
Die Sonne blendete Aaron und er kniff seine Augen zusammen und versuchte mit seiner Hand die Strahlen abzublocken. Es war ein warmer und sonniger Tag und die Straßen waren überfüllt mit Menschen die sich auf das Neumondfest vorbereiteten. Überall sah man Arbeiter beim Aufbau von Ständen und Bühnen. Blumen und Dekorationen wurden auf gehangen, Wände und Straßen wurden so sauber wie möglich gemacht, denn man wollte sich von der besten Seite präsentieren. Während der Festlichkeiten ist Negima die Hauptbühne der Welt. Besucher von überall aus dem Königreich strömen hierher um an diesem einmaligem Event teilzuhaben. Der Rat scheute keine Kosten um den Reichtum und Prestige dieser Stadt zu zeigen. Kontrollen wurden verschärft, Wachen verdoppelt und sogar Thronwächter und Söldner wurden eingesetzt um solche niederen Aufgaben wie Patrouillen oder Festnahmen auszuführen. Strafen wurden erhöht und man hing am Galgen für Verbrechen, die normalerweise nur zu einem kurzen Aufenthalt im Kerker führten.
Aaron gähnte müde und massierte sich die Schläfen um den pochenden Schmerz in seinem Schädel zu lindern. Er gab nicht gerne zu dass er alt wurde, doch muss er eingestehen, dass er solche Feiern nicht mehr so gut vertrug wie noch vor 5 Titanen.
„Ich werde wohl zu alt für so was“, murmelte er deprimiert und streckte seine kraftlosen Glieder.
Mit einem lauten Knall, die einigen Passanten erschreckten, wurde die Tür zur Taverne aufgerissen und die Kommandantin der Söldner schritt breitbeinig und mit erhobenem Hauptes heraus. Obwohl sie, wie Aaron beobachtete, am meisten getrunken zu haben schien, sah sie so frisch aus wie der Tau an einem Frühlingsmorgen.
„Guten Morgen, Ma‘am“, grüßte Aaron und salutierte.
„Du siehst scheiße aus“, antwortete sie. „Ich habe ein wenig mehr Trinkfestigkeit erwartet. Enttäuschend.“ Sie ging zu ihrem Pferd und stieg auf.
„Charmant wie immer, Ma’am“, entgegnete Aaron und stieg auf sein eigenes Pferd auf.
„Was gibt es heute zu tun?“, fragte die Kommandantin gelangweilt.
„Patrouille im Vergnügungsviertel und am Hafen, Ma’am.“
„Dann bringen wir es schnell hinter uns.“
„Jawohl!“, antwortete Aaron zackig und sie ritten los.
Ihre Patrouille durch das Vergnügungsviertel verlief schnell und ruhig. Kriminelle wussten, dass im Zeitraum des Neumondfestes hart durchgegriffen wurde und blieben deshalb lieber zu Hause.
Das konnte Aaron nur recht sein, denn er hatte an dem Tag echt keine gute Laune. Er hätte höchstwahrscheinlich jemanden erschlagen nur weil er ihn ansprechen würde. Ab und an wurde er von den leichten Mädchen zugewinkt, wenn er an ihnen vorbeiritt aber er ignorierte sie.
Am Hafen angekommen ritten sie mit ihren Pferden mitten durch die Menschenmasse und beobachteten die Schiffe, die am Dock anlegten und ihre Fracht verluden. Aaron hörte lautes Gebrüll und einen lauter Knall von einer Peitsche. Er schaute in die Richtung aus dem der Lärm kommt und sah wie ein Sklaventreiber eine Reihe von Menschen die Straße hinab, in ihre Richtung scheuchten. Männer, Frauen und Kinder. Ausgemergelt und in Lumpen gehüllt, ein Schatten ihrer selbst mit ausdrucklosen Gesichtern und glasigen Augen stapften sie an ihren Pferden vorbei. Die Ketten an ihren nackten Füßen rasselten mit jedem Schritt und raubten Aaron den letzten Nerv.
Als einer dieser bemitleidenswerten Kreaturen stolperte und hart zu Boden fiel und die ganze Gruppe dadurch ins Stocken kam, rannte der fette Sklaventreiber brüllend und schnaufend auf die am Boden liegende Gestalt und begann diese laut zu beschimpfen und zu treten.
„Du wertloses Stück Scheiße! Auf die Beine mit dir!“
Die Gestalt am Boden wimmerte unter den schweren Tritten des Sklaventreibers und versuchte sich so gut wie möglich zu schützen. Das brachte ihr aber nur noch mehr Gebrüll und Tritte ein.
Die Passanten gingen einfach vorbei und taten so als hätten sie nichts gesehen. Niemand trat ein um etwas zu tun. Nicht mal die Stadtwache, die in der Nähe der Hafenkneipe herumlungerten und sich dieses Schauspiel aus der Ferne anschauten.
Aaron empfand kein Mitleid mit dem Sklaven, sondern eher so etwas wie Belustigung und Neugierde, wie viel Gold er wohl noch auf dem Markt erzielen würde.
