Kann mir vielleicht noch kurz jemand erklären, warum der Begriff offenbar negativ besetzt ist ? Das die Geschlechterrollen und das Geschlechterverhalten zum guten Teil künstlich geschaffen sind kann doch niemand bestreiten, oder ?
Geht es darum, das Männer ihre Machtposition in Gefahr sehen, weil in Frage gestellt wird, das die natürlich gegeben ist ?
In wie weit Geschlechterrollen künstlich sind oder Konsequenz der biologischen Ungleichheit von Mann und Frau, ist ja das Streitthema und keineswegs geklärt. Die Soziologen stehen da auf der einen Seite, wobei es dort Vertreter gibt, die der Meinung sind, dass Geschlechterrollen rein künstlich sind und wiederum Biologen auf der anderen Seite, von denen manche entgegnen, dass die gesamte soziologische Entwicklung absolut natürlich ist, weil sie auf der Natur des Menschen beruht. Die Grenzen sind fließend.
Imo unterschätzen die Gender Studies den Einfluss von Anatomie, Physiologie und Neurobiologie, wenn es um die Betrachtung der Geschlechter geht. Es ist absolut logisch, dass sich automatisch Patriarchate aufbauen, wenn Männer stärker als Frauen sind und Frauen automatisch wehrloser werden, wenn sie schwanger sind, insbesondere, da der Mensch grundsätzlich soziologisch einer Hierarchie des Stärkeren folgend strukturiert ist, siehe indogene Urvölker (unsere ganzen späteren Gesellschaftsformen sind nicht natürlich entstanden, sondern mussten mühsam und gegen viele Widerstände nach und nach erarbeitet werden). D.h. jedoch nicht, dass dies gesellschaftlich wünschenswert ist, nur weil es natürlich ist. Die Gleichberechtigung der Frau (bzw. das Streben nach dieser) in unserem Kulturkreis ist imo eine der größten zivilisatorischen Errungenschaften des 19. und 20. Jahrhunderts.
Wären wir jedoch in unserer Entwicklung in der Steinzeit stehengeblieben, hätte in den allermeisten Menschengruppen oder -stämmen ein Mann, bzw. eine Gruppe von Männern das Sagen.
In den Gender Studies geht es jedoch nicht nur um die Unterdrückung der Frau durch den Mann, sondern auch, warum bestimmte Attribute oder Verhaltensweisen als männlich, bzw. als weiblich eingeordnet werden. Hier hat die Kultur imo den größeren Einfluss im Vergleich zur Biologie.
Der Begriff ist deshalb evtl. negativ konnotiert, weil es häufig mit Feminismus gleichgesetzt wird. Diese Beurteilung ist zwar imo falsch, jedoch insofern in ihrer Entstehung verständlich, weil der Ursprung der Gender Studies tatsächlich in der Feminismusbewegung liegt.
Und ja, einige Männer sehen sich durch die weibliche Emanzipation in ihrem Rollenbild als Mann in Gefahr. Soweit, ihnen Angst vor einem etwaigen Machtverlust zu unterstellen, würde ich nicht gehen, das halte ich auch für meist unsinnig und wenn auftretend, dann nur sehr selten. Es geht eher um ein bestimmtes Selbstverständnis, das manche Männer haben, ein Gesellschaftsbild, das nicht so leicht ins Wanken gerät und geraten darf, auch zum psychischen Selbstschutz. Dies ist auch Erziehungssache. Wer konservativ erzogen ist, mit klassischen Geschlechterrollen, wird sehr viel häufiger Probleme haben, ein rollenunspezifisches Selbstverständnis von Frauen zu akzeptieren, als ein liberal Erzogener.