"Worauf wartest du? Samantha wartet sicherlich auf uns." Reyd zögerte. Er blickte weiter auf das Gras vor sich und seufzte. Langsam stand er auf, packte seine Sachen und sah Tirana an. Bevor er den ersten Schritt machte sagte er zu ihr,
"Sie ist ein Mensch, genau wie du. Also behandle sie nicht von oben herab." Wütend ging er an ihr vorbei ohne ihr auch nur einen Blick zu schenken. Sie hingegen sah immernoch überrascht zu der Stelle an der Reyd eben noch stand. Sie drehte sich um und musste einige Schritte aufholen, denn er wartete nicht wie erwartet auf sie.
"Ehm, was? Aber ich hab doch nur gesagt,..." Bevor sie zu Ende reden konnte unterbrach er sie.
"Geschöpf? Ja das hast du gesagt und es war abwertend gemeint. Lass sowas! Verstanden?" Er war stehen geblieben um ihr das ins Gesicht sagen zu können. Er hatte immernoch einen wütenden Gesichtsausdruck und Tirana wirkte verunsicher.
"J..Ja." Sie senkte ihren Blick und ging dann weiter. Es herrschte ein langes, unangenehmes Schweigen. Erst an den Toren zur Stadt ergriff er wieder das Wort. Mit ruhiger Stimme begann er zu erklären.
"Sie hat sich noch nicht bei dir bedankt. Ja. Aber ich denke, dass wird sie so bald auch nicht machen. Wenn sie es überhaupt jemals tut. In der Zeit, inder du dich vom Kampf erholt hast, hatte ich Gelegenheit sie besser kennenzulernen. Und auch wenn ich niemals behaupten würde sie wirklich zu verstehen, hab ich doch schnell erkannt was in ihr vorgeht. Ich weiß nicht genau was sie durchgemacht hat, aber es war schlimm. Schlimm genug um etwas Gutes und Schönes in ihr zu zerstören. Sie ist unfreundlich und frech, arrogant und überheblich. Mag sein. Aber in Wirklichkeit ist das nur eine Fassade. Eine brüchige Fassade. Das es ihr nicht wirklich gut geht, müsstest du ja gemerkt haben. Denn ihr Charakter ist offensichtlich....wie soll ich sagen....Sie ist nicht die Person, die sie vielleicht gerne wäre. Verstehst du was ich meine?" Von Tirana kam als Antwort nur ein Nicken.
Reyd fuhr fort.
"Sie tut mir leid, und ich möchte ihr helfen. Deswegen will ich nicht dass du auf sie herabblickst. Wer weiß, womöglich gibt sie irgendwann nach und kann wieder sie selbst sein. Ich weiß nur, dass die Samantha die wir kennen eher eine Rolle ist, die dazu dient sich selbst zu beschützen. Sie hat kaum Vertrauen. Zu niemandem. Selbst wenn ich denke, dass ich sie erreichen konnte zeigt sie mir nur zu schnell dass es nicht so einfach ist. Was sie im Moment wohl am dringensten braucht sind Freunde. Menschen denen sie vertrauen kann. Denen sie vertrauen kann ohne zu jedem Zeitpunkt Angst haben zu müssen enttäusch, hintergangen oder verkauft zu werden. Eigentlich ist sie doch nur ein nettes, kleines Mädchen, dass auf stark macht weil sie Angst hat. Und das kann ich nur zu gut verstehen. Glaub mir, ich war anfangs auch enttäuscht über ihr Verhalten. Aber ich bitte dich inständig, gib sie nicht auf. Gib ihr die Möglichkeit ihre Taten wieder gutzumachen und urteile dann erst über sie. Tu mir bitte diesen einen Gefallen, ja? " Nach langer Zeit sah er sie wieder an. Während Reyd auf sie einsprach hatte sie nachdencklich auf den Boden gestarrt. Jetzt hob sie den Blick endlich wieder, lächelte ein wenig und nickte dann.
"Ja."
Reyd lachte kurz.
"So wie ich sie kenne wartet sie schon auf uns und ist wütend." Das Lachen verschwand.
"Tut mir leid wenn ich vorhin wütend geworden bin." "Schon gut, irgendwie verstehe ich was du gemeint hast." Die Beiden lächelten sich an und Reyd legte im Gehen einen Arm um ihre Schulter. Er zog sie zu sich und drückte sie leicht während sie die Straße zum Gasthaus entlang gingen. Er flüsterte ihr ein Danke zu und ließ dann wieder los.
"Beeilen wir uns bevor die Kleine wirklich wütend wird." Er beschleunigte seinen Gang während Tirana etwas zurückfiel und ein leises "Bitte" flüsterte.
Reyd kam, gefolgt von Tirana, die Treppe zum Zimer hoch und sah Samantha schon im Gang sitzen. Geduldig wartete sie darauf dass man ihr endlich das Zimmer aufschloss als der Schlüssel krachend vor ihren Füßen landete. Sie zuckte zusammen und sah dann empört zu Reyd der breit grinsend auf sie zu kam. Auch Tirana grinste.
"Sagmal bist du blöd? Willst du mich umbringen?" Samantha schnaufte wütend während sie Reyd anfuhr.
"Ach, ich bezweifle dass dieser Schlüssel genug wäre um deinen Dickschädel zu zertrümmern." Sprachlos und noch empörter als zuvor sah sie ihn an.
"Pff... was auch immer. Ich bin müde und will ins Bett!" Reyd wusste, dass er mit dem Feuer spielte, aber er konnte es nicht unterlassen.
"Darf ich dir beim umziehen zuschaun?" Samantha verstand dass es nicht ernst gemeint war und er sie nur ärgern wollte. Sie funkelte ihn wütend an und knallte ihm und Tirana dann die Tür vor der Nase zu. Die Beiden lachten.
"Gut, ich hol mir dann wohl mal ein Zimmer. Ich denke auch ich hab mir eine Nacht in einem Bett verdient oder etwa nicht? Also dann, ich wünsch dir eine angenehme Nacht." Er zwinkerte ihr zu und ging dann wieder die Treppe hinab bevor Tirana wirklich etwas sagen konnte. Sie verschwand auch kurz darauf in ihrem Zimmer indem Samantha schon seelenruhig schlief.
In seinen Zimmer legte er erstmal vorsichtig sein Schwert auf den Tisch und strich dann sanft über den Mantel. Er war wirklich glücklich es endlich wieder zu haben. Zu seiner Überraschung meldete sich Anima zu Wort.
"Der Platz vor der Tür ist wohl doch keine Dauerlösung, was? Er schmunzelte. Die vergangen Nächte hatte er im Zimmer mit Samantha und Tirana verbracht. Nacht um Nacht saß er im Zimmer vor der Tür. Samantha gefiel das anfangs garnicht, aber irgendwann gab sie nach und ließ ihn in Ruhe. Ihm war einfach wohler dabei zu wissen dass die Beiden sicher waren. Jetzt wo Tirana wach war, machte er sich da weniger Gedanken.
"Gute Nacht Anima." "Gute Nacht." Erschöpft fiel er ins Bett. Er vergaß allerdings die Tür abzuschließen. Anima würde ihn schon wecken sollte irgendjemand versuchen ins Zimmer zu kommen. Mit dem Gefühl des weichen Bettes unter sich schlief er schnell ein.