Eigentlich wollte er gar nicht einschreiten, doch das Geschrei und Gebrüll des Sklaventreibers nervte ihn zu Tode und gepaart mit seinem schrecklichen Kater brachte es ihm zur Weißglut.
Er sprang vom Sattel und war mit wenigen Schritten hinter dem Sklaventreiber. Aus der Nähe erkannte Aaron, dass es sich beim Sklaven um eine Frau handelte. Eine sehr hübsche dazu. Gleichzeitig erkannte er ein Brandzeichen oberhalb ihrer linken Brust, das zeigte dass die Sklavin Eigentum der Familie Tengenbrek war. Einer der reichsten und mächtigsten Familie Negimas.
Mit einem Ruck zog Aaron den Sklaventreiber nach hinten und verpasste ihm ein Hieb mitten ins Gesicht. Mit einem leisen Knacken hörte er zufrieden wie die ohnehin schon ramponierte Nase des Sklaventreibers wieder einmal gebrochen wurde. Mit tränenden Augen fluchte er ziemlich fantasievoll.
„Wer von euch Pennern hat es gewagt…!?“
Er brach mitten im Satz ab als er Aaron erkannte und sein Abzeichen sah. Sofort hörte er auf zu schreien und zetern und setzte sein schmeichelhaftestes Lächeln auf und verbeugte sich tief.
„Werter Herr, womit habe ich die Ehre eurer…Aufmerksamkeit.“ Er formulierte seine Sätze vorsichtig.
Aaron verschränkt seine Arme und schaute auf ihn herab.
„Ich hab Kopfschmerzen und dein Geschrei von eben hat nicht viel Gutes dazu beigetragen.“
Wieder verbeugte sich der Sklaventreiber tief.
„Bitte verzeiht mein ungehobeltes Benehmen. Doch muss ich solche niedere Kreaturen wie sie bestrafen“. Er zeigte kurz zu der Sklavin. „Sonst lernen sie es nie sich zu benehmen.“
Aaron ging zur Sklavin, die sich hingekniet hatte und immer noch leise weinte. Er hob ihren Kopf blickte ihr direkt ins Gesicht. Sie hatte ein wunderschönes Gesicht und Augen so blau wie das Eis, goldene Haare die von Dreck verkrustet waren. Sie schaute zurück, voller Trotz und Stolz.
„Ah, eine aus den nördlichen Provinzen. Vielleicht sogar einer dieser Schildmaiden, von denen man sooft hört. Man munkelt, dass ihr stolz seid wie Löwe und stur wie ein Esel aber sobald man euren Willen gebrochen hat, seid ihr nicht besser als jede andere Straßendirne.“
Ein fieses Lächeln zeichnete sich auf Aarons Gesicht, während die Sklavin ihn voller Abscheu anstarrte
„Oh, ihr seid wohl ein Kenner auf diesem Gebiet und es scheint mir, dass sie es euch angetan hat. Doch so leid es mir tut, sie steht nicht zum Verkauf.“ Der fette Sklaventreiber hatte sich das Blut abgewischt und seine Nase ein wenig zurecht gerückt.
Aaron schnaubte verächtlich und warf ihren Kopf zur Seite.
„Sie ist Eigentum der Familie Tengenbrek. Und die sind sehr zimperlich mit ihrer Ware. Ich an deiner Stelle würde mich ein wenig zurückhalten. Und jetzt verschwindet endlich.“
„Jawohl, Herr. Vielen Dank, Herr.“ Er verbeugte sich noch ein paar Male und trieb die Sklaven Richtung Marktplatz.
„Wirst du auf deinen alten Tagen sentimental, oder was?“, fragte die Kommandantin abfällig.
„Nein, Ma’am. Mir ging der Fettsack nur auf die Nerven“, antwortete Aaron stieg zurück aufs Pferd.
„Schade, dass die Sklavin schon den Tengenbrek gehört. Ich hätte ihren Willen mit Freuden gebrochen um dann ein wenig Spaß mit ihr zu haben“, fuhr er enttäuscht fort.
Seine Kommandantin lächelte kalt und wollte zu Antwort ansetzen als sie das Gewitter bemerkte, die auf dem offenen Meer tobte. Schwarze, bedrohliche Wolken. Blitze die durch den Himmel zuckten und Donnergrollen.
„Wieder ein Sturm?“, fragte sie argwöhnisch. „Aaron, irgendetwas Ungewöhnliches?“
„Nein, Ma’am. Keine Anzeichen von Magie, die Stigmas schlagen nicht aus und ich spüre auch nichts Abnormales“, erwiderte Aaron zackig und holte die Stigmasteine hervor. Bei Anzeichen von Magie fingen diese Steine an zu leuchten und warm zu werden, doch jetzt sind sie nur blass und kalt.
„Hm, dann doch nur ein Tropensturm?“, fragte sich die Kommandantin mehr zu sich selbst.
„Ma’am, wir haben keine Zeit mehr uns darüber den Kopf zu zerbrechen.“ Aaron schaute auf seine Uhr. „Euer Treffen mit dem Kommandant der Stadtwache ist 30 Minuten.“
„Verstanden. Gehen wir.“
Sie wendeten ihre Pferde und ritten Richtung Kaserne.