Als vier Millionen Spiele in der Wüste verscharrt wurden
(Carsten) Heute wagen wir einen Zeitsprung in das wohl dunkelste Zeitalter der Videospielgeschichte. In das Jahr 1983 / 1984 - Die Zeit des großen Video Game Crash, in der über Nacht eine milliardenschwere Industrie zusammenbrach und tausende von Entwicklungen gestoppt und Mitarbeiter entlassen wurden.
Es hatte so gut angefangen – als Atari im Jahre 1975 den Videospielemarkt betritt, konnte niemand ahnen, dass es nur wenige Jahre brauchen sollte, bis die einstmals kleine Firma fast 10.000 Mitarbeiter beschäftigt, die in einem riesigen Komplex in Silicon Valley arbeiten. Im Jahr 1983 hatte Atari bereits 12 Millionen "Atari 2600“ verkauft und es gab weit mehr als 200 Spiele für dieses System.
Doch nicht nur Atari ging es gut – die komplette Branche boomte. Seit den Anfängen im Jahr 1976 hatte sich der Markt rasant ausgebreitet. 1983 setzte man mit Videospielen 3,2 Milliarden Dollar um – ein Jahr zuvor waren es "gerade einmal“ 950 Millionen Dollar. Videospiele hatte jeder und nutzte jeder – 25% der US-Haushalte besaßen mindestens eine Videospielkonsole.
Kein Wunder – war die Auswahl doch nahezu unüberschaubar. Atari 2600, Atari 5200, Bally Astrocade, Colecovision, Coleco Gemini, Emerson Arcadia 2001, Fairchild Channel F System II, Magnavox Odyssey2, Mattel Intellivision, Intellivision II, Sears Tele-Games systems, Tandyvision, und Vectrex – Wer sollte bei dieser Fülle an Systemen noch wissen, welches er sich zulegen soll? Zumal all diese Systeme eigene Spiele-Bibliotheken besaßen.
Im Jahre 1984 passierte dann das Undenkbare. Die Zahlen, die seit Bestehen der Branche nach oben geschossen waren, stürzten plötzlich in den Keller. Eine Industrie, die seit ca. 12 Jahren beständig wuchs, war über Nacht am Ende.
Über Nacht? Nicht ganz. Denn die ersten Anzeichen einer Krise konnte man schon ein paar Jahre vorher ausmachen. Die Qualität der Spiele sank – gerade Atari leistete sich mit zwei Spielen grobe Schnitzer. Pac-Man und E.T. für den Atari 2006 waren spielerisch wirklich nicht auf der Höhe – E.T. gilt sogar als das schlechteste Spiel aller Zeiten. Hinzu kam, dass die Computer langsam aber sicher auf dem Vormarsch waren und für Spieler immer interessanter wurden.
Die Jahre 1983 und 1984 gelten aufgrund dieser Faktoren als Höhepunkte des lang anhaltenden wirtschaftlichen Zusammenbruchs der Videospielindustrie in den USA.
In Zahlen ausgedrückt wird das ganze Ausmaß der Katastrophe erst richtig deutlich. Atari verliert 1983 356 Millionen Dollar – jeden Tag kommen zwei Millionen Dollar dazu. Mattel verzeichnet über 195 Mio. Dollar Verlust, die zum Schluss sogar auf 361 Millionen ansteigen. Coleco verliert 258 Millionen Dollar, die beiden Plattformen Adam und ColecoVision werden wenige Jahre später, im Jahr 1985, eingestampft.
So sehr die einzelnen Firmen gelitten hatten, so schlimm war dies auch für den amerikanischen Markt. Jahrelang traute sich kein Hersteller mehr an Videospiele heran.