Das Fest war in vollem Gange. Alkohol floss literweise, chemische und natürliche Aufputschmittel wurden zu sich genommen als wären es Süßigkeiten. Die Menschen sangen, tranken und feierten als gäbe es keinen Morgen und Aarons Meinung nach gab es für einige der Feiernden tatsächlich keinen Morgen, so wie sich vollstopfen.
Damit die Feiernden in Ruhe ihren eigenen Körper zerstören konnten, patrouillierten die Bluthunde gemeinsam mit der Stadtwache in den unteren Bezirke der Stadt, wo die „normalen“ Bürger feierten, während die Thronwächter die Adelsbezirke bewachten.
Aarons Gruppe, angeführt von der Kommandantin der Bluthunde höchstpersönlich, bestand aus einem halben Dutzend Männer und Frauen der Stadtwache verstärkt durch einige Mitglieder der Söldner. Ihre Aufgabe war es die Umgebung des Markplatzes, die in der Nähe des Vergnügungsviertels lag und somit zu den Plätzen gehörten, wo es die meisten Feiernden gab, zu patrouillieren und für die Sicherheit zu sorgen.
Doch das war einfacher gesagt als getan, denn die Menschen haben sich so in Ekstase gefeiert, dass sie ihre Umgebung nicht mehr wahrnehmen konnten und die Patrouille gar nicht bemerkten.
Nur die Kommandantin kam einigermaßen gut durch, da sie auf ihrem Pferd einfach durch die Menschenrassen ritt und für Sekundenbruchteile eine Gasse bildete in denen sich die Bluthunde bewegen konnten. Die Männer und Frauen der Stadtwache, die ihnen zu Fuß folgen mussten hatten nicht so viel Glück. Sie mussten sich mit Gewalt durch Menschen quetschen und gleichzeitig aufpassen, dass sie die Feiernden nicht verletzten.
Einer der Wachen, ein junger Mann mit kurzen braunen Haaren und einem freundlichem Gesicht, schnaufte und hechelte die ganze Zeit der Truppe hinterher. Aaron merkte wie ihm die Schweißperlen das Gesicht hinabrannten und von seinem Kinn tropften und seine Augen nervös, beinahe schon panisch, sein Umfeld absuchten.
„Na toll,“ dachte sich Aaron, „ein Anfänger.“
Doch der junge Wachmann war nicht der einzige. Seine genauso junge Kollegin zwei Reihen weiter vorne hatte genau den gleichen Gesichtsausdruck und sogar einige der älteren Wachen blickten sich nervös um.
Aber nicht ohne Grund, denn jeder weiß dass es während der Festivitäten immer wieder zu Schlägereien zwischen den Feiernden kam, wo auch manche Stadtwachen schwer verletzt werden.
Viele betrachten das Neumondfest als eine Art Feuertaufe und man war erst ein vollwertiges Mitglied der Wache wenn man die Festtage ohne größere Verletzungen überstand.
Plötzlich hörten sie einen Schrei hinter sich. Einige Feiernden hörten auf zu tanzen blickten in die Richtung aus dem der Tumult stammt.
Die Kommandantin wendete sofort ihr Pferd und fragte mit lauter aber klarer Stimme: „Was ist los?“
Keiner wusste es, bis einer Wache, ein älterer Mann mit sonnengegerbter Haut und einer tiefen Narbe quer übers Gesicht, aufmerkte und sich beunruhigt umsah.
„Was ist los?“, fragte die Kommandantin noch einmal.
„Es scheint als wäre dort hinten etwas passiert“, antwortete diesmal einer der Bluthunde.
„Vergen? Vergen!“, hörten sie plötzlich den alten Wachmann rufen, „Wo ist er hin?“
Erst jetzt bemerkten sie dass einer ihrer Kameraden fehlten.
Aaron sah sich um und stellte fest, dass der junge Wachmann mit den kurzen braunen Haaren verschwunden ist.
Ohne lange zu zögern befahl die Kommandantin der Gruppe ihr zu folgen und ritt voraus.
An einer Seitengasse hatte eine Gruppe Schaulustige versammelt die sofort beiseitetraten als die Patrouille dort eintraf.
Was sie dort sahen, war etwas was niemand erwartet hätte.
Der junge Wachmann lag stöhnend auf den Boden und neben ihm eine junge Frau, die völlig zu gedröhnt und breit lächelnd auf den Boden saß. Man konnte schon von weitem erkennen, dass sie einige Mittelchen genommen hatte um ihre Freude zu steigern, denn sie blutete aus einer Wunde am Kopf, die sie sich wahrscheinlich zugezogen hatte als sie hinfiel. Obwohl die Wunde stark blutete, schien sie es nicht zu bemerken, denn sie johlte vergnügt und fuchtelte mit ihren Armen in der Luft herum.
Mit einem Satz war der alte Wachmann bei seinem liegenden Kameraden und half ihm auf die Beine.
„Was ist passiert?“, fragte er aufgeregt.
„Ich…Ich weiß nicht genau“, antwortete der Rekrut benommen.
„Ich bin kurz stehengeblieben um meinen Kürass zu richten. Als ich wieder aufschaute wart ihr weg. Ich versuchte mich durch die Menschenmenge zu quetschen aber es waren so viele und sie drängelten mich zum Straßenrand. Aus Panik war ich wohl ein wenig zu grob und bin in die gute Frau da reingerannt. “ Er zeigte auf die immer noch am Boden sitzende Frau, die scheinbar nichts von alldem mitbekam. Der Sergeant der Wache befahl ihrem Medicus sich um die Frau zu kümmern und die Schaulustigen zu verscheuchen.
Aaron schüttelte nur enttäuscht seinen Kopf. Er hatte auf ein gute Schnetzerei oder zumindest einen guten Faustkampf gehofft aber dann erinnerte er sich, dass niemand so töricht wäre während des Festes irgendwas Dummes anzustellen.
„Nichts Spannendes. Nur ein Fehlalarm“, berichtete er seiner Kommandantin.
Sie nickte stumm und befahl die Fortführung der Patrouille sobald die Frau versorgt war.
Während dieser Zeit beobachtete sie eine vermummte Gestalt ganz in schwarz gekleidet und das Gesicht tief im Schatten seines Kapuzenmantels verborgen.
Als eine Wache auf ihm aufmerksam wurde und auf ihn zuging, setzte sich die fremde Person auf einmal in Bewegung und schritt Richtung Kommandantin. Er ignorierte die Rufe der Wachen, ignorierte die Warnungen und stoppte erst als Aaron sich ihm mit gezogener Waffe entgegenstellte.
Ohne zu zögern griff der Vermummte in seine Manteltaschen und Aaron glaubte schon er wollte eine Waffe ziehen, als er ein fein verziertes Totenkopfmedaillon hervorzog.
Aaron kannte dieses Medaillon und wusste sofort wen er vor sich hatte. Der Unbekannte steckte das Schmuckstück wieder zurück und schritt ohne Aaron eines Blickes zu würdigen an ihm vorbei.
Das machte ihn stinksauer, doch er wusste das dieser Mann unantastbar war.
Aaron sah wie er der Kommandantin einen versiegelten Brief übergab, sich umdrehte und zwischen den Menschenmassen verschwand.
Er steckte sein Schwert zurück in die Scheide und begab sich an die Seite der Kommandantin.
Sie las den Brief mit ausdrucksloser Miene und Aaron kannte sie lange genug um zu wissen, dass der Brief ganz und gar nicht gute Neuigkeiten brachte.
Wortlos übergab sie ihm den Brief und Aarons Miene verdunkelte sich je mehr er las.
„Die Jäger brauchen uns wieder“, sagte sie grimmig, doch auf einmal lächelte sie bedrohlich und ein Funke war in ihren Augen zu sehen. „Ruft die Bluthunde zusammen. Es gibt eine Jagd.“
Aarons Laune wurde schlagartig besser als er das Wort „Jagd“ hörte.
„Wie Ihr befiehlt!“
Er verneigte sich kurz und tauchte in der Menschenmasse unter.