlich den Parteien sagen, was ich von ihnen halte.
 
